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Full text of "Das Röntgen-Verfahren mit besonderer Berücksichtigung der militärischen Verhältnisse"

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BOSTON 

Medical  Library 


8  THE  FENWAY 


Boston  Medical  Library 
in  the  Francis  A.Countway 
Library  of  Medicine  -Boston 


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Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2011  with  funding  from 

Open  Knowledge  Commons  and  Harvard  Medical  School 


http://www.archive.org/details/dasrntgenverfahrOOstec 


Bibliothek  v.  Coler. 

Sammlung  von  Werken 

aus  dem 

Bereiche  der  medizinischen  Wissenschaften 

mit  besonderer  Berücksichtigung 

der  militärmedizinischen  Gebiete. 

Herausgegeben    von 


Jö,-'& 


0.  Schjerning. 


Band  18. 
Das  Röntgen -Verfahren 

mit  besonderer  Berücksichtigung"  der  militärischen  Verhältnisse. 

Von 
Dr.  Stechow, 

Generalarzt   und  Korpsarzt  des  X.  Armeekorps. 


Berlin  1903. 

Verlag  von  August  Hirschwald. 

NW.    Unter  den  Linden  68. 


Das 

Röntgen  -Verfahren 

mit  besonderer  Berücksichtigung 

der  militärischen  Verhältnisse. 


Von 


Dr.  Stechow, 

Generalarzt  und  Korpsar/t  des  X.  Armeekorps. 


Mit  91  Abbildungen. 


Berlin  1903. 

Verlag  von  August  Hirschwald. 


NW,  Unter  den  Linden 


y.  $U£ 


Vorwort, 


Mit  sicherem  Gefühl  hatte  die  Meclizinal-Abteilung  des 
Kriegsministeriums  sofort  die  Bedeutung  von  Röntgen's 
wunderbarer  Entdeckung  erkannt  und  mit  vorausschauendem 
Blick  ohne  Zögern  die  Mitarbeit  militärischer  Dienststellen 
auf  diesem  Gebiete  angeordnet.  So  konnte  hier  von  Anfang 
an  der  Entwicklungsgang  verfolgt,  die  Eigentümlichkeiten  mili- 
tärischer Verhältnisse  erforscht,  die  besten  Methoden  für  die 
sich  hier  darbietenden  besonderen  Aufgaben  aufgesucht  werden. 
Daß  die  ersten  Zeiten  in  angestrengter  Arbeit  nicht  ohne 
mannigfache  Schwierigkeiten  und  Enttäuschungen  verliefen,  ist 
erklärlich.  Waren  doch  zunächst  die  Apparate  unzulänglich, 
das  Gebiet  für  die  Verwendung  der  X-Strahlen  unbekannt, 
die  Fragestellung  unsicher,  die  Methoden  der  Darstellung  nicht 
ausgebildet.  In  überraschend  kurzer  Zeit  jedoch,  im  Laufe 
weniger  Jahre,  war  die  anfängliche"  Unsicherheit,  das  Unzu- 
reichende aller  an  dem  Verfahren  beteiligten  Faktoren  ge- 
schwunden. Die  Apparate  erlangten  rasch  einen  hohen  Grad 
von  Leistungsfähigkeit  und  Zuverlässigkeit,  eine  Uebersicht  über 
die  unter  militärischen  Verhältnissen  vorkommenden  Befunde 
wurde  gewonnen,  endlich  wurden  die  Methoden  der  Unter- 
suchung und  Darstellung  systematisch  klargelegt  sowie  einfache, 
leicht  zu  handhabende  und  sichere  Ergebnisse  liefernde  Ver- 
fahren ausfindig  gemacht. 

Die  vorliegende  Arbeit,  hervorgegangen  aus  den  Er- 
fahrungen, welche  bei  Leitung  zweier  und  bei  Einrichtung 
mehrerer  anderer  Röntgenkabinette  gewonnen  wurden,  gibt  daher 
ein  Bild  sowohl  von  der  Entwicklung  der  Methode  in  den 
Militärlazaretten  als  auch  von  dem  dort  bis  jetzt  erreichten 
Grad  ihrer  Ausbildung.  Daß  in  den  Militärlazaretten  die 
überraschend  schnellen  Fortschritte  der  Technik  stets  alsbald 


VI  Vorwort. 

nutzbar  gemacht  und  in  jährlich  steigendem  Maße  zahlreiche 
Garnisonen  mit  den  wertvollen  Apparaten  ausgerüstet  werden 
konnten,  ist  der  unausgesetzten  energischen  Förderung  von 
Seiten  der  Zentralstelle  zu  verdanken,  welche  hierdurch  von 
Anfang  an  dem  deutschen  Heere  einen  wesentlichen  Vor- 
sprang vor  anderen  Armeen  gesichert  hat. 

In  dem  Nachfolgenden  soll  dem  Sanitätsoffizier  eine 
Uebersicht  über  den  Werdegang  der  Untersuchungsmethode, 
ihre  jetzige  Entwickelung,  vor  allem  aber  sichere  Fingerzeige 
für  sein  eigenes  praktisches  Arbeiten  gegeben  werden.  Es 
konnten  nicht  alle  Verfahren  aufgezählt  werden,  welche  auf 
dem  Wege  über  die  richtige  Fragestellung,  eine  einfache  aber 
sichere  Technik  und  brillante  Bilder  zu  dem  Endziel  aller 
x4.nstrengungen,  der  richtigen  Diagnose,  führen.  Angestrebt 
wurde  aber,  alle  •  Apparate  und  Methoden  so  einfach  zu  be- 
handeln, class  ein  Mißgriff  oder  Fehlschlagen  beim  praktischen 
Arbeiten  möglichst  ausgeschlossen  ist.  Man  darf  sicher  sein, 
daß  bei  genauer  Beachtung  der  hier  gegebenen  Vorschriften 
die  erreichten  Resultate  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen. 

Ohne  Zweifel  ist  die  gründliche  Kenntnis  und  sichere 
Beherrschung  des  Röntgen- V erfahr ens  .  heutzutage  für  jeden 
Sanitätsoffizier  notwendig,  ja  im  Hinblick  auf  die  im  Kriege 
an  jeden  herantretenden  Anforderungen  fast  unentbehrlich.  Es 
wird  daher  ein  weiteres  Studium  den  Leistungen  nur  förderlich 
sein.  Von  einem  besonderen  Literaturverzeichnis  wurde  ab- 
gesehen, auf  alles  Wichtige  ist  in  den  Anmerkungen  hinge- 
wiesen. Eine  recht  genaue  Uebersicht  der  Literatur  findet 
man  bei  Gocht,  Lehrbuch  der  Röntgentechnik,  Ferdinand 
Enke  1898,  und  bei  Büttner  u.  Müller,  Technik  und  Ver- 
wendung der  Röntgen 'sehen  Strahlen,  Knapp  1900,  ferner 
fortlaufend  in  den  Fortschritten  auf  dem  Gebiete  der  Röntgen- 
strahlen. Auf  die  letzte  bemerkenswerte  Veröffentlichung  von 
Albers-Schönberg,  Die  Röntgentechnik,  Gräfe  u.  Siilem 
1903,  welche  erst  nach  Fertigstellung  der  vorliegenden  Arbeit 
erschien,  kann  hier  nur  hingewiesen  werden. 

Den  Herren  Professor  Raps,  Ober-Ingenieur  Rasehorn 
und  Ingenieur  R  od  de  bin  ich  für  ihre  liebenswürdige  Unter- 
stützung bei  Abfassung  des  technischen  Teiles  zu  auf- 
richtigem Dank  verpflichtet. 

Dr.  Stechow. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

1.  Geschichte  .     .     . 1 

Röntgen's  Entdeckung.  Die  vorhergehenden  dazu 
führenden  Erkenntnisse.  Induktion,  Entladungen  in  gewöhn- 
licher Luft,  in  verdünnten  Gasen,  Geissler'sche  Röhren, 
Crookes'sche  Röhren,  Kathodenstrahlen,  Lenard,  Gold- 
stein. Röntgenstrahlen,  Entstehung,  Eigenschaften,  Natur 
der  X.-Strahlen,  Messung  der  Intensität,  AVirkungen.  Ein- 
führung der  Apparate  in  die  Armee.  Ausstattung  der  Gar- 
nisonlazarette. 

2.  Apparate 27 

I.   Der  Induktor 27 

Wesen  und  Zweck  des  Induktors.  Technischer 
Aufbau,  primäre  Spule,  sekundäre  Spule,  Eisenkern. 
Wirkung  der  einzelnen  Teile  aufeinander  beim  Betrieb, 
Schließungs-  und  Oeffnungsstrom,  Funkenbildung,  Kon- 
densator, Spannungen  im  sekundären  Stromkreis.  Größe 
der  Induktoren  für  militärische  Zwecke. 

II.   Der  Unterbrecher 39 

Selbsttätige  Unterbrechung  des  Stromes. 

A.  Einfache  Unterbrecher 39 

Wagner' scher  Hammer,  Deprez-,  Queck- 
silber-Unterbrecher, Interruptor  von  Poucault, 
Quecksilber -Wippe  von  Siemens  &  Halske. 

B.  Motorunterbrecher 46 

Spitzenrad  von  Hofmeister,  von  Haus- 
wald,  von  Thor  Stenbeck  und  Balke.  Unter- 
•  brecher  mit  Elektromotor  und  Exzenter  von 
Siemens  &  Halske,  Max  Kohl,  Ernecke, 
Voltohm -Gesellschaft,  Hirsch  mann,  Dr. 
Lew.  Edison. 


VIII  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

C.  Turbinenunterbrecher 55 

Konstruktion  der  Allgemeinen  Elektri- 
zität s  -  G e s e  1 1  sc h a f t  für  Gleichstrom  und 
für  Wechselstrom,  Quecksilberstrahlunterbrecher 
nach  Dr.  Levy,  Zentrifugen -Quecksilberunter- 
brecher und  rotierender  Unterbrecher  mit  Gleit- 
kontakten von  Hirschmann. 

D.  Elektrolytische  Unterbrecher      ....       62 

nach  Wehnelt,  nach  Simon.  Konstruk- 
tionen von  Siemens  &  Halske,  Hirschmann. 

III.  Die  Stromquelle 72 

Akkumulatoren,  Prinzip,  Aufbau,  Laden,  Wartung. 
Gleichstrom.  Wechselstrom.  Gleichrichtung  desselben. 
Graetz'sche  Zellen.  Apparat  von  Pollak.  Grisson- 
Gleichrichter.  Influenzmaschinen.  Stromerzeugung 
mittelst  kleiner  Kraftmaschinen. 

IV.  Die  Röntgenröhren 87 

Die  ersten  Formen.  Anbringung  der  Antikathode. 
Jetzige  Formen.  Metallschirm  von  Hirschmann.  Kon- 
struktion von  Wood.  Nebenkugeln  mit  Gas  haltenden 
Substanzen,  Röhrchen  von  Palladium,  Kapillarrohr. 
Selbstregulierende  Röhren  von  Müller,  Hirschmann. 
Abkühlbare  Röntgenröhren,  Metall-,  Wasser-,  Oelkühlung. 
Punktförmige  Erzeugung  der  X-Strahlen.  Einpolige 
Röntgenröhren.     Ventilröhren. 

V.  Der  Leuchtschirm 103 

Bariumplatincyanürschirm ,  Kryptoskop.  Verstär- 
kungsschirm. 

3.  Photographie .     106 

Geschichtliches:  Johann  Heinrich  Schulze,  Nicc- 
phöre  Niepce,  Daguerre,  Petzval,  Einführung  der 
Glasplatte  durch  Niepce  de  St.  Victor,  des  Collodiums 
durch  Le  Gray,  Harrison,  Dr.  Maddox,  Trockenplatte 
mit  Gelatine,  Films.  Entwickler.  Die  lichtempfindlichen 
Silbersalze. 

Negativverfahren 111 

Physikalische  Entwicklung. '  Nasse  Platten.  Her- 
stellung der  Trockenplatten,  farbenempfindliche  Platten. 
Chemische  Entwicklung  der  Trockenplatte,  saure  —  al- 
kalische, harte  —  weiche.  Gang  der  Entwicklung, 
stufenweiser  Aufbau  des  Bildes,  Beurteilung  der  Dichtig- 
keit. Ueberexposition,  Unterexposition.  Besonderheiten 
der  Röntgennegative.  Vorsichtsmaßregeln  beim  Ent- 
wickeln, Films,  Doppelfilms.  Die  einzelnen  Entwickler. 
Eisenoxalat.  Organische  Entwickler,  Pyrogallol,  Hydro- 
chinon,     Metol,     Rodinal,     Glycin.       Standentwicklung, 


Inhaltsverzeichnis.  IX 

Seile 

Schaukelapparate.  Gleichzeitiges  Entwickeln  und  Fixieren. 
Fixieren  der  Platten.  Wässern.  Härten.  Trocknen. 
Abputzen.  Verstärken.  Abschwächen.  Lackieren.  Re- 
touchieren.     Signieren    und  Aufbewahren   der  Negative. 

Positivverfahren 135 

Auskopierverfahren ,  ChlorsiLberkopicen.  Wässern, 
Tonen,  Fixieren,  Tonfixierbad.  Zurechtschneiden,  Auf- 
kleben, Satinieren.  Kopierverfahren  mit  Entwicklung. 
Diapositive.     Pausen. 

4.  Die  Einrichtung'  der  Röntgenstation       .     .     .     .     .     143 

Aufnahmezimmer 143 

Lage  der  Station,  Dunkelkammer,  Zimmer  zur  Fertig- 
stellung der  Bilder.  Apparate  für  die  Aufnahmen,  Tische, 
Stative,  besondere  Apparate,  um  gleichmäßige  Aufnahmen  zu 
sichern,  Schrauben,  Winkel,  Fußklotz,  Metallzahlen,  ana- 
tomische Werke,  Skelett.  Bleiblenden  und  Platten.  Schutz 
gegen    die    X-Strahlen.     Buchführung    über    die    Aufnahmen. 

Einrichtung  der  Dunkelkammer 161 

Die  rote  Laterne«  Seite  für  trockene  Arbeiten, 
Bleibekleidung  der  Wand,  Kassetten,  Plattentaschen. 
Seite  für  nasse  Arbeiten,  Wasserleitung,  Wanne  zum 
Entwickeln,  zum  Wässern.  Flache  Schalen,  Kuvetten 
zur  Standentwicklung,  Plattenböcke,  Waage,  Mensuren, 
Gaskocher,  Diamant. 

Zimmer  zur  Fertigstellung  der  Bilder    ....     173 

Beschneiden,  Satinieren,  Aufbewahrung  der  Platten. 

5.  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen     .     .     175 

Verwendung  zu  diagnostischen  und  therapeutischen 
Zwecken.  Anwendung  auf  Mineralien,  Planzen,  den  tierischen 
und  menschlichen  Körper.  Art  der  Untersuchung,  Schwierig- 
keiten bei  der  Deutung  der  erhaltenen  Schattenbilder.  Ueber- 
lagerung  der  durch  zentrale  Projektion  entstehenden  Bilder. 
Entfernung  der  leuchtenden  Röhre.  Erkennung  minimaler 
Abweichungen  von  der  Norm.  Gleichzeitige  Aufnahme  der 
gesunden  Seite.  Schema  für  Aufnahmen  der  gewöhnlichen 
Fälle.  Größe  und  Qualität  der  photographischen  Platten, 
Films,  Expositionszeit.  Aufnahme  in  zwei  auf  einander  senk- 
rechten Richtungen.  Besondere  Maßnahmen  für  den  Kopf, 
Hals,  Brustkorb,  Bauch.  Becken  (Steine),  Oberarm,  Ellenbogen- 
und  Handgelenk,  genaue  äußere  Untersuchung,  Finger,  Hüft- 
gelenk, Oberschenkel  (Reitknochen),  Kniegelenk  (Sesambein), 
Fußgelenk,  Füße.  Besondere  Methode  für  seitliche  Auf- 
nahmen. Fußgeschwulst,  Brüche  der  Mittelfußknochen,  Breit- 
haupt,  Weissbach,  Pauzat,  Poulet,  Martin,  Ritters- 
hausen, Stechow,  Schulte,  Kirchner,  Busquet, 
Boisson  und  Chapotot,  Nimier,  Thiele,  Muskat, 
Meiser,    Thalwitzer,   BJechcr,  Schmitz,  Schipmann. 


X  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

Befunde    bei  Röntgenaufnahmen,    Behandlung  ohne  Röntgen- 
untersuchung.    Os  mtermedium  cruris. 

Bestimmung  der  Lage  von  Fremdkörpern.  Punktograph. 
Verfahren  von  Mackenzie,  Schür may er.  Stereoskopische 
Aufnahmen  Lambertz,  Hildebrand,  Chabaud,  Walter. 
Stereoskopische  Betrachtung,  Apparat  der  Allgem.  Elektr.- 
Gesellschaft,  von  Reiniger,  Gebbert  &  Schall.  Ge- 
winnung scharfer  Bilder  von  den  Organen  des  Brustkorbes. 
Senkrechte  Projektion  mit  einem  Normalstrahlcnbündel, 
Apparat  von  Beim,  Orthodiagraph  von  Moritz,  Guille- 
minot,  Siemens  &  Halske,  Hirschmann,  der  Allge- 
meinen Elektrizitäts-Gesellschaft.  Sichtbarmachung 
einer  Einschnittswunde  durch  eingelegte  Bleiplatte. 

Beurteilung  vorgefundener  Veränderungen  .  .  241 
Schädiguflgen  durch  Röntgenstrahlen  .  .  .  .  244 
Therapeutische  Verwendung 247 

6.   Transportable  Röntgeneinrichtungen 250 

Verwendung  im  Frieden.  Apparate  für  Kriegszwecke, 
Ort  ihrer  Verwendung-  und  Mitführuno;. 


1.  Geschichte. 


Völlig  unvermutet  wurde  im  Herbst  1895  von  Wilhelm 
Kein- ad  Röntgen,  Professor  der  Physik  in  Würz  bürg,  eine 
neue  Art  von  Strahlen  aufgefunden,  welche  mit  wunderbaren 
Eigenschaften  begabt,  ihrer  Natur  nach  aber  zunächst  voll- 
kommen rätselhaft  waren..  Aus  letzterem  Grunde  gab  ihnen 
der  Entdecker  vorläufig  den  Namen  X-Strahlen.  Die  über- 
raschte und  infolge  der  bald  sich  herausstellenden  hervor- 
ragenden praktischen  Verwertbarkeit  ausnahmsweise  dankbare 
Mitwelt  nannte  sie  jedoch  alsbald  Röntgenstrahlen.  Wrar 
diese  Entdeckung  auch  keineswegs  das  Resultat  planmäßiger 
vorausschauender  Untersuchungen,  so  baute  sie  sich  doch  auf 
einer  Reihe  von  Tatsachen  auf,  welche  notwendiger  Weise 
vorher  bekannt  sein  mußten,  bevor  diese  neue  Strahlenart 
in  die  Erscheinung  treten  konnte.  Es  erscheint  unerläßlich, 
den  Weg  zu  betrachten,  welcher  vorher  zurückzulegen  war, 
ehe  die  Menschheit  in  den  Besitz  dieser  ihren  Aktionsradius 
mit  einem  Schlage  zauberhaft  erweiternden  Strahlen  gelangen 
konnte. 

Michael  Faraday1),  der  Schmiedsohn,  den  sein  Genie 
vom  einfachen  Buch  bin  clergehülfen  zum  größten  Elektriker 
des  19.  Jahrhunderts  führte,  hatte  1831  die  Erscheinungen 
und  Gesetze  der  Induktion  aufgefunden.  Aus  diesen  Ent- 
deckungen waren  im  Laufe  der  nächsten  Jahrzehnte  die  heute 
allbekannten  Induktionsapparate  hervorgegangen,  von  denen 
die    kleineren    zu    medizinischen  Zwecken  gebraucht  wurden, 


1)  Michael  Faradays  Leben  u.  Wirken  von  Silvanus  P.Thomp- 
son, übersetzt  von  Agathe  Schütte  und  Heinrich  Dannehl. 
Halle  a/S.  1900. 

Stechow,  Das  Rönteen-Verfaliren.  1 


2  Geschichte. 

während  die  größeren  mächtigen  Apparate,  wie  .sie  zuersi 
Rühmkorff1)  in  Paris,  später  Stöhrer-Dresden  in  ver- 
besserter Form  lieferte,  nur  in  physikalischen  Laboratorien 
und  etwa  noch  in  Schaustellungen  Verwendung  fänden.  Noch 
heute  sind  derartige  Apparate  gebrauchsfähig,  und  auch  die 
X-Strahlen  sind  von  Röntgen  mit  Hülfe  eines  Original- 
RühmkorfT  entdeckt. 

Der  Induktionsappat  besteht  bekanntlich  dem  Prinzip 
nach  nur  aus  zwei  in  einander  gesteckten  Rollen  von  iso- 
liertem Kupferdraht  mit  einem  Kern  von  weichem  Eisen.  In 
die  innere  dickere  und  kürzere  wird  unterbrochener  Gleich- 
strom hineingeschickt,  welcher  im  Augenblick  des  Entstehens 


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und  Verschwindens  in  dem  äußeren  dünneren  und  längeren 
Draht  einen  kurz  dauernden  Strom  auftreten  läßt.  Letzterer 
ist  von  sehr  viel  geringerer  Stärke,  aber  unvergleichlich  höherer 
Spannung  und  bringt  gerade  vermöge  der  letzteren  besondere 
Entladungserscheinungen  hervor.  Zum  Induktor  gehört  dann 
noch  ein  Unterbrecher,  welcher  zumeist  auf  mechanische  Weise 
das  Oeffnen  und  Schließen  des  primären  Stromes  besorgt  und 
ein  Kondensator,  eine  Art  Leydener  Flasche,  aus  zahlreichen 
Lagen  Stanniol  und  isolierendem  Papier  zusammengesetzt  und 
.gewöhnlich  im  Fuß  des  die  Drahtrollen  tragenden  Gestelles 
untergebracht.  Durch  den  Kondensator,  dessen  beide  Bele- 
gungen die  Unterbrechungsstelle  des  primären  Stromes  um- 
fassen, wird  die  Wirkung  des  ganzen  Apparates  bedeutend 
gesteigert.  Es  mag  an  dieser  Stelle  genügen,  festzuhalten, 
daß  die  freien  Enden  der  sekundären  Spule  die  beiden  Pole 
einer  elektrischen  Kraftquelle  darstellen,  von  denen  ein  im 
wesentlichen  nach  einer  Richtung  verlaufender  Strom  abge- 
nommen und  in  seinen  AVirkungen  unter  verschiedenen  äußeren 
Bedingungen  untersucht  werden  kann.  Die  einzelnen  Teile 
-des  Induktors  sollen  später  genauer  besprochen  werden.  Hier 
handelt  es  sich  nur  darum,  festzustellen,  welche  Wirkungen 
des  sekundären  Stromes  vor  Röntgen  bekannt  waren. 

Man  kann  die  Erscheinungen  einteilen  in  solche,  welche 
bei  gewöhnlichem  Luftdruck  und  solche,  welche  im  gasver- 
•dünnten  Raum  auftreten. 

Infolge  der  hohen  Spannung,  unter  welcher  die   Elektri- 


1)  Heinrich  Daniel  Rühmkorff,  ein  deutscher  Erfinder. 
Ein  Lebensbild  zu  seinem  100.  Geburtstage  von  Emil  Kosack,  Diplom. 
Ingenieur.    Hahn'sche  Buchhandlung,  Hannover  1903. 


Geschichte.  3 

zität  im  sekundären  Stromkreis  erzeugt  ist,  vermag  der  aus- 
gleichende Funke  viel  größere  Widerstände  zu  überwinden 
als  der  schwach  gespannte  primäre  Strom.  Das  auffallendste 
ist  daher  zunächst  die  große  Schlagweite  in  gewöhnlicher 
Luft,  welche  besonders  hervortritt,  wenn  der  positive  Pol 
eine  Spitze,  der  negative  eine  Platte  bildet.  Der  im  Zickzack 
herumwandernde  Entladungsfunke  in  Verbindung  mit  dem 
knatternden  Geräusch  erinnert  durchaus  an  die  Erscheinung 
•des  Blitzes,  und  diese  Darstellung  eines  Gewitters  im  Kleinen 
war  lange  Zeit  die  einzige  Verwendung  der  großen  Funken- 
induktoren. Für  die  kleineren  fanden  sich  allmählich  mehrere 
wichtige  Anwendungsgebiete,  so  zur  Beobachtung  der  Spectra, 
welche  bei  Benutzung  verschiedener  Metalle  als  Elektroden 
entstehen,  zur  gleichzeitigen  Zündung  beliebig  vieler  Minen1), 
seit  Anfang  der  sechziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  zur 
Entzündung  des  Gasgemisches  in  der  Lenoir 'sehen  Gas- 
maschine und  schließlich  zu  physiologischen  und  therapeu- 
tischen Zwecken.  Daß  sie  gegenwärtig  zur  Entzündung  des 
Gasgemisches  in  den  Automobilfahrzeugen  in  ausgedehntem 
Gebrauch  sind,  ist  ebenfalls  bekannt. 

Der  in  gewöhnliche  J.,uft  übergehende  Funke  besteht 
deutlich  aus  einem  hellen  Lichtstreifen  in  der  Mitte,  welcher 
nach  Beobachtungen  Inssajous  im  rotierenden  Spiegel  nur 
von  momentaner  Dauer  ist  und  durch  einen  gegen  den  Funken 
gerichteten  kräftigen  Luftstrom  nicht  beeinflußt  wird.  Er  ist 
umgeben  von  einer  weniger  hell  leuchtenden,  aber  länger 
dauernden  Aureole,  welche  durch  den  Luftstrom  zur  Seite 
geblasen  werden  kann.  Lichtstreif  und  Aureole  sind  auch 
trennbar  durch  die  Einwirkung  eines  kräftigen  Magneten, 
zwischen  dessen  Polen  die  Entladung  vor  sich  geht.  Die 
Aureole  wird  dabei  zu  einer  halbkreisförmigen  Scheibe  zu- 
sammengedrückt, welche  sich  stets  so  einstellt,  daß  ihre 
Stromrichtung  die  gleiche  ist,  wie  diejenige  der  Molekular- 
st röme  in  den  Magnetpolen. 


1)  Die  erste  Minenentzündung  nach  Rühmkorff  scher  Methode 
fand  1853  durch  den  Genieoberstleutnant  Verdu  statt.  S.  Zickler, 
Die  elektrische  Minenzündung.  1888.  S.  64.  J.  J.  1854  wurde  hiervon 
in  grossartigster  Weise  von  du  Moncel  beim  Bau  des  Hafens  von  Cher- 
bourg  Gebrauch  gemacht,  indem  durch  Explodieren  sehr  grosser  Minen, 
deren  jede  4000  Kg  Pulver  enthielt,  Felsboden  von  etwa  300000  cbm 
Gesamtmasse  abgetrennt  wurde. 


4  Geschichte. 

Ueber  die  Form  der  Entladung  in  gewöhnlicher  Luft  iiat 
I).  Walter1)  genaue  photographische  Aufnahmen  an  einem 
Funken  von  8  cm  Länge  gemacht.  Danach  stellt  sich  zuerst 
eine  mehrfach  sich  wiederholende  und  sich  immer  weiter  vor- 
schiebende Büschelentladimg  am  positiven  Pol  ein,  welcher 
vom  negativen  Pol  her  jedesmal  eine  schwächere  Büschelung 
entgegen  kommt.  Die  Form  der  Büschelung  ist  bei  jedem 
»Stoß  fast  dieselbe  und  die  Hauptentladimg  folgt  genau  dem 
dadurch  vorgezeichneten  Wege.  An  dem  ganzen  Funken 
ließen  sich  fünf  steigende  Entladungen  nachweisen,  deren 
Dauer  etwa  9-10-4  Sekunden  betrug. 

Eine  Fülle  neuer  und  überraschender  Erscheinungen  tritt 
ein,  wenn  der  Induktionsfunke  durch  den  gas  verdünnten  Raum 
übergeht2).  Vor  allem  fällt  auf,  daß  der  Widerstand  der 
Gase  mit  zunehmender  Verdünnung  sinkt  und  daß  daher  die 
Pole  der  Funkenstrecke  erheblich  weiter  auseinanderrücken 
können.  Dabei  nimmt  das  knatternde  Geräusch  allmählich 
ab,  vom  positiven  Pol  her  erstreckt  sich  ein  purpurroter 
deutlich  quergeschichteter  Lichtschein  bis  nahe  an  den  nega- 
tiven Pol,  der  von  tiefblauem  Licht  umhüllt  ist.  Zwischen 
beiden  Lichtarten  in  der  Nähe  des  negativen  Poles  erscheint 
stets  ein  vollkommen  dunkler  Zwischenraum.  Obwohl  das 
vom  positiven  Pol  ausgehende  Licht  scheinbar  kontinuierlich 
ist,  geht  die  Entladung  dennoch  stoßweise,  wenn  auch  sehr 
rasch  hintereinander,  vor  sich.  Dies  hat  Poggendorf  durch 
folgenden  Versuch  am  deutlichsten  nachgewiesen.  Eine  Papp- 
scheibe wird  in  drei  konzentrischen  Kreisen  mit  schwarzen 
Flecken  beklebt.  In  regelmäßigem  Abstand  erhält  der  innere 
Kreis  8.  der  mittlere  9,  der  äußere  10  derselben.  Wird 
nun  die  Scheibe  im  Licht  der  vorher  erwähnten  Entladung 
in  allmählich  steigende  Drehung  versetzt,  so  wird  bald  eine 
Geschwindigkeit  erreicht,  bei  welcher  die  Flecke  des  mittleren 
Kreises  stillzustehen,  die  des  inneren  rückwärts,  die  des  äuße- 
ren vorwärts  zu  laufen  scheinen.  Die  sekundäre  Entladung 
tritt  nur  jedesmal  bei  Unterbrechung  des  primären  Stromes 
auf.      Das  scheinbare  Stillstehen  des  Kreises  mit  9  Flecken 


1)  Wiederaanns  Annalen  18?8  Bd.  66  S.  636  und  1899  Bd.  68 
S.  776. 

2)  Diese  Verhältnisse   sind   zuerst   1854  von  Gassiot  in  Frank- 
reich und  ausführlicher  1858  von  Plücker  in  Bonn  untersucht  worden. 


Geschichte.  5 

erfolgt   offenbar  dann,  wenn  die  Scheibe  sich  in  der  Zwischen- 
zeit genau  um  36%   d.  i.  40°  gedreht  hat. 

Die  weiteren  Erscheinungen  der  Funkenentladung  im 
gasverdünnten  Räume  werden  am  besten  in  Glasröhren  mit 
eingeschmolzenen  Platinpolen  beobachtet,  wie  sie  zuerst 
mustergültig  von  dem  mit  Flacker  arbeitenden  Glasbläser 
Geißler  in  Bonn  hergestellt  wurden.  Diesen  Geißler 'sehen 
Röhren  kann  wie  bekannt  die  allermannigfachste  Gestalt  in 
bezug  auf  Länge  und  Weite  und  der  verschiedenste  Inhalt 
gegeben  werden.  Es  zeigt  sich  dann,  daß  die  Qualität  des 
von  dem  positiven  Pol  ausgehenden  Lichtes  abhängt  von  der 
Natur  des  Gases,  welches  den  Innenraum  in  verdünntem  Zu- 
stande erfüllt,  ferner  von  der  verschiedenen  AVeite  des  Ge- 
fäßes und  endlich  von  der  Spannung  des  durchgehenden 
Stromes.  Allen  diesen  Erscheinungen  ist  aber  eines  gemein- 
sam, nämlich  die  Tatsache,  daß  der  vom  positiven  Pol  aus 
gehende  Lichtschein  allen  Krümmungen  und  Windungen  der 
ihm  angewiesenen  Bahn  getreulich  folgt.  Hierdurch  ist  es 
möglich,  mit  solchen  Geißler'schen  Röhren  lange  Namens- 
züge, leuchtende  Kronen  für  Ballettänzerinnen,  phantastische 
rotierende  Räder  und  ähnliche  namentlich  Laien  erfreuende 
Farbeneffekte  zu  stände  zu  bringen.  Im  Laboratorium  finden 
solche  sorgfältig  gearbeiteten  Röhren  Verwendung,  um  die 
Spektren  der  verschiedenen  Gase  zu  untersuchen. 

Daß  bei  länger  dauernder  Durchleitung  des  Stromes  die 
negative  Elektrode  korrodiert  wird,  wurde  bald  erkannt, 
ebenso,  daß  Aluminium  hiergegen  verhältnismäßig  am  un- 
empfindlichsten ist. 

Eine  weitere  Eigenschaft  der  Funkenentladung  wurde 
schon  bei  den  Geißler'schen  Röhren  verwendet,  nämlich  die 
Fähigkeit,  in  einer  großen  Reihe  bestrahlter  Körper  Fluores- 
zenz zu  erzeugen.  Dies  ist  die  Eigenschaft  unter  dem  Ein- 
fluß auffallenden  Lichtes  in  einem  besonderen,  nach  der  Natur 
des  Körpers  verschiedenen  Licht  zu  leuchten. 

Eine  große  Reihe  von  Körpern  teils  fest  teils  in  Flüssig- 
keiten gelöst,  zeigen  diese  Erscheinung.  Edelsteine,  in  dieser 
Weise  bestrahlt,  senden  herrliche  Farben  aus.  Uranglas  er- 
strahlt hellgrün,  wovon  oft  bei  Geißler'schen  Röhren  Ge- 
brauch gemacht  wird.  Verschiedene  Pflanzenextrakte,  Aes- 
culus, Chlorophyll,  Chinin  sulfur.  etc.  schillern  in  besonderem 
Schein.  Bei  Morin  aus  Cubaholz  ist  in  Verbindung  mit 
Tonerde    die  Empfindlichkeit    so  groß,    daß,    wie  Goppels- 


(i  Geschichte. 

rüd er  gefunden  hat,  bei  einem  Gehalt  von  1/600  mg  Tonerde 
in  1  cbm  Wasser  auf  Zusatz  von  Morinlösung  noch  deutlich 
grüne  Fluoreszenz  auftritt. 

Das  Gemeinsame  in  der  großen  Mannigfaltigkeit  dvv 
hierher  gehörigen  Erscheinungen  ist  nach  Stokes  allerdings 
nicht  unbestritten  gebliebener  Regel,  daß  das  auffallende 
Licht  in  Strahlen  größerer  Wellenlänge  verändert  wird.  Von 
größter  Wichtigkeit  ist  das  Verhalten  der  Doppelsalze  Kaliuni- 
platincyanür  und  Bariumplatincyanür.  Papiere,  auf  welche  diese 
Salze  in  dünner  Lage  befestigt  sind,  fluoreszieren  verhältnis- 
mäßig stark,  das  erstere  bläulich,  dass  letztere  in  gelblich- 
grünem, also  für  unser  Auge  besonders  wirksamen  Licht. 
Dabei  ist  es  ganz  gleichgültig,  ob  die  erregenden  Strahlen 
schon  an  sich  sichtbar  sind  oder  außerhalb  der  Grenze 
unseres  Sehvermögens  liegen.  Diese  Salze  haben  also  die 
höchst  wertvolle  Eigenschaft,  auch  unsichtbare  Strahlen  in 
eine  für  unser  Auge  lesbare  Wellenlänge  zu  übersetzen  und 
sind  daher  schon  lange  in  den  Laboratorien  zum  Nachweis 
der  ultravioletten  Teile  des  Spektrums  und  anderer  Strahlen- 
arten in  Gebrauch. 

In  den  bisher  betrachteten  Geißler 'sehen  Röhren  war 
die  Verdünnung  bis  auf  etwa  2  mm  Hg-Druck,  d.  h.  also  auf 
ungefähr  V300  des  gewöhnlichen  Atmosphärendruckes  getrieben, 
was  schon  nur  durch  ziemlich  zeitraubende  Manipulationen 
mit  der  Quecksilberluftpumpe  zu  erreichen  ist.  Eine  Reihe 
neuer  Erscheinungen  wurde  bekannt,  als  man  die  Verdünnung 
der  in  den  Röhren  eingeschlossenen  Gase  noch  weiter  auf 
Viooooo  bis  Vioooooo  trieb.  Dies  geschah  zuerst  1869  von 
Hittorf1),  später  in  umfassenderer  Weise  von  Crookes. 
Durch  diese' Untersuchungen  wurde  mit  einem  Male  der  bisher 
kaum  beachtete  negative  Pol  als  der  Sitz  bemerkenswerter 
Kraftäußerungen  erkannt. 

Bleibt  die  Röhre  in  Verbindung  mit  der  stetig  arbeitenden 
Luftpumpe  und  werden  von  Zeit  zu  Zeit  Entladungen  hindurch- 
geschickt,  so  sieht  man,  daß  der  rötliche  Lichtschein  sich 
bei  sinkendem  Druck  immer  mehr  auf  den  positiven  Pol 
zurückzieht  und  das  bläuliche  Glimmlicht  in  der  Nähe  des 
negativen  Poles  immer  weiter  vorrückt.  Diese  von  der  Ka- 
thode ausgehenden  Strahlen  haben  aber  mehrere  merkwürdige 
und  unerwartete  Eigenschaften.  Zunächst  gehen  sie  stets  grad- 
linig fort,  während  der  positive  Lichtschein  allen  Krümmungen 

x)   Poggendorffs  Annalen  Bd.  136  S.  1  und  197. 


Geschichte.  i 

folgte.  Sie  versetzen  die  getroffene  Glasstelle  in  lebhafte 
Fluoreszenz  und  erhitzen  sie  bald  so,  daß  das  Glas  schmilzt 
und  eingedrückt  wird.  Von  Crookes  rührt  der  schöne  Ver- 
such her,  in  den  Gang  der  Kathodenstrahlen  ein  Metallkreuz 
zu  bringen,  von  dem  alsdann  auf  der  gegenüberliegenden 
Wand  der  Glasbirne  ein  Schattenbild  sich  abzeichnet.  Wird 
nunmehr  das  in  einem  Scharnier  bewegliche  Kreuz  umge- 
worfen, so  erscheint  der  vorige  Schatten  heller  als  der  um- 
gebende Grund.  Das  geschützt  gewesene  Glas  ist  anscheinend 
ausgeruht  und  ähnlich  der  Retina  des  Auges  an  diesen  Stellen 
jetzt  für  kurze  Zeit  lebhafterer  Reaktion  fällig.  Leichte 
Körper,  wie  ein  auf  Glasschienen  laufendes  Rädchen  mit 
Glimmerschaufeln  vermögen  die  Kathodenstrahlen  in  Bewegung* 
zu  setzen  und  nach  dem  positiven  Pol  hinzutreiben.  Infolge 
ihrer  unter  allen  Umständen  geradlinigen  Richtimg  können 
sie  von  Kathoden,  welche  die  Gestalt  eines  Hohlspiegels 
haben,  konzentriert  und  auf  einen  Punkt  im  Inneren  der 
Birne  zu  •  vereinigter  Wirkung  gebracht  werden.  Schon 
Crookes  zeigte,  daß  ein  im  Brennpunkt  angebrachtes  Platin- 
blech bei  hinreichender  Stromstärke  bis  zur  Weißglut  erhitzt 
werden  kann.  Er  stellte  ferner  fest,  daß,  während  der  posi- 
tive Lichtschein  in  weniger  evakuierten  Röhren  sich  der  Ein- 
wirkung eines  Magneten  gegenüber  verhält  wie  die  Aureole 
in  gewöhnlicher  Luft,  die  Kathodenstrahlen  in  eigentümlicher 
Weise  abgelenkt  werden. 

Die  Erklärung  für  diese  merkwürdigen  Erscheinungen 
entnahm  Crookes  der  kinetischen  Gastheorie.  Danach  be- 
finden sich  die  Moleküle  eines  Gases  dauernd  in  äußerst 
raschen  gradlinigen  Bewegungen,  deren  Richtung  nur  geän- 
dert wird  durch  Anprallen  an  andere  Moleküle  und  die  ein- 
schließende Gefäßwand.  An  letzterer  kommt  die  Summe 
alier  darauf  treffenden  Stöße  als  Druck  zum  Vorschein. 
Wird  nun  in  einem  gegebenen  Raum  das  Gas  dauernd  ver- 
dünnt, die  Zahl  der  Moleküle  also  vermindert,  so  wird  auch 
die  Zahl  der  Zusammenstöße  der  Moleküle  unter  einander 
geringer  werden  und  es  läßt  sich  theoretisch  eine  Verdün- 
nung denken,  bei  welcher  derartige  Zusammenstöße  nicht 
mehr  stattfinden  und  die  Moleküle  gradlinig  von  einer  Gefäß- 
wand zur  andern  ihre  Bahn  verfolgen  können.  Dann  ist  die 
Materie  unter  ganz  andern  Bedingungen  und  zu  ganz  andern 
Leistungen  befähigt.  Diesen  Zustand  glaubte  Crookes  in 
seinen  evakuirten  Röhren  erreicht  zu  haben    und  bezeichnete 


8  Geschichte. 

ihn  als  vierten  Aggregatzustand  oder  nach  einer  Ausdrucks- 
weise Faraday's  als  strahlende  Materie.  Findet  durch  so  ver- 
dünnte Materie  eine  elektrische  Funkenentladung  statt,  so  sollten 
die  Moleküle  von  der  Kathode  mit  großer  Gewalt  fortgeschleudert 
werden  und  in  gradlinigen  Bahnen  verlaufend  die  beobachteten 
Wirkungen  ausüben.  Diese  Hypothese  fand  eine  Stütze  in 
der  Tatsache,  daß  bei  längerer  Funkenentladiing  die  Kathode 
korrodiert  und  ihre  Substanz  als  verschieden  gefärbter  Nieder- 
schlag auf  der  gegenüberliegenden  Wand  abgelagert  wird. 

Andere  Forscher1)  neigen  zu  der  Ansicht,  daß  in  den 
Kathodenstrahlen  elekrische  Longitudinalstrahlen  vorliegen, 
welche  bei  5  mm  Quecksilberdruck  eine  Fortpflanzungsge- 
schwindigkeit gleich  2/300  und  bei  1,2  mm  Druck  eine  solche 
von  V300  Lichtgeschwindigkeit  besitzen. 

Daß  unter  gewissen  Bedingungen  innerhalb  eines  sehr 
verdünnten  Gases  besondere  Strahlen,  Kathodenstrahlen,  ent- 
stehen und  hier  auch  Wirkungen  äußern  können,  war  somit, 
erkannt.  Allein  nach  außen  hin  war  ihr  Gebiet  begrenzt 
durch  die  Glaswand,  welche  sie  nicht  zu  durchdringen  ver- 
mochten. Hertz,  welcher  die  Zusammengehörigkeit  von 
Licht  und  elektrischen  Wellen  auffand,  zeigte,  daß  die  Ka- 
thodenstrahien  auch  durch  äußerst  dünne  Schichten  von 
Aluminium  hindurchgehen  und  seinem  Schüler  Lenard2) 
gelang  es,  indem  er  in  die  Glaswand  ein  kleines  Stück 
Aluminiumfolie  einsetzte,  nachzuweisen,  daß  Kathodenstrahlen 
hindurchtreten  und  auch  außerhalb  in  gewöhnlicher  Luft 
wirksam  sein  können.  Er  fand,  daß  sie  sich  von  dem  Alu- 
miniumfenster aus  nach  allen  Richtungen  gradlinig  fortsetzen, 
die  Haut  und  das  Auge  nicht  affizieren,  dagegen  die  photo- 
graphische  Platte  schwärzen,  dünne  Metallfolien  durchdringen, 
aber  von  einer  vollkommen  durchsichtigen  Quarzplatte  auf- 
gehalten werden.  Sie  dringen  in  das  Innere  metallisch  ab- 
geschlossener Räume,  entladen  positiv  oder  negativ  elektrisch 
geladene  Körper  und  durchsetzen  mit  größter  Leichtigkeit 
einen  völlig  luftleeren  Raum,  in  welchem  sie  nicht  entstehen 
können.  Die  verschiedenen  Gase  verhalten  sich  wie  trübe 
Medien  gegenüber  den  Lichtstrahlen,  sie  absorbieren  die  Ka- 
thodenstrahlen entsprechend  ihrer  Dichte,  bei  höheren  Ver- 
dünnungen   verschwinden  jedoch  diese  Verschiedenheiten  der 


1)  G.  Jaumann,   Wiedemanns  Annalen  1899  Bd.  67  S.  741. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1894  Bd.  51  S.  225. 


Geschichte.  9 

verschiedenen  Gase.  Es  gibt  mehrere  Arten  von  Ka- 
thodenstrahlen; bei  geringer  Verdünnung  erzengte  verbreiten 
sich  diffuser  als  in  höherer  Verdünnung  entstandene.  Bei  den 
uns  bekannten  Lichtstrahlen  findet  sich  das  Analogon,  daß 
kurzwelliges  Licht  in  optisch  trüben  Medien  mehr  zerstreut 
wird  als  langwelliges. 

Alle  diese  Beobachtungen  ergaben  sehr  viel  Aelmlich- 
keiten,  aber  auch  eine  ganze  Reihe  von  den  gewöhnlichen  Licht- 
strahlen abweichender  Eigenschaften.  Lenarcl  schloß  daher, 
daß  die  Kathodenstrahlen  auf  außerordentlich  feinen  Vor- 
gängen im  Aether  beruhen  müßten,  bei  welchen  schon  jedes 
einzelne  Molekül  als  gesondertes  Hindernis  auftritt.  Die  Gas- 
moleküle trüben  den  Aether  und  hierbei  kommt  keine  andere 
Eigenschaft  von  ihnen  in  Betracht  als  ihre  Masse.  Lenard 
faßt  die  Erscheinungen  der  Kathodenstrahlen  also  streng  als 
Wellenphänomene  im  Aether  auf.  Später  wies  Lenard1)  nach, 
daß  Kathodenstrahlen  auch  im  luftleeren  Raum  entstehen, 
wenn  ultraviolette  Strahlen  auf  eine  darin  befindliche  Aln- 
miniumelektrode  fallen. 

Sehr  eingehende  Untersuchungen  über  die  Kathoden- 
strahlen verdanken  wir  Goldstein2).  Er  fand,  daß  das  von 
der  Kathode  nach  der  Anode  ausstrahlende  Licht  drei 
Schichtungen  zeigt,  welche  in  verdünnter  Luft  chamoisgelb. 
bläulich  (gewöhnlich  dunkler  Raum,  dark  space,  genannt)  und 
rein  blau  erscheinen.  Die  erste  und  zweite  Schicht  bestehen 
aus  gradlinigen  Strahlen,  wolche  die  dritte  Schicht  durch- 
dringen. Die  erste  Schicht  ist  sehr  wenig  entwickelt,  die 
zweite  weiter  reichend,  beide  gehen  nicht  um  Ecken  des 
Glases  herum.  Die  Eigenschaft  Phosphoreszenz  des  Glases 
und  starke  Erwärmung  zu  erregen  kommt  nur  den  Strahlen 
der  zweiten  Schicht  zu.  In  ihr  werfen  dem  Strahlen  gang 
entgegenstehende  Körper  Schatten.  Die  Strahlen  der  dritten 
Schicht  entstehen  an  den  Strahlen  der  zweiten  Schicht  und 
breiten  sich  nach  allen  Richtungen  gleichmäßig  aus.  Sie 
erfüllen  den  gesamten  Raum  der  Vakuumröhre.  Körper 
werfen  in  ihnen  keinen  Schatten,  sobald  in  den  hinter  ihnen 


1)  Annalen  der  Physik,  4.  Folge.    1900  Bd.  2  S.  359. 

2)  Sitzungsberichte  der-Kgl.  Preuss.  Akademie  der  Wissenschaften. 
1886  S.  691,  1892  S.  827,  1897  S.  905. 

Wiedemanns   Annalen.      1894  Bd.    51     S.   622,    Ebenda  1899 
Bd.  67  S.  84. 


10  Geschichte. 

liegenden  Raum  nach  von  anderen  Punkten  der  zweiten 
Schicht  Strahlen  dritter  Ordnung  gelangen  können.  Werden 
Metallfolien  in  den  Gang  der  Strahlen  der  zweiten  Schicht 
gebracht,  so  dringen  diese  um  eine  gewisse  Tiefe  ein  und 
erregen  hier  eine  diffuse  Strahlung,  von  welcher  gewöhnlich 
nur  der  nach  rückwärts  reflektierte  Teil  zur  Wahrnehmung 
kommt.  Ist  die  Dicke  der  Wand  kleiner  als  diese  Ein- 
dringungstiefe,  so  gelangen  Strahlen  hindurch.  Das  sind  die 
Lenard' sehen  Strahlen.  Von  der  Rückseite  einer  mit 
Löchern  versehenen  Kathode  gehen  gelbe  Strahlen  aus,  weiche 
Goldstein  .Kanalstrahlen  nannte.  Sie  scheinen  identisch  zu 
sein  mit  der  gelben  ersten  Schicht  an  der  Vorderseite.  Ihr 
Verlauf  ist  stets  so,  als  ob  sie  die  rückwärtige  Verlängerung 
eines  blauen  Strahls  der  zweiten  Schicht  wären.  Sie  erregen 
nur  in  sehr  geringem  Grade  Fluoreszenz,  verstäuben  das 
Metall  der  Kathode  nicht  und  sind  durch  einen  Magneten  zu 
beeinflussen.  Feste  Körper  werfen  in  ihnen  Schatten  wie 
in  den  bläulichen  Kathodenstrahlen  der  zweiten  Schicht, 
WehneJ t1)  fand,  daß  die  der  Kathode  anliegende  erste 
Schicht  und  die  Kanalstrahlen  identisch  sind  und  den  End- 
weg der  positiven  Bewegung  darstellen.  Diese  positive 
Strahlung  ist  stets  normal  zur  Kathode  gerichtet,  wirft  von 
Körpern,  welche  innerhalb  des  dunkeln  Kathodenraumes  auf- 
gestellt werden,  Schatten  auf  die  Kathode  und  wirkt  oxy- 
dierend, während  die  Kathodenstrahlen,  wie  Villard  gezeigt 
hat,  reduzieren. 

Wehnelt2)  wües  ferner  nach,  daß  bei  steigender  Eva- 
kuierung der  Röhren  der  Konvergenzpunkt  der  Kathodenstrahlen 
von  der  Kathode  weiter  abrückt,  daß  hier  eine  völlige  Durch- 
kreuzung der  Strahlen  stattfindet  und  daß  neben  diesen 
langst  bekannten  Kathodenstrahlen  noch  andere  existieren, 
welche  nahezu  parallel  derRohraxe  unabhängig  von  der  Lage  der 
Kathode  verlaufen.  Ihre  Leuchtkraft  ist  viel  geringer,  die 
von  ihnen  entworfenen  Schattenbilder  stets  aufrecht,  während 
bei  den  Strahlen  erster  Ordnung  sich  die  Lage  des  Schattens 
nach  der  Stellung  des  Körpers  und  des  auffangenden  Schirmes 
zu  dem  Schnittpunkt  der  Strahlen  ändert. 

Er    fand    ferner3),     daß    der    dunkle    Raum    von    der 


1)  Wiedcmanns  Annalen  1899  Bd.  67  S.  421. 

2)  Wiedcmanns  Annalen  1899  Bd.  68  S.  584. 

3)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  65  S.  511. 


Geschichte.  11 

Kathode  sich  vollkommen  wie  ein  Dialektrikum,  etwa  wie 
Paraffinöl  verhält,  daß  er  den  Entladungen  des  positiven 
Poles  ein  plötzliches  Hindernis  entgegensetzt  und  daß  daher 
die  Entladungen  einen  disruptiven  Charakter  annehmen. 

E.  Wiedemann1)  bestätigte  die  starke  Erhöhung  des 
Entiadungs potenti ales  beim  Eintritt  der  Anode  in  den  dunkeln 
Kathodenraum.  Er  fand,  daß  die  Vereinigung  der  positiven 
und  negativen  Elektrizität  in  den  Glimmlichtstrahlen  statt- 
findet und  daß  der  Strom  von  der  positiven  Elektrode  durch 
die  positive  Lichtsäule,  das  Glimmlicht  und  alsdann  erst 
durch  den  dunkeln  Kathodenraum  geht. 

Entstehen  an  derselben  Kathode  nebeneinander  parallel 
verlaufende  Kathodenstrahlen,  so  kommen  Deflexionen  zu 
stände,  wie  von  E.  Wiedemann2)  gefunden  wurde. 

Nach  Untersuchungen  von  A.  Kaufmann8)  ist  die  Ab- 
lenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen  durch  den  Magneten  allein 
bedingt  durch  die  Potentialdifferenz  zwischen  Anode  und 
Kathode  und  unabhängig  von  dem  Gasdruck,  der  Natur  der 
Gasfüllung  und  dem  Elektrodenmaterial.  Zu  einer  bestimmten 
Potentialdifferenz  gehört  eine  bestimmte  Ablenkbarkeit  und 
zwar  ist  diese  umgekehrt  proportional  der  vorhandenen  Po- 
tentialdifferenz. Auch  durch  elektrische  Schwingungen  sind 
die  Kathodenstrahlen  ablenkbar4). 

Auf  die  Salze  der  Alkalimetalle5)  üben  die  Kathoden- 
strahlen eine  merkwürdige  Wirkimg  aus,  indem  gefärbte 
Modifikationen  entstehen,  in  denen  Subchloride  u.  s.  w.  ver- 
mutet werden. 

Goldstein6)  hat  auch  hierüber  genaue  Untersuchungen 
angestellt  und  gefunden,  daß  außer  den  Alkalisalzen  sehr 
viele  andere  Körper  ebenfalls  Nachfarben  zeigen,  wenn  sie 
vor    oder  während  der  Bestrahlung  erwärmt  werden,    ferner, 


1)  Wiedemanns  Annalen  J897  Bd.  63  S.  242. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  63  S.  246. 

3)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  61  S.  544. 

4)  Ebert,  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  64  S.  240.  Vergl. 
auch  Jaumann,  Ebenda  S.  262. 

5)  Wiedemann  u.  Schmidt  in  Wiedemanns  Annalen  1898 
Bd.  64  S.  78. 

6)  Tätigkeitsbericht  der  Physikalisch-technischen  Reichsanstalt 
1895  u.  1896,  Sitzungsberichte  der  Königlich  Preuss.  Akademie  der 
Wissenschaft  zu  Berlin  1901  S.  227. 


12  Geschichte. 

daß  es  zwei  Klassen  von  Nachfärben  gibt,  die  sich  durch 
die  Entstellung  und  ihre  Dauerhaftigkeit  gegenübe]'  gewöhn- 
lichem Licht  unterscheiden.  Er  hält  es  für  möglich,  daß 
hierbei  nicht  die  Bildung  von  Subhaloiden  im  Spiele  ist, 
sondern  die  Bildung  von  ätiotropen  Modifikationen  des  betr. 
Salzes.  Die  Nachfarben  werden  auch  durch  die  Entladungs- 
funken der  Leydener  Flasche  erzeugt.  Bezüglich  der  Natur 
der  Einwirkung  neigt  Goldstein  zu  der  Auffassung,  daß 
die  Kathodenstrahlen  vielleicht  nur  dadurch  wirken,  daß  sie 
bei  jedem  Anprall  an  feste  Substanzen  ultraviolettes,  also 
chemisch  wirksames  Licht  erzeugen. 

Die  Kathodenstrahlen  erteilen  Körpern,  auf  welche  sie 
fallen,  negative  Ladung1).  Lenard2)  fand  später,  daß  sie 
in  jeder  Hinsicht  sich  verhalten  wie  bewegte,  negative  La- 
dung führende  Massen.  Sie  führen  dieselbe  auch  in  einen 
auf  das  äußerste  evakuierten  Raum  und  durch  feste  Die- 
lektrika hindurch.  Ihre  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ist 
von  Des  Coudres3)  aut  über  200  Kilom.  in  der  Sekunde 
gefunden  worden. 

Mit  Röhren,  welche  derartige  Kathodenstrahlen  ergeben, 
experimentierte  Röntgen  im  Herbst  1895  und  machte  hier- 
bei eine  ebenso  überraschende,  wie  ungeahnte  Entdeckung. 
Sein  erster  Bericht  hierüber4)  rief  ungeheures  Erstaunen  so- 
wohl in  der  physikalischen  wie  in  der  medizinischen  Welt 
hervor,  denn  man  begriff  sofort,  daß  man  es  mit  einem  neuen 
Agens  zu  tun  hatte,  von  dessen  weiterer  Vervollkommnung 
und  Nutzbarmachung  die  schönsten  Erfolge  in  der  Medizin 
zu  erhoffen  waren. 

Gleich  in  seiner  ersten  Veröffentlichung  hat  Röntgen 
die  Eigenschaften  der  neuen  Strahlenart  derart  umfassend 
festgelegt,  daß  wesentlich  Neues  später  nicht  hinzugekommen 
ist.  Als  die  hauptsächlichsten  Eigentümlichkeiten  bezeichnete 
er  folgende: 

1.  Die  Strahlen  sind  für  das  Auge  nicht  wahrnehmbar. 

2.  Sie  durchdringen  geradlinig  feste  Körper,  welche  für 

1)  Perrin,  Comptes  rendus  1895  Bd.  121  S.  1130. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  64  S.  279. 

3)  Verhandlungen  der  Physikalischen  Gesellschaft  zu  Berlin  1895 
Bd.  14  S.  85. 

4)  Sitzungsberichte  der  "Würzburger  Physikalisch-medizinischen 
Gesellschaft,  Dezember  1895. 


Geschichte.  13 

Lichtstrahlen  undurchgängig  sind,  wobei  außer  der 
Dichte  noch  andere  Momente  wirksam  sein  müssen. 
Schwarzer  Karton,  ein  Buch  von  1000  Seiten,  Holz 
und  Hartgummi  von  mehreren  Zentimetern  Dicke, 
Metalle  in  dünnen  Folien,  endlich  die  Weichteile  der 
Hand  zeigen  sich  durchlässig,  deutlich  heben  sich 
im  Schattenbild    die  dunkleren  Knochen    davon    ab. 

3.  Sie  bringen  in  zahlreichen  Körpern  Fluoreszenz  her- 
vor und  beeinflussen  die  photographische  Platte,  wo- 
bei es  zunächst  fraglich  bleibt,  ob  diese  Wirkung 
direkt  erfolgt  oder  indirekt  durch  "Erregung  von 
Fluoreszenz  im  Glas  oder  in  der  Gelatineschicht. 

4.  Brechung  oder  Reflexion  ist  nicht  nachweisbar.  Es 
können  daher  mit  den  X-Strahlen  nicht  Bilder, 
wie  mit  Linsen  in  der  Kamera,  sondern  nur  Schatten- 
bilder aufgenommen  werden.  Pulver  sind  ebenso 
durchlässig  wie  kohärente  Körper,  es  ist  gleichgültig 
ob  die  Oberfläche  der  Körper  rauh   oder  poliert  ist. 

5.  Von  Kathodenstrahlen  unterscheiden  sie  sich  dadurch, 
daß  sie  in  weit  geringerem  Grade  von  Luft  absor- 
biert und  daß  sie  durch  den  Magneten  nicht  abge- 
lenkt werden. 

6.  Sie  entstehen  an  der  Stelle,  wo  die  Kathodenstrahlen 
die  Glaswand  treffen,  jedoch  auch  an  Aluminium 
und  anderen  Metallen. 

In  einer  zweiten  Mitteilung1)  fügte  Röntgen  noch  einige 
Punkte  hinzu,  welche  sich  dahin  zusammen  fassen  lassen: 

7.  Die  X-Strahlen  entladen  positiv  oder  negativ  elek- 
trisch geladene  Körper  und  zwar  dann,  wenn  be- 
strahlte Luft  an  ihnen  vorbeistreicht.  Eine  Ent- 
ladung findet  ebenso  statt,  wenn  die  geladenen  Körper 
sich  in  trockenem  Wasserstoff  befinden.  In  stark 
evakuierten  Räumen  geht  die  Entladung  sehr  viel 
langsamer  vor  sich.  Die  bestrahlte  Luft  verliert 
ihre  entladende  Eigenschaft  durch  Berührung  mit 
einem  Körper  von  großer  Oberfläche  z.  B.  beim 
Durchstreichen  durch  Watte  oder  zahlreiche  feine 
Drahtgitter. 

8.  Manchmal  ist  Einschaltung  eines  Tesla' sehen  Appa- 


1)   Sitzungsberichte    der   Würzburger    Physikalisch-medizinischen 
Gesellschaft,  9.  Mär?  1896. 


14  Geschichte. 

rates  (Condensator  und  Transformator)  zur  Erzielung 
kräftiger  X-Strahlen  vorteilhaft. 
9.  Läßt  man  Kathoden-Strahlen    auf  die  vordere  Seite 
einer  zur  Hälfte    aus  Platin  zur  anderen  Hälfte  aus 
Aluminium  bestehenden  Platte  fallen,  so    ergibt    die 
Aufnahme  mit  der  Lochkamera,  daß  von  der  Vorder- 
seite   des  Platins    sehr    viel    mehr  X-Strahlen    aus- 
gehen, als  von  dem  benachbarten  Aluminium.     Auf 
der  Rückseite  dagegen    sendet   das  Platin    fast    gar 
keine,  das  Aluminium  verhältnismäßig  viel  X-Strahlen 
aus.    Letztere  müssen  daher  an  der  Vorderseite  ent- 
standen und  durch   das  Aluminium  in  großer  Menge 
hindurchgegangen  sein. 
In  einer    dritten  Veröffentlichung    vom  März   1897    teilt 
Röntgen1)  mit,   daß  Luft,    während    sie  mit  X-Strahlen  be- 
strahlt wird,    nach  allen  Seiten  ähnliche   Strahlen  aussendet, 
wodurch  Beugungserscheinungen  vorgetäuscht  werden  können. 
Die    an    einer  Platinplatte    entstehenden  X-Strahlen    erfüllen 
eine  Halbkugel  bis  nahe  zum  Rande  fast  gleichmäßig.     Erst 
bei    einem  Emanationswinkel    über  80°,    hauptsächlich    aber 
von  89° — 90°  findet  eine  deutliche  Verminderung  der  Inten- 
sität  statt.      Die  kräftigsten    und    schärfsten  Bilder    werden 
daher  erhalten,  wenn  man  die  unter  etwa  80°  von  der  Platin- 
platte   abgehenden    Strahlen    zur    Bilderzeugung    verwendet. 
Inbetreff  der  Durchlässigkeit    ermittelte    er,    daß,   wenn  man 
sich  die  durchstrahlten  Körper  in  zur  Strahlenrichtung  senk- 
rechte   gleich    dicke    Schichten    zerlegt    denkt,    jede    dieser 
Schichten  für  die  in  sie  eindringenden  Strahlen  durchlässiger 
ist  als  die  vorhergehende.      Sind  von  verschiedenen  Körpern 
zwei  Platten    von   bestimmter  Dicke    gleich    durchlässig,    so 
braucht  diese  Gleichheit  nicht  mehr  zu  bestehen,   wenn  man 
die  Dicke  im  gleichen  Verhältnis  ändert.    War  z.  B.  in  einem 
Fall    eine    einfache  Platinschicht  gleich  durchlässig  wie  eine 
sechsfache    Aluminiumschicht,    so    entsprach    eine    doppelte 
Platinschicht  nicht  einer  zwölffachen,  sondern  einer  sechszehn- 
fachen Aluminiumschicht.     Durch  die  Prüfung  der  von  einer 
Röhre    in    verschiedenen    Stadien    der    Luftverdünnung    aus- 
gesandten X-Strahlen    kam  Röntgen    zu   der  Ueberzeugüng, 


1)  Sitzungsberichte  der  Königl.  Preuss.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1897  mitgeteilt  in  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  64 
S.  18. 


Geschichte.  15 

daß  solche  Strahlen  bei  einer  Breite  des  Druckes  von  3.1  nun 
bis  unter  0.0002  nun  Quecksilber  entstehen  können,  daß  zu- 
nächst (bei  weichen  Röhren)  die  mehr  absorbierbaren,  später 
die  mehr  penetrierenden  erhalten  werden  und  daß  die  Zu- 
sammensetzung der  Strahlen,  welche  eine  mit  Platinanode 
versehene  Entladungsröhre  aussendet,  wesentlich  durch  den 
zeitlichen  Verlauf  des  Entladungsstromes  bedingt  ist.  Wird 
vor  eine  sehr  weiche  Röhre  eine  Funkenstrecke  oder  ein  Tesla- 
Transformator  geschaltet,  also  nichts  geändert  als  die  Form 
der  Entladung,  so  werden  sogleich  sehr  viel  durchdringendere 
Strahlen  erhalten,  während  Einlassen  von  Luft  in  eine  hart 
gewordene  Röhre  dieselbe  weicher  macht.  Aehnlich  wie 
gewöhnliches  weißes  Licht  besteht  auch  die  von  einer  Vakuum- 
röhre ausgesandte  Strahlung  aus  einem  Gemisch  von  Strahlen 
verschiedener  Absorbierbarkeit  und  Intensität. 

Bezüglich  der  Parallelität,  welche  etwa  zwischen  den 
photographischen  und  Fluoreszenzwirkungen  verschiedene]' 
Arten  von  X-Strahlen  besteht,  wurde  folgendes  gefunden. 
Sind  eine  harte  und  eine  weiche  Röhre  auf  den  beiden  Hälften 
eines  nach  Art  eines  Photometers  eingerichteten  Fluoreszenz- 
schirmes auf  gleiche  Helligkeit  eingestellt  und  wird  nunmehr 
eine  photographische  Platte  an  den  Ort  des  Schirmes  ge- 
bracht, so  ergibt  die  Bestrahlung  mit  der  weichen  Röhre 
erheblich  stärkere  Schwärzung,  offenbar  weil  die  weicheren 
Strahlen  in  höherem  Maße  absorbiert  werden,  als  die  durch- 
dringenderen. 

Die  alsbald  an  allen  Orten  einsetzenden  Untersuchungen 
brachten  eine  Reihe  neuer  Thatsachen  an  das  Tageslicht. 

G.  Brandes  und  E'Dorn1)  legten  am  7.  5.  189G  der 
Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  eine  Untersuchung  vor, 
bei  welcher  sie  gefunden  hatten,  daß  durch  X-Strahlen  eine 
Lichtemplindung  im  Auge  entsteht,  welche  bei  einer  bestimm- 
ten Schlagweite,  etwa  5 — 6  cm,  am  deutlichsten  bemerkbar 
war.  Die  Empfindung  war  fast  gleich  stark  im  linsenlosen 
wie  im  normalen  Auge  und  nicht  veranlaßt  durch  Fluor- 
eszenzwirkung auf  irgend  welche  Teile  des  inneren  Auges. 
Die  Linse  zeigte  keine  besondere  Absorption  der  X-Strahlen. 
Sehpurpur  wurde  von  ihnen  nicht  verändert. 


!)  Wiedcinanns  Annalen  1897  Bd.  60  S.  478.  S.  auch  Dom. 
Zur  Sichtbarkeit  der  Röntgenstrahlen,  Wiedemanns  Annalen  1898 
Bd.  64  S.  620. 


16  Geschichte. 

Eine  ähnliche  Beobachtung  war  von  Röntgen1)  schon 
im  November  1895  gemacht,  wurde  jedoch  erst  später  mit- 
geteilt, zugleich  mit  einer  Abänderung  des  Versuches.  Hält 
man  dicht  vor  das  offene  oder  geschlossene  Auge  einen 
schmalen  Metallspalt  und  bringt  den  mit  einem  schwarzen 
Tuch  dicht  umhüllten  Kopf  in  die  Nähe  der  Entladungs- 
rohre, so  sieht  man  einen  bellen  Streifen,  der  bei  Bewegung 
des  Spaltes  in  horizontaler  Richtung  andere  Gestalt  annimmt; 
er  wird  gerade,  gekrümmt  oder  kreisförmig.  A.  Crzellitzer2) 
wiederholte  diese  Versuche  und  fand  Lichtempflndungen  be- 
sonders bei  harten  Röhren.  Seine  Ergebnisse  gewähren 
interessante  Ausblicke  in  physiologischer  und  diagnostischer 
Hinsicht  für  Fälle,  in  welchen  der  Augenspiegel  infolge  von 
Star,  Blutung  oder 'ähnlichen  Zuständen  versagt. 

P.  Czermak3)  stellte  ebenfalls  durch  Aufnahmen  mit 
Hülfe  der  Lochkamerä  den  Entstehungsort  der  X-Strahlen 
in  der  leuchtenden  Röhre  fest.  Da  durch  das  mit  einer 
Aluminiumplatte  verschlossene  Loch  einer  Bleikamera  nur 
die  X-Strahlen  aussendenden  Teile  sich  gradlinig  auf  der 
Platte  projizieren  können,  so  ist  hiermit  ein  Mittel  gegeben, 
den  Entstehungsort  der  Strahlen  festzulegen.  In  erster  Linie 
ist  dies  das  Platinblech  der  Antikathode,  sodann  aber  in 
sehr  viel  schwächerem  Grade  jeder  Teil  des  von  den  Strahlen 
getroffenen  fluoreszierenden  Glases. 

Später  wurde  erkannt4),  daß  jeder  feste  Körper,  der  von 
den  X-Strahlen  getroffen  wird,  selbst  wieder  zu  einem  Zentrum 
sekundärer  Strahlen  wird.  Hierdurch  erklärt  sich  die  Un- 
scharfe und  Verwaschenheit  von  Projektionen  dicker  Körper- 
teile. 

Die  erste  Entstehung  der  Röntgen- Strahlen  in  der  eva- 
kuierten Röhre  ist,  wie  Wehnelt5)  fand,  von  keinem  andern 
Faktor  in  so  starkem  Maße  abhängig  als  von  dem  Auftreten 


1)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  64  S.  36. 

Vgl.   auch  Himstedt  und  Nagel,   Anualen  der  Physik,  Neue 
Folge  190L  Bd.  4  S.  537. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen.     1902    Bd.  V 
S.  245. 

3)  Wiedemanns  Annalen.     1897  Bd.  60  S.  760. 

4)  S.   B.    Walter,   Fortschritte   auf  dem   Gebiete   der  Röntgen- 
strahlen.   1897  Bd.  I  S.  83. 

5)  Wiedemanns  Annalen.    1898  Bd.  65  S.  511. 


Geschichte.  17 

disruptiver  schnell  gedämpfter  Entladungen.  Alle  Anord- 
nungen, welche  in  evakuierten  Räumen  solche  Entladungen 
begünstigen,  sind  auch  der  Erzeugung  von  X-Strahlen  förderlich. 

A.  Winkelmann1)  untersuchte  die  Einwirkung  einer 
Funkenstrecke,  welche  in  Oel  erzeugt  wurde,  auf  das  Ent- 
stehen von  X-Strahlen.  Es  zeigte  sich  Maximalwirkung,  wenn 
die  Funkenstrecke  zwischen  Kathode  und  Induktor  geschaltet 
war.  Röntgen-Strahlen  wurden  bei  weit  höheren  Drucken 
in  den  Röhren  erhalten,  so  in  Luft  bei  10  mm,  in'  Wasser- 
stoff bei  30  mm  Quecksilber.  Der  Maximaldruck,  bei  welchem 
noch  X-Strahlen  auftraten,  fand  sich  abhängig  von  der  Länge 
der  Fimkenstrecke,  der  Natur  des  eingeschlossenen  Gases 
und  den  Dimensionen  der  Röhre. 

C.  Zoth2)  wiederholte  Röntgen's  Versuche  betreffend 
Durchlässigkeit  von  Pulver  und  kompakten  Stücken  desselben 
Materials  und  stellte  an  Steinsalz,  Alaun,  Doppelspath  und 
Glas  fest,  daß  die  kompakte  Substanz  in  bestimmtem  Grade 
durchlässig  ist,  gepreßtes  Pulver  etwas  weniger,  loses  Pulver 
noch  weniger.  Er  glaubte,  daß  dieses  Verhalten  im  Sinne 
von  minimalen  Reflexionen  oder  Brechungen  an  den  Partikeln 
des  Pulvers  gedeutet  werden  könnte. 

Lenard3)  hatte  bereits  füf  Kathodenstrahlen  gefunden, 
daß  die  entladende  Wirkung,  welche  sie  auf  elektrisch  geladene 
Körper  ausüben,  auf  die  Durchstrahlung  der  umgebenden  Luft 
und  deren  Hinzutritt  zu  dem  fraglichen  Körper  zurückzuführen 
ist.  In  gleicher  Weise  wirken  Röntgenstrahlen.  Die  durch- 
strahlte Luft  wird  hierbei  elektrisch  leitend  und  behält  dieses 
Vermögen  noch  einige  Zeit  nach  der  Bestrahlung  bei.  Alle 
Vorrichtungen,  welche  die  Berührung  der  durchstrahlten  Luft 
mit  dem  geladenen  Körper  hindern  (Schirme,  Luftzug),  lassen 
die  Entladung  nicht  zu  stände  kommen.  Die  mit  Kathoden- 
und  Röntgenstrahlen  behandelte  Luft  enthält  ferner  Kerne 
für  Dampfkondensation,  wie  ebenfalls  Lenard  und  Richard4) 
nachwiesen. 

Nach  Precht5)  vermögen  die  X-Strahlen  die  nach  Gold- 


1)  Annalen  der  Physik.    4.  Folge.    1900  Bd.  2  S.  757. 

2)  Wiedemanns  Annalen.    1896  Bd.  58  S.  353. 

3)  Wiedemanns  Annalen.    1897  Bd.  63  S.  253. 

4)  Mitteilungen    des    naturwissenschaftlichen   Vereins   für  Neu- 
Pommern.    1896. 

5)  Wiedemanns  Annalen.    1897  Bd.  61  S.  350. 

Stecliow,  Das  Röntgen-Veri'ahren.  o 


18  Geschichte. 

stein's  Untersuchungen  durch  Kathodenstrahlen  mit  Leichtig- 
keit bewirkte  Farbenänderung  und  Zersetzung  von  Salzen 
nicht  herbeizuführen. 

lieber  die  Natur  der  neuen  Strahlen  konnte  Röntgen 
nur  vorläufige  Vermutungen  äußern.  Er  dachte  daran,  daß 
hier  die  lang  gesuchten  longitudinalen  Aetherschwingungen  vor- 
liegen könnten,  eine  Anschauung,  der  sich  später  besonders 
Zehnder1)  anschloß,  Von  mehreren  Seiten  wurde  über  er- 
folgreiche Interferenzversuche  berichtet,  welche  erlauben  sollten, 
die  Wellenlänge  zu  bestimmen  und  die  X-Strahlen  in  die 
Gegend  weit  jenseits  der  hyperultravioletten  Strahlen  einzu- 
reihen. Allein  die  gewonnenen  Resultate  schwankten  in 
weiten  Grenzen.  Fomm2)  fand  aus  den  Bildern  hinter  einem 
beugenden  Spalt  die  Wellenlänge  zu  0,014  f/,,  Meier3)  zu 
0,015  |U,  Sagnac4)  gar  zu  0,04  ^,  während  wieder  Voller  und 
Walter5)  zu  dem  Schluß  kommen,  daß  die  Wellenlänge  nicht 
über  0,001  fj  betragen  könne.  Haga  und  Wund6)  gelangten 
zu  der  Schätzung,  daß  die  Wellenlänge  der  Röntgenstrahlen 
unter  einigen  Zehnteln  ftp  liege.  Ob  den  X-Strahlen  über- 
haupt eine  Ablenkbarkeit  zukommt  und  die  hieraus  ableitbare 
Wellenlänge,  blieb  bei  derartig  differierenden  Ergebnissen  daher 
zweifelhaft. 

L.  Graetz7)  versuchte  nicht  erst  an  den  irgendwie  ent- 
standenen X-Strahlen  etwaige  Polarisation  zu  entdecken, 
sondern  sie  gleich  polarisiert  entstehen  zu  lassen,  indem  er 
Kathodenstrahlen  auf  Kristalle  von  Kalkspat,  Turmalin,  Anda- 
lusit  und  Dichroit  fallen  ließ.  Diese  Kristalle  waren  in  Va- 
kuumröhren eingeschmolzen,  welche  während  der  Beobachtung 
mit  der  Luftpumpe  in  Verbindung  blieben,  sodaß  der  Luft- 
druck im  Innern  variiert  werden  konnte.  Die  erhaltenen 
X-Strahlen  waren  so  intensiv,  daß  man  das  Skelett  der  Hand 


1)  Die  Mechanik  des  Weltalls.  Freiburg  1897.  Vgl.  auch,  Das 
Wesen  der  Elektrizität  und  Röntgenstrahlen  von  Stabsarzt  Sehrwald, 
Fortschr.  auf  d.  Gebiet  der  Röntgenstrahlen.    1898  Bd.  II  S.  1. 

2)  Wiedemanns  Annalen.    1896  Bd.  59  S.  350. 

3)  Fortschritte  auf  d.  Gebiete  der  Röntgenstrahlen.  1899  Bd.  III 
S.  76.    Wiedemanns  Annalen.    1899  Bd.  68  S.  903. 

4)  Comptes  rendus.   Bd.  122  No.  13. 

5)  Wiedemanns  Annalen.    1897  Bd.  61  S.  88. 

6)  Wiedemanns  Annalen.    1899  Bd.  68  S.  884. 

7)  Wiedemanns  Annalen.    1898  Bd.  65  S.  453. 


Geschichte.  19 

deutlich  sehen  konnte.  Eine  Polarisation  war  in  keinem  Falle 
.zu  erzielen.  Graetz  kommt -zu  dem  Schluß,  daß  die  Mög- 
lichkeit der  Longitudinalität  der  Strahlen  immer  noch  bestehen 
bleibt,  falls  man  es  überhaupt  mit  Wellen  zu  tun  hat. 

Demgegenüber,  versuchte  eine  andere  Theorie  die  Er- 
klärung zu  bringen  und  zwar  fußend  auf  den  älteren,  von 
€rookes  inbetreff  der  Kathodenstrahlen  aufgestellten  An- 
sichten. Hiernach  werden  in  den  Kathodenstrahlen  Molekel 
mit  einer  Geschwindigkeit  von  100000  km1)  in  der  Sekunde 
fortbewegt  und  erzeugen  durch  dieses  molekulare  Bombarde- 
ment sowohl  die  Fortbewegung  leichter  Räder,  das  Erglühen 
■der  Wand,  die  Fluoreszenz  u.  s.  w.  In  weiterer  Ausbildung 
hat  sich  die  Moleknlartheorie  zu  einer  Dissoziationstheorie 
ausgestaltet,  welche  annimmt,  daß  es  unter  der  Einwirkung 
disruptiver  elektrischer  Entladungen  zu  einer  Zertrümmerung 
der  Molekel  auch  chemisch  einfacher  Gase  kommt.  Die 
Molekel  sind  unelektrisch,  welchen  Zustand  man  sich  sehr 
wohl  aus  der  Vereinigung  eines  positiven  und  eines  negativen 
Atomes  hervorgegangen  vorstellen  kann.  Wird  dieser  Zu- 
sammenhang gesprengt,  so  werden  Atome  mit  entgegenge- 
setzten Elektrizitäten  frei,  die  elektronegativen  werden  von 
der  Kathode  abgestoßen  und  führen  die  negative  Elektrizität 
in  der  Richtung  des  erhaltenen  Stoßes  weiter.  Durch  ihre 
elektrische  Ladung  erklärt  sich  ihre  Ablenkbarkeit  durch  den 
Magneten. 

Hier  nun  knüpft  die  von  v  osmaer,  Ortt  und  besonders 
von  B.  Walter2)  ausgebaute  Theorie  an,  welche  in  den 
Röntgenstrahlen  nichts  anderes  sieht  als  die  von  der  Anti- 
kathode nach  allen  Seiten  hin  auseinander  geschleuderten 
Kathoden  Strahlenteilchen,  weiche  jedoch  an  ersterer  ihre  elek- 
trische Ladung  abgegeben  haben.  Diese  Teilchen  sind  von 
solcher  Feinheit,  daß  sie  nicht  nur  zwischen  den  Molekülen 
der  wägbaren  Materie,  sondern  sogar  mitten  durch  die  Mole- 
küle selbst  hindurchzuniegen  vermögen.  Hieraus  erklärt  sich 
ihre  Durchchingirngsfähigkeit  für  anscheinend  dichte  Körper, 
ihre  Aktion    auf  die    photographische  Platte,    fluoreszierende 


1)  Donath,  Die  Einrichtungen  z.  Erzeugung  d.  Röntgenstrahlen. 
1899  S.  160,  vgl.  auch  Kaufmann  in  Wiedemanns  Annalen.  1897 
iBd.  Gl  S.  544. 

2)  B.  Walter,  Fortschritte  auf  d.  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen. 
1899  Bd.  II  S.  144.    Siehe  auch  Ebenda,    1897  Bd.  I  S.  188. 


20  Geschichte. 

Substanzen,    endlich    auch    ihre    offensive  Wirkung    auf    den 
menschlichen  Körper. 

L.  Graetz1)  wies  nach,  daß  nicht  nur  Kathoden-,  sondern 
auch  Röntgenstrahlen  bei  leicht  beweglichen  Körpern  Rotation 
hervorrufen  und  erklärte  beide  Arten  der  Einwirkung  durch 
elektrostatische  Abstoßung  der  Körper,  welche  durch  die 
leitend  gewordene  Luft  dieselbe  negative  Ladung  erhalten 
haben  wie  die  Kathode. 

Welche  von  beiden  Theorieen  sich  schließlich  als  die 
richtige  erweisen  wird,  muß  die  weitere  Forschung  lehren. 
Jedenfalls  erinnert  der  jetzige  Widerstreit  der  Meinungen  leb- 
haft an  den  Gegensatz  von  Newton's  Emissions- und  Huyghens 
Undulations-Theorie  des  Lichtes  am  Ausgang  des  siebzehnten 
Jahrhunderts2). 

Unter  den  Eigenschaften  der  Röntgenstrahlen  ist  noch 
näher  zu  erörtern  ihre  Fähigkeit,  dichte  Körper  je  nach  ihrer 
Natur  in  verschiedenem  Grade  zu  durchdringen.  An  sich  ist 
dies  nicht  etwas  so  überraschendes,  ist  es  doch  z.  B.  von 
Wärmestrahlen  und  elektrischen  Wellen  längst  bekannt.  Welche 
Verhältnisse  der  durchstrahlten  Körper  jedoch  diese  filtrie- 
renden Eigenschaften  bedingen,  darüber  herrschte  lange  Zeit 
Ungewißheit.  Sehrwald3)  berichtete  schon  im  Juli  1896  über 
seine  Beobachtungen  an  den  Halogenen  Jod,  Brom  und  Chlor. 
Er  hatte  gefunden,  daß  Jodkristalle  einen  Schatten  werfen 
ähnlich  wie  dichte  Metalle.  Des  weiteren  stellte  er  fest, 
daß  auch  Chlor  und  Brom  erhebliche  Undurchiässigkeit  für 
Röntgenstrahlen  zeigen  und  zwar  nicht  nur  in  Substanz  oder 
in  festen  Verbindungen  mit  Metallen,  sondern  auch  in  wasser- 
klaren Lösungen  wie  Bromoform,  Chloroform  und  Chlorkohlen- 
stoff. Ebenso  zeigten  sich  die  Metalle  von  hohem  Atomgewicht, 
wie  Gold,  Platin  und  Wismut,  besonders  undurchlässig,  während 
Stickstoff  (als  Ammoniak),  Kohlenstoff,  auch  Cyan  sehr  wenig- 
X-Strahlen  absorbierten.  Er  gelangte  zu  der  Anschauung, 
daß    diese  Undurchiässigkeit  an  das  Atom  der  Halogene  ge- 


il) Verhandlungen  der  Deutschen  Physilcal.  Gesellschaft.  1900 
S.  58.    Annalen  der  Physik.    4.  Folge.    1900  Bd.  1  S.  648. 

2)  Eine  übersichtliche  Darstellung  der  vorhandenen  Erklärungs- 
versuche s.  in  B.  Donath,  Die  Einrichtungen  zur  Erzeugung  der 
Röntgenstrahlen.    Berlin  1899  S.  151. 

3)  Deutsche  medizin.  Gesellschaft.    1896  S.  477. 


Geschichte.  21 

bunclen  und  nicht  etwa  eine  Folge  der  Atomgruppierung  im 
Molekül  ist. 

Novak  und  Sulc1)  hatten  schon  im  Februar  1896 
nach  Beobachtung  von  beinahe  300  verschiedenen  Substanzen 
darauf  hingewiesen,  daß  das  Absorptionsvermögen  für  X- 
Strahlen  nicht  von  der  Molekulargröße  abhängig  ist,  sondern 
lediglich  von  dem  Atomgewicht  abhängt.  Diese  Ansicht 
wurde  von  Walter2)  in  allen  Richtungen  bestätigt. 

Eine  Skala  zur  Prüfung  und  Vergleichung  verschiedener 
Körper  auf  ihre  Durchlässigkeit  für  X-Strahlen  gab  schon  im 
Juni  1896  0.  Zoth3)  an.  Sie  bestand  aus  Streifen  von 
Zinnfolie  von  0,01  mm  Dicke,  welche  stufenweise  ansteigend 
übereinander  gelegt  waren.  Ein  ähnliches  Instrument  ist 
später  unter  dem  Namen  Aktinometer  von  Böse  angegeben; 
es  enthält  auf  den  Stanniolstufen  noch  Zahlen  aus  undurch- 
sichtigem Draht,  von  denen  auf  dem  Schirm  um  so  höhere 
gelesen  werden  können,  je  durchdringender  die  Strahlen  sind. 
Weitere  Verbesserungen  dieser  Instrumente  stellen  dar  die 
von  Walter4)  angegebene  Härteskala,  bei  welcher  in  acht 
Bleifenster  Platinfolien  eingelegt  sind,  deren  Dicke  nicht  in 
arithmetischer,  sondern  in  geometrischer  Progression  wächst, 
ferner  der  von  Benoist  angegebene,  von  Walter  verbesserte 
Apparat,  bei  welchem  die  Härte  der  X-Strahlen  gemessen 
wird  durch  Vergleich  der  Durchlässigkeit  eines  Silberbleches 
und  verschieden  dicker  Scheiben  von  Aluminium.  Hierbei 
befindet  sich  in  der  Mitte  eine  silberne  Platte  von  0,11  mm 
Dicke,  ringsherum  6  Sektoren  von  Aluminium,  deren  Dicke 
nach  einer  arithmetischen  Reihe  zweiter  Ordnung  von  2  mm 
bis  8  mm  wächst.  Das  Instrument  beruht  auf  der  Tatsache, 
daß  die  Durchlässigkeit  der  Metalle  mit  einem  Atomgewicht 
von  100 — 150,  also  z.  B.  des  Silbers,  sich  gegenüber  den 
Strahlungen  verschiedenen  Härtegrades  in  viel  geringerem 
Grade  ändert  als  die  der  übrigen  chemischen  Elemente. 

In  einem  Dampfstrahl  vermehren  die  X-Strahlen  die 
Kondensation.      Da  Helmholtz5)    nachgewiesen  hatte,    daß 


1)  Zeitschrift  für  physikalische  Chemie.    1896  Bd.  19  S.  489. 

2)  Fortschritte  auf  d.  Gebiete  der  Röntgenstrahlen.    1898  S.  142. 

3)  Wiedemanns  Annaleu.    1896  Bd.  58  S.  344. 

4)  Fortschritte  auf  d.  Gebiete  der  Röntgenstrahlen.     1902   Bd  VI 
S.  68. 

5)  Wiedemanns  Annalen.    1887  Bd.  32  S.  1. 


22  Geschichte. 

durch  Staub,  ferner  durch  eine  Reihe  elektrischer  und 
chemischer  Prozesse,  bei  welchen  isolierte  Atome  gebildet 
werden,  verstärkte  Nebelbildung  im  Dampfstrahl  eintritt,  so 
führte  Richarz1)  diese  Erscheinung  bei  den  X-Strahlen  analog 
auf  das  Auftreten    isolierter  Atome,   auf  Ionisierung    zurück. 

Der  Widerstand  einer  Selenzelle  wird  nach  Himstedt2) 
durch  Röntgen-Strahlen  um  mehr  als  50%  vermindert.  Es 
ergibt  sich  hieraus  die  Hoffnung,  auf  diesem  Wege  die  In- 
tensität der  Strahlen  exakt  messen  oder  die  Leistung  ver- 
schiedener Röhren  vergleichen  zu  können. 

Die  Art  der  Einwirkung  von  X-Strahlen  auf  photho- 
graphische  Platten  untersuchte  Precht3).  Er  fand  einmal, 
daß  die  Wirkung,  wie  zu  erwarten  war,  mit  dem  Quadrat  der 
Entfernung  abnimmt.  Bezüglich  der  zeitlichen  Einwirkung 
bei  gleichbleibender  Entfernung  stellte  er  fest,  daß  die 
Schwärzung  zuerst  sehr  schnell  ansteigt,  um  alsdann  auch 
bei  sehr  langer  Exposition  nur  in  geringem  Grade  zuzunehmen. 
Für  die  erste  Periode  gilt  annäherungsweise  das  Gesetz,  daß 
die  Schwärzung  um  gleichviel  wächst,  wenn  die  Expositions- 
zeiten wie  die  Quadrate  der  natürlichen  Zahlenreihe  zunehmen. 
In  Uebereinstimmung  mit  den  Arbeiten  der  Gebrüder  Lumiere 
fand  Precht4),  daß  die  Empfindlichkeit  der  Bromsilbergelatine 
für  Röntgen-Strahlen  durchaus  ihrer  Lichtempfindlichkeit 
entspricht  und  daß  die  gewöhnlichen  Farbensensibilatoren 
ohne  Einfluß  sind. 

Auf  die  menschliche  Haut  üben  die  X-Strahlen  eine 
merkwürdige  Entzündung  erregende  Wirkung  aus,  welche  sich 
durch  späten  Eintritt    und  schleppenden  Verlauf  auszeichnet. 


Noch  im  Dezember  1895  konnte  Röntgen  seine  Ent- 
deckung an  maßgebendster  Stelle  vorführen.  Ging  dieselbe 
auch  von  einem  Physiker  aus,  so  verstanden  doch  in  erster 
Linie  die  Mediziner  ihre  Tragweite  zu  würdigen,  machten  die 
X-Strahlen  doch  den  lebenden  Körper  gewissermaßen  durch- 


1)  Wiedemanns  Armalen.    1896  Bd.  59  S.  592. 

2)  Annalen  der  Physik.    Neue  Folge.    1901  Bd.  4  S.  531. 

3)  Fortschritte  auf  d.  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen.     1899  Bd.  III 
S.  64  und  Archiv  für  wissenschaftliche  Photographie.    1899  S.  260. 

4)  Wiedemanns  Annalen.    1897  Bd.  61  S.  347. 


Geschichte.  23 

sichtig  und  versprachen  so  einen  alten  Traum  zu  erfüllen,  wenn 
ihre  Wirksamkeit  erst  bis  über  die  Finger  hinaus  gesteigert  und 
ihre  Anwendimg  durch  verbesserte  Apparate  erleichtert  und  ab- 
gekürzt sein  würde.  Den  rastlosen  mühevollen  Arbeiten  der 
Mediziner  ist  der  Antrieb  zur  Herstellung  zweckmäßiger 
Apparate  in  erster  Linie  zu  verdanken.  Die  Ausbildung  der 
Apparate  in  der  kurzen  Zeit  von  nur  4 — 5  Jahren  bis 
zu  der  Höhe  der  Wirkung  und  Dauerhaftigkeit,  wie 
wir  sie  jetzt  kennen,  diese  Durchbildung  und  Vervollkomm- 
nung des  Werkzeuges  konnte  aber  nur  gelingen  in  einer  Zeit, 
in  der  die  von  wissenschaftlichem  Geist  durchwehte  Technik 
bereits  eine  derartige  Höhe  erreicht  hatte,  wie  am  Schlüsse 
des  19.  Jahrhunderts.  Die  Welt  mußte  schon  in  dem  hohen 
Maße  elektrotechnisch  vorgeschritten  und  geschult  sein,  um 
in  der  kurzen  Frist  die  sicheren  Grundsätze  für  den  Aufbau 
der  Apparate  zu  finden.  Auch  die  Medizin  mußte  in  einer 
kurzen  Spanne  Zeit  für  das  immer  mächtiger  werdende  Rüst- 
zeug die  richtige  Anwendung,  die  Grenzen  seiner  Wirksam- 
keit, seinen  Nutzen  wie  seine  Gefahren  ausfindig  machen, 
ja  auch  (geradeso  wie  es  bei  der  Einführung  des  Thermo- 
meters, des  Augenspiegels  und  vieler  anderer  Hilfsmittel 
gegangen  war)  manche  Zweifelnde  erst  von  der  Notwendig- 
keit seiner  Anwendung,  der  moralischen  Verpflichtung  sich 
in  allen  Fällen  dieser  idealen  Sonde  zu  bedienen,  überzeugen. 
Vorerst  war  allerdings  der  Anfang  recht  schwer,  obwohl 
sofort  in  eine  Prüfung  über  die  medizinische  Verwendbarkeit 
mit  aller  Energie  eingetreten  wurde.  Bereits  im  Januar  1896 
stellte  die  Medizinal-Abteilung  des  Kriegsministeriums  in  Ver- 
bindung mit  der  physikalisch-technischen  Reichsanstalt  ein- 
gehende Versuche  zu  dem  Zwecke  an,  die  Verwertbarkeit 
Röntgen' scher  Strahlen  für  medizinisch-chirurgische  Zwecke 
aufzuklären.  Diese  Versuche,  von  denen  alsbald  der 
Oeffentlichkeit  Bericht  gegeben  wurde  1)1  haben  bahnbrechend 
gewirkt  und  namentlich  unmittelbar  zu  der  außerodentlich 
früh  erfolgenden  Einführung  des  Verfahrens  in  die  Militär- 
lazarette geführt.  Wie  mühselig  waren  aber  diese  Arbeiten! 
Die  leuchtenden  Röhren  mußten  in  der  Reichsanstalt  selbst 
angefertigt    werden,    es    stand    nur    ein  Induktor  von  20  cm 


1)  Veröffentlichungen  aus  dem  Gebiete  des  Miütär-Sanitätswesens, 
herausgegeben  von  der  Medizinal-Abteilung  des  Königlich  Preussischen 
Kriegsministeriums.    Heft  10.    Ausgegeben  am  20.  März  1896. 


24  Geschichte. 

Funkenlänge  zur  Verfügung  und  die  Aufnahme  einer  Hand 
dauerte  15 — 20,  eines  Fußes  (anatomisches  Präparat)  65  Mi- 
nuten1). Mit  voller  Sicherheit  wurde  aber  dargetan,  daß 
Fremdkörper  wie  Kugeln,  Metallteile,  Glassplitter  mit  Leich- 
tigkeit aufgefunden,  die  Stellung  der  Enden  bei  Knochen- 
brüchen selbst  durch  einen  Verband  hindurch  wahrgenommen, 
die  Konturen  der  Gelenke  kontrolliert,  ja  auch  Geschwülste, 
Erweichungsherde  im  Knochen  selber  sichtbar  gemacht  wer- 
den können.  Sehr  genau  wurde  die  Entstehung  des  Bildes 
aus  übereinandergelegten  Schatten,  die  von  einem  Punkt  aus 
projiziert  werden,  und  daher  das  Fehlen  der  „Tiefen  im 
Raum"  klargelegt.  Eine  einfache  Methode  der  Höhenbe- 
stimmung eines  Punktes  durch  doppelte  Aufnahme  bei  hori- 
zontaler Verschiebung  der  Lichtquelle  wurde  angegeben,  die 
Durchlässigkeit  einer  Reihe  von  Körpergeweben,  Verband- 
stoffen und  Medikamenten  geprüft,  schließlich  auf  die  außer- 
ordentlich vielversprechende  Verwendbarkeit  besonders  zu 
kriegschirurgischen  Zwecken  hingewiesen,  wenn  nur  erst,  sei 
es  durch  mächtigere  Apparate  oder  auf  andere  Weise  die 
Expositionsdauer  auf  ein  erträgliches  Maß  herabgesetzt  und 
der  ganze  Körper  durchstrahlt  werden  könnte.  Diese  Hoff- 
nung ist  freilich  nur  schrittweise  aber  in  vollem  Umfange  im 
Laufe  der  nächsten  Jahre  in  Erfüllung  gegangen. 

Jedenfalls  genügten  schon  die  damals  gewonnenen  Er- 
fahrungen der  Medizinal- Abteilung,  um  bereits  im  Februar  1896 
die  Errichtung  zweier  Röntgenkabinette  anzuordnen.  Das  eine 
derselben  in  der  Kaiser  Wilhelms- Akademie  war  mehr  für 
wissenschaftliche  Untersuchungen,  Unterweisung  der  Stu- 
dierenden und  der  zu  Fortbildungskursen  kommandierten  Sani- 
tätsoffiziere bestimmt  und  hat  namentlich  für  die  verschiedenen 
Schießversuche  der  Medizinal-Abteilung  hervorragende  Auf- 
klärungen geliefert.  Das  andere  Kabinett  wurde  im  Garnison- 
lazarett I  eingerichtet  und  diente  den  unmittelbaren  An- 
forderungen des  Truppensanitätsdienstes,  der  Untersuchung 
kranker  Soldaten  und  Invaliden  sowie  zur  Erforschung  mancher 
militär-medizinischer  Fragen.  Hier  sind  hauptsächlich  die 
Grundsätze  für  die  Einrichtung  solcher  Kabinette  für  Zwecke 
des  Heeres  festgelegt  und  Aufklärung  gewonnen  worden  über 


1)  Auch  von  anderen  Seiten  wurden  ähnliche  Klagen  laut.  Vgl. 
die  Pvöntgen 'sehen  X-Strahlen  von  Prof.  G.  Wunschmann.  Berlin 
1896. 


Geschichte.  25 

den  Umfang  und  die  Art  der  Tätigkeit  unter  den  besonderen 
Verhältnissen  des  militärischen  Lebens1). 

Das  Arbeiten  hier  war  zunächst  ungemein  schwierig,  da 
alsbald  nach  Bekanntwerden  der  neuen  Entdeckung  von  allen 
Seiten  Anforderungen  hervortraten,  denen  die  Apparate  in 
der  damaligen  Zeit  durchaus  nicht  gewachsen  waren.  Zwar 
war  bis  zum  Sommer  1896  die  zur  Aufnahme  einer  Hand 
notwendige  Zeit  schon  auf  etwa  5  Minuten  heruntergegangen, 
allein  was  bedeutete  das  gegenüber  den  Aufgaben,  Ver- 
letzungen oder  Kugeln  im  Becken,  Schultergürtel  oder  Ober- 
schenkel von  Kriegsinvaliden  zu  suchen,  welche  sich  oft 
eines  ganz  achtbaren  Leibesumfanges  erfreuten.  Es  blieb 
nichts  anderes  übrig  als  die  Aufnahmezeiten  nach  heutigen 
Begriffen  ungebührlich  lange  auszudehnen  und  Daueraufnahmen 
von  zwei  Stunden  kamen  vor.  Allerdings  gelang  es  schon 
im  Juli  1896  eine  Kugel  im  Kopf  (eines  Lebenden)  in  Quer- 
richtimg,   im    August    in    der   Längsrichtung    festzustellen2), 


1)  Die  erste  Aufnahme  ist  im  Garnisonlazarett  I  am  15.  5.  96  ge- 
macht und  betraf  einen  Artilleristen,  welcher  hei  einer  Splitterung  einer 
Deichsel  Verletzungen  am  Handrücken  erlitten  hatte.  Beim  Sondieren 
der  später  eiternden  Wunde  war  ein  1  cm  langes  Stück  der  Sonde  ver- 
schwunden, das  nun  prompt  unter  der  Haut  nachgewiesen  wurde.  Bis 
zum  Schluss  des  Jahres  1896  wurden  359  Aufnahmen  gemacht,  1897 
745,  1898  1373,  1899  1431,  1900  1137,  1901  971.  Die  Verminderung 
der  hier  gemachten  Aufnahmen  erklärt  sich  durch  die  Einrichtung  zahl- 
reicher Röntgenkabinette  in  anderen  Garnisonlazaretten.    Vgl.  S.  26. 

2)  Der  Kanonier  J.  hatte  sich  am  15.  6.  96  mit  einer  Pistole  eine 
Kugel  in  den  Mund  geschossen.  Eingangsöffnung  im  weichen  Gaumen. 
Ausschuss  fehlt,  Lähmung  des  Gaumensegels,  Blindheit  des  linken 
Auges.  Am  15.  7.  96  wurde  bei  einer  Aufnahme  in  linker  Seitenlage 
bei  1  Stunde  Exposition  der  Kugelschatten  mitten  im  Gehirn  etwas 
näher  zur  oberen  Schädelgrenze  gefunden.  Am  26.  8.  96  gelang  es 
auch  in  Rückenlage  bei  Belichtung  von  oben  den  Kugelschatten  genau 
in  der  Mittellinie  nachzuweisen,  Expositionsdauer  allerdings  2  Stunden. 
—  Von  A.  Eulenburg  wurden  in  der  No.  33  der  Deutschen  medizin. 
Wochenschrift  vom  13.  8.  96  zwei  Fälle  bekannt  gegeben,  bei  welchen 
Professor  Buka-Charlottenburg  ein  Geschoss  im  Schädel  nachgewiesen 
hatte.  —  In  den  Schädel  jeiner  Leiche  eingebrachte  Infanterie-Ge- 
schosse wurden  in  der  Kaiser  Wilhelms-Akademie  bereits  im  Mai  sowohl 
auf  dem  leuchtenden  Schirm  nachgewiesen  als  auch  photographirt. 
Vgl.  Schjerning  u.  Kranzfelder,  D.  med.  Wochenschr.  1895  S.541. 


26  Geschichte. 

allein  derartige  Versuche  waren  eine  qualvolie  Anstrengung 
sowohl  für  den  tätigen  wie  den  leidenden  Teil  und  erforderten 
eine  unglaubliche  Anspannung  der  Aufmerksamkeit  auf  die  zahl- 
reichen einem  so  lang  dauernden  Versuch  von  allen  Seiten  drohen- 
den Gefahren.  Vielfach  konnten  die  Invaliden  nur  auf  einen 
Tag  nach  Berlin  kommen,  es  war  also  unter  allen  Umständen 
erforderlich,  brauchbare  Aufnahmen  zu  erhalten,  da  eine 
Wiederholung  nicht  möglich  war.  Dies  Alles  mußte  ge- 
leistet werden  mit  einem  Induktor  von  höchstens  30  cm 
Funkenlänge,  einem  einfachen  kleinen  Feder-Quecksilber-Unter- 
brecher, einer  Stromquelle  von  3  Akkumulatorenkasten  mit 
je  4  Zellen,  welche  zum  Laden  jedesmal  2y2  Kilometer  weit 
in  die  Stadt  gefahren  werden  mußten,  und  mit  den  unzuver- 
lässigen ersten  Röhren,  welche  weder  Durchdringungskraft 
noch  Dauerhaftigkeit  besaßen  und  namentlich  bei  langen  Be- 
anspruchungen   häufig  in  unberechenbarer  Weise  versagten1). 

Die  weitere  Anwendung  des  Röntgenverfahrens  ist  in 
der  ersten  Zeit  namentlich  in  Deutschland  mit  rastlosem 
Eifer  gefördert  werden.  Bald  entstanden  an  allen  größeren 
Krankenhäusern,  namentlich  den  Universitätskliniken,  derartige 
Einrichtungen.  Besonders  sind  zu  nennen  die  Krankenhäuser 
in  Hamburg-Eppendorf  und  die  chirurgische  Universitätsklinik 
in  Halle,  welche  mit  großen  Mitteln  Kabinette  einrichteten 
und  bald  mustergültige  Leistungen  vorführten. 

Die  Militär-Medizinal- Verwaltung  wandte  auch  diesem 
neuen  Verfahren  dauernd  das  lebhafteste  Interesse  zu.  Im 
Jahre  1897  wurde  noch  ein  Röntgenkabinett  in  der  Wilhelms- 
Heilanstalt  in  Wiesbaden  eingerichtet,  1898  kamen  hierzu  vier 
neue  Kabinette  in  Magdeburg,  Metz,  Breslau  und  Danzig,  1899 
elf  in  den  übrigen  Orten  mit  einem  Korpslazarett,  1900  wurden 
31  Lazarette  mit  solchen  Einrichtungen  versehen,  sodaß  am 
Schlüsse  des  Jahrhunderts  die  Armee  mit  rund  250  Garnisonen  an 
49  Orten  über  Röntgenkabinette  verfügte,  d.  h.  etwa  der  fünfte 


1)  Sobald  die  Technik  bessere  Apparate  zur  Verfügung  stellte, 
wurden  dieselben  beschafft.  Die  hiermit  gewonnenen  Resultate  konnten 
in  einer  grösseren  Reihe  von  interessantoo  wohlgelungenen  Aufnahmen 
schon  1897  auf  dem  Chirurgenkongress  in  Berlin,  dem  Schwedischen 
Aerztekongress  in  Stockholm  und  dem  XII.  internationalen  medizinischen 
Kongress  in  Moskau,  ferner  1898  auf  dem  IX.  internationalen  Kongress 
für  Hygiene  und  Demographie  in  Madrid,  sowie  1900  auf  dem  XIII.  inter- 
nationalen medizinischen  Kongress  in  Paris  vorgelegt  werden. 


Der  Induktor.  27 

Teil  aller  Garnisonen  war  hiermit  ausgerüstet.  Gegenwärtig 
stehen  den  17  Preußischen  Armeekorps  über  60Röntgenkabinette 
zur  Verfügung  und  ihre  Zahl  wird  noch  jährlich  vermehrt.  Daß 
die  neue  Untersuchungsart  überall,  wo  Apparate  vorhanden 
sind,  fleißig  geübt  wird,  dafür  bürgt  das  allseitige  rege  Inter- 
esse der  Sanitätsoffiziere.  Die  Zahl  der  in  einem  Armeekorps 
jährlich  erforderlichen  Aufnahmen  dürfte  mit  1200  bis  1500 
nicht  zu  niedrig  geschätzt  werden. 


2.  Apparate. 


Die  zur  Erzeugung  von  Röntgenstrahlen  erforderlichen 
Apparate  müssen  nunmehr  im  einzelnen  betrachtet  werden. 
Dazu  gehören:  1.  Der  Induktor.  2.  Der  Unterbrecher. 
3.  Die  Stromquelle.  4.  'Die  Röntgen-Röhren.  5.  Der  fluo- 
reszierende Leuchtschirm . 

I.  Der  Induktor. 

Der  Induktor  ist  eine  Form  der  heut  in  der  Technik 
zu  so  hoher  Bedeutung  gelangten  Transformatoren,  welche 
die  Aufgabe  haben,  durch  einen  Strom  von  niedriger  Span- 
nung einen  solchen  von  höherer  Spannung  oder  umgekehrt 
zu  erzeugen.  Die  Bedeutung  dieser  iVpparate  ist  darum  eine  so 
hervorragende,  weil  der  Transformator  eine  Maschine  darstellt, 
bei  welcher  sogar  sehr  beträchtliche  Arbeit  ohne  alle  me- 
chanisch bewegte,  daher  abnutzbare  Teile  geleistet  wird. 
Technisch  werden  solche  Apparate  gebraucht,  um  große 
Elektrizitätsmengen  auf  weite  Entfernungen  versendbar  zu 
machen.  Meist  wird  zunächst  Elektrizität  von  mäßiger 
Spannung  erzeugt,  da  Ixü  Dynamomaschinen  nur  hierbei  ge- 
nügende Isolierung  herzustellen  ist.  Der  so  gewonnene  Strom 
wird  im  Transformator  auf  eine  Spannung  von  20000 — 
40000— 100000  Volt  herauftransformiert  und  damit  befähigt,' 
große  Strecken  auf  verhältnismäßig  dünnen  Drähten  zu  über- 
winden. Am  Verbrauchsorte  wird  andererseits  der  Strom 
wieder  heruntertransformiert  auf  die  übliche  Gebrauchsspan- 
nung von  110  oder  220  Volt.  Der  entscheidende  Beweis 
für   die  Ausführbarkeit    dieses  Verfahrens   auch    auf  größere 


28  Der  Induktor. 

Entfernungen  wurde  auf  der  internationalen  elektrotechnischen 
Ausstellung  zu  Frankfurt  a.  M.  im  August  1891  geliefert. 
Durch  eine  Turbine  von  356  P.  S.  wurde  primär  ein  Strom  von 
etwa  800  Ampere  bei  55  Volt  Spannung  erzeugt,  in  Oeltrans- 
formatoren  auf  8500  Volt  herauftransformiert  und  auf  drei 
4  mm  dicken  Drähten  170  Kilometer  weit  nach  Frankfurt  a.  M. 
geleitet,  wo  er  wieder  in  Oeltransformatoren  auf  65  Volt 
heruntertransformiert  zu  Kraft-  und  Beleuchtungszwecken  Ver- 
wendung fand.  Schließlich  führten  Versuche  mit  Erhöhung  der 
Spannung  auf  25000  Volt  zu  völlig  befriedigenden  Ergeb- 
nissen.    Der  "Wirkungsgrad  betrug  etwa  75  pCt.1). 

Der  technische  Aufbau  eines  Induktors  ist  im  Prinzip 
außerordentlich  einfach.  Er  besteht  nur  aus  einer  innen 
liegenden  primären  Spule,  welche  außen  von  der  sekundären 
umgeben  ist.  Im  Innern  der  ersteren  steckt  ein  Kern  von 
weichem  Eisen. 

Die  primäre  Spule  besteht  aus  Kupferdraht  von  etwa 
2  mm  Stärke,  welcher  gut  isoliert  und  in  mehreren  Lagen 
aufgewickelt  ist,  sodaß  er  bei  den  großen  Apparaten  in 
500 — 600  "Windungen  gegen  100  Meter  Länge  erreicht.  Diese 
Spule  ist  nach  außen  gut  isoliert  durch  einen  Hartgummi- 
zylinder von  1 — 1,5  cm  Stärke.  Ist  der  Induktor  für  Ge- 
brauch mit  dem  Wehnelt-Unterbrecher  bestimmt,  so  wird 
die  primäre  Spule  nach  Walter2)  zweckmäßig  in  Abteilungen 
zerlegt,  welche  nach  Belieben  parallel  oder  hinter  einander 
geschaltet  werden  können.  Es  wird  dann  der  Draht  so  auf- 
gewickelt, daß  vier  übereinander  liegende,  von  einander  un- 
abhängige Lagen  entstehen,  deren  acht  Enden  zu  einem  ge- 
meinsamen Schaltbrett  geführt  werden.  Durch  verschiedene 
Schaltstücke  lassen  sie  sich  entweder  alle  vier  parallel  oder 
zu  zwei  hinter  einander  oder  alle  vier  hinter  einander  schalten, 
sodaß  drei  verschiedene  Abstufungen  in  der  dem  Strom  ge- 
botenen Bahn  entstehen.  Welchen  Einfluß  diese  verschie- 
denen Schaltungen  auf  die  Selbstinduktion  der  Spule  haben, 
wird  weiter  unten  erörtert  werden.  Bei  den  neueren  Aus- 
führungen des  Apparates  durch  Siemens  &  Halske  sind  die, 
Enden  der  einzelnen  Lagen  bis  zu  einem  Schalttisch  hingeführt, 


1)  Offizieller    Bericht   über    die    internationale    elektrotechnische 
Ausstellung  in  Frankfurt  a.  M.    1891  Bd.  2  S.  319. 

2)  B.  Walter,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 
1900  Bd.  IV  S.  46. 


Der  Induktor.  29 

wo    man  eine  beliebige  Anzahl  Windungen  einschalten  kann, 
je  nach  der  Selbstinduktion,  welche  man  haben  will. 

Die  sekundäre  Spule  aus  etwa  0,1  mm  dickem,  sorg- 
fältig übersponnenem  Kupferdraht,  war  bei  den  früheren 
Apparaten  in  fortlaufenden  hin-  und  hergehenden  Lagen  auf- 
gewickelt. Es  trafen  also  an  einem  Ende  immer  Windungen 
zusammen,  welche  durch  die  Drahtlänge  zweier  ganzer  Lagen 
getrennt  waren  und  zwischen  welchen  beim  Betrieb  eine  sehr 
erhebliche  Spannumgsdifferenz  entstand.  Die  Folge  davon 
war  ein  leichtes  Durchschlagen  an  einer  solchen  Stelle. 
Ferner  war  bei  der  fortlaufenden  Aufwiegelung  eine  Reparatur 
unmöglich.  War  ein  Durchschlagen  eingetreten,  so  waren 
zwei  oder  mehrere  Lagen  einfach  ausgeschaltet  und  der  In- 
duktor mußte  mit  einer  erheblich  verminderten  Leistungs- 
fähigkeit weiter  benutzt  oder  die  sekundäre  Spule  völlig  er- 
setzt werden. 

Noch  ein  anderer  Uebelstand  trat  auf:  Die  isolierende 
Hülle  der  primären  Spule  war  bei  den  früheren  Apparaten 
nur  verhältnismäßig  dünn  und  gegen  mechanische  Gewalt 
wenig  widerstandsfähig.  Der  lange,  in  einem  Zug  gewickelte 
sekundäre  Draht,  der  eine  nicht  gänzlich  starre  Röhre  von 
großem  Gewicht  darstellt,  sank  mit  der  Zeit  in  der  Mitte 
ein  und  klemmte  seine  Unterlage  so  fest,  daß  auch  eine 
Herausnahme  der  primären  Spule  bei  eintretenden  Defekten 
unmöglich  war.  Schon  Stöhrer  brachte  nach  Poggendorff's 
Vorschlag  bei  seinen  Apparaten  die  Verbesserung  an,  daß 
er  die  sekundäre  Spule  in  drei  Unterabteilungen  trennte. 

Bei  den  neueren  Konstruktionen  wird  hierin  noch  weiter 
gegangen.  Der  sorgfältig  mit  Seide  umsponnene  Draht  läuft 
durch  heißes  Paraffin  oder  ein  ähnliches  Isoliermaterial, 
welches  alle  Poren  der  Faser  erfüllt.  Er  wird  alsdann  auf- 
gewickelt zu  flachen  Scheiben  von  3 — 5  mm  Dicke,  in 
welchen  jeder  Luftraum  mit  dem  Isoliermaterial  vergossen 
wird.  Seitlich  sind  diese  Scheiben  begrenzt  durch  Pergament- 
papier oder  ähnliches  Material,  welches  beim  Zusammen- 
reihen die  einzelnen  Abschnitte  trennt.  Die  hervorstehenden 
Drahtenden  aller  Spulen  müssen  alsdann  so  verbunden  wer- 
den, daß  eine  im  selben  Sinne  fortlaufende  Strombahn  ent- 
steht. Anfang  und  Ende  der  gesamten  sekundären  Spule 
werden  zu  zwei  Klemmen  geführt,  deren  Entfernung  der 
Leistungsfähigkeit  des  Induktors  entspricht  und  an  welche 
Leitungsdrähte  angelegt  werden  können,    am  den  sekundären 


30 


Der  Induktor. 


Strom  in  beliebige  Apparate  zu  führen.  Bei  größeren 
Apparaten  erreicht  die  sekundäre  Spule  wohl  50  Kilometer 
Länge  und  sogar  mehr.  Durch  die  Verstärkung  des  isolie- 
renden Zylinders  um  die  primäre  Spule  und  die  vielfache 
Unterteilung  der  sekundären  ist  nunmehr  ein  Auseinander- 
nehmen,  wenn  einmal  ein  Durchschlagen  des  Funkens  statt- 


Fig.  1. 


Induktor  für  100  cm  Funkenlänge  von  Siemens  &  Halskc. 


finden  sollte,  leicht  möglich,  doch  kommt  bei  den  neueren 
Apparaten  solch'  ein  Zufall  kaum  mehr  vor. 

Im  Innern  der  primären  Spule  und  sie  beiderseits  über- 
ragend ist  ein  Eisenkern  gelagert,  der  früher  aus  dünnen  sorg- 
fältig gefirnißten  Drähten  von  weichem  Eisen  aufgebaut  war,. 
jetzt  aber  vielfach  aus  Eisenblechen    besteht  (Dynamoblech). 

Hiermit  sind  die  wesentlichen  Teile  eines  Induktors  ge- 


Der  Induktor. 


31 


< 


32  Der  Induktor. 

geben  und  es  handelt  sich  nunmehr  darum,  darüber  klar  zu 
werden,  was  in  einer  derartigen  Anordnung  vor  sich  geht, 
wenn  in  der  primären  Spule  ein  Strom  geschlossen  und  ge- 
öffnet wird.  Dabei  sind  auseinanderzuhalten  die  Wirkungen 
des  primären  Stroms  auf  den  Eisenkern  (Magnetoinduktion) 
auf  die  sekundäre  Spule  (Elektroinduktion)  und  auf  die 
eigenen  Windungen  (Selbstinduktion).  Hierzu  kommt  die 
Wirkung  des  sekundären  Stromes  auf  den  primären  und  den 
Eisenkern. 

Zunächst  ist  die  Einwirkung  auf  den  Kern  von  weichem 
Eisen  zu  untersuchen.  Ein  durchflossener  Leiter  ist  von 
kreisförmigen  Kraftlinien  umgeben,  deren  Verlauf  man  sicht- 
bar machen  kann,  wenn  man  den  Draht  durch  eine  Papier- 
oder Glasplatte  gehen  läßt,  welche  mit  Eisenfeilspähnen  be- 
streut ist. 

Die  Feilspähne  ordnen  sich  in  konzentrischen  Kraft- 
linien an,  deren  Dichte  mit  der  Entfernung  vom  Mittelpunkt 
abnimmt.  Eine  in  dieses  Feld  gebrachte  Magnetnadel  stellt 
sich  stets  tangential  zu  den  Kraftlinien,  ihr  Nordpol  gibt  die 
Richtung  derselben  an.  Blickt  man  in  der  Richtung  des 
Stromes  auf  die  Ebene  der  Kraftlinien,  so  umkreisen  sie  den 
stromführenden  Leiter ,  im  Sinne  der  Drehung  des  Uhrzeigers. 
Wird  der  stromführende  Leiter  zu  einem  Solenoid  aufgerollt,  so 
summieren  sich  die  Kraftlinien  der  einzelnen  Windungen  zu  ge- 
meinsamer magnetischer  Wirkung.  Es  entsteht  ein  Nordpol  an 
derjenigen  Endfläche,  an  welcher  der  Strom  entgegengesetzt 
dem  Uhrzeiger  fließt.  Die  Stärke  des  im  Innern  einer  solchen 
Spule  entstehenden  magnetischen  Feldes  hängt  ab  von  der 
Anzahl  der  Windungen  und  der  Stärke  des  durchfließenden 
Stromes.  Das  Produkt  aus  der  Anzahl  der  Windungen  auf 
1  cm  Länge  und  der  Stromstärke  nennt  man  die  Zahl  der 
Ampere  Windungen.  Die  Feldstärke,  d.  h.  die  Anzahl  der  pro 
Quadratzentimeter  des  Solenoid -Querschnittes  entstehenden 
Kraftlinien  ist  gleich  5/4:m8l  der  Zahl  der  Amperewindungen. 

Umfließt  der  elektrische  Strom  ein  Eisenstück,  so 
wird  dasselbe  magnetisch.  Der  erregte  Magnetismus  ist  ein 
dauernder,  wenn  es  sich  um  Stahl  handelt,  dagegen  ein  vor- 
übergehender bei  weichem  kohlenstoffarmen  Schmiedeeisen. 
Die  Pole  bestimmen  sich  nach  der  bekannten  Regel:  Denkt 
man  sich  eine  Person  mit  dem  Strom  schwimmend  und  das 
Eisen  ansehend,  so  entsteht  ein  Nordpol  an  der  Seite,  wohin 
sie  den  linken  Arm  ausstreckt,  oder  einfacher:  hält  man  die 


gleich  — : —  d.  i.  12,5  Kraftlinien  für  Schmiedeeisen    gleich 


Der  Induktor.  33 

Finger  der  rechten  Hand  ausgestreckt  in  der  Richtimg  des 
Stromes,  so  zeigt  der  rechtwinklig  abgespreizte  Damnen  den 
Nordpol  an.  Die  verhältnismäßig  recht  geringe  Anzahl  von 
Kraftlinien,  welche  innerhalb  eines  leeren  Solenoids  entstellen, 
wird  enorm  gesteigert  durch  Einführung  eines  Eisenkernes  in 
das  Innere  der  Spule.  Die  Steigerung  ist  am  bedeutendsten 
bei  Schmiedeeisen  und  Stahlguß,  geringer  bei  Gußeisen.  Es 
beträgt  z.  B.  bei  10  Amperewindungen  die  Feldstärke  der 
leeren  Spule  12,5  Kraftlinien,  bei  Hinzufügung  des  Kernes 
von  Schmiedeeisen  12000,  von  Stahlguß  13  500.  Die  Zahl, 
welche  angibt,  um  wieviel  mal  die  Anzahl  der  Kraftlinien 
durch  das  Einführen  des  Eisenkerns  vermehrt  ist,  nennt  man 
die  magnetische  Leitungsfähigkeit  oder  magnetische  Permea- 
bilität des  Eisens.  Sie  ist  z.  B.  bei  10  Amperewindungen 
10x5 

4 

-i?^  =  960,  für  Stahlguß  gleich  ^^  =  i080.  Während 
12,5  12.0 

nun  die  Zahl  der  erzeugten  Kraftlinien  bei  leerer  Spule  immer 
im  gleichen  Verhältnis  zu  der  Zahl  der  Ampere  Windungen 
steht,  nämlich  immer  5/d  derselben  beträgt,  ist*  die  magne- 
tische Permeabilität  der  verschiedenen  Eisensorten  eine  ver- 
änderliche Größe,  welche  bei  wachsender  Zahl  der  Ampere- 
windungen   sinkt.      Bei    30    Ampere  Windungen    ist    sie    für 

Schmiedeeisen  nur  noch  — — "- —  =  408,    für    Stahlguß 

30  X  o  ö 

deich  — = —  =  421.    Die  Kraftlinien  des  Solenoids  und 

30  X  5 

des  durch  den  Strom  entstandenen  Magneten  addieren  sich 
und  äußern  gemeinsame  Wirkungen  in  die  Umgebimg. 

Die  Einwirkung  eines  stromdurchflossenen  Solenoids, 
der  primären  Spule,  auf  einen  in  der  Nähe  befindlichen  zu- 
nächst stromfreien  Leiter,  die  sekundäre  Spule,  besteht  in 
der  schon  von  Faraday  aufgefundenen  Induktion,  d.  h.  in 
der  Erzeugung  eines  neuen  von  dem  ersten  ganz  verschie- 
denen sekundären  Stromes.  Das  Grundgesetz  der  elektrischen 
Induktion  lautet  bekanntlich:  Immer  wenn  in  einem  Strom- 
kreis der  elektrische  Str,om  geöffnet  oder  geschlossen  wird 
(abnimmt  oder  zunimmt),  entsteht  in  einem  benachbarten 
Leiter  ein  momentaner  (induzierter)  Strom.  Die  gleiche  Wir- 
kung   zeigt  sich,    wenn    der    stromdurchnossene    Leiter    von 

Stechow,  Das  Röntgen- Verfahren.  Q 


34  Der  Induktor. 

dem  andern  entfernt  oder  ihm  genähert  wird.  Die  Richtung 
des  induzierten  Stromes  ist  beim  Eintritt  des  primären  diesem 
entgegengesetzt,  beim  Austritt  diesem  gleich.  Nach  Lenz 
läßt  sich  das  hierbei  obwaltende  Gesetz  so  ausdrücken: 
Der  Strom,  welcher  durch  eine  Bewegung  entsteht,  bringt 
selbst  die  entgegengesetzte  Bewegung  hervor,  und:  die  Be- 
wegung, welche  durch  einen  Strom  entsteht,  bringt  selbst 
den  entgegengesetzten  Strom  hervor. 

Gerade  so  aber  wie  eine  stromdurchflossene  Spule  nach 
außen  vollkommen  wie  ein  Magnet  sich  verhält,  sich  bei 
freier  Beweglichkeit  in  die  Nordsüdrichtung  stellt,  magnetische 
Eisenmassen  anzieht  oder  abstößt,  ebenso  veranlaßt  ein 
Magnet  elektrische  Wirkimgen.  Bewegungen  eines  solchen 
in  der  Nähe  eines  Leiters  erzeugen  in  dem  letzteren  Induk- 
tionsströme wie  die  Bewegungen  einer  stromdurchflossenen 
Spule.  Das  gleiche  in  beiden  Fällen  ist  das  Auftreten  von 
magnetischen  Kraftlinien,  welche  eine  Einwirkung  auf  den 
vorher  stromlosen  Leiter  ausüben.  Aber  nicht  das  einfache 
Vorhandensein  ruhender  Kraftlinien  induziert  den  Strom,  son- 
dern ihre  Ab-  oder  ihre  Zunahme,  ihr  Auftreten  oder  Ver- 
schwinden ist  das  Wesentliche  und  Bedingende.  Je  stärker 
der  primäre  Strom  oder  der  Magnet  ist,  je  rascher  er  auf- 
tritt, seine  Lage  oder  Intensität  wechselt,  endlich  je  zahl- 
reicher die  Windungen  der  sekundären  Spule  sind,  desto 
größer  die  induzierte  elektromotorische  Kraft  in  letzterer. 
Die  genauere  Durchrechnung  dieser  Verhältnisse  führt,  wenn 
von  den  Streuimgsverhältnissen  abgesehen  wird,  zu  dem  Er- 
gebnis, daß  die  elektromotorischen  Kräfte  in  der  primären 
und  sekundären  Spule  sich  verhalten  wie  die  Windungszahlen. 
Auf  jede  Windung  der  sekundären  Spule  wirkt  die  elektro- 
motorische Kraft  der  primären  Spule  in  gleicher  Weise. 
Hat  diese  in  jeder  Windung  derselben  den  Wert  e  und  sind  n 
hintereinander  geschaltete  Windungen  vorhanden,  so  addieren 
sich  alle  Spannungen  und  die  gesamte  elektromotorische 
Kraft  beträgt  n  X  e.  Da  aber  der  gesamte  Effekt  e  X  i,  d.  h. 
das  Produkt  aus  Spannung  und  Stromstärke  unter  den  oben 
angenommenen  Verhältnissen  keine  Aenderung  erfahren  kann, 
so  muß  die  Stromstärke  in  demselben  Grade  abnehmen  als 
die  Spannung  gestiegen  ist.  Bei  einer  Spannung  von  n  X  <?  be- 
trägt die  Stromstärke  nur  noch  — . 


Der  Induktor.  35 

Was  nun  den  Gesamtaufbau  des  Induktors  betrifft,  so 
ergibt  sich  aus  den  vorher  angegebenen  Zahlen  über  die  im 
Eisenkern  auftretenden  Kraftlinien,  in  wie  hohem  Maße  die 
induzierende  Wirkung  der  primären  Spule  durch  Einführen 
eines  solchen  verstärkt  wird.  Das  Material  desselben  an- 
langend, so  ist  zunächst  klar,  daß  derselbe  aus  möglichst 
weichem  Eisen  bestehen  muß,  welches  imstande  ist,  in 
kürzester  Frist  Magnetismus  anzunehmen  und  wieder  un- 
magnetisch zu  werden.  Dem  primären  Strom  wird  die  in 
Bezug  auf  die  Molekularmagnete  richtende  Arbeit  hierdurch 
erleichtert.  Nun  stellt  aber  der  Eisenkern  einen  Leiter  in 
der  Nähe  der  primären  Strombahn  vor,  welcher  so  gut  wie 
die  sekundäre  Spule  von  den  entgegengesetzt  gerichteten  in- 
duzierten Strömen  durchflössen  wird.  Wäre  der  Kern  aus 
kompaktem  Eisen,  so  würden  diese  Ströme  in  der  Querrich- 
tung  fließen  und  hemmend  auf  den  Verlauf  der  Induktion 
wirken.  Wird  diesen  Wirbelströmen,  auch  Foucault'sche 
Ströme  genannt,  der  Weg  durch  isolierende  Schichten  ver- 
legt, so  können  sie  nicht  zur  Entwickelung  kommen  und  die 
Induktionswirkimg  wird  beträchtlich  vermehrt.  Aus  diesem 
Grunde  wurde  der  Eisenkern  früher  in  zahlreiche  Draht- 
bündel aufgelöst,  dessen  einzelne  Glieder  in  der  Längsrich- 
tung gut  von  einander  isoliert  wurden.  Neuerdings  werden 
hierzu  dünne  Eisenbleche  (Dynamobleche)  genommen,  wodurch 
mehr  Eisen  in  den  Kern  gebracht  werden  kann. 

Bei  allen  Rühmkorffs  und  den  bisher  gebauten  Funken- 
Induktoren  ist  die  Form  der  Walze  mit  weit  auseinander- 
stehenden Polen  die  gleiche  geblieben.  Diese  Form  hat  aber 
einen  schlechten  magnetischen  Kreis,  da  die  erzeugten  Kraft- 
linien genötigt  sind,  den  Rückweg  durch  den  weiten  Luft- 
raum zu  nehmen.  Bei  technischen  Transformatoren,  welche 
große  Elektrizitätsmengen  umzusetzen  haben,  sind  daher  ver- 
schiedene Konstruktionen  ersonnen,  welche  den  magnetischen 
Kreis  ganz  mit  durchlässigem  Eisen  schließen,  auf  welche 
aber  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann1).  Für 
Röntgenzwecke  ist  von  allen  Firmen  die  alte  Walzenform 
mit  ungeschlossenen  Kraftlinien  beibehalten,  da  hierbei  der 
Abfall  des  Magnetismus  sich  rascher  vollzieht.  Letzteres  ist 
von    großer    Wichtigkeit,'     da     hier     dauernd     weit    höhere 

1)  Vergl.  Die  Dynamoelektrischen  Maschinen  von  Silvanus 
P.  Thompson.    6.  Aufl.  1901  Halle  a,  S.  Wilhelm  Knapp. 

3* 


36  Der  Induktor. 

Spannungen  vorkommen  als  bei  den  technischen  Trans- 
formatoren. 

Geradeso  wie  auf  einen  daneben  liegenden  Leiter  wirkt 
aber  der  primäre  Strom  auch  auf  die  Windungen  seines 
eigenen  Stromkreises  induzierend.  Diese  neben  der  Magneto- 
induktion und  Elektroinduktion  vorhandene  dritte  Art  von 
Induktion,  die  ebenfalls  schon  von  Faraday  entdeckt  wurde, 
ist  die  Selbstinduktion.  Tritt  der  primäre  Strom  in  seine 
Strombahn  ein,  so  entsteht  in  derselben  ein  entgegengesetzt 
gerichteter  Strom,  welcher  den  ersten  zunächst  schwächt. 
Der  primäre  Strom  gelangt  daher  nicht  gleich  zu  seiner 
vollen  Stärke,  sondern  erlangt  diese  erst  nach  einer  gewissen, 
wenn  auch  kurzen  Zeit.  Wird  der  primäre  Strom  unter- 
brochen, so  wirkt  wieder  jede  Windung  auf  die  andere  in- 
duzierend und  es  entsteht  nunmehr  ein  zweiter  Induktions- 
strom, welcher  dem  primären  gleichgerichtet  ist.  Da  aber 
beim  Oeffnen  die  Aenderung  in  der  Intensität  des  primären 
Stromes  sehr  viel  rascher  eintritt  als  beim  Schließen,  so  er- 
hält der  hierdurch  induzierte  Strom  eine  sehr  viel  höhere 
Spannung,  welche  an  der  Unterbrechungsstelle  als  Oeffnungs- 
funke  sich  bemerkbar  macht.  Die  in  der  eigenen  Strombahn 
induzierten  Ströme  werden  Extraströme  genannt.  Während 
der  Schließnngsextrastrom,  ohne  direkte  Wirkungen  nach 
außen  auszulösen,  nur  in  der  Schwächung  und  Verzögerung 
des  primären  Stromes  sich  bekundet1),  tritt  das  Vorhandensein 
des  Oeffnungsextrastromes  in  der  Funkenbildung  deutlich  in 
die  Erscheinung. 

Diese  Funkenbildung  hat  mehrfache  Ue  beistände  im  Ge- 
folge. Einmal  werden  hierdurch  Teile  der  Unterbrechungs- 
stelle losgerissen,  und  diese  selbst  bei  längerem  Gebrauch 
rauh  alsc  zum  guten  Stromschluß  ungeeignet  gemacht. 
Ferner  bildet  der  Funke  eine  Verlängerung  in  der  Dauer 
des  primären  Stromes,  welcher  ja  doch  möglichst  rasch 
zu  vollständigem  Verschwinden  gebracht  werden  soll. 
Schließlich,  gleicht  sich  auch  ein  Teil  der  heranströmenden 
Elektrizitätsmengen  durch  den  Funken  aus,  so  flutet  doch 
ein  anderer  Teil  zurück  in  die  primäre  Rolle  und  schwächt 
deren  Induktionswirkung  auf  die  sekundäre.  Hier  schafft 
der    von    Fizeau    eingeführte    Kondensator    Abhülfe.      Der- 


1)  Ueber  den  Nachweis  desselben  s.  Edlund  in  Poggendorffs 
Annalen  Bd.  77  S.  161,  auch  Müller-Pouillet  1890  Bd.  3  S.  857. 


Der  Induktor.  37 

selbe  stellt  bekanntlich  eine  vielfach  geschichtete  Frank- 
lin'sehe  Tafel  dar,  welche  so  angelegt  wird,  daß  ihre  beiden 
Belegungen  parallel  zum  Unterbrecher  liegen  und  somit  die 
Funkenstrecke  umfassen.  Die  Elektrizitätsmengen,  welche 
durch  den  Oeffhungsextrastrom  in  Bewegung  gesetzt  worden 
sind,  werden  vom  Kondensator  aufgenommen,  es  findet  kein 
Zurückfluten  und  keine  oder  nur  geringe  Funkenbildung  statt, 
und  die  Wirkung  des  ganzen  Apparates  wird  eine  höhere. 
Ob  diese  von  altersher  in  den  Lehrbüchern  enthaltene  Er- 
klärung der  Wirkung  des  Kondensators  die  beobachteten  Tat- 
sachen schon  erschöpft,  konnte  zweifelhaft  erscheinen. 
Denn  wenn  in  der  Tat  der  einzige  Zweck  des  Kondensators 
wäre,  eine  große  Menge  in  Bewegung  gesetzter  Elektrizität 
aufzunehmen,  so  könnte  er  vielleicht  zu  klein,  aber  kaum  zu 
groß  genommen  werden.  Nun  hat  unter  Andern  B.  Walter1) 
durch  genaue  Messungen  von  einem  30  cm  Induktor  von 
Max  Kohl-Chemnitz  festgestellt,  daß  für  ein  gegebenes  Ver- 
hältnis der  beiden  Spulen'  ein  Kondensator  von  ganz  be- 
stimmter Kapazität  erforderlich  ist,  um  die  größte  Funken- 
länge zu  erhalten.  Es  ergab  sich  bei  stufenweiser  Vergröße- 
rung des  Kondensators  zunächst  ein  sehr  rasches  Ansteigen 
der  Funkenlänge,  welche  bei  0,22  Mikro-Farad  ihren  höch- 
sten Betrag  von  30  cm  erreichten.  Bei  weiterer  Steigerung 
der  Kapazität  jedoch  ging  die  Länge  der  Funken  langsam 
wieder  herunter.  Hieraus  folgt,  daß  bis  zu  einer  gewissen 
Größe  der  Kapazität  der  Kondensator  tatsächlich  in  der 
bisher  angenommenen  Weise  wirkt,  indem  er  den  Oermungs- 
extrastrom in  sich  aufnimmt,  dadurch  den  Oeffnungsf unken 
schwächt  und  die  Dauer  des  Oerfhungsstrom.es  kürzt.  Wird 
aber  die  Kapazität  vergrößert,  so  entwickeln  sich  Schwin- 
gungen, welche  mit  noch  weiter  zunehmender  Kapazität 
immer  langsamer  werden  und  die  Unterbrechung  des  primären 
Stromes  wieder  verzögern.  Diese  Schwingungen  wurden  mit 
Hilfe  einer  Braun' sehen  Kathodenstrahlenröhre 2)  von  Walter 
im  rotierenden  Spiegel  direkt  nachgewiesen. 

Wichtige   Untersuchungen    für    den    praktischen   Aufbau 
von  Induktorien    verdanken  wir  Klineelfuss3).      Er  stellte 


1)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  62  S.  300. 

2)  Ueber  die  Kathodenstrahlen-Röhre  siehe  Braun  in  Wiede- 
manns Annalen  1897  Bd.  60  S.  552. 

3)  Annalen  der  Physik  4.  Folge  1901  Bd.  5  S.  837. 


38  Der  Induktor. 

das  Verhältnis  fest,  welches  zwischen  der  Anzahl  der  pri- 
mären und  sekundären  Windungen,  sowie  der  Kapazität  des 
Kondensators  und  der  Stromstärke  bestehen  muß,  um  in  der 
sekundären  Spule  die  höchsten  Wirkungen  bei  niedrigster 
Spannung  zu  erhalten.  Es  ist  nach  den  gefundenen  Grund- 
sätzen möglich,  für  Induktoren  bis  zu  1  m  Funkenlänge  alle 
Größen  derart  vorauszubestimmen,  daß  die  geforcierte  Leistung 
mit  Sicherheit  erreicht  wird.  Dabei  ist  die  Zahl  der  Win- 
dungen im  Vergleich  mit  andern,  dieselbe  Leistung  zeigenden 
Apparaten  eine  sehr  geringe,  sodaß  es  wieder  möglich  ist, 
Draht  von  größerem  Querschnitt  zu  verwenden.  Durch  die 
Verwendung  kürzeren  und  dickeren  Drahtes  ist  der  Wider- 
stand sehr  gering.  So  hat  eine  sekundäre  Spule,  weiche 
35  cm  lange  Funken  liefert,  nur  3250  Ohm  Widerstand,  eine 
für  meterlange  Funken  nur  86000  Windungen  mit  40000  Ohm 
Widerstand. 

Die  Spannungen,  welche  an  der  Sekundärklemme  des 
Induktors  auftreten,  sind  sehr  erhebliche.  Nach  Thompson 
beträgt  die  Potentialdifferenz  bei  2  cm  Schlagweite  31350  Volt, 
bei  20  cm  130000  Volt,  bei  1  Meter  650000  Volt.  Für 
praktische  Röntgenzwecke  werden  gewöhnlich  Apparate  von 
30 — 40,  auch  50  cm  Funkenlänge  verwendet.  Man  kann 
somit  annehmen,  daß  man  es  bei  ihnen  mit  Spannungen  von 
etwa  200000  bis  300000  Volt  zu  tun  hat. 

Die  Größe  der  Apparate  richtet  sich  nach  den  von  ihnen 
verlangten  Leistungen.  Innerhalb  der  Militärlazarette  werden 
die  größten  Anforderungen  gestellt,  da  es  sich  hier  aus- 
schließlich um  die  kräftigsten,  ausgesuchtesten  Leute  handelt, 
deren  lebensfrische  Gewebe  der  Durchstrahlung  viel  größeren 
Widerstand  entgegensetzen  als  die  in  Zivilkrankenhäusern 
vielfach  vorhandenen  Kinder  und  dekrepiden  Menschen. 
Seitens  der  Fabrikanten  werden  namentlich  aus  Billigkeits- 
rücksichten noch  häufig  Apparate  zu  20 — 25  cm  Schlagweite 
empfohlen.  Dieselben  sind  unter  Berücksichtigung  der  oben 
erwähnten  Tatsachen  für  militärische  Zwecke  durchaus  zu 
widerraten.  Soweit  die  Einrichtungen  bis  jetzt  entwickelt 
sind,  müssen  Induktoren  von  mindestens  35 — 40  cm  Schlag- 
weite unbedingt  gefordert  werden. 


Der  Unterbrecher. 


39 


II.   Der  Unterbrecher. 

Die  Unterbrechungen  des  primären  Stromes  können 
natürlich  nicht  mit  der  Hand  ausgeführt  werden,  sondern 
hierzu  sind  besondere  selbsttätig  arbeitende  Apparate  nötig, 
deren  Vervollkommnung  für  die  Röntgentechnik  von  ganz 
besonderer  Wichtigkeit  gewesen  ist.  Bei  Beginn  der  Röntgen- 
ära  war  nur  eine  kleine  Zahl  von  Konstruktionen  vorhanden, 
welche  für  die  nur  kurze  Zeit  dauernden  Lab  Oratoriums  ver- 
suche ausgereicht  hatten,  aber  den  nun  erfolgenden  lang 
dauernden  Beanspruchungen  nicht  gewachsen  waren. 

A.    Einfache  Unterbrecher. 

Die  einfachste  Vorrichtung  ist  der  bekannte  von  de  la 
Rive  in  Genf  und  Wagner  in  Frankfurt  a.  M.  erfundene 
magnetische  Hammer,  bei  welchem  ein  Anker  angezogen,  die 


"Wagner'scher  Hammer  mit  Doppelfeder  nach  Poggendorff. 

ihn  tragende  in  der  Strombahn  liegende  Messingfeder  von 
einem  Kontakt  entfernt  und  hierdurch  der  Strom  unterbrochen 
wird.  Der  Apparat  ist  gewöhnlich  auf  dem  Grundbrett  des 
Induktors  vor  dem  Eisenkern  montiert,  kann  jedoch  auch 
als  selbständiger  Apparat  angeordnet  werden.    Er  liegt  immer 


40 


Der  Unterbrecher. 


im  Hauptstrom  und  vermag  etwa  20  Unterbrechungen  in  der 
Sekunde  zu  leisten.  Die  Kontakte  an  der  Unterbrechungs- 
stelle sind  mit  Platin  belegt,  was  bei  geringen  Stromstärken 
und  kürzerem  Gebrauch  für  lange  Zeit  gutes  Funktionieren 
gewährleistet.  Dem  Uebelstand,  daß  sofort  beim  Strom- 
schluß der  Anker  angezogen  wird,  der  Strom  also  längere 
Zeit  unterbrochen  als  geschlossen  ist,  hat  schon  Poggen- 
dorf  durch  Anbringen  einer  zweiten,  auf  der  ersten  parallel 
aufsitzenden  Feder  abgeholfen. 

Dieser  Apparat  hat  unstreitig  den  Vorzug  großer  Ein- 
fachheit. Er  arbeitet  in  jeder  Lage,  bedarf  keiner  be- 
sonderen Wartung  und  zur  Regulierung  nur  des  Anziehens 
einer    der    Messingfeder    gegenüberstehenden    Schraube.      Er 

Fig.  4. 


Präzisions-Platin-Unterbrecher  von  Dr.  Max  Levy. 

empfiehlt  sich  durch  diese  Eigenschaften  namentlich  auch  für 
transportabeln  Gebrauch,  und  von  vielen  Konstrukteuren  ist 
versucht  worden,  ihn  durch  stärkere  Bauart  und  Abänderung- 
einzelner  Teile,  namentlich  der  Feder,  stärkeren  Strömen  und 
längeren  Beanspruchungen  gegenüber  ]eistungsfähig  auszuge- 
stalten. Wenn  auch  hierdurch  zweifellos  manche  Verbesse- 
rungen erreicht  sind,  z.  B.  in  der  durch  D.  R.  G.  M.  ge- 
schützten Form  von  Levy,  so  können  derartige  Apparate 
•heutzutage  doch  nur  noch  als  ein  Notbehelf  gelten.  Die 
Elastizität  der  Federn  ist  eine  beschränkte.  Bei  den  längeren 
Arbeiten  mit  stärkeren  Strömen,  wie  sie  bei  Röntgenauf- 
nahmen notwendig  werden,  leiden  die  Kontakte.  Durch  die 
entstehenden    Funken    werden    kleine    Partikel    selbst    vom 


Der  Unterbrecher. 


41 


Platin  losgerissen,  verdampfen  und  verzögern  die  Stromunter- 
brechung.  Die  Berührungsflächen  werden  uneben,  wodurch 
der  Stromschluß  erschwert  und  vermehrter  Anlaß  zur  Funken- 
bildung, wohl  auch  zu  kurz  dauerndem  Zusammenbacken  der 
Kontakte  gegeben  wird.  Das  Ergebnis  ist  ein  unregelmäßiges 
Arbeiten  und  flackerndes  Leuchten  der  Röhren,  dem  nur 
durch  häufiges  Abfeilen  oder  Ersetzen  der  Kontakte  abge- 
holfen werden  kann. 

Der  Unterbrecher  von  Deprez  besitzt  als  Hauptteil-  ein 
Stück  weichen  Eisens,  welches  um  eine  vertikale  oder  hori- 


Fig.  5. 


Deprez-Untefbrecher. 


Stromkreis    geöffnet    und    alsdann    das 
welche    mit    regulierbarem 


zontale  Achse  leicht  drehbar  ist  und  dessen  eines  Ende  von  dem 
Magneten  des  Induktionsapparates  angezogen  werden  kann 
Hierdurch    wird    der 
Eisenstück    durch    eine    Feder 

Druck  auf  das  andere  Ende  wirkt,  in  die  Anfangslage  zurück- 
geführt. Wenn  auch  die  Schwingungen  des  Eisens  rascher 
wie  beim  Wagner'schen  Hammer  erfolgen  (bis  45  mal  in 
der  Sekunde),  so  hat  doch  die  Bewegungsfähigkeit  der 
Feder  eine  Grenze,  und  die  Stromunterbrechung  erfolgt 
wieder  an  metallischen  Kontakten,  sodaß  für  Dauerbean- 
spruchung ebenfalls  dieselben  Bedenken  und  Schwierigkeiten 
entstehen  wie  bei  jenem  einfacheren  Instrument.     Auch    der 


42 


Der  Unterbrecher. 


Deprez -Unterbrecher  wird  daher  nur  noch  vereinzelt  ange- 
wandt, namentlich  in  Fällen,  in  denen  der  ganze  Apparat 
nur  zu  kurz  dauernden  Arbeiten  bestimmt  ist,  und  besonders 
für  transportable,  also  möglichst  leichte  Apparate  empfohlen. 
Da  sowohl  beim  Wagner 'sehen  Hammer  als  beim 
Deprez-Unterbrecher  die  schwingende  Feder  nur  auf  einer 
Seite  Kontakt  gewinnt,  somit  während  einer  ganzen  Schwingung 
nur  einmal  den  Strom  schließt,  suchte  F.  Dessau eK 
Aschaffenburg1)  die  Leistung  des  Unterbrechers  zu  verdoppeln, 
indem    er    auch    der    zweiten  Hälfte    der  Schwingung    einen 


Fig.  6. 


t[ 


EM 


Deprez-Unterbrecher  von  Siemens  u.  Halske. 

Kontakt  gegenüberstellte.  Trotzdem  man  ein  „Kleben"  der 
Federn  hierbei  annehmen  möchte,  soll  durch  die  Elastizität 
derselben  doch  das  Hin-  und  Herschwingen  gesichert,  die 
Kontaktzeit  besonders  lange  ausgenutzt  und  die  Wirksamkeit 
des  Apparates  wesentlich  vermehrt  sein.  Daß  derselbe 
weitere  Verbreitung  gefunden,  ist  nicht  bekannt  geworden. 

Um  den  Stromschluß  für  längere  Zeit  sicherer  zu  ge- 
stalten, ist  eine  andere  Klasse  von  Unterbrechern  konstruiert, 
bei  welcher  eine  Metallnadel  in  Quecksilber  taucht.  Die 
Wirkung  muß  hier  eine  bessere  werden,  da  das  Quecksilber 
stets  in  vollen  Kontakt  mit  der  stromführenden  Nadel  treten 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899   Bd.  II 
S.  150. 


Der  Unterbrecher. 


43 


kann.  Zum  schnelleren  Auslöschen  des  Funkens  wird  das 
Quecksilber  mit  Wasser,  Petroleum  oder  Alkohol  üb  er  schichtet. 
Letzterer  gibt  wohl  die  beste  Wirkung  und  läßt  eine  leichte 
Reinigung  zu. 

Das  Eintauchen  der  Nadel  kann  in  verschiedener  Weise 
bewirkt  werden.  Bei  dem  Apparat  von  Stöhrer1)  ist  die 
Nadel  einfach  an  einer  Verlängerung  der  den  Anker  tragen- 
den Feder  befestigt  und  liegt  mit  dem  den  Anker  bewegenden 
Elektromagneten  im  Primärstromkreis. 

Bei  anderen  Konstruktionen  werden  zwei  Stromkreise  an- 
gewendet, der  primäre,  welcher  unterbrochen  werden  soll, 
und    ein    Hilfsstrom,    welcher    den    die    Nadel    bewegenden 

Fig.  7. 


Quecksüber-Interruptor  nach  Stöhrer. 


Magneten  erregt.  Der  den  Anker  tragende  Teil  ist  dann 
meist  ein  starrer  Messingbalken,  welcher  um  einen  Dreh- 
punkt schwingend  auf  der  einen  Seite  vom  Magneten  nieder- 
gezogen und  durch  eine  regulierbare  Feder  auf  der  anderen 
Seite  wieder  gehoben  wird. 

In  dieser  einfachen  Ausführung  hat  der  Apparat  viele 
Mängel.  Der  Ausschlag  der  Nadel  ist  nur  ein  geringer.  Das 
Quecksilber  gerät  notwendigerweise  in  Bewegung,  auf  seiner 
Oberfläche  bilden  sich  Wellen,  durch  welche  verursacht  wird, 
daß  einmal  die  Nadel  aus  einem  Wellenberge  nicht  heraus- 
tritt,   während    sie    ein  andermal  bei  vorliegendem  Wellental 


1)  Müller-Pouillet,    Lehrbuch  der  Physik,   9.  Aufl.    Bd.  III 


S.  873. 


u 


Der  Unterbrecher. 


das  Quecksilber  nicht  erreicht.  Auch  kann  sich  ein  Queck- 
silberfaden bilden,  welcher  mit  der  Spitze  der  Nadel  in  Ver- 
bindung bleibend  die  Stromöffnung  für  einige  Zeit  überhaupt 
verhindert.  Das  Quecksilber  vermag  eben  den  Bewegungen 
der  Nadel  nicht  mit  der  ausreichenden  Schnelligkeit  zu  folgen. 
Hierdurch  entsteht  ein  unregelmäßiges,  sehr  störendes  Arbeiten 
der  leuchtenden  Röhre,  welchem  auch  durch  Hilfsmittel  wie 
z.  B.   Einlegen    eines  Metallringes    in    das  Quecksilber,    wo- 

Fig.  8. 


Foucault's  Intemvptor. 

durch  die  Wellenbewegung  unterbrochen  werden  soll,  nicht 
genügend  abgeholfen  wird. 

Abweichend  hiervon  ist  der  Interruptor  von  Foucault 
eingerichtet. 

Der  wagerechte  Balken  ist  an  einer  senkrecht  stehenden 
Feder  befestigt  und  trägt  in  deren  Verlängerung  einen  runden 
Metallstab,  an  welchem  ein  Gewicht  in  beliebiger  Höhe  ein- 
gestellt werden  kann.  An  der  einen  Seite  der  Feder  trägt 
der    Balken    den    Anker,     an    der    andern    zwei    senkrecht 


Der  Unterbrecher. 


45 


stehende,  in  Quecksilbergefäße  tauchende  Stifte.  Beide  Ge- 
fäße können  in  beliebiger  Höhe  eingestellt  werden.  In  dem 
einen  wird  der  Hauptstrom  der  primären  Spule  unterbrochen, 
in  dem  andern  der  den  Magneten  speisende  Hilfsstrom.  Bei 
einer  Schwingung  des  Wagebalkens  wird  der  Strom,  wie  er- 
sichtlich, einmal  unterbrochen. 

Eine  erhebliche  Verbesserung  der  Wirkung  wird  erzielt 
durch  die  auf  ähnlichem  Prinzip  beruhende  schnellschwingende 
Quecksilberwippe  von  Siemens  &  Halske.  Hier'  erfolgt 
durch    einen    Magneten    ein    schnelles    Oszillieren    eines    um 

Fig.  9. 


Quecksilberwippe  von  Siemens  &  Halske. 

eine  wagerechte  Achse  zwischen  den  Polen  beweglichen 
Ankers,  der  einen  nach  beiden  Seiten  verlängerten  Wage- 
balken trägt.  Von  jedem  Ende  des  letzteren  geht  ein  Kupfer- 
draht nach  abwärts  in  ein  nach  der  Höhe  verstellbares  Gefäß, 
welches  mit  Petroleum  überschichtetes  Quecksilber  enthält. 
Beide  Gefäße  sind  leitend  mit  einander  verbunden.  Der  Strom 
wird  dem  Wagebalken  zugeführt  nnd  geht  durch  die  Nadeln 
und  das  Quecksilber  zurück.  Da  die  beiden  Quecksilber- 
gefäße nur  einen  Pol  bilden,  wird  der  Strom  bei  jeder 
Schwingung  des  Balkens*  zweimal  unterbrochen,  somit  die 
Wirkung  gegen  den  Apparat  von  Foucault  verdoppelt.  Der 
zum  Betrieb  der  Wippe  erforderliche  Strom  beträgt  nur  0,1 
bis  0,2  Ampere. 


46  Der  Unterbrecher. 

B.    Motorunterbrecher. 

In  dem  Bestreben,  einerseits  die  Zahl  der  Unter- 
brechungen zn  steigern,  andererseits  die  zum  Antrieb'  not- 
wendige Kraft  möglichst  zu  verringern,  sind  einige  Kon- 
struktionen angegeben,  bei  welchen  ein  mit  Spitzen  ver- 
sehenes stromführendes  Metallrad  durch  Quecksilber  hindurch 
bewegt  wird.  Im  Juli  1897  beschrieb  F.  Hofmeister- 
Tübingen1)  einen  Quecksilberunterbrecher,  bei  welchem  ein 
kleiner  Elektromotor  eine  Welle  dreht,  an  welcher  ein  drei- 
strahliger  Stern  aus  Nickelin  mit  Platinspitzen  und  ein 
kapfernes  Vollrad  sitzen.  Beide  tauchen  in  je  ein  Glasgefäß, 
welches  bis  zu  einer  bestimmten  Höhe  mit  Quecksilber  ge- 
füllt ist.  Letzteres  ist  in  dem  Gefäß  für  den  Stern  noch 
mit  Wasser  überschichtet.  Die  Achse  des  Motors,  der  durch 
eine  besondere  Stromquelle  angetrieben  wird,  ist  gegen  die 
übrige  Welle  isoliert  und  kann  an  dieser  Stelle  leicht  durch 
Lösen  einer  Kuppelung  von  letzterer  getrennt  werden.  Der 
Strom  der  primären  Spule  gelangt  in  das  eine  Q.uecksilber- 
gefäß,  wird  durch  die  in  das  Quecksilber  schlagenden  Platin- 
spitzen  des  Sternes  geschlossen  und  auf  dem  Wege  über  die 
Welle,  die  massive  Kupferscheibe  und  das  Quecksilber  des 
anderen  Gefäßes  zurückgeleitet.  Die  Unterbrechungszahl  soll 
sich  von  5  bis  60  in  der  Sekunde  abstufen  lassen,  der 
Unterbrecher  mit  Motor  kostet  bei  dem  Mechaniker  Schur  - 
Tübingen  nur  60  Mark. 

Im  März  1898  beschrieb  Hauswald2)  ein  Abänderung 
des  Apparates,  wobei  der  dreischenklige  Stern  aus  Silber 
gearbeitet  und  jeder  Schenkel  knieförmig  umgebogen  und 
zweischneidig  zugeschärft  war.  Der  Apparat  soll  ganz  ge- 
räuschlos arbeiten  und  stärkere  Ströme  bis  10  Ampere  ver- 
tragen. 

Von  Thor  Stenbeck  und  Balke  -  Stockholm3)  ist  ein 
ähnlicher  Apparat  angegeben,  bei  welchem  statt  der  runden 
Stifte  eine  in  zwei  flache  Spitzen  auslaufende  Scheibe  durch 
das  Quecksilber  geführt  wird.  Die  flache  schneidenartige 
Form  der  Arme  soll  das  Eintauchen  erleichtern  und  ein  Ver- 
spritzen sowohl    des  Quecksilbers    als    auch  des  darüber  ge- 

1)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  62  S.  379. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  65  S.  479. 

3)  Verhandlungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie,  26. 
Congress  1897  S.  55. 


Der  Unterbrecher. 


47 


schichteten  Alkohols  verhindern.    In  der  Minute  sollen  leicht 
bis  2000  Unterbrechungen  zu  erhalten  sein. 

Ein  hiermit  ziemlich  übereinstimmender  Apparat  wurde 
von  Dr.  Stenbeck  dem  Röntgenkabinett  im  Garnisonlazarett  I 
Berlin  im  Jahre  1897  zur  Verfügung  gestellt.  Hier  war  die 
Achse  eines  kleinen  Motors  nur  durch  einen  übergestreiften 
Gummischlauch  mit  einer  Welle  gekuppelt,  welche  die  Wand 
eines    Becherglases    horizontal    durchsetzte    und    am    freien 

Fiff.  10. 


Motor-Unterbrecher  von  Thor  Stenbeck. 

Ende  zwei  zugespitzte  schneidenartig  zusammengedrückte 
Arme  trug.  Der  primäre  Strom  wurde  dieser  Welle  außen 
durch  eine  Kontaktfeder  zugeführt  und  durch  einen  in  das 
Quecksilber  eingetauchten  Kupferbügel  zurückgeleitet.  Es 
war  also  hierbei  nur  ein  etwa  1300  ccm  großes  Gefäß  vor- 
handen, dessen  Boden  mit  Quecksilber  bedeckt  und  das  im 
übrigen  etwa  zur  Hälfte  mit  Spiritus  angefüllt  wurde. 

Es  zeigte  sich,    daß    die  Antriebskraft    in    der  Tat   nur 
minimal  zu    sein    brauchte,    sowie    daß    die  Unterbrechungen 


48  Der  Unterbrecher. 

regelmäßig  ,  erfolgten  und  gut  regulierbar  waren,  jedoch 
machte  die  Dichtung  der  durch  die  Glaswand  gehenden  Welle 
gegen  den  überschichtenden  Alkohol  Schwierigkeiten. 

Einen  erheblichen  Fortschritt  in  der  Technik  des  Strom- 
unterbrechens  stellen  diejenigen  Apparate  dar,  bei  welchen 
durch  einen  rotierenden  Elektromotor  eine  Kupfernadel  rasch 
und  gleichmäßig  in  senkrechter  Richtung  auf-  und  abbewegt 
wird  und  durch  ihr  Eintauchen  in  Quecksilber  den  Strom 
schließt.  Durch  passende  Wahl  des  die  Nadel  tragenden 
Exzenters  kann  ihre  Exkursion  beliebig  groß  gemacht  und  so 
eingerichtet  werden,  daß  ein  regelmäßiges  Eintauchen  in  das 
Quecksilber  unter  allen  Umständen  gesichert  ist.  Die  bei 
den  früher  beschriebenen  Apparaten  erwähnten  so  sehr  stören- 
den Wellen  auf  der  Oberfläche  des  Quecksilbers  sind  hierbei 
ohne  Belang.  Durch  Heben  oder  Senken  des  Gefäßes  kann 
die  Dauer  des  Stromschlusses  aufs  feinste  reguliert  werden.  Der 
Elektromotor  verlangt  keine  andere  Bedienung  als  ein  zeit- 
weises Oelen.  Das  wie  gewöhnlich  mit  Alkohol  überschichtete 
Quecksilber  wird  zwar  durch  die  Stöße  der  Nadel  und  die 
Funkenbildung  zerstäubt,  jedoch  ist  bei  der  gewöhnlichen 
Größe  der  Gefäße  (etwa  200  ccm  Quecksilber  und  500  ccm 
Alkohol)  ein  Reinigen  selbst  bei  täglichem  Gebrauch  in  militäri- 
schen Röntgenkabinetten  nur  alle  3 — 4  Wochen  erforderlich. x) 

Von  Dumstrey  und  Metzner2)  ist  empfohlen,  anstatt 
mit  dem  stehen  bleibenden  und  sich  verunreinigenden  Alkohol 


1)  Das  Reinigen  geschieht  am  besten  durch  Ausgiessen  des  Queck- 
silbers in  ein  hohes  Gefäss  und  mehrmaliges  Durchspülen  an  der  Wasser- 
leitung. Den  Rest  von  Schlamm  und  Wasser  entfernt  man  durch  Hinein- 
bringen von  Stückchen  Fliesspapier  mittelst  eines  Holzstäbchens.  Die 
vollkommene  Entfernung  des  Wassers  ist  wichtig,  weil  durch  Zurück- 
bleiben desselben  die  Wirkung  des  Alkohols  geschwächt  wird.  Das 
Unterbrechergefäss  wird  ebenfalls  mit  Fliesspapier,  das  man  in  durch 
Schwefelsäure  angesäuertes  Wasser  tauchen  kann,  gut  ausgerieben  und 
nachher  sorgfältig  ausgespült  und  getrocknet.  Uebertriebene  Sorgfalt 
braucht  man  auf  die  Entfernung  der  letzten  Reste  des  schwarzen  An- 
fluges nicht  zu  verwenden,  da  er  sich  beim  Arbeiten  sofort  wieder  bildet. 
Den,  alten  Alkohol  giesst  man  am  besten  fort,  da  er  aus  der  Luft 
Wasser  aufgenommen  hat. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1897  Bd.  I. 
S.  115. 


Der  Unterbrecher. 


49 


das  Quecksilber  mit  Wasser  zu  überscliichten,  welches  während 
des  Betriebes  an  die  Wasserleitung  angeschlossen,  hierdurch 
fortwährend  erneuert  wird  und  jeden  sich  bildenden  Schlamm 
fortspült.  Allerdings  wird  auf  diese  Weise  stets  eine  Schicht 
klarer  Flüssigkeit  gewährleistet,  auch  ist  der  Verlust  an 
Quecksilber  nicht  in  Rechnung  zu  ziehen.  Das  Wasser  aber 
ist  ein  sehr  viel  bessere]-  Stromleiter  als  Alkohol,  man  hat 
daher  dauernd  mit  beträchtlichen  Stromverlusten  zu  rechnen. 


Fie.  11. 


Motorunterbrecher  von  Siemens  u.  Halske, 

Die  Wirkung  dieser  Apparate  war  eine  wahrhaft  er- 
lösende, da  man  zum  ersten  Mal  ein  Instrument  in  der 
Hand  hatte,  welches,  einmal  einreguliert,  jeden  Augenblick 
mit  voller  Sicherheit  arbeitet  und  auch  in  Bezug  auf  die 
Schnelligkeit  der  Unterbrechung  weiten  Spielraum  bietet.  In 
der  Sekunde  werden  bis  50  Unterbrechungen  erreicht. 

Die  von  den  einzelnen  Firmen  konstruierten  Motor- 
unterbrecher weichen  sowohl  in  Bezug  auf  die  Größe  des 
Motors  und  die  Stärke  der  arbeitenden  Teile  wie  auch  hin- 
sichtlich der  Anordnung  und  der  Ueb  ertragung  der  wirksamen 

Stecliow,  Das  Köntsren-Verfaliren.  A 


iui  är  50/    iuoo  Der  Unterbrecher. 

Kraft  auf  djgrden  Strom  schließende  Kupfernadel    nicht    un- 
^.i  jifeeträchtlien  von  einander  ab.    Indessen  ist  der  Hauptgedanke 
der  Konstruktion  stets  ein  so  deutlich  erkennbarer,  daß  man 
sich  bei   allen  Mustern    leicht    zurechtfinden    kann    und    eine 


eingehende    Beschreibung     der     verschiedenen 
daher  hier  entbehrlich  erscheint.     Es 


Ausführungen 


mag  nur  darauf  hinge- 


Fm.   12. 


Rotierender  Unterbrecher  für  Akkumulatorenbetrieb  von  Max  Kohl. 

wiesen  werden,  daß  man  gut  tut,  ein  nicht  zu  kleines  Modell 
zu  wählen,  da  kräftiger  gearbeitete  Teile  weniger  empfindlich 
sind,  auch  ein  größeres  Quecksilbergefäß  mehr  Schutz  gegen 
Arerspritzen  der  Flüssigkeit  gewährt  und  ein  selteneres 
Reinigen  benötigt.  Die  folgenden  Abbildungen  zeigen  die 
bekanntesten  Typen    der  Motorunterbrecher.     An    den  Appa- 


Der  Unterbrecher. 


51 


raten  von  Max  Kohl- Chemnitz  sind  vielfach  Tachometer  an- 
gebracht, welche  gestatten,  jederzeit  während  des  Betriebes 
die  Unterbrechungszahl  exakt  abzulesen. 

Von  F.  Ernecke  -  Berlin  ist  ein  Unterbrecher  angegeben 
(Fig.  17),    bei  welchem  ein   horizontal   gelagerter   Motor   auf 

Fie,  13. 


dotierender  Unterbrecher    zum  Anschluss   an   Lichtleitungen  mit  Gleich- 
strom von  110  Yolt  Spannung  von  Max  Kohl. 


beiden  Enden  seiner  Achse  einen  in  Quecksilber  tauchenden 
Stift  trägt.  Da  die  Achsen  der  Stifte  um  180°  versetzt 
sind,  erfolgen  bei  einer  Umdrehung  des  Ankers  zwei  Unter- 
brechungen, somit  die  doppelte  Zahl  wie  bei  den  nur  einseitig 
wirkenden  Apparaten. 

Auf    einem    ganz    anderen    Prinzip    beruht    der    Unter- 

4* 


52 


Der  Unterbrecher. 


Fig.  14. 


Motorunterbrecher  der  Voltohm-Elektrizitäts-Gesellschaft. 


Fig.  15. 


Motor-Unterbrecher  von  Hirschmann. 


Der  Unterbrecher. 


53 


brecher  von  Edison1).  Ein  kleiner  Gleichstrommotor  treibt 
eine  Achse  mit  zwei  darauf  festsitzenden  Zahnrädern  an.  Die 
Zähne  haben  Kontakt  mit  zwei  gegenüberstehenden  flachen 
Bürsten,  durch  welche*  der  Strom  ein-  und  austritt.  Zu 
gleicher  Zeit  setzt  der  Motor  aber  noch  ein  Gebläse  in  Bewegimg, 


1)  Katalog  der  Edison  Manufacturing  Co. 


54 


Der  Unterbrecher. 


Fig.  17. 
o 


Quecksilber-Unterbrecher  mit  Doppel-Wechsel-Kontakt  (Quecksilber-Rapid- 
.  Unterbrecher)  D.  R.  G.  M.  nach  Ferdinand  Ernecke. 

dessen  Luftstrom  in  zwei  Röhren  bis  unmittelbar  an  die 
Bürsten  geleitet  wird  und  die  entstehenden  Funken  augen- 
blicklich auslöscht.  Hierdurch  wird  eine  sehr  rasche  Unter- 
brechung und  damit  hohe  Spannung  im  sekundären  Strom- 
kreise gewährleistet,  welche  den  Gebrauch  besonders  harter, 
durchdringende  Strahlen  liefernder  Röhren  ermöglichen  soll. 
Die  originelle  Einrichtung  wird  mit  dem  Namen  Instantaneous 


Der  Unterbrecher.  55 

air-break-wheel  apparatus  bezeichnet.  Ob  sie  außerlialb 
Amerikas  Anwendung  gefunden,  ist  nicht  bekannt  geworden. 
C.  Beck  -  New  York  x)  ist  von  den  damit  erzielten  Erfolgen 
sehr  befriedigt. 

C.    Turbinenunterbrecher. 

Obwohl  die  vorher  genannten  Motorunterbrecher  ein  voll- 
kommen verläßliches  Werkzeug  darstellen,  mit  welchem  man 
den  Anforderungen  an  die  Röntgentechnik  Genüge  tun  kann, 
erschien  es  wünschenswert,  für  spezielle  Zwecke  noch 
raschere  Unterbrechungen  zu  erzeugen.  Solche  kamen  in 
Frage  für  Durchleuchtungen,  bei  welchen  für  das  Auge  eine 
dauernd  gleichmäßige  Helligkeit  erzeugt  werden  muß,  für  die 
Anwendung  hochgespannter  Ströme  von  110  oder  220  Yolt 
aus  Zentralen,  ferner  behufs  Abkürzung  der  Expositionszeit. 
Diesen  Anforderungen  konnte  der  Motorunterbrecher  mit 
seinen  hin-  und  herschwingenden  Teilen  nicht  genügen.  Die 
Aufgabe  wurde  zuerst  von  Boas2)  im  Jahre  1898  gelöst 
durch  Anwendung  eines  ganz  neuen  Prinzips,  welches  darin 
besteht,  daß  ein  Elektromotor  eine  hohle,  an  ihrem  unteren 
Ende  mit  einer  Turbine  versehene  Metallwelle  dreht,  welche 
oberhalb  an  einer  Seite  eine  von  der  Mittellinie  entfernte 
Oeffnung  besitzt.  Hierdurch  entsteht  ein  knieförmig  ge- 
bogenes Rohr.  Der  hohle  Fuß  stellt  in  Quecksilber,  hebt 
bei  der  Drehung  dasselbe  in  die  Höhe  und  schleudert  es 
durch  die  seitliche  Oeffnung  in  feinem  Strahl  an  die  gegen- 
überliegende Wand.  Hier  trifft  der  mit  dem  einen  Pol  verbundene 
Strahl  auf  die  Zähne  eines  Rades,  welche  abwechselnd  leitend 
und  nicht  leitend  sind,  und  wird  so  zur  Batterie  zurück- 
geführt. Durch  Einfügung  von  Radkränzen  mit  verschiedener 
Breite  der  Zähne  und  verschiedene  Regulierung  des  Motors 
lassen  sich  weitgehende  Abstufungen  der  Unterbrechungszahl 
erzielen,  welche  von  10  bis  1500  in  der  Sekunde  betragen 
können.  Da  übrigens  mit  dem  Einsetzen  anderer  Radkränze 
immer  ein  Auseinandernehmen  des  ganzen  Apparates  ver- 
bunden ist,  muß  für  das  praktische  Arbeiten  hiervon  meist 
abgesehen  werden. 


1)  Die    Röntgenstrahlen    im    Dienste    der    Chirurgie.    München 
1902,  Seitz  u.  Schauer,  S.  10. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  IL 
S.  114. 


56 


Der  Unterbrecher. 

Fig.  18. 


Turbinen-Unterbrecher  für  Gleichstrom  der  Allgemeinen  Elektrizitäts-Ge- 
sellschaft Berlin. 


Fig.  19. 


Turbinen-Unterbrecher  für  Gleichstrom  der  Allgemeinen  Elektrizitäts-Ge- 
sellschaft Berlin. 

Der  Unterbrecher  ist  meist  mit  Gleichstrommotor  aus- 
gerüstet. In  diesem  Fall  ist  die  Regulierbarkeit  eine  sehr 
vollkommene,  da  sowohl  die  Geschwindigkeit  des  Motors  als 
auch  die  Stärke  des  Primärstromes  leicht  verändert  wer- 
den kann. 


Der  Unterbrecher. 
Fig.  20. 


57 


Turbinen-Unterbrecher    für  Wechselstrom    der  Allgemeinen  Elektrizitäts- 
Gesellschaft  Berlin. 


Fig.  21. 


Quecksilberstrahlunterbrecher  nach  Dr.  Max  Levy. 

Eine  andere  Ausführung  ist  für  Wechselstrom  bestimmt. 
Hier  muß  der  Motor  erst  durch  ein  Hilfsrad  von  Hand  an- 
gedreht werden,  bis  die  den  Perioden  des  Wechselstromes 
(meist  50  in  der  Sekunde)  entsprechende  Geschwindigkeit  er- 
reicht   ist.     Diese    Geschwindigkeit    kann    dann    nicht    mehr 


58 


Der  Unterbrecher. 


52 


.  Der  Unterbrecher.  59 

verändert  werden.  Die  Regulierung  erfolgt  nur  durch  Be- 
einflussung des  Primärstromes. 

Obwohl  das  Andrehen  des  Motors  einen  kleinen  Aufent- 
halt verursacht  und  nur  die  Stärke  des  Primärstromes  ge- 
ändert werden  kann,  läßt  sich  auch  mit  dem  Wechselstrom- 
unterbrecher nach  kurzer  Zeit  gut  und  sicher  arbeiten.  Da 
der  Motor  selber  sehr  wenig  Kraft  gebraucht  und  wenig  Ge- 
räusch macht,  kann  man  ihn  nach  der  ersten  Ingangsetzung 
während  der  ganzen  Arbeitszeit  in  Bewegung  lassen.   • 

Von  Dr.  Max  Levy-Berlin1)  ist  ein  „Quecksilberstrahl- 
unterbrecher" angegeben,  bei  welchem  die  durch  einen 
Elektromotor  angetriebene  Welle  eine  Kapselräderpumpe  mit 
zwei  Zahnrädern  in  Bewegung  setzt.  Hierdurch  wird  das 
Quecksilber  gehoben  und  durch  eine  horizontal  gerichtete, 
an  der  Drehung  nicht  teilnehmende  Düse  ausgespritzt.  Auf 
der  Welle  befindet  sich  ein  Metallkranz  mit  nach  unten  ge- 
richteten, auswechselbaren  Zähnen,  welche  bei  ihrer  Drehung 
den  Quecksilberstrahl  schneiden  und  so  jedesmal  Stromschluß 
bewirken.  Die  Zähne  sind  nach  unten  abgeschrägt  ähnlich 
wie  bei  einer  Säge  und  können  einzeln  in  beliebiger  Zahl 
eingesetzt  werden.  Durch  eine  auf  dem  Yerschlußdeckel  an- 
gebrachte Schraube  läßt  sich  die  Ausspritzöffnung' 
heben  oder  senken,  wodurch  infolge  der  Gestalt  der 
Zähne  die  Dauer  des  Stromschlusses  in  weiten  Grenzen  ver- 
ändert und  der  jedesmal  zur  Verfügung  stehenden  elektro- 
motorischen Kraft  angepaßt  werden  kann.  Die  Achse  kann 
mit  300  bis  1000  Umdrehungen  p.  M.  laufen.  Setzt  man 
also  einen  Zahn  ein,  so  erhält  man  300  Unterbrechungen, 
bei  24  Zähnen  bis  24  000  in  der  Minute.  Der  Unterbreche^ 
der  in  Petroleum  läuft  und  ebenfalls  nur  selten  eine  Reini- 
gung erfordert,  ist  also  ohne  Verschwendung  von  Energie 
in  Widerständen  in  hohem  Grade  anpassungsfähig. 

Nach  einem  ähnlichen  Prinzip  ist  ein  „Zentrifugen-Queck- 
silberunterbrecher mit  kontinuierlich  fließendem  Quecksilber- 
strahl" von  W.  A.  Hirschmann  konstruiert2).  Die  senkrecht 
stehende,  unten  hohle  Welle  hebt  das  Quecksilber  in  ein  fest- 
stehendes Gefäß,  dessen  unterer  Rand  so  aufgebogen  ist, 
daß  eine  gewisse  Menge  Quecksilber  darin  Platz  findet.    Durch 


1)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1899  S.  717. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1898  Bd.  II 
S.  187. 


60 


Der  Unterbrecher. 


ein  Loch  am  Boden  dieses  Randes  fließt  nun  dauernd  ein 
feiner  Strahl,  welcher  als  Anode  dient,  nach  unten  und 
trifft  hier  auf  einen  Kontakt,  welcher  den  Strom  zurückleitet. 
Gleichzeitig  mit  der  Welle  rotiert  eine  an  dieser  befestigte 
Scheibe,  welche  verschiedene  Ausschnitte  trägt,  in  horizontaler 
Richtung,  durchschneidet  mit  ihren  Zähnen  den  Quecksilber- 
strahl und  unterbricht  auf  diese  Weise  den  Strom. 

Bei  einer  anderen  Konstruktion  derselben  Firma  (rotieren- 
der Unterbrecher  mit  Gleitkontakten)  wird  eine  unten  hohle 
Welle    durch    einen    Elektromotor    angetrieben.     Das    untere 


Der  Unterbrecher. 


61 


Fig.  26. 


Fig.  27. 


Rotierender  Unterbrecher  mit  Gleitkontakten  von  W.  A.  Hirschmann 
D.R.P.  116  246  und  121597. 


62  Der  Unterbrecher. 

Ende  derselben  trägt  außen  Metallkontakte,  deren  Zahl  ver- 
ändert werden  kann  und  welche  bei  der  Umdrehung  an  einem 
feststehenden  Kontakt  schleifen,  dessen  Druck  gegen  die 
Welle  durch  eine  Feder  regulierbar  ist.  Von  dem  am  Boden 
befindlichen  Quecksilber  wird  nun  ein  kleines  Quantum  ge- 
hoben und  gleichmäßig  über  die  Kupferkontakte  verteilt, 
welche  daher  dauernd  amalgamiert  und  somit  gut  strom- 
leitend erhalten  werden.  Durch  die  exzentrische  Stellung 
der  rotierenden  Welle  soll  jede  Trichterbildimg  im  Alkohol 
und  somit  die  Gefahr  der  Explosion  sicher  vermieden  werden. 
Der  Apparat  hat  sich  als  zuverlässig  bewährt. 

D.    Elektrolytische  Unterbrecher. 

Einen  weiteren  Fortschritt  in  der  Unterbrechertechnik 
bedeutet  der  zuerst  von  Dr.  A.  Wehnelt  -  Charlottenburg1) 
angegebene  elektrolytische  Unterbrecher,  welcher  mit  staunens- 
werter Einfachheit  außerordentlich  rasche  und  präzise  Unter- 
brechungen des  Stromes  ermöglicht.  Er  beruht  auf  der 
längst  bekannten  Tatsache,  daß,  wenn  Strom  von  erheblich 
höherer  Spannung  als  die  entgegenwirkende  Polarisations- 
spannung ist,  mittelst  zweier  Elektroden  von  verschiedener 
Größe  durch  einen  Elektrolyt  geleitet  wird,  Licht-  und 
Wärmeerschemungen  an  der  kleineren  auftreten. 

Der  Aufbau  ist  folgender.  In  einem  Glasgefäß  befindet 
sich  Schwefelsäure  von  20 — 25°  Be.  In  die  Flüssigkeit 
taucht  eine  Bleielektrode  von  großer  Oberfläche,  der  eine 
andere  von  sehr  kleiner,  z.  B.  ein  bis  nahe  zur  Spitze  iso- 
lierter Platindraht  gegenübersteht.  Wird  letztere  zur  Anode 
gemacht  und  bei  vorgeschalteter  Induktionsspule  ein  Strom 
von  wenigstens  40  Volt  hindurchgeleitet,  so  entsteht  ein 
surrendes  Geräusch,  welches  Stromimterbrechungen  bis  1700 
in  der  Sekunde  anzeigt.  In  den  Flauptstrom  des  Induktors 
eingeschaltet  ergibt  dieser  einfache  Unterbrecher  eine  außer- 
ordentliche Kraft  und  Fülle  der  sekundären  Funken,  wobei 
noch  dazu  der  Kondensator  fortgelassen  werden  muß, 
sodaß  eine  wesentliche  Vereinfachung  der  ganzen  Einrichtung 
eintritt. 

Die  Wirkung  des  Apparates  wurde  zunächst  darauf 
zurückgeführt,    daß    der  Strom    die   kleine  Anode  momentan 


1)   Kurze  Mitteilung  in  Elektrotechn.  Zeitschrift  1899  S.  76,   Aus- 
führliche Untersuchung  in  Wiedemanns  Annalen  1899  Bd.  68  S.  233. 


Der  Unterbrecher.  63 

bis  zur  Weißglut  erhitzt.  Es  tritt  dann  durch  die  Wärme- 
und  elektrolytische  Wirkung  Wasserverdampf nng  und  Zer- 
setzung, eine  Bildung  von  Knallgas  ein,  wodurch  die  Anode 
mit  einem  Gasmantel  umgeben  und  die  Leitung  sofort  unter- 
brochen wird.  Durch  die  starke  Wärmeentwicklung  wird  ein 
großer  Teil  der  im  Strom  zugeführten  Kraft  verbraucht,  doch 
ist  dies  ein  Nachteil,  der  bei  Anschluß  an  eine  Zentrale  und 
gegenüber  den  sonstigen  Vorzügen  nicht  ins  Gewicht  fällt. 
Unbequem  ist  die  rasche  Erwärmung  des  Elektrolyten  und 
der  Umstand,  daß  von  70°  C.  ab  die  Unterbrechungen  un- 
regelmäßig werden  und  schließlich  ganz  aufhören.  Diesem 
Uebelstande  ist  bei  den  neueren  Konstruktionen  begegnet 
durch  eine  den  Elektrolyten  durchziehende,  mit  der  Wasser- 
leitung in  Verbindung  zu  setzende  Kühlschlange,  sowie  durch 
Vergrößerung  der  Flüssigkeitsmenge  auf  8 — 10  Liter. 

Spätere  Untersucher1)  haben  die  ersten  Angaben 
Wehnelt's  bestätigt  und  erweitert.  Danach  ist  die  Unter- 
brechungszahl in  der  Sekunde  abhängig  von  der  Spannung, 
der  Größe  der  Platinanode,  des  vorgeschalteten  Wider- 
standes und  der  Selbstinduktion  des  Stromkreises.  Durch  Ein- 
schalten beträchtlicher  Selbstinduktion  bei  gleichbleibendem 
Widerstände  läßt  sich  die  Unterbrechungszahl  auf  10 — 12  in 
der  Sekunde  herabdrücken,  während  sie  andererseits  bis  auf 
3000  gesteigert  werden  kann.  Als  Minimum  der  Spannung 
wurden  25,  sogar  12  Volt  gefunden,  sehr  viel  besser  arbeitet 
der  Apparat  aber  mit  höheren  Spannungen,  er  eignet  sich 
daher  ganz  besonders  zum  unmittelbaren  Anschluß  an 
städtische  Gleichstromnetze.  Von  d'Arsonval,  Thomson 
und  S win ton  wird  angegeben,  daß  der  Unterbrecher  ebenso 
gut  mit  Wechselstrom  als  mit  Gleichstrom  arbeitet,  jedoch 
hierbei  nur  auf  die  Stromstöße  einer  Richtung  anspricht. 
Simon2)  bestätigte,  daß  der  WTehnelt  immer  nur  in  dem- 
jenigen Kurventeile  des  Wechselstromes  unterbricht,  in  dem 
die  Platinspitze  Anode  ist;  wählte  er  jedoch  die  Funken- 
strecke  sehr  klein  (2  cm),  so  erfolgte  auch  Funkenbildung  im 
anderen  Kmwenteile.  Er  stellte  ferner  fest,  daß  es  sich 
immer  um  Oeffnungsf unken  handelt.  Für  den  praktischen 
Gebrauch  hat  sich    jedoch    der  direkte  Betrieb  mit  Wechsel- 


1)  S.  Elektrotechn.  Zeitschrift  1899  S.  363. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1899  Bd.  68  S.  273. 


64  Der  Unterbrecher. 

ström  nach  Walter1)  nicht  bewährt.  Ueber  die  Ver- 
wendung des  Grisson-Gleichrichters  sowie  die  Schaltung 
von  Siemens  &  Halske  (vorgeschaltete  Funkenstrecke)  ist 
in  dem  Abschnitt  über  Stromquellen    das  Nötige    zu    finden. 

Klupathy2)  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  zur 
Erziel ung  eines  solchen  Effektes  die  Joule'sche  Wärme  allein 
nicht  hinreichend  ist,  daß  vielmehr  hierfür  noch  die  Peltier- 
sche  Wärme  als  mitwirkend  angesehen  werden  muß.  Hier- 
durch erklärt  sich  auch  die  Tatsache,  daß  der  Apparat  nur 
bei  einer  Stromrichtung  arbeitet.  Ist  die  Drahtelektrode 
Anode,  so  addieren  sich  die  Joule'sche  und  Peltier'sche 
Wärme  und  bringen  die  regelmäßige  Bildung  der  isolierenden 
und  stromunterbrechenden  Gashaube  hervor.  Ist  sie  dagegen 
Kathode,  so  äußert  sich  der  Peltier'sche  Effekt  in  Ab- 
kühlung, welche  die  Joule'sche  Wärme  herabsetzt  und  die 
Unterbrechungen  nur  bei  sehr  starkem  Strom  zu  stände 
kommen  läßt,  wobei  dann  gleichzeitig  in  dem  durch  Elektro- 
lyse erzeugten  Knallgas  ein  Voltalichtbogen  entsteht,  der 
eine  rasche  Verbrennung  der  Kathode  zur  Folge  hat. 

In  der  praktischen  Ausführung  sind  folgende  Fortschritte 
zu  verzeichnen.  Der  Platindraht  wird  mit  einem  Porzellan- 
rohr umgeben  und  kann  durch  eine  Schraube  weiter  vorge- 
schoben und  festgestellt  werden.  Von  der  seitlichen  Ein- 
führung in  das  Glasgefäß  ist  abgegangen,  weil  die  Dichtung- 
Schwierigkeiten  macht.  An  Stelle  eines  einzigen  von  oben 
eingeführten  Drahtes  werden  jetzt  meist  drei  genommen, 
welche  von  verschiedener  Dicke  sind  und  verschieden  weit 
hervorragen.  Hierdurch  in  Verbindung  mit  einer  mehrfach 
unterteilten  Primärwickelung  mit  verschieden  großer  Selbst- 
induktion und  einem  Regulierwiclerstand  läßt  sich  die  Unter- 
brechungszahl  in  sehr  großer  Breite  verändern. 

Von  Elihu  Thomson  und  Robert  Shand3)  ist  eine 
Konstruktion  angegeben,  bei  welcher  die  Drahtanode  inner- 
halb der  Bleikathode  herabgeführt  ist,  sodaß  der  ganze  Bau 
ein  sehr  kompendiöser  wird.  Besondere  Vorteile  dieser  Kon- 
struktion sind  nicht  bekannt  geworden. 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1901  Bd.  V 
S.  13. 

2)  Ungar.  Akademie  der  Wissenschaften  (III.  Klasse).     Sitzung 
am  26.  5.  02  nach  Elelrtrotechn.  Zeitschrift  1902  S.  892. 

3)  Elektrotechn.  Zeitschr.  1899  S.  407. 


Der  Unterbrecher. 


65 


Von  Wehnelt1)  selber  ist  zu  seinem  ersten  Patent  vom 
3.  Januar  1899  ein  Zusatzpatent  vom  20.  März  1901  er- 
worben, wonach  die  Anode  mit  einer  dünnen  Schicht    feuer- 


1)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1902  S.  931. 


Stecliow,  Das  Röntsreu-Yerfahren. 


66 


Der  Unterbrecher. 


Fig.  29. 


Sechsteiliger  Wehnclt- Unterbrecher  von  Siemens  u.  Halske. 


"beständigen  Materials  -z.  B.  Porzellan  umgeben  wird,  sodaß 
diese  Elektrode  kerzenartig  abbrennt  und  der  Draht  seine 
wirksame  Länge   selbsttätig    auf    gleicher  Grösse  erhält. 

Bei    den  "neueren    Konstruktionen    des  Wehnelt-Unter- 


Der  Unterbrecher.  67 

brechers  werden  drei,  ja  von  B.  Walter1)  selbst  sechs 
Platinstifte  von  verschiedener  Länge  und  Dicke  in  isolierender 
Hülle  verwendet,  wodurch  eine  weitgehende  Abstufung  in  der 
Zahl  und  Art  der  Unterbrechungen  erzielt  wird. 

Die  Firma  Siemens  &  Halske  verwendet  bei  ihren 
gangbarsten  Röntgeneinrichtungen,  welche  zum  Anschluß  an 
Gleichstrom  von  65 — 220  Volt  bestimmt  sind,  einen  drei- 
teiligen We Im e lt  -  Unterbrecher  mit  zwei  3  mm  starken 
Platinstiften  und  einem  solchen  von  1  mm  Stärke,  welche 
auf  3,  4  und  5  mm  Länge  eingestellt  werden.  Der  40  bis 
50  cm  Induktor  besitzt  eine  dreifach  unterteilte  Primär- 
wickelung. Der  Schalttisch  (oder  die  Schalttafel)  enthält 
außer  Ausschalter,  einem  Strom-  und  Spannungszeiger,  einer 
roten  Glühlampe  und  Sicherungen  einen  Regulierwiderstand, 
welcher  durch  zwei  Kurbeln  um  ca.  12  Ohm  in  Abstufungen 
von  0,1  Ohm  abgeändert  werden  kann,  ferner  einen  Kom- 
binationsschalter, welcher  gestattet,  die  verschiedenen  Ab- 
teilungen der  Primärwickelung  passend  mit  den  einzelnen 
Platinstiften  zusammenz  tisch  alten  und  fünf  verschiedene  Ab- 
stufungen der  Funkenlänge  von  ca.  10  bis  50  cm  zu  er- 
zielen. Bei  den  vollkommensten  Einrichtungen  finden  sich 
an  Stelle  des  Kombinationsschalters  zwei  getrennte  Schalter, 
welche  eine  noch  größere  Zahl  von  Abstufungen  ermöglichen. 
Bei  Vorhandensein  von  Betriebsspannung  über  150  Volt  wird 
noch  ein  Nebenschlußwiderstand  parallel  zum  Induktor  und 
Unterbrecher  geschaltet.  Hierdurch  wird  der  höchste  Wert 
der  Spannung  an  den  Enden  der  Primärspule  und  des  Unter- 
brechers soweit  erniedrigt,  daß  der  Strom  in  der  Primärspule 
verhältnismäßig  langsam  ansteigt  und  eine  umgekehrte  Ent- 
ladung durch  die  Röntgenröhre  vermieden  wird. 

W.  A.  Hirschmann2)  hat  in  seinem  „elektrolytischen 
Unterbrecher  mit  Flächenkontakten"  dem  aus  der  Porzellan- 
hülse heraustretenden  unteren  Ende  des  Platinstiftes  eine 
kleine  Scheibe  ebenfalls  aus  Platin  aufgesetzt.  Porzellan- 
körper umgeben  dieselbe  und  sind  derartig  aufgeschliffen 
sowie  mit  Hilfe  eines  umgebenden  Gestelles  aus  massivem 
Kupfer  angepreßt,    daß    keine  Flüssigkeit    in  das  Innere  des 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1901  Bd.  5 
S.  13. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1902  Bd.  V. 
S.  258. 


68 


Der  Unterbrecher. 


Porzellanrohres  eintreten  kann  und  der  Kontakt  mit  dem 
Elektrolyten  auf  die  Peripherie  der  Scheibe  beschränkt  wird. 
Hierdurch  wird  vermieden,  daß  die  Säure  längs  des  Platin- 
stiftes nach  oben  kriecht  und  die  oberen  Verbindungen 
zerstört. 

Auch    bei    der   Konstruktion    von  Siemens  &  Halske 
kommt  das  Ueberkriechen  von  Säure  nicht  vor. 

Fig.  31. 


Elektrolytischer  Unterbrecher  mit  Flächenkontakten  von  W.A.  Hirschmann. 

A.  v.  Rzewuski1)  machte  die  interessante  Beobachtung, 
daß  der  Wehnelt- Unterbrecher  auch  für  Spannungen  von 
nur  24  Volt  verwendet  werden  kann,  sobald  dafür  gesorgt 
wird,  daß  der  Ansammlung  des  Gases  an  der  aktiven  Elek- 
trode entgegengearbeitet  wird.  Durch  das  längere  Vorhanden- 
sein einer  Gasblase  an  dieser  Stelle  wird  nämlich  die  voll- 
kommene Unterbrechung    des  Stromes    verzögert.     In    dieser 


1)  Annalen  der  Physik.    4.  Folge  1900  Bd.  1  S.  614. 


Der  Unterbrecher.  69 

Richtung  wirkt  schon  heftiges  Bewegen  der  aktiven  Elektrode 
günstig,  viel  besser  ist  es  jedoch,  einen  Strom  verdünnter 
Säure  dauernd  dagegen  fließen  zu  lassen.  Dies  wird  erreicht 
durch  Einführen  einer  gegen  die  Anode  gerichteten  Glasrohr- 
spitze, welcher  verdünnte  Säure  aus  einem  höher  stehenden 
Gefäß  dauernd  zugeführt  wird. 

Daß  der  Wehnelt -Unterbrecher  auch  für  schwache  Ströme 
von  nur  10 — 12  Volt  Spannung,  wie  sie  bei  Vergleichung 
geringer  Kapazitäten  gebraucht  werden,  in  besonders  zierlicher 
Form  zweckmäßig  verwendet  werden  kann,  zeigte  neuerdings 
Starke1). 

Von  T.  H.  Simon2)  ist  eine  interessante  Modifikation 
des  elektrolytischen  Unterbrechers  angegeben.  Er  ging  aus 
von  Untersuchungen  über  die  Art  der  Unterbrechung  im 
Wehnelt -Apparat.  Er  fand  sie  in  der  Joule'schen  Wärme, 
welche  durch  die  plötzliche  Zusammendrängung  des  Stromes, 
dem  überall  sonst  ein  großer  Querschnitt  zur  Verfügung 
steht,  auf  die  kleine  Oberfläche  der  Platin  spitze  hervorge- 
rufen wird,  und  stellte  hierfür  auch  eine  mathematische,  mit 
den  beobachteten  Tatsachen  gut  übereinstimmende  Formu- 
lierung auf.  War  die  plötzliche  Einengung  des  Stromes  auf 
einen  kleinen  elektrolytischen  Leitimgsyuerschnitt  in  der  Tat 
das  Bedingende,  so  mußte  derselbe  Erfolg  jedesmal  eintreten, 
wenn  in  einem  Elektrolyten  von  sonst  großem  Querschnitt 
an  einer  Stelle  die  Strombahn  stark  verengt  wird.  Daß  dies 
der  Fall,  zeigte  er  durch  mehrfach  modifizierte  Versuche,  z.  B. 
Einsetzen  einer  Tonzelle  mit  einer  feinen  Oeffnung  in  ver- 
dünnte Schwefelsäure.  Wird  der  Flüssigkeit  innen  und  außen 
der  Strom  durch  gleichgroße  Elektroden  zugeführt,  so  ent- 
steht wie  bei  dem  Apparat  von  Wehnelt  eine  rapide  Strom- 
unterbrechimg an  der  Stelle  der  Durchbohrung.  Auch  andere 
ähnliche  Konstruktionen3)  zeigen  ganz  dieselbe  Erscheinung. 
Die  Vorzüge  dieser  Einrichtung  sind,  daß  sie  von  der  Strom- 
richtung unabhängig  arbeitet,    daß  sie  sowohl  mit  Gleich- 


1)  Verhandlungen  der  Deutschen  Physikalischen  Gesellschaft  1901 
S.  125  u.  148. 

2)  Wiedemanns  Annalen  1899  Bd.  68  S.  273  u.  860  und  Elektro- 
technische Zeitschr.  1899  S.  440.  Das  von  Simon  aufgestellte  Wirkungs- 
gesetz bestätigt  G.  Ruhm  er.    S.  Elektrotechn.  Zeitschrift  1899  S.  786. 

3)  Elektrotechn.  Zeitschrift  1899  S.  440. 


70 


Der  Unterbrecher, 


ström  wie  mit  Wechselstrom  (letztere  Anordnimg  ist  je- 
doch für  Röntgeninstrumentarien  nicht  anwendbar)  anspricht, 
wobei  bei  letzterem  im  Gegensatz  zum  Wehnelt  in  beiden 
Phasen  Unterbrechungen  stattfinden,    und  daß  schließlich  Er- 


Simon-Unterbrecher von  Siemens  u.  Halske. 


wärmung    der    Flüssigkeit    ohne    Einfluß    auf    das    Funktio- 
nieren ist. 

Es  ist  durch  die  späteren  Arbeiten  von  Wehnelt1), 
Simon2),  Voller  und.  Walter3),  Ziegler4)  als  sichergestellt 
zu  erachten,  daß  die  explosionsartige  Gasbildung  nicht  durch 


1)  Wiedemanns  Annalen  1899  Bd.  68  S.  233. 

2)  Ebenda  S.  273  u.  S.  860. 

3)  Ebenda  S.  526. 

4)  Ebenda  Bd.  69  S.  718. 


Der  Unterbrecher.  71 

Erwärmung  der  kleinen  Platinanodc  zu  stände  kommt, 
sondern  durch  die  Erhitzung  des  Elektrolyten,  welche  an  der 
Stelle  stattfindet,  wo  in  ihm  die  Strombahn  eine  schroffe 
Verengerung  erleidet,  also  an  der  die  Anode  unmittelbar 
umgebenden  Schicht.  Ueber  die  Natur  der  an  der  Anode 
und  Kathode  entwickelten  Gase  berichten  Voller  und  Walter. 
Photographische  Darstellungen  von  Strom-  und  Spannungs- 
kurven verschiedener  Unterbrecher  mitteist'  der  Braun'schen 
Röhre  lieferten  Wehnelt  und  Donath1). 

Eine  besondere  Modifikation  des  Simon-Unterbrechers, 
welche  sich  für  lange  dauernde  Beanspruchungen  eignen  soll, 
gab  Joh.  Harden  -  Stockholm  2)  an.  In  ein  Bleigefäß  mit 
doppelten  Wänden,  welche  durch  fließendes  Wasser  gekühlt 
werden,  ist  ein  Porzellanisolator,  dessen  Mitte  durch  ein 
1  mm  weites  Loch  durchbohrt  ist,  umgekehrt  eingehängt. 
Das  Bleigefäß  ist  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllt  und 
bildet  die  Kathode.  Als  Anode  hängt  in  den  Isolator  hinab 
ein  Bleistab,  dessen  unteres  zugespitztes  Ende  sich  über  der 
Oeffnung  im  Isolator  befindet.  Wird  dieser  Bleistab  durch 
Aluminium  ersetzt,  so  ist  der  Apparat  auch  für  Wechselstrom 
brauchbar.  Er  stellt  alsdann  eine  Graetz'sche  Zelle  dar, 
welche  nur  Strom  einer  Richtung  durchläßt,  nämlich  dann, 
wenn  das  Aluminium  Kathode  ist. 

Der  elektrolytische  Unterbrecher  ist  durch  eine  ganze 
Reihe  besonderer  Vorzüge  ausgezeichnet.  Er  gestattet,  sehr 
große  Energiemengen  im  primären  Stromkreise  in  Bewegung 
zu  setzen  und  infolgedessen  sekundäre  Ströme  von  außer- 
ordentlicher Stärke  zu  erzeugen.  Die  Unterbrechungen  er- 
folgen so  rasch,  daß  das  erhaltene  Fluoreszenzlicht  völlig 
gleichmäßig  erscheint.  Die  Regulierfähigkeit  ist  dabei  in  den 
neueren  Anordnungen  mit  besonderen  Schalttischen  eine  hervor- 
ragend ausgiebige.  Hierzu  kommt  noch  als  sehr  wichtig,  daß  er 
keinerlei  bewegte  Teile  enthält,  welche  der  Abnutzung  unter- 
worfen sind,  daß  er  daher  nur  zeitweise  nachgesehen  zu 
werden  braucht.  Hierdurch  wird  es  möglich,  den  Nachteil 
auszugleichen,    welcher  mit  dem  beim  Arbeiten    auftretenden 


1)  Wiedemann's  Annalen  1891  Bd.  69  S.  S61. 

2)  Stromunterbrecher  für  Funlcenindukloren.  Zeitschi',  f.  Elektro- 
therapie und  ärztliche  Elektrotechnik  1901  S.  49.  Darin  auch  die  Be- 
schreibung mehrerer  anderer  Unterbrecher. 


72  Die  Stromquelle. 

lauten  Geräusch  verbunden  ist,  da  er  ohne  Schaden  in  be- 
liebiger Entfernung  von  der  Arbeitsstelle  untergebracht 
werden  kann. 

Mit  jeder  Verbesserung  der  Unterbrecher  stiegen  die 
Ansprüche  an  die  Widerstandsfähigkeit  und  Dauerhaftigkeit 
der  Röhren.  Den  Zumutungen  der  Motor-  und  Turbinen- 
unterbrecher wurden  sie  allmählich  gewachsen.  Bei  den  An- 
forderungen, welche  die  mit  gewaltigen  Energiemengen 
arbeitenden  elektrolytischen  Unterbrecher  stellen,  muß  mit 
den  jetzigen  Röhren  noch  sehr  vorsichtig  verfahren  werden. 
Die  Leistungsfähigkeit  der  ersteren  ist  im  Augenblick  der 
Aufnahmefähigkeit  der  letzteren  zweifellos  weit  voraus. 


III.  Die  Stromquelle. 

Der  Induktor  kann  mit  Strom  verschiedener  Herkunft 
betrieben  werden.  In  Betracht  kommen  Akkumulatoren  und 
•Gleichstrom  oder  Wechselstrom  aus  städtischen  Zentralen. 
Schließlich  ist  noch  zu  erwähnen  der  Betrieb  der  Röntgen- 
röhre mit  der  Influenzmaschine. 

Die  Akkumulatoren 

bildeten  anfangs  die  einzige  Quelle  für  den  erforderlichen 
Betriebsstrom.  Ihrem  Wesen  nach  beruhen  sie  auf  der  Tat- 
sache der  Polarisation.  Schickt  man  einen  elektrischen  Strom 
durch  einen  Elektrolyten,  so  findet  jedesmal  Zersetzung  statt 
und  die  Endprodukte  derselben  treten  an  den  beiden  ein- 
getauchten Elektroden  zu  Tage.  Bei  der  Elektrolyse  von 
Salzlösungen  scheidet  sich  immer  das  Metall  (und  ebenso  der 
Wasserstoff)  am  negativen  Pol  ab.  Es  ist  nun  möglich  ge- 
worden, auf  diesen  bei  den  Primärelementen  so  unerwünschten, 
ihre  elektromotorische  Kraft  bald  schädigenden  Vorgang  ein 
außerordentlich  wichtiges  Verfahren  aufzubauen,  welches  ge- 
stattet, elektrische  Kraft  gewissermaßen  aufzuspeichern.  Elek- 
trolysiert  man  verdünnte  Schwefelsäure  mittelst  zweier  Elek- 
troden von  Platinblech,  so  bedeckt  sich  alsbald  die  Kathode 
mit  einer  Schicht  Wasserstoff,  die  Anode  mit  Sauerstoff.  Wird 
nun  der  Primärstromkreis  unterbrochen,  so  stehen  sich  in 
dem  Elektrolyten  die  beiden  Platinplatten  nicht  mehr  gleich 
also  elektromotorisch  unwirksam  gegenüber,  sondern  sie  sind 
durch  Anlagerung    von  Wasserstoff   und    Sauerstoff   ungleich 


Die  Stromquelle.  73 

geworden,  in  einen  elektrischen  Gegensatz  getreten.  Ein  sie 
verbindender  Draht  zeigt  jetzt  einen  elektrischen  Strom, 
welcher  in  umgekehrter  Richtung  verläuft  wie  der  zuerst 
hineingeleitete  und  welcher  so  lange  andauert  bis  beide  Platten 
■durch  Rückbildung  der  abgeschiedenen  Gase  wieder  gleich 
und  unwirksam  geworden  sind.  Könnte  man  es  erreichen, 
daß  der  Primärstrom  an  den  beiden  Elektroden  chemisch 
differente  und  stabilere  Körper  erzeugt  als  es  die  beiden  Gase 
sind,  so  würde  offenbar  die  Wirkung  des  sekundären. Elementes, 
die  Dauer  des  von  ihm  gelieferten  Stromes  beträchtlich 
wachsen  und  nutzbar  gemacht  werden  können.  Dies  ist  möglich 
geworden  durch  Verwendung  des  Bleies. 

Plante  gebührt  das  Verdienst,  zuerst  den  Weg  gezeigt 
zu  haben.  Er  rollte  zwei  Platten  Walzblei  zusammen,  die 
aber  in  ganzer  Länge  sich  nicht  berührten,  stellte  sie  in  ver- 
dünnte Schwefelsäure  und  ließ  nun  elektrischen  Strom  hindurch- 
gehen. An  der  Anode  scheidet  sich  wieder  Sauerstoff  aus, 
welcher  braunes  Bleisuperoxyd  bildet,  an  der  Kathode  Wasser- 
stoff, welcher  die  dort  vorhandene  Bleimasse  reduziert  und  in 
Bleischwamm  verwandelt.  Hat  dieser  Prozeß  genügend  lange 
gedauert,  so  stehen  sich  nunmehr  zwei  Platten  aus  reinem 
Blei  und  aus  Bleisuperoxyd  gegenüber,  welche  gegen  ein- 
ander eine  Spannung  von  etwa  2  Volt  besitzen  und  so  lange 
Strom  in  umgekehrter  Richtung  liefern  können  als  diese 
chemische  Differenz  andauert.  Der  sekundäre  von  den  diffe- 
renzierten Platten  gelieferte  Strom,  welcher  natürlich  auch 
das  Element  selbst  aber  in  umgekehrter  Richtung  durchläuft, 
ruft  hier  wiederum  elektrolytische  Vorgänge  hervor;  er  führt 
den  Wasserstoff  nunmehr  zu  der  braunen  Superoxydplatte, 
wo  mit  dem  dort  vorher  chemisch  gebundenen  Sauerstoff 
Bildung  von  Wasser  erfolgt.  An  der  Kathode,  der  reinen  Blei- 
platte entwickelt  sich  jetzt  Sauerstoff,  welcher  oxydierend  wirkt, 
und  das  Endresultat  dieser  Arorgänge  sind  zwei  elektrisch  in- 
differente Oberflächen  von  Bleisulfat.  Es  ist  klar,  daß  die  Wir- 
kung des  sekundären  Elementes  um  so  länger  andauern  wird, 
je  dicker  die  vorher  gebildete  Schicht  von  Bleisuperoxyd  und 
Bleischwamm  war.  Es  ergibt  sich  auch  hieraus  ohne  weiteres, 
daß  im  Akkumulator  nicht  eigentlich  Elektrizität  aufgespeichert 
wird,  sondern  chemische  Energie,  welche  aber  leichter  Rück- 
verwandlung in  elektrische  fähig  ist. 

Die  Herstellung  der  positiven  Platten  nach  diesem  ur- 
sprünglichen   von  Plante    angegebenen    Verfahren    erfordert 


74  Die  Stromquelle. 

Wochen  und  Monate,  auch  ein  vielfaches  Laden  und  Entladen,, 
ehe  die  Stromwirkimg  genügend  in  die  Tiefe  gedrungen  ist. 
Sehr  wichtig  war  daher  die  Verbesserung  von  Faure,  welcher 
auf  die  Oberfläche  der  aufgerauhten  oder  gitterartig  gegoßenen 
Platten  ein  Gemenge  von  Bleioxyden  in  Form  einer  Paste  auf- 
brachte und  nun  durch  den  Strom  zersetzen  ließ.  Hierbei 
entsteht  in  der  lockeren  Substanz  sehr  rasch  eine  Tiefen- 
wirkung, welche  auf  der  einen  Platte  die  ganze  aufgetragene 
Masse  in  Bleisuperoxyd,  auf  der  anderen  in  Bleischwamm 
verwandelt.  Die  Formierung  dieser  Platten  erfordert  nur 
noch  Tage.  Die  Bleigerüste  dienen  hierbei  nur  als  Träger 
der  Masse  und  als  Leiter  der  Elektrizität.  Diesem  großen 
Vorteil  steht  die  Verletzlichkeit  der  lockeren  porösen  Massen 
gegenüber.  Um  dieselben  fester  mit  den  Bleiplatten  zu  ver- 
binden, wird  auch  wohl  ein  kombiniertes  Verfahren  angewendet,, 
wobei  die  Platten  zunächst  nach  Plante  behandelt  und  alsdann 
mit  der  Paste  gefüllt  und  wie  gewöhnlich  formiert  werden. 
Je  nach  ihrer  Bestimmung  können  die  Platten  in  beliebiger 
Form  und  Größe  angefertigt  und  nach  der  Formierung  in 
beliebiger  Anzahl  zusammengestellt  werden.  Hierbei  muß 
darauf  geachtet  werden,  daß  sie  sich  zwar  so  nahe  wie 
möglich  gegenüberstehen,  eine  Berührung  aber  sorgfältig 
vermieden  wird,  um  innere  Entladung  zu  vermeiden.  Sie 
werden  daher  durch  Stäbchen  von  Glas,  Ebonit,  Celluloid 
oder  dergl.  von  einander  getrennt,'  auch  vom  Boden  des  Ge- 
fäßes entfernt  plaziert,  damit  herabfallende  Stückchen  der 
Füllung  kein  Unheil  anrichten  können.  Die  braunen  Super- 
oxydplatten sind  ferner  gegen  ungleichen  Stromdurchgang- 
empfindlich,  indem  sie  ihr  Volumen  vergrößern  und  sich 
krümmen.  Um  daher  die  Stromdichte  allseitig  möglichst 
gleich  zu  gestalten,  wird  ihnen  stets  auf  beiden  Seiten  eine 
ßleischwammplatte  gegenübergestellt.  Es  ist  in  einem  Akku- 
mulator daher  stets  eine  negative  Elektrode  mehr  vorhanden 
als  positive.  Das  ganze  System  wird  alsdann  in  einen  Kasten 
gesetzt,  der  aus  Glas,  mit  Blei  aasgeschlagenem  Holz,  Hart- 
gummi, Celluloid  oder  ähnlichem  besteht,  mit  verdünnter 
reiner  Schwefelsäure  von  1,18 — 1,19  spez.  Gewicht,  die  völlig 
frei  von  Chlor  und  Arsen  sein  muß,  gefüllt  und  nun  in 
beliebiger  Weise  wie  ein  Primärelement  einzeln  oder  mit 
anderen  verbunden  verwendet.  Die  flüssige,  bewegliche 
Schwefelsäure  bietet  natürlich  ein  schweres  Hindernis  für  den 
Transport.     Die  hierfür  bestimmten  Sammler    werden    daher 


Die  Stromquelle.  75 

ähnlich  wie  die  in  neuerer  Zeit  für  kleinste  Leistungen  so 
beliebten  Trockenelemente  im  Innern  mit  einer  porösen,  nicht 
leitenden  Masse  versehen,  welche  die  Schwefelsäure  aufsaugt 
und  festhält.  Trotz  aller  Anstrengungen  der  Technik  gehört 
ein  widerstandsfähiger  Akkumulator,  namentlich  wenn  er 
dauernd  transportabel  sein  soll,  immer  noch  zu  den  ungelösten 
Aufgaben. 

Wenn  auch  das  Laden  der  Sammler  wohl  niemals  zu 
den  Arbeiten  der  Röntgenkabinette  gehört,  so  ist  es  doch 
nützlich,  über  die  Vorgänge  genügend  orientiert  zu  sein,  um 
eine  richtige  Ueberwachung  ausüben  zu  können.  Da  der 
Strom  des  Sammlers  selber  die  Spannung  von  etwa  2  Volt 
hat,  muß  zur  Ladung  natürlich  etwas  höhere  Spannung  an- 
gewendet werden.  Die  Ladestromstärke  darf  ein  bestimmtes, 
von  der  Fabrik  angegebenes  Maß  nicht  überschreiten.  Bei 
der  Ladung  steigt  die  Kurve  der  elektromotorischen  Kraft 
zuerst  sehr  rapide,  um  dann  in  einen  länger  dauernden  nur 
sehr  wenig  ansteigenden  Abschnitt  überzugehen.  Nach  längerer 
Zeit  erfolgt  wieder  ein  Umbiegen  der  Kurve  nach  oben,  die 
Ladung  ist  dann  beendet  und  es  tritt  nutzlose  Gasentwicklung 
ein.  Umgekehrt  sinkt  beim  Entladen  die  Spannung  erst 
schnell,  um  dann  längere  Zeit  auf  etwa  1,9 — 1,95  Volt  zu 
bleiben.  Ist  sie  auf  1,75 — 1,70  Volt  gesunken,  so  muß  ein 
Wiederladen  stattfinden,  um  Zerstörungen  der  aktiven  Masse 
vorzubeugen.  Den  Vorgang  des  Ladens  und  Entladens  kann 
man  auch  mit  dem  Aräometer  verfolgen.  In  der  ersten 
Periode  wird  Wasser  zersetzt  und  Wasserstoff  und  Sauerstoff 
an  die  Bleiplatten  gebunden,  die  Schwefelsäure  muß  also 
konzentrierter,  mithin  schwerer  werden.  Umgekehrt  wird  bei 
der  Entladung  den  Bleiplatten  Wasserstoff  und  Sauerstoff  ent- 
zogen und  das  zurückgebildete  Wasser  der  Lösung  zugeführt, 
welche  dadurch  verdünnt,  also  leichter  wird.  Je  nach  der 
Periode,  in  welcher  sich  der  Sammler  befindet,  muß  daher  der 
Ersatz  etwa  verlorener  Säure  in  verschiedener  Konzentration 
erfolgen. 

Der  gesamte  Vorgang  im  Bleiakkumulator  ist  ein  rever- 
sibeler  und  wird  durch  folgende  Reaktionsgleichung  wieder- 
gegeben: 

Pb02  +  Pb  -p  2H2S04  i±  2PbSO,  +  2H20 

wobei  die  Gleichung  für  die  Entladung  von  links  nach  rechts, 
für  die  Ladung    von  rechts  nach  links  zu  lesen  ist.     Dole- 


76  Die  Stromquelle. 

zalek1)  hat  gezeigt,  daß  der  Akkumulator  in  chemischer  Be- 
ziehung als  vollkommen  reversibles  Element  anzusehen  ist 
und  daß  die  bei  genauer  Untersuchung  sich  zeigenden  Ab- 
weichungen nicht  durch  einen  veränderten  chemischen  Prozeß, 
sondern  durch  die  infolge  der  mechanischen  Konstruktion 
auftretenden  Konzentrationskräfte  bedingt  sind. 

Gleichstrom  aus  Zentralen. 

Die  weitaus  größten  Bequemlichkeiten  für  das  Arbeiten 
im  Röntgen-Laboratorium  bietet  der  Anschluß  an  die 
städtischen  Zentralen,  welche  nunmehr  ja  bereits  auch  in 
vielen  kleinen  Orten  zur  Verfügung  stehen.  Die  Apparate 
sind  soweit  entwickelt,  daß  der  unmittelbare  Anschluß  ohne 
Bedenken  ist.  Auch  für  Militärlazarette  bedeutet  die  Ver- 
sorgung der  Röntgen- Kabinette  mit  dem  Gleichstrom  der 
Zentralen  eine  wahre  Wohltat,  da  sie  den  verantwortlichen 
Leiter  von  der  andauernden  kleinlichen  Sorge  um  die  Akku- 
mulatoren befreit  und  das  Arbeiten  erst  zu  '  einem  sicheren 
und  prompten  macht,  wie  es  jeder  militärische  Dienstbetrieb 
erfordert.  Es  kann  nur  dringend  befürwortet  werden,  den 
Anschluß  überall  einzuführen,  wo  er  irgend  erreichbar  ist. 
Die  Arbeiten  werden  in  ungeahnter  Weise  erleichtert  und  der 
Stromverbrauch  ist  ein  so  geringer,  class  eigentlich  nur  die 
Einrichtungskosten  in  Betracht  kommen. 

Die  in  verschiedenen  Netzen  herrschende  Spannung  be- 
trägt 65,  110  oder  220  Volt.  Die  ersten  beiden  Spannungen 
können  ohne  weiteres  mit  einem  schnell  laufenden  Unter- 
brecher, wie  Turbinen-Unterbrecher  oder  Wehnelt  benutzt 
werden.  Wie  B.  Walter2)  gezeigt  hat,  verläuft  die  Kurve 
der  Stromstärke  in  der  primären  Spule  bei  Stromschluß  nach 
einer  logarithmischen  Gleichung  in  gebogener  Form  allmählich 
ansteigend,  um  bei  Oeffnung  des  Stromes  rapid  auf  Null  ab- 
zufallen. Bei  Anwendung  einer  höheren  Betriebsspannung 
verläuft  die  Kurve  steiler,  erreicht  also  die  größte,  gemäß 
den  vorhandenen  Widerständen  überhaupt  erreichbare  Höhe 
schneller  als  bei  geringerer  Spannung.  Es  wird  von  der 
Schnelligkeit  der  Unterbrechungen  abhängen,    welche  Strom- 


1)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  65  S.  894.   S.  auch  Dole- 
zalelc,  die  Theorie  des  Bleiakkumulators.    Halle,  W.  Knapp  1901. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  Bd.  II  1898 
S.  29  und  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  62  S.  319. 


Die  Stromquelle. 


77 


stärke  jedesmal  erreicht  wird  und  ob  der  Induktor  direkt 
betrieben  werden  kann  oder  ein  Widerstand  vorgeschaltet 
werden  muß,  welcher  nur  eine  bestimmte,  für  den  Apparat 
zulässige  Stromstärke  entstehen  läßt. 


Fig.  33. 


© 


laaa/wwvw* 


Schaltung  bei  hoher  Netzspannung  nach  B.  Walter. 


Steht  nur  Strom  von  220  Volt  Spannung  zur  Verfügung^ 
so  empfiehlt  sich  die  von  B.  Walter1)  angegebene  Schaltung' 
mit  zwei  Widerständen.  In  der  Hauptzuleitung  liegt  ein 
veränderlicher  Widerstand  W1?  an  dessen  Endpunkt  die  Strom- 
bahn sich  teilt.  Der  eine  Weg  führt  über  die  primäre  Spule  P, 
der  andere  durch  einen  dem  ersten  ähnlichen  Widerstand  W9  zur 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1900  Bd.  IV 
S.  46  und  1901  Bd.  V  S.  13. 


78  Die  Stromquelle. 

Stromquelle  zurück.  In  der  ersten  Zuleitung,  wie  in  derjenigen 
zur  primären  Spule,  liegt  ein  Amperemeter  Ax  undA2,  ein  parallel 
zum  Induktor  und  Unterbrecher  eingelegtes  Voltmeter  V  ergibt 
die  für  den  Induktor  verwendete  Spannung.  Im  ersten  Wider- 
stand liegt  ferner  ein  sinnreich  konstruierter  Schalter  mit  zwei 
Kurbeln.  Durch  die  eine  Kurbel  werden  10  Kontakte  be- 
strichen, welche  10  gleichen  Stufen  entsprechen,  jede  gleich 
Y10  des  Gesamtwiderstandes.  Die  andere  Kurbel  schaltet 
ebenfalls  10  Stufen  ein,  jede  gleich  1/10Q  des  Gesamtwider- 
standes. Auf  diese  Weise  läßt  sich  eine  sehr  rasche  und 
sehr  genaue  Einschaltung  erzielen,  die  für  die  primäre  Spule 
verwendete  Betriebsspannung  leicht  verändern  und  dieselbe 
der  jedesmal  gebrauchten  Röhre  anpassen.  Dies  ist  für  die 
Lebensdauer  derselben  im  allgemeinen  und  zur  Erhaltung  ihrer 
eigentümlichen  Qualitäten  (weich,  hart)  im  besonderen  von 
hervorragender  Wichtigkeit.  Die  Einstellung  erfolgt  also  mit 
derselben  Präzision  wie  bei  einem  mit  grobem  und  feinem 
Trieb  versehenen  Mikroskop.  Die  Größe  der  Widerstände 
richtet  sich  nach  der  Netzspannung,  dem  Strombedarf  des 
Induktors  und  der  Art  des  Unterbrechers,  sie  muß  daher, 
um  mit  verschiedenen  Unterbrechern  arbeiten  zu  können,  ver- 
änderlich gemacht  werden.  Die  Fabrikation  derartiger  Appa- 
rate erfolgt  durch  Siemens  &  Halske,  Berlin  und  Th.  Seifert 
&  Cie.,  Hamburg. 

Wechselstrom. 

Nicht  geringe  Verlegenheit  bereitete  früher  den  Röntgen- 
kabinetten,  welche  Anschluß  an  ein  städtisches  Netz  suchten, 
das  Vorhandensein  von  Zentralen,  welche  nur  Wechselstrom 
lieferten.  Zwar  lassen  sich  alle  mit  Elektromotoren  be- 
triebenen Unterbrecher  auch  für  Wechselstrom  einrichten, 
allein  damit  ist  noch  kein  für  das  Induktorium  brauchbarer 
Gleichstrom  gewonnen.  Nur  der  für  Wechselstrom  gebaute 
Turbinen-Unterbrecher  der  Allg.  Elektrizitäts-Gesellschaft  war 
hierbei  brauchbar,  da  er  aus  dem  Wechselstrom  nur  die 
gleichgerichteten  Stromstöße  einschaltet.  Für  den  in  so 
mancher  Hinsicht  unübertrefflichen  Wehnelt-Unterbrecher  bil- 
dete Wechselstrom  anfänglich  ein  beträchtliches  Hindernis, 
das  wie  bei  allen  Unterbrechern  bis  in  die  letzte  Zeit  nur 
am  besten  überwunden  werden  konnte  durch  Verwandlung  in 
Gleichstrom  mittelst  eines  rotierenden  Umformers.  Dies  ist 
ein  Wechselstrommotor,    welcher  eine  Dynamo   antreibt,    die 


Die  Stromquelle. 


79 


ihrerseits  nun  den  Gleichstrom  liefert.  Gewiß  ist  dies  eine 
sehr  unerwünschte  Komplikation,  die  nur  in  den  größten 
Röntgenkabinetten    ertragen    und    überwunden  werden    kann, 


Fie.  34. 


Rotierender  Umformer  von  Siemens  u.  Halskc 


für  Militärlazarette  jedoch  die  Verwendung  in  der  Regel  aus- 
schließt. 

Auch  dieser  Uebelstand  scheint  jetzt  überwunden  zu  sein 
durch  die  Konstruktion  des  Ingenieurs  Robert  Grisson-Ham- 
burg1),  welche  die  vorhin  beschriebenen  Apparate  desDr.Walter 


1)  Die  galvanischen  Induktionsapparate  von  W.  Weiler  S.  197. 
S.  ferner  Grisson,  Elektrotechnische  Zeitschrift  1903  S.  432  und 
B.  Walter,  ebenda  S.  489. 


80  Die  Stromquelle. 

auch  an  eine  Wechselstromlcitung  anzulegen  gestattet.  Dies  ge- 
schieht durch  den  Grisson-Gleichrichter,  eine  Kombination 
mehrerer  elektrolytischer  Zellen,  welche  in  ihrem  Zusammen- 
wirken   sämtliche    Phasen    der  Wechselströme    gleichrichten. 

Das  Wesen  dieses  Apparates  beruht  auf  der  vonL.Graetz1) 
gemachten  Entdeckung,  daß,  wenn  in  einem  Elektrolyten 
(Alaunlösung)  die  Anode  aus  Aluminium  besteht,  sie  sich 
alsbald  mit  einem  dünnen  Häutchen  Oxyd  überzieht,  welches 
so  schlecht  leitet,  daß  Ströme  unter  22  Volt  Spannung  kaum 
hindurchgeben,  während  ein  Strom  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  keinen  nennenswerten  Widerstand  findet.  Die  andere 
Elektrode  kann  aus  irgend  einem  Metall  oder  aus  Kohle  be- 
stehen. Durch  eine  Reihe  von  5  hintereinander  geschalteten 
Zellen  werden  fünfmal  22  Arolt  abgedrosselt,  von  einem 
Wechselstrom  von  110  Volt  also  alle  diejenigen  Komponenten 
nicht  hindurchgelassen,  bei  welchen  das  Aluminium  Anode 
ist.  Der  bei  einfacher  Einschaltung  solcher  Zellen  in  den 
Schließungsdraht  zustande  kommende  Gleichstrom  hat  aller- 
dings nur  die  halbe  Stärke  des  vorherigen  Wechselstromes, 
doch  ist  ein  Verlust  der  halben  Energie  hiermit  nicht  ver- 
bunden, da  die  positiven  Stromteile  garnicht  zustande  kommen,, 
also  hierfür  auch  keine  Energie  verbraucht  wird.  Diese 
Stromteile  können  aber  in  einem  zweiten  Stromkreise  für  sich 
aufgefangen  werden  durch  folgende  Anordnung.  Der  von  dem 
einen  Pol  der  Wechselstrommaschine  kommende  Leiter  geht 
geteilt  zu  zwei  Aluminiumbatterieen,  von  denen  die  zweite 
umgekehrt  wie  die  erste  angeordnet  ist.  Die  von  ihren 
anderen  Enden  ausgehenden  Leitungen  führen  beide  zum 
andern  Pol  der  Maschine.  Da  jede  Batterie  nur  Ströme  einer 
Richtung  hindurchläßt,  fließt  jetzt  in  der  einen  Schleife  die 
eine  Hälfte  der  Stromstöße,  in  der  zweiten  die  andere  und 
zwar  derartig  gerichtet,  daß  der  von  beiden  Batterieen  ge- 
bildete Stromkreis  von  beiden  Strömen  in  gleichem  Sinne 
durchlaufen  wird. 

Werden  an  jeden  Pol  des  Wechselstroms  zwei  Batterieen 
in  der  beschriebenen  Anordnung  gelegt,  ihre  freien  gleich- 
namigen Pole  verbunden  und  zwischen  diesen  Verbindungs- 
stücken eine  Leitung  angebracht,  so  wird  die  letztere  dauernd 


1)   Graetz,   Sitzungsberichte  der  mathemat.  physikal.  Klasse  der 
K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften  Bd.  XXVII  1897  S.  223. 


Die  Stromquelle. 


81 


von  einem  Gleichstrom  durchflössen,  welcher  alle  Komponenten 
des  Wechselstromes  enthält.  Ein  solcher  Apparat  soll  nach 
Graetz  95 — 96  °/0  der  Energie  des  Wechselstromes  in  Gleich- 


Fi£.  33. 


Fie.  34. 


Schaltung- von  Aluminiumzellen  zum  Gleichrichten  von  Wechselstrom 
nach  Graetz. 


ström  verwandeln  und  vollkommen  einen  Disjunktor  ersetzen, 
dem  er  noch  dadurch  überlegen  ist,  dass  er  keine  beweg- 
lichen Teile  besitzt. 

Genauere    Untersuchungen    über    das    Verhalten    solcher 
Zellen    mit    verschieden    zusammengesetzten    Lösungen    von 

Stechow,  Das  Röntgen -Verfahren.  (; 


82  Die  Stromquelle. 

Alaun,  doppelt  chromsaurem  Kali  und  doppelt  chromsaurem 
Natron  führte  Mayrhofer1)  aus.  Er  kam  zu  dem  Schluß, 
daß  der  mittelst  einer  Braun' sehen  Röhre  und  photographi- 
scher Aufnahmen  festgelegte  Verlauf  des  Wechselstromes 
nicht  eigentlich  einfach  die  Bezeichnung  „Ventilwirkung"  recht- 
fertige, vielmehr  der  Vergleich  mit  einem  durchschlagenden 
Ventil  speziell  etwa  einer  durchschlagenden  Tür  angebracht 
sei,  welche  aber  nach  einer  Richtung  sich  überwiegend  leicht 
öffnen  läßt.  Es  erfolgt  nicht  ein  absoluter  Verschluß  in  der 
einen  Richtung,  vielmehr  ein  Pendeln,  das  aber  nach  der 
einen  Seite  sehr  viel  kleineren  Ausschlag  zeigt.  Jene  Rich- 
tung, nach  welcher  die  Tür  leicht  aufgellt,  entspricht  der 
Stromrichtung  Kohle-Elektrolyt- Aluminium. 

Ein  ähnlicher  Apparat  ist  Charles  Po  Hak  in  Frank- 
furt a.  M.2)  durch  Patent  vom  14.  Januar  1896  und  Zusatz 
vom  18.  Juni  1896  geschützt.  Hierbei  werden  Aluminium- 
platten in  alkalischer  Lösung  formiert  und  mit  Bleiplatten 
zu  Zellen  zusammengestellt.  Durch  Einschaltung  von  vier 
derartigen  Aggregaten  wird  der  ursprüngliche  Wechselstrom 
vollkommen  in  pulsierenden  Gleichstrom  verwandelt. 

Ueber  den  „Grisson- Gleichrichter"  ist  aus  den  Mit- 
teilungen der  Firma  folgendes  zu  entnehmen3).  Die  Zelle  be- 
steht aus  einem  Glasgefäße,  welches  mit  einem  (nicht  genannten) 
Elektrolyten  gefüllt  wird,  zwei  Elektroden  und  einer  Kühl- 
schlange nebst  Deckel,  Isolationsröhren  und  Polklemmen.  Die 
eine  Elektrode  besteht  aus  Blei  und  ist  bipolar,  die  andere 
aus  Aluminium,  welche  nur  den  negativen  Stromstößen  den 
Durchgang  gestattet.  Beide  Elektroden  werden  in  etwa  Finger- 
breite übereinander  befestigt,  die  Kühlschlange  eingehängt, 
das  Ganze  mit  destilliertem  Wasser  und  einem  bestimmten 
Elektrolytsalz  gefüllt,  Bei  AVechselstrom  von  110  Volt  kommen 
vier  Zellen,  bei  Drehstrom  sechs  Zellen  zur  Anwendung.  Die 
Zusammensetzung,  Aufstellung  und  Schaltung  zeigen  die  Figuren. 

Der  Gleichrichter  ist  bei  einer  Spannung  von  110  Volt 
bis  zu  Stromstärken  von  25  Ampere  verwendbar. 

Für    die  Umwandlung  von  Wechselstrom  in  Gleichstrom 


1)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1900  S.  913,  926. 

2)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1897  S.  359. 

3)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1903  S.  432  und  489.  S.  auch 
W.  Weiler,  die  galvanischen  Induktionsapparate.  Leipzig,  Moritz 
Schäfer  1902  S.  197. 


Die  Stromquelle. 
Fig.  35. 


83 


Fig 

3 

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7. 

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. 

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Grisson-GIeichrichter,  Bestandteile,  Aufbau,  Schaltung. 

6* 


84 


Die  Stromquelle. 


kommt  ferner  noch  in  Betracht  der  von  Franz  Jos.  Koch1) 
Jim.  angegebene,  von  Nostitz  u.  Koch  in  Chemnitz  gebaute 
Apparat,  Der  Wechselstrom  erregt  ein  polarisiertes  Relais 
von  großen  Dimensionen,  welchem  ein  Kondensator  von 
solcher  Kapazität  vorgeschaltet  ist,  daß  Kontaktfunken  voll- 
kommen   ausbleiben.      Es    wird    ein    pulsierender  und  inter- 

Fie.  38. 


Wechselstrom-Gleichrichter  System  Koch. 

mittierender  Gleichstrom  erhalten,  welcher  ohne  Unterbrecher- 
vorrichtimg unmittelbar  zur  Speisung  der  primären  Spule 
eines  Induktors  verwendet  werden  kann. 

Am  einfachsten  läßt  sich,  wie  es  scheint,  Wechselstrom 
direkt  nutzbar  machen  durch  Vorschalten  einer  Funkenstrecke 
nach    dem    System    von    Siemens  u.  Halske2).      Es    wird 


1)  Elektrotechnische  Zeitschrift  1901  S.  853. 

2)  Mittheilung  der  Firma,   s.  auch  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Röntgenstrahlen  1901  Bd.  V  S.  78. 


Die  Stromquelle.  85 

eine  Funkenstrecke  von  solcher  Länge  gewählt,  daß  nur  die 
Stromstöße  einer  Richtung  den  Raum  zu  überspringen  ver- 
mögen. Der  Induktor  mit  dem  We Im elt -Unterbrecher  er- 
hält dabei  Wechselstrom  zugeführt,  der  in  beiden  Phasen 
unterbrochen  wird.  Im  sekundären  Stromkreise  liegt  eine 
Funkenstrecke  bestehend  ans  einer  Platte  und  gegenüber- 
stehender Spitze,  beide  von  einem  weiten  Glasrohr  um- 
schlossen. Die  Spitze  wird  so  lange  von  der  Platte  entfernt, 
bis  nur  Funken  in  einer  Richtung  übergehen. 

Influenzmaschinen. 

Yon  der  Erwägung  ausgehend,  daß  Akkumulatoren 
schwerfällige,  der  Abnutzung  unterworfene  Apparate  sind, 
und  Netzstrom  nicht  überall  vorhanden  ist,  hat  man  auch 
den  von  Influenzmaschinen  gelieferten  Strom  für  Röntgen- 
versuche empfohlen.  Diese  Maschinen1),  an  welche  die 
Röhren  unmittelbar  angelegt  werden,  liefern  ja  allerdings 
in  den  größeren  vonHoltz,  Töpler  oder  Whimshurst  an- 
gegebenen Konstruktionen  Strommengen,  welche  zum  Betriebe 
einer  kleineren  Röntgenröhre  wohl  hinreichen  und  sie  sind, 
wenigstens  beim  Gebrauch  im  Laboratorium,  jeden  Augen- 
blick betriebsbereit  sowie  einer  Abnutzung  nur  wenig  unter- 
worfen. Aus  diesem  Grunde  sind  sie  auch  für  Kriegszwecke 
angepriesen,  da  die  zum  Drehen  der  Scheiben  notwendigen 
Kräfte  bei  einer  Armee  jederzeit  leicht  zu  haben  sind. 

Daß  in  der  Tat  mit  solchen  Maschinen  sich  Erfolge  er- 
zielen lassen,  zeigte  schon  1897  der  Mechaniker  Wehrsen- 
Berlin,  welcher  ein  Röntgenbild  eines  ganzen  lebenden  Men- 
schen (Laufbursche)  mittelst  einer  Whimshurst'schen  Ma- 
schine aufnahm  und  öffentlich  ausstellte.  Allein  in  Deutsch- 
land hat  diese  Art  der  Erzeugung  elektrischer  Kraft  keine 
Verbreitung  gefunden,  da  ihrer  Verwendung  mannigfache 
Bedenken  gegenüberstehen.  Einmal  ist  die  gewonnene 
Stromstärke  für  größere  Röntgenröhren  eine  zu  geringe, 
sodann  sind  die  Maschinen  gegen  feuchte  Luft  besonders 
empfindlich,  da  sie  in  solcher  Luft  nicht  angehen  oder 
die  Leistung  sehr  bald  nachläßt.  Auch  auf  dem  inter- 
nationalen Kongreß  zu  Paris  1900  zeigte  sich  ein  der- 
artiger Mißerfolg.     Die  Anwesenheit    von    20 — 30  Menschen 


1)  Vgl.  hierüber  Practica!  X  Ray  Work  von  Frank  T.  Addyman, 
Scott,  Greenwood  &  Co.,  London  1901. 


86  Die  Stromquelle. 

in  einem  Auditorium  genügte,  um  die  Maschine  leistungs- 
unfähig zu  machen.  Das  gegen  diesen  Uebelstand  empfohlene 
Einschließen  in  einen  Glaskasten  und  Aufstellen  von  Feuchtig- 
keit absorbierenden  Substanzen  wie  Schwefelsäure,  Chlor- 
calcium  u.  dgl.  stellt  eine  schwere  Komplikation  der  Methode 
dar  und  macht  dieselbe  namentlich  für  den  Krieg  ganz  un- 
brauchbar. Walter1)  berichtet  über  die  Ausstellung  des 
zweiten  internationalen  Kongresses  für  Elektrologie  und 
Radiologie  in  Bern  September  1902,  daß  besonders  aus 
Frankreich  und  Italien  immer  noch  zahlreiche  Influenzmaschinen 
ausgestellt  waren,,  daß  jedoch  die  Wirkung  der  größten  kaum 
an  die  des  kleinsten  Induktors  heranreichte.  Diese  Vorliebe 
für  die  Influenzmaschine  ist  um  so  befremdlicher  als  der 
Preis  etwa  das  Doppelte  von  demjenigen  des  letzteren  beträgt. 

Stromerzeugung  mittelst  kleiner  Kraftmaschinen. 

Fehlt  die  Verbindung  mit  einer  elektrischen  Zentrale 
zum  direkten  Anschluß  oder  zum  Laden  von  Akkumulatoren, 
so  bleibt  noch  die  Möglichkeit  mittelst  eines  kleinen  Benzin- 
motors, wie  sie  heut  häufig  zu  Automobilen  gebraucht  werden, 
eine  Dynamomaschine  antreiben  zu  lassen  und  den  erzeugten 
Gleichstrom  entweder  unmittelbar  dem  Induktor  zuzuführen 
oder  ihn  zum  Laden  von  Akkumulatoren  zu  benutzen.  Beide 
Methoden  haben  ihre  Vor-  und  Nachteile. 

Zunächst  hat  man  in  jedem  Fall  einen  Apparat  mehr, 
der  zu  überwachen  ist.  Trotz  aller  Vervollkommnungen  der 
Motoren,  welche  der  rastlos  vorwärts  strebenden  Auto- 
mobiltechnik zu  verdanken  sind,  erfordert  die  Maschine  doch 
eine  unausgesetzte  Sorgfalt,  soll  sie  nicht  gerade  im  Augen- 
blicke des  .  Gebrauches  gelegentlich  hartnäckig  den  Dienst 
versagen.  Am  besten  ist  es  schon,  den  Motor  von  einem 
Maschinisten  besorgen  zu  lassen,  wie  er  ja  überall  in  kleinen 
Krankenhäusern  vorhanden  ist.  Derselbe  wird  auch  am 
leichtesten  im  stände  sein,  die  notwendigen  Handgriffe  wie 
Anziehen  einer  Schraube,  Einsetzen  einer  Feder,  Oelen  u.  s.  w. 
sachverständig  auszuführen.  Unbedingt  notwendig  ist  ein 
solcher  Techniker  allerdings  nicht,  da  auch  ein  intelligenter 
Krankenwärter  wohl  lernen  kann,  die  Maschine  richtig  in 
Gang    zu    setzen.     In    diesem  Fall  muß  aber  der  Leiter  der 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1902  Bd.  VI 
S.  56. 


Die  Röntgenröhren.  87 

Röntgenstation  selber  mit  allen  Einzelheiten  so  vertraut  sein, 
daß  er  seinen  Gehülfen  überwachen  und  wenn  notwendig 
anweisen,  auch  wohl  selbst  zugreifen  kann. 

Von  Motoren  kommen  zur  Zeit  nur  die  Explosionsmotoren 
in  Betracht,  welche  mit  Leuchtgas  oder  mit  vergastem  Benzin 
arbeiten.  An  Stelle  des  Benzins  wird  auch  Petroleum,  in 
neuerer  Zeit  in  steigendem  Maße  Spiritus  verwendet.  Beide 
Arten  sind  im  Prinzip  vollkommen  gleich,  die  erstere  natür- 
lich an  eine  bestehende  Gasleitung  gebunden  und,  wenn 
dieselbe  vorhanden,  jedenfalls  vorzuziehen,  da  sie  in  wohl 
erprobten  Marken  jederzeit  zu  haben  sind.  Neben  diesen  Ex- 
plosionsmotoren kommen  noch  neuerdings  kleine  Dampfmotoren 
in  Betracht,  wie  sie  für  Automobilzwecke  z.  B.  von  der 
Locomobile  Co.  of  America  oder  von  der  Motorfahrzeugfabrik 
Deutschland  nach  den  Patenten  des  Ingenieurs  Stoltz  ge- 
baut werden.  Weiteres  hierüber  siehe  in  dem  Abschnitt  über 
Verwendung  im  Kriege. 


IV.  Die  Röntgenröhren. 

Den  heikelsten  Teil  der  Röntgenausrüstung  stellen  die 
Vakuumröhren  dar,  weil  zu  ihrer  Herstellung  wie  ferneren 
Erhaltung  während  des  Gebrauches  unausgesetzte  Achtsam- 
keit erforderlich  und  eine  einmal  unbrauchbar  gewordene  in 
den  meisten  Fällen  nicht  wieder  herzustellen  ist. 

Die  ersten  Röhren  waren  einfache  Glaszylinder  von  etwa 
20  cm  Länge  und  3  cm  Durchmesser,  in  deren  eines  ab- 
gerundetes Ende  die  Anode  eingeschmolzen  war.  Die  Ka- 
thode, eine  flache  Aluminiumscheibe,  befand  sich  in  einer 
kurzen  am  andern  Ende  im  rechten  Winkel  angeschmolzenen. 
Glasröhre  und  sandte  ihre  Strahlen  auf  die  gegenüberliegende 
Glaswand.  Die  hier  entstehenden  X-Strahlen  waren  äußerst 
unkräftig,  die  Kathodenstrahlen  jedoch  bei  langer  Dauer  der 
Exposition  hinreichend  wirksam,  um  das  Glas  zu  erweichen. 
Unzählige  Konstruktionen  sind  ersonnen  worden,  um  diese 
beiden  Fehler  zu  vermeiden. 

H.  Boas1)  gab  eine  V-förmig  gebogene  Röhre  an,  in 
deren  beide  Schenkel  je  ein  Metallrohr  als  Elektrode  ein- 
gesetzt war. 


1)  Zeitschrift  für  Instrurnentenlumde  1896  S.  117, 


88  Die  Röntgenröhren. 

P.  Szymanski1)  verschloß  bei  einem  etwa  15  cm 
langen,  3  cm  weiten  Glasrohr  beide  Enden  mit  einer  Kappe 
von  Aluminium  blech,  die  er  mit  Siegellack  und  Marineleim 
dichtete.  Jede  Kappe  konnte  beliebig  als  Anode  oder  als 
Kathode  benutzt  werden;  die  Erfolge  namentlich  beim  Photo- 
graphieren  werden  sehr  hervorgehoben. 

Von  Benoist  und  Hurmuzescu2)  rührt  eine  ähnliche 
Konstruktion  her  mit  zwei  schalenförmigen  Elektroden  in  den 
beiden  schräg  gestellten  Glasröhren  und  einer  kugelförmigen 
Erweiterung  des  Verbindungsstückes. 

Die  Röhre  von  E.  Colarcleau3)  war  zylindrisch,  sie 
enthielt  eine  schalenförmige  Kathode,  eine  flache,  im  Winkel 
von  45°  gestellte  Anode  und  dieser  gegenüber  eine  kugel- 
förmige Ausblasung  der  Glaswand  von  nur  0,1  mm  Dicke. 
Da  die  Röhre  nur  7  cm  lang  und  0,7  cm  weit  war,  konnte 
sie  nur  in  Verbindung  mit  der  Luftpumpe  oder  mit  einem 
andern  größeren  evakuierten  Gefäß  verwendet  werden,  ergab 
aber  bei  Aufnahmen  von  verschiedenen  Punkten  aus  sehr 
gute  stereoskopische  Wirkung. 

Eine  namhafte  Verbesserung  bedeutete  die  Konstruktion 
von  Dr.  Wien4),  welcher  in  dem  zuerst  erwähnten  recht- 
winkligen Glasrohr  gegenüber  der  Anode  einen  Platindraht 
mit  daran  befestigtem  Aluminiumblech  einschmolz.  Letzteres 
war  so  groß,  daß  die  Kathodenstrahlen  völlig  aufgefangen 
wurden,  es  hinderte  den  Durchtrijtt  der  X-Strahlen  kaum, 
absorbierte  aber  die  entstehende  Wärme,  verteilte  sie  auf 
einen  größeren  Raum  und  schützte  so  die  Wand  des  Glases. 

In  diesem  Stadium  der  Entwickelung  der  Röhre  wurden 
alle  möglichen  Formen  probiert,  welche  indessen  nur  noch 
historisches  Interesse  haben5). 

Ein  wirklicher  Fortschritt  war  erst  zu  verzeichnen,  als 
es  gelang,    durch  Anbringung  der  Antikathode  die  Glaswand 


1)  Zeitschrift  für  Instrumentenkunde  1896  S.  153. 

2)  Les  rayons-X  par  Guillaume.    Paris  1896  S.  116. 

3)  Journal  de  physique,  zitiert  nach  Zeitschrift  für  Instrumenten- 
kunde 1897  S.  92. 

4)  Veröffentl.  aus  dem  Gebiete  des  Militär -Sanitätswesens  1896 
Heft  10  S.  5.  Vergl.  auch  Schjerning  und  Kranzfelder,  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1896  S.  211. 

5)  S.  Büttner  u.  Müller,  Technik  u.  Verwertung  der  Röntgen  - 
sehen  Strahlen.   Halle,  Verlag  von  Wilhelm  Knapp.   2.  Aufl.  1900.  S.  98. 


Die  Röntgenröhren.  89 

vor  der  erweichenden  Einwirkung  der  Kathodenstrahlen  dauernd 
zu  bewahren  und  den  Ursprung  der  X-Strahlen  auf  einen 
Punkt  zu  vereinigen.  Unabhängig  von  der  seitwärts  sitzen- 
den Anode  wird  hierbei  der  Kathode  eine  Metallplatte  im 
Winkel  von  45  °  gegenüber  gestellt,  welche  die  von  der  hohl- 
spiegelförmigen  Kathode  zusammengebrochenen  Strahlen  auf- 
fängt und  die  nunmehr  in  größerer  Intensität  entstehenden 
X-Strahlen  nach  allen  Seiten  aussendet.  Eine  Röhre  mit 
schräg  stehender  Antikathode  ist  zuerst  im  Februar  1896 
von  Neesen1)  beschrieben,  dann  von  König2),  der  sie  von 
Goetze  in  Leipzig  hatte,  erwähnt  und  auch  von  Röntgen3) 
im  März  1896  in  seiner  zweiten  Mitteilung  als  besonders 
wirksam  gerühmt. 

Auf  dieser  Grundlage  haben  alle  späteren  Konstruktionen 
weiter  gebaut.  Zu  erwähnen  ist  zunächst  die  Röhre  der 
Allg.  Elekt.  Ges.  Berlin  mit  zwei  in  einer  Glaskugel  gegen- 
übergestellten Elektroden  und  einer  in  der  Mitte  befindlichen, 
schräg  gestellten  Platinplatte.  Bald  hat  sich  jedoch  die  noch 
heut  übliche  Form  entwickelt.  An  einer  Glasröhre  von  etwa 
3  cm  Durchmesser  wird  eine  Kugel  von  etwa  dem  fünffachen 
Durchmesser  so  ausgeblasen,  daß  für  die  Kathode  ein  längerer, 
für  die  Antikathode  ein  kürzerer  Arm  übrig  bleibt,  welche 
sich  gegenüberstehen.  An  der  Kugel  sitzt  seitwärts  ein 
schmaleres  Rohr  für.  die  Anode.  Die  Antikathode  besteht 
aus  Platinblech,  das  mit  anderem  Metall  dick  hinterlegt  ist, 
um  mehr  Wärme  aufnehmen  zu  können.  Anode  und  Kathode 
bestehen  aus  Aluminium,  erstere  ist  eine  gerade  Platte,  letztere 
eine  flache  Schale. 

Derartige  Röhren  von  konstantem  Typus  und  mit 
längere  Zeit  gleichbleibender  Wirkung  hat  in  Deutsch- 
land wohl  zuerst  E.  Gundelach  in  Gehlberg  (Thüringen) 
erzeugt.  Sie  erlaubten  zuerst  ein  einigermaßen  gleichmäßiges 
und  zuverlässiges  Arbeiten  und  bilden  noch  heut  wohl  den 
größten  Bestand  in  den  Röhrenvorräten  der  verschiedenen 
Laboratorien. 

Auch  solche  Röhren  zeigen  aber  nach  einiger  Zeit,  daß 
der  Widerstand  gegen    den  Durchgang    des  Stromes  wächst, 


1)  Verhandlungen  der  physikal.  Gesellschaft  zu  Berlin  15.  Jahr- 
gang 1896  S.  80. 

2)  Ebendas.  S.  75  und  Elektrotechnische  Zeitschrift  1896  S.  302. 

3)  Wiedemanns  Annalen  1898  Bd.  64  S.  17. 


90 


Die  Röntgenröhren. 


sie  werden  „hart",  erfordern  höhere  Stromstärken  und  sprechen 
endlich  garnicht  mehr  an.  Als  Hülfsmittel  sind  vorgeschlagen 
leichtes    Erwärmen    mit    einer  Spirituslampe,    Umhüllen    des 

Fig.  39. 


Röntgenröhre  von  E.  Gundelach,  Gehlberg  (Thüringen). 
Fig.  40. 


Röntgenröhre  mit  Metallschirm  nach  W.  A.  Hirschmann. 

Kathodenarmes  mit  einem  feuchten  Tuch  (Binde),  Aufsetzen 
eines  flachen  Schirmes  von  Metallpapier  auf  die  Austritts- 
stelle der  Antikathode  (W.  A.  Hirschmann).  Alle  diese 
Kunstgriffe  haben  im  ganzen  nur  wenig  Einfluß  auf  die  Dauer 


Die  Röntgenröhren. 


91 


der  Leistungsfähigkeit  der  Röhre,  können  jedoch  zur  Ueber- 
windung  einer  augenblicklichen  Verlegenheit  von  Wert  sein. 
R.  W.  Wood1),  von  dem  Wunsche  geleitet,  das  in  der 
Röntgenröhre  durch  Ablösen  von  Gas  sich  allmählich  ver- 
schlechternde Vakuum  leicht  wiederherstellen  zu  können,  gab 
schon  1896  eine  Konstruktion  an,  bei  welcher  der  eigent- 
lichen leuchtenden  Röhre  jederseits  eine  mit  Quecksilber  halb 
gefüllte  Kugel  angefügt  war.  Die  Glasrohrverbindungen  waren 
derartig  getroffen,  daß  durch  wechselseitiges  Neigen  nach  den 
Seiten  das  hin-  und  herfließende  Quecksilber  Luft  aus  der 
Röntgenröhre  auspumpte  und  in  ein  ferneres  Verbindungsrohr 
entleerte.    Die  ganze  Vorrichtung  war  auf  einem  senkrechten 

Fig.  41. 


Voltohm-Röhre  ß  für  mittelstarke  Beanspruchungen. 


Holzrahmen  derart  befestigt,  daß  die  Bewegungen  leicht  und 
sicher  ausgeführt  werden  konnten.  Durch  die  der  Röhre  an- 
hängenden Hülfskonstruktionen  war  die  Handhabimg  einiger- 
maßen erschwert,  sodaß  die  sinnreiche  Vorrichtung  Eingang 
in  die  Praxis  nicht  gefunden  hat.  Mit  einer  Antikathode 
war  diese  Röhre  noch  nicht  versehen. 

Die  Haltbarkeit  der  Röhre  wird  verlängert,  wenn  der 
evakuierte  Raum  vergrößert  wird.  Demgemäß  wurden  ent- 
weder die  Abmessungen  der  Röhre  größer  gemacht  oder  auch 
an  die  eigentliche  Röhre  eine  zweite,  den  Innenraum  ver- 
mehrende angeschmolzen  (Voltohm-Gesellschaft). 

Die  Ursache  des  Hartwerdens  liegt  in  einer  beim  Ge- 
brauch eintretenden  Erniedrigung  des  Luftdruckes  durch  eine 
noch    nicht    genügend  'aufgeklärte    Kondensiernng    der    Luft 


1)   Wiedemanns  Annalen  1896  Bd.  58  S.  205. 


92 


Die  Röntgenröhren. 


unter  ein  bestimmtes  Maß.  Es  war  also  die  Aufgabe  gestellt, 
auf  irgend  eine  Weise  die  im  Innenraum  verschwundene  Gas- 
menge wieder  zu  ergänzen.  Dies  wurde  auf  verschiedene 
Weise  erreicht. 

In  ein  angeschmolzenes  kommunizierendes  Glasrohr  wind«' 
eine  Substanz  eingebracht,  welche  die  Fähigkeit  besitzt,  Gase 
auf  sich  zu  kondensieren,  beim  Erwärmen  jedoch  wieder  frei 
zu  geben.  Solche  Substanzen  sind  Phosphor,  Lindenkohle, 
Kaliumpermanganat,  Aetzkali.  In  anderer  Weise  wird  auf 
einer  Beobachtung  von  P.  Villard1)  fußend  Gas  von  außen 
zugeführt.  Platinmetalle  haben  die  Eigenschaft,  in  erhitztem 
Zustand  Wasserstoff  hindurchtreten    zu    lassen.     Ein    kurzes, 

Fig.  42. 


Voltohm-Röhre  y  für  sehr  starke  Beanspruchungen. 

dünnwandiges,  am  äußeren  Ende  geschlossenes  Röhrchen  von 
Palladium  wird  in  die  Glaswand  eingeschmolzen  und  für  ge- 
wöhnlich durch  eine  darüber  geschobene  Glaskappe  geschützt. 
Wird  dasselbe  durch  eine  Flamme,  z.  B.  durch  ein  Streich- 
holz kurz  erhitzt,  so  tritt  Wasserstoff  hindurch  und  stellt  den 
normalen  Druck  wieder  her.  Diese  Röhren  sind  unter  dem 
Namen  „regenerierbare"  Röhren  bekannt  und  verdienen  volle 
Beachtung. 

Eine  andere  Ausgestaltung  hat  dieselbe  Idee  in  den 
„Röntgenröhren  mit  regelbarem  Vakuum"  von  W.  A.  Hirsch- 
mann (D.  R.  P.  118  814)  gefunden.  Hier  befindet  sich  an 
dem  zylindrischen,  die  Kathode  enthaltenden  Glasrohr  seitlich 
ein    Kapillarrohr,    welches    mit    einer    Armierung    und    zwei 


1)   Comptes  rendus  1898  Bd.  126  S.  1413. 


Die  Röntgenröhren. 


93 


Schrauben  versehen  ist,    durch    deren  Umdrehung    ein    mini- 
males Quantum  Luft  in  das  Innere  hineingelassen  werden  kann. 
Das  Anwärmen    der    gasspendenden  .Chemikalien    kann 
nun    noch    vereinfacht,    dem  sekundären  Strom    selbst  über- 


Fie.  43. 


Regenerierbare  Röntgenröhre  nach  Gundelach  D.  R.  P.  103  100. 
Fig.  44. 


Röntgenröhre  mit  regelbarem  Vakuum  durch  Luftzuführung  nach 
W.  A.  Hirschmann. 

tragen  und  die  Röhre  auf  eine  beliebige  zulässige  Härte  ein- 
gestellt   werden,     eine    Konstruktion,    die    zuerst    von    dem  * 
Mechaniker  C.  W.  F.  Müll  er- Hamburg  ausgeführt  ist.    Hier- 
bei ist  an  die  gewöhnliche  Röntgenröhre  eine  zweite  kleinere 


94 


Die  Röntgenröhren. 


und  ganz  weiche  rechtwinklig  angeschmolzen,  welche  indessen 
keine   metallene  Antikathode,    sondern    an    ihrer  Stelle    eine 


kleine  Glaskugel   trägt, 


die    mit    einem  Reagens    gefüllt    ist 


und  mit  der  großen  Röhre  frei  kommuniziert,  die  kleinere 
von  der  großen  jedoch  luftdicht  abschließt.  Die  Anoden 
beider  Röhren  sind  verbunden,  die  Kathode  der  kleineren 
läuft  in  einen  biegsamen  Draht  aus,  welcher  der  Kathode  der 


Fig.  45. 


^nr<r<r< 


A 

Röntgenröhre  mit  automatischer  Regulierung  von  Müller-Hamburg. 


großen  Röhre  beliebig  genähert  werden  kann.  Auf  diese 
Weise  stehen  dem  Strom  zwei  parallele  Wege  zur  Verfügung, 
von  denen  er  stets  den  des  geringeren  Widerstandes  wählen 
wird.  Ist  die  große  Röhre  weich  genug,  so  wird  er  hier- 
durch seinen  Weg  nehmen.  Ist  sie  hart  geworden,  so  geht 
er  durch  die  kleinere  Röhre,  den  Draht  und  die  Funken- 
strecke zur  Kathode.  Nun  fallen  aber  die  Strahlen  der 
kleineren  Kathode  auf  die  Glaskugel  mit  dem  Reagens,  er- 
wärmen dasselbe,    machen  Gas    frei  nncl  so  die  große  Röhre 


Die  Röntgenröhren. 

8 


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Die  Röntgenröhren. 


weich..  Durch  Regulierung  der  Funkenstrecke  kann  man  die 
große  Röhre  auf  jeden  gewünschten  Grad  der  Weichheit  ein- 
stellen, der  dann  automatisch  beibehalten  wird. 

Von    Müller-Hamburg    ist    unter    dem    Namen   „Welt- 
Record-Duplex-Röntgen-Röhre"  eine  Konstruktion  angegeben, 

Fig.  47. 


Regulierbare  Röntgenröhre  „Monopol"  von  W.  A.  Hirschmann. 


bei  welcher  einer  in  der  Mitte  der  Kugel  befindlichen  Anti- 
kathode auf  zwei  gegenüberliegenden  Seiten  je  eine  Kathode 
von  ungleicher  Form  gegenübersteht.  Bei'  Benutzung  der 
größeren  erhält  man  harte,  bei  Verwendung  der  kleineren 
weiche  X-Strahlen.     Mit  der  großen  Röhre    ist    eine  kleinere 


Die  Röntgenröhren.  97 

mit  einer  dritten  Kathode  in  Verbindung,  welche  mittelst 
eines  beweglichen  Armes  derart  mit  den  anderen  in  Kon- 
takt gebracht  werden  kann,  daß  Funken  überspringen  und 
aus  der  Kathode  etwas  Gras  entbinden,  die  Röhre  also 
weicher  machen.  Auch  diese  Röntgenröhre  soll  bei  sach- 
gemäßer Behandlung  sehr  große  Lebensdauer  haben. 

Eine  jüngste  Konstruktion  von  W.  A.  Hirschmann  ver- 
folgt diesen  Gedanken  noch  weiter.  Seiner  „regulierbaren 
Röntgenröhre  Monopol"  liegt  die  Idee  zugrunde,  das  Innere 
der  Röhre  von  der  Außenluft  vollkommen  abzuschließen 
und  das  Vakuum  im  Innern  selbst  zu  regeln.  Zu  dem  Zweck 
ist  an  jedem  Ende  der  Röhre  eine  Nebenkugel  ange- 
schmolzen und  durch  einen  federnden  Draht  außen  mit  dem 
zugehörigen  Pol  der  Zuleitung  verbunden.  Soll  die  Röhre 
weicher  werden,  so  wird  der  Draht  an  der  Kathode  ein 
wenig  abgehoben,  wodurch  dem  Strom  der  gewöhnliche 
direkte  Weg  zur  Kathode  entzogen  und  er  gezwungen  wird, 
durch  die  Glaskugel  zu  gehen.  Hierbei  wird  aus  der  darin 
befindlichen  Substanz  Luft  entbunden,  welche  dem  Innern 
der  Röhre  sich  beimengend  dieselbe  sofort  weich  macht. 
Soll  andererseit  Luft  absorbiert,  die  Röhre  härter  werden, 
so  wird  der  Draht  an  der  Anode  abgehoben.  Der  Strom 
wird  gezwungen,  durch  die  andere  Kugel  zu  gehen,  in  welcher 
von  einer  Platinanode  Metall  verstäubt,  an  den  Wänden 
niedergeschlagen  und  bei  diesem  Vorgange  Luft  gebunden 
wird.  Auf  diese  Weise  wird  ohne  Eröffnung  der  großen 
Röhre  die  Regulierung  sehr  leicht,  gleichsam  durch  Plin-  und 
Herschieben  der  Luft  im  Innern  selbst  bewirkt. 

Weitere  Modifikationen  der  Röhren  haben  den  Zweck, 
sie  gegen  den  Durchgang  großer  Energiemengen  widerstands- 
fähiger zu  machen.  Dies  Bedürfnis  trat  erst  besonders 
hervor  seit  Einführung  des  elektrolytischen  Unterbrechers, 
bei  welchem  die  früheren  Antikathoden  im  Zeitraum  von 
Sekunden  weißglühend  wurden  und  sich  verbogen  oder 
durchschmolzen.  Die  Lösung  der  Aufgabe,  die  verderbliche 
übermäßige  Erhitzung  von  der  Antikathode  fernzuhalten, 
wurde  auf  verschiedenem  Wege  angestrebt.  Einmai  wurde 
das  Platinblech  mit  einem  anderen  Wärme  aufnehmenden 
und  leitenden  Metall  hinterlegt,  auch  der  ganze  Träger  des 
Platins  aus  massivem  Metall  gemacht  (Patent-Röntgenröhren 
von  E.  Gundelach- Gehlberg).  Ferner  wurde  als  Träger 
eine   weite    nach    außen    offene  Glasröhre    verwendet,    gegen 

Stechow,  Das  Röntgen -Verfahren.  n 


98 


Die  Röntgenröhren. 


deren  geschlossenen  Grand  das  Platin  anliegt  oder  in  welche 
es  direkt  als  Boden  eingeschmolzen  ist.  Wird  nun  diese 
Röhre  mit  kaltem  Wasser  gefüllt,    so    vermag    dasselbe  eine 


Fig.  48. 


Regenerierbares  Röntgenrohr    mit    Antikathode    von    dickem    die  Wärme 
ableitenden  Metall  von  E.  Gundelach. 


Fig.  49 


Röntgenröhre  mit  Wasserkühlung 


Fig.  50. 


Röntgenröhre    mit    Wasserkühlung 
und  regelbarem  Vakuum  durch 
Luftzuführung  und  Entlüftung 
von  W.  A.  Hirschmann. 


ziemliche  AVärmemenge  von  der  Antikathode  aufzunehmen 
und  diese  abzukühlen.  Noch  besser  wird  der  Zweck  erreicht, 
wenn  man  das  Glasrohr  mit  einem  doppelt  durchbohrten 
Kautschukstöpsel  verschließt  und    nun    während    des  Strom- 


Die  Röntgenröhren. 


99 


durchganges  Wasser 


aus    einer 


hochgestellten  Flasche 


oder 


der  Leitung  Irindurchfließen  läßt. 

Die  Wasserspülung  ist  ohne  Zweifel  ein  sehr  wirksames 
Mittel,  die  Antikathode  kühl  zu  erhalten.  Da  jedoch  die 
Röhre  durch  die  anhängenden  Schläuche  belastet  und  schwer 
oder  garnicht  beweglich  wird,  so  tut  man  gut,  diese  Me- 
thode auf  Durchleuchtungen,  bei  welchen  man  sehr  energische 
Strahlen  braucht,  wie  etwa  beim  Rumpf,  zu  beschränken  und 
sich  für  gewöhnlich  mit  dem  einfachen  Einfüllen  und  öfteren 
Erneuern  einer  kleinen  Menge  Wassers  zu  begnügen. 


Fig.  51. 


Idealröhre  System  Dessauer-Gundelach. 


Eine  Verbesserung  der  Wirkung  erstrebte  die  Allgemeine 
Elektrizitäts-Gesellschaft  mit  einer  mächtigen  Röhre,  welche 
auf  dem  Chirurgenkongreß  1897  vorgezeigt  wurde.  An  Stelle 
des  Wassers  wurde  hier  durch  das  bis  zur  Antikathode  reichende 
Rohr  Oel  geleitet,  das  in  zwei  mit  Gummischläuchen  ver- 
bundenen abwechselnd  hoch  gestellten  Glasflaschen  enthalten 
war.  Oel  sollte  gegenüber  Wasser  infolge  seiner  größeren  Isolier- 
fähigkeit Vorzüge  besitzen,  doch  hat  sich  das  Verfahren  nicht 
einbürgern  können. 

Eine  Verbesserung  der  Strahlenbildung  in  der  Vakuum- 
röhre wird  von  Friedrich  Des  sauer1) -Aschaffenburg  in 
Verbindung    mit  Gundelach    empfohlen.     Es    wird  erstrebt, 


1)  Allgem.  medizinische  Zentralzeitung  1902  S.  527  und  Elektro- 
technische Zeitung  1902  S.  675. 


100  Pie  Röntgenröhren. 

die  Käthodenstrahlen  unter  allen  Umständen  auf  einen  einzigen 
Punkt  der  Antikathode  zusammenzudrängen,  um  so  einen  un- 
wandelbaren, möglichst  kleinen  Ausgangspunkt  für  die  X-Strahlen 
zu  erhalten.  Dies  soll  dadurch  erreicht  werden,  daß  die  Anti- 
kathode mit  einem  Glasrohr  von  bestimmter  Weite  und  dieses 
noch  mit  einem  Metallmantel  umgeben  wird.  Die  statische 
Ladung  dieses  Mantels  soll  auf  die  Kathodenstrahlen  ab- 
stoßend, somit  bei  richtig  gewählter  Weite  sie  konzentrierend,- 
wirken.  Der  Mantel  hat  an  der  Seite  einen  pfenniggroßen 
Ausschnitt,  welcher  die  X-Strahlen  mir  in  einem  begrenzten 
Bezirk  austreten  läßt,  die  übrigen  jedoch  abschneidet. 

Die  Möglichkeit,  durch  Einwirkung  auf  den  Strahlen- 
kegel die  Kathodenstrahlen  zusammen  zu  halten,  ist  schon 
von  F.  Neesen1)  im  Jahre  1896  erwogen  und  versucht 
worden.  Zwei  Glasröhren  waren  rechtwinklig  an  einander 
.geschmolzen,  in  der  Mitte  befand  sich  unter  45°  geneigt  ein 
Platinblech  (Anode),  auf  welches  die  von  einer  Kathode 
kommenden  Strahlen  fielen.  \Beide  Schenkel  des  Glases  waren 
mit  einer  Spule  umgeben,  durch  welche  ein  starker  Magneti- 
sierungsström  geleitet  wurde,  um  die  Strahlen  zusammen- 
zuhalten. 

Wie  sich  diese  neue  Dessauer-Gundelach'sche  Röhre 
ebenso  wie  die  neuerdings  von  Dessauer2)  sehr  empfohlene 
„Riesen- Röntgen-Röhre"  (Preis  110  M.  per  Stück)  bewähren 
werden,  bleibt  noch  abzuwarten. 

A.  Pflüg  er  3)-Bonn  fand  im  Januar  1897,  daß  man  auch 
einpolige  Röntgenröhren  bauen  kann.  Er  legte  an  die  beiden 
Pole  der  sekundären  Spule  eines  Rühmkorff  einen  Kondensator 
in  Gestalt  von  großen  Leydener  Flaschen,  deren  Entladung 
wieder  durch  die  primäre  Spule  eines  in  Paraffinöl  liegenden 
Tesla-Transformators  erfolgte.  An  jeden  Pol  der  sekundären 
Spule    konnte    er  sogar  mehrere  Röntgenröhren  mit  schräger 


1)  Verhandlungen  der  physikalischen  Gesellschaft  in  Berlin  1896 
S.  80,  Mitteilung  in  der  Sitzung  vom  14.  2.  1896.  Es  wird  noch  be- 
richtet, dass  die  Wirkung  der  Röhre  eine  viel  bessere  war,  wenn  der 
freie  Schenkel  anstatt  mit  Glas  mit  einer  Schweinsblase  verschlossen 
war,  welche  sich  vollkommen  luftdicht  und  sehr  gut  durchlässig  zeigte. 

2)  Mitteilungen  des  elektrotechnischen  Laboratoriums  Aschaffen- 
burg No.  7. 

3)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  60  S.  768. 


Die  Röntgenröhren.  101 

Antikathode  anlegen,  welche  lebhafte  X-Strahlen  aussandten. 
Obwohl  hierbei  die  Gefahr  des  Durchschlagens  ziemlich  aus- 
geschlossen ist,  haben  diese  Röhren  doch  keinen  Eingang  in 
die  Praxis  gefunden. 

Ventilröhren. 
Das  Leuchten  der  Röhre  geht  nur  regelmäßig  vor  sich, 
wenn  die  Stromstöße  ausschließlich  in  einer  Richtung  erfolgen. 
Wird  der  sekundäre  Strom  in  anderer  Richtung  hindurchge- 
schickt, so  entstehen  sehr  viel  weniger  Kathoden-  und  X- 
Strahlen,  auch  findet  Zerstäubung  des  alsdann  als  Kathode 
fungierenden  Platins  statt.  Allerdings  durchzucken  den 
Schließungs bogen  des  sekundären  Kreises  Wechselströme.  Von 
ihnen  kommt  aber  bei  Einschaltung  des  Entladungsrohres  für 
gewöhnlich  nur  der  dem  Oeffmmgsstrom  entsprechende  Teil  zur 
Ausbildung,  da  er  infolge  der  raschen  Unterbrechung  des  pri- 
mären Stromes  und  des  entstehenden  Extrastromes  ein  viel 
höheres  Potential  besitzt. '  Um  das  Zustandekommen  falscher 
Stromstöße  sicher  zu  verhüten,  kann  man  vor  die  eigentlichen 
Röntgenröhren  eine  sog.  Yentilröhre  schalten,  welche  bewirkt, 
daß  von  den  abwechselnd  gerichteten  Strömen  des  Induktoriums 
nur  die  eine  Hälfte  hindurchgeht.  Dieselbe  besteht  dem  Wesen 
nach  aus  einer  evakuierten  Glasbirne  von  ähnlicher  Form  und 
Größe  wie  die  leuchtende  Röhre  und  enthält  zwei  Elektroden 
von  derartig  untereinander  abweichender  Anordnung,  daß  die 
langsamer  verlaufenden  also  eine  geringere  Potentialdifferenz 
erzeugenden  Schließungsströme  bei  der  gewählten  Luftver- 
dünnung den  Zwischenraum  nicht  zu  überbrücken  vermögen.  Es 
geht  nur  der  Oeffmmgsstrom  hindurch,  wenn  die  kleinere 
Elektrode  Anode  ist1).  Ein  solches  Instrument  ist  schon  lange 
bekannt  (Gangain's  Ventilei,  Oeuf  sonpape,  ferner  Riess  1855) 
und  in  seiner  Wirkungsweise  der  Graetz 'sehen  Aluminium- 
zelle zu  vergleichen.  Ihre  Anwendung  ist  neuerdings  von 
Villard  und  von  Gundelach  besonders'  empfohlen.  Die 
Röhre  wird  in  der  Nähe  des  Induktors  angebracht,  nicht  nahe 
bei  der  Röntgenröhre,  da  deren  Entladungen  hierdurch  nach- 
teilig beeinflußt  werden.  Sie  werden  auch  mit  Regeneriervor- 
richtung geliefert. 


1)  J.  Puluj,  Strahlende  Materie.    Wien  1883,  Carl  Gerold  Sohn. 
Vergl.  Wiedemann,  Die  Lehre  von  der  Elektrizität  1885  Bd.  4  S.473. 


102 


Die  Röntgenröhren. 


o 


Der  Leuchtschirm.  103 


V.    Der  Leuchtschirm. 

Da  das  menschliche  Auge  nicht  befähigt  ist,  die  X- 
Strahlen  unmittelbar  genügend  wahrzunehmen,  bedarf  es  einer 
Uebersetzung  derselben  in  eine  für  die  Netzhaut  lesbare 
Wellenlänge.  Dies  besorgen  Substanzen,  welche  von  X-Strahlen 
getroffen,  in  einem  ihnen  eigentümlichen  Lichte  fluoreszieren. 
Von  allen  auf  diese  Eigenschaften  geprüften  chemischen  Körpern 
hat  sich  am  besten  das  Doppelsalz  Bariumplatincyanür  bewährt. 
Bei  einer  bestimmten  Korngröße  erhält  man  einen  für  das  Auge 
gut  erkennbaren  gleichmäßigen  Schimmer,  auf  welchem  sich 
zwischen  die  Röhre  und  den  Schirm  gestellte  Körper  je  nach 
ihrer  Durchdringbarkeit  für  X-Strahlen  wirkungsvoll  abheben. 

In  der  ersten  Zeit  machte  das  Aufbringen  der  Krystalle 
Schwierigkeiten.  Die  Substanz  war  nicht  gleichmäßig  verteilt, 
gab  ein  wolkiges  Bild  und  löste  sich  leicht  hier  und  da  ab. 
Jetzt  werden  starke  Holzrahmen  auf  einer  Seite  mit  hin- 
reichend starkem  Papier  überzogen  und  auf  dieses  das  Doppel- 
salz in  Lösungen  von  Celluloid  oder  ähnlichen  Stoffen  gleich- 
mäßig verteilt  aufgebracht.  Nach  Verdunsten  des  Lösungs- 
mittels bei  genau  horizontaler  Lagerung  des  Rahmens  erhält 
man  die  Krystalle  sicher  eingebettet  in  eine  ganz  gleichmäßige 
Schicht  mit  glatter,  nicht  leicht  verletzlicher  Oberfläche.  Ein 
Uebelstand  findet  sich  noch  häufig,  nämlich  das  Verwerfen 
des  Rahmens  durch  Nachtrocknen  des  nicht  genügend  ge- 
alterten Holzes.  Eine  Abhilfe  ist  nicht  bekannt;  so  lange 
der  Schirm  nicht  in  einem  Rahmen  mit  geraden  Nuten  be- 
wegt werden  soll,  tut  dies  Verziehen  seiner  Brauchbarkeit 
keinen  Abbruch. 

J.  Villard1)  beobachtete,  daß  die  Leuchtschirme,  wenn 
sie  längere  Zeit  von  X-Strahlen  getroffen  werden,  in  ähnlicher 
Weise  „ermüden"  wie  das  von  Kathodenstrahlen  getroffene 
Glas  der  Cr  ook  es  'sehen  Röhren.  Die  Einwirkung  auf  das 
Bariumplatincyanür  kann  direkt  am  Tageslicht  beobachtet 
werden.  Da  diese  Einwirkung  sich  im  Dunkeln  länger  hält 
als  im  Licht,  ergiebt  sich  die  Regel,  die  Leuchtschirme  stets 
am  Tageslicht  aufzubewahren. 

Auf  eine  eigentümliche  Erscheinung  machte  J.  Precht2) 
aufmerksam.     Das    Anwachsen    der    Helligkeit    auf    Leucht- 


1)  Comptes  rendus  1898  Bd.  12G  S.  1414. 

2)  Annalen  der  Physik  4.  Folge  1900  Bd.  1  S.  420. 


104  Der  Leuchtschirm. 

schirmen  ist  nämlich  von  der  Zeit  abhängig,  was  besonders 
deutlich  an  einem  Schwefelzinkschirm  hervortritt.  Exponiert 
man  einen  solchen  den  X-Strahlen  unter  Vorhalten  der  Hand, 
so  erblickt  man  auch  mit  völlig  ausgeruhtem  Auge  zuerst  nur 
ein  Schattenbild  der  ganzen  Hand.  Nach  einer  gewissen  Zeit 
erscheinen  die  Knochen  der  Finger  und  noch  später  die  der 
Mittelhand.  Die  Zeiten  nehmen  ab  mit  wachsender  Härte  der 
Köhre  und  sind  auch  bei  den  gewöhnlichen  Bariumplatincyanür- 
schirmen  nachweisbar,  wenn  auch  bedeutend  kürzer.  Umge- 
kehrt wachsen  die  Zeiten  mit  der  Undurchsichtigkeit  der 
durchstrahlten  Körper.  Die  Versuche  scheinen  zu  Gunsten  der 
Hypothese  zu  sprechen,  daß  es  sich  um  die  Emission  materieller 
Teilchen  von  sehr  kleiner  Größenanordnung  handelt,  welche  sich 
mit  endlichen  Geschwindigkeiten  durch  den  Raum  bewegen. 
Es  ist  zweckmäßig,  einen  größeren  derartigen  Schirm, 
welcher  zu  Beobachtungen  am  Brustkorb  Erwachsener  40  X 
50  cm  groß  sein  muß,  sowie  einen  kleineren  von  etwa  24  X 
30  cm  zu  besitzen,  welch  letzterer  zur  raschen  allgemeinen 
Orientierung  über  das  Funktionieren  der  Röhre  und  zum  Be- 
trachten der  Gliedmaßen,  des  Kopfes  und  Halses  dient.  Vielfach 
findet  man  noch  einen  Apparat,  das  Kryptoskop,  angepriesen, 
etwa  wie  ein  großes  Stereoskop  gestaltet.  Es  ist  ein  Papp- 
kasten, welcher  mit  dem  einen  Ende  lichtdicht  an  die  Augen 
angelegt  wird  und  an  der  gegenüberliegenden  Seite  im  Innern 
einen  kleinen  Leuchtschirm  trägt.  Der  Apparat  soll  das 
Beobachten  im  unverdunkelten  Zimmer  gestatten;  sein  Nutzen 
ist  aber  sehr  fraglich,  da  einmal  der  Anschluß  an  das  Gesicht 
kaum  lichtdicht  zu  machen  ist  und  andererseits  das  nicht 
ausgeruhte  Auge  nicht  die  zum  Beobachten  nötige  Empfind- 
lichkeit besitzt.  Zum  wirklichen  Sehen  auf  dem  Schirm  gehört 
immer  ein  gänzlich  verdunkelter  Raum  und  ein  etwa  zehn 
Minuten  hierin  ausgeruhtes  xUige.  Diese  Zeit  wird  erheblich 
geringer,  wenn  man  bei  Lampenlicht  gearbeitet  hat. 

Verstärkungsschirme. 

Eine  weitere  Anwendung  findet  die  Fluoreszenz  erregende 
Wirkung  der  X-Strahlen  in  den. Verstärkungsschirmen1).  Das 
bei  Fluoreszenz  auftretende  Licht  übt  einen  Einfluß  auch  auf 
die  photographische  Platte  aus.   Bringt  man  eine  fluoreszierende 


1)  S.  J.  P recht,  Untersuchungen  über  Kathoden-  und  Röntgen- 
strahlen.   Wiedemann's  Annalen  1897  Bd.  61  S.  330. 


Der  Leuchtschirm.  105 

Substanz  in  unmittelbare  Berührung  mit  der  lichtempfindlichen 
Schicht,  so  wird  beim  Darauffallen  von  X-Strahlen  ein  größerer 
Betrag  ihrer  Energie  an  dieser  Stelle  zurückgehalten  und  zur 
Wirkung  gebracht.  Um  dieselbe  Veränderung  der  Silbersalze 
zu  erhalten,  wird  daher  eine  kürzere  Bestrahlung  genügen. 
Diese  Abkürzung  der  Expositionszeit  führte  zur  Empfehlung 
der  Verstärkungsschirme,  zu  welchen  aber  nicht  das  gelb- 
grünliche ßariumplatincyanür,  sondern  die  bläulich  schimmern- 
den Verbindungen  Kaliumplatincyanür  oder  wolframsaurer 
Kalk  genommen  werden.  Praktisch  werden  diese  Schirme 
wie  die  Beobachtungsschirme  hergestellt,  jedoch  auf  etwas 
nachgiebiger  Unterlage  und  ohne  Rahmen,  damit  sie  sich  der 
Platte  genau  anschmiegen  können.  Kommt  es  auf  besondere 
Herabsetzung  der  Expositionszeit  an,  so  wird  die  Platte  (oder 
der  beiderseitig  eine  Schicht  tragende  Film)  zwischen  zwei 
Verstärkungsschirmen  liegend  exponiert. 

Ueber  die  erzielte  Wirkung  berichtet  J.  Gaedicke1),  daß 
bei  gewöhnlicher  Platte  mit  einem  Schirm  von  wolframsaurem 
Kalk  die  vierfache,  bei  einer  für  gelbgrün  sensibilisierten  die 
fünffache  Menge  von  Silberniederschlag  erhalten  wurde.  Am 
erstaunlichsten  war  die  Wirkung  eines  Schirms  mit  Barium- 
platincyanür  auf  die  letztgenannte  Platte.  Die  erzielte  Wirkung 
wurde  auf  das  Vierzehnfache  des  auf  der  gewöhnlichen  Platte 
ohne  Schirm  erhaltenen  Niederschlages  geschätzt. 

Ein  großer  Uebelstand  ist  mit  der  Anwendung  der  Schirme 
untrennbar  verbunden.  Jedes  aufleuchtende  Krystallkorn  sendet 
seine  Strahlen  nicht  nur  dahin,  wo  es  gewünscht  wird,  nämlich 
senkrecht  zur  Platte,  sondern  wird  zum  Mittelpunkt  einer 
nach  allen  Richtungen  ausgehenden  Strahlung.  Infolgedessen 
werden  die  Umrisse  unscharf,  und  die  ganze  Platte  erscheint 
gekörnt,  ähnlich  wie  beim  Steindruck,  was  weder  zur  Deut- 
lichkeit noch  zur  Schönheit  des  Bildes  beiträgt  und  sich 
namentlich  bei  weiteren  Reproduktionen  höchst  unangenehm 
bemerkbar  macht.  Allerdings  gibt  Gädicke  an,  bei  seinen 
Versuchen  mit  einem  Schirm  mit  wolframsaurem  Kalk  von 
Kahl  bäum  nur  das  Korn  der  Platte  erhalten  zuhaben,  aber 
die  Verstärkungsschirme  bleiben  unter  allen  Umständen  eine 
unangenehme  Zugabe  zu  der  schon  genügend  komplizierten 
Technik  des  Röntgenverfahrens.  Seitdem  Röhren  und  Unter- 
brecher   zu    früher   nicht    geahnter  Vollkommenheit   gebracht 


1)  Photograph.  Wochenblatt  1897  No.  29. 


106  Photographie. 

sind,  ist  die  Herabsetzung  der  Expositionszeit  auf  anderem, 
einfacherem  Wege  möglich  geworden  und  die  Benutzung 
dieses  wenig  erwünschten  Hilfsmittels  auf  seltene  Ausnahme- 
fälle beschränkt. 


3.  Photographie. 


Die  Aufnahme  von  Bildern  mittelst  Eöntgenstrahlen, 
welche  alsdann  genau  nach  dem  gewöhnlichen  photographi- 
schen Verfahren  weiter  behandelt  werden,  hat  eine  derartig 
erhebliche  Bedeutung  bei  der  praktischen  Anwendung  des 
Verfahrens,  daß  man  getrost  sagen  kann,  es  bilde  die  Hälfte 
der  ganzen  Arbeit. 

Da  die  Röntgenstrahlen  genau  wie  Lichtstrahlen  auf 
Silbersalze  einwirken,  so  kommen  hier  dieselben  Verfahren 
zur  Anwendung  wie  in  der  gewöhnlichen  Photographie.  Wer 
also  mit  diesem  Gebiet  schon  vertraut  ist,  der  wird  keine 
Schwierigkeiten  finden,  auch  gute  Röntgenbilder  herzustellen. 
Allerdings  darf  hier  nicht  verschwiegen  werden,  daß  die  bloße 
Kenntnis  der  üblichen  Haus-  und  Liebhaber-Photographie  noch 
nicht  genügt,  um  ohne  weiteres  hervorragende  oder  auch  nur 
genügende  Röntgenbilder  zu  erzeugen.  Dies  rührt  einmal 
davon  her,  daß  die  Art  der  Aufnahme  eine  ganz  andere  ist 
als  mit  der  Kamera.  Doch  ist  eine  Röntgenaufnahme,  was 
die  mechanisch-technische  Seite  betrifft,  entschieden  leichter 
zu  erlernen  als  die  Handhabung  der  Kamera.  Es  kommt 
aber  noch  hinzu,  daß  der  ganze  Apparat,  was  Platten,  Schalen, 
Entwicklerflüssigkeit  u.  s.  w.  anlangt,  sich  in  einem  erheblich 
größeren  Maßstabe  bewegt  als  bei  den  gewöhnlichen  Ama- 
teur-Aufnahmen. Auch  hieran  ist  erst  eine  gewisse  Ge- 
wöhnung erforderlich,  ehe  man  zur  Beherrschung  gelangt. 

Glücklicherweise  ist  es  nicht  .erforderlich,  das  ganze 
bereits  unendlich  reich  bebaute  Feld  der  photographischen 
Technik  und  Kunst  zu  beherrschen.  Obwohl  ausgebreitete 
Kenntnisse  auch  hier  für  die  eigene  Tätigkeit  nur  förderlich 
sind,  genügt  es  doch  wenigstens  für  den  Anfang,  sich  ein 
bestimmtes  Gebiet  zu  eigen  zu  machen  und  die  praktische 
Ausführung  womöglich  bei  einem  Photographen  von  Fach 
einzuüben.  Um  gute  Röntgenbilder  zu  erhalten,  ist  eine  gewisse 
Reihe  von  technischen  Handgriffen  notwendiger  als  theoretische 


Photographie.  107 

Kenntnisse.    Jedenfalls  genügen  letztere  nicht,  um  bald  einen 
sichtbaren  Erfolg,  d.  h.  brillante  Negative,  aufzuweisen. 

Indem  für  ein  vertiefendes  Studium  auf  die  speziellen 
Lehrbücher  verwiesen  -wird1),  soll  hier  aus  dem  großen  Gebiet 
das  Notwendigste  herausgegriffen,  damit  aber  doch  der  Weg' 
gezeigt  werden,    welcher    sicher    zu  guten  Ergebnissen  führt. 

Schon  am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  entdeckte  der 
deutsche  Arzt  Johann  Heinrich  Schulze  in  Halle  die 
Lichtempfindlichkeit  des  salpetersauren  Silbers.  Bis  zum 
Schlüsse  des  Jahrhunderts  kam  hierzu  das  Chlorsilber,  ver- 
schiedene Harze,  die  Chromsäure  und  ihre  Salze,  später  das 
Jod-  und  Bromsilber.  Im  Jahre  1824  erzeugte  Nicephore 
Niepce  in  der  Camera  obscura  Bilder  auf  einer  Asphalt- 
schicht, deren  nnbelichtete  Stellen  er  mit  Lavenclelöl  ab- 
wusch, während  die  belichteten  unlöslich  geworden  waren 
und  stehen  blieben.  Bald  darauf  erfand  er  ein  Verfahren, 
Druckplatten  mit  Hilfe  d,es  Lichtes  zu  erzeugen.  Er  ex- 
ponierte mit  Asphalt  überzogene  Kupferplatten  unter  einer 
Strichzeichnung,  wobei  die  unter  den  Strichen  liegenden  Teile 
des  Asphaltüberzuges  dem  Licht  entzogen  und  löslich  blieben. 
Nach  Entfernung  dieser  Stellen  mit  Lavendelöl  konnte  die 
Platte  geätzt  und  mit  fetter  Farbe  abgedruckt  werden  (Helio- 
graphie). Von  1829  bis  1833  arbeitete  Niepce  gemeinsam 
mit  Daguerre,  ohne  weitere  Erfolge  zu  erzielen.  Nach 
seinem  Tode  setzte  Daguerre  die  Versuche  fort,  auf 
mechanische  Weise  mit  Hilfe  des  Lichtes  dauerhafte  Bilder 
zu  erzeugen,  und  konnte  seine  ungeheures  Aufsehen  erregende 
Erfindung  1838  der  Akademie  in  Paris  vorlegen.  Auf  Be- 
treiben Aragos  erhielt  Daguerre  für  sein  Verfahren, 
welches  in  der  Sitzung  der  Akademie  vom  19.  August  1839 
veröffentlicht  wurde,  vom  Staate  eine  lebenslängliche  Pension 
von  6000  Frs.,  der  Sohn  Isidore  des  verstorbenen  Nicephore 
Niepce  eine  solche  von  4000  Frs.  Sein  Verfahren  bestand 
darin,  versilberte  polierte  Kupferplatten  Joddämpfen  auszu- 
setzen und  in  der  Kamera  zu  exponieren.  Der  Lichteintlruck 
ist  auf  der  entstandenen  Schicht  von  Jodsilber  zunächst  nicht 
sichtbar,    erscheint  jedoch    alsbald,    wenn    die  Platte  Queck- 

1)  S.  besonders  Ausführliches  Handbuch  der  Photographie  von 
S.  M.  Eder,  Halle  a.  S.  Wilhelm  Knapp;  Handbuch  d.  Photographie  von 
H.  W.  Vogel,  Berlin,  Robert  Oppenheim;  Compendium  der  praktischen 
Photographie  von  F.  Schmidt,  Karlsruhe,  Otto  Nemnich. 


108  Photographie. 

silberdämpfen  ausgesetzt  wird,  wobei  das  Metall  in  kleinen 
Kügelchen  sich  nur  an  den  belichteten  Stellen  und  zwar  ent- 
sprechend der  Stärke  der  Lichtwirkung  niederschlägt.  Die 
so  gewonnenen  Bilder  wurden  mit  Lösungen  von  Kochsalz 
oder  unterschwefligsaurem  Natron  fixiert.  Der  letztere  Aus- 
druck entstpricht  nicht  dem  eigentlichen  Vorgange,  der  darin 
besteht,  daß  das  genannte  Salz  das  nicht  zum  Aufbau  des 
Lichtbildes  verwendete  unveränderte  Silbersalz  auflöst.  Obwohl 
diese  Eigenschaft  der  Hyposulfite  schon  1819  von  Sir  John 
Herschel  entdeckt  war,  hatten  weder  Niepce  noch  Da- 
guerre  zunächst  hiervon  Gebrauch  gemacht.  Erst  nach  Be- 
kanntgabe von  Daguerres  Verfahren  führten  Herschel 
und  Talbot  noch  im  Jahre  1839  das  unterschwefligsaiire 
Natron  in  den  Prozeß  ein. 

Damit  waren  für  das  photographische  Verfahren  Grund- 
lagen gewonnen,  welche,  wenn  auch  mit  vielfachen  Ver- 
besserungen, noch  heut  maßgebend  sind.  Auch  heut  noch 
läuft  der  photographische  Prozeß  in  den  drei  Phasen  ab: 
Erzeugung  eines  zunächst  nicht  sichtbaren  Bildes  mit  Hilfe 
der  Licht-  (oder  anderer)  Strahlen  in  einer  Schicht  von 
Silbersalz  (Exposition);  Hervorrufung  des  latenten  Bildes 
durch  eine  Substanz,  welche  eine  Reduktion  des  Silbers  ent- 
sprechend der  verschiedenen  Intensität  der  Lichteinwirkung 
herbeiführt  (Entwickelung);  Auflösen  des  nicht  zum  Bild  ver- 
wendeten Teils  des  Silbersalzes  (Fixieren).  Das  auf  diese 
Weise  erhaltene  Abbild  stellt  in  seinen  Tonwerten  überall 
das  Gegenteil  des  Originals  dar,  es  ist  ein  Negativ.  Ist 
dieser  ganze  Prozeß  auf  einer  durchsichtigen  Platte  von 
Glas,  Marienglas,  Celluloid  oder  ähnlichen  Stoffen  vor  sich 
gegangen,  so  hat  man  eine  Schablone  gewonnen,  unter 
welchem  ein  wieder  mit  Silbersalzen  empfindlich  gemachter 
Stoff  (Papier,  Leder  u.  s.  w.)  dem  Licht  exponiert  werden 
kann.  Das  nunmehr  gewonnene  Bild,  aus  welchem  das  über- 
schüssige Silbersalz  wiederum  zu  entfernen  ist,  entspricht  in 
Licht  und  Schatten  vollkommen  dem  Original,  es  ist  ein 
Positiv.  Nach  dem  Negativ  können  beliebig  viele  Kopieen  er- 
zeugt werden,  welche  alle  dem  Original  genau  gleich  sein  müssen. 

Zunächst  war  Daguerre  allerdings  noch  nicht  so  weit. 
Seine  „Daguerrotvpieen",  welche  alsbald  in  der  ganzen  Kultur- 
welt angefertigt  und  bewundert  wurden,  waren  leicht  ver- 
letzliche Gebilde,  welche  eine  Expositionszeit  von  10 — 15  Mi- 
nuten erforderten,    nicht  reproduzierbar  waren    und  den  dar- 


Photographie.  109 

gestellten  Gegenstand  nur  deutlich  erkennen  ließen,  wenn 
das  darauf  fallende  Licht  in  bestimmtem  Winkel  reflektiert 
wurde.  Diese  ersten  Lichtbilder,  welche  noch  in  vielen 
Familien  sich  fortgeerbt  haben,  lassen  sich  übrigens  heut 
ganz  leidlich  reproduzieren. 

Für  die  eigentliche  Photographie  waren  von  besonderer 
Bedeutung  die  Berechnimg  einer  lichtstarken  Porträtlinse  für 
die  Kamera  durch  Petzval  in  Wien  1840,  welche  Voigt- 
länder ausführte,  und  die  Einführung  von  Glasplatten  als 
Bildträger  durch  Niepce  de  St.- Victor  (Neffen  von  Nice- 
phore  N.)  1847.  Die  Platten  waren  mit  jodkaliumhaltigem 
Eiweiß  oder  Stärkekleister  überzogen,  wurden  mit  Silbernitrat 
sensibilisiert,  belichtet,  mit  Gallussäure  entwickelt  und  mit 
Bromkali  fixiert.  Le  Gray  führte  1850  das  Kollodium  als 
Träger  der  empfindlichen  Schicht  ein.  Dies  Verfahren  be- 
deutete einen  großen  Fortschritt  und  war  bis  Ende  der 
60  er  Jahre  das  herrschende.  Das  hierbei  gebräuchliche  sog. 
nasse  Entwicklungsverfahren  hatte  jedoch  mancherlei  Uebel- 
stände,  welche  erst  durch  Einführung  clerGelatine-Trockenplatten 
beseitigt  wurden.  Im  Jahre  1868  veröffentlichte  Harris on  ein 
Rezept  zur  Anfertigung  von  Bromsilber-Gelatine,  1871  bildete 
der  englische  Arzt  Maddox  das  Verfahren  weiter  aas,  sodaß 
von  nun  an  die  Gelatine-Trockenplatte  fast  die  allein  an- 
gewandte wurde.  Erst  mit  Hilfe  dieses  Verfahrens,  das  noch 
durch  Auftragen  der  Schicht  auf  durchsichtige  unzerbrechliche 
Unterlagen  (Celluloidfilms)  eine  wesentliche  Bereicherung  er- 
fuhr, wurde  die  Photographie  bequem,  sauber  und  konnte 
die  Verbreitung  im  wissenschaftlichen,  künstlerischen  und 
privaten  Leben  erlangen,  welche  wir  jetzt  kennen.  Hand  in 
Hand  mit  diesen  mehr  mechanischen  Grundlagen  ging  die 
Vervollkommnung  der  Entwicklersubstanzen.  Ihr  Auffinden 
geschah  zunächst  rein  empirisch.  Der  Gallussäure  und  dem 
Eisenvitriol  folgte  1850  die  Pyrogallussäure  (Regnault), 
1862  die  alkalische  Pyrogallolentwicklung  (Russell  und 
Leahy),  1877  entdeckte  Carey  Lea  den  Eisenoxalatent- 
wickler,  der  später  von  Eder  vervollkommnet  winde.  Um 
1887  wurde  Hydrochinon  als  Entwickler  bekannt,  und  nun 
erfolgte  auf  Grund  sorgfältiger  planmäßiger  Untersuchungen 
von  Andresen,  Hauff,  Gebrüder  Lumi er e  und  Seyewetz 
und  anderen  die  Enthüllung  des  Zusammenhanges  zwischen 
chemischer  Konstitution  und  Entwicklervermögen  und  in  der 
Folge  davon  die  bewußte  Aufsuchung  und  Herstellung  neuer 


110  Photographie. 

Entwicklersubstanzen.  Alle  diese  gehören  der  aromatischen 
Reihe  an,  welche  sich  vom  Benzolring  ableitet.  Andresen 
und  Lumiere  haben  nachgewiesen,  daß  die  Entwickler- 
eigenschaften von  zwei  Umständen  abhängen,  einmal  von  der 
Natur  der  an  den  Kern  angelagerten  Verbindungen  und  dann  von 
ihrer  gegenseitigen  Stellung.  Ein  aromatischer  Körper  ist  dann 
ein  Entwickler,  wenn  er  wenigstens  zwei  Hydroxyl-  (OH)  oder 
zwei  Amido-  (NH2)  Gruppen  (oder  eine  Hydroxyl-  und  eine 
Amidogruppe  oder  drei  Hydroxyl-  oder  eine  Hydroxyl-  und 
zwei  Amidogruppen)  enthält  und  wenn  diese  Gruppen  zu  ein- 
ander in  der  Ortho-  oder  Parastellung  stehen.  Isomere 
Körper,  welche  die  Metastellung  enthalten,  sind  keine  Ent- 
wickler. Damit  ist  für  ein  bis  dahin  sehr  unübersichtliches 
Gebiet  ein  orientierendes  Gesetz  aufgefunden,  welches  freilich 
noch  keine  Erklärung  des  Vorganges  gibt. 

Für  die  Zwecke  der  Röntgenphotographie  kommen  allein 
die  Verfahren  mit  Silbersalzen  in  Betracht,  worauf  sich  daher 
die  folgenden  Erörterungen  beschränken  werden. 

Von  den  drei  Silberhaloidsalzen  Chlor-,  Jod-  und  Brom- 
silber ist  das  Chlorsilber  das  unempfindlichste,  es  hat  jedoch 
die  Eigenschaft,  bei  Belichtung  sich  intensiv  dunkel  zu  färben, 
weshalb  es  beim  Positiv-Prozeß  Verwendung  findet. 

Das  Jodsilber,  an  welchem  Daguerre  die  Photographie 
entdeckte,  und  welches  bei  dem  nassen  Verfahren  mit  Kol- 
lodium verwendet  wird,  nimmt  eine  mittlere  Stellung  ein. 
Das  Bromsilber,  welches  in  den  Gelatinetrockenplatten  als 
außerordentlich  feinkörniger  Niederschlag  enthalten  ist,  besitzt 
die  bei  weitem  höchste    bis    jetzt    bekannte  Empfindlichkeit. 

Nach  Eder  und  Pizzighelli  zeigt  die  Empfindlichkeit 
der  drei  Silberverbindungen  folgende  Abstufung: 

Chlorsilber  ohne  Entwicklung 1 

„  mit  chemischer  Entwicklung    .     .     .  500 

Jodsilber  mit  physikalischer         „  10  000—12  500 

Bromsilber  mit  chemischer  „  ...     50  000 

Ueber  die  Natur  der  Substanz,  aus  welcher  nach  Ein- 
wirkung des  Lichtes  das  latente  Bild  besteht,  ist  viel  ge- 
stritten worden,  ohne  daß  die  Frage  bisher  endgültig  aufge- 
klärt werden  konnte.  Zwei  Ansichten  stehen  sich,  beide 
durch  gute  Gründe  gestützt,  zur  Zeit  schroff  gegenüber,  die 
Subhaloid-  und  die  Silberkeim-Theorie.  Nach  der  ersteren 
'Theorie  erfolgt  im  Licht  eine  Zersetzung  des  Silbersalzes 
nach  der  Formel 


Photographie.  111 

2  AgBr  =  Ag2Br  -f  Br, 

es  soll  Brom  abgeschieden  und  ein  Silbersubbromid  gebildet 
werden,  welches  nun  unter  Einwirkung  des  Entwicklers  leicht 
zu  körnigem  Silber  reduziert  wird.  Da  indessen  ein  solches 
Subhaloid  isoliert  noch  nicht  aufgefunden  werden  konnte, 
nimmt  die  andere  Theorie  an,  daß  durch  das  Licht  sofort 
minimale  vollkommene  Reduktionen  zu  Silber  erfolgen,  Silber- 
keime entstehen,  auf  welche  unter  dem  Einfluß  des  Ent- 
wicklers Silber  aus  der  Umgebung  herangezogen  und  nieder- 
geschlagen wird. 

Soviel  scheint  nach  allen  Untersuchungen1)  sicher  zu 
sein,  daß  die  grobe  chemische  Formel  nur  als  erste  An- 
näherung gelten  darf,  daß  die  Vorgänge  beim  Hervorrufen  des 
Bildes  sehr  viel  verwickelter  verlaufen  und  in  jene  Grenz- 
gebiete zwischen  Physik  und  Chemie  gehören,  welche  aufzu- 
klären noch  der  Zukunft  vorbehalten  ist. 


Das  Negativverfahreii. 

Inbezug  auf  die  Art  der  Entwicklung  werden  zwei  Me- 
thoden unterschieden,  die  physikalische  und  die  chemische. 
Bei  der  physikalischen  ziehen  die  belichteten  Teile  Dämpfe 
(Quecksilber-,  Wasserdampf)  oder  im  Entstehungszustand 
ausgeschiedene  Metallpartikel  (z.  B.  aus  Eisenvitriol  und 
Silbernitrat  sich  ausscheidendes  Silber)  an,  ohne  sich  in  ihrer 
Substanz  zu  verändern.  Das  entstehende  Bild  stellt  dann 
eine  Auflagerung  auf  die  ursprüngliche  Schicht  dar,  welche 
je  nach  der  Lichteinwirkung  verschieden  dick  ist  und  durch 
Salpetersäure  wieder  aufgelöst  werden  kann,  ohne  daß  an 
der  ursprünglichen  empfindlichen  Schicht  etwas  geändert 
wird.  Bei  der  chemischen  Entwicklung  dagegen  werden  die 
belichteten  Teile  der  empfindlichen  Schicht  selbst  von  Re- 
duktionsmitteln angegriffen.  Das  entstandene  Bild  liegt  inner- 
halb der  Schicht,  Salpetersäure  nimmt  beim  Auflösen  des 
gefällten  Silbers  aus  der  Schicht  Substanz  hinweg  und  hinter- 
läßt ein  Transparent-Positiv. 

Die  physikalische  Entwicklung  wurde  bei  den  nassen 
Kollodiumplatten    angewendet.      Wenn    dies    Verfahren    auch 

1)  Vergl.  die  Arbeiten  von  Ab  egg,  Eder,  Englisch,  Lutter, 
Precht,  Mercator  u.  A.  im  Archiv  f.  wissenschaftliche  Photographie 
Bd.  1  1899  u.  ff. 


112  Photographie. 

heut  keine  allgemeine  Bedeutung  mehr  besitzt,  so  ist  es 
doch  wegen  der  Feinheit  des  entstehenden  Kornes  und  der 
Zartheit  der  Negative  in  Reproduktionsanstalten  noch  imer- 
setzt.  Auch  werden  z.  B.  die  Negative  für  die  Kartenblätter 
der  Landesaufnahme  ausschließlich  hiernach  angefertigt.  Aus 
theoretischen  Gründen  sowohl  als  auch  weil  es  sich  einmal 
um  besonders  genaue  Wiedergabe  wertvoller  Bilder  handeln 
kann,  soll  daher  das  nasse  Verfahren  hier  kurz  beschrieben 
werden.  Die  Ausführung  müßte  allerdings  einem  Fach- 
photographen überlassen  werden. 

Die  gut  gereinigte  Glasplatte  wird  mit  dünnem  Kol- 
lodium Übergossen,  dem  Brom-,  hauptsächlich  aber  Jod- 
metalle, z.  B.  Jodnatrium,  Jodkadmium,  Bromnatrium  in  be- 
stimmten Verhältnissen  beigemischt  sind.  Sobald  die  Schicht 
anfängt,  fest  zu  werden,  wird  die  Platte  unverzüglich  in  einem 
Bad  von  etwa  10  proz.  salpetersaurem  Silber  gebadet  und 
hierdurch  in  der  Schicht  Jod-  und  Bromsilber  gebildet, 
welches  aber  nach  dem  Herausnehmen  noch  von  einer 
dünnen  Schicht  Silbernitrat  überdeckt  ist.  Nach  dem  Ex- 
ponieren der  noch  nassen  Platte  wird  mit  einer  Eisenvitriol- 
lösung, welche  mit  Eisessig  oder  Schwefelsäure  angesäuert 
ist,  entwickelt.  Das  Bild  entsteht,  indem  sich  Silber  aus 
der  die  Platte  bedeckenden  Schicht  an  den  belichteten 
Stellen  niederschlägt.  Da  es  meist  noch  zu  flau  ist,  um 
kopierfähig  zu  sein,  wird  es  verstärkt  durch  eine  Mischung 
von  Silberlösung  und  Pyrogallussäure  oder  Eisenvitriol,  aus 
welcher  sich  wiederum  gefälltes  Silber  an  die  belichteten 
Stellen  anlagert.  Diese  Verstärkung  des  ursprünglichen 
Bildes  kann  bis  zu  beliebiger  Dichte  getrieben  und  auch  nur 
an  einzelnen  Teilen  der  Platte  ausgeführt  werden.  Schließlich 
folgt  Fixieren  in  Lösung  von  unterschwefligsaurem  Natron 
oder  Cyankali,  Auswässern.  Trocknen  und  Lackieren  des 
Negativs. 

Es  muß  hervorgehoben  werden,  daß  vom  Entwickeln  an 
alle  Manipulationen  sehr  rasch  vor  sich  gehen,  weil  die  Kol- 
lodiumschicht sehr  leicht  durchdringlich  und  gegen  die  an- 
gewendeten Chemikalien  chemisch  indifferent  ist.  Dennoch 
sind  die  zahlreichen  Unbequemlichkeiten  des  Verfahrens 
nicht  zu  verkennen.  Das  richtige  Ansetzen  und  dauernde 
Rein-  und.  Konstanthalten  der  verschiedenen  Lösungen,  das 
Arbeiten  mit  den  nassen  Platten,  welche  jedesmal  frisch 
präpariert  und  sofort   verbraucht  werden  müssen,    also  nicht 


Photographie.  113 

beliebig  vorrätig  gehalten  werden  können,  die  geringe  Em- 
pfindlichkeit, das  Hantieren  mit  den  die  Finger  dauerhaft 
färbenden  Silberlösungen  —  alles  das  sind  Unzuträglichkeiten, 
welche  das  nasse  Verfahren  auf  das  Laboratorium  und  den 
Kreis  der  Fachphotographen  beschränkten. 

Von  diesen  Fesseln  befreite  die  Lichtbildkunst  erst  die 
Trockenplatte,  welche  fast  unbegrenzt  haltbar,  überaus  em- 
pfindlich, jederzeit  ohne  weitere  Vorbereitungen  zur  Ver- 
wendung bereit  ist,  zu  einem  beliebigen  Zeitpunkt  nach  der 
Exposition  weiter  bearbeitet  werden  kann,  und  bei  der  das 
ganze  Verfahren  ein  einfaches  und  sauberes  ist.  Anderer- 
seits muß  zugegeben  werden,  daß  die  Gelatineschicht  von 
den  Chemikalien  schwerer  durchdrungen  wird,  nicht  in- 
different gegen  dieselben  ist  und  auch  schwerer  trocknet. 

Unter  den  Vorzügen  der  Trockenplatte  ist  einer  der  be- 
deutendsten, daß  sie  fabrikmäßig  hergestellt  und  vollkommen 
gebrauchsfertig  geliefert  wird,  sodaß  also  alle  zeitraubenden 
Vorbereitungen  zu  dem  eigentlichen  Photographieren  ent- 
fallen. Da  auch  für  die  Röntgenpraxis  allein  die  Trocken- 
platte in  Betracht  kommt,  muß  ihren  Eigenschaften  be- 
sondere Aufmerksamkeit  zugewandt  werden.  Es  gibt  eine 
große  Zahl  von  Vorschriften  für  die  ^Anfertigung  der  Platten, 
doch  kann  hier  nur  das  Verfahren  im  allgemeinen  dargelegt 
werden. 

Die  Herstellung  geschieht  derartig,  daß  weiche  und 
harte  Gelatine  in  bestimmtem  Verhältnis  gemischt  in  der 
Menge  von  4 — 10  pCt.  bei  gelinder  Wärme  in  Wasser  gelöst 
und  mit  Bromkalium  oder  Bromammonium  versetzt  wird. 
Zu  der  erwärmten  Lösung  wird  alsdann  Silbernitrat  in  Kry- 
stallen,  in  wässeriger  oder  auch  in  Gelatinelösung  hinzuge- 
fügt, wobei  dafür  zu  sorgen  ist,  daß  Bromsalz  stets  im 
Ueberschuß  vorhanden  ist.  Durch  Wechselzersetzung  nach 
der  Formel 

KBr  +  AgN03  =  AgBr  -f  KN03 

entsteht  Bromsilber  und  Kaliumnitrat.  Es  entsteht  eine 
anfangs  fast  klare,  schwach  opalisierende,  später  milchige 
Flüssigkeit,  welche  Bromsilberteilchen  im  Zustande  äußer- 
ster Feinheit  suspendiert  enthält,  sodaß  die  Masse  sogar 
durch  mehrfache  Schichten  von  Waschleder  filtriert  werden 
kann,  ohne  daß  Bromsilber  zurückgehalten  wird.     Bis    dahin 

Stecliow,  Das  Röntgen-Verf'ahreD.  o 


114  Photographie. 

ist  diese  Masse  wenig  lichtempfindlich.  Die  folgenden  Ope- 
rationen müssen  jedoch  in  voller  Dunkelheit  vorgenommen 
werden.  Durch  längeres  Stehen  oder  Kochen  mit  Zusatz 
von  Ammoniak  steigt  unter  Vergrößerimg  des  Korns  die 
Empfindlichkeit  (Reifen  der  Emulsion).  Aus  der  gereiften 
Masse  muß  nunmehr  das  Kaliumnitrat  entfernt  werden,  was 
durch  Auswaschen  geschieht.  Die  erkaltete  Emulsion  wird 
durch  Cannevas  gepreßt,  dadurch  in  einzelne  Nudeln  zerteilt 
und  wiederholt  mit  Wasser  übergössen  oder  in  fließendem 
Wasser  gespült,  in  welches  das  leicht  lösliche  salpetersaure 
Kali  übergeht.  Nach  vollendeter  Waschung  wird  die  Emulsion 
neuerdings  geschmolzen  und  nunmehr  auf  reine  Glasplatten 
gegossen,  auf  welchen  sie  alsbald  erstarrt.  Nach  dem 
Trocknen  ist  die  Platte  gebrauchsfertig. 

Das  Gießen  der  Platten  kann  für  kleinere  Mengen  mit 
der  Hand  erfolgen.  In  den  Fabriken  dienen  hierzu  Gieß- 
maschinen, bei  welchen  die  erwärmte  flüssige  Emulsion  zu- 
nächst in  einen  breiten  Gießtrog  gelangt,  aus  welchem  sie  in 
gleichmäßig  breitem  Strom  auf  die  darunter  befindlichen  Glas- 
platten abfließt.  Letztere  gelangen  vorgewärmt  auf  einer 
Bandrolle  ohne  Ende  unter  den  Gießtrog  und  werden  mit 
einer  Geschwindigkeit,  welche  je  nach  der  Dicke  der  zu  er- 
zeugenden Schicht  verschieden  reguliert  werden  kann,  dar- 
unter fortbewegt.  Nachdem  die  Emulsion  auf  den  Platten 
ausgebreitet  ist,  gelangen  sie  in  eine  mit  Eis  gekühlte  Vor- 
richtung, in  welcher  die  Gelatine  alsbald  erstarrt.  Das 
Trocknen  geschieht  in  besonderen  Trockenkammern,  am 
besten  bei  gewöhnlicher  Temperatur  durch  einen  künstlich 
erzeugten  Strom  staubfreier  Luft.  Nach  dem  durch  Patent 
geschützten  Verfahren  von  Edwards  und  Nelson  werden  in 
der  Trockenkammer  Röhren  angebracht,  welche  durch  ver- 
dunstendes flüssiges  Ammoniak  abgekühlt  sind,  und  unterhalb 
der  Platten  Heizröhren,  wobei  Wasserdampf  aus  der  Emulsion 
entweicht  und  sich  an  den  Kühlröhren  als  Schnee  niederschlägt. 
Jode  Verunreinigung  durch  Staub  ist  hierbei  sicher  vermieden. 

Die  kleineren  Formate  werden  in  der  Regel  aus  den 
größeren  durch  Zerschneiden  hergestellt,  was  an  der  Schicht- 
seite zu  geschehen  hat,  weil  sonst  die  Schicht  am  Rande  ab- 
blättert. Besondere  Schneidemaschinen  sichern  die  gewünschte 
Größe  der  Platten  und  die  richtige  Lage  des  Diamanten.  Es 
können  jedoch  auch  kleinere  Platten  in  der  Gießmaschine 
aneinandergelegt    und    im   Ganzen    begossen    werden.     Dann 


Photographie.  115 

tritt  die  Gelatine  in  gewisser  Menge  zwischen  den  Rändern 
hindurch  und  bildet  auf  der  Glasseite  mehr  oder  weniger 
ausgedehnte  Auflagerungen,  welche  beim  Verarbeiten  der 
Platten,  am  besten  gleich  nach  dem  Fixieren  in  noch 
feuchtem  Zustande,  entfernt  werden  müssen. 

Die  Verpackung,  wofür  jede  Fabrik  ihre  eigene  Manier 
hat,  muß  vor  allem  dafür  sorgen,  daß  die  Schichtseiten  sich 
nicht  berühren  und  zerkratzen,  sowie  daß  seitlich  kein  Licht 
eindringt,  wodurch  später  Randschleier  entstehen.  •  Auf  die 
sorgfältige  Beachtung  dieser  Vorsichtsmaßregeln  hat  man  auch 
später  beim  Anbrechen  der  Pakete  zu  achten.  Gut  verpackte 
Platten  halten  sich  in  trocknen  Räumen  jahrelang  brauchbar, 
doch  tritt  in  der  Gelatine  meist  eine  Art  A^erhornung  ein, 
wodurch  die  Entwickelung  schwieriger  wird.  Für  Seereisen 
und  Aufenthalt  in  den  Tropen  ist  allein  die  Verpackung  in 
verlöteten  Blechkästen  genügend. 

Für  die  Größe  der  Platten  haben  sich  gewisse  Maße 
international  eingebürgert, ,  welche  auch  für  den  Betrieb  eines 
Röntgenkabinettes  festzuhalten  empfehlenswert  ist,  da  ihr 
Ersatz  überall  und  jederzeit  leicht  ist.  Diese  sog.  Normal- 
maße sind  18  X  24,  24  X  30,  30  X  40,  40  x  50  cm. 

Die  gewöhnlichen  Trockenpiatten  haben  nicht  für  alle 
Teile  des  Spektrums  die  gleiche  Empfindlichkeit.  Dieselbe 
ist  am  größten  in  Blau  und  Violett,  sehr  viel  geringer  in 
dem  langwelligen  Teil  des  Spektrums.  Die  Platte  vermag 
daher  den  Eindruck  mehrfarbiger  Körper  nicht  mit  denselben 
Helligkeitswerten  aufzunehmen  wie  das  menschliche  Auge 
sie  sieht.  Diesem  Uebelstande  half  die  Entdeckung  von 
H.  W.  Vogel1)  ab,  welcher  im  Jahre  1873  die  optischen 
Sensibilisatoren  auffand.  Gewisse  Farbstoffe  besitzen  die 
Eigenschaft,  die  Emulsion  für  diejenigen  Farben  empfindlich 
zu  machen,  welche  sie  selbst  absorbieren.  Am  meisten  ge- 
braucht werden  Eosin,  Erythrosin,  Azalin  und  ähnliche  Körper. 
Die  Farbstoffe  können  entweder  der  Emulsion  vor  dem  Gießen 
zugesetzt  werden  oder  es  können  die  fertigen  Platten  in  den 
Farblösungen  gebadet  und  alsdann  wieder  getrocknet  werden. 
Die  anfangs  gehegte  Vermutung,  daß  derartige  Platten  auch 
für  X-Strahlen  empfindlicher  sich  erweisen  könnten,  hat  sich 
nicht    bestätigt.     Besondere  Vorteile    bringt    die  Verwendung 


1)   Vogel,  Die  Photographie  farbiger  Gegenstände  in  den  richtigen 
Tonverhältnissen.    Berlin  1885. 


116  Photographie. 

derartiger,  natürlich  teurerer  Platten  im  Röntgenverfahren  nicht 
mit  sich1). 

Die  Entwickelung  der  Gelatineplatten  geschieht  auf 
sog.  chemischem  Wege,  d.  h.  das  Silber  wird  durch  den 
Entwickler  innerhalb  der  Schicht  reduziert. 

Man  unterscheidet  saure  und  alkalische  Entwicke- 
lung. Für  die  erstore  wird  ausschließlich  Kalimn-Ferrooxalat 
benutzt,  für  die  letztere  eine  ganze  Reihe  Substanzen  aus  der 
aromatischen  Reihe  wie  Pyrogallussäure,  Hydrochinon, 
Eikonogen,  Rodinal  (Alkalisalz  des  Paramidophenols),  Metol, 
Glycin,  Amidol,  Ortol,  Adurol,  Edinol  u.  s.  w.  Alle  diese 
Entwickler  zeigen  in  Bezug  auf  Farbe  und  Abstufung  des 
Niederschlages,  Dichte  des  Negativs,  Schnelligkeit  der  Ent- 
wickelung kleine  unterscheidende  Eigentümlichkeiten,  soclaß 
für  einen  bestimmten  Zweck  eine  Substanz  herausgesucht 
werden  kann,  welche  den  Absichten  am  besten  entspricht. 
Für  die  Röntgentechnik  ist  zu  bedenken,  daß  ihre  Projektions- 
bilder sich  in  ganz  bestimmter  Weise  von  den  mit  der  Linse 
gemachten  Aufnahmen  unterscheiden.  Werden  hier  möglichst 
scharfe  Konturen  gewünscht  und  erhalten,  so  ist  das  Gleiche 
bei  Röntgenaufnahmen  nicht  in  demselben  Maße  zu  erreichen. 
Immer  fallen  die  Abgrenzungen  der  sich  in  einander  ab- 
bildenden Schatten  unscharf  aus,  weil  die  durchstrahlten 
Körperteile  die  X-Strahlen  etwas  zerstreuen.  Von  einer  „ge- 
schnittenen Schärfe",  wie  sie  bei  Kamera- Aufnahmen  vor- 
handen sein  soll,  ist  hier  nicht  die  Rede.  Infolgedessen  muß 
bei  der  Entwickelung  des  Bildes  das  Streben  dahin  gehen, 
die  Unterschiede  zwischen  Licht  und  Schatten  möglichst 
stark  hervorzuheben,  das  Negativ  hart  zu  entwickeln.  Weich 
arbeitende  Entwickler,  welche  eine  reichhaltige  Modulation 
der  Niederschläge  ergeben,  wie  sie  besonders  bei  Porträt- 
aufnahmen erwünscht  sind,  können  hier  nicht  gebraucht 
werden.  Es  müssen  im  Gegenteil  Entwickler  aufgesucht 
werden,  welche  die  minder  belichteten  Teile  wenig  angreifen, 
an  den  belichteten  aber  einen  möglichst  dichten,  kompakten 
Niederschlag  ohne  weiche  Uebergänge  hervorbringen.  Es  ist 
dies  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  namentlich  für 
militärische  Röntgenkabinette,    wo  man  sich  vielfach  auf  die 


1)  Ueber  die  Herstellung  von  Bromsilberplatten  für  die  kürzesten 
Wellenlängen  von  220 ßp.  abwärts  s.  Schumann,  Annalen  der  Physik. 
4.  Folffe  1901  Bd.  5  S.  349. 


Photographie.  117 

Anfertigung  von  Negativen  beschränken  wird,  diese  aber  auch 
für  weniger  geübte  Betrachter  von  in  die  Augen  springender 
Deutlichkeit  sein  müssen1). 

Stellt  man  diese  Grundsätze  an  die  Spitze,  so  wird  die 
Auswahl  unter  den  Entwicklern  sehr  erleichtert.  Man  hat 
sich  nur  unter  wenigen  Substanzen  zu  entscheiden  und  wird 
am  Ende  mit  einer  einzigen  sich  ausschließlich  einarbeiten, 
was  einen  großen  Vorteil  für  den  gesamten  Betrieb  mit  sich 
bringt.  Selbstverständlich  wird  man  das  Verfahren  so  ein- 
fach wie  möglich  wählen,  wodurch  die  eigene  Einarbeitung, 
die  Anleitung  des  Unterpersonals  und  der  unter  militärischen 
Verhältnissen  ja  nicht  zu  vermeidende  Uebergang  von  einem 
Leiter  zum  anderen  ungemein  erleichtert  wird. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  sind  hauptsächlich  zu  em- 
pfehlen der  Eisenoxalatentwickler,  das  Hydrochinon,  sodann 
Metol,  ferner  für  bestimmte  Zwecke  Glycin  und  Rodmal 
(Weichteile).  Es  soll  nicht  geleugnet  werden,  daß  vielleicht 
auch  mit  anderen  schon  -  vorhandenen  oder  noch  zu  ent- 
deckenden Entwicklern  gute  Erfolge  zu  erreichen  sind,  die 
vorgenannten  haben  sich  aber  zweifellos  bewährt  und  werden 
daher  in  ihrer  Anwendung  genauer  beschrieben  werden. 

Vorher  sind  jedoch  noch  einige  Bemerkungen  über  den 
Gang  der  Entwickelung  im  allgemeinen  erforderlich.  Wird 
die  exponierte  Platte  mit  dem  Entwickler  übergössen,  so 
dauert  es  einige  Zeit,  bevor  derselbe  in  die  harte  Gelatine 
eindringt,  sie  genügend  erweicht  und  nun  eine  Wirkung 
zeigt.  Hierauf  mag  man  im  Durchschnitt  eine  halbe  bis 
zwei  Minuten  rechnen.  Bei  richtiger  Exposition  müssen  die 
verschieden  belichteten  Teile  in  ganz  bestimmter  Reihenfolge 
erscheinen.  Hat  man  z.  B.  ein  von  der  Sonne  beschienenes 
Haus  aufgenommen,  so  markieren  sich  zunächst  die  hellsten 
Kanten  als  isolierte  schwarze  Striche.  In  einem  zweiten 
Stadium  treten  hierzu  andere  Teile,  welche  etwas  weniger  Licht 
bekommen  haben,  ferner  wieder  andere  mit  noch  weniger  Be- 
lichtung u.  s.  w.  In  dieser  Weise  muß  sich  bei  richtiger  Be- 
lichtung   und    richtiger    Konzentration    des    Entwicklers    das 


1)  Diese  Grundsätze  gelten  für  alle  Aufnahmen,  bei  denen  es  sich 
um  das  Hervorheben  von  Knochen  oder  Fremdkörpern  gegenüber  den 
Weichteilen  handelt.  Will  man  jedoch  zarte  Unterschiede  in  den  Weich- 
teilen selber  wie  in  der  Brusthöhle  zur  Anschauung  bringen,  so  muss  die 
Entwicklung  nicht  eine  harte,  sondern  eine  weiche  sein. 


118  Photographie. 

Bild  stufenweise  aufbauen,  und  man  hat  hieran  einen  un- 
trüglichen Beweis,  daß  alles  richtig  gemacht  ist.  Geht  die  Ent- 
wickelung  in  dieser  Weise  vor  sich,  so  erhalten  offenbar  die 
hellsten  Stellen  den  dichtesten  Niederschlag,  und  die  Ab- 
stufung von  Licht  und  Schatten  erfolgt  genau  entsprechend 
den  Helligkeitswerten  des  Originals.  Läßt  man  das  Bild  im 
Entwickler  liegen,  so  wird  allmählich  die  ganze  Platte 
schwarz,  indem  der  Niederschlag  dauernd  dichter  wird  und 
das  Bild  verschwindet.  Die  Entwickelung  muß  daher  zu 
einem  gewissen  Zeitpunkt  unterbrochen  werden.  Hat  man 
die  ersten  Anfänge  des  Bildes  im  auffallenden  roten  Licht 
beobachtet,  so  muß  man  die  weiter  zunehmende  Dichtigkeit 
in  der  Durchsicht  beurteilen.  Hierzu  hebt  man  die  Platte 
an  einer  Seite  hoch,  hält  sie,  von  der  Entwicklerschale  unter- 
stützt, immer  in  derselben  Entfernung  gegen  die  rote  Lampe 
und  sucht,  ohne  sich  um  Einzelheiten  zu  kümmern,  rasch 
einen  Ueberblick  über  die  ganze  Platte  zu  gewinnen.  Man 
richtet  seine  Aufmerksamkeit  auf  die  hellsten  Stellen  und 
nimmt  die  Platte  im  allgemeinen  dann  aus  dem  Entwickler 
heraus,  wenn  diese  bisher  hellroten  Stellen  anfangen,  einen 
grauen  Anflug  zu  bekommen,  wenn  sie  sich  zu  „belegen" 
beginnen.  Die  Platte  wird  nunmehr  abgespült  und  in  die 
Fixierlösung  gelegt.  Mußte  die  Entwickelung  fast  auf  Se- 
kunden genau  verfolgt  werden,  so  braucht  man  sich  um  die 
zu  fixierende  Platte  nicht  weiter  zu  kümmern.  Es  kommt 
hier  auf  Stunden  nicht  an. 

So  glatt  und  normal  verläuft  die  Entwickelung  aber  nur, 
wenn  die  Expositionszeit  richtig  getroffen  war.  Hier  können 
zwei  Fehler  gemacht  sein.  Entweder  hat  die  Platte  zu  viel 
oder  zu  wenig  Licht  bekommen. 

Im  Fall  der  Ueberexposition  sind  auch  relativ  dunkle 
Stellen  schon  derart  vom  Licht  beeinflußt,  daß  sie  unter  Ein- 
wirkung des  Entwicklers  leicht  reduziert  werden.  Dies 
markiert  sich  dadurch,  daß  beim  Aufgießen  des  Entwicklers 
das  Bild  nicht  stufenweise  sich  aufbaut,  sondern  sofort  oder 
wenigstens  sehr  schnell  in  allen  Einzelheiten  sichtbar  wird.  Die 
weniger  belichteten  Teile  kommen  fast  ebenso  schnell  wie  die 
stark  belichteten,  beide  werden  in  ihren  Helligkeitswerten  ge- 
nähert, die  im  Original  vorhandenen  Kontraste  vermindert,  das 
Bild  wird  flau.  Dieser  Fehler  läßt-  sich  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  wieder  gut  machen.  Wie  oben  angegeben,  ist  die 
Bildung  des  latenten  Bildes   mit  einer  Abspaltung  von  Brom 


Photographie.  119 

aus  dem  Bromsilber  verbunden.  Ist  zuviel  Silber  zersetzt, 
zuviel  Brom  abgespalten,  so  kann  dies  durch  Hinzufügen  von 
Bromkalilösung  wieder  gut  gemacht  und  damit  die  zu  starke 
Lichtwirkung  vermindert  werden.  Da  der  Grad  der  Licht- 
einwirkung vielfach  vorher  nicht  absolut  genau  abgeschätzt 
werden  kann,  muß  stets  beobachtet  werden,  wie  das  Bild 
kommt,  und  sofort  tropfenweise  Bromkalilösung  (1  :  10)  hin- 
zugesetzt werden,  wenn  Ueberlichtimg  erkannt  wird.  Ist  dies 
von  vornherein  sicher,  so  kann  man  auch  die  Platte  vor  dem 
Entwickeln  in  dünner  Bromkalilösung  baden  oder  dem  Ent- 
wickler Bromkali  zusetzen.  In  ähnlicher  Weise  wirkt  alter 
Entwickler,  welcher  teils  durch  Oxydation  an  der  Luft  in 
seiner  Wirkung  geschwächt  ist,  teils  aus  den  Platten  bereits 
Brom  aufgenommen  hat,  er  arbeitet  klar.  Bei  vorsichtigem 
Vorgehen  können  auch  sehr  erheblich  überlichtete  Platten 
gerettet  werden.  Man  soll  es  sich  daher  zur  Regel  machen, 
lieber  zu  lange  als  zu  kurz  zu  exponieren  und  gebrauchten 
Entwickler  stets  vorrätig  zu  halten. 

Hat  die  Platte  zu  wenig  Licht  bekommen,  so  sind  nur 
die  grell  belichteten  Teile  genügend  vom  Licht  getroffen,  um 
der  Einwirkung  des  Entwicklers  nachzugeben.  An  den  anderen 
vermag  der  Entwickler  nichts  auszurichten,  weil  die  Brom- 
silbermoleküle nicht  genügend  erschüttert  sind,  um  der  re- 
duzierenden Kraft  zu  erliegen.  Beim  Fixieren  der  Platte 
ergibt  sich  in  den  Schatten  keine  Zeichnung  oder,  wenn  zu 
lange  entwickelt  wurde,  ein  allgemeiner  grauer  Anflug  ohne 
Einzelheiten.  Unterexposition  kann  nur  in  geringem  Grade  gut 
gemacht  werden  durch  kräftigen  Entwickler  oder  Zusatz 
von  Natriumhyposulfit  in  geringen  Mengen,  am  besten 
Baden  der  Platten  vor  dem  Entwickeln  in  dünner  Lösung 
(1  :  3000),  schließlich  durch  Standentwicklung.  Von  allen 
diesen  Hilfsmitteln  ist  aber  hier  sehr  viel  weniger  zu  er- 
warten wie  bei  überexponierten  Platten. 

Was  nun  im  besonderen  dieEntwickelun  g  von  Röntgen- 
platten anlangt,  so  geschieht  dies  nach  genau  denselben 
Grundsätzen  wie  die  der  gewöhnlichen  Platten,  ja  sie  ist  noch 
entschieden  leichter,  weil  man  sich  garnicht  um  Einzelheiten 
zu  kümmern  hat,  sondern  die  Platte  nur  im  Großen  zu  ver- 
folgen braucht.  Bei  allen  medizinischen  Röntgenaufnahmen 
handelt  es  sich  um  Weichteile  und  Knochen.  Auf  der  Platte 
erhält  man  also  unter  Hinzurechnung  des  Hintergrundes  drei 
Abstufungen.      Zuerst    erscheint    der    am    meisten    von    den 


120  Photographie. 

X-Strahlen  getroffene  Hintergrund  und  verdichtet  sich  all- 
mählich. Längere  Zeit  lagert  auf  ihm  wie  ein  Glied  aus 
Gips  der  aufgenommene  Körperteil  ohne  jede  Zeichnung  im 
Innern,  sich  nur  in  seinen  Umrissen  scharf  von  der  Platte 
abhebend.  Allmählich  belegt  sich  auch  das  Konturbild,  es 
wird  grau  und  scheint  in  die  nun  schon  tiefschwarze  Um- 
gebung einzusinken.  Jetzt  ist  es  Zeit,  die  Platte  in  der 
Durchsicht  zu  kontrollieren.  Man  findet  nunmehr  als  zweite 
Stufe  der  Dichtigkeit  die  Weichteile  und  am  hellsten  die 
.Knochen.  Ohne  sich  im  geringsten  mit  dem  Aufsuchen  und 
Erkennenwollen  von  Einzelheiten  aufzuhalten,  setzt  man  die 
Entwickelung  im  Dunkeln  ruhig  fort,  bis  die  hellsten  Teile,  die 
Knochenzeichnungen  ebenfalls  anfangen,  einen  grauen  Schein  zu 
zeigen,  „sieh  zu  belegen".  Wie  dicht  das  Negativ  zu  entwickeln 
ist,  hängt  von  der  Plattensorte,  dem  Entwickler,  dann  aber 
auch  von  der  Helligkeit  der  Dunkelkam merlampe  ab,  welche 
daher  stets  in  gleicher  Lichtstärke  leuchten  und  stets  in  der- 
selben Entfernung  zur  Prüfung  des  Negativs  verwendet  werden 
muß.  Gestaltet  man  alle  diese  Umstände  mit  peinlicher  Sorg- 
falt stets  gleichmäßig,  so  erlangt  das  Auge  sehr  bald  die  zur 
Beurteilung  erforderliche  Empfindlichkeit.  Nur  auf  diesem  Wege 
ist  es  möglich,  stets  gleichmäßig  gute  Negative  zu  erzielen. 
Einige  Bemerkungen  sind  noch  erforderlich  über  die 
Art  und  Weise,  wie  die  Platten  mit  den  Entwicklerflüssig- 
keiten zu  behandeln  sind,  da  hierbei  gemachte  Fehler  das 
Negativ  unrettbar  verderben.  Nachdem  die  Platte  mit  der 
Schichtseite  nach  oben  im  Dunkeln  in  eine  trockene  Schale 
gelegt  ist,  wird  letztere  mit  der  linken  Hand  an  der  dem 
Körper  zunächst  gelegenen  Ecke  ergriffen,  wobei  die  eine 
Langseite  dem  Körper  zugekehrt  ist.  Nunmehr  wird  der 
bereitgestellte  Entwickler  in  einem  gleichmäßigen  Zuge  über 
die  Platte  ausgegossen,  wobei  man  das  Gefäß  mit  der  rechten 
Hand  an  der  linken  unteren  Ecke  beginnend  an  der  Längsseite 
derart  nach  rechts  führt,  daß  das  Ausgießen  beendet  ist,  wenn 
die  rechte  Ecke  erreicht  wird.  Man  muß  dabei  der  Schale  und 
der  Entwicklerflüssigkeit  einen  derartigen  Schwung  geben, 
daß  die  Platte  vollkommen  gleichmäßig  Überflossen  wird. 
Bemerkt  man  trocken  gebliebene  Stellen,  so  müssen  die- 
selben auf  das  schleunigste  ebenfalls  benetzt  werden,  weshalb 
die  Flüssigkeit  genügend  reichlich  zu  wählen  ist.  Nun  muß  die 
Flüssigkeit  fortwährend  langsam  bewegt  werden,  was  durch  ge- 
ringes Hin-  und  Herneigen  der  Schale  in  den  Händen,  auf  einem 


Photographie.  121 

Klotz  oder  auf  dem  Rand  der  darunter  stehenden  Zinkwanne 
erfolgt.  Die  Flüssigkeit  fließt  dabei  am  besten  abwechselnd 
in  beiden  Diagonalen  in  langsamem  Zuge  über  die  Platte. 
Man  vermeidet  so  am  leichtesten  trockene  Stellen,  die  sich 
auch  später  noch  bilden  können,  z.  B.  in  der  Mitte,  wenn 
die  Flüssigkeit  durch  starkes  Neigen  nur  im  Kreise  umhergejagt 
wird.  .  Dieses  Bewegen  hat  zum  Zweck,  den  Entwickler 
dauernd  überall  gleichmäßig  gemischt  zu  halten.  Bleibt  die 
Schale  nämlich  ruhig  stehen,  so  wirkt  der  Entwickler  zuerst 
und  am  stärksten  an  den  am  meisten  vom  Licht  getroffenen 
Stellen.  Da  aber  nur  die  in  unmittelbarer  Berührung  mit 
der  Platte  befindlichen  Schichten  diese  Wirkung  ausüben 
können,  so  erschöpft  sich  hier  die  entwickelnde  Wirkung- 
rasch,  kommt  zum  Stillstand,  und  diese  Teile  bleiben  in  der 
Entwickelung  zurück,  während  an  den  weniger  belichteten 
Stellen  die  Einwirkung  langsam  aber  dauernd  stattfindet. 
Das  Endergebnis  ist,  daß  die  stark  belichteten  Partieen  viel 
zu  schwach  erscheinen  gegenüber  den  minder  belichteten, 
daß  das  ganze  Bild  flau  wird.  Hält  man  den  Entwickler 
aber  dauernd  in  langsamer  Bewegung,  so  findet  eine  fort- 
währende Mischung  statt  und  wenn  auch  naturgemäß  seine  ent- 
wickelnde Kraft  im  Ganzen  allmählich  nachläßt,  so  wirkt  doch 
dauernd  eine  Flüssigkeit,  welche  jederzeit  über  allen  Teilen 
des  Bildes  dieselbe  entwickelnde  Kraft  besitzt.  Das  Negativ 
kann  sich  unter  solchen  Umständen  einzig  gemäß  der  Ein- 
wirkung des  Lichtes  aufbauen  und  die  einzelnen  Teile  er- 
scheinen in  ihren  richtigen  Belichtungs werten. 

Das  richtige  Uebergießen  macht  bei  kleinen  Platten  keine 
Schwierigkeiten,  bei  großen  übt  man  es  am  besten  vorher  im 
Licht  an  verdorbenen  ein.  Will  man  als  Anfänger  ganz  sicher 
gehen,  so  legt  man  die  zu  entwickelnde  Platte  zunächst  auf  ganz 
kurze  Zeit  in  eine  reichlich  Wasser  enthaltende  Schale.  Auf  der 
dann  angefeuchteten  Schicht  fließt  der  Entwickler  gleichmäßig. 

Einseitige  Films  werden  wie  Glasplatten  behandelt. 
Doppelt  begossene  müssen  erst  durch  Wasser  gezogen 
werden,  wobei  alles  Spritzen  zu  vermeiden  ist.  Alsdann 
werden  sie  in  reichlich  genommenen  Entwickler  gelegt  und 
etwa  jede  Minute  umgedreht,  wozu  man  zweckmäßig  eine 
Ecke  nach  oben  umbiegt.  «  Hierbei  ist  jedes  Zerkratzen  der 
beiden  Schichten  zu  vermeiden,  was  große  Sorgfalt  erfordert. 
Auch  in  der  Fixage  und  beim  Wässern  müssen  sie  öfter 
umgedreht  werden. 


122  Photographie. 


Der  Eisenoxalat-Entwickler. 

Die  wirksame  Substanz  ist  die  Doppelverbindung  von 
oxalsaurem  Eisenoxydul  mit  oxalsaurem  Kali  Fe(C204)2K2  -f- 
H20,  welches  seit  1879  nach  Eders  vereinfachter  Vorschrift 
durch  Mischen  zweier  Lösungen  von  Eisenvitriol  und  von 
neutralem  oxalsaurem  Kali  hergestellt  wird.  Alle  in  den 
Lehrbüchern  aufgeführten  Gewichtsangaben  für  die  Lösungen 
sind  entbehrlich.  Man  stellt  sich  in  zwei  Flaschen  zwei  ge- 
sättigte Lösungen  her,  welche  man  dadurch  dauernd  kon- 
zentriert erhält,  daß  am  Boden  immer  ein  Ueberschuß  von 
Salz  vorhanden  ist  und  nach  jedesmaligem  Gebrauch  die  ent- 
nommene Menge  durch  abgekochtes  oder  weiches  Leitungs- 
wasser ersetzt  wird.  Das  Eisenvitriol  soll  nicht  verwittert, 
seine  Lösung  hellgrün  sein.  Sie  wird  mit  einigen  Tropfen 
Schwefelsäure  versetzt  (1  Tropfen  auf  etwa  100  ccm)  und 
am  Licht  aufbewahrt,  wodurch  sie  klar  bleibt.  Das  neutrale 
Oxalsäure  Kali  soll  weder  mit  saurem  Salz  (Kleesalz)  noch 
mit  Chlorkali  verunreinigt  sein.  Da  man  von  letzterer 
Lösung  immer  die  dreifache  Menge  braucht,  tut  man  gut, 
hiervon  eine  Literflasche,  vom  Eisenvitriol  etwa  eine  300  ccm- 
Flasche  anzusetzen.  Gießt  man  beide  Lösungen  zusammen, 
so  erhält  man  Kalium  -  Ferrooxalat,  welches  Salz  sich 
in  überschüssigem  oxalsaurem  Kali  mit  roter  Farbe  löst, 
und  Kaliumsulfat,  welches  der  Entwickelung  nicht  hinderlich 
ist.  Auf  drei  Teile  Oxalatlösung  kommt  1  Teil  Eisenlösung, 
wobei  letztere  in  die  erstere  hineinzugießen  ist,  damit  immer 
der  notwendige  Ueberschuß  von  Oxalat  vorhanden  ist.  Wird 
zuviel  Eisenlösung  genommen,  so  entsteht  ein  gelber  sandiger 
Niederschlag  von  oxalsaurem  Eisenoxydul,  welcher  die  Platten 
verdirbt.  Beim  Ansetzen  des  Entwicklers  tut  man  daher  gut, 
die  abgemessene  Menge  Eisenlösun'g  nicht  gleich  im  Ganzen 
hinzuzufügen,  da  hiermit  die  Grenze  der  Löslichkeit  des  neu 
sich  bildenden  Doppelsalzes  sofort  erreicht,  auch  der  Ent- 
wickler sofort  zu  höchster  Wirkung  gebracht  wird.  Nimmt 
man  zunächst  die  Hälfte  der  zulässigen  Menge  Eisenlösung, 
so  ist  die  entwickelnde  Kraft  schwächer  und  man  kann  die 
Hervorrufung  des  Bildes  in  Ruhe  beurteilen.  Bromkalilösung 
wirkt  schon  in  kleinen  Mengen  stark  verzögernd.  Die 
Mischung  halb  neuer,  halb  gebrauchter  Entwickler  beim  Beginn 
der  Operation  ist  zu  empfehlen.  Normale  Platten  erhalten 
gute  dichte  Deckung  und  ganz  klare  Schatten.    Die  Negative 


Photographie.  123 

werden  schön  schwarz  und  kontrastreich.  Der  Entwickler 
wäre  sonach  durchaus  zu  empfehlen,  doch  geht  die  Ent- 
wickelung  häufig  recht  laugsam  von  statten,  das  Hantieren 
mit  den  sauren  Lösungen  bringt  für  die  Finger  Beschmutzimg 
und  Beschädigung  der  Haut  mit  sich,  auch  besteht  immer 
die  Gefahr,  daß  bei  nicht  ganz  vorsichtigem  Abmessen  der 
Lösungen  sicli  oxalsaures  Eisenoxydul  Fe(C204)  pulverförmig 
ausscheidet  und  das  Negativ  verdirbt. 

Die  organischen  Entwickler 

haben  das  Gemeinsame,  daß  fast  alle  erst  mit  einem 
Zusatz  von  Alkali  (Kali  oder  Natron  in  Laugen-  oder  kohlen- 
saurer Form)  wirken.  Durch  diesen  Zusatz  wird  die  Gela- 
tineschi cht  rasch  erweicht,  die  Lösungen  dringen  leicht  hinein 
und  das  Verfahren  kann  zu  einer  wahren  Rapident  Wickelung 
ausgestaltet  werden.  Da  alle  hierher  gehörigen  Substanzen 
begierig  Sauerstoff  aus  der  Luft  aufnehmen,  hierbei  unwirksam 
werden  und  zu  Farbstoffsohleiern  Veranlassung  geben,  muß 
ihren  Lösungen  Natriuinsulfit  zugesetzt  werden,  welches  noch 
energischer  Sauerstoff  absorbiert  und  sich  hierbei  zu  Sulfat 
oxydiert.  Das  Natriumsulfit  wurde  zuerst  1882  von  Ber- 
keley im  Pyrogallol-Entwickler  eingeführt. 

Im  allgemeinen  werden  zwei  Lösungen  empfohlen,  die 
eine  mit  der  entwickelnden  Substanz  in  etwa  2 — 5  proz. 
Konzentration  und  10  pCt.  Natriumsulfit,  die  andere  das  Alkali 
enthaltend.  Diese  Trennung  geschieht,  weil  die  Lösungen 
in  dieser  Form  haltbarer  sind.  Das  mag  ganz  empfehlens- 
wert sein  für  Amateure,  welche  nur  selten  zum  Entwickeln 
kommen.  Für  Laboratorien  jedoch,  in  welchen  täglich  ge- 
arbeitet wird,  ist  aber  unstreitig  das  Vorrätighalten  nur  einer 
Lösung  vorzuziehen,  falls  dieselbe  genügend  haltbar  ist.  Es 
sollen  daher  hier  hauptsächlich  genaue  Vorschriften  über  einen 
Entwickler  gegeben  werden,  welcher  sich  nach  Prüfung  vieler 
Anweisungen  als  ganz  besonders  einfach,  zuverlässig  und  den 
oben  dargelegten  Anforderungen  an  die  Herstellung  eines 
Röntgennegativs  entsprechend  bewährt  hat. 

Hydro chinon  (Para-Dioxybenzol  C6H4(0H)2)  kann  als 
Universalentwickler  gelten,  da  er  sehr  gut  sowohl  langsamer 
als  rascher  Entwickelung*  angepaßt  werden  kann,  gut  haltbar 
ist  und  ausgezeichnete  Deckung  der  Negative  gibt.  Daß  er 
mit  normaler  Schnelligkeit  nicht  unter  19°  C.  arbeitet,  tut 
seine]-  Verwendbarkeit  keinen  Eintrag,    da    diese  Temperatur 


124  Photographie. 

wohl  stets  im  Röntgenzimmer  vorhanden  ist.  Als  bewährter 
Ansatz  in  zwei  Lösungen  kann  folgende  Vorschrift  empfohlen 
werden: 


A 

B 

Wasser 

1000 

Wasser                     1000 

Natriumsulfit 
Hydro  chinon 

100 
20 

Kohlensaures  Kali     100 

Zum  Gebrauch  werden  2  Teile  A  mit  2  Teilen  B  und 
1  Teil  Wasser  gemischt. 

Abänderungen  dieser  Vorschrift  sind  in  ziemlich  weiten 
Grenzen  ohne  Belang.  Als  Verzögerer  wirkt  Bromkali,  doch 
nicht  sehr  energisch,  und  Eisessig  tropfenweise  hinzugefügt. 
Alter  Entwickler  arbeitet  sehr  klar  und  kontrastreich,  aber 
langsamer  als  frischer. 

Eine  einfachere  Vorschrift  rührt  von  G.  Balagny  (Paris 
1887)  her.  Folgende  Zusammensetzung  hat  sich  durchaus 
bewährt: 

Wasser  1000 

Natriumsulfit  100 

Natriumkarbonat         80 
Hydro  chinon  15 

Letztere  Substanz  wird  nach  Lösung  der  übrigen  hinzuge- 
fügt. Der  Entwickler  ist  alsbald  gebrauchsfertig  und  hält  sich 
monatelang  in  verkorkter  Flasche  brauchbar.  Er  stellt  für 
Röntgenzwecke  die  einfachste  und  brauchbarste  Mischung 
dar.  welche  rasch,  dicht  und  klar  entwickelt,  die  Gelatine 
nicht  angreift,  auch  den  Händen  nicht  besonders  verderb- 
lich ist. 

An  Stelle  von  einfachem  Hydrochinon  kann  Permanent- 
Hydrochinon  genommen  werden,  welches  0,5proz.  lose  ge- 
bundene schweflige  Säure  sowie  etwas  Krystallwasser  enthält 
und  sich  besonders  gut  hält. 

Ferner  kann  das  Adurol  benutzt  werden,  welches  ent- 
weder Mono-Ohlor-  oder  Mono-Bromhydrochinon  ist  und  etwas 
rascher  und  weicher  entwickelt  als  Hydrochinon,  aber  ebenso 
klar  arbeitet  und  ebenfalls  vorzügliche  Deckung  ergibt. 

Metol,  das  schwefelsaure  Salz  des  Monometbyl- 
p-Amiclometakresols,  ist  ein  Entwickler,  welcher  sehr  rapid 
und  kräftig  entwickelt,  daher  aber  weniger  für  überlichtete 
Platten    paßt.      Metol   hat    die    Eigenschaft,    das    Bild    sehr 


Photographie.  125 

rasch  in  allen  Einzelheiten  hervorzurufen,  die  Dichte  muß  daher 
nur  in  der  Durchsicht  sorgsam  kontrolliert,  auch  etwas  stärker 
entwickelt  werden,  da  das  Bild  beim  Fixieren  mehr  zurück- 
geht. Metol  kann  allein  in  zwei  Lösungen  angewendet 
werden,  welche  analog  den  obigen  Vorschriften  für  Hydro - 
chiiion  angesetzt  werden.  Häufig  wird  es  aber  mit  anderen 
organischen  Entwicklern  kombiniert.  So  kann  in  der  vorher 
angegebenen  einfachen  Lösung  von  Balagny  statt  15  g 
Hydrochinon  von  diesem  nur  10  g  und  5  g  Metol  genommen 
werden. 

Rodinal  (Paramidophenol,  Natriumsulfit  und  Aetznatron) 
kommt  als  fertige  Lösung  in  den  Handel  und  braucht  nur 
mit  10 — 15  Teilen  Wasser  verdünnt  zu  werden.  Es  ist 
gegen  Temperaturschwankungen  nicht  besonders  empfindlich, 
verträgt  viel  Bromkalizusatz  (zu  100  ccm  verdünnten  Ent- 
wickler kann  man  bei  normaler  Exposition  2 — 3  ccm  Brom- 
kalilösung 1  :  10  geben)  und  läßt  sich  gut  abstimmen.  Es 
ist  in  dünner  Lösung,  etwa  1  :  50,  namentlich  zur  Hervor- 
rufung von  Brustaufnahmen  zu  empfehlen,  da  es  die  feinen 
Schattenunterschiede  der  Weichteile  zart  herausbringt. 

Glycin,  hervorgegangen  aus  der  Einführung  des  Essig- 
säureesters in  das  Paramidophenol,  ist  ein  langsam  aber 
ohne  jeden  Schleier  arbeitender  Entwicker,  der  zwar  auch 
in  konzentrierten  Lösungen  verwendet  wird,  sich  aber  be- 
besonders  gut  zur  Standentwicklung  (s.  unten)  eignet. 

Mit  den  vorstehend  aufgeführten  Entwicklern  kann  allen 
Anforderungen  der  Röntgenaufnahmen  entsprochen  werden. 
Bei  den  fast  täglich  auftauchenden  neuen  synthetisch  darge- 
stellten Entwicklern  ist  es  aber  nicht  ausgeschlossen,  daß 
noch  Substanzen  entdeckt  werden,  welche  auch  für  die 
Röntgentechnik  von  Wert  sein  können.  Unter  diesen  er- 
scheinen Pyramin,  entstanden  aus  Dimethylamin  und  Pyro- 
gallol,  ferner  Edinol,  das  salzsaure  Salz  des  m-Amido-o-oxy- 
benzylalkohols,  der  Prüfung  wert. 

Unter  den  Methoden  der  Entwickelung  muß  auch  der 
von  Meydenbauer1)  ausgebauten  Standentwickelung  be- 
sonders gedacht  werden.     Das  Verfahren  beruht  auf  der  Be- 


1)  A.  Meydenbauer,  Das  photographische  Aufnehmen  zu 
wissenschaftlichen  Zwecken  insbesondere  das  Meßbildverfahren.  Berlin 
1892.    ünte's  Verla<?sanstalt.    S.  96. 


126  Photographie. 

obachtung,  daß  auch  außerordentlich  verdünnte  Entwickler 
eine  Platte  hervorrufen,  wenn  sie  nur  genügend  lange  ein- 
wirken, und  daß  die  Entwickelung  gleichmäßiger  erfolgt.  Die 
Standentwickelung  eignet  sich  für  jede  Art  von  Platten,  da 
auch  stark  überlichtete  hierdurch  zu  retten  sind.  Werden 
bei  gewöhnlicher  Entwickelung  die  betreffenden  Substanzen 
etwa  in  lproz.  Lösung  angewandt,  so  geschieht  es  hier  nur 
im  Verhältnis  von  1:  500  bis  1000,  und  die  Minuten  beim 
gewöhnlichen  Verfahren  werden  auf  Viertelstunden  aus- 
einandergezogen. Bedingung  hierfür  ist  allerdings,  daß  die 
Platten  in  der  unbewegten  Flüssigkeit  stehen  oder  mindestens 
mit  der  Schicht  nach  unten  schwebend  erhalten  werden, 
da  sonst  Streifen  und  Flecken  darauf  entstehen.  Am  besten 
ist  es,  starke  Holzküvetten  anzuwenden,  deren  innere  Seiten 
mit  Celluloid  belegt  sind.  Diese  Küvetten  müssen  aufrecht 
stellen,  wobei  die  Flüssigkeit  der  oxydierenden  Luft  die  ge- 
ringste Oberfläche  darbietet.  Die  Platten  werden  in  zwingen- 
artige Rahmen  von  Holz  von  oben  eingeschoben  und  gänzlich 
in  die  Flüssigkeit  getaucht.  Vier  bis  sechs  können  gleich- 
zeitig in  demselben  Kasten  entwickelt  werden.  Macht  man 
eine  Reihe  von  Aufnahmen  nach  einander,  so  stellt  man  so- 
gleich die  erste  Platte  in  den  Entwickler,  die  zweite  dahinter 
ü.  s.  f.  Kennt  man  nun  seine  Expositionszeiten  richtig,  so 
hat  man  immer  nur  nötig,  die  vorderste  Platte  zu  beurteilen, 
weil  die  nächsten  in  der  Entwickelung  noch  weiter  zurück 
sein  müssen.  Das  Nachsehen  ist  vor  einer  halben  Stunde 
nicht  erforderlich,  die  Platten  sind  erst  nach  IV4 — 2  Stunden 
fertig  und  müssen  sehr  dicht  entwickelt  werden,  da  sie  in 
der  Fixage  stark  zurückgehen.  In  der  Zwischenzeit  braucht 
man  sich  durchaus  nicht  um  sie  zu  kümmern,  sondern  kann 
andere  Geschäfte  erledigen. 

Als  Ansatz  zur  Glycin-Standeiitwickelung  hat  sich  be- 
währt : 

Wasser  1000 

Natriumsulfit  125 

Natr  i  unikarb  onat     150 

Glycin  40 

Zum  Gebrauch  wird  diese  Lösung  auf  10  Liter  ver- 
dünnt. 

Der  Entwickler  arbeitet  bis  8  Tage  hintereinander,  an- 
fangs rascher,  später  unter  Bräunung  etwas  langsamer. 


Photographie.  127 

In  dem  vorstehend  Angeführten  ist  die  Verwendbarkeit  der 
Methode  gekennzeichnet.  Mit  Vorteil  macht  man  von  ihr  Ge- 
brauch, wenn  viele  Aufnahmen  zu  entwickeln  sind  und  man 
doch  in  der  Nähe  beschäftigt  ist.  Im  Garnisonlazarett  I  Berlin 
ist  sie  ungefähr  ein  Jahr  lang  in  Gebrauch  gewesen,  als  bis 
1500  Aufnahmen  im  Jahr  (bis  30  an  einem  Tage)  zu  be- 
wältigen waren.  Sie  hat  gute  Resultate  gegeben,  doch 
werden  die  Negative  weicher,  die  Schwärzen  nicht  so  packend 
wie  beim  Hrdrochinon.  Offenbar  ist  das  Verfahren  .nicht  so 
gut  am  Platze,  wenn  nur  wenige  Aufnahmen  täglich  vor- 
liegen und  die  Arbeit  in  kurzer  Zeit  erledigt,  werden  soll. 
Dann  ist  es  besser,  bei  der  gewöhnlichen  Entwickelung  zu 
bleiben,  welche  mit  Sicherheit  brillante  Negative  ergibt. 
Freilich  ist  der  Vorzug  nicht  zu  unterschätzen,  daß  das  Ver- 
fahren auch  in  der  Hand  des  Ungeübten  bald  zufrieden- 
stellende Resultate  gibt,  da  es  keinerlei  Anforderungen  be- 
züglich technisch-photographischer  Routine  stellt  und  somit 
eine  erhebliche  Fehlerquelle  ausschaltet.  In  dieser  Ueber- 
legung  empfiehlt  die  Firma  W.  A.  Hirschmann  auch  die 
Hervorruf ung  einzelner  Platten  mittelst  Standentwickelung 
und  bringt  hierzu  einen  Apparat  mit  ganz  schmalen  Küvetten 
in  den  Handel.     Als  Entwickler  wird  empfohlen: 

Wasser  1000 

Natriumsulfit  400 

Kohlensaures  Kali     400 

Glycin  20 

Die  Lösung  wird  verdünnt  mit  6  Liter  Wasser,  worin  die 
Hervorrufimg  in  20 — 30  Minuten  erfolgt.  Die  schnellere 
Wirkung  ist  wohl  auf  Rechnung  der  kräftiger  wirkenden 
Pottasche  zu  setzen.  Mit  einer  ähnlichen  Lösung  hatte  auch 
Albers-Schönberg1)  gute  Erfolge. 

Da  trotz  alledem  von  erfahrenen  Photographen  der  Ent- 
wickelung mit  fortdauernder  Bewegung  der  Flüssigkeit  un- 
streitig der  Vorzug  eingeräumt  wird,  hat  es  nicht  an  Ver- 
suchen gefehlt,  die  Standentwickelung  mit  einer  automati- 
schen Schaukelbewegung  zu  kombinieren.  Einfach  durch  ein 
schweres  Pendel    in    Bewegung    gesetzte  Apparate    sind    un- 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete    der  Pvönt  gen  -Strahlen    1899 
Bd.  III  S.  30. 


128  Photographie. 

brauchbar,  weil  bei  den  in  Betracht  kommenden  Massen  die 
Energie  sich  bald  erschöpft.  Es  sind  daher  von  Gocht1) 
und  Hofmeister2)  mechanische  Schaukelapparate  angegeben, 
welche  entweder  durch  Elektrizität  oder  ein  aufgezogenes 
Gewicht  angetrieben  werden  und  welche  für  größere  Ver- 
hältnisse gewiß  zweckmäßig  sind. 

Theoretisch  interessant  ist  die  Tatsache,  daß  man  ge- 
wisse Entwicklersubstanzen,  namentlich  Brenzkatechin  und 
Ortol,  mit  Fixiernatron  ansetzen  kann  und  so  eine  Lösung 
erhält,  welche  gleichzeitig  entwickelt  und  fixiert.  Da  man 
jedoch  den  Entwicklungsprozeß  nicht  gut  zu  kontrollieren  ver- 
mag, hat  dies  Verfahren  keinen  Eingang  in  die  Praxis  ge- 
funden3). 

Das  Fixieren. 

Nach  kräftigem  Abspülen  der  entwickelten  Negative,  am 
besten  unter  der  Brause  der  Wasserleitung,  werden  sie  in  die 
Lösung  von  unterschwefligsaurem  Natron  gestellt  oder  gelegt. 
Unterläßt  man  das  Abspülen,  so  werden  Reste  des  Ent- 
wicklers mitgeschleppt,  welche  zu  Absetzen  von  Schlamm 
und  Schleierbildung  Veranlassung  geben  und  das  Fixierbad 
rasch  unbrauchbar  machen.  Der  Vorgang  beim  Fixieren  ist 
folgender.  Zunächst  setzt  sich  Bromsilber  mit  Natriumthio- 
sulfat  um  nach  der  Gleichung 

2  AgBr  -f-  Na2S203  =  2  NaBr  +  Ag2S203. 

Bromsilber        Natriumthiosulfat     Bromnatrium         Silberthiosulfat 

Letzteres  löst  sich  in  übers chüssi gern  Fixiernatron  unter 
Bildung  des  leicht  löslichen  unterschwefligsauren  Silberoxyd- 
natron Ag2S203  .  2  Na2S2Os.  Ist  dagegen  nicht  genügend 
Fixiernatron  vorhanden,  so  entsteht  nur  Ag2S203  .  Na2S203, 
welches  sehr  schwer  löslich,  aus  der  Gelatineschicht  nur  un- 
vollkommen zu  entfernen  ist  und  als  zersetzliches  Silber- 
salz hier  später  zur  Bräunung  der  Negative  führt.  Man  muß 
daher  die  Fixierbäder    in    ihrer  Wirkung    nicht    bis    zur  Er- 


1)  Fortschritte    auf   dem  Gebiete    der  R  ö  n  t  g  e  n  -  Strahlen   1901 
Bd.  V.  S.  26. 

2)  Ebendas.  S.  181. 

3)  Vergl.  Eder,  Ausführliches  Handbuch  d.  Photographie.  Bd.  III 
S.  517.    Halle  1903. 


Photographie.  129 

Schöpfimg    ausnutzen,    sondern    lieber    früher    neu    ansetzen. 
Die  Reste  können  auf  Silber  verarbeitet  werden. 

Am  empfehlenswertesten  ist  es,  nicht  die  einfache 
Lösung  des  Fixiernatrons  zu  nehmen,  sondern  dem  Bad 
eine  Säure  zuzusetzen,  welche  die  Wirkung  des  Entwicklers 
rasch  aufhebt,  einem  etwa  durch  Zersetzung  der  organischen 
Entwickler  entstehenden  Gelbschleier  vorbeugt  und  die  durch 
die  Einwirkung  der  Alkalien  gelockerte  und  aufgeweichte  Gela- 
tine etwas  gerbt.  Als  Zusatz  kann  Zitronensäure,  Weinsäure, 
am  einfachsten  Schwefelsäure  dienen.  Man  darf  nicht  soviel 
nehmen,  daß  Schwefel  ausgeschieden  wird,  und  muß  die 
Säure  zuletzt  nach  Lösung  der  anderen  Substanzen  zu- 
setzen.    Eine  gute  Vorschrift  ist: 

Natrium  subsulfurosum  800 

Natriumsulfit  200 

Wasser  5000 

Nach  Lösung  Ac.  sulf.  pur.  36 

Die  unter  dem  Namen  „saure  Sulfitlauge"  für  Zwecke 
der  Bleicherei  in  den  Handel  gebrachte  Flüssigkeit  enthält 
Natrium bi sulfit  und  schweflige  Säure.  Man  kann  zweckmäßig 
ansetzen : 

Natrium  subsulfurosum      250 
Wasser  1000 

Saure  Sulfitlauge        50 — 100 

Das  gewöhnliche  Natriumthiosulfat  krystallisiert  mit 
5  Aequivalenten  Krystallwasser  (Na2S203  -f-  5H20).  Das 
„Fixiersalz"  der  Aktiengesellschaft  für  Anilinfabrikation  ist 
durch  vorsichtiges  Erhitzen  entwässertes  Fixiernatron,  das  fast 
doppelt  so  wirksam  ist. 

Sog.  „saures  Fixiersalz"  ist  ein  Gemisch  von  wasser- 
freiem gepulvertem  Fixiernatron  und  wasserfreiem  Bisulfit 
(z.  B.  Kaliummetabisulfit)  und  gibt  in  etwa  8  Teilen  Wasser 
gelöst  sofort  ein  normales  saures  Fixierbad. 

Auch  gemischte  Alaun-  und  Fixierbäder  sind  empfohlen, 
namentlich  um  das  Kräuseln  und  Ablösen  der  Gelatine- 
schicht zu  verhüten,  bei  guten  Platten  jedoch  entbehrlich. 

Das  Fixieren  wird  beurteilt  nach  dem  Verschwinden  der 
auf  der  Glasseite  sichtbaren,  vom  Bromsilber  herrührenden 
gelben  Farbe.  Ist  dieselbe  nicht  mehr  sichtbar,  so  soll  die 
Platte    noch    einige  Zeit    in    der  Fixierlösimg    liegen  bleiben 

Stechow,  Das  Röntgen-Verfaliren.  Q 


130  Photographie. 

und  dann  gut  gespült  werden.  Hierzu  ist  eine  8 — 10  malige 
Erneuerung  des  Wassers  oder  ein  halbstündiges  Verweilen 
in  fließendem  Wasser  erforderlich.  Am  besten  ist  es,  wenn 
die  Platte  dabei  steht  oder  mit  der  Schichtseite  nach  unten 
hohl  aufliegt,  weil  die  schwere  Lösung  des  Doppelsalzes  als- 
dann am  leichtesten  aus  der  Schicht  abfließen  kann. 

Will  man  die  Platten  besonders  härten,  so  kann  man  nun- 
mehr noch  ein  Bad  in  Alaunlösung  oder  Formaldehyd  anwen- 
den. Die  Gelatine  wird  aber  besonders  bei  Anwendung  des  letz- 
teren leicht  so  hart,  daß  sie  keine  weitere  Bearbeitung  annimmt. 

Es  ist  durchaus  empfehlenswert,  die  Rückseite  der  Platte 
schon  jetzt  durch  Bearbeiten  mit  einer  scharfen  Bürste 
möglichst  zu  reinigen.  Alle  dort  befindlichen  Auflagerungen 
sind  jetzt  erweicht  und  leicht  zu  entfernen.  Unterläßt  man 
dies,  so  ist  die  oft  wichtige  sofortige  Beurteilung  der  Platte 
erschwert  und  die  Arbeit  bei  der  späteren  Reinigung  der 
Rückseite  unnötig  vermehrt. 

Die  Platte  ist  ferner  zum  Schluß  auf  beiden  Seiten  noch 
gehörig  abzubrausen,  wobei  man  von  der  Mitte  ausgeht  und 
alle  Unreinigkeiten  nach  den  Rändern  treiben  läßt,  wo  sie 
dann  leicht  abfließen.  In  Ermangelung  eines  kräftigen  Wasser- 
strahls (Brause)  kann  man  die  Platte  auch  mit  dem  nassen 
Daumenballen  abwischen,  muß  aber  dabei  sehr  zart  verfahren. 

Die  vollkommen  saubere  Platte  muß  nun  zum  Trocknen 
aufgestellt  werden,  wozu  die  bekannten  Plattenböcke  dienen. 
Das  Trocknen  muß  bei  gleichbleibenden  Verhältnissen  ge- 
schehen. Jede  Aenderung  der  Temperatur  bedingt  ein 
'  schnelleres  oder  langsameres  Verdunsten  des  Wassers  und 
damit  eine  andere  Intensität  der  Schwärzung.  Rasch 
trocknende  Bilder  erhalten  einen  dunkleren  Farbenton.  Ist 
das  Negativ  also  teils  langsam,  teils  rasch  getrocknet,  so 
ergeben  sich  Differenzen,  welche  auch  durch  nachheriges 
Einweichen  in  Wasser  nicht  wieder  zu  beseitigen  sind.  Aus 
dem  gleichen  Grunde  ist  es  ängstlich  zu  vermeiden,  ein 
trockenes  Negativ  teilweise  naß  zu  machen,  was  z.  B.  schon 
bei  unvorsichtigem  Sprechen  geschehen  kann. 

Das  Trocknen  kann  beschleunigt  werden,  wenn  man  der 
nassen  Platte  vorerst  durch  ein  Bad  mit  Alkohol  Wasser  entzieht. 

Nach  dem  Trocknen  muß  die  Glasseite  des  Negativs 
noch  vollkommen  sauber  gemacht  werden.  Dies  geschieht 
durch  Abputzen  mit  einem  nassen  Lappen,  wobei  sorgfältig 
die  Schichtseite  vor  Befeuchtung  zu  schützen  ist,    Am  besten 


Photographie.  131 

bringt  man  sich  auf  dem  Tische  in  bequemer  Lage  einen  kleinen 
rechten  Winkel  von  etwa  2  mm  dicken  Holzleisten  fest  an, 
gegen  welchen  man  die  auf  Fließpapier  gelagerte  Platte  sicher 
anlegen  kann.  Mit  einem  feuchten  Wattebausch  wird  nun 
die  Glasseite  abgerieben,  die  Reste  von  Unreinigkeiten  auf- 
geweicht und  entfernt  und  zum  Schluß  die  Platte  mit  einem 
Leinentuch  trocken  und  spiegelblank  gerieben. 

Das  fertige  Negativ  kann  nun  entweder  überall  Licht 
und  Schatten  in  richtiger  Verteilung  zeigen  oder  aber  ent- 
weder zu  dünn  oder  zu  dicht  sein.  Gegen  beide  Fehler  sind  Ab- 
hilfen durch  Verstärken  oder  Abschwächen  möglich.  Diese 
Verfahren  sollten  beide  aber  immer  erst  angewendet  werden, 
wenn  die  Platte  vollkommen  trocken  und  auf  der  Rückseite 
poliert  ist.  Im  nassen  und  nicht  vollkommen  gesäuberten 
Zustand  kann  man  nämlich  weder  den  ganzen  Charakter 
des  Negativs  sicher  beurteilen  noch  auch  namentlich  bei 
Röntgenplatten  über  feinere  Abweichungen  vom  Normalen  zu 
voller  Gewißheit  kommen.  Hierzu  kommt  die  Tatsache,  daß 
die  erneut  anzuwendenden  Lösungen  in  die  aufgecpiollene 
wasserhaltige  Gelatine  nur  schwer  eindringen,  die  Operationen 
daher  schleppend  und  ungleichmäßig  verlaufen.  Viel  besser 
kann  man  sich  über  das  Maß  der  notwendigen  Verstärkung 
oder  Abschwächung  klar  werden,  und  viel  sicherer  vermag 
man  diese  durchzuführen,  wenn  man  hiermit  erst  an  die  voll- 
kommen fertigen  und  sauberen  Negative  herangeht. 

Für  beide  Operationen  sind  eine  ganze  Reihe  verschiedener 
Verfahren  angegeben.  Es  genügt  jedoch  vollkommen,  nur  je 
eines  zu  beherrschen,  welches  leicht  und  sicher  anzuwenden  ist. 

Verstärken  der  Negative. 

Ist  die  Platte  beim  Entwickeln  zu  dünn  ausgefallen,  be- 
sitzt sie  im  allgemeinen  zu  wenig  Deckung  oder  nicht  genügend 
starke  Kontraste  zwischen  Licht  und  Schatten,  so  kann  die 
bildgebende  Schicht  verstärkt  werden  durch  Anlagerung  anderer 
Metalle  an  das  gefällte  Silberkorn.  Am  meisten  gebräuchlich 
ist  die  Behandlung  mit  Quecksilberchlorid  oder  -bromid,  wo- 
durch eine  Doppelverbindung  mit  Silber,  vielleicht  von  der 
Formel  Ag  Hg  Cl2,  entsteht  und  das  Bild  grau  bis  weiss  wird. 
Durch  Baden  in  Ammoniak  (etwa  1  :  5  Wasser),  in  Natrium- 
sulfit (etwa  1:6  —  8  Wasser)  oder  beliebigem  alten  Ent- 
wickler   wird    das  Doppelsalz  reduziert  zu   dunkel  gefärbten 


132  Photographie. 

Verbindungen  von  noch  nicht  sicher  feststehender  Zusammen- 
setzung. 

Man  nimmt: 

Quecksilberchlorid      .     .     10       oder  Quecksilberchlorid       2 
Wasser    .     .     .     .     .     .  100  Bromkalium     .     .       2 

Wasser   ....  100 

und  behandelt  hiermit  das  trockene  Negativ  wie  beim  Ent- 
wickeln. Soll  nur  geringe  Verstärkung  erzielt  werden,  so 
spült  man  nach  Erreichung  des  grauen  Tones  gründlich  ab 
und  übergießt  mit  •  einer  der  oben  genannten  Flüssigkeiten. 
Nach  vollkommener  Schwärzung,  die  sehr  rasch  erfolgt,  wird 
wieder  abgespült  und  getrocknet.  Am  bequemsten  vollzieht 
sich  dies  mit  Ammoniaklösung,  deren  Ueberschuss  einfach 
verdunstet. 

Beim  Zurückgießen  der  Sublimatlösung  ist  in  den 
Trichter  etwas  entfettete  Watte  zu  legen,  um  Unreinigkeiten 
zu  entfernen. 

Nur  Negative,  welche  in  den  Schatten  völlig  klar  sind, 
können  ohne  weiteres  verstärkt  werden.  Findet  sich  darin 
aber  ein  verbreiteter  Schleier,  so  muss  dieser  vorher  durch 
Abschwächen  entfernt  werden. 

Abschwächen  der  Negative. 

Das  metallisch  gefällte  Silber  hat  die  Eigenschaft,  durch 
viele  sauerstoffreiche  Metallsalze  in  lösliche  Verbindungen 
übergeführt  zu  werden.  Das  Abschwächen  muß  mit  großer 
Vorsicht  durchgeführt  und  vor  dem  Erreichen  des  gewünschten 
Grades  der  Aufhellung  abgebrochen  werden,  weil  die  in  der 
Schicht  steckende  Substanz  nicht  sofort  zu  entfernen  ist 
sondern  bis  zur  Erschöpfung  weiter  arbeitet.  Ist  aber  einmal 
Silber  aus  dem  Bild  an  einer  dünnen  Stelle  vollkommen 
herausgelöst,    so  ist  es  auf  keine  Weise  wieder  zu  ersetzen. 

Vor  dem  Abschwächen  muß  man  sich  darüber  klar 
werden,  ob  stark  oder  mäßig  aufgehellt  werden  soll,  ob  nur 
ein  geringer  allgemeiner  Schleier  fortzunehmen  oder  ob  be- 
sonders die  dichten  Stellen  geklärt  werden  sollen.  Die  meisten 
Abschwächer  wirken  derart,  daß  sie  überall  gleiche  Mengen 
Silber  entfernen.  Ist  an  einer  Stelle  beispielsweise  eine 
Deckung  gleich  3  vorhanden,  an  einer  andern  gleich  6,  so 
ist  dies  ein  Verhältnis  wie  1  zu  2.    Wird  durch  gleichmäßige 


Photographie.  133 

Abschwächimg  an  jeder  Stelle  derselbe  Anteil  von  etwa  2 
hinweg  genommen,  so  resultiert  ein  Verhältnis  von  1  zu  4. 
Die  Kontrastwirkung    ist    also    auf    das  Doppelte  gesteigert. 

Am  einfachsten  ist  das  Verfahren  mit  rotem  Blutlaugen- 
salz und  Fixiernatron  (Farmer  1883),  wobei  Ferrocyansilber 
entsteht,  welches  sich  in  Fixiernatron  löst.  Um  den  Prozeß 
gut  in  der  Hand  zu  haben,  ist  es  am  bequemsten  folgender- 
maßen vorzugehen.  In  eine  weiße  Porzellanschale  gibt  man 
eine  genügende  Menge  Fixiernatronlösung  von  beliebiger 
Stärke  (etwa  1  :  5  bis  8).  Hierzu  tropft  man  von  einer  be- 
liebigen Lösung  von  rotem  Blutlaugensalz,  welche  sich  jahre- 
lang hält,  soviel  hinzu,  daß  eine  Flüssigkeit  von  hellem 
Zitronengelb  entsteht.  Hierin  bewegt  man  das  Negativ  wie 
beim  Entwickeln  und  kann  die  Klärung  bequem  verfolgen. 
Die  gelbe  Farbe  verschwindet  nach  einiger  Zeit,  womit  die 
Wirkung  aufhört.  Durch  rechtzeitiges  Zusetzen  einiger  Tropfen 
der  Eisenlösimg  kann  man  die  Abschwächung  beliebig  lange 
fortführen,  muß  jedoch  aufhören,  bevor  die  gewünschte  Wir- 
kung erreicht  ist.  Nachher  muß  wieder  ordentlich  gewässert 
und  getrocknet  werden. 

Aehnlich  wie  dieser  einfache  und  leicht  zu  handhabende 
Abschwächer  arbeiten  noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Sub- 
stanzen. Alle  greifen  gleichmäßig  das  Bild  an,  hellen  daher 
zuerst  die  dünnen  Stellen  auf  und  vermehren   die  Kontraste. 

Eine  höchst  merkwürdige  Wirkung  besitzt  das  Ammo- 
niumpersulfat wie  Gebr.  Lumiere  und  Seyewetz  zuerst 
1898  mitteilten.  Es  wirkt  vorzugsweise  auf  die  undurch- 
sichtigen Stellen,  während  die  zarteren  Niederschläge  erst 
spät  angegriffen  werden.  Hierdurch  ist  ein  sehr  wertvolles 
Hilfsmittel  gewonnen  für  Negative,  welche  gleichzeitig  zu 
kurz  exponiert  und  zu  kräftig  entwickelt  sind.  Mit  keiner 
andern  Methode  konnten  solche  Negative  früher  verbessert 
werden.  Wenn  das  Verfahren  auch  besonders  wertvoll  für 
die  gewöhnliche  Photographie  ist,  so  kann  die  Kenntnis  hier- 
von wohl  auch  einmal  für  Röntgennegative  wichtig  sein.  Das 
Salz  wird  in  3 — 5proz.  Lösung  benutzt,  die  Einwirkung 
vor  Erreichung  der  gewünschten  Wirkung  abgebrochen  und 
das  Negativ  in  Natriumsulfit  (1  :  10)  gebadet,  wodurch  das 
Persulfat  zerstört  wird.  Ammoniumpersulfat  hat  die  Formel 
S2  08  (NH4)2 ;  über  die  Art  der  chemischen  Umsetzungen  ist 
noch  nichts  Sicheres  bekannt. 


134  Photographie. 

Lackieren  der  Negative. 

Um  die  Gelatineschicht  vor  Beschädigungen,  namentlich 
auch  vor  dem  Eindringen  von  Feuchtigkeit  zu  schützen,  ist  es 
gebräuchlich,  die  Schicht  mit  irgend  einem  Lack  zu  über- 
ziehen, welcher  im  allgemeinen  durch  Auflösen  von  Harzen  in 
Alkohol  erhalten  und  warm  oder  kalt  aufgetragen  wird.  Der 
neuerdings  beliebte  Zaponlack,  bestehend  aus  einer  Auflösung 
von  Celluloid  in  Aceton  und  Amylacetat,  ergibt  eine  be- 
sonders harte,  gleichmäßig  blanke  Schicht,  kann  aber  nur 
schwierig  wieder  entfernt  werden. 

Für  Röntgenbilder  ist  zu  beachten,  daß  die  stets  un- 
scharfen zarten  Konturen  durch  jede  Art  Lack  noch  mehr 
verwischt  werden  und  daß  sehr  feine  Abweichungen  ganz 
verschwinden  können.  Es  ist  d alier  zu  empfehlen,  hier  ganz 
vom  Lackieren  abzusehen. 

Das  Retouchieren  der  Negative 

ist  bei  gewöhnlichen  Photographieen,  namentlich  Porträts, 
sehr  gebräuchlich.  Bei  Röntgenbildern  als  wissenschaftlichen 
Dokumenten  ist  jede  „Verschönerung"  des  eigentlichen  Bildes 
unstatthaft,  indessen  ist  nichts  dagegen  einzuwenden,  offen- 
bare Fehler  der  Schicht  zu  verbessern.  Hierher  gehören 
namentlich  die  so  häufigen  hellen  Pünktchen  in  dunkeln 
Stellen,  welche  durch  während  der  Aufnahme  heraufgefallenen 
Staub,  mechanische  A7eiietzungen  durch  Fingernägel,  den 
Wasserstrahl  oder  dgl.,  endlich  durch  Fehler  beim  Präparieren 
der  Emulsion  bedingt  sind.  Sie  müssen  mit  weichem  Blei- 
stift oder  mit  Farben  (Karmin,  Schwarz,  Zinnober)  gedeckt 
werden,  welche  mit  spitzem  Pinsel  ohne  Ueberschreitung  der 
Konturen  aufgetragen  werden.  Die  Farben  verreibt  man  auf 
einer  alten  von  der  Gelatine  befreiten  Glasplatte.  Statt  des 
dem  Photographen  unentbehrlichen  Retouchierpultes  mit  Matt- 
scheibe genügt  wohl  in  allen  Fällen  im  Röntgenzimmer  ein 
Schräglegen  der  Platte  gegen  das  Licht  und  eine  weiße 
Unterlage. 

Das  Aufbewahren  der  Negative. 

Jedes  Negativ  muß  sofort  signiert  werden  mit  einer 
der  geführten  Liste  entsprechenden  Nummer,  vielleicht  noch 
mit  dem  Tag  der  Aufnahme  oder  anderen  Angaben,  auf  welche 
es  gerade  ankommt.  Die  betreffende  Notiz  kann  in  einer 
Ecke    aufgeklebt    werden.     Einfacher  ist  es    und  namentlich 


Photographie.  135 

für  Röntgenaufnahmen  in  Militärlazaretten  wegen  der  leichter 
möglichen  Verwechselung  besonders  zu  empfehlen,  jede  Platte 
ungesäumt  nach  der  Fertigstellung  auf  der  Schichtseite  mittels 
Tinte  oder  recht  dick  schreibendem  Bleistift  mit  Datum, 
Namen  und  Truppenteil  des  Mannes  sowie  der  Nummer  der 
geführten  Liste  (falls  nicht  etwa  Nummern  aus  Metall  mit- 
photographiert  sind)  zu  versehen.  Nicht  zu  vergessen  ist 
dabei  die  Jahreszahl,  welche  von  größter  Wichtigkeit  ist, 
wenn  später  einmal  gelegentlich  Zusammenstellungen  gemacht 
werden  sollen,  welche  sich  über  mehrere  Jahre  erstrecken. 
Die  Schriftzüge  haften  sicher  auf  der  Gelatine,  stören  in  der 
einen  Ecke  nicht  bei  Anfertigung  von  Abzügen  und  erleichtern, 
wenn  deutlich  und  kräftig  ausgeführt,  das  Einordnen  und 
spätere  Wiederauffinden  der  Platten. 

Zum  Schutz  der  Gelatine  wird  vielfach  das  Einschlagen 
in  halb  durchsichtige  Papiertaschen  empfohlen.  Dies  Ver- 
fahren ist  ganz  angebracht  bei  geringer  Tätigkeit  des 
Röntgenk abinettes.  Für  größeren  Betrieb  ist  es  zu  teuer 
und  umständlich.  Es  ist  vollkommen  ausreichend,  die  Nega- 
tive nach  der  Nummer  geordnet  in  dieselben  Plattehkästen 
zu  legen,  in  welchen  man  sie  bezogen  hat.  Zwischen  je 
zwei  Platten  kommt  ein  etwas  kleineres  Stück  säurefreies 
Papier,  etwa  glatt  satiniertes  schwarzes  Plattenpapier.  Ge- 
wöhnt man  sich  noch,  die  Inschrift  immer  auf  dieselbe  Ecke 
zu  setzen,  z.  B.  links  oder  rechts  oben,  so  können  die 
Platten  sehr  leicht  überblickt  und  wieder  aufgefunden  werden. 
Legt  man  immer  zwei  Platten  mit  der  Glasseite  zusammen 
und  nur  zwischen  die  Schichtseiten  Papier,  so  spart  man 
etwas  an  letzterem  und  an  Raum  in  dem  Pappkasten,  doch 
wird  die  Uebersicht  erschwert.  Um  die  Gelatine  vor  jeder 
Verletzung  zu  bewahren,  werden  die  Kästen  mit  den  Negativen 
stehend  aufbewahrt. 


Positivverfaliren. 

Ist  das  Negativ  glücklich  vollendet,  so  ist  für  das 
Röntgenverfahren  in  den  meisten  Fällen  der  Prozess  beendet, 
da  das  Negativ  alles,  was  mit  diesem  Verfahren  erreichbar 
ist,  in  größter  Feinheit  ze'igt.  Für  Ungeübte  besteht  vielleicht 
anfangs  einige  Schwierigkeit,  sich  in  diesen  „umgekehrten 
Bildern"  zurechtzufinden;  sind  dieselben  jedoch  tadellos  aus- 


136  Photographie. 

geführt,  so  lernt  man  schnell  mit  größter  Sicherheit  hierin  zu 
lesen.  Jedenfalls  darf  man  sich  in  schwierigen  Fällen  nur 
nach  dem  Befund  im  Negativ  richten. 

Müssen  jedoch  Kopieen  nach  den  Negativen  angefertigt 
werden,  so  stehen  hierfür  eine  Anzahl  verschiedener  Ver- 
fahren zur  Verfügung,  von  denen  ausschließlich  die  in  der 
Reduktion  von  Silbersalzen  auf  Papier  beruhenden  in  Betracht 
kommen.  Sie  lassen  sich  einteilen  je  nach  der  Art  des  ver- 
wendeten Silbersalzes  in  direkt  kopierende  (Auskopier-) 
Verfahren  und  Entwickelungsverfahren. 

Bei  der  ersten  Art  wird  Chlorsilber  verwendet,  welches 
im  Licht  durch  das  Negativ  hindurch  sich  direkt  schwärzt, 
daher  den  Fortgang  des  Prozesses  dauernd  und  sicher  zu 
kontrollieren  gestattet.  Bei  der  zweiten  Art  wird  in  einer  auf 
Papier  aufgetragenen  Broms  über  Schicht  durch  Exponieren 
unter  dem  Negativ  an  gedämpftem  Tages-  oder  Kerzenlicht 
ein  unsichtbarer  Lichteindruck  erzeugt  und  das  Bild  ebenso 
wie  im  Negativprozeß  entwickelt.  In  beiden  Fällen  wird  das 
nicht  verbrauchte  Silbersalz  durch  Fixieren  in  dem  gewöhn- 
lichen 'Fixiernatron  entfernt. 

Bei  dem  Auskopierverfahren  verwendet  man  feste,  gut 
geleimte  Papiersorten,  auf  deren  Oberfläche  die  empfindliche 
Schicht  entweder  direkt  erzeugt  oder  eine  Silbersalze  ent- 
haltende Schicht  aufgebracht  wird.  In  früheren  Zeiten  wurde 
Papier  von  glatt  satinierter  Oberfläche  (von  Rives  oder 
Steinbach)  oder  Albuminpapier  mit  Chlornatrium  getränkt 
(gesalzen)  und  alsdann  auf  Silbernitratlösung  schwimmen  ge- 
lassen. Es  entsteht  Chlorsilber,  daneben  enthält  das  Papier 
aber  auch  überschüssiges  Silbernitrat  bezw.  Albuminat, 
welches  zwar  nicht  die  Empfindlichkeit,  wohl  aber  den  Um- 
fang der  Zersetzung,  die  Tiefe  der  Schwärzung  erhöht. 

Diese  Papiere  müssen  in  kurzen  Zeiträumen  frisch  be- 
reitet werden  und  kommen  daher,  obwohl  sie  gute  Bilder 
liefern,  für  das  Röntgen- Verfahren  nicht  in  Betracht. 

Wird  Chlorsilber  mit  überschüssigem  Silbernitrat  oder 
ähnlichen  Silbersalzen  in  Gelatine  emulgiert  und  auf  Papier 
übertragen,  so  entsteht  sog.  Aristopapier,  welches  noch 
durch  Einwirkung  von  etwas  Formalm  gehärtet  werden  kann 
(Gelatoidpapier). 

Eine  Emulsion  von  Chlorsilber  mit  andern  Silberoxyd- 
salzen in  Kollodium  liefert  das  gegenwärtig  am  meisten  an- 
gewendete Celloiclinpapier,    bei   welchem  die  empfindliche 


Photographie.  137 

Schicht  noch  auf  einer  Lage  von  Gelatine  und  Baryumsulfat 
ruht.  Durch  diese  Vorpräparation  werden  die  Poren  des 
Papiers  verschlossen  und  die  Oberfläche  vollkommen  eben. 

Das  Kopieren  erfolgt  bei  zerstreutem  Tageslicht,  wenn 
möglich  nach  Norden,  in  Kopierrahmen,  in  welchen  das  Papier 
fest  gegen  die  Schichtseite  des  Negativs  gedrückt  wird.  Von 
Zeit  zu  Zeit  muß  die  eine  Hälfte  des  Rahmens  hochgeklappt, 
das  Fortschreiten  der  Bräunung  bei  gedämpfter  Zimmerbe- 
leuchtimg kontrolliert  und  abgebrochen  werden,  wenn  das 
Bild  etwas  „überkopiert"  ist.  Letzteres  ist  notwendig,  weil 
es  beim  Fixieren  sehr  zurückgeht.  Das  Erkennen  dieses 
Zeitpunktes  läßt  sich  bald  erlernen. 

Die  fertigen  Kopieen  können  gegen  Licht  geschützt  bis 
zum  nächsten  Tage  aufgesammelt  und  gemeinsam  weiter  be- 
handelt werden.  Hierdurch  erhält  man  gleichmäßigere  Re- 
sultate als  wenn  jedes  einzeln  erledigt  wird.  Aus  den 
Kopieen  muß  vor  allen  Dingen  das  nicht  verbrauchte  Silber- 
salz entfernt  werden.  Das  geschieht  durch  Fixiernatronlösung 
von  derselben  Zusammensetzung  wie  beim  Negativverfahren. 
Die  Lösung  muß  womöglich  frisch  angesetzt  sein,  da.  die 
Papierbilder  in  ihren  Weißen  sehr  empfindlich  sind.  Allein 
angewendet  würde  aber  das  Fixiernatron  dem  eigentlichen 
Bilde  eine  unangenehm  fuchsige  Farbe  geben.  Man  geht 
daher  so  vor,  daß  man  das  Silberbild  durch  Baden  in  einer 
Goldsalzlösung  mehr  oder  weniger  vollständig  durch  Gold 
ersetzt.  Es  entstellt  eine  angenehm  schwärzliche  oder  blau- 
violette Tönung,  und  das  Bild  ist  zugleich  im  Licht  halt- 
barer geworden  (Fizeau  1840). 

Die  fertig,  d.  h.  überkopierten  Bilder  werden  zunächst 
in  gewöhnlichem  Wasser  gewaschen,  bis  das  Wasser  nicht 
mehr  von  ausgeschiedenem  Chlorsilber  getrübt  wird.  Die  Wasch- 
wässer können  gesammelt  und  auf  Silber  verarbeitet  werden. 
Alsdann  kommen  sie  in  ein  Goldbad  zum  „Tonen",  wofür 
unzählige  Vorschriften  existieren.  Alle  diese  Bäder  bestehen 
aus  dünnen  Lösungen  von  Goldchlorid  (AuCl3)  oder  Kalium - 
bezw.  Natriumgoldchlorid  (AuC3KCl  -f  H20  bezw.  AuCl3NaCl 
-)-  2  H20),  welche  sauer,  neutral  oder  alkalisch  unter  Hinzu- 
fügung verschiedener  Substanzen  angesetzt  werden  und  ver- 
schiedene Farbentöne  liefern.  Meist  wird  von  den  Fabri- 
kanten den  Papieren  eine  Anweisung  zum  Ansetzen  eines 
Goldbades  beigegeben.  Ein  bewährtes  Goldbad  ist  nach 
van  Bosch: 


138  Photographie. 

Lösung  A  Lösung  B 

Wasser  1000           Wasser              500 

Doppelt  geschmolzenes  Rhodankalium     10 

essigsaures  Natron  50 

Lösung  G     Chlorgold  1  :  100. 
Man  mischt  500  A  +  120  B  +  25  bis  30  C. 

Das  Bad  ist  erst  nach  zwei  Stunden  brauchbar. 

Beim  Tonen  muß  man  durchaus  das  Bild  in  der  Durch- 
sicht beurteilen.! 

Nach  dem  Tonen  kommen  die  Bilder  in  das  Fixierbad, 
werden  hierin  etwa  15  Minuten  bewegt,  dann  eine  halbe 
Stunde  in  fließendem  Wasser  ausgewaschen  und  an  Klammern 
zum  Trocknen  aufgehängt,  wobei  an  die  nach  unten  ge- 
richtete Ecke  von  der  Rückseite  her  ein  etwa  zwei  Finger 
breiter  Streifen  Fließpapier  angedrückt  wird,  um  das  gleich- 
mäßige Absaugen  und  Verdunsten  des  Wassers  zu  befördern. 

Diese  getrennte  Vornahme  von  Tonen  und  Fixieren  ist 
zwar  etwas  umständlich,  gibt  aber  die  besten  Resultate. 

Einfacher  und  für  die  meisten  Zwecke  bei  sorgsamer 
Handhabung  genügend  ist  die  Behandlung  der  fertigen  Ko- 
pieen  im  Tonfixierbad,  wobei  beide  Prozesse  neben- 
einander ablaufen.  Auch  hierfür  werden  meist  Vorschriften 
den  Papieren  mitgegeben,  welche  am  besten  genau  zu  be- 
folgen sind.     Bewährt  hat  sich  folgende  Vorschrift: 


Natron  subsulfurosum 

2500 

Rhodanammonium 

-275 

Alum.  pulverat. 

75 

Ac.  citricum 

75 

Plumb.  acet. 

200 

„        nitr. 

200 

Aur.  chlorat.  (Lösung  1  : 

:  100) 

375 

Wasser 

10  Liter 

Die  Umwandlung  des  Farbentones  geht  hierin  in  etwa 
10  Minuten  vor  sich,  nachher  ist  gründliches  Auswaschen 
erforderlich. 

Die  trocknen  Bilder  befinden  sich  nun  auf  einer  so 
dünnen  Papierschicht,  daß  sie  ohne  weiteres  nicht  gebraucht 


Photographie.  139* 

werden  können.     Sie  müssen  noch  rechtwinklig  zu  rechtge- 
schnitten, auf  Karton  geklebt  und  satiniert  werden. 

Das  Beschneiden  geschieht  nach  einer  Glasschablone  mit 
einem  Buchbindermesser  auf  einem  etwa  5  cm  dicken  Brett 
von  Pappelholz,  das  von  Zeit  zu  Zeit  abzuhobeln  ist.  Bei 
größerem  Betrieb  ist  eine  Maschine  mit  langem  Schneide- 
messer, einer  Vorrichtung  zum  Festklemmen  des  abzu- 
schneidenden Papiers  und  Zentimetereinteilung  des  Grund- 
brettes  unentbehrlich.     Dieselbe  dient    gleichzeitig  zum  Her- 


i-j 


richten  der  Kartons  aus  größeren  Bogen : 

Zum  Aufkleben  werden  die  fertig  geschnittenen  Bilder 
in  reinem  Wasser  geweicht,  auf  einer  sauberen  Glasplatte 
mit  der  Bildseite  nach  unten  beliebig  übereinander  gelegt, 
das  Wasser  abgedrückt  und  durch  aufgelegtes  Fließpapier 
abgesaugt.  Nunmehr  wird  die  noch  feuchte  Rückseite  mit 
Kleister  bestrichen,  wobei  besonders  auf  die  Ränder  gut  zu 
achten  ist,  eine  Ecke  mit  dem  Messer  hochgehoben  und  das 
Bild  an  zwei  diagonal  gegenüber  liegenden  Ecken  mit 
Daumen  und  Zeigefingern  so  erlaßt,  daß  die  äußersten 
Kanten  nicht  berührt  werden.  Das  Auflegen  erfolgt  langsam 
und  gleichmäßig  von  der  anderen  Diagonale  aus.  Etwa 
hineingelangte  Luftblasen  sind  unter  Auflegen  von  Fließ- 
papier sorgsam  herauszustreichen,  wobei  starkes  Anreiben 
garnicht  nötig  ist.  Der  eintrocknende  Kleister  zieht  das 
Bild  genügend  fest  an  die  Unterlage  heran.  Nunmehr  folgt 
das  Trocknen,  das  unter  leichtem  Druck  und  Dazwischen- 
legen von  Fließpapier  geschieht,  damit  der  Karton  im  ganzen 
Feuchtigkeit  aufnimmt  und  sich  gleichmäßig  dehnt.  Diese 
ganze  Hantierung  erfordert  ein  durchaus  sauberes  Arbeiten, 
damit  nicht  als  Endprodukt  aller  Mühen  ein  verschmutztes 
Bild  herauskommt.  Am  besten  übt  man  die  Handgriffe  unter 
Anleitung  eines  gelernten  Photographen  ein.  Erst  wenn  der 
Leiter  sie  selbst  beherrscht,  kann  er  sich  sein  Unterpersonal 
ausbilden  und  sie  diesem  überlassen. 

Nach  dem  Trocknen  werden  am  besten  auf  der  Maschine 
die  Ränder  des  Kartons  zurechtgeschnitten,  wobei  je  nach 
Geschmack  und  dem  Zweck,  welchem  das  Bild  dienen  soll, 
ein  gleichmäßig  breiter  Streifen  als  Rahmen  stehen  bleibt. 

Mit  diesen  Prozeduren  ist  die  Herstellung  des  Positivs  aber 


1)  Empfehlenswert  ist   die  Marke  „Cyldop"  von  Guido  Schneider 
&  Cie.,  Rochlitz  i.  Sachsen. 


140  Photographie. 

noch  nicht  abgeschlossen,  sondern  es  muß  ihm  noch  durch 
starkes  Pressen,  Satinieren,  die  letzte  Vollendimg  gegeben 
werden.  Dies  ist  nicht  etwa  eine  überflüssige  nur  auf  das 
Aussehen  berechnete  Eleganz,  sondern  gerade  für  Röntgen- 
bilder von  besonderer  Wichtigkeit.  Zeigt  auch  das  Negativ 
alle  Feinheiten  in  höchster  Deutlichkeit,  so  gehen  sie  doch 
schon  in  der  Uebertragung  auf  das  Papier  teilweise  verloren. 
Das  einfach  aufgeklebte  Papier  zeigt  bei  genauem  Hinsehen 
ein  durchaus  unebenes,  feinkörniges  Ansehen,  in  welchem 
kleine  Fremdkörper,  wie  z.  B.  Stahlsplitter,  feine  Einbrüche 
der  Knochen  oder  dergl.  völlig  verschwinden  können.  Durch 
Glätten  des  Bildes,  Nivellieren  der  Oberfläche  mittelst  starken 
Druckes  kommen  solche  Feinheiten  wieder  zum  Vorschein.  Will 
man  also  nicht  freiwillig  auf  ein  sehr  wirksames  Hilfsmittel  der 
Deutlichkeit  verzichten,  so  muß  man  als  unbedingt  zum  Ver- 
fahren gehörig  auch  die  schließliche  Satinage  der  Bilder  ver- 
langen. Wohl  in  jeder  Stadt  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  die 
Bilder  in  eine  Satinieranstalt  zu  schicken.  Für  größere  Röntgen- 
kabinette,  also  alle  am  Sitze  eines  Generalkommandos,  ist  es 
aber  empfehlenswert  grundsätzlich  eine  Satiniermaschine  zu 
beschaffen,  welche  in  der  Größe  für  Bilder  von  40  X  50  cm, 
also  mit  einer  Walzenbreite  von  60  cm  etwa  250  Mk.  kostet. 
Es  genügt  Kaltsatinage,  welche  einfacher  anzuwenden  ist  als 
Heißsatinage1). 

Die  Oberfläche  der  satinierten  Bilder  ist  gegen  Schram- 
mungen empfindlich  und  wird  bald  unansehnlich,  wenn  die 
Bilder  häufig  durcheinander  geworfen  werden.  Sollen  sie 
länger  aufbewahrt,  in  allen  Einzelheiten  erhalten  werden,  so 
ist  es  unbedingt  erforderlich,  ihnen  einen  erhabenen  Rand, 
einen  sogen.  Passe-partout  zugeben,  welche  in  besonderen 
Fabriken  angefertigt  werden.  In  diesem  Fall  läßt  man  das  Be- 
schneiden der  Kartons  bis  nach  dem  Aufkleben  der  Passe- 
partouts. 

Kopierverfahren  mit  Entwicklung. 

Die  Herstellung  der  Bilder  nach  dem  Auskopier- Verfahren 
ist  weder  rasch  noch  mühelos.  Wenn  auch  gutes  Celloidin- 
papier  noch  am  besten  die  Feinheiten  des  Negativs  wieder- 
gibt, so  ist  doch  oft  ein  schnelleres  und  einfacheres  Verfahren 


1)   Derartige  Maschinen  baut   u.   A.    Rudolf  Wolter   in   Berlin, 
Miillerstr.  13. 


Photographie.  141 

vollkommen  ausreichend.  Dies  leisten  die  mit  Bromsilber- 
gelatine-Emulsion genau  wie  Negativplatten  bedeckten  Papiere. 
Wegen  des  unscharfen  Charakters  der  Röntgenbilder  dürfen 
aber  nur  Papiere  mit  hochglänzender  Oberfläche  genommen 
werden,  z.  B.  das  Bromarytpapier  der  Neuen  Photographischen 
Gesellschaft  in  Steglitz. 

Da  diese  Papiere  das  sehr  viel  empfindlichere  Brom- 
silber enthalten,  müssen  sie  beim  Schein  der  Dunkelkammer- 
lampe mit  den  Negativen  in  den  Kopierrahmen  gelegt  und 
an  einer  Petroleum-  oder  Gaslampe  20 — 30  Sekunden  ex- 
poniert werden.  Da  der  Lichteindruck  nicht  sichtbar  ist, 
muß  man  an  einem  Negativ  von  normaler  Beschaffenheit  die 
Wirkung  seiner  Lichtquelle  erproben  und  später  immer  in 
derselben  Entfernung  exponieren.  Als  Anhalt  kann  dienen, 
daß  ein  normales  Negativ  in  1  m  Entfernung  von  einer  Gas- 
glühlichtlampe etwa  15 — 20  Sekunden  Belichtungszeit  erfordert. 
Auch  hieraus  erhellt,  wie  wichtig  es  ist,  stets  Negative  von 
der  gleichen  Dichte  herzustellen. 

Die  exponierten  Blätter  können  im  Dunkeln  aufbewahrt 
zu  beliebig  späterer  Zeit  entwickelt  werden.  Die  Entwicklung 
findet  genau  in  derselben  Weise  statt  wie  bei  den  Negativen, 
sodaß  also  keinerlei  neues  Verfahren  zu  erlernen  ist.  Nur 
in  zwei  Punkten  findet,  bedingt  durch  die  Eigenschaften  des 
Schichtträgers,  eine  kleine  Erweiterung  des  Verfahrens  statt. 

Zunächst  stellt  man  sich  neben  dem  Entwickeltisch  eine 
reichlich  frisches  Wasser  enthaltende  größere  Schale  auf  und  zieht' 
jedes  Bild  zwei-  bis  dreimal  hindurch,  sodaß  Papier  und  Schicht 
jedesmal  gleichmäßig  feucht  werden.  Alsdann  kommt  das 
Papier  in  die  Entwickelschale  und  wird  hier  mit  dem  ge- 
wöhnlichen Entwickler  hervorgerufen.  Hierbei  ist  zu  be- 
achten, daß  man  das  Bild  nur  in  der  Aufsicht  beurteilen 
kann  und  daß  der  in  der  Schicht  befindliche  Entwickler  auch 
nach  dem  Herausnehmen  noch  weiter  arbeitet.  Man  muß 
daher  die  Entwicklung  unterbrechen,  wenn  das  Bild  noch 
ziemlich  hell  erscheint,  was  sehr  bald  zu  erlernen  ist.  Nun- 
mehr kommt  das  Bild  in  ein  Essigbad,  wodurch  die  Wirkung 
des  Entwicklers  rasch  aufgehoben  wird  und  die  Weißen  des 
Bildes  klar  bleiben.  Hierzu  stellt  man  sich  eine  Schale 
bereit  mit  viel  W^asser,  «  dem  man  eine  Portion  Essigsäure 
beigefügt  hat  (ungefähr  5 — 10  auf  100).  Man  sorgt  dafür, 
daß  das  Bild  hier  völlig  untergetaucht  ist  und  läßt  es  ruhig 
liegen  bis  das  nächste  entwickelt  ist.    iUsdann  kommt  es  in 


142  Photographie. 

die  gewöhnliche  saure  Fixage,  wobei  man  nur  darauf  zu 
achten  hat,  daß  dieselbe  frisch  und  rein  ist.  Nach  gutem 
Auswaschen  werden  die  Bilder  mit  Nadeln  oder  Klammern 
an  einer  Ecke  zum  Trocknen  aufgehäugt  und  sind  nach 
Zurechtschneiden  der  Ecken  fertig. 

Das  Verfahren  empfiehlt  sich  durch  Einfachheit  und 
Raschheit  der  Ausführung  für  zahlreiche  Fälle,  wo  es  nicht 
auf  äußerste  Feinheit  der  Zeichnung  ankommt.  Die  Bilder 
haben  einen  angenehmen,  rein  schwarzen  Ton  und  brauchen 
nicht  aufgeklebt  zu  werden,  da  das  Papier  an  sich  dick 
genug  ist,  um  dem  Ganzen  Halt  zu  geben.  Vom  Tageslicht, 
das  in  unseren  Breiten  oft  sehr  mangelhaft  ist,  wird  man 
völlig  unabhängig,  wodurch  die  Aufgaben  des  Röntgenkabinettes 
durch  Arbeiten  zu  jeder  beliebigen  Zeit  viel  rascher  erledigt 
werden  können.  Die  anfangs  beim  Trocknen  stark  gerollten 
Bilder  können  durch  Pressen  und  Aufrollen  in  umgekehrter 
Richtung  zwischen  zwei  starken  Papierbogen  mit  Leichtigkeit 
völlig  gerade  gerichtet  werden. 

Soll  das  Röntgenkabinett  Lehrzwecken  dienen  (etwa  an 
den  Orten,  an  welchen  Fortbildungskurse  abgehalten  werden), 
so  kommt  noch  eine  Bearbeitung  der  Aufnahmen  in  Betracht, 
welche  äußerst  übersichtliche  und  lehrreiche  Bilder  ergibt. 
Es  ist  dies  die  Anfertigung  von  Diapositiven  auf  Chlor- 
silberplatten,  womit  in  der  Regel  eine  Verkleinerung  der 
Originalnegative  verbunden  ist.  Hierzu  muß  allerdings  eine 
vollständige  Kamera  zur  Verfügung  stehen,  in  welcher  die 
Aufnahmen  gemacht  werden.  Da  indessen  derartige  Aufgaben 
in  Militärlazaretten  in  der  Regel  nicht  gestellt  werden,  kann 
hier  auf  die  im  übrigen  einfache  Technik  nicht  weiter  ein- 
gegangen werden. 

Daß  an  Stelle  der  immerhin  nicht  unerhebliche  Mühe 
und  Zeit  erfordernden  photographischen  Positive  auch  oft 
einfache  Pauszeichnungen  genügen,  darauf  ist  in  dem  fol- 
genden Abschnitt  (S.  157)  hingewiesen. 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  143 


4.    Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 


Um  die  Arbeiten  in  dem  für  Militärlazarette  notwendigen 
Umfang  ordnungsgemäß  durchzuführen,  sind  unbedingt  drei 
Räume  erforderlich,  welche  womöglich  nebeneinander  liegen 
müssen.  Drei  einfenstrige  Zimmer,  wie  sie  häufig  in  Lazaretten 
nebeneinander  vorkommen,  sind  besonders  vorteilhaft.  Sie 
linden  als  Aufnahmezimmer,  Dunkelkammer  und  Raum  zur 
Fertigstellung  der  Bilder  Verwendung.  Am  besten  ist  es, 
wenn  alle  drei  miteinander  in  Verbindung  stehen.  Ist  dies 
nicht  ausführbar,  so  sollten  jedenfalls  die  beiden  ersten  un- 
mittelbar zusammenhängen . 

Die  Lage  der  ganzen  Station  ergibt  sich  aus  ihrem 
Zweck,  der  hauptsächlich  -auf  die  Aufhellung  der  chirurgischen 
Fälle  gerichtet  ist.  Demgemäß  ist  es  am  vorteilhaftesten, 
wenn  das  Röntgenkabinett  in  der  Nähe  der  chirurgischen 
Station,  jedenfalls  im  gleichen  Geschoß  mit  dem  Wachsaal 
oder  dem  Operationssaal  angelegt  werden  kann.  Da  aber 
auf  dem  Röntgenkabinett  vielfach  Fälle  von  außerhalb,  aus 
dem  Revier  oder  anderen  Garnisonen,  untersucht  werden 
müssen,  ist  es  günstig,  wenn  ihm  ein  besonderer  Zugang 
überwiesen  wird.  Hiernach  ergibt  sich  als  zweckmäßigste 
Lage  die  Unterbringung  auf  einem  Flügel  der  chirurgischen 
Station  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Operationssaal  und  mit 
besonderem  Treppenaufgang. 

Für  das  Aufnahmezimmer  und  das  Dunkelzimmer  ist 
ein  sehr  heller  Anstrich  nicht  gerade  erwünscht,  weil  er  zu- 
viel Licht  reflektiert.  Es  genügt  eine  mattgraue  Farbe. 
Tiefroter  oder  schwarzer  Anstrich  ist  bei  guten  Verdunkelungs- 
vorrichtungen nicht  erforderlich. 

Den  Boden  mit  Linoleum  zu  belegen,  ist  für  das  Auf- 
nahmezimmer sehr  empfehlenswert,  sowohl  zur  Unterdrückung 
des  Geräusches  als  behufs  leichterer  Reinhaltung.  Ganz 
notwendig  ist  Linoleum  bei  vorhandenen  Holzdielen  im 
Dunkelraum,  wo  trotz  größter  Sorgfalt  ein  Beschmutzen  des 
Bodens  mit  Wasser  und  mit  Chemikalien  nie  ganz  zu  ver- 
meiden ist.  Im  Zimmer  für  trockene  Arbeiten  sind  einfache 
Holzdielen  zulässig. 


144  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

Bei  der  nachfolgenden  Besprechung  der  notwendigen 
Einrichtungen  und  Apparate  ist  durchweg  dem  Gesichtspunkt 
Rechnung  getragen,  daß  in  einem  Militärlazarett  nicht  selten 
eine  andersartige  Verwendung  einzelner  Zimmer  notwendig 
wird.  Es  dürfen  daher  auch  die  auf  der  Röntgenstation  zu 
treffenden  Maßnahmen  nicht  derartige  Veränderungen  mit  sich 
bringen,  daß  die  Zimmer  dauernd  für  andere  Zwecke  un- 
brauchbar werden.  Die  Einrichtungen  müssen  vielmehr  zwar 
für  alle  Anforderungen  hinreichend  leistungsfähig,  doch  aber 
derartig  beschaffen  sein,  daß  sie  leicht  fortgenommen  und 
in  einem  anderen  Raum  wieder  aufgestellt  werden  können; 
sie  müssen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  mobil  sein. 

Das  Zimmer  für  die  Aufnahmen 

bedarf  an  besonderen  Einrichtungen  vor  allem  einer 
Verdunkelungsvorrichtung  entweder  bestehend  aus  einer  Roll- 
jalousie, einer  Schiebetüre  oder  doppelten  Vorhängen  aus 
dichtem  Stoff.  Besonders  ist  darauf  zu  achten,  daß  allerseits 
am  Fenster  tiefe  Falze  vorhanden  sind,  welche  seitlich  ein- 
dringendes Licht  sicher  abhalten.  Sind  diese  Falze  tief  genug 
(etwa  10  cm),  so  brauchen  sie  nicht  eng  zu  sein,  was  die 
Handhabung  erleichtert.  Theoretisch  kann  man  ja  freilich 
auch  bei  hellem  Tageslicht  Röntgenaufnahmen  machen,  allein 
man  hat  immer  damit  zu  rechnen,  daß  hier  und  da  auch  die 
Beobachtung  des  Bildes  auf  dem  leuchtenden  Schirm  von 
Wert  ist.  Man  braucht  hierzu  unbedingt  Ausschluß  jeglichen 
Tageslichtes,  dauert  es  doch  selbst  nach  vorhergehendem 
Arbeiten  bei  Lampenlicht  mindestens  5  Minuten,  ehe  das  Auge 
genügend  ausgeruht  ist  und  seine  volle  Empfindlichkeit  erlangt 
hat.  Auch  ist  die  Möglichkeit,  das  Tageslicht  vollkommen 
abzuhalten,  aus  dem  Grunde  wünschenswert,  weil  in  den 
Kassetten  Undichtigkeiten  vorkommen  können,  welche  beim 
Zutritt  des  Tageslichtes    zum  Verderben    der  Platten  führen. 

Das  Fenster  mit  den  gewöhnlichen  durchsichtigen  Scheiben 
eignet  sich  gewöhnlich  nicht  recht  zur  eingehenden  Betrach- 
tung der  großen  Bilder,  weil  die  Schatten  der  Fensterkreuze 
stören.  Am  besten  ist  es,  die  beiden  üblichen  Fensterflügel 
durch  einen  einzigen  mit  großer  Spiegelscheibe  (natürlich 
Doppelfenster)  zu  ersetzen.  Aber  auch  so  ist  das  Fenster 
noch  nicht  vollkommen  für  den  Zweck  genauen  Studiums  der 
Negative  geeignet,  besonders  dann  nicht,  wenn  es  nach  Süden 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  145 

gelegen  der  hellen  Sonne  ausgesetzt  ist.  Der  obere  Teil  in 
Augenhöhe  muß  in  der  Ausdehnung  von  etwa  50  X  60  cm 
mit  Mattglas,  feinem  Seidenpapier  oder  am  besten  mit 
einem  Bogen  matten  Celluloid  versehen  werden.  Hier- 
durch wird  die  Beleuchtung  gleichmäßig  verteilt  und  die 
Zeichnung  des  Negativs  tritt  deutlicher  hervor.  Von  Holz- 
knecht1)  ist  zu  gleichmässiger  Beleuchtung  und  Betrachtung 
der  Platten  eine  sehr  vollständige  Negativbühne  angegeben,  von 
Metzner-Dessau  ein  ähnlicher  Apparat  bestehend  aus  einer 
Mattscheibe  und  einem  parabolisch  gekrümmten  Retlektor 
mit  vier  elektrischen  Lampen.  Beide  Apparate  geben  gute 
Resultate,  sind  jedoch  in  Militärlazaretten  in  den  meisten  Fällen 
nicht  nötig. 

Ferner  sind  erforderlich  ein  Schrank  mit  Querfächern 
zum  Aufbewahren  von  Büchern,  Zeichnungen  u.  dergi.,  ein 
Tisch  zur  Erledigung  von  Schreibgeschäften  und  einige 
Stühle.  Zur  Lagerung  der  Kranken  sind  einige  wollene 
Decken,  Bettlaken  und  Polsterrollen  (aus  Watte  und 
Cambrik  einfach  hergestellt)  notwendig.  Zu  besonders  pein- 
licher Reinhaltung  der  Geräte  und  der  Zimmer  müssen  ein 
Staubwedel,  ein  Handfeger  und  einige  Wischtücher 
bereitgestellt  werden.  Alle  diese  Geräte  können  unmittelbar 
dem  Lazaretthaushalt  entnommen  werden. 

An  besonderen  Apparaten  für  die  Aufnahmen  sind  er- 
forderlich: 

Ein  Auf  nähme  tisch.  Es  ist  durchaus  zweckmässig, 
denselben  so  hoch  zu  nehmen  (etwa  75 — 80  cm),  daß 
man  den  Kranken  bequem  zur  Hand  hat.  Unpraktisch  ist 
es,  den  Tisch  so  niedrig  zu  bemessen,  daß  man  sich  herunter- 
bücken muß.  Durch  die  hiermit  verbundenen  Unbequemlich- 
keiten leidet  die  Exaktheit  der  Aufnahmen.  Der  Tisch  muß 
fest  sein  und  die  Tischplatte  allseitig  etwa  10  cm  über- 
stehende, eckig  abgeschnittene  Ränder  haben.  Letzteres  ist 
durchaus  notwendig,  um  die  später  zu  beschreibenden 
Schrauben  überall  bequem  anbringen  zu  können.  Ein  Tisch- 
kasten soll  nicht  vorhanden  sein,  damit  man  auch  einmal 
von  unten  durchleuchten  kann.  Sehr  zweckmäßig  ist  der  von 
Stabsarzt  Hamann2)  angegebene  Tisch  mit  ganz  durchlässiger 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen,  Ergänzungs- 
heft  6  S.  22. 

2)  Ebendas.  1902  Bd.  V  S.  354. 

Stechow,  Das  Königen- Verfahren.  ^Q 


146 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 


•=j 


Platte  aus  mehrfach  verleimtem  Pappelliolz  und  einer  Vorrich- 
tung zur  bequemen  Anbringung  und  Verschiebung  der  Röntgen- 
röhre unterhalb  der  Platte.  Durch  Bleiblenden  können  alle 
Strahlen  der  Peripherie  abgeschnitten  werden,  sodaß  nur  die 
Strahlen  in  der  Mitte  übrig  bleiben  und  der  Felder  zentraler 
Projektion  vermieden  wird. 


Die  Einrichtung  der  Röntcrenstation. 


147 


fe 


£ 


Der  Induktor  von  40 — 50  cm  Schlagweite  kommt  am 
besten  auf  eine  Konsole  hoch  oben  an  der  Wand  zustehen,  da 
er  keinerlei  Wartung  als  gelegentlichen  Abstäubens  bedarf. 
Werden  die  Drähte  der  sekundären  Spule  nach  der  Mitte  des 
Zimmers  und  liier  senkrecht  herunter  geleitet,  so  bleibt  der 
Aufhahmetisch    von    allen    Seiten    frei    zugänglich,    was    die 

•    ,  10* 


148 


Die  Einrichtung  der  Röntgcnstation. 


3- 

CJq" 


Arbeiten  sehr  erleichtert.  Zum  Tragen  der  Drähte  kann 
ein  Querarm  aus  trockenem  Holz  dienen,  welcher  an  der 
meist  vorhandenen  Gasleitung  angebracht  wird.  Zweckmäßig 
ist    auch    ein    weit    ausladender    hölzerner,    in    wagerechter 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  149 

Richtung  beweglicher  Galgen,  welcher  oberhalb  des  Induktors 
an  der  Wand  befestigt  ist  (Konstruktion  der  Allgemeinen 
Elektrizitäts-Gesellschaft). 

Ist  die  Befestigung  der  Konsole  für  den  Induktor  an 
der  Wand  nicht  möglich,  so  empfiehlt  sich  ein  schrankartiger 
Aufbau,  welcher  an  beliebiger  Stelle  aufgestellt  werden  kann 
und  alle  nötigen  Apparate  vereinigt  enthält. 

Das  Schaltbrett  mit  allen  zur  Handhabung  notwendigen 
Griffen  findet  am  besten  seinen  Platz  an  der  Wand,  unterhalb 
des  Induktors.  Als  flacher  Körper  hindert  es  sehr  wenig  die 
Bewegung  im  Zimmer.  Statt  des  Schaltbrettes  wird  jetzt 
häufig  ein  Schalttischchen  verwendet,  welches  beliebig  ver- 
schoben werden  kann  und  zu  dem  ein  alle  notwendigen 
Verbindungen  enthaltendes  Kabel  führt. 

Der  Unterbrecher  bedarf  etwas  größerer  Aufsicht: 
immer  bleibt  das  beim  Arbeiten  nicht  zu  vermeidende  Geräusch 
eine  unangenehme  Zugabe.  Indessen  sind  heute  auch  die 
Motorunterbrecher  derart  zuverlässig,  daß  die  Aufstellung 
dieser  Apparate  im  Nebenzimmer  mit  Durchleitung  der  Ver- 
bindungen durch  die  Wand  zulässig  und  empfehlenswert 
erscheint.  Ganz  notwendig  wird  diese  Verlegimg  beim  Wehnelt- 
Unterbrecher,  dessen  sehr  lautes  Geräusch  bei  der  Aufnahme 
äußerst  störend  wirkt,  der  aber  auch  am  ehesten  sich  selbst 
überlassen  werden  kann. 

Die  Röhren  müssen  in  ihrer  Größe  der  Schlagweite 
des  Induktors  augepaßt  sein,  welche  daher  beim  Einkauf 
anzugeben  ist.  Man  tut  gut,  sich  mit  einer  bestimmten 
Sorte  erst  gehörig  einzuarbeiten,  ehe  man  andere  Fabri- 
kate probiert.  Aeltere  Modelle  als  wenigstens  die  re- 
generierbaren empfiehlt  sich  nicht  zu  nehmen,  da  sie  zu 
schnell  hart  und  unbrauchbar  werden.  Ist  dieser  Zustand 
eingetreten,  so  ist  die  Röhre  beiseite  zu  legen  und 
sorgsam  aufzubewahren;  nach  längerer  Zeit  (sechs  bis  zwölf 
3Ionate)  ist  sie  häufig  wieder  ganz  leistungsfähig.  Man 
sollte  immer  3 — 4  Röhren  zur  Verfügung  haben  und  viel- 
leicht alle  halbe  Jahr  eine  neue  hinzukaufen.  Uebrigens 
wird  man  die  Röhren  immer  etwas  weich  vom  Fabrikanten 
erhalten,  der  eine  solche  Stufe  der  Evakuation  wählt,  weil 
die  Induktoren  verschiedenen  Ursprunges  selbst  bei  gleicher 
Funkenlänge  nicht  in  gleicher  Weise  auf  die  Röhre  wirken 
und  letztere  sich  nach  kurzem  Gebrauch  von  selbst  auf  den 


150 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 
Fig.  55. 


Schrankartige  Röntgeneinrichtung  von  W.  A.  Hirschmann  (Ausführung  RGj. 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  151 

günstigsten  Grad  der  Luftverdünnung  einstellt  und  diesen 
Zustand  längere  Zeit  beibehält. 

Das  Stativ  für  die  Röhre  muß  in  sich  fest,  ziemlich 
schwer,  dabei  aber  doch  beweglich  sein.  Am  besten  wählt 
man  ein  großes,  auf  dem  Boden  stehendes  mit  schwerem 
eisernen  Fuß.  Die  häufig  angepriesene  Einrichtung,  wobei 
mit  einer  Schraube  alle  Bewegungen  des  Querarmes  festge- 
stellt werden,  ist  durchaus  zu  verwerfen.  Denn  ebenso 
lockern  sich  auch  bei  jeder  solchen  Handhabung  alle  Be- 
wegungen auf  einmal,  namentlich  kippt  die  Röhre  der 
Schwere  folgend  sofort  um,  und  man  ist  niemals  in  der  Lage, 
sie  wieder  in  ganz  genau  dieselbe  Stellung  zu  bringen,  was 
gerade  für  die  Aufnahmen  unter  militärischen  Verhältnissen 
durchaus  erforderlich  ist.  Am  zweckmäßigsten  ist  die  Feststellung 
einer  bestimmten  Höhe  an  der  senkrechten  Stange  des  Stativs 
durch  eine  Schraube  oder  einen  Holzklotz.  Ueber  diesem 
befindet  sich  ein  zweiter  Holzklotz  von  der  Größe  5x5 
X  10  cm,  der  an  seinen  beiden  Enden  zwei  auf  einander 
senkrechte  Durchbohrungen  erhält,  welche  durch  Schrauben 
mit  starken  Flügelmuttern  zugezogen  werden  können.  Die  eine 
Durchbohrung  umfaßt  lose  die  senkrechte  runde  Stange,  die 
andere  fester  die  horizontale.  Hierbei  ist  es  leicht,  den  Arm 
mit  der  Röhre  zur  Seite  zu  drehen  und  doch  wieder  zu  einer 
neuen  Aufnahme  absolut  dieselbe  Stellung  der  Röhre  zu  er- 
halten. 

Zu  Meßzwecken  ist  am  besten  das  von  Stabsarzt  Lam- 
bertz  angegebene  Stativ,  bei  dem  sowohl  die  senkrechte 
Stütze  wie  der  wagerechte  Tragearm  Zentimetereinteilung  be- 
sitzen und  letzterer  in  beiden  Richtungen  mit  grobem  Trieb 
leicht  und  absolut  sicher  eingestellt  werden  kann.  Bei  einer 
zweiten  Ausführung  kommt  hierzu  noch  eine  versteilbare 
\  isicrvorrichtung. 

Der  leuchtende  Schirm  mit  ßariumplatincyanür  muß 
für  Beobachtungen  am  Brustkorb  des  lebenden  erwachsenen 
Menschen  mindestens  die  Größe  von  40  X  50  cm  haben. 
Die  Schicht  muß  gleichmäßig  aufgetragen  sein.  Um  sie  vor 
Beschädigungen  zu  schützen  und  auch  um  die  Umrisse  der 
inneren  Organe  bequem  aufzeichnen  zu  können,  kann  man 
in  den  Rahmen  einen  Bogen  durchscheinendes  Celluloid  ein- 
passen, der  herauszunehmen  und  leicht  auf  Papier  durchzu- 
zeichnen ist.  Der  Holzrahmen  verbiegt  sich  fast  stets  unter 
dem  starken  Zuge  des  eintrocknenden  Papieres,  doch  hat  die 
A  bweichung  von  der  vollkommenen  Ebene  meist  nicht  viel  zu 


152 


.Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 
Fie.  56. 


Meßstativ  nach  Stabsarzt  Lamhertz  von  W.  A.  Hirschmann. 


sagen.  Für  Beobachtungen  am  lebenden  Brustkorb  ist  sehr 
bequem  ein  Gestell,  in  welchem  der  große  Schirm  durch  Gegen- 
gewichte leicht  auf-  und  abbewegt  und  festgestellt  werden 
kann,    wie  solches   z.  B.  von  Dr.  A.  Hoff  mann    angegeben 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  153 

ist1).  Für  die  meisten  Zwecke  wie  Beobachtungen  der  Glied- 
maßen und  des  Kopfes  ist  ein  kleinerer  Schirm  von  etwa 
24  X  30  cm  Größe  bequemer  zu  handhaben  und  völlig  aus- 
reichend. 

Sehr  erleichternd  für  die  Aufnahme  ist  eine  sogenannte 
Telephonuhr2),  welche  durch  Druck  auf  einen  Knopf  auf- 
gezogen wird  und  nach  einigen  Minuten  ein  Glockenzeichen 
ertönen  läßt.  Es  gibt  Einteilung  des  Zifferblattes  in  drei 
und  fünf  Minuten,  wobei  natürlich  auf  ersterem  die  Minuten 
größer,  daher  im  Halbdunkeln  besser  sichtbar  sind.  •  Für 
großen  Betrieb  kann  man  sich  am  Schaltbrett  beide  Arten 
befestigen,  was  dann  für  alle  Arten  von  Aufnahmen  ausreicht. 
•Nimmt  man  nur  die  3  Minutenuhr,  so  muß  man  gelegentlich 
nach  dem  Glockenzeichen  noch  einmal  auf  den  Knopf  drücken. 
Dies  darf  nicht  zu  rasch  nacli  dem  Ertönen  der  Glocke  ge- 
schehen, da  sonst  das  Uhrwerk  in  Unordnung  kommt. 

Für  gewisse  Aufnahmen  ist  es  zweckmäßig,  die  Höhe 
des  Tisches  der  Körperlänge  genau  anpassen  zu  können. 
Hierzu  dienen  leichte  Bänke  von  30  X  40  cm  Oberfläche 
und  verschiedener  Höhe.  Der  Rand  muß  wieder  über  den 
der  Festigkeit  wegen  vierseitig  geschlossenen  Boden  5  cm 
überstehen,  um  Schrauben  leicht  befestigen  zu  können.  Man 
braucht  zwei  von  10  cm  und  eine  von  5  cm  Höhe. 

Zu  Aufnahmen  des  Fußes,  welche  in  militärischen 
Röntgenkabinetten  naturgemäß  sehr  häufig  vorkommen,  braucht 
man  ein  Winkelbrett,  bei  dem  zwei  Bretter  von  2  cm 
Dicke  und  30  X  35  cm  Oberfläche  an  der  schmalen  Kante 
rechtwinklig  mit  einander  verzinkt  sind.  Durch  seitlich  ein- 
gelassene Eisenwinkel  wird  der  Verbindung  größere  Festig- 
keit gegeben. 

Einen  rechten  Winkel  von  kleineren  Abmessungen 
hat  man  ferner  nötig,  wenn  man  Aufnahmen  der  Ellenbogen- 
gelenke mit  Sicherheit  immer  in  derselben  Weise  auf  die 
Platte  bringen  will.  Bewährt  haben  sich  folgende  Ab- 
messungen. Zwei  Bretter  aus  Elsenholz  von  2  cm  Dicke, 
10  cm  Breite  und  15  bezw.  20  cm  Länge  sind  an  einer 
schmalen  Seite  rechtwinklig  mit  einander  verzinkt    und    ihre 


1)  B.  Donath,  Die  Einrichtungen  zur  Erzeugung  der  Röntgen- 
strahlen.   Berlin  1899.    Reuther  und.  Reichard.    S.  110. 

2)  Bei  Feising,  Berlin  Unter  den  Linden  20,  zum  Preise  von  6  M. 
zu  haben. 


154  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

parallelen  Kanten  so  abgehobelt,  daß  sie  auf  jeder  Seite 
sicher  eben  aufliegen.  Durch  Anlegen  air  die  äußere  Seite 
wird  jedes  Ellenbogengelenk  in  rechtwinklige  Stellung  gebracht 
und  stets  dieselbe  Entfernung  vom  Plattenrand    festgehalten. 

Um  die  vorerwähnten  ßänkchen  u.  s.  w.  sicher  zu  be- 
festigen und  auch  um  dem  Kranken  an  jeder  beliebigen  Stelle 
eine  feste  Anlage  geben  zu  können,  sind  eiserne,  schnell- 
spannende Schraubzwingen  sehr  bequem.  Man  braucht 
je  zwei  von  zwei  Größen,  No.  2  =  180  mm  Spannweite  und 
No.  4  =  250  mm  Spannweite1).  Außerdem  sind  noch  zwei 
kleinere  eiserne  Schraubzwingen2)  von  etwa  6  cm  Spann- 
weite nützlich,  um  einzelnen  Fingern  Halt  zu  gewähren. 

Ein  hölzerner  Tritt  von  zwei  breiten  Stufen,  mit  Lino- 
leum beschlagen,  erleichtert  sehr  die  so  häufigen  Fußunter- 
suchungen. 

Ein  eiserner  zusammenklappbarer  Winkel  mit  Grad- 
bogen3) dient  zur  genaueren  Bestimmung  der  Beweglichkeit 
der  Gelenke  namentlich  der  Ellbogengelenke. 

Ein  hölzerner  Maßstab  von  50  cm  Länge,  ein  Band- 
maß und  ein  Tasterzirkel  sind  für  die  Untersuchung  der 
Kranken  unentbehrlich.  Ein  spitzer  Zirkel  (am  besten  die 
amerikanische  Form,  mit  Metallfeder  in  der  Mitte  und  Stell- 
schraube) dient  zum  genauen  Ausmessen  und  Vergleichen  der 
Negative. 

Ein  Lederriemen  mit  Schnalle  und  Gummibänder 
finden  zum  Feststellen  der  Kniee,  einzelner  Finger  u.  s.  w. 
Verwendung. 

Eine  Holzplatte  von  40  X  50  cm  Größe,  am  besten 
gegen  Verwerfen  aus  mehrfachen  Lagen  zusammengeleimt, 
ist  bequem,  um  gelegentlich  den  Tisch  in  beliebiger  Richtung 
zu  vergrößern. 

Mehrere  Holz  blocke  von  15,  X  30  cm  Oberfläche  und 
5  bezw.  10  cm  Dicke  dienen  als  Beilagen,  um  Längen- 
unterschiede auszugleichen  und  stets  sicheres  Anliegen  der 
Apparate  zu  gewährleisten.    Einer  derselben  ist  für  seitliche 


1)  Preis  2,10  M.  bezw.  2,40  M.  bei  Eisenführ,  Berlin  S.  Komman- 
dantenstr.  31a. 

2)  Zu  haben  bei  Paul  Kühn,  Leipzig  Petristr.  24,  zum  Preise  von 
0,90  M.  Sie  sind  ursprünglich  zum  Befestigen  von  Kerbschnitzarbeiten 
bestimmt  und  aus  Eisen  geschmiedet. 

3)  Medizinisches  Warenhaus,  Berlin  N.  Friedrich str.  110. 


Die  Einrichtung;  der  Rüntgenstation. 


155 


Fußaufnahmen  besonders  hergerichtet.  Er  soll  in  das  oben 
erwähnte  Winkelbrett  gelegt  werden,  soll  seitlich  die  senk- 
recht stehende  Platte  festhalten  und  gleichzeitig  eine  Marke 


auf    die  Platte 


mittelst   deren  stets  die  Stellung 


projizieren, 

der  Röhre  kontrolliert  bezw.  dieselbe  stets  in  die  gleiche  Lage 
gebracht  werden  kann.    Zu  diesem  Zweck  ist  bei  einem  5  cm 


Fig.  57. 


Winkelbrett  und  Klotz  mit  Bleistreifcn  zu  Fußaufnahmen  nach  Stechern. 


hohen  Klotz  die  eine  schmale  Längskante  zunächst  oben  in 
der  Breite  von  0,8  cm  und  der  Tiefe  von  1,5  cm  ausge- 
stoßen. In  diese  Höhlung,  welche  dem  senkrechten  Teil  des 
Winkelbrettes  dicht  angelegt  wird,  kommt  die  Platte  zu  stehen. 
Anstoßend  an  diese  Nut 'ist  auf  der  Oberseite  ein  Streifen  von 
0,2cm  Tiefe  und  1,5cm  Breite  ausgehobelt  und  durch  einen  Blei- 
streifen von  denselben  Abmessungen  ersetzt,  Wird  die  leuchtende 


156  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

Röhre  seitlich  in  50  cm  Entfernung  aufgestellt,  so  kann  sich 
der  1,5  cm  breite  Bleistreifen  nur  bei  einer  ganz  bestimmten 
Lage  der  Röhre  als  Minimum  auf  der  Platte  abbilden,  was 
vor  der  Aufnahme  leicht  mit  dem  leuchtenden  Schirm  von 
der  andern  Seite  her  kontrolliert  werden  kann.  Durch  den 
erwähnten  Bleistreifen  ist  also  die  Höhenlage  der  Röhre  ein 
für  allemal  bestimmt  und  diese  Stellung  stets  wieder  zu  er- 
langen. In  der  Mitte  des  Klotzes  ist  ferner  unterhalb  des 
wagerechten  Bleistreifens  ein  gleicher  senkrecht  eingelassen, 
welcher  die  Stellung  der  Röhre  in  wagerechter  Richtung 
gegen  seitliche  Verschiebungen  sichert.  Auf  diese  Weise  ist 
es  möglich,  seitliche  Fußaufnahmen  stets  bei  genau  gleiche]' 
Projektion  zu  machen  und  hierdurch  vollkommen  vergleich- 
bare Bilder  zu  erhalten. 

Leitungsschnüre,  Kupferdraht,  Flach-  und  Rund- 
zange (am  besten  die  parallel  schließenden  amerikanischen) 
sowie  ein  Schraubenzieher  und  eine  Feile  dürfen  nicht, 
fehlen. 

Arbeitet  man  mit  Akkumulatoren,  so  ist  zur  Prüfung 
der  Ladung  ein  Voltmeter  erforderlich.  Auf  den  größeren 
Schalttafeln  findet  sich  meist  ein  Voltmeter  und  ein  Ampere- 
meter  angebracht..  Sonst  sind  die  kleinen  Voltmeter  in 
Taschenuhrformat  bis  3  Volt  messend  sehr  bequem  zur 
Prüfung  der  einzelnen  Zellen  und  hinreichend  genau. 

Zur  Bezeichnung  der  Körperseiten,  welche  auf  dem  Positiv 
immer  umgekehrt  erscheinen,  dienen  Buchstaben  aus  Blei- 
oder Kupferdraht,  welche  mit  auf  die  Platte  kommen.  Man 
kann  sie  leicht  mit  der  Zange  in  der  Form  R  und  L  her- 
stellen und  zwischen  Papier  kleben,  wodurch  sie  bequem  zu 
hantieren  sind.  Zur  leichteren  Auffindung  der  kranken  Seite 
empfiehlt  es  sich,  dieselben  Buchstaben  noch  einmal  herzu- 
steilen und  mit  einem  Strich  zu  versehen,  etwa  so  R  und  L 
Die  stete  Bezeichnung  beider  Seiten  empfiehlt  sich  aus 
Gründen  der  Symmetrie. 

Ebenso  kann  man  sich  Ziffern  herstellen,  welche  ebenfalls 
zwischen  Papier  geklebt,  leicht  zu  beliebigen  Zahlen  zusammen- 
gestellt werden  können  und  mit  auf  die  Platte  kommen.  Sehr 
bequem  ist  zur  Zusammenfügung'  ein  kleines  Täschchen  aus 
durchsichtigem  Celluloid 1). 


1)   Man   darf   nicht  vergessen,    neben   der  fortlaufenden  Nummer 
auch    die  Jahreszahl  mit  auf  die   Platte    zu    photographieren   oder 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstalion.  157 

Man  mache  es  sich  zur  festen  Regel,  Buchstaben  und 
Ziffern  bei  gleichartigen  Aufnahmen  stets  in  dieselbe  Lage 
zum  aufgenommenen  Körperteil  und  so  zu  legen,  daß  sie  hei 
normaler  Betrachtung  der  Platte  grade  aufrecht  stehen.  Un- 
regelmäßigkeiten hierin  stören  das  xAuge  sehr,  namentlich 
beim  Vergleichen  mehrerer  Platten  oder  Bilder. 

Von  sonstigen  Hilfsmitteln  müssen  der  Röntgenstation 
unbedingt  anatomische  Werke  und  ein  Skelett  zur  Ver- 
fügung stehen.  Mag  man  bei  dem  Leiter  der  Station  auch 
noch  so  genaue  Kenntnisse  voraussetzen  und  linden,  so  er- 
heischen doch  viele  Bilder  unbedingt  eine  Yergleichung  mit  gut 
präparierten,  in  normaler  Verbindung  erhaltenen  Knochen,  um 
bald  Abweichungen  vom  Gesunden  aufzufinden.  Es  kann 
daher  nur  geraten  werden,  der  Station  ein  besonderes  Skelett 
zu  überweisen,  das  stets  zur  Hand  ist  und  auch  anderen 
Sanitätsoffizieren  (Attestausstellern)  mit  einem  Schlage  ver- 
wickelte Sachlagen  klar  darzustellen  gestattet.  Bleibt  das 
Skelett  dauernd  in  eigenem  Gewahrsam  der  Station,  so  wird 
auch  seine  gute  Erhaltung  gewährleistet. 

Neben  einem  hier  und  da  nachzuschlagenden  anato- 
mischen Lehrbuch  erweist  sich  der  Atlas  von  Braune  be- 
sonders nützlich,  da  er  Durchschnitte  von  Erwachsenen,  wie 
sie  auf  militärischen  Röntgen  Stationen  fast  ausschließlich  vor- 
kommen, enthält.  Dieselben  können  leicht  durchkopiert  werden. 
Solche  einfachen  Pausen  sind  zur  genauen  Einzeichnung  von 
Fremdkörpern,  sowohl  für  den  Bedarf  der  Station  wie  zur 
Weitergabe  an  andere  Dienststellen  ein  einfaches  Hilfsmittel 
von  hohem  Wert. 

Die  bisher  erwähnten  Apparate  reichen  für  die  alltäg- 
lichen Diagraphieen  dünner  Körperteile  aus,  für  eine  technisch 
vollendete  Aufnahme  dicker  Teile  bedarf  man  jedoch  be- 
sonderer Hilfsmittel.  Es  ist  schon  oben  erwähnt,  daß  nicht 
nur  die  Glasteile  der  Röhre  und  die  Luft,  sondern  vor  allem 
auch  die  durchstrahlten  Gewebe  zum  Ausgangspunkt  neuer 
X-Strahlen  werden,  welche,  von  allen  Seiten  kommend,  die 
Platte  beeinflussen  und  das  von  dem  eigentlichen  Brennpunkt  aus 
entworfene  Schattenbild  stören.  Am  Genauesten  sind  diese  Ver- 


nachträglich (am  besten  in  der  rechten  oberen  Ecke)  darauf  zu 
schreiben.  Unterlässt  man  dies,  so  können  bei  den  so  häufigen  Zu- 
sammenstellungen gleichartiger  Verletzungen  aus  mehreren  Jahren  die 
unangenehmsten  Verwechselungen  entstehen. 


158  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

hältnisse  zuerst  von  B.  Walter1)  erörtert,  welcher  die  Wirkung 
höher  evakuierter  Röhren  treffend  mit  den  Erscheinungen  einer 
in  dickem  Nebel  brennenden  Laterne  verglich  und  als  Mittel 
zur  Abhaltung  aller  Nebenstrahlen  die  Anwendung  von  Blei- 
blenden und  Bleikisten  vorschlug.  Aehnliche  Apparate 
sind  später  von  Levy,  Kohl,  Schürmayer,  Albers-Schön- 
berg2)  u.  A.  angegeben.  Das  wesentliche  derselben  besteht 
darin,  daß  einmal  in  der  Nähe  der  Röhre  ein  Bleidiaphragma 
angebracht  wird,  durch  dessen  mehr  oder  minder  große  Oeffnung 
zunächst  ein  zentraler  Strahlenkegel  aus  den  nach  allen  Rich- 
tungen die  Antikathode  verlassenden  Strahlen  ausgesondert 
und  die  schädliche  Strahlung  der  Glaswände  abgeschnitten 
wird.  Hierzu  kann  auch  nach  Levy-Dorn  die  ganze  Röhre 
in  eine  Bleikiste  eingeschlossen  werden. 

Ferner  wird  der  untersuchte  Körperteil  selbst  noch  derart 
mit  2  mm  dickem  Blei  bedeckt,  daß  möglichst  nur  der  zu  dia- 
graphierende  Abschnitt  von  den  Strahlen  getroffen  wird.  Dies 
kann  durch  eine  innen  mit  Blei  ausgekleidete  Kiste  bei  liegender 
oder  sitzender  Stellung  des  Kranken  geschehen.  Es  wird  hier- 
durch nicht  nur  die  Klarheit  des  Bildes  auf  der  Platte  wesentlich 
größer,  sondern  der  Kranke  wie  der  Untersucher,  der  dauernd 
mit  Röntgenstrahlen  zu  arbeiten  hat,  werden  vor  den  häufig 
nicht  gleichgültigen  längeren  Einwirkungen  geschützt.  Auch 
für  die  Diaskopie  ist  die  Verwendung  der  Bleiumhüllung  von 
Wert.  Diese  Umhüllungen  lassen  sich  mit  Hilfe  von  Kisten 
unschwer  herstellen.  Zur  Auskleidung  derselben  kann  man, 
falls  die  Handhabung  der  dicken  Bleiplatten  auf  Schwierig- 
keiten stößt,  auch  die  leicht  zu  schneidenden  nur  0,5  mm 
dicken  Bleifolien  in  mehrfacher  Lage  verwenden.  Auch  die 
Kompressiönsblende  von  Albers-Schönberg3)  wirkt  z.  T. 
in  ähnlicher  Richtung  durch  Vermeidung  der  diffusen 
Strahlung. 

Zur  teilweisen  Abdeckung  von  Platten,  auf  deren  beiden 
Hälften  nach  einander  Aufnahmen  gemacht  werden  sollen,  bedarf 
man  einiger  Bleiplatten  mit  scharfem  Rande  aus  einer  das 
Format  der  halben  Platte  jederseits  übersteigenden  Größe. 
Man    richtet    sich    am  besten  aus  Elsenholz    und    2 — 3  mm 


1)  Fortschritte   auf   dem    Gebiet    der   Röntgen  -  Strahlen    1897 
Bd.  I  S.  83. 

2)  Ebendas.  1901  Bd.  IV  S.  75,  118,  263. 

3)  Ebendas.  1902  Bd.  V  S.  301. 


Die  Einrichtung'  der  Röntgenstation.  159 

dickem  Walzblei  durch  Umbiegen  der  Ränder  die  Bleiplatten 
selbst  her.  Bergonie1)  empfahl  Platten  ans  Blei  (2  mm) 
und  Stahl  (3  mm)  Dicke,  wodurch  wohl  nur  eine  besser  zu 
vermeidende  Erhöhung  des  Gewichts  entsteht. 

AVer  eine  gegen  Röntgenstrahlen  empfindliche  Haut  be- 
sitzt, mag  außer  den  oben  genannten  Schutzmitteln  oder  beim 
Fehlen  derselben  Handschuhe  verwenden,  deren  Rückseite  mit 
Bleifolien  besetzt  ist.  Das  Arbeiten  wird  hierdurch  aller- 
dings nicht  gerade  erleichtert.  Zum  Schutze  der  Haut  ist 
von  Unna2)  ein  Zinkleim  empfohlen,  dem  je  10  pCt.  Zinnober 
und  Wismutoxychlorid  als  sehr  undurchlässige  Substanzen 
zugesetzt  sind.  Von  Hahn  ist  diese  Methode  dahin  abge- 
ändert, daß  er  Trikothandschuhe  mit  diesem  Leim  im- 
prägnierte. Dieselben  scheinen  nach  Albers-Schönberg3) 
genügenden  Schutz  für  die  Hände  zu  gewähren.  Zum  Schutz 
für  die  Augen  empfahl  Levy-Dorn  das  Auflegen  einer 
Spiegelscheibe  auf  die  empfindliche  Schicht  des  leuchtenden 
Schirmes. 

r.r*  Von  Wichtigkeit  ist  die  sorgfältige  Führung  einer  Liste 
über  die  auf  der  Röntgenstation  vorgenommenen  Arbeiten. 
Ihre  Größe  und  Einrichtung  wird  sich  naturgemäß  nach  dem 
Umfang  der  letzteren  richten,  sie  muß  jedoch  jedenfalls  den 
Anforderungen  genügen,  daß  einerseits  jeder  untersuchte  Fall 
unter  fester  Nummer  registriert  leicht  aufgefunden  werden 
kann  und  daß  andererseits  sowohl  alles  in  rein  medizinischer 
wie  auch  technischer  Hinsicht  Wichtige  notiert  wird.  Be- 
währt hat  sich  in  militärischen  Kabinetten  die  Verwendung 
von  Heften  in  Quartformat  mit  quadriertem  Papier  und 
weichem  Deckel  aus  schwarzem  Glanzleinen.  Richtet  man 
am  oberen  Rand  einen  für  alle  Seiten  geltenden  Kopf  ein, 
weist  jedem  Fall  eine  über  beide  Seiten  laufende  Spalte  zu 
und  teilt  die  ganze  Seite  in  fünf  gleiche  Teile,  welche  an 
der  linken  Kante  die  fortlaufende  Nummer  führen,  so  erhält 
man  für  jeden  einzelnen  Fall  genügenden  Raum  und  durch 
die  stets  an  gleicher  Stelle  erscheinenden  Ziffern  eine  zu 
raschem  Nachschlagen  sehr  geeignete  Form  der  Buchführung. 
Das  nachfolgend  gegebene  Schema  wird  die  Sache  erläutern. 


1)  Archives  d'electricite  medicale  1901  No.  105. 

2)  Monatshefte  für  prakt.  Dermatologie  1898  Bd.  XXVI  S.  494. 

3)  Fortschritte  aufdem Gebiet  d. Röntgenstrahlen  189S  Bd.  II  S.2S. 


160 


Die  Einrichtuno-  der  Röntgenstation. 


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Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  161 

Die  im  Vorstellenden  erwähnten  kleineren  Geräte  aus  Holz, 
die  Winkelbretter  und  verschiedenen  Holzblöcke  läßt  man  am 
besten  unter  Aufsicht  im  Lazarett  selbst  anfertigen,  wo  wohl 
immer  geeignete  Werkzeuge  und  technisch  erfahrene  Kräfte  sich 
finden.  Als  Material  ist  gut  getrocknetes  Elsen-  oder  Pappel- 
holz zu  empfehlen,  womit  sich  wegen  seiner  Leichtigkeit  besser 
hantieren  läßt.  Alle  scharfen  Kanten  sind  sorgfältig  zu  vermeiden. 
Ein  Ueberzug  mit  farblosem  Lack  schützt  die  Gegenstände  vor 
Feuchtigkeit  und  Verziehen.  Auf  diese  Punkte  ist  besonders 
zu  achten,  wenn  die  Arbeiten  Handwerkern  übergeben  werden, 
welche  immer  geneigt  sind,  derartige  Gegenstände  aus  schwerem 
(Eichen-)  Holz  mit.  tadellos  scharfen  Kanten  anzufertigen. 

An  Stelle  der  nach  außen  herauszugebenden  Positive, 
welche  doch  immer  eine  sorgsame  Bearbeitung  von  mehreren 
Tagen  erfordern,  genügen  häufig  auf  der  Negativplatte  durchge- 
zeichnete Pausen,  welche  sich  sehr  rasch  herstellen  lassen. 
Ist  die  Platte  nicht  durchsichtig  genug  oder  das  Licht  un- 
günstig, so  ist  doppelte  Uebertragung  notwendig,  indem  man 
zuerst  auf  eine  Glasscheibe  oder  durchsichtige  Celluloidi'olie 
durchzeichnet  und  von  dieser  auf  Pauspapier  überträgt.  Man 
kann  auf  diese  Weise  manche  Mühe  und  Kosten  der  Positive 
ersparen. 

Die  Dunkelkammer 

steht  am  besten  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  dem 
Aufnahmezimmer  und  dient  sowohl  zur  Entwicklung  der  be- 
strahlten als  zum  Aufbewahren  der  frischen  Platten.  Da 
man  das  Einlegen  der  letzteren,  die  Wahl  des  richtigen 
Formates  doch  erst  im  letzten  Augenblick  nach  genauer  Unter- 
suchung des  entkleideten  Kranken  vornehmen  kann,  ist  diese 
räumliche  Nähe  von  nicht  zu  unterschätzender  Bequemlich- 
keit für  das  praktische  Arbeiten.  Die  trennende  Tür  muß 
allerdings  lichtdicht  schließen,  was  eventuell  durch  Aufnageln 
von  Leisten  und  Anbringen  eines  Vorhanges  unterstützt 
werden  kann.  Als  Stoff  für  den  A7orhang  ist  wegen  seiner 
-Schwere  und  Steifigkeit  Fries  nicht  zu  empfehlen  sondern 
sog.  Zanelia,  welcher  leicht  beweglich  und  doch  in  doppelter 
Lage  für  den  vorliegenden  Zweck  hinreichend  dicht  ist.  Durch 
eine  schräg  verlaufende  Schnur  kann  er  portierenartig  in  die 
Höhe  gehoben  werden,  einige  Stücke  Blei  am  unteren  Rande 
eingenäht  sorgen  für  sichern  Fall. 

Steohow,  Das  Röntgen-Verfahren.  11 


162  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

Die  vorhandenen  Fenster  müssen  zunächst  lichtdicht  ver- 
schließbar gemacht  werden.  Ohne  bauliche  Veränderungen 
und  große  Kosten  kann  man  das  erreichen  durch  Ueber- 
kleben  der  ganzen  Fenster  mit  dem  gewöhnlichen  schwarzen 
Einwickelpapier  der  Platten.  Das  Papier  wird  zurechtge- 
schnitten,  etwas  in  Wasser  geweicht  und  mit  Kleister  in 
mehrfachen  Lagen  angeklebt.  Lassen  sich  einzelne  Stellen 
hiermit  nicht  genügend  dichten,  so  hilft  hier  sorgfältig  hin- 
eingestopfte Verbandwatte,  die  man  auch  noch  mit  Tinte 
schwarz  machen  kann.  Die  Fensterflügel  müssen  behufs 
Lüftung  aufklappbar  bleiben.  Die  ganze  Vorrichtung  läßt 
sich,  falls  das  Zimmer  anderweitig  gebraucht  werden  soll. 
durch  warmes  Wasser  wieder  vollkommen  entfernen. 

Was  nun  die  Beleuchtung  zum  Entwickein  anbe- 
trifft, so  ist  von  der  Verwendung  des  Tageslichtes  in  unsern 
Breiten  durchaus  abzuraten.  Selbst  wenn  das  Zimmer  nach 
Norden  gelegen  ist,  kann  man  doch  niemals  auf  einigermaßen 
gleichmäßiges  Licht  rechnen.  Noch  weniger  ist  dies  der  Fall 
bei  einem  nach  Süden  gerichteten  Fenster.  Die  durch  Bewöl- 
kung sehr  schnell  wechselnde  Intensität  des  Lichtes  verhindert 
jede  sichere  Beurteilung  der  Negative.  Im  Winter  und  am 
Abend  würde  man  naturgemäß  außer  Stande  sein  zu  arbeiten. 
Die  Notwendigkeit,  stets  gleichmäßige  Qualität  der  Negative  zu 
erstreben,  zwingt  zur  Anwendung  künstlicher  Beleuchtung. 
Hierfür  nun  sind  die  gebräuchlichen  Amateurlampen  mit 
rotem  Zylinder  durchaus  unzureichend.  Sie  geben  weder  ein 
genügend  helles  noch  hinreichend  großes  Feld,  um  auch 
für  Negative  von  40  X  50  cm  die  Beurteilung  zu  ermög- 
lichen. Hierzu  bedarf  man  einer  gleichmäßig  hellen  Fläche 
von  ungefähr  24  X  30  cm  Ausdehnung,  welche  man  bei 
kleinerem  Plattenformat  je  nach  Bedarf  durch  übergehängte 
Pappschirnie  verkleinern  kann.  Am  angenehmsten  wirkt  auf 
das  Auge  eine  rote  Scheibe  in  Verbindung  mit  einer  fein  mat- 
tierten. Hierdurch  verschwindet  der  grelle  Schein  der  Flamme 
und  das  Feld  wird  vollkommen  gleichmäßig.  Hat  man  Elek- 
trizität zur  Verfügung,  so  kann  man  in  die  Laterne  einfach 
eine  gewöhnliche  helle  Birne  hineinhängen,  die  auch  am 
leichtesten  zu  ersetzen  ist.  Auch  mit  Gas  (gewöhnlicher 
Brenner  oder  Glühstrumpf)  läßt  sich  die  rote  Laterne  sehr 
wohl  erhellen.  Solche  Laternen  sind  zwar  im  LIandel  zu 
haben,  jedoch  zeigen  sie  meist  mancherlei  Uebelstände.  Sie 
lassen    unten    am  Boden  Licht   durch,    namentlich  aber  sind 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  163 

die  Falzen  zur  Aufnahme  der  Scheiben  regelmäßig  derartig 
schmal  und  eng,  daß  Licht  nebenbei  herauskommt,  jedenfalls 
aber  die  Scheiben  nicht  mit  der  notwendigen  Leichtigkeit  heraus 
zu  nehmen  und  zu  reinigen  sind.  Die  Schwierigkeiten  fallen 
vollkommen  fort,  sobald  die  Falze  die  gehörige  Breite  und 
eine  Tiefe  von  mindestens  1  cm  haben.  Für  elektrische 
Birnen  kann  man  solche  Laternen  sehr  leicht  selbst  aus 
Elsenholz  herstellen.  Das  leicht  zu  schneidende  Aluminium- 
blech leistet  hierbei  für  Deckel  und  Boden  gute  Dienste.  Für 
Gasbrenner  wird  am  besten  aus  Schwarzblech  vom  Klempner 
nach  obigen  Gesichtspunkten  eine  Laterne  gebaut.  Lackierung 
ist  überflüssig,  da  sie  doch  nur  absengt  und  die  Luft  ver- 
schlechtert. Die  farbige  Laterne  erhält  dann  vorn  die  Rot- 
und  Mattscheibe,  seitlich  nur  Rotscheiben,  um  liier  Flaschen, 
Mensuren  u.  s.  w.  zu  beleuchten. 

Das  rote  Glas  muß  unbedingt  mit  dem  Spektroskop 
kontrolliert  werden.  Entnimmt  man  es  in  einer  Glashandlung 
direkt  von  der  Tafel,  so  wird  man  erstaunt  sein,  wie  die 
absorbierenden  Eigenschaften  der  roten  Schicht  an  derselben 
Platte  wechseln.  Man  muß  ganz  genau  diejenige  Stelle  spek- 
troskopisch aufsuchen,  welche  nur  rotes  Licht  durchläßt. 
Hat  man  solch  Glas  ausfindig  gemacht,  so  wird  man  sich 
freuen,  wie  hell  die  Dunkelkammer  ohne  Schaden  beleuchtet 
sein  darf.  Ganz  dunkle  Gläser,  welche  das  Arbeiten  sehr 
erschweren,  lassen  manchmal  eine  ganze  Reihe  anderer 
Sirahlen  durch  und  sind  trotz   ihrer  Dunkelheit  unbrauchbar. 

Die  rot  überfangenen  Birnen  für  elektrisches  Licht  sind 
meist  zu  dunkel  oder  die  Farbe  nicht  sicher  gleichmäßig 
lichtdicht.  Jedenfalls  zeigen  sie  das  unangenehme  intensive 
Leuchten  desFadens,  auch  sind  sie  teuer  und  schwer  zu  ersetzen. 

Die  rote  Lampe  muß  ziemlich  dicht  über  dem  Tisch  an- 
gebracht sein,  soclaß  man  das  Negativ  bequem  dagegen  be- 
trachten kann.  Durch  geringes  Erheben  der  Entwickelschale 
kann  man  es  dann  auch  der  Wirkung  der  roten  Strahlen  leicht 
entziehen.  Gänzlich  falsch  ist  die  Stellung  der  rothen  Lampe 
in  Augenhöhe  und  darüber.  Das  Licht  blendet  die  Augen, 
es  fällt  dauernd  auf  die  Platte  und  verhindert  die  feinere 
Beurteilung,  auch  vermag  man  schwere  Platten  nicht  so  hoch 
zu  heben,  um  sie  mit  Ruhe  zu  betrachten. 

Im  Dunkelzimmer  muß  streng  der  Unterschied  zwischen 
nassen  und  trocknen  Arbeiten  festgehalten  werden.  Am 
besten    wird    je    eine  Längsseite    hierfür    bestimmt    und  hier 

11* 


164:  Die  Einrichtung  der  Ilöntgenstation. 

jederseits  ein  Tisch  aufgestellt,  welcher  einfach  aus  gefirnißtem 
Kiefernholz  gefertigt  ist.     , 

Der  Tisch  auf  der  Seite  für  trockne  Arbeiten  muß 
etwa  2  m  lang  sein  und  erhält  zwei  bis  drei  Kästen  von  unge- 
fähr 12  cm  Höhe,  sowie  eine  starke  Platte  mit  Linoleumbelag. 
Etwa  10  cm  über  dem  Boden  wird  ein  Brett  angebracht,  auf 
welchem  die  Plattenvorräte  frei  liegend  aufbewahrt  werden. 
Auf  diesem  Tisch  sind  die  Platten  einzulegen,  die  exponierten 
vorläufig  in  einem  der  Kästen  aufzubewahren,  die  Chemikalien 
abzuwiegen,  allenfalls  können  an  einem  Ende  die  fertigen 
Negative  trocknen. 

Wegen  der  X-Strahlen,  welche  im  Nebenzimmer  erzeugt 
werden  und  welche  50  cm  dicke  Backsteinwände  mit  Leichtig- 
keit durchdringen,  muß  eine  Wand  ungefähr  in  der  Ausdehnung 
von  2 — 3  qm  und  zwar  dicht  über  dem  Boden  beginnend  bis 
etwa  0,75  m  über  Tischhöhe  derart  mit  Walzblei  von  3  mm 
Stärke  bekleidet  werden,  daß  in  dem  entstehenden,  vor  X- 
Strahlen  geschütztem  Räume  sämtliche  Arbeiten  beim  Ent- 
wickeln vorgenommen  und  die  frischen  Platten  aufbewahrt 
und  eingelegt  werden  können.  Jahrelange  Erfahrung  hat  ge- 
lehrt, daß  dieser  Schutz  vollkommen  genügend  ist.  Die 
Platten  sind  in  Sicherheit  und  doch  jederzeit  leicht  zugäng- 
lich, jedenfalls  viel  bequemer  erreichbar  als  in  den  manch- 
mal empfohlenen  besonderen  mit  Blei  ansgeschlagenen  Kästen. 

Ueber  das  Einlegen  der  Platten  in  lichtdichte  Kas- 
setten ist  folgendes  zu  bemerken.  Vielfach  werden  Kassetten 
empfohlen,  deren  Unterseite  aus  festem,  widerstandsfähigem 
Holz  mit  breitem  Rand  und  deren  Oberseite  aus  darauf  ge- 
nagelter Pappe  besteht.  Dieselben  tragen  zwar  ohne  weiteres 
die  Last  des  Körpers,  haben  aber  manche  Uebelstände.  Sic  sind 
ziemlich  schwer,  erlauben  nicht  die  Aufnähme  gewisser  Körper- 
teile (Finger,  Hals)  in  möglichst  weiter  Erstreckung  und 
bieten  dem  Einschieben  der  Platten  einige  Schwierigkeiten 
dar.  Die  Schicht  ist  gegen  Berührungen,  Druck,  Schrammen 
sehr  empfindlich,  wird  aber  hiervon  bei  der  schmalen  Ein- 
gangsöffhung  im  Dunkeln  leicht  betroffen.  Sehr  bequem  sind 
einfache  Taschen  mit  weit  übergreifender  Klappe,  welche  man 
sich  aus  doppeltem  schwarzem  Papier  und  Buchbinderleine- 
wand  selbst  herstellen  kann.  Damit  sie  weich  bleiben,  müssen 
sie  mit  Kleister  und  nur  die  übergreifenden  Ränder  des  Stoffes 
mit  Fischleim  geklebt  werden.  Es  ist  zweckmäßig,  die  Taschen 
mehrere  Oentimeter  größer  als  die  Platten  zu  machen,  damit 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  165 

sie  leicht  ohne  Berührung  der  Schicht  hineingeschoben  werden 
können.  Je  nach  der  Verwendung  kann  man  sie  alsdann  in 
die  eine  oder  andere  Ecke  legen,  auch,  falls  es  notwendig 
erscheint,  die  wahre  Größe  der  Platte,  deren  Rand  man  übrigens 
leicht  durchfühlt,  außen  durch  Aufkleben  von  Papier  kenntlich 
machen.  Da  öfter  Abdeckungen  der  Platten  behufs  zweier 
nach-  und  nebeneinander  zu  nehmenden  Aufnahmen  vorkommen, 
markiere  man  sich  auf  jeder  Tasche  deutlich  die  beiden  Mittel- 
linien. Die  Anzahl  der  vorrätig  zu  haltenden  Taschen  richtet 
sich  nach  der  Inanspruchnahme  des  Röntgenkabinetis.  Etwa 
je  zehn  von  den  kleineren  Formaten,  je  fünf  von  den  größeren 
zur  Verfügung  zu  haben,  erleichtert  sehr  ein  schnelles  Arbeiten. 

Vielfach  wird  empfohlen,  die  Platten  vor  dem  Einlegen 
mit  einem  breiten  Pinsel  abzustauben,  was  man  häufig  noch  im 
vollen  roten  Licht  recht  langsam  und  sorgfältig  ausgeführt 
sieht.  Die  sauber  eingepackten  Platten  pflegen  kaum  Un- 
reinigkeiten  aufgelagert  zu  haben,  sehr  leicht  ist  der  Pinsel 
nicht  sauber  oder  man  -  berührt  mit  dem  die  Haare  um- 
schließenden Blech  -die  Schicht,  was  sich  nachher  bei  der 
Entwicklung  als  Strich  zu  erkennen  gibt.  Da  ferner  die 
Platten,  besonders  die  neueren  Röntgenplatten,  gegen  rotes 
Licht  durchaus  nicht  unempfindlich  sind,  jede  Arerminderung 
der  Klarheit  der  Negative  alter  ängstlich  vermieden  werden 
muß,  tut  man  am  besten,  die  Platten  im  Dunkeln  oder 
mindestens  nicht  im  Licht  der  roten  Lampe  in  die  bequem 
zu  öffnenden  Taschen  ohne  weiteres  Abstauben  einzulegen. 
Man  muß  sich  überhaupt  gewöhnen,  alle  hierzu  notwendigen 
Griffe  ohne  Hilfe  der  Augen  und  ohne  Berührung  der  Schicht- 
seite sicher  auszuführen  und  bei  jedem  Stadium  der  Be- 
arbeitung die  Platte  immer  in  ganz  bestimmter  Weise  zu 
halten.  Am  besten  ist  der  Griff,  den  Daumen  an  einer  Ecke 
anzulegen  während  die  vier  Finger  die  Glasseite  von  unten 
stützen. 

Auf  der  andern  Längsseite  des  Dunkelzimmers  befindet 
sich  die  Einrichtung  für  nasse  Arbeiten.  Hierfür  muß 
vor  allen  Dingen  Wasserleitung  vorhanden  sein  mit  drei  bis 
vier  Zapfstellen  und  einem  Ausguß.  Der  hier  verwendete 
Tisch  (70  cm  breit)  kann  aus  drei  Böcken  (90  cm  hoch) 
und  losen  Brettern  zusammengesetzt  sein,  die  wieder  einfach 
aus  gefirnißtem  Kieferholz  bestehen.  Die  oberste  Platte  er- 
hält zweckmäßig  eine  Bedeckung  mit  dünner  Bleifolie.  Die 
zweite  Lage  der  Bretter  befindet  sich  etwa  12  cm  unterhalb 


166  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

der  ersteren,  die  dritte  Lage  ebenso  hoch,  über  dem  Erd- 
boden. Die  zweite  Etage  ist  für  die  Entwickelschalen,  die 
nnlere  für  die  Schalen  mit  Fixage  bestimmt. 

Vor  den  Tisch  kommt  ein  Rost  ans  hartem  Holz  von  etwa 
35  cm  Breite  und  von  der  Länge  des  Tisches  zu  liegen,  was  zur 
Trockenhaltung  des  Schuhwerkes  durchaus  erforderlich  ist. 

Auf  die  Tischplatte  werden  zwei  flache  Wannen  gesetzt, 
weiche  größer  sind  als  das  größte  zu  verarbeitende  Platten  - 
maß,  also  etwa  die  Größe  von  55  X  90  cm  bei  18  ein  Tiefe 
haben.  Die  eine  ist  bestimmt  für  das  Entwickeln,  nimmt 
aber  nicht  die  Platten  unmittelbar  auf,  sondern  dient  nur  für 
diesen  Teil  des  Prozesses  als  Ausguß.  Die  zweite  dient  als 
Wässerungsschale  für  die  fertigen  Negative.  Beide  müssen 
Ablauf  nach  dem  Ausgußbecken  haben,  was  durch  dicken 
Gummischlauch  bewirkt  werden  kann.  Die  Wannen  können 
aus  starkem  Zinkblech  oder  auch  aus  Holz  mit  Bleiverklei - 
düng  gefertigt  werden.  Der  Boden  wird  in  beiden  am  besten 
umgekehrt  dachförmig  gemacht  und  senkt  sich  zum  Ausfluß. 

Die  Wanne  für  das  Entwickeln  erhält  5  cm  unterhalb 
des  oberen  Randes  ein  grobes  Drahtnetz  eingelegt,  welches 
schnelles  Ausgießen  von  Flüssigkeiten  ohne  starkes  Spritzen 
gestattet  und  gleichzeitig  darauf  gesetzte  Schalen  sauber  erhält. 

Die  Wanne  zum  Wässern  erhält  einen  Ablauf  von  min- 
destens 5  cm  Durchmesser,  welcher  in  der  Mittellinie  des 
Bodens  oder  seitlich  angebracht  werden  kann  (siehe  Zeich- 
nung S.  170);  ferner  einen  darin  eingeschliffenen  Konus, 
der  in  seiner  Mitte  wieder  weit  geöffnet  ist,  mit  daran  an- 
gelötetem hohlem  zugleich  als  Ueberlauf  dienendem  Griff. 
Die  schrägen.  Boden  wände  dürfen  nicht  bis  zum  Rand  der  Wanne 
heraufgeführt  sein,  sondern  müssen  etwa  5  cm  unter]]  alb 
enden,  weil  sonst  das  Waschwasser  bei  jeder  Bewegung  über- 
fließt. Grade  diese  Form  der  AVanne  ist  den  Eigentümlich- 
keiten der  Röntgenpraxis  besonders  angepaßt.  Zu  diesen 
gehört  besonders  der  Umstand,  daß  man  dauernd  mit  einer 
Anzahl  verschiedener  Plattenformate  zu  tun  hat.  Man  kann 
nicht  für  jedes  Format  einen  besondern  Wässerungskasten 
haben,  vermag  auch  die  Platten  in  einem  größeren  mit  senk- 
rechter Standvorrichtung  weder  zu  bearbeiten  noch  zu  über- 
sehen. Dies  ist  alles  in  der  beschriebenen  Wanne  leicht 
ausführbar.  Auf  die  schrägen  Seiten  des  Bodens  können 
Platten  jeden  Formates,  die  kleinen  unten,  die  großen  oben 
gleich  gut  mit  der  Schicht  nach  unten  gelagert  werden.    Die 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  167 

freiliegende  Glasseite  kann  sofort  mit  einer  Bärste  abgeputzt 
und  so  die  gröbsten  Verunreinigungen  der  Rückseite  gleich 
im  Anfang  sicher  entfernt  werden1).  Durch  die  sehr  weite 
Ausflußöffnnng  entsteht  beim  Aufheben  des  Stopfens  sofort 
eine  starke  Strömung,  welche  alle  Abfälle  an  Gelatine,  Glas- 
splittern u.  s.  w.  schnell  entfernt.  Endlich  dient  die  Wanne 
in  sicherster  und  bequemster  Weise  zur  völligen  Auswässerung 
der  Platten.  Hat  man  dieselben  gebürstet  und  abgespült,  so 
füllt  man  die  Wanne  bis  zum  Rande  mit  reinem  Wasser  und 
laßt  ruhig  stehen.  Die  schwere  Lösung  des  Doppelsalzes  fließt 
immer  über  die  Glasseiten  nach  unten  ab  ohne  in  die  Schicht 
der  unteren  Platten  einzutreten.  Lüftet  man  nun  alle  5  bis 
10  Minuten  den  Abflußkonus,  so  fließt  immer  die  dichteste 
Lösung  unten  ab  und  von  oben  tritt  neues  Wasser  an  die 
Platten  heran.  Mit  einer  Füllung  der  Wanne  kann  man  so 
mehrere  Lagen  von  Platten  im  Laufe  von  etwa  einer  halben 
Stunde  sicher  auswässern.  Der  breit  und  offen  daliegende  Boden 
der  Wanne  gestattet  schließlich  jederzeit  leichte  Reinigung. 
Die  Aufstellung  der  beiden  Wannen  erfolgt  derartig,  daß 
ihr  hinterer  Rand  etwa  15  cm  von  der  Wand  entfernt  bleibt. 
Hier  wird  durch  ein  15  cm  breites  Brett,  welches  oben  den 
Wannenrand  überschreitet,  ein  schmales  Tischchen  gebildet, 
welches  die  Flüssigkeiten  zum  Entwickeln,  die  Mensuren  und 
dergl.  aufnimmt  und  welches  am  besten  eine  auf  die  Wand 
heraufreichende  und  in  die  Wannen  herabhängende  Bekleidung 
von  1  mm  dickem  Walzblei  erhält.  Seitlich  stehen  die 
Wannen  so  weit  von  einander  entfernt,  daß  auf  dem  er- 
wähnten Tischchen  die  rote  Lampe  Platz  findet.  Der  Raum 
vor  ihr  wird  in  derselben  Breite  durch  ein  mit  dünnem 
Blei  geschütztes  Brettchen  ausgefüllt,  welches  gelegentlich 
zum  Aufsetzen  der  Schalen  dient. 


1)  Auf  die  sofort  erfolgende  Reinigung  der  Rückseite  gleich  nach 
dem  Fixieren  muss  besonderes  Gewicht  gelegt  werden.  In  sehr  vielen 
Fällen  will  man  sobald  wie  möglich  sich  über  den  Befund  orientieren. 
Dies  wird  schon  erschwert  durch  das  in  Schlieren  herabfliessende  Wasser, 
kann  aber  ganz  unmöglich  werden,  wenn  dazu  noch  die  gewöhnlichen 
Unreinigkeiten  der  Rückseite  kommen.  Allerdings  lassen  sie  sich  auch 
nach  dem  Trocknen  der  Platte  noch  durch  Abkratzen  entfernen,  dies 
erfordert  jedoch  mehr  Arbeit  als  wenn  die  Gelatineteilchen  aufgeweicht 
sind.  Aus  allen  diesen  Gründen  ist  das  sofortige  Abbürsten  der  Platten, 
wenn  sie  aus  der  Fixage  kommen,  am  meisten  zu  empfehlen. 


168  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

An  Wasserhähnen  bedarf  man  zunächst  des  gewöhn- 
lichen über  dem  Ausgußbecken.  Ferner  muß  sich  ein  Schwenk- 
hahn mit  Brause  in  der  Mitte  jeder  Wanne  befinden.  Es  ist 
vorteilhaft,  die  Breite  des  Tischchens  hinter  den  Wannen 
(15  cm)  durch  ein  starres  Rohr  zu  überbrücken  und  erst  hier 
den  Drehpunkt  anzuschließen.  In  dem  starren  Rohr  muß  für 
jede  Brause  ein  besonderes  Absperrventil  angebracht  sein, 
welches  die  Stärke  des  Wasserdruckes  zu  regulieren  gestattet.- 
"Die  Plöhe  der  Brause  über  dem  Fußboden  beträgt  etwa  1,50  m. 
An  einem  der  Wasserhähne  muß  noch  ein  Abzweig  angebracht 
werden,  von  welchem  durch  einen  Gummischlauch  Wasser  in 
die  Wässerungswanne  geleitet  werden  kann.  .Man  vermag 
alsdann  hier  auch  Papierbilder  zu  spülen  und  entnimmt  über- 
haupt zum  Wässern  das  Wasser  besser  hier,  da  durch  die 
Brause  zuviel  Luftblasen  mitgerissen  werden,  welche  an  der 
Schicht  sich  ansetzend  zu  Plattenfehlern  Anlaß  geben  können. 

Diese  Einrichtung  der  Wasserleitung  ist  die  einzige  Ver- 
änderung von  einiger  Dauerhaftigkeit,  welche  aber  nicht  zu 
umgehen  ist.  Dadurch,  daß  von  der  Zapfstelle  über  dem 
Ausguß  einfach  eine  Abzweigung  aus  Bleirohr  auf  der  Wand 
verlegt  wird,  läßt  sich  übrigens  auch  hier  die  Veränderung 
eines  Lazarettzimmers    auf    das    geringste  Maß  beschränken. 

An  einer  oder  mehreren  Wänden  bringt  man  zweck- 
mäßig Consolbretter  von  20  cm  Breite  für  Chemikalien, 
Flaschen  u.  dgl.  an.  Einige  eiserne  Winkel  und  Haken 
genügen  zur  sicheren  Befestigung. 

An  Schalen  braucht  man  drei  verschiedene  Arten, 
welche  am  besten  aus  verschiedenem  Material  hergestellt 
sind  und  stets  zu  denselben  Zwecken  gebraucht  werden. 

Zum  Entwickeln  nimmt  man  die  leichten  Schalen 
aus  schwarz  lackiertem  Papiermache.  Grosse  Schalen, 
3 — 5  cm  größer  als  das  Plattenformat,  sind  immer  zweck- 
mäßiger als  kleine,  weil  die  Platten  sich  leichter  heraus- 
heben lassen.  Folgende  Formate  sind  erforderlich  eine  zu 
42  X  52  cm,  eine  zu  37  X  40  cm  und  zwei  zu  19  X  26  cm. 

Zum  Fixieren  stellt  man  sich  unter  den  Entwickeltisch 
2 — 3  größere  Schalen  aus  weißem  Porzellan  auf,  welche 
dauernd  reichlich  mit  Fixieriösung  gefüllt  bleiben,  auch  deren 
Beschaffenheit  dauernd  leicht  kontrollieren  lassen.  Es  ist 
durchaus  notwendig,  hierfür  eine  genügende  Anzahl  von 
Schalen  zu  besitzen,  denn  nichts  ist  störender  als  wenn 
Patten    entwickelt    sind    und    aus    Mangel    an    Platz    nicht 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  169 

fixiert  werden  können.  Trocknet  die  Lösimg"  einmal  ein,  so 
kann  sie  einfach  durch  Wasserzusatz  wieder  gebrauchsfähig 
gemacht  werden.  Durch  die  Aufstellung  dieser  .Schalen  uni  er 
dem  Tisch  wird  auch  am  besten  dem  Verschleppen  oder 
Verspritzen  von  Fixiernatron  vorgebeugt.  Die  Größen  sind: 
zwei  zu  42  X  53  cm,  da  man  in  einer  mehrere  kleine 
Negative  fixieren  kann. 

Zum  Tonfixierbad  gebraucht  man  auch  besondere 
Schalen,  welche  entweder  ebenfalls  aus  Porzellan  oder  behufs 
besserer  Unterscheidung  aus  emailliertem  Eisenblech  sein 
können.  Letztere  sind  allerdings  nicht  besonders  dauerhaft, 
aber  ihrer  Leichtigkeit  wegen  bequem.  Es  genügt  eine  große 
Schale  von  42  X  52  cm. 

Einige  weitere  Porzellanschalen  mittlerer  Größe  sind 
erforderlich  zum  Abschwächen  und  zum  Untersetzen  unter 
die  trocknenden  Negative,  Größe  etwa  31  X  38  cm,  zum 
Verstärken    können  die  Entwickelschalen  genommen  werden. 

Entwickelt  man  Papierbilder,  so  erweisen  sich  die  ge- 
wöhnlichen käuflichen  Schalen  als  unzweckmäßig,  da  das 
nasse  Papier  sich  an  den  schräg  gestellten  Wänden  in  die 
Höhe  schiebt  und  hierdurch  Verluste  entstehen  können.  Hier 
muß  man  sich  durch  Klemmen  helfen,  die  man  sich  aus 
hartgezogenem  Messingdraht  selber  anfertigen  und  auf  die 
Ränder  klemmen  kann,  oder  man  stellt  sich  aus  leichtem 
Elsenholz  besondere  Schalen  mit  senkrechten  Wänden  zu- 
sammen, welche  man  durch  einen  Ueberzug'  von  weißem 
Celluloid1)  dichtet. 

Zum  Aufgießen  der  Entwicklerlösung  sind  am  bequemsten 
die  bekannten  weiß  emailliertenEisengefäße,  welche  einHinfallen 
im  Dunkeln  vertragen  ohne  zu  zerbrechen.  Ihre  Ausmessungen 
lernt  man  sehr  bald  kennen  und  bedarf  dann  der  Mensuren 
nicht  mehr.  Man  braucht  zwei  kleinere  zu  etwa  300  und 
500  ccm  und  ein  größeres  zu  etwa  1  Liter  Inhalt. 

Gefäße  zur  Standentwieklunff  muß  man  von  einer  Firma 


1)  Weisses  Celluloid  (Abfälle  aus  einer  Schirmfabrik)  werden  mit 
Amylacetat  und  Aceton  zu  gleichen  Teilen  Übergossen  und  zu  einem 
dicken  Brei  verarbeitet,  der  sich  aufstreichen  (auch  z.  B.  zu  Korsetts 
bei  Behandlung  von  Skoliosen  und  ähnlichen  Zwecken  verwenden) 
lässt.  Ein  Klebemittel  für  Celluloidplatten  erhält  man  aus  Amylacetat 
und  Aceton  zu  gleichen  Teilen  unter  Hinzufügung  von  10  pCt.  bestem 
Kampher. 


170 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 
Kr.  58  a. 


Wanne  aus  Zinkblech  oder  Holz  mit  Bleibekleidung    für  das  Entwickeln 

der  Platten. 


Fig.  58  b. 


Wanne  ans  Zinkblech  oder  Holz  mit  Bleibekleidung  zum  Wässern 
der  Platten. 


Für.  58  c. 


# 


^ 


Sern.    '  Stocm. 

Dieselbe  Wanne  im  Längs-  und  Querschnitt. 


Die  Einrichtuno:  der  Röntgenstation. 


171 


beziehen    (W.    A.    Hirschmann-Berlin,    Ziegelstr.    30    oder 
L.  J an owski -Berlin,  Elisabethstr.  14). 

Zum  Trocknen  der  nassen  Negative  braucht  man  einige 


Fig.  58  e. 

60cm.    - >! 


Bock  für  den  Entwickeltes  eh. 


Fig.  ÖS  f. 


Tisch  für  nasse  Arbeiten  (von  oben  gesehen). 


Trockenböcke,  welche,  aber  für  die  großen  Platten  ent- 
sprechende Abmessungen  haben  müssen.  Durch  Sieden  in 
Paraffin  werden  sie  wasserdicht.  Films  und  Papierbilder 
werden  an  Nadeln  oder  besonderen  Klammern  aufgehängt. 


172 


Die  Einrichtung  der  Köntgenstation. 
Fig.  58  g. 


Tisch  für  nasse  Arbeiten  (von  vorn  gesehen). 
Fi  ff.  58  h. 


Tisch  für  trockene  Arbeiten. 


Eine  Wage  (einfacher  Art  bis  2  Kilo  reichend)  ist  er- 
forderlich, um  die  Lösungen  auf  der  Station  ansetzen  zu 
können.  Ebenso  eine  Glasmensur  zu  100  cem  und  eine 
zu  1000  com.  Ferner  ein  Gaskocher  zur  raschen  Her- 
stellung heißer  Lösungen. 

Da    ffeleeentlich    ein  Zerteilen    von  Platten  vorkommen 


Die  Einrichtung  der  Röntgenstation.  173 

kann,  muß  ein  gut  schneidender  Glaserdiamant  vorhanden 
sein  und  dessen  Gebrauch  sicher  erlernt  werden,  namentlich 
auch  die  Handhabung  im  Dunkeln  (bei  unbelichteten  Platten;. 
Hierzu  sind  ein  festes,  am  besten  eisernes  Lineal  und  zur 
Einübung  alte  Glasplatten  erforderlich.  Unbenutzte  Platten 
werden  von  der  Schichtseite  aus  geschnitten,  weil  beim 
Schneiden  von  der  Rückseite  die  Gelatine  unregelmäßig  ein- 
reißt und  sich  ablöst. 

Da  das  Arbeiten  mit  den  verschiedenen  photographischen 
Lösungen  die  Haut  der  Hände  sehr  angreift,  sie  trocken  und 
brüchig  macht  oder  zu  Warzenbildungen  Anlaß  gibt,  bedient 
man  sich  feiner  Gummifinger  oder  am  besten  ganzer  Gummi- 
handschuhe, deren  das  Gefühl  abstumpfende  Wirkung  man 
bald  überwinden  lernt. 

Für  die  in  der  Dunkelkammer  gebrauchten  Tische, 
Wannen  u.  s.  w.  haben  sich  gewisse  Maße  und  Ausführungs- 
arten bewährt,  welche  den  Vorzug  haben,  daß  sie  leicht  her- 
zustellen, billig  und  für  alle  vorkommenden  Anforderungen 
hinreichend  sind.  Die  Abmessungen  sind  aus  den  beigefügten 
Abbildungen  zu  ersehen.  Ihre  Anfertigung  kann  von  jedem 
Handwerker  (sogar  auch  auf  der  Scheibenwerkstatt)  besorgt 
werden,  außerdem  sind  sie,  obwohl  hinreichend  stabil,  mit 
Leichtigkeit  auseinander  zu  nehmen  und  an  einem  andern 
Ort  aufzustellen.  Da  die  Maße  überall  angegeben  sind,  kann 
nach  den  Zeichnungen  unmittelbar  gearbeitet  werden. 


Das  Zimmer  zur  Fertigstellung  der  Bilder 

kann  allenfalls  von  den  andern  getrennt  liegen.  Be- 
sondere Verdunkelungseinrichtungen  außer  den  gewöhnlichen 
Rouieaux  sind  nicht  erforderlich,  da  hier  nur  Arbeiten  ge- 
macht werden  sollen,  welche  mäßiges  Licht  vertragen.  Hier 
werden  die  Abzüge  im  Tonfixierbad  behandelt  und  später  zum 
Trocknen  aufgehängt.  Sie  werden  alsdann  beschnitten,  auf- 
geklebt und  satiniert.  Hier  braucht  man  also  einen  großen 
Tisch  zum  Arbeiten  und  wird  ferner  die  Schneide-  und 
Satiniermaschine  aufsteilen.  Hier  werden  auch  die  fertigen 
Bilder  „ausgefleckt",  d.  Jb..  die  etwa  im  Positiv  erschienenen 
weißen  Pünktchen  mit  dunkler  Farbe  gedeckt.  Neben  elek- 
trischer oder  Gasbeleuchtung  ist  es  erwünscht,  hier  einen 
Gaskocher    zu  haben,    um  warmes  Wasser   zu  Kleister    oder 


174  Die  Einrichtung  der  Röntgenstation. 

andern  Zwecken  herzustellen.  Daß  auch  hier  Wasserleitung 
mit  Ausguß  erwünscht  ist,  liegt  auf  der  Hand. 

Hier  können  auch  die  fertigen  Negative,  die  sich  bald 
zu  stattlichen  Massen  ansammeln,  aufbewahrt  werden.  Was 
überhaupt  mit  den  alten  Negativen  geschehen  soll,  welche 
zum  allergrößten  Teil  nur  wenige  Male  gebraucht  werden, 
ist  noch  nicht  klar.  Sie  stellen  mit  den  schweren  Glastafeln 
einen  Ballast  dar,  welchen  zu  verwalten  die  Lazarette  weder 
Zeit  noch  Raum  haben.  Sehr  erleichtert  würde  die  Sache, 
wenn  es  gelänge,  die  Gelatine  von  den  Tafeln  zu  trennen 
und  für  sich  aufzubewahren.  Letztere  können  in  den  Platten- 
fabriken wieder  verwendet  werden.  Versuche  in  dieser  Rich- 
tung sind  durch  Anwendung  von  Formalinlösungen,  welche 
die  Gelatine  härten  und  vom  Glase  abziehbar  macheu,  an- 
gestellt, haben  jedoch  zu  einem  allgemein  zu  empfehlenden, 
einfachen  und  sichern  Verfahren  noch  nicht  geführt1).  Sollte 
ein  solches  aufgefunden  werden,  so  würde  es  sicher  von 
größter  Bedeutung  grade  für  Militärlazarette  werden. 

Von  Stein2)  und  Holzknecht3)  sind  sehr  sinnreiche 
Systeme  angegeben,  um  Platten  zahlreicher  Formate  nach 
gewissen  Gesichtspunkten  leicht  auffindbar  aufzubewahren, 
also  besonders  nach  Namen,  nach  Diagnosen  und  nach  der 
Körperregion.  Für  Militärlazarette  dürfte  die  Festlegung 
durch  eine  ein  Jahr  fortlaufende  Nummerierung  in  allen  Fällen 
ausreichen,  namentlich  wenn  in  der  genau  zu  führenden 
Liste  (s.  S.  160)  auch  das  Format  der  Platte  stets  an- 
sehe ben  wird. 


1)  S.  Eder,  Ausführliches  Handb.  d.  Photographie  Bd.  III  S.  575. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen  1902  Bd.  V 
S.  183. 

3)  Ebendas.  S.  308. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  175 


5.  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


Aus  den  Eigenschaften  der  wunderbaren  Strahlenart  geht 
hervor,  daß  ihre  Verwendung  zwei  große  Gebiete  umfaßt, 
nämlich  die  Diagnostik  und  die  Therapie.  Unstreitig 
hat  das  erstere  für  Militärlazarette  eine  bei  weitem  über- 
wiegende Bedeutung,  denn  wenn  auch  die  Lazarette  in  keiner 
Hinsicht  den  zivilen  Heilanstalten  nachstehen,  so  erstreckt 
sich  ihre  Wirksamkeit  auf  Kranke  doch  nur  so  lange  als 
dieselben  dem  Militärstande  angehören.  Bedingt  aber  ein 
länger  dauerndes  Leiden  das  Ausscheiden  aus  dem  Militär- 
verhältnis, so  hört  damit  in  der  Regel  auch  die  Verpflegung 
in  einem  Militärlazarett  auf.  Die  dankbarsten  Fälle  für  eine 
Behandlung  mit  X-Strahlen  wie  Lupus,  chronische  Ekzeme 
ii.  dgl.  wird  man  daher  hier  nicht  antreffen. 

Was  mm  die  diagnostische  Anwendung  der  Röntgen- 
strahlen anbetrifft,  so  beruht  sie  ja  auf  ihrer  Eigenschaft, 
von  den  verschiedenen  Körpern  je  nach  ihrer  Dichte  und 
ihrem  atomistischen  Aufbau  in  verschiedenem  Grade  absor- 
biert zu  werden.  Schicken  wir  sie  durch  einen  beliebigen 
Körper  hindurch,  so  zeigen  sie  uns  auf  dem  leuchtenden 
Schirm  oder  der  Platte  die  verschiedene  Dichtigkeit  der 
durchstrahlten  Partieen  an  und  erlauben  uns  hieraus  mit  dem 
Gesichtssinn  Schlüsse  auf  die  innere  Beschaffenheit  von 
Teilen  zu  ziehen,  welche  unserm  Auge  direkt  vollkommen 
verborgen  sind.  Alle  möglichen  Gegenstände  aus  dem  Tier-, 
Pflanzen-  und  Mineralreich  können  mit  dieser  idealen  Sonde 
für  die  Dichten  der  Körper  untersucht  werden. 

Unter  den  Edelsteinen  ist  besonders  der  Diamant  für 
X-Strahlen  völlig  durchgängig  und  erlaubt  eine  leichte  Unter- 
scheidung von  jeder  Nachahmung.  Nicht  zu  dicke  Metallteile, 
wie  eiserne  Schlösser,  Flintenläufe  sind  ebenfalls  genügend 
durchgängig,  um  das  Innere  beurteilen  zu  lassen.  Röntgen1) 
berichtete  bereits  im  März  1897  über  ein  mittelst  einer  harten 
Röhre  erhaltenes  photographisches  Schattenbild  von  dem 
Doppellauf  eines  Jagdgewehres,  in  welchem  alle  Einzelheiten 


1)  Wiedemanns  Annalen  1897  Bd.  64  S.  30. 


176  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

der  Patronen,  die  inneren  Fehler  der  Damastläufe  u.  s.  w.  sehr 
deutlich  erkennbar  waren.  Aehnliche  Aufgaben  können  im 
militärischen  Leben  wohl  einmal  vorkommen. 

Fast  alle  Herkünfte  aus  dem  Pflanzenreich  sind  be- 
sonders leicht  für  die  X-Strahlen  durchdringbar.  Im  Holz 
läßt  sich  der  Verlauf  der  Jahresringe,  in  Früchten  vielfach 
die  Lagerung  einzelner  Teile  demonstrieren.  Dies  kann  von 
Wert  sein  bei  seltenen  Stücken,  welche  unzerteilt  auf  bewahrt 
werden  sollen.  Im  Garnisonlazarett  I  Berlin  sind  mehrfach 
derartige  Aufnahmen  für  das  botanische  Museum  gemacht 
worden.  Eine  besondere  Wichtigkeit  besitzt  diese  Unter- 
suchung zur  Erkennung  der  Verfälschung  von  pflanzlichen 
Nahrungsmitteln,  z.  B.  Kaffeebohnen,  Chokolade  u.  s.  w.,  bei 
denen  die  nicht  vegetabilischen  Beimengungen  sich  beim 
ersten  Blick  auf  dem  leuchtenden  Schirm  erkennen  lassen. 
Wie  den  städtischen  Untersuchungsämtern  können  derartige 
Aufgaben  sehr  leicht  auch  den  militärischen  Röntgenkabinetten 
gestellt  werden. 

Eine  ähnliche  Verwertung  haben  die  Röntgenstrahlen  ge- 
funden bei  der  Untersuchung  von  mumifizierten  Menschen 
oder  Tieren,  wobei  der  sorgfältig  eingewickelte  Inhalt  ent- 
rätselt werden  kann,  ohne  die  kunstvollen  Hüllen  zu  lösen. 
Aus  der  Tierarzneikunde 1)'  liegen  Veröffentlichungen  vor  über 
erfolgreiche  Diagnosen  bei  Pferden  und  anderen  Haustieren, 
welche    verheißungsvolle  Ausblicke    in    die  Zukunft  ergeben. 

Das  Röntgenkabinett  in  Militärlazaretten  hat  es  aber 
vor  allen  Dingen  mit  der  Diagnose  am  lebenden  erwachsenen 
menschlichen  Körper  zu  tun.  Die  Möglichkeit  der  Durch- 
strahlung ist  hier  langsam  von  den  Fingern  bis  auf  die 
dicksten  Körperteile  gestiegen  und  die  Zeitdauer  der  Ex- 
position bis  auf  Minuten  und  Sekunden  herabgegangen. 

Vor  allem2)  muß  das  Instrumentarium  tadellos  sein. 
Sind  alle  vorher  beschriebenen  Apparate  in  guter  Ordnung, 
der  Induktor    genügend  kräftig,    um  Funken  von  wenigstens 


1)  Hoff  mann,  Portschritte  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen 
1901  Bd.  V  S.  138. 

2)  Die  hier  folgenden  Gesichtspunkte  habe  ich  in  meinem  Vortrag: 
Ueber  die  für  den  Sanitätsdienst  erforderliche  feinere  Diagnose  kleinster 
Verletzungen  und  Abweichungen  vom  Normalen  mit  Hülfe  der  Röntgen- 
strahlen, gehalten  in  der  Sektion  für  Militärmedizin  des  XIII.  internat. 
medizin.  Kongresses  zu  Paris  1900.  schon  zum  Teil  behandelt. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  177 

40  cm  Länge  zu  geben,  die  Stromquelle  zuverlässig  ange- 
schlossen, der  Unterbrecher  in  regelmäßiger  Tätigkeit  und  die 
Röhre  weder  zu  weich  noch  zu  hart,  so  kann  zur  praktischen 
Verwertung  der  X-Strahlen  geschritten  werden.  Alle  zu 
untersuchenden  Gegenstände  müssen  zwischen  die  Röhre  und 
•die  Platte  oder  den  Schirm  (dem  letzteren  möglichst  an- 
liegend) gebracht  werden,  soclaß  die  sie  durchsetzenden  Strahlen 
hier  Schattenbilder  entwerfen.  Auf  dem  Schirm  entstehen  sie 
in  sofort  für  das  Auge  lesbarer  Schrift,  auf  der  Platte  müssen 
.sie  erst  durch  sachgemäße  Behandlung  entwickelt  werden. 
Alle  technische  Mühe  des  Untersuchers  hat  zum  Ziel,  die- 
selben möglichst  klar  und  deutlich  zu  erhalten,  während 
seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit  die  Entzifferung  der  von 
sämtlichen  schattengebenden  Schichten  über  einander  ent- 
worfenen Schattenbilder  zufällt. 

Die  Deutung  derselben  ist  durch  verschiedene  Umstände 
•erschwert.  Da  die  einzelnen  Substanzen  entsprechend  ihrer 
Dichtigkeit  die  X-Strahlen-  zurückhalten,  so  können  sich  in 
<len  Schatten  Differenzen  nur  da  finden,  wo  Dichtigkeits- 
unterschiede neben  einander  vorkommen.  Am  menschliehen 
Körper  werden  z.  B.  die  Weichteile  eines  Armes  oder  Beines 
nur  geringe  Differenzen  erkennen  lassen,  da  die  Dichtigkeit 
der  verschiedenen  Gewebe  nahezu  die  gleiche  ist.  Einzig 
•die  Knochen  treten  wegen  ihres  infolge  der  Kalksalze  er- 
heblich dichteren  Gefüges  deutlich  aus  der  Masse  der  Weich- 
teile hervor.  Ebenso  werden  dichte  Fremdkörper  von  Metall, 
Glas,  Porzellan  und  dergl.  sich  deutlich  abheben,  während 
Holzsplitter  unsichtbar  bleiben.  Bei  Durchleuchtungen  des 
Brustkorbes  jedoch,  in  welchem  luftgefüllte,  kalkhaltige,  blut- 
l'ührende  muskulöse  und  massige  drüsige  Teile  dicht  neben 
•einander  vorkommen,  wird  eine  Abgrenzung  derselben  gegen 
einander  gut  möglich  sein,  wozu  beim  Lebenden  noch  die 
bei  der  Atmung  zu  beobachtende  Verschiebung  der  Organe 
erleichternd  hinzutritt. 

Eine  weitere  Erschwerung  der  Deutung  liegt  in  der  Ent- 
stehung des  Schattenbildes  durch  zentrale  Projektion.  Je 
näher  ein  Teil  der  Röhre  liegt,  unter  desto  größerem  Winkel 
wird  er  auf  die  Platte  oder  den  Schirm  projiziert.  Bei  der 
Deutung  des  Schattenbildes  muß  also  unter  Verwertung  aller 
topographisch  -  anatomischen  Tatsachen  diesem  Umstände 
dauernd  Rechnung  getragen  werden.  Diesem  Uebelstande  kann 
man  einigermaßen  begegnen,  wenn  man  die  Entfernung  zwischen 

Stechow,  Das  Röntgen-Veifahren.  i.} 


178  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Rühre  und  Platte  nicht  zu  klein  wählt.  Zwar  nimmt  die 
Intensität  der  Wirkung  mit  dem  Quadrat  der  Entfernung  abr 
die  doppelte  Entfernung  erfordert  also  unter  sonst  gleichen 
Umständen  die  vierfache  Expositionszeit,  allein  die  richtigere 
Projektion,  welche  man  auf  diese  Weise  erhält,  wiegt  bei  weitem 
den  Zeitverlust  auf.  Es  ist  oft  empfohlen,  die  Entfernung 
der  Röhre  je  nach  der  Dicke  des  aufzunehmenden  Körper- 
teiles verschieden  zu  wählen.  Für  den  praktischen  Gebrauch 
kann  man  vier  Abstufungen  unterscheiden  (Hand,  Arm,  BeinT 
Rumpf),  welchen  alsdann  Entfernungen  von  30,  40,  50  und 
60  cm  entsprechen  würden.  Für  diese  Anordnung  wird  an- 
geführt, daß  die  Streuung  jedesmal  etwa  den  gleichen  Betrag 
erreicht,  und  daß  man  für  jeden  Körperteil  die  kürzeste 
Expositionszeit  wählen  kann.  Es  läßt  sich  indessen  die 
Sache  wesentlich  vereinfachen.  Einmal  spielt  bei  den  heutigen 
Apparaten  die  Expositionszeit  keine  Ausschlag  gebende  Rolle 
mehr.  Ferner  ist  Niemand  gewohnt,  bei  Betrachtimg  von 
Knochen  diese  nach  ihrer  Größe  in  den  oben  genannten  Ab- 
stufungen der  Entfernung  vor  das  Auge  zu  halten,  sondern 
man  kann  annehmen,  daß  ein  einzelner  Knochen  in  etwa 
50  cm,  der  Brustkorb  oder  das  Becken  in  60 — 70  cm  deut- 
lich gesehen  werden.  Die  bei  einer  solchen  Betrachtung  sich 
ergebenden  Umrisse  haben  sich  dem  Gedächtnis  eingeprägt. 
Benutzt  man  dieselben  Entfernungen  bei 'Beobachtungen  auf 
dem  Schirm  oder  bei  Aufnahmen  auf  der  Platte,  so  findet 
man  bekannte  Linien,  in  welchen  man  sich  leicht  zurecht- 
findet. 

Eine  weitere  Schwierigkeit  ergibt  sich  noch  aus  der 
.Lagerung  der  aufzunehmenden  Körperteile.  Sämtliche  Knochen 
haben  sehr  mannigfaltig  gestaltete  Umrisse,  soclaß  schon  ge- 
ringe Veränderungen  der  Lage,  Drehung  oder  Verschiebung, 
;ganz  andere  Randlinien  des  Knochenschattens  ergeben  können. 
Das  mag  bei  groben  Veränderungen,  unzweifelhaften  Brüchen 
oder  Verrenkungen,  nicht  viel  zu  sagen  haben,  bei  feineren 
Untersuchungen  kann  es  jedoch  sehr  irreführend  wirken. 

Aus  dem  Vorstehenden  erhellt  sofort,  daß  bei  der 
Röntgopraphie  im  allgemeinen  die  Technik  im  weitesten 
■Sinne,  welche  sich  aus  zahlreichen  Einzelheiten  zusammen- 
setzt, von  erheblicher  Wichtigkeit  ist,  und-  daß  eine  voll- 
kommene Beherrschung  der  Methoden  unerläßliche  Vorbe- 
dingung für  Unanfechtbare  wissenschaftliche  Schlußfolge- 
.rungen  ist. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  179 

Von  noch  weiter  gehender  Bedeutung  ist  jedoch  die 
Technik  für  die  Militärmedizin.  Zwar  fußt  die  letztere  wie 
alle  anderen  medizinischen  Disziplinen  auf  denselben  alige- 
meinen Grundlagen  und  kann  der  seitlichen  Fühlung  nicht 
ontraten,  aber  auf  ihrem  engeren  Gebiet  erwachsen  ihr  Auf- 
gaben, für  welche  sie  allein  die  Lösungen  finden  muß.  In 
dem  hier  ins  Auge  zu  fassenden  Abschnitt  ihrer  Aufgaben 
•ist  es  die  Erkennung  und  Bewertung  von  minimalen  Ver- 
letzungen und  Abweichungen  von  der  Norm,  welche 
eine  ganz  besonders  sorgfältige  und  sichere  technische  Be- 
arbeitung erfordern.  Nach  einem  anscheinend  unbedeutenden 
Fall  auf  die  Hand  z.  B.  stellen  sich  im  Ellenbogen-  oder 
Handgelenk  geringfügige  Symptome  ein,  welche  als  „Kon- 
tusion" aufgefaßt  werden  und  nach  einer  Behandlung  von 
wenigen  Wochen  anscheinend  ganz  geschwunden  sind.  Beim 
Versuch  Dienst  zu  tun,  ergibt  sich  jedoch  bald  eine  Be- 
schränkung der  Beweglichkeit  in  einer  oder  mehreren  Rich- 
tungen, welche  zwar  an ,  sich  unbedeutend  ist,  jedoch  das 
strenge  Einhalten  der  vorgeschriebenen  Formen  erschwert 
oder  unmöglich  macht.  Ein  ander  Mal  kommt  ein  sonst  ge- 
sunder und  kräftiger  Mensch  dadurch  zur  militärärztlichen 
Beurteilung,  daß  er  den  Fuß  nicht  in  der  verlangten  Weise 
zu  strecken  -vermag  wie  die  andern. 

In  allen  solchen  oder  ähnlichen  Fällen  handelt  es  sich 
um  Gesunde  oder  Genesene  mit  geringen  Ausfallserschei- 
nungen, welche  niemals  zur  Kenntnis  einer  Zivilklinik  ge- 
langen würden  und  deren  Defekte  nur  dadurch  an  den  Tag 
kommen,  daß  sie  den  erhöhten  Anforderungen  des  Militär- 
dienstes nicht  oder  nicht  mehr  gewachsen  sind.  Nun  müssen 
aber  mannigfache  dienstliche  Verrichtungen  von  dem  Sol- 
daten in  ganz  bestimmter  Form  gefordert  werden.  Diese 
Leistungen  sind  keine  freiwilligen,  und  wie  bei  gröberen  sinn- 
fälligen Fehlern  das  Gesetz  eine  Befreiung  von  der  Dienst- 
pflicht ausspricht,  so  liegt  es  durchaus  im  Interesse  sowohl 
des  Mannes  wie  des  Staates  und  des  verantwortlichen  Sani- 
tätsoffiziers, Mittel  und  Wege  zur  Verfügung  zu  haben, 
welche  auch  kleinere  Abweichungen  mit  Sicherheit  aufzu- 
decken und  zu  bewerten  gestatten.  In  solchen  Fällen  die 
Sachlage  klarzustellen  und  in  Bezug  auf  Diensttauglichkeit 
bezw.  Pensionsberechtigung  zu  würdigen,  ist  einzig  die 
schwierige,  aber  dankbare  Aufgabe  des  Sanitätsoffiziers. 
Selbst    an    die   Unfallsärzte    dürften  Aufgaben    von    gleicher 

12* 


180  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Feinheit  nur  selten  herantreten,  da  der  zivile  Arbeiter  nicht 
in  demselben  Maße  an  die  äußere  Form  der  Arbeitsleistung- 
gebunden  ist  wie  der  Soldat. 

Aus  alledem  geht  hervor,  daß  die  Aufgabe  des  Sanitäts- 
offiziers, welchem  die  Leitung  eines  Röntgenkabinettes  über- 
tragen wird,  keine  leichte  ist,  und  daß  er  dauernd  hier  dieselbe 
Sorgfalt  und  peinliche  Gewissenhaftigkeit  aufzuwenden  hat  wie 
etwa  bei  Arbeiten  im  bakteriologischen  Laboratorium  oder 
bei  Ausübung  der  Asepsis.  Er  muß  seine  mannigfachen 
Apparate  genau  kennen,  ihr  Funktionieren  dauernd  beob- 
achten, das  Instandhalten  beaufsichtigen  oder  selber  besorgen, 
kleine  Schäden  sofort  beseitigen  und  bei  größeren  rechtzeitig 
die  Hülfe  des  Fabrikanten  anrufen.  Er  muß  ferner  die  ihm 
zugesandten  Fälle  sofort  derartig  überschauen,  um  den 
zweckmäßigsten  Weg  der  Untersuchung  angeben  zu  können. 
Daß  der  leuchtende  Schirm  für  die  in  einem  Militärlazarett 
vorkommenden  Fälle  nur  in  den  seltensten  Fällen  ausreichend 
ist,  mag  gleich  hier  erwähnt  werden.  Fast  durchgehends 
ist  die  photographische  Aufnahme  erforderlich,  welche,  wenn 
geschickt  ausgeführt,  besser  als  alle  Beschreibungen  das 
Tatsächliche  aktenmäßig  festlegt.  Allein  hierbei  ergibt  sich 
eben  die  Schwierigkeit,  daß  sie  geschickt,  d.  h.  den  Fall  er- 
schöpfend und  technisch  vollendet  hergestellt  sein  muß,  wenn 
sie  den  Anforderungen  genügen  soll. 

Die  „technische  Vollendung"  der  Negative  und  Positive 
ist  eine  unerläßliche  Forderung,  welche  der  Erkenntnis  und 
dem  Verständnis  auch  Fernerstellender  zu  gute  kommt.  Sie 
setzt  aber  völlige  Vertrautheit  mit  dem  photographischen  Ver- 
fahren voraus.  Glücklicherweise  ist  es  nicht  erforderlich, 
alle  Wege  der  unendlich  breiten  photographischen  Technik, 
Avelche  zum  Ziele  führen,  genau  zu  kennen.  Es  ist  völlig 
ausreichend,  wenn  ein  oder  das  andere  Verfahren,  welches 
gute  Resultate  ergibt,  vollkommen  beherrscht  wird.  Nach 
diesem  Grundsatz  ist  bei  der  Darlegung  der  photographischen 
Technik  weiter  oben  verfahren.  Unbenommen  bleibt  es  einem 
Jedem  und  höchst  anregend  und  anziehend  ist  es,  nach  ge- 
nauer Einübung  einer  einfachen  Methode  andere  Verfahren 
zu  versuchen  und  so  sein  Wissen  und  Können  später  auf 
eine  breitere  Grundlage  zu  stellen. 

Außer  der  Kenntnis  seiner  Apparate  und  der  Beherrschung 
der  photographischen  Technik  bedarf  der  Leiter  eines  mili- 
tärischen Röntgenkabinettes   aber  noch  etwas  weiterer  Hufs- 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  181 

mittel  zu  fruchtbringender  Tätigkeit.  Er  stellt  seine  Unter- 
suchungen nicht  für  sich  seiher  an,  sondern  für  einen  großen 
Kreis  von  Sanitätsoffizieren,  welche  mit  ihren  Kranken  auf 
das  Lazarett  angewiesen  sind  und  welche  der  Mehrzahl  nach 
mit  den  Einzelheiten  des  Verfahrens  nicht  so  vertraut  sein 
können.  Im  Interesse  aller  Beteiligten  liegt  es,  die  Bilder 
so  klar  und  übersichtlich  wie  möglich  zu  gestalten.  Geschieht 
dies,  so  werden  sie  bald  lernen,  auch  die  Negative  zu  be- 
urteilen. Noch  wichtiger  ist  diese  Forderung,  wenn  Positive 
angefertigt  und  etwa  nach  außerhalb  an  andere  Dienststellen 
weiter  gegeben  werden  müssen,  welche  zu  mündlicher  Auf- 
klärung nicht  zur  Verfügung  stehen.  Nach  allen  diesen  Gesichts- 
punkten ist  es  förderlich,  in  die  Aufnahmen  eine  gewisse 
Regelmäßigkeit,  eine  Art  Schema  zu  bringen,  welches  allen 
Beteiligten  bald  bekannt  wird  und  die  Beirrteilung  der  vor- 
liegenden Verletzung  ungemein  erleichtert.  Weiß  man  genau, 
in  welcher  Weise  ein  bestimmter  Körperteil  untersucht  zu 
werden  pflegt,  findet  man 'denselben  jedesmal  in  der  gleichen 
Lage  auf  der  Platte,  so  gewinnt  man  am  leichtesten  eine 
Uebersicht  und  erkennt  auch  kleinere  Abweichungen  rascher 
und  sicherer,  als  wenn  die  Aufnahmen  ohne  bestimmte  Regeln 
erfolgen.  Ein  solches  Schema  ist  sehr  wohl  möglich  anzu- 
wenden, da  die  zur  Untersuchung  kommenden  Soldaten  sowohl 
die  größte  Gleichmäßigkeit  der  Körperbeschaffenheit  darbieten 
als  auch  infolge  der  gleichartigen  Beschäftigung  vielfach  ähn- 
liche Verletzungen  aufweisen.  Es  hat  gleichzeitig  dem  Gesichts- 
punkt zu  genügen,  sowohl  das  gewählte  Plattenmateriai  aufs 
beste  auszunutzen,  um  die  nicht  unerheblichen  Kosten  dieses 
Verfahrens  in  zulässigen  Grenzen  zu  halten,  als  auch  die  ver- 
schiedenen Körpergegenden  in  bester  und  vollständigster  Weise 
zur  Anschauung  zu  bringen.  Uebrigens  beansprucht  es  keine 
weitergehende  Gültigkeit  als  z.  B.  die  Vorschriften  für  die 
gerichtlichen  Leichenöffnungen.  WTie  diese  soll  es  nur  den 
Weg  zeigen,  bei  dessen  Befolgung  die  Untersuchung  in  den 
gewöhnlichen  Fällen  gründlich  ist  und  zu  erschöpfender  Auf- 
klärung führt.  Besonderheiten  des  Falles  rechtfertigen  hier 
wie  dort  Abweichungen  von  dem  gewöhnlichen  Verfahren. 

Inbezug  auf  die  photographischen  Platten  ist  zunächst 
festzustellen,  daß  es  sich  empfiehlt,  auf  eine  kleine  Zahl  von 
Formaten  sich  zu  beschränken  und  für  jeden  Körperteil  stets 
dieselbe  Größe  zu  verwenden.  Dies  erleichtert  die  Aufbe- 
wahrung der  Platten  und  auch  Fernerstehenden  ungemein  die 


182  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Orientierung.  Als  Maße  haben  sich  folgende  bewährt;: 
18  X  24  cm  für  Finger,  Hand,  Ellenbogen,  Vorderfuß; 
A24  X  30  cm  für  zwei  Füße  von  oben,  Fuß  und  Fußgelenk 
seitlich,  zwei  Fußgelenke  von  vorn,  zwei  Unterarme,  allenfalls 
den  Kopf;  30  X  40  cm  für  den  ganzen  Kopf  sowohl  seitlich 
als  frontal,  Schulter,  Knie,  zwei  Unterschenkel ;  40  X  50  cm 
für  Brust,  Bauch  und  Becken.  Gewiß  reichen  für  einzelne 
Finger  auch  kleinere  Platten  als  18  X  24  cm  aus,  allein  man 
muß  immer  gesunde  Finger  zum  Vergleich  mitphotographieren 
und  kann  die  beiden  in  zwei  Richtungen  erforderlichen  Auf- 
nahmen bequem  auf  die  beiden  Enden  der  Platte  bringen, 
sodaß  dann  das  ganze  Krankheitsbild  auf  einer  Platte  ver- 
einigt ist. 

Bezüglich  der  Art  der  Platten  ist  festzuhalten,  daß  die 
gewöhnliche  Qualität,  wie  sie  von  Schleußner,  Smith,  Aktien- 
Gesellschaft  für  Anilinfabrikation  und  anderen  Firmen  geliefert 
werden,  vollkommen  genügt.  Es  kommt  darauf  an,  daß  die 
Emulsion  hinreichend  dick  aufgetragen  sowie  genügend  silber- 
haltig und  feinkörnig  ist,  um  ein  kräftiges  Negativ  zu  geben. 
Da  die  höchste  Empfindlichkeit  immer  mit  einer  Vergrößerung 
des  Kornes,  also  einer  Vergröberung  der  Zeichnung  verbunden 
ist,  wird  man  für  die  gewöhnlichen  Fälle  hiervon  keinen  Ge- 
brauch machen.  Die  mit  Farbstoffen  sensibilisierten  Platten 
bieten  ebenfalls  keine  Vorteile.  Die  Verwendung  von  Films 
hat  mancherlei  Schwierigkeiten.  Die  nur  einseitig  begossenen 
lassen  sich  zwar  ebenso  leicht  entwickeln  wie  Platten,  allein 
sie  zeigen  leicht  allerhand  Schatten,  welche  vielleicht  durch 
elektrische  Einwirkungen  auf  den  Schichtträger  zu  Stande 
kommen,  und  bieten  bei  der  späteren  Behandlung  durch  Ein- 
rollen so  große  Unbequemlichkeiten,  daß  man  namentlich  auf 
die  Verwendung  größerer  Formate  gern  verzichtet,  Die  auf 
beiden  Seiten  mit  sensibler  Gelatine  überzogenen  Films  bleiben 
grade,  geben  gute  klare  Negative  und  können  von  beiden 
Seiten  kopiert  werden.  Da  ihre  Bearbeitung  aber  zweifellos 
mehr  Mühe  und  Vorsicht  erheischt  als  die  der  Glasplatten, 
wird  man  auch  ihre  Verwendung  auf  besondere  Fälle  be- 
schränken, wie  z.  B.  Aufnahmen  von  Füßen  im  Stehen,  wobei 
Glasplatten  leicht  zerbrochen  werden. 

Um  die  Aufnahme  auf  Glasplatten  und  damit  die  Kosten 
des  negativen  Verfahrens  zu  umgehen,  ist  wiederholt  empfohlen 
worden,  unmittelbar  auf  lichtempfindliches  Papier  zu  projizieren 
.und    dieses    dann    zu    entwickeln.     Dies  Verfahren  erscheint 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  183 

theoretisch  sehr  verlockend,  zumal  das  Papier  ja  durchlässig 
ist,  man  also  mehrere  Aufnahmen  auf  einmal  machen  kann. 
Wohl  jeder,  der  von  Anfang  an  mit  Röntgenstrahlen  beschäftigt 
war,  hat  diese  Versuche  gemacht  und  ist  baldigst  wieder 
davon  zurückgekommen.  Es  ist  immer  ein  Verstärkungsschirm 
notwendig,  und  die  Bilder  sehen  derartig  körnig  und  unscharf 
aus,  daß  ein  Erkennen  von  feineren  Abnormitäten  ganz  aus- 
geschlossen ist.  Bei  dem  jetzigen  Zustande  der  Papiere  und 
des  ganzen  Verfahrens  ist  eine  neuerdings  wieder-  erfolgte 
dringende  Empfehlung  nicht  recht  zu  verstehen. 

Was  die  Aufnahmezeit  anbetrifft,  so  beträgt  sie  für 
dünne  Körperteile,  wie  die  Finger,  nur  noch  Bruchteile  einer 
Miaute,  und  auch  für  das  Becken  dürften  10 — 12  Minuten 
der  äußerste  erforderliche  Zeitraum  sein.  Fraglos  kann  man 
z.  B.  von  der  Hand  auch  wahre  Augenblicksaufnahmen  machen, 
und  diese  werden  genügen,  wenn  es  sich  um  die  Feststellung 
eines  dichten  Fremdkörpers,  etwa  einer  Kugel,  um  eine  Ver- 
renkung oder  grobe  Fraktur  handelt.  Allein  solche  Bilder 
sind  nur  möglich  mit  Hilfe  mächtiger  Apparate  und  stark 
penetrierender  X-Strahlen,  sie  ergeben  nur  Umrißbilder  und 
nie  die  feine,  bis  auf  die  einzelnen  Knochenbälkchen  sich  er- 
streckende Strukturzeichnung,  welche  man  mit  weicheren 
Röhren  und  längerer  Exposition  erhalten  kann.  Da  in 
solchen  Bildern  mehr,  vielleicht  Unerwartetes  zu  sehen  ist, 
erscheint  es  nur  vernünftig,  das  Negativ  immer  so  gut  wie 
möglich  zu  machen  und  hierbei  die  in  den  meisten  Fällen 
bedeutungslose  Verlängerung  der  Expositionszeit  mit  in  den 
Kauf  zu  nehmen.  Für  die  im  Durchschnitt  in  den  Laza- 
retten zur  Zeit  vorhandenen  Apparate  kann  als  Anhalt  für 
die  Erzielung  wirklich  durchgearbeiteter  Negative  folgende 
Angabe  über  die  Expositionszeit  zur  Richtschnur  dienen: 
Plancl  und  Vorderfuß  1/2 — 3/4  Minuten,  Unterarm  und  ganzer 
Fuß  iy2 — 2  Minuten,  Ellenbogen-  und  Fußgelenk  von  vorn 
nach  hinten  2 — 2y2  Minuten,  in  der  Quere  2y2 — 3  Minuten, 
Schulter,  Unterschenkel  und  Knie  3 — 4  Minuten,  Oberschenkel 
und  Kopf  quer  4 — 5  Minuten,  Kopf  von  vorn  nach  hinten, 
Bauch  und  Becken  8 — 12  Minuten.  Beim  Brustkorb  kommt 
es  ciarauf  an,  ob  es  sich  um  die  Darstellung  der  Weichteile 
oder  Knochen  handelt.  Im  ersteren  Fall  genügen  1 — 2  Mi- 
nuten, wobei  aber  die  Schultergelenke  und  die  Wirbelsäule 
in  der  Lebergegend  noch  ganz  ohne  Zeichnung  bleiben, 
während  die  Herzgrenzen,  die  Aorta,    die  Lungengefäße    und 


184  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Drüsen  sehr  deutlich  hervortreten.  Hier  kann  man  sich 
helfen  durch  den  von  Beck  für  Gallensteine  angegebenen 
Kunstgriff.  Man  legt  2 — 3  Platten  mit  der  Schicht  nach 
oben  über  einander  und  exponiert  lange.  Eine  der  Platten, 
die  von  oben  nach  unten  immer  weniger  Strahlen  erhalten,, 
wird  die  richtige  Exposition  bekommen  haben.  In  wichtigeren 
Fällen  ist  dies  Verfahren  überhaupt  sehr  empfehlenswert 
um  von  vornherein  falsche,  auf  Plattenfehlern  beruhende 
Schlußfolgerungen  zu  vermeiden. 

Grundsätzlich  soll  man,  wenn  irgend  angängig,  zwei 
Aufnahmen  in  zwei  auf  einander  senkrechten  .Rich- 
tungen machen.  Einmal  handelt  es  sich  stets  darum,  aus- 
über einander  entworfenen  Schattenbildern  eine  räumliche 
Vorstellung  von  den  im  Innern  des  Körpers  vorhandenen 
Verhältnissen  zu  gewinnen.  Sodann  aber  kann  man  bei  Auf- 
nahmen in  nur  einer  Richtung  eine  Verletzung  sehr  leicht 
übersehen,  weil  bei  dieser  Projektion  keine  Knochenver- 
schiebung sich  zeigt.  Häufig  ist  z.  B.  bei  Brüchen  des 
äußeren  Knöchels  bei  einer  Aufnahme  von  vorne  nicht  das 
Geringste  am  Knochen  zu  sehen,  während  die  seitliche  Auf- 
nahme die  Verschiebung  eines  Bruchstückes  nach  vorn  oder 
hinten  ganz  deutlich  ergibt.  Werden  diese  zwei  Aufnahmen, 
wie  es  beim  Arm  oder  Unterschenkel  angängig  ist,  noch 
neben  einander  auf  dieselbe  Platte  gebracht,  so  erhält  der 
geübte  Beobachter  auf  einen  Blick  eine  räumliche  A'or Stellung- 
von  den  vorhandenen  Abnormitäten.  Diese  Methode  ist  ein- 
fach und  ersetzt  in  den  meisten  Fällen  stereoskopische  Auf- 
nahmen, zu  deren  exakter  Anfertigung  viel  Mühe  und  kom- 
plizierte Apparate  erforderlich  sind. 

Muß  man  Platten  sparen  oder  will  man  sich  erst  orien- 
tieren und  ist  der  Kranke  dauernd  zur  Hand,  so  mag  man 
sich  zunächst  mit  einer  Aufnahme  begnügen  und  die  zweite 
gemäß  den  aus  der  ersten  erhaltenen  Direktiven  zu  gelegener 
Zeit  folgen  lassen.  Verweilt  jedoch  der  Kranke  hierfür  nicht 
lange  genug  am  Ort,  wie  es  bei  der  Untersuchung  von  Ver- 
letzten aus  anderen  Garnisonen  vorkommt,  so  muß  die  Unter- 
suchung sofort  durch  die  beiden  Aufnahmen  zu  einer  voll- 
ständigen gemacht  werden,  auf  welche  dann  ein  begründetes- 
Gutachten  sich  stützen  kann. 

Die  Richtung    der   beiden  Aufnahmen  in  Bezug  auf  den 

Knochen  könnte    an  sich  beliebig  gewählt  werden,    wenn  sie 

.  nur  auf  einander  senkrecht  stehen,    allein    da  wir  vom  ana- 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  185 

tomischen  Standpunkt  aus  am  Knochen  immer  eine  vordere 
und  hintere,  eine  laterale  und  mediale  Seite  unterscheiden, 
empfiehlt  es  sich  im  allgemeinen,  auch  hei  der  Röntgen- 
untersuchung, diese  Richtungen  aufs  genaueste  innezuhalten. 
Die  so  erhaltenen  Schattenbilder  stimmen  sowohl  mit  unseren 
anatomischen  Erinnerungen  wie  mit  den  Abbildungen  der 
Lehrbücher  überein,  sind  ohne  Weiteres  mit  ihnen  vergleich- 
bar und  vermitteln,  wenn  geschickt  auf  derselben  Platte 
entworfen  oder  nahe  zusammengestellt,  eine  gute  räumliche 
Vorstellung,  gestatten  auch  ohne  Schwierigkeit  eine  recht 
genaue  Bestimmung  der  Lage  von  Fremdkörpern,  Bruch- 
linien u.  dergl. 

Diese  einfache  Methode  ist  allerdings  nur  bei  den  Glied- 
maßen anwendbar,  an  welchen  ja  aber  auch  Verletzungen  am 
häufigsten  vorkommen.  Beim  Rumpf  mit  Schulter-  und  Hüft- 
gelenk ist  dies  Verfahren  nicht  mehr  möglich.  Hier  muß 
man  sich  darauf  beschränken,  eine  Aufnahme  in  Rücken-, 
eine  in  Bauchlage  zu  machen.  Aus  der  bekannten  Ent- 
fernung der  Strahlenquelle  und  der  wechselnden  Größe  des 
Fremdkörpers  kann  man  auch  so  noch  oft  genug  seine 
Tiefenlage  mit  genügender  Genauigkeit   ermitteln. 

Sehr  zu  empfehlen  ist  es  ferner,  jedesmal  wenn  irgend 
angängig,  die  gesunde  Seite  entweder  gleichzeitig  aufzu- 
nehmen (Hände.  Füße)  oder  in  genau  derselben  Stellung 
sofort  hinzuzufügen.  Hierdurch  wird  dem  Auge  die  Beur- 
teilung namentlich  kleinerer  Veränderungen  außerordentlich 
erleichtert,  oft  ein  begründetes  Urteil  erst  möglich. 

Müssen  zwei  gleiche  Körperteile  nach  einander  auf- 
genommen und  auf  dieselbe  Platte  gebracht  werden,  z.  B. 
zwei  Unterarme,  so  ist  es  sehr  nützlich,  die  einmal  einregu- 
lierte  Röhre  ganz  unbewegt  zu  lassen,  auch  durch  Hilfs- 
apparate, für  genau  gleiche  Lagerung  des  zweiten  Teiles  zu 
sorgen.  Nur  auf  diese  Weise  gelingt  es,  die  hier  so  wichtigen 
äußeren  Umrisse  in  einwandfreier,  auf  beiden  Seiten  gleich- 
mäßiger Weise  auf  die  Platte  zu  bringen. 

Auf  ein  wichtiges  Hilfsmittel  bei  der  Aufnahme  von 
Gliedmaßen  muß  noch  hingewiesen  werden,  nämlich  die  Ent- 
fernung des  Blutes  aus  den  Geweben  nach  der  Methode 
von  Esmarch.     Wie  es,  scheint,  hat  zuerst  Schiff1)  darauf 


1)   S.  Freund,   Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen 
1899  Bd.  II  S.  138. 


186  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

hingewiesen,  daß  die  Verdrängung  des  Blutes  durch  elastische 
Einwickelung  und  Abschnürimg  für  Aufnahmen  wie  auch  bei 
der  Radiotherapie  von  wesentlicher  Bedeutung  ist.  Stabsarzt 
Niehues1),  welcher  lange  Zeit  zur  chirurgischen  Klinik  in 
Bonn  kommandiert  war,  hat  das  Verfahren  sehr  häufig  an- 
gewendet und  namentlich  zur  klaren  Darstellung  der  inneren 
Struktur  von  Neubildungen  sehr  bewährt  gefunden. 

Sehr  wichtig  ist  es,  für  genügende  Ruhigstellung  der 
aufzunehmenden  Körperteile  Sorge  zu  tragen.  Durch  Schrauben, 
Gummibänder,  Sandsäcke  u.  dgl.  kann  man  dem  Kranken  das 
minutenlange  Stillhalten  sehr  erleichtern.  Hierzu  gehört  auch 
die  Sorge  für  Ruhe  im  Zimmer,  das  Vermeiden  lauter  Unter- 
haltungen und  Befragen  des  Kranken  während  der  Exposition, 
wodurch  leicht  Bewegungen  provoziert  werden  können.  Alle 
diese  vorhergehende  Sorgfalt  aber  belohnt  sich  in  einem 
sauberen  und  korrekten  Negativ,  nach  welchem  nicht  nur  die 
Leistungen  des  Röntgenkabinetts  beurteilt,  sondern  auch  dia- 
gnostische Entscheidungen  getroffen  und  therapeutische  Ent- 
schlüsse gefaßt  werden. 

Es  soll  nunmehr  an  den  einzelnen  Körpergegenden  gezeigt 
werden,  in  welcher  Weise  die  Aufnahmen  am  besten  zu  machen 
sind,  um  die  Untersuchung  erschöpfend  zu  gestalten. 

Bei  der  Aufnahme  des  Kopfes  kommen  nur  zwei  Lagen 
in  Betracht,  auf  einer  Seite  und  auf  dem  Hinterkopf.  In  der 
Seitenlage  muß  dafür  gesorgt  werden,  daß  die  Schultererhöhung 
durch  ein  passendes  Bänkchen  ausgeglichen  wird  derart,  daß 
der  Kopf  auf  dem  Ohr  ohne  Verdrehung  sicher  aufruht.  Durch 
eine  große  Schraube  am  Tischrand  und  ein  an  den  Rücken  ge- 
legtes Kissen  wird  man  die  Lage  des  Kranken  erleichtern  und 
sichern.  Auch  kann  man  dem  Kopf  durch  lange  Holzschrauben, 
welche  am  Rand  des  Bänkchens  befestigt  und  gegen  Stirn  und 
Hinterhaupt  vorgeschoben  werden,  eine  sichere  Stütze  geben. 
Sie  verschwinden  bei  genügend  langer  Belichtung  auf  dem  Negativ 
vollkommen.  Dieselben  Schrauben  kann  man  anwenden,  wenn 
der  Schädel  v  on  der  Stirn  her  belichtet  wird,  wobei  der  Kranke 
auf  dem  stark  gewölbten  Hinterhaupt  nicht  sehr  sicher  auf  der 
harten  Platte  aufruht.  Man  kann  jedoch  auch  zwei  Stützen 
aus  leichtem  Elsenholz  seitlich  gleichmäßig  unter  den  Schädel 
schieben  und  ihn  so  besser  feststellen.     Soll  aber  z.  B.  eine 


D  Mündliche  Mitteilung. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  187 

Kugel  in  dem  vorderen  Teil  des  Schädels  näher  bestimmt 
werden,  so  legt  man  den  Kranken  auf  den  Bauch  und  die 
Stirn  auf  die  Platte,  muß  dann  aber  auch  für  Unterstützung 
durch  zwei  Klötze  entsprechend  dem  Vorsprung'  der  Nase 
sorgen.  Hat  man  die  Lage  gut  getroffen  und  die  Röhre  senk- 
recht einreguliert,  so  erscheint  der  Nasenboden  als  Querstrich 
und  die  Muscheln  vollkommen  im  Querschnitt  auf  der  Platte. 

Am  Halse  kann  man  von  vorn  in  Rüclfenlage  die  ganze 
Wirbelsäule  gut  auf  die  Platte  bringen,  wenn  man'  das  Kinn 
erhebt  und  die  Belichtimg  etwas  schräg  stellt.  In  Seitenlage 
kann  man  die  Halswirbelsäule  bis  zum  siebenten  Wirbel  er- 
halten, wenn  man  folgenden  Kunstgriff  anwendet:  Man  stellt 
unter  Kopf  und  Hals  ein  Bänkchen,  welches  sich  gegen  die 
Wand  anlehnt  und  die  Stufe  zwischen  Schulter  und  Hals 
grade  ausfüllt.  Giebt  man  den  Füßen  des  Kranken  nun  einen 
festen  Anhalt,  an  den  er  sich  anstemmen  und  nach  oben 
gegen  das  Bänkchen  drücken  kann,  so  wird  die  Schulter  in 
genügendem  Maße  herabgedrängt,  um  die  Wirbelsäule  bis  zum 
siebenten  Halswirbel  frei  zu  lassen.  Die  Platte  ist  dabei  nur 
in  doppeltes  Papier  oder  eine  ähnliche  Umhüllung  einzuschlagen, 
um  die  Ausnutzung  bis  zum  Rande  zu  gestatten.  Kariöse 
Zerstörung  des  sechsten  Halswirbels  konnte  auf  diese  Weise 
im  Garnisonlazarett  I  Berlin  sehr  schön  zur  Anschauung  ge- 
bracht werden1). 

Besondere  Verhältnisse  erfordern  auch  entsprechende 
Untersuchungsmethoden.  In  einem  Fall2)  war  ein  Stück  eines 
Stahlmantels    des  Infanterieeeschosses    an  der  rechten  HalS- 


^ö v 


seite  eingedrungen  und  erschien  in  Rückenlage  dicht  oberhalb 
des  inneren  Schlüsselbeinencles.  Um  die  Tiefenlage  festzu- 
stellen, wurde  von  einer  Trockenplatte  ein  Streifen  von  5  cm 
Breite  und  30  cm  Länge  abgeschnitten,  durch  ein  ebensogroßes 
Brett  gestützt  und  dem  in  rechter  Seitenlage  befindlichen  Mann 
gegen  den  Winkel  zwischen  Hals  und  Schulter  angedrückt. 
Die  Belichtung  fand  bei  hocherhobenem  linkem  Arm  schräg 
durch  den  Brustkorb  von  der  Gegend  der  linken  Achselhöhle 
aus  statt  und  ließ  die  Tiefenlage  des  Sprengstückes  genau 
erkennen. 

Handelt    es    sich    um    einen  Schlüsselbeinbruch,    so 
genügt  häufig  weder  die  Rückenlage,  noch  die  sitzende  Stellung 


1)  Garn.-Laz.  I.   1897.  No.  85. 

2)  Garn.-Laz.  I.   1897.  No.  114.  Invalide  St. 


188  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

mit  vorn  angelegter  Platte.  In  beiden  Fällen  werden  die 
Atembewegungen  störend  bemerkbar.  Es  bleibt  nur  übrig, 
den  Kranken  auf  den  Bauch  und  so  nahe  an  den  Rand  des 
Tisches  zu  legen,  daß  das  Kinn  grade  drüber  hinausragt, 
während  .die  Stirn  auf  einen  andern  Tisch  aufgestützt  wird. 
Wegen  der  näheren  Lage  der  Platte  zum  Knochen  und  des 
Fehlens  der  Atembewegungen  ergeben   sich   schärfere  Bilder. 

Das    Schultergelenk    kann    meistens    in    Rückenlage 
genügend  zur  Anschauung  gebracht  werden. 

Die  Weichteile  im  Innern  des  Brustkorbes  werden 
am  besten  erhalten  in  sitzender  Stellung  des  Kranken  bei 
Belichtung  vom  Rücken  her.  Man  bedarf  hierzu  eines  be- 
sonderen Stuhles  mit  fester  Lehne  und  daran  verstellbarem 
Brett  von  etwa  40  X  50  cm  Größe,  welches  die  Platte  auf- 
nimmt und  gegen  welches  der  Kranke  sich  mit  hoch  er- 
hobenem Kinn  fest  anlegt.  Man  erhält  hierbei  sehr  scharfe 
und  charakteristische  Bilder  vom  Herzen  und  von  den  großen 
Gefäßen,  den  Rippen  und  der  Kuppe  des  Zwerchfells.  Da  kurze 
Belichtungen  von  einer  halben  bis  einer  Minute  schon  genügen, 
kann  man  im  Zustand  tiefster  Einatmung  belichten  und  nötigen- 
falls nach  kurzer  Unterbrechung  noch  einmal  exponieren. 
Von  Professor  Grunm  ach -Berlin  wird  Aufnahme  in  halber 
rechter  Seitenlage  empfohlen,  wobei  die  Umrisse  der  im 
.Mittelfell  liegenden  Gebilde,  Luft-  und  Speiseröhre,  große 
Gefäße  und  das  Herz  von  den  beschattenden  Knochen  der 
Wirbelsäule  losgelöst  und  gegen  das  lufthaltige  Lungengewebe 
projiziert  werden,  von  welchem  sie  sich  deutlich  abheben. 
Neubildungen,  Gefäß-  oder  Herzerweiterungen,  Drüsenver- 
kalkungen  und  ähnliche  Zustände  können  so  sehr  klar  zur 
Anschauung  gebracht  werden. 

Handelt  es  sich  um  die  Bewegungen  des  Herzens  oder 
des  Zwerchfells,  so  ist  man  auf  die  Beobachtung  auf  dem 
leuchtenden  Schirm  angewiesen.  Es  empfiehlt  sich,  mit  recht 
ausgeruhten  iUigen  an  diese  Feststellung  heranzugehen,  da 
man  starke  Durch  Strahlung  braucht  und  diese,  länger  aus- 
gedehnt, sowohl  der  Röhre  als  dem  Kranken  verderblich 
werden  kann.  Die  Beweglichkeit  des  Zwerchfells,  die  Größe 
und  Bewegungen  des  Herzens,  die  Umrisse  der  großen  Gefäße, 
cbensp  manche  Zustände  der  Lungen  und  des  Rippenfells 
sind  wohl  erkennbar.  Auch  bei  seitlicher  Durchstrahlung 
kann  man  manchen  Aufschluß  erhalten.  Bei  tiefster  Ein- 
atmung   sieht    man   deutlich  hinter  und  unter  dem  normalen 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  189 

Herzen  einen  dreieckigen  lichten  Raum  erscheinen,  der  bei 
der  Ausatmung  durch  die  näher  aneinander  rückenden 
Schatten  des  Herzens  und  des  Zwerchfells  wieder  ver- 
schwindet. In  Militärlazaretten  bietet  sich  im  allgemeinen 
nur  wenig  Gelegenheit,  krankhafte  Veränderungen  im  Brust- 
korb zu  beobachten,  da  derartige  Fälle  gewöhnlich  zur  Ent- 
lassung kommen,  bevor  sie  mit  X-Strahlen  diagnostizierbar 
werden.  Am  leichtesten  wird  sich  noch  der  Schatten  eines 
alten  pleuritischen  Exsudates,  Unbeweglichkeit  einer  Zwerch- 
fellshälfte infolge  von  Verwachsungen,  Vergrößerung  des 
Herzens  nach  Rheumatismus  oder  etwa  ein  Situs  trans- 
versa finden. 

Neubildungen  oder  vergrößerte  Drüsen  im  Mittelfell- 
raum  können  dieselben  Umrisse  zeigen  wie  Vergrößerung  der 
Gefäße  oder  einzelner  Herzabschnitte  und  sind  aus  dem 
Röntgenbilde  allein  nicht  zu  entscheiden.  Man  muß  alsdann 
in  der  Deutung  der  Bilder  außerordentlich  vorsichtig  sein 
und  auch  alle  übrigen  Hilfsmittel  der  Diagnose  gewissenhaft 
verwerten.  Steht  elektrischer  Strom  in  hinreichender  Menge 
zur  Verfügung,  so  sollte  nicht  versäumt  werden,  alle  zweifel- 
haften Fälle  von  Lungenerkrankungen  sowohl  zu  röntgo- 
graphieren  als  auch  auf  dem  Schirm  zu  prüfen.  Nach  den 
Arbeiten  von  Holzknecht1),  Kelsch2),  Immelmann3), 
Bade4)  und  anderen  ist  trotz  der  Zweifel  Hildebrandt 's5) 
nicht  in  Frage  zu  ziehen,  daß  Verdichtungen  einzelner 
Lungenpartien,  Drüsenpakete,  einseitiges  Zurückbleiben  des 
Zwerchfelles  aufgedeckt  werden  und  hierdurch  die  Diagnose 
auf  Tuberkulose  gestützt  oder  exakter  gestaltet  werden  kann. 

Am  Bauch  kann  es  sich  um  Verletzungen  oder  Er- 
krankungen der  Wirbelsäule  handeln,  die  in  Rückenlage 
meist  gut  auf  der  Platte  darstellbar  ist.  Allerdings  macht 
die  durch  die  Leber  gedeckte  Partie  Schwierigkeiten,  die  aber 
mit  Hilfe  wiederholter  Aufnahmen  oder  auch  durch  mehrfach 
übereinander    gelegte    Platten    überwunden    werden    können. 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Ergänzungs- 
heft 6. 

2)  Bulletin  de  l'Academie  de  medecine,  Sitzung  vom  21.  Dez.  1897. 

3)  Fortschritte  auf  dem  Gebiet  der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II 
S.  142. 

4)  Ebendas.  1902  Bd.  V  S.  193. 

5)  Münchener  medizin.  Wochenschrift  1901  No.  49. 


190  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Sorgfältige  Entleerimg  der  Därme  und  Aufnahme  in  nüchternem 
Zustand  wird  die  Aufgabe  erleichtern.  Von  einer  Schirm- 
untersuchung kann  höchstens  bei  Kindern  und  einem  dichten 
Fremdkörper  (Metallknopf)  etwas  erwartet  werden.  Quer- 
aufnahmen gelingen  auch  hier  noch  bei  mageren  jugendlichen 
Personen.  Im  Garnisonlazarett  I  wurde  im  November  1896 
bei  einem  11jährigen  Knaben  sowohl  in  Rücken-  als  in 
Seitenlage  ein  Infanteriegeschoß  im  vierten  Lendenwirbel 
nachgewiesen. 

Für  Beckenaufnahmen  empfiehlt  Freund1)  Hoch- 
lagerung  bis  zu  45  °,  sodaß  die  Eingeweide  nach  oben  sinken. 
Obgleich  Resultate  dieser  Methode  nicht  mitgeteilt  werden, 
mag  man  in  besonderen  Fällen  immerhin  hierauf  zurück- 
kommen. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  in  der  GailenblaseT 
den  Nieren,  den  Harnleitern  und  der  Harnblase  vorkommen- 
den Steine,  deren  bildliche  Darstellung  lange  Zeit  den 
größten  Schwierigkeiten  begegnete,  weil  die  mit  der  Um- 
gebung nahezu  übereinstimmende  Dichte  wie  auch  die  Dif- 
fusion in  den  massigen  Weichteilen  eine  Differenzierung  un- 
möglich machte. 

Bei  allen  diesen  Steinen  hängt  der  Grad,  in  welchem 
sie  auf  der  Platte  sichtbar  werden,  außer  von  ihrer  Dichte 
noch  von  der  Körperbeschaffenheit  des  Untersuchten  ab.  Auf 
jeden  Fall  muß  der  Darm  vorher  ordentlich  entleert,  ferner 
eine  Röhre  genommen  werden,  welche  nicht  zu  hart,  son- 
dern gerade  noch  weich  genug  ist,  um  den  Körper  zu  durch- 
dringen, und  lieber  etwas  unterexponiert  und  die  Platte 
nachher  verstärkt  werden,  weil  bei  kräftigerer  Durch- 
strahlung  die  feinen  Schatten  leicht  verloren  gehen.  Die 
fertige  Platte  muß  alsdann  gegen  diffuses  Licht  (Mattglas, 
oder  besonderen  Beleuchtungsapparät)  unter  Ausschluß  seit- 
lichen Lichtes  aus  größerer  Entfernung  betrachtet  werden. 
Ratsam  ist  es,  immer  große  Platten  (40  X  50  cm)  zu  nehmen, 
weil  dadurch  die  Orientierung  erleichtert  und  die  ganze 
Bauchhöhle  abgesucht  wird,  ferner  gleich  von  vornherein 
2 — 3  Platten  über  einander  zu  legen  und  ganz  gleichmäßig" 
zu  entwickeln.  Dieselben  kontrollieren  sich  gegenseitig  und 
lassen  Plattenfehler  sofort  als  solche  erkennen. 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II 
S.  137. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  191 

Für  Blase nst eine  ist  Rücken-  oder  Bauchlage  zu  wählen, 
letztere  besonders  bei  Fettleibigen.  Oxalatsteine  sind  am 
undurchlässigsten,   alsdann  folgen  Phosphat-    und  Uratsteine. 

Für  Nieren-  und  Ureter  st  eine  ist  im  allgemeinen  die 
Rückenlage  angebracht,  bei  sehr  starken  Personen  jedoch 
die  Bauchlage  vorzuziehen1).  Zunächst  läßt  man  gründlich 
abführen,  macht  die  Aufnahme  auf  zwei  übereinander  ge- 
legten Platten  von  40  X  50  cm  Größe  bei  Erwachsenen  und 
wählt  hierzu  eine  mittelweiche  Röhre.  Die  Entfernung  be- 
trage mindestens  50  cm,  Bleiblende  oder  Bleikiste  ist  sehr 
^förderlich,  die  Exposition  soll  eher  zu  kurz  sein,  um  die 
zarten  Schatten  nicht  zu  überlichten.  Es  ist  besser,  die 
Platte  nach  dem  Trocknen  gründlich  mit  Sublimat  zu  ver- 
stärken. Schon  mit  diesen  einfachen  Maßnahmen  gelang  der 
Nachweis  von  Steinen  aus  kohlensaurem  Kalk  und  Tripel- 
phosphat3). 

Als  weiteres  Hilfsmittel  für  derartige  Untersuchungen 
gab  Alb  er  s- Schönberg3)  zunächst  eine  kastenartige  Vor- 
richtung an,  welche  durch  Einschaltung  von  Bleiblenden  die 
Diffusion  von  X-Strahlen  in  den  Weichteilen  des  Bauches 
beträchtlich  herabsetzte  und  mittelst  fünfmaliger  Aufnahme 
durch  vorgezeichnete  Löcher  eine  systematische  Absuchimg 
der  Nierengegend  ermöglichte.  Bei  weitem  wirksamer  ist 
die  neuerdings  von  demselben  Forscher  empfohlene  Kom- 
pressionsblende4). Bei  diesem  Apparat  wird  ein  Metallrohr 
von  9  cm  Durchmesser  langsam  in  die  Weichteile  des  Bauches 
in  gerader  oder  schräger  Richtung  hineingeschraubt,  die 
Masse  der  Weichteile  beiseite  gedrängt,  den  X-Strahlen  ein 
näherer  Weg  zu  der  zu  untersuchenden  Stelle  gebahnt  und 
gleichzeitig  ihre  Diffusion  in  hohem  Grade  vermindert.  Die 
günstige  Wirkung  des  Apparates  auch  zur  Darstellung  von 
Lendenwirbeln  ist  unverkennbar.  In  einfacherer  Weise  läßt 
sich  ein  solcher  Apparat  durch  ein  Metallrohr,  das  mit  Blei 
ausgekleidet  wird,  herstellen  (Grunmach-Berlin). 

Gallensteine  sind  schwer  auf  die  Platte  zubringen,  da 


1)  S.  Albers-Schönberg,    Fortschritte    auf  dem  Gebiete  der 
Röntgenstrahlen  1900  Bd.  III  S.  210. 

2)  S.  die  Fälle  von  Lauenstein,  Wagner,  Levy-Dorn  und 
Levy  ebendas.  1900  Bd.  III  S.  211  ff. 

3)  Ebendas.   1901  Bd.  IV  S.  118. 

4)  Ebendas.  1902  Bd.  5  S.  301. 


192  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

sie  am  wenigsten  dichte  Substanzen  enthalten.  Nach  ihrer 
Transparenz  ordnen  sie  sich  der  Einteilung  von  Naunyn  ein, 
wonach  gemeine  Gallensteine,  einfache  und  geschichtete  Chole- 
sterinsteine, gemischte  und  reine  Biiirubinkalksteine  zu  unter- 
scheiden sind.  Zur  Darstellung  von  Gallensteinen  gab  Beck1) 
die  Regel,  den  Kranken  auf  den  Bauch  zu  legen,  die  Schlüssel*- 
beingegend  unterstützt  und  die  linke  Seite  leicht  gehoben,  sodaß 
sich  die  Gallenblasengegend  so  viel  wie  möglich  hervorwölbt. 
Er  erhielt  gute  Resultate  bei  etwas  seitlicher  Beleuchtung, 
wobei  das  Lebergewebe  nicht  in  seinem  ganzen  Durchmesser 
durchstrahlt  zu  werden  brauchte,  mit  einer  ziemlich  harten 
Röhre  und  unter  Anwendung  von  vier  übereinander  liegenden 
Platten,  deren  oberste  die  Lebergrenze  stark  zeichnete,  während 
die  unterste  diese  nur  andeutete,  dagegen  ein  wahrnehmbares 
Bild  der  Steine  ergab. 

Beckenauf  nahmen  sind  bei  Erwachsenen  immer  die 
unangenehmsten,  weil  selbst  bei  bestmöglichem  Gelingen  die 
Bilder  infolge  der  in  den  reichlichen  Weichteilen  entstehenden 
Strahlungen  stets  verschwommen  und  schattenhaft  erscheinen. 
Aufnahmen  sind  in  Rückenlage  und  Bauchlage  möglich,  die 
Wahl  richtet  sich  nach  dem  Sitz  der  Verletzung  oder  des 
Fremdkörpers,  welcher  der  Platte  immer  möglichst  zu  nähern 
ist.  Weibliche  Becken  erscheinen  wegen  der  flacheren  Form 
besser  auf  der  Platte.  Verwundungen  oder  Brüche  der  großen 
Beckenknochen  oder  des  Oberschenkels  lassen  sich  im  all- 
gemeinen gut  darstellen.  Am  besten  bilden  sich  die  an- 
geborenen Verrenkungen  des  Oberschenkels  bei  Kindern,  auch 
im  Verbände  ab.  Bei  derartigen  Aufnahmen  muß  streng 
darauf  gesehen  werden,  daß  der  Kranke  genau  auf  dem  Rücken 
und  seine  Füße  zusammengelegt  und  grade  nach  aufwärts 
liegen,  da  bei  Drehung  der  Beine  sich  namentlich  der  Trochanter 
minor  sofort  anders  projiziert,  wodurch  die  Beurteilung  der 
anatomischen  Verhältnisse  oder  der  therapeutischen  Erfolge 
leicht  irregeführt  werden  kann.  Ist  das  kranke  Bein  etwa 
im  Verbände  in  bestimmter  Stellung  fixiert,  so  muß  das  ge- 
sunde ebenfalls  aufs  genaueste  in  dieselbe  Lage  gebracht 
werden,  um  vergleichbare  Bilder  zu  bekommen. 

Handelt  es  sich  in  der  Beckengegend  um  Tiefenbe- 
stimmungen, z.  B.  eingedrungener  Geschosse,  so  kann  die 
Aufnahme    in  Rücken-    und    in  Bauchlage    noch  zu  ziemlich 


1)  Berliner  klinische  Wochenschrift  1901  S.  513. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  193 

sicheren  Resultaten  führen.  Sind  die  Dimensionen  des  Fremd- 
körpers bekannt,  wie  es  bei  Projektilen  wohl  meist  der  Fall 
ist,  so  kann  ihre  Tiefenlage  durch  Konstruktion  oder  Be- 
rechnung ermittelt  werden. 

Am  Oberarm  sind  die  Richtungen  der  beiden  normalen 
Aufnahmen  ohne  weiteres  bestimmt.  In  der  Regel  erfolgt 
die  Profilaufnahme  bei  rechtwinklig  gebeugtem  Unterarm, 
Avährend  der  in  die  richtige  Schulterhöhe  des  Mannes  erhobene 
Oberarm  auf  dem  Epiondylus  internus  aufruht.  Die  dazu 
rechtwinklige  Aufnahme  ist  am  sichersten  herzustellen,  wenn 
der  Kranke  auf  den  Rücken  gelegt  und  der  Arm  rechtwinklig 
abgespreizt  wird,  wobei  die  Hand  etwas  erhoben  und  an  einer 
Schraube  befestigt  werden  muß.  Bleibt  der  Unterarm  nämlich 
gestreckt,  so  verhindert  das  unter  den  Oberarmknochen  sich 
schiebende  Olecranon  ein  sicheres  Aufliegen. 

Das  Ellenbogengelenk  bietet  einer  exakten  Projektion 
wegen  der  sehr  komplizierten  Umrisse  der  beteiligten  Knochen 
manche  Schwierigkeiten,  weshalb  grade  hier  die  Beobachtung 
fester  Regeln  besonders  notwendig  und  nützlich  sich  erweist. 
Sie  werden  um  so  unentbehrlicher,  wenn  man  in  zweifelhaften 
Fällen  genötigt  ist,  durch  Aufnahmen  auch  der  gesunden 
Seite  Aufklärung  sich  zu  verschaffen.  Die  beiden  Bilder  sind 
nur  vergleichbar,  wenn  sie  in  genau  derselben  Projektion, 
Entfernung  u.  s.  w.  hergestellt  sind.  Was  zunächst  das 
Querbild  des  Ellenbogens  betrifft,  so  erhält  man  die  deutlichste 
Zeichnung,  wenn  die  Strahlenquelle  sich  senkrecht  über  dem 
Condylus  ext.  befindet,  während  der  Unterarm  rechtwinklig  ge- 
beugt bis  zu  den  Fingern  flach  aufruht.  Dabei  muß  der  ganze 
Arm  durch  Untersetzen  von  Bänkchen  bis  zur  Schulterhöhe 
des  Mannes  gehoben,  der  Oberarm  an  eine  -das  ganze  an  den 
Tisch  befestigende  Schraube  angelehnt,  das  Gelenk  durch  den 
Holzwinkel  rechtwinklig  gestellt  und  die  Lage  der  Hand  durch 
eine  zwischen  die  Finger  geschobene  kleinere  Schraube  ge- 
sichert sein.  Diese  Stellung  hat  nichts  Ermüdendes  und  den 
Vorteil,  daß  sie  jederzeit  an  jedem  beliebigen  Arm  in  genau 
der  gleichen  Weise  sicher  wieder  erhalten  werden  kann.  Die 
Röhre  wird  so  einreguliert,  daß  die  Antikathode  50  cm  ober- 
halb der  Platte  sich  befindet.  Die  senkrechte  Stellung  über 
dem  Condylus  externus  kontrolliert  nfan  durch  Visieren  aus 
größerer  Entfernung  in  zwei  auf  einander  rechtwinkligen 
Richtungen.  Der  Holzwinkel  wird  entfernt,  nachdem  er  auch 
noch  zur  Regulierung  der  Plattenränder  gedient  hat.    Platten- 

Stecliow,.  Das  Röntgen  -Verfahren,  jg 


194  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

große  18  X  24  cm,  längere  Seite  am  Unterarm,  Expositions- 
zeit 2  f/2  bis  3  Minuten.  Die  Aufnahme  des  gesunden  Elllen- 
l>ogens  wird  am  besten  gleich  angeschlossen,  wobei  man 
unter  Berücksichtigung  der  auf  der  kranken  Seite  etwa  vor- 
handenen Schwellung  um  20 — 40  Sekunden  kürzer  exponiert. 

Die  hierzu  senkrechte  Aufnahme  von  der  Innenseite  her 
ist  am  besten  in  Rückenlage,  zu  machen.  Will  man  beide  Seiten 
vergleichen,  so  legt  man  unter  die  Schultern  ein  schmales  langes 
Brett  und  befestigt  die  Hände  in  genau  gleicher  Stellung  an 
Schrauben  mittelst  Gummibändern.  Ob  beiderseits  die  gleiche 
Stellung  erreicht  ist,  kontrolliert  man  am  besten  aus  einiger  Ent- 
fernung vom  Kopf  her.  Die  Röhre,  um  die  senkrechte  Achse 
des  Stativs  drehbar,  kommt  zu  Häupten  des  Untersuchten  so 
in  die  Mitte  zu  stehen,  daß  eine  einfache  Drehung  genügt. 
um  sie  in  senkrechter  Stellung  über  das  eine  und  andere 
Gelenk  zu  bringen.  Expositionszeit  2  bis  2 1/2  Minuten  unter 
Abkürzung  für  die  normale  Seite.  Die  ebenfalls  18  X  24  cm 
großen  Platten  nutzt  man  am  besten  aus,  wenn  man  den  Arm 
von  einer  Ecke  in  der  Diagonale  herabsteigen  läßt,  wobei 
man,  um  Irrungen  in  der  Stellung  der  Bilder  zu  vermeiden, 
zunächst  eine  leere  Kassette  in  symmetrischer  StellungMinter 
das  zweite  Gelenk  schiebt.  In  allen  Fällen  ist  es  ratsam, 
zunächst  die  kranke  Seite  zu  belichten,  um  hier  eventuell  die 
Befestigungen  bald  lösen  zu  können. 

Jeder  solcher  Röntgenaufnahmen  der  Ellenbogengelenke 
hat  eine  orientierende  äußere  Untersuchung  sowohl  des  pa- 
thologisch-anatomischen Befundes  wie  der  Funktion  vorherzu- 
gehen. Auch  hierüber  mögen  einige  Regeln  mitgeteilt  werden, 
welche  sich  bei  den  häufig  nur  sehr  geringfügigen  Abweichungen 
von  der  Norm  als  nützlich    erwiesen  haben. 

Zunächst  lasse  man  den  Mann  grundsätzlich  den  ganzen 
Oberkörper  entkleiden,  wobei  schon  beim  Herabhängen  der  Arme 
Verschiedenheiten  in  der  .Haltimg  auffallen  können.  Geht  man 
zur  Betastung  des  Gelenkes  über,  so  ist  klar,  daß,  wenn  der 
Mann  den  Arm  selbsttätig  hebt,  die  Muskeln  sich  spannen 
und  ein  tieferes  Eindringen  der  Finger  erschweren.  Um  die 
Muskeln  zu  erschlaffen  und  eine  vergleichende  Untersuchung- 
beider  Seiten  bei  verschiedenen  Stellungen  und  Bewegungen 
zu  ermöglichen,  läßt  der  Untersucher  den  Kranken  beide  Hände 
in  senkrechter  Stellung  nach  vorn  strecken  und  in  seine  Achsel- 
höhlen legen.  Indem  er  sie  hier  mit  den  eigenen  Oberarmen 
festhält,  schaltet  er  die  Muskelanspannung'  beim  Untersuchten 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen»  195 

aus,  kann  mit  den  Händen  gleichzeitig  korrespondierende  Teile 
beider  Gelenke  abtasten  und  durch  Vor-  und  Zurückbeugen 
des  Oberkörpers  sie  auch  bei  Bewegungen  verfolgen.  Hieran 
schließt  sich  die  Bestimmung  des  Umfanges  auf  beiden  Seiten 
mit  dem  Meßband  und.  des  Quer-  und  Tiefendurchmessers 
mit  dem  Tasterzirkel,  beides  bei  gestrecktem  Gelenk. 

Nach  Feststellung  des  Befundes  folgt  die  Prüfung  der 
Exkursionen  des  Gelenks,  wobei  es  sehr  wichtig  ist,  beide 
Seiten  gleichmäßig  zu  berücksichtigen.  Auch  hier  wird  ejn 
gewisses  Schema  vor  Unterlassungen  schützen  und  eine  Ver- 
ständigung mit  anderen  sowie  eine  A7ergleichung  von  zeitlich 
entfernten  Untersuchungen  ermöglichen.  Man  läßt  den  Mann 
vor  eine  dunkle  Wand,  Tür  oder  Vorhang  treten,  die  Arme 
bei  senkrechter  Stellung  der  Hand  wagerecht  zur  Seite 
strecken  und  betrachtet  ihn  zunächst  aus  der  Entfernung. 
Während  der  gesunde  Arm  eine  gerade  Linie  bildet,  wird 
man  am  verletzten  meist  einen  Winkel  bemerken,  den  man 
recht  genau  bestimmen  #  kann,  indem  man  den  S.  154 
erwähnten  Winkelmesser  in  die  Achse  des  Ober-  und 
Unterarmes  legt.  Anlegen  an  die  Ober-  oder  Unterseite 
ergibt  schwankende  Resultate  wegen  der  Muskelbäuche.  Der 
gefundene  Winkel  betrage  z.B.  160°,  auf  ■  der  gesunden  Seite 
180°.  Alsdann  läßt  man  den  Unterarm  gegen  den  wage- 
recht bleibenden  Oberarm  beugen,  wobei  die  Handflächen 
immer  senkrecht  zu  halten  sind.  Der  Winkel  der  äußersten 
Beugung  wird  auf  dieselbe  Weise  gemessen  wie  vorher  und 
sei  z.  ß.  auf  der  gesunden  Seite  35°,  auf  der  kranken  60°. 
Nunmehr  läßt  man  die  Arme  parallel  gerade  nach  vorn 
strecken  und  langsam  senken,  wobei  sich  eine  Abweichung 
nach  der  Beuge-  oder  Streckseite  ergeben  kann,  z.  B.  eine 
Ueberstreckung  um  10°.  Schließlich  muß  beim  Ellenbogen- 
gelenk auch  noch  die  Rotation  des  Radius  festgestellt  werden. 
Um  Mitbewegimgen  im  Schultergelenk  auszuschließen  muß 
der  Untersuchte  hierzu  beide  Oberarme  gleichmäßig  seit- 
lich an  die  Brust  legen  und  die  Arme  wagerecht  nach 
vorn  strecken.  Die  Drehung  der  Hand  ergibt  (bei  gesundem 
Handgelenk)  die  Beweglichkeit  des  Radius  in  seinem  oberen 
Gelenk.  Geht  man  wieder  von  der  senkrechten  Mittel- 
stellung der  Hand  aus-,,  so  kann  die  Pro-  und  Supination 
für  sich  gemessen,  schließlich  der  Betrag  der  gesamten 
Rotation  ermittelt  werden.  Das  Ergebnis  der  Untersuchung 
bringt  man  nunmehr  in  folgendes  einfache  und  übersichtliche 

13* 


196  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Schema  für  Untersuchungen  der  Ellenbogengelenke: 

R  L 

Anne  wagerecht  (  Streckung  bis  1800|1450bis  ^ 

b  \  Beugung  .  „      35°)  „      60°/ 

Arme  nach  vorn      Streckung  „     180°  „    190° 

Pronation „       900)lfi00  „      45 °l    „ro 

Supination „       90°jiöU  „      30°/    iö 

Umfang  gestreckt     ....  28    cm  29  cm 

Durchmesser   nach  der  Tiefe  6,5  „  7    „ 

„  „       „    Quere  7,5  „  8    „ 

Viele  der  anscheinend  geringfügigen,  zunächst  als  Kon- 
tusionen aufgefaßten  Verletzungen  des  Ellenbogengelenks  sind 
Einbrüche  im  Oberarmbein  oberhalb  der  Ulna. 

Am  Unterarm  sind  die  gewöhnlichen  normalen  Rich- 
tungen Belichtung  von  der  Radialseite  bei  ganz  aufgelegter 
Elle  imcl  senkrecht  befestigter  Hand  und  von  der  Dorsal- 
seite bei  flach  aufgelegter  Hand.  In  diesen  Stellungen  ist 
die  Lage  der  Knochen  zu  einander  eine  ganz  bestimmte  und 
stets  wiederherstellbare.  Es  ist  daher  auch  möglich,  beide 
Unterarme  in  paralleler  Stellung  und  darum  gut  vergleichbar 
nach  einander  auf  dieselbe  Plätte  zu  bringen.  Verletzungen, 
Einbrüche,  wobei  nur  eine  Seite  des  Knochens  etwas  klafft, 
werden  hierbei  leicht  erkannt.  Von  besonderer  Wichtigkeit 
sind  die  Verletzungen  am  unteren  Ende  besonders  des  Radius, 
da  bei  der  Durchleuchtung  in  dem  schwammigen  Gewebe 
keine  Bruchlinien  erkennbar  sind.  Es  kommt  häufig  nach 
einem  Fall  auf  die  Hand  eine  Schwellung  vor,  welche  als 
„Kontusion  des  Handgelenks"  aufgefaßt  wird  und  nach 
einigen  Wochen  der  Fixierung  und  Ruhe  anscheinend  geheilt 
ist.  Nur  eine  geringe  unbestimmbare  Schwellung  bleibt 
zurück,  sowie  eine  Beschränkung  in  den  Exkursionen  des 
Handgelenkes,  Welche  den  Arbeiter  in  zivilen  Beschäfti- 
gungen nicht  hindert,  welche  aber  den  davon  betroffenen 
Soldaten  zum  Turnen  wie  den  vorgeschriebenen  Griffen  un- 
fähig macht  und  bald  der  Beurteilung  durch  den  zuständigen 
Sanitätsoffizier  zuführt. 

Man  findet  eine  mehr  oder  weniger  gut  lokalisierbare 
Verdickung,  welche  wieder  durch  Meßband  und  Tasterzirkel 
festzustellen  ist  ebenso  wie  die  Maße  der  gesunden  Seite. 
Die  Funktionsprüfung  des  Gelenks  erfolgt  am  besten,  indem 
beide  Unterarme  unverrückbar  so  auf  ein  Bänkchen  aufgelegt 
werden,   daß  die  Hand  frei  beweglich  über  eine  Kante  herab- 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  197 

hängt.  Die  Exkursionen  nach  den  vier  verschiedenen  Rich- 
tungen1) sowie  die  Rotation  können  nun  wieder  mit  dem 
Winkelmesser  leicht  unter  Ausgang  von  der  graden  ge- 
streckten Stellung  ermittelt  und  das  Ergebnis  der  Untersuchung 
übersichtlich  zusammengestellt  werden,  z.  B.  in  folgendes 

Schema  für  Untersuchungen  der  Handgelenke: 

R  L 

Umfang   des  Handgelenks  19  cm  18  cm 

Querdurchmesser     ...  6    „  6    „ 

Tiefendurchmesser  ...  5    „  4    „ 

Streckung bis  20°  (   7O0  bis  30°  i  inn(> 

Beugung ,,    50°/     U       ,,   70°  { 

Beugung  ulnarwärts     .     .  ,,    30°  I    „q  „  45  °l     ^0 

„         radialwärts    ..  „25°/  „  25°J 

Supination „    70 Oj150o  n   90°  \  i«0° 

Pronation „    80o/iOU  „  90°  /  iöU 

Die  nunmehr  erfolgende  Aufnahme  wird  häufig  so  wenig 
in  die  Augen  lallende  Abweichungen  ergeben,  daß  man  gut 
tut,  in  solchen  Fällen  grundsätzlich  den  anderen  Unterarm  in 
der  gleichen  Lage  parallel  daneben  auf  die  Platte  zu  bringen, 
und  zwar  so  sorgfältig,  daß  nachher  auch  die  Spalten  der 
Handgelenke  genau  in  gleicher  Höhe  liegen.  Es  ist  hierbei 
außerordentlich  wichtig,  an  der  sorgfältig  über  das  Gelenk 
einregulierten  Röhre  nichts  zu  ändern  und  alle  Apparate  durch 
Schrauben  sicher  festzustellen.  Das  Gleiche  gilt  von  der 
hierzu  senkrechten  Aufnahme,  wobei  man  die  genau  gleiche 
Lage  der  beiderseitigen  Unterarmknochen  durch  ein  in  der 
Mitte  aufgestelltes  als  Anlage  dienendes  dünnes  Brett  sichern 
kann.  Aus  einem  mit  derartiger  Sorgfalt  hergestellten 
Negativ  ist  man  nun  berechtigt,  weitgehende  Schlüsse  selbst 
bei  anscheinend  unbedeutendem  Befunde  zu  ziehen.  Ein  im 
Garnisonlazarett  Colmar  im  Jahre  1900  untersuchter  Fall 
wird  dies  des  Näheren  dartun.  Ein  Obergefreiter  des  Fuß- 
Artillerie-Regiments  No.  14  war  von  einem  Teiephonbaum 
3  m  hoch  auf  die  linke  Hand  gefallen  und  zeigte  geringe 
Anschwellung  in  der  Gegend  des  Handgelenks  nebst  ebenfalls 
geringfügigen  Ausfallserscheinungen  der  Bewegungen.  Die  bei 
Belichtung    von    der    Dorsalseite    aufgenommenen    Unterarm- 


1)    Gut    verwendbar    ist    hierfür    auch    ein    von    Oberstabsarzt 
Kimmle  für  das  Garnisonlazarett  II  Berlin  konstruierter  Apparat. 


198  Das  praktische  Arbeiten1  mit  Röntgenstrahlen. 

knochen  zeigten  keinerlei  Bruchlinien,  nur  bei  genauem  Ver- 
gleichen auf  dem  verletzten  Arm  eine  in  den  Umrissen  etwas 
von  der  gesunden  Seite  abweichende  Zeichnung  des  unteren 
Speichenendes.  Es  war  ferner  die  Ausbuchtung  der  Weichteile 
am  Griffelfortsatz  der  Elle  an  der  verletzten  Seite  etwas  mehr 
ausgeprägt.  Verfolgte  man  ferner  auf  der  gesunden  Seite  die 
vom  Griffeifortsatz  der  Speiche  ausgehende  Gelenklinie  nach 
außen,  so  verlief  sie  in  gleichmäßigem  Zuge  bis  auf  die  Ge- 
lenkfläche  der  Elle,  sodaß  man  den  Eindruck  hatte,  eine  herab- 
rollende Kugel  könne  ohne  Anstoß  von  der  einen  auf  die  andere 
Fläche  gelangen.  Auf  der  anderen  Seite  dagegen  mußte  sie 
an  die  Elle  anstoßen,  weil  deren  G-elenkfläche  um  ein  weniges 
hervorragte.  In  der  Queraufnahme  zeigte  sich  die  nach  ab- 
wärts zeigende  Spitze  des  Radius  etwas  verlängert,  aber 
auch  hier  keine  Spur  einer  Bruchlinie  oder  von  Kallusbiidung. 
Alle  diese  so  äußerst  geringen  Abweichungen  von  der  nor- 
malen Seite  wären  nicht  erkannt  oder  auf  geringe  Ver- 
schiedenheiten bei  der  Aufnahme  bezogen,  wenn  eben  nicht 
mit  der  peinlichsten  Sorgfalt  beide  Seiten  unter  gleichen  Be- 
dingungen projiziert  wären.  Unter  diesen  Umständen  konnte 
eine  Zusammenstauchung  des  unteren  Radiusendes  mit  Sicher- 
heit angenommen  werden,  womit  die  anderweitig  beobachteten 
Symptome  vollkommen  übereinstimmten. 

Der  Beweis  für  die  Richtigkeit  einer  solchen  Annahme 
konnte  auf  folgende  Weise  geführt  werden.  Es  stand  ein 
skelettierter  Radius  zur  Verfügung,  dessen  unteres  Ende 
deutlich  in  vier  Stücke  zerbrochen  und  von  denen  eines  mit 
Verschiebung  wieder  an  den  im  Ganzen  verdickten  Knochen 
angeheilt  war.  Arier  deutlich  von  einander  getrennte  Facetten 
der  Gelenkfläche  und  ein  spitzer  Vorsprung  des  einen  Stückes 
ließen  über  die  stattgehabte  Verletzung  keinen  Zweifel.  Dieser 
Radius  wurde  nun  zusammen  mit  einem  normalen  in  ver- 
schiedenen Lagen  röntgographiert.  Das  Bild  zeigt  außer  den 
abweichenden  Umrissen  im  Innern  des  Knochens  keine  Spur 
des  sicher  durch  die  ganze  Substanz  gegangenen  mehrfachen 
Bruches.  Dies  kann  nur  darauf  beruhen,  daß  dieser  Knochen- 
abschnitt  nahezu  ausschließlich  aus  gleichmäßig  aufgebauter 
schwammiger  Substanz  ohne  merkliche  Anhäufung  von  kom- 
pakter besteht.  Ergibt  sich  schon  bei  einem  skelettierten 
Knochen  dieser  negative  Befund  im  Röntgenbild,  so  ist  noch 
weniger  zu  erwarten,  daß  die  von  Weichteilen  bedeckte 
schwammige  Substanz  des  lebenden  Knochens  im  Innern  Zcr- 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  199' 

trümmerungen  und  Verschiebungen  auf  der  Platte  erkennen 
lassen  wird.  Es  erhellt  aber  gleichzeitig  die  Berechtigung,  aus 
den  oben  geschilderten  minimalen  Aenderungen  der  Umrisse  und 
der  Lage  zum  Nebenknochen,  auf  eine  stattgehabte  Knochen 
Verletzung  zu  schließen,  allerdings  nur  für  den  Fall,  wenn  man 
sicher  ist,  daß  die  Bilder  in  absolut  identischer  Lage  aufge- 
nommen, daher  vergleichbar  sind. 

Verletzungen  der  Knochen  des  Handgelenks, 
Brüche  sowohl  wie  Verrenkungen  und  Fremdkörper,  sind 
leicht  darzustellen,  wobei  man  die  Hand  sowohl  auf  der 
Volar-  als  auf  der  Dorsalfläche  aufruhen  lassen  kann.  Auch 
(x) uerauf nahmen  mit  Lagerung  auf  der  Ulnarseite  sind  einfach 
zu  machen  und  häutig  von  großem  Nutzen.  Brüche  der 
einzelnen  Handwurzelknochen  kommen  häufiger  bei  schweren 
Maschinenverletzungen  vor,  sind  aber  im  Militärlazarett  im 
allgemeinen  recht  selten.  Daß  Schmiz1)  im  Verlauf  von 
"20  Monaten  bei  27  derartigen  im  Garnisonlazarett  Koblenz 
beobachteten  16  mal  Brüche  bezw.  Verrenkungen  der  Hand- 
wurzelknochen nachweisen  konnte,  ist  recht  auffallend. 

Am  einfachsten  und  brillantesten  sind  Aufnahmen  der 
einzelnen  Finger.  Auch  hier  sollte  nie  unterlassen  werden, 
wenn  möglich  die  gleichen  Finger  der  gesunden  Hand  in 
Aufsicht  wie  im  Profil  in  derselben  Stellung  auf  die  Plätte 
zu  bringen.  Dies  läßt  sicli  ganz  gut  erreichen,  wenn  man 
eine  18  X  24  cm  -  Platte  halb  abdeckt  und  auf  jeder  Hälfte 
eine  Aufnahme  macht.  Um  bei  den  Profilaufnahmen  an  clef 
Basis  der  Finger  möglichst  hoch  himaufgehen  zu  können, 
muß  man  über  die  Tischkante  hinausreichend  eine  Eisenplatte, 
von  etwa  30  X  40  cm  Größe  und  0,3  cm  Dicke  fest  an- 
schrauben, die  nur  in  dickes  Papier  gewickelte  Platte  bis 
zum  Rand  vorschieben  und  nun  den  Kranken  die  Finger  fest 
dagegen  stemmen  lassen.  Beim  Daumen  bedarf  die  Fest- 
legung der  normalen  Belichtungsebenen  einiger  Sorgfalt.  Läßt 
man  die  Hand  einfach  auflegen,  so  erhält  man  eine  etwas 
schräge  Projektion  der  Daumenknochen.  Es  ist  erforderlich, 
unter  die  Finger  einen  3 — 3,5  cm  hohen  Klotz  zu  schieben, 
um  die  richtige  Lage  der  Daumenknochen  im  Profil  zu  er- 
halten. Die  hierzu  rechtwinklige  Lage  der  Knochen  ein- 
schließlich des  ersten  Mittelhandknochens  erreicht  man,  indem 
man  den  Kranken    im  Stellen    zu  beiden  Seiten  einer  Tisch- 


1)  Deutsche  militärärztl.  Zeitschrift  1902  S.  311. 


200  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgen  strahlen. 

ecke  die  Daumen  soweit  wie  möglich  über  die  photographische 
Platte  heraufschieben  läßt. 

Für  den  Oberschenkel,  das  Knie  und  den  Unter- 
schenkel sind  nur  wenige  Vorsichtsmaßregeln  erforderlich. 
Die  richtige  Lage  erhält  man,  wenn  der  Kranke  die  Füße 
fest  gegen  ein  senkrechtes  Brett  stützt,  wo  sie  durch  ein 
Gummiband  derart  festgehalten  werden,  daß  ihre  Berührungs- 
fläche auf  der  Unterlage  genau  senkrecht  steht.  Hierdurch 
erhält  man  alle  drei  Gelenke  nebst  den  umgebenden  Knochen 
in  guter  Uebersicht  und  jedesmal  in  derselben  Lage.  Sehr 
schön  übersichtlich  namentlich  bei  Kindern  zeigt  sich  das 
Hüftgelenk  mit  großem  und  kleinem  Rollhügel.  Am  Knie- 
gelenk verschwindet  die  Kniescheibe  wegen  der  großen  Ent- 
fernung von  der  Platte  fast  vollständig.  Will  man  sie  genauer 
erhalten,  so  muß  man  die  Aufnahme  in  Bauchlage  machen. 
Die  Unterschenkelknochen  sind  in  ganzer  Länge  sichtbarr 
am  Fußgelenk  erscheint  sehr  deutlich  der  Gelenkspalt  und 
die  das  Sprungbein  umschließende  Zwinge  der  Knöchel. 
.Namentlich  am  äußeren  Knöchel  kommen  Brüche  vor,  welche 
in  einer  Richtung  keine  Verschiebung  zeigen,  sodaß  gerade 
hier  die  zweite  Aufnahme  besonders  notwendig  wird. 

Die  Queraufnahme  kann  man  mit  Belichtung  von  der 
Außen-  oder  Innenseite  machen.  Die  erstere  ist  sicherer. 
weil  die  flach  aufgelegte  Innenseite  des  Fußes  die  korrekte 
Stellung  verbürgt.  Man  muß  dabei  den  Kranken  auf  die 
gesunde  Seite  legen,  ihm  eine  feste  Rückenstütze  (Schraube 
mit  Kissen)  geben,  das  gesunde  Bein  durch  ein  Bänkchen 
überbrücken  und  auf  diesem  ein  größeres  Brett  (50  X  60  cm) 
je  nach  Bedarf  befestigen.  Handelt  es  sich  um  einen  frischen 
Bruch,  bei  welchem  man  die  Umlagerang  des  Kranken  ver- 
meiden möchte,  so  kann  man  beide  Aufnahmen  ohne  Ver- 
änderung seiner  Lage  machen,  indem  man  das  Bein  gleich 
von  vornherein  auf  ein  niedriges  Bänkchen  legt,  einmal  von 
oben  belichtet  und  dann  von  der  Außenseite  her  gegen  eine 
zweite  Platte  projiziert,  welche  durch  einen  rechten  Winkel 
(das  Fußbrett)  an  der  Innenseite  festgehalten  wird. 

Am  Oberschenkel  und  zwar  an  der  Vorder-,  Innen-  und 
Außenseite  begegnet  man  ebenso  wie  am  Oberarm  und  ge- 
legentlich am  Unterarm  den  nach  irgend  einem  Trauma  wie 
Reiten,  Bajonettieren  u.  dergl.  entstandenen  harten  Produkten 
verschiedener  Entzündungsprozesse,  welche  unter  dem  Namen 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  201 

Reit-  oder  Exerzierknochen1)  bekannt  sind.  Dieselben 
zeigen  bei  der  Betastung  nicht  immer  scharfe  Grenzen,  sind 
aber  für  das  Gefühl  im  Ganzen  leicht  nachweisbar.  Bei  der 
Durchstrahlung  hat  man  immer  eine  möglichst  weiche  Röhre 
zu  nehmen,  welche  für  die  Dicke  des  Körperteiles  noch 
gerade  ausreicht.  Nur  mit  solchen  kann  man  die  in  der 
Dichte  von  den  umgebenden  Weichteilen  nur  wenig  ver- 
schiedenen Neubildungen  in  genügender  Deutlichkeit  auf  die 
Platte  bringen.  Sie  zeigen  meist  ein  unregelmäßig  geflecktes 
Aussehen.  Auch  trotz  aller  Mühe  wird  man  sich  häufig  mit 
schattenhaften,  verlaufenden  Umrissen  begnügen  müssen.  Man 
unterlasse  nicht  die  Aufnahmen  in  zwei  Richtungen,  da  man 
hierdurch  Aufschluß  über  die  Verbindung  der  Neubildung 
mit  dem  Knochen  erhalten  kann. 

Es  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  bei  Querauf- 
nahmen des  Knies  in  etwa  8  pCt.  aller  Fälle  hinter  dem 
Gelenk  ein  Schatten  erscheint,  dessen  Natur  vielfach  unbe- 
kannt ist  und  zu  falschen- Deutungen  als  Fremdkörper  Anlaß 
gegeben  hat.  Wiederholt  ist  dieser  Befund  auch  als  neu  ent- 
deckter Knochen  beschrieben  worden.  Es  handelt  sich  um  ein 
Sesambein,  welches  im  äußeren  Kopf  des  M.  gastrocnemius 
sich  in  1/6  bis  1/1Q  aller  Fälle  findet2). 

Das  Fußgelenk  und  der  Fuß  sind  von  eminenter 
Wichtigkeit  für  den  militärischen  Dienst.  Die  hier  vor- 
kommenden Verletzungen  und  Abnormitäten  sind  mannigfaltig 
und  bedürfen  sorgsamer  Untersuchung.  Wegen  der  Vielge- 
staltigkeit der  wenig  verschieblichen  eng  an  einander  gelagerten 
Knochen  sind  auch  hier  wieder  ganz  bestimmte  Grundsätze 
für  die  Aufnahme  erforderlich,  wenn  zu  beliebiger  Zeit  Bilder 
gewonnen  werden  sollen,  welche  direkt  vergleichbar  sind. 

Am  besten  ist  es  auch  hier,    zur  Vergleichung    die    ge- 


1)  Salm  an,  Klin.  und  anatom.  Beiträge  zur  Myositis  ossificans. 
Deutsche  militärärztl.  Zeitschrift  1898  S.  65.  —  Knaak,  Die  subkutanen 
Verletzungen  der  Muskeln.  Veröffentl.  aus  dem  Gebiete  des  Militär- 
sanitätswesens Heft  16,  1900.  —  Schmiz,  Beitrag  zur  Myositis  ossi- 
ficans traumatica.    Deutsche  militärärztl.  Zeitschr.  1901  S.  581. 

2)  Vergl.  Pfitzner,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgen- 
strahlen 1900  Bd.  IV  S.  59.  «—  Derselbe  in:  Morphologische  Arbeiten 
1892  Bd.  1  S.  578,  Ueber  Sesambeine  der  Hand  s.  G.  Thilenius, 
Morphologische  Arbeiten  1896  Bd.  5  S.  309. 


202  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Sunde  Seite  mit  zu  photographicren.  Dies  ist  am  leichtesten 
ausführbar  bei  der  Projektion  der  Füße  von  oben.  Die  sym- 
metrische Stellung  wird  gesichert,  indem  das  S.  153  er- 
wähnte Fußbrett  an  der  Tischkante  festgeschraubt  wird.  Der 
Mann  sitzt  auf  dem  Tisch  auf  einem  Stuhl,  lehnt  die 
Hacken  und  die  Waden  gegen  das  senkrechte  Brett  und 
hat  die  inneren  Fußränder  in  ganzer  Ausdehnung  an  ein- 
ander zu  legen,  wobei  die  Berühr ungslinie  gerade  nach  vorn 
verlaufen  muß.  Die  Kniee  sind  durch  einen  Lederriemen 
leicht  zusammengedrückt.  Die  Röhre  kommt  in  50  cm  Ent- 
fernung von  der  Platte  senkrecht  über  die  Zehen  zu  stehen, 
Exposition  bis  2  Minuten.  Da  wegen  der  nach  hinten  rasch 
ansteigenden  Dicke  der  Füße  die  vorderen  Teile  hierbei  leicht 
übeiiichtet  werden,  kann  man  nach  einer  Minute  dieselben 
durch  eine  vorsichtig  hin-  und  herbewegte  Bleiplatte  abblenden. 

Man  erhält  auf  diese  Weise  deutliche  bis  zum  Hackeu- 
bein  reichende  Bilder,  welche  außer  über  Verletzungen  schon 
guten  Aufschluß  über  den  Bau  des  Fußgewölbes  geben.  Man 
erkennt  deutlich  das  mehr  oder  minder  starke  Hervortreten 
des  Kahnbeins  an  der  Innenseite  und  den  Verlauf  des  inneren 
Randes  der  Knochen.  Bei  normalem  Bau  bilden  die  inneren 
Knochenräncler  eine  gebrochene  Linie,  welche  mit  der  der 
anderen  Seite  einen  deutlichen  Rhombus  einschließt,  dessen 
Längs-  und  Querdiagonale  bei  Erwachsenen  etwa  die  Ab- 
messungen 11:4  cm  zeigen.  Sinkt  das  Fußgewölbe  ein,  so 
springt  das  Kahnbein  mehr  hervor,  die  innere  Randlinie  der 
Knochen  flacht  sich  mehr  und  mehr  ab  und  der  erwähnte 
Rhombus  wird  schmaler,  spaltförmiger. 

Von  Verletzungen  interessieren  hier  am  meisten  die 
vielberufenen  Brüche  der  Mittelfußknochen,  über  welche 
weiter  unten  Genaueres  mitgeteilt  wird. 

Die  Profilaufnahmen  des  Fußes  lassen  zwar  in  jeder 
Lage  die  Diagnose  grober  Verletzungen  zu.  Feinere  jedoch 
sowie  die  Beurteilung  des  Fußgewölbes  erfordern  besondere  Maß- 
nahmen, um  unter  den  bei  verschiedener  Projektion  in  den  Um-' 
rissen  stark  wechselnden  Knochenschatten  sich  zu  orientieren. 
Auf  die  klare,  in  die  Augen  springende  Darstellung  des  Fuß- 
gewölbes sollte  man  in  jedem  Falle  besonders  halten,  da  es 
für  die  Leistungsfähigkeit  namentlich  des  Infanteristen  Von 
weittragendster  Bedeutung  ist.  Dies  läßt  sich  nun  mit  Hilfe 
des  S.  155  beschriebenen  Fußklotzes  mit  Bleistreifen  stets 
einfach  und  sicher  erreichen.    Man  befestigt  das  rechtwinklige 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  203 

Fußbrett  auf  dem  Tisch,  legt  den  Fußklotz  in  den  Winkel,  läßt 
den  Mann  auf  einem  Stuhl  so  sitzen,  daß  der  Fuß  auf  dem 
Klotz  steht  und  die  Innenseite  des  senkrecht  stehenden  Unter- 
schenkels an  das  senkrechte  Brett  sich  anlegt.  Diese  Lage 
sichert  man  durch  eine  am  Stuhl  angebrachte  Schraube, 
welche  dem  Oberschenkel  Anlage  gewährt.  Nunmehr  reguliert 
man  die  Stellung  der  Röhre  nach  dem  wagerechten  und  senk- 
rechten Bleistreifen  ein  (dies  läßt  sich  nach  einiger  Uebung 
auch  ohne  leuchtenden  Schirm  durch  Visieren  mit  dem  Auge 
sicher  erreichen),  sorgt  dafür,  daß  die  vordere  Schienbeinkante 
mit  dem  senkrechten  Bleistreifen  zusammenfällt,  schiebt  die 
Platte  (24  X  30  cm)  in  den  Falz  an  der  Innenseite  des  Fuß- 
klotzes und  exponiert  bei  5 0  cm  Entfernung  2  bis  3  Minuten.  Diese 
durch  einfache  Merkmale  gesicherte  Lage  ergibt  nun  Bilder, 
welche  mit  überraschender  Deutlichkeit  sowohl  Verletzungen 
wie  den  Bau  des  Fußes  erkennen  lassen.  Der  als  schwarzer 
Strich  erscheinende  Bleistreifen  dient  als  Richtungslinie.  Bei 
normalen  Füßen  steigt  die  Ünterkante  des  Hackenbeines  steil  im 
Winkel  von  .30  °  bis  35  °  nach  vorn  auf,  woran  sich  dann 
das  weitere  Fußgewölbe  mit  den  Sesambeinen  des  Großzehen- 
gelenks endend  anschließt.  Die  Flöhe  dieses  Gewölbes  beträgt 
im  Durchschnitt  etwa  3  cm  über  der  Unterlage.  Je  mehr 
der  Fuß  einsinkt,  zum  Plattfuß  wird,  desto  flacher  wird  das 
Gewölbe.  Dies  macht  sich  mit  größter  Klarheit  am  Calca- 
neus  bemerkbar,  der  Winkel  zwischen  seiner  unteren  Kante 
und  dem  Bilde  der  Bleiplatte  wird  kleiner,  bei  stärkeren 
Plattfüßen  liegen  beide  parallel,  ja  das  vordere  Ende  kann 
der  Unterlage  näher  stehen  als  das  hintere. 

Es  muß  hier  etwas  genauer  auf  ein  Leiden  eingegangen 
werden,  welches  jedem  Sanitätsoffizier  genügend  bekannt  ist, 
welches  indessen  erst  im  Laufe  der  Röntgenära  mehr  Würdigung 
und  Aufklärung  gefunden  hat.  Das  als  Fußgeschwulst, 
Fußödem.  Marschgeschwulst,  Pied  force,  aecroissement  du  pied 
bezeichnete  Krankheitsbild  ist  in  seinen  äußeren  Umrissen 
bekannt,  seit  der  Oberstabsarzt  Breithaupt1)  in  Koblenz 
zuerst  im  Jahre  1855  die  Aufmerksamkeit  darauf  lenkte. 
Da  hier  keine  klinische  Darstellung  gegeben  werden  kann, 
mag  es  genügen  zu  sagen,  daß  Breithaupt  das  Leiden  als 
eine  Entzündung  der  Sehnenscheiden  und  des  tiefer  gelegenen 
Bänderapparates,     ausgehend    von    den    Gelenkverbindungen 


1)  Medizin.  Zeitung  1855  No.  36  und  37. 


204  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

zwischen  den  Zehen  und  Metatarsalknochen  besonders  der 
dritten  und  vierten  Zehe  auffaßte.  Erst  22  Jahre  später  folgt 
eine  weitere  Besprechung  der  Krankheit  durch  Stabsarzt  Weis- 
bach1), welcher  den  Sitz  des  Schmerzes  mehr  an  der  Dorsal- 
seite des  Fußblattes  an  den  Strecksehnen  der  mittleren  Zehen 
fand  und  namentlich  die  Schmerzhaftigkeit  beim  raschen  Auf- 
heben und  Beugen  der  Zehen  betonte.  Mit  der  von  ihm  ge- 
wählten Bezeichnung  und  Auffassung  des  Leidens  als  Syndes- 
mitis  metatarsea  fand  sich  in  Deutschland  eine  ganze 
Generation  '  von  Militärärzten  ab.  In  Frankreich  machte 
Pauzat2)  1887,  Poulet3)  1888  auf  typische  Knochenver- 
dickungen bei  ausgesprochenen  derartigen  Fällen  aufmerksam. 
Der  erstere  faßte  die  Krankheit  als  Periostite  osteoplasiquo 
des  metatarsiens  ä  ia  suite  des  marches  auf,  der  zweite  als 
Osteoperiostite  rhumatismale  des  metatarsiens.  Auch  Martin4) 
1891  bezeichnet  sie  als  Inflammation  periosto-arthritique  du 
pied  ä  la  suite  des  marches.  Oberstabsarzt  Rittershausen5) 
fand,  daß  die  Schmerzhaftigkeit  auf  die  einzelnen  Metatarsal- 
knochen beschränkt  ist  und  daß  man  hier  Verdickungen 
fühlen  kann.  Dies  führte  ihn  zu  der  Annahme  einer  Knochen- 
entzündung.    Dieser  in  Deutschland  erste  öffentliche  Hinweis 


-■:-> 


auf  eine  Beteiligung  der  Knochen  an  dem  Krankheitsbilde 
wurde  wenig  bekannt  und  man  kann  getrost  behaupten,  daß 
beim  Beginn  der  Röntgenära  die  große  Mehrzahl  aller 
Sanitätsoffiziere  noch  vollkommen  von  der  Vorstellung  be- 
herrscht war,  es  handle  sich  um  einen  vorwiegend  im  Band- 
apparat verlaufenden  Prozeß.  Um  so  größer  war  das  Er- 
staunen als  in  einem  Falle  von  „chronischem  Fußleiden" 
Anfang  Juli  1897  im  Garnisonlazarett  I  Berlin6)  mittels  der 
Röntgenaufnahme  ein  unzweifelhafter  Knochenbruch  gefunden 
und  dieselbe  Verletzung  sofort  in  zwei  ähnlichen  Fällen  fest- 
gestellt wurde.  Schon  damals  unterschied  ich  zwei  Befunde, 
spindelförmige  \rerdickungen  des  ganzen  Mittelstückes,  welche 
die  Form  des  Knochens  nicht  wesentlich  verändern  und  welche 


1)  Deutsche  militärärztliche  Zeitschrift  1877  Heft  12. 

2)  Archives  de  medecine  et  de  pharmacie  militaires  1887  Bd.  10 
S.  337. 

3)  Ebendas.  1888  Bd.  12  S.  245. 

4)  Ebendas.   1891   Bd.  18  S.  336. 

5)  Militär-Wochenblatt  1894  No.  75. 

6)  Stech ow,  Deutsche  militärärztl.  Zeitschrift  1897  S.  466. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  205 

als  von  den  Weichteilen  auf  die  Knochenhaut  fortgeleitete 
Entzündungen  gedeutet  wurden;  ferner  knollige  dem  Knochen 
aufsitzende  Verdickungen  mit  oder  ohne  erkennbare  Bruch- 
linien und  Knochenverschiebung.  Auch  ohne  den  letzteren 
Befund  mußte  hierin  stets  ein  Knochenbruch  mit  Kallusbildung 
erblickt  werden.  Ich  hielt  damals  unter  dem  Eindruck  dieser 
Befunde  es  für  notwendig,  zunächst  jeden  Fall  von  Fuß- 
geschwulst auch  mit  Röntgenstrahlen  zu  untersuchen,  um  vor 
allem  erst  einmal  festzustellen,  in  wieviel  Fällen  ein  Knochen- 
bruch zu  Grunde  liegt  imd  um  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  welche 
eine  derartige  Diagnose  auch  ohne  Röntgenapparat  ermöglichen. 

Ein  Jahr  später  konnte  ich1)  in  der  8.  Sektion  für 
Militärhygiene  des  IX.  internationalen  Kongresses  für  Hygiene 
und  Demographie  zu  Madrid  über  35  Fälle  von  Verletzungen 
und  Abnormitäten  der  Mittelfußknochen  berichten,  von  welchen 
34  der  äußeren  Diagnose  „Fußgeschwulst"  zugehörten.  Ich 
erklärte  das  Zustandekommen  des  Bruches  bei  anscheinend 
geringer  Gewalteinwirkung'  (von  34  Verletzten  konnten  9  über 
die  Veranlassung  keine  Angabe  machen)  durch  einen  von 
vorn  kommenden  Stoß,  wie  er  beim  Sprung  aber  auch  durch. 
Anstoßen  an  einen  Stein,  gefrorene  Wagenspur  oder  dergl. 
während  des  Marschierens  bei  ungünstiger  Stellung  des  Fußes 
namentlich  bei  üebermüdung  des  Körpers  vorkommt,  wodurch 
die  natürliche  Krümmung  des  Knochens  über  die  Elastizitäts- 
grenze hinaus  vermehrt  wird.  Bricht  der  Knochen,  so  reißt 
er  zuerst  an  der  konvexen  Oberseite  ein,  womit  die  schon  von 
Weisbach  hervorgehobene  besondere  Schmerzhaftigkeit  auf 
der  Dorsalseite  gut  übereinstimmt.  Soweit  die  damals  vorläufig 
gewonnene  Uebersicht  erkennen  ließ,  lag  bei  der  gewöhnlich  im 
Revier  gestellten  Diagnose  „Fußödem"  in  etwa  einem  Dritteil 
der  Fälle  eine  nachweisbare  Knochenverletzung  vor.  Ueber 
den  klinischen  Verlauf  dieser  Fälle  konnte  nichts  berichtet 
werden,  da  die  Kranken  aus  den  verschiedensten  Regimentern 
und  Garnisonen  nur  auf  kurze  Zeit  zur  Röntgenuntersuchung 
gebracht  wurden.  Auch  über  das  endgültige  Resultat  der 
Behandlung  (Heilung  —  Entlassung)  konnte  erst  später  etwas 
in  Erfahrung  gebracht  werden.  Die  Röntgen  Station  war  ohne 
unmittelbaren  Einfluß  auf  die  Entschließungen  der  Truppenärzte. 

Seit    dieser  Zeit  hat  die  Frage  nach   der  Natur  der  der 


1)  Brüche  der  Mittelfaßknochen,  eine  häufige  Ursache  von  Fuß- 
ödem.   Madrid  10.— 17.  April  1898. 


206  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen-. 

Fußgesch willst  zu  Grunde  liegenden-  anatomischen  Läsion 
nicht  geruht  und  jedes  Jahr  hat  Veröffentlichungen  gebracht, 
weiche  die  Sache  weiter  geklärt  haben. 

Zunächst  berichtete  im  selben  Jahre,  1897,  in  welchen 
die  ersten  Mitteilungen  aus  dem  Garnisonlazarett  I  Berlin  er- 
folgten, der  Oberstabsarzt  Schulte1),  daß  er  vom  1.  4.  94 
bis  Ende  Oktober  96  gegen  hundert  Fälle  von  Fußgeschwulst 
beobachtet  habe  und  zu  der  Ueberzeugung  gekommen  sei, 
daß  stets  eine  Störung  des  Zusammenhanges  der  Knochen - 
snbstanz  an  einem  der  drei  mittleren  Mittelfußknochen,  und 
zwar  ein  Knickbruch  oder  eine  vollkommene  Fraktur  vor- 
liege... Er  berichtete  genauer  nur  über  59  Fälle,  welche  er 
in  zwei  Klassen  einteilte.  In  der  ersten  Reihe  (53  Fälle) 
bestand  typischer  fixer  Druckschmerz,  Schwellung,  später 
Bildung  eines  Knochenringes  meist  im  mittleren  Dritteil. 
dessen  Dicke  nach  dem  Abtasten  auf  2 — 3  mm  geschätzt 
wurde.  Es  war  33mal  der  zweite  Mittelfußknochen,  18 mal 
der  dritte,  2 mal  der  vierte  betroffen.  Die  erste  Röntgen- 
photographie  wurde  am  19.  Oktober  1896  gemacht  und  zeigte 
einen  typischen  Kallns.  Ein  Mann  wurde  invalide  wegen 
einer  3  cm  langen  Knochenauflagerang,  welche  beim  Auftreten 
Druckschmerz  verursachte. 

Die  zweite  Gruppe  (6  Fälle)  zeichnete  sich  dadurch 
aus,  daß  neben  den  Symptomen  der  ersten  Gruppe  noch 
charakteristische  Bruchanzeichen,  abnorme  Beweglichkeit,  Kre- 
pitation vorhanden  waren.  Niemals  sind  jedoch  Blutanstritte 
erwähnt.  Der  Verlauf  war  derselbe  wie  bei  der  ersten  Reihe 
von  Fällen  und  hiernach  wurde  als  wahrscheinlich  angenommen, 
daß  auch  dort  die  gleiche  Ursache,  nämlich  eine  Knochen- 
verletzung zu  Grunde  liege. 

Interessant  ist  der  Verlauf  eines  Falles  der  zweiten 
Gruppe  mit  deutlicher  Krepitation.  Da  die  Kallusbildung 
sich  verzögerte,  ließ  man  den  Mann  aufstehen  und  umher- 
gehen. Die  Knochenbildung  erfolgte  nunmehr  derartig  massen- 
haft, daß  die  anstoßenden  Zwischenknochenräume  völlig  aus- 
gefüllt und  das  Tragen  des  Schuhzeugs  behindert  wurde. 
Der  Mann  wurde  dienstunfähig. 

Nach  Schulte  sind  alle  Fälle,  in  welchen  eine  kailöse 
Knochenauftreibung  zustande  kommt,  als  Bruch  aufzufassen, 
welchen  er  sich  durch  Ueb erstreckung  der  leicht  gebogenen 


1)  Langenbeck's  Archiv  für  klin.  Chirurgie  1897  Bd.  55  S.  872. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  207 

Mittelfußknochen  entstanden  dachte.  Gegenüber  Körting1) 
betonte  er,  daß  mehr  normalgebaute  Füße  als  solche  mit 
platten  Sohlen  erkranken.  Nur  in  einer  sehr  geringen  Anzahl 
von  Fällen  wurden  Röntgenaufnahmen  gemacht,  welche  die 
anderweitig  gestellte  Diagnose  bestätigten. 

Sodann  berichtete  Oberstabsarzt  A.Kirchner2),  daß  er 
bis  zum  Jahre  1887  die  Erkrankung  ebenfalls  für  eine 
Bänderentzündung  angesehen,  seit  dem  Jahre  1888  aber  drei 
beobachtete  Knochenverdickimgen  als  Knochenbrüche  be- 
trachtet, eine  Reihe  anderer  Fälle  jedoch  teils  als  An- 
schwellung des  Mittelfußes,  teils  als  Bänderentzündung  be- 
zeichnet habe.  Seit  dem  Jahre  1894  aber  konnte  er  in 
jedem  ihm  zur  Beobachtung  kommenden  Fall  von  Fußge- 
schwulst einen  Mittelfnßknochenbruch  bezw.  eine  von  einem 
solchen  herrührende  Knochenverdickung  feststellen,  „ohne 
hierzu  der  Röntgenstrahlen  zu  bedürfen"  (sie  wurden  erst 
Ende  1895  entdeckt).  Diese  Ansicht  bedeutet  eine  unerklär- 
liche Unterschätzung  der,  Wichtigkeit  der  neuen  Unter- 
suchungsmethode.  War  die  Vermutung,  daß  der  Knochen 
beteiligt  sei,  schon  vorhanden,  hatte  hier  und  da  der  Ge- 
danke schon  Eingang  gefunden,  daß  in  manchen  oder  sogar 
in  allen  Fällen  von  Fußgeschwulst  ein  Knochenbruch  vor- 
liege, so  war  dies  doch  zunächst  noch  jedesmal  erst  ein- 
wandfrei zu  beweisen,  und  hierzu  war  das  neue  Hilfsmitte 
der  X-Strahlen  geradezu    unschätzbar.     Kein    späterer  Beob- 


1)  Deutsche  militärärztl.  Zeitschrift  1893  S.  404. 

2)  Ueber  das  Wesen  der  sogen.  Fußgeschwulst  (Bruch  der  Mittel- 
fußknochen durch  indirekte  Gewalt).  Wiesbaden,  J.  F.  Bergmann  1898. 
—  Die  Fußgeschwulst,  in  der  30.  Abteilung  der  70.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Düsseldorf  am  19.  9.  1898  er- 
stattetes Referat  in  Deutsche  militärärztl.  Zeitschr.  1899  S.  79.  —  Wenn 
auch  sehr  bedauerlich,  so  ist  es  jedenfalls  Tatsache,  dass  von  dieser 
seiner  neuen  Auffassung  des  Leidens  vor  dem  Jahre  1898  nichts  in  die 
Oeffentlichkeit  gelangt  ist.  Weder  über  die  im  Jahre  1894  auf  der 
Station  und  im  Rapport  als  Bruch  der  Mittelfußknochen  geführten 
17  Fälle  noch  über  die  im  Stationsbericht  1894/95  gegebenen  genauen 
Erläuterungen  noch  auch  über  den  im  Dezember  1894  in  der  militär- 
ärztlichen Gesellschaft  zu  Hannover  gehaltenen  Vortrag  war  etwas  in 
weiteren  als  den  zunächst  dienstlich  beteiligten  Kreisen  bekannt  ge- 
worden. Vergl.  ferner  die  Sanitätsberichte  für  1896  S.  125,  1897  S.  125, 
1898  S.  127. 


208  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

achter  hat  sich  daher  wie  A.  Kirchner  damit  begnügt,  seine 
auf  anderem  Wege  gewonnene  Meinung  nur  durch  einige 
Aufnahmen  „gewissermaßen  für  ungläubige  Seelen"  ergänzen 
zu  lassen,  ohne  daß  er  hierdurch  neue  Aufklärung  erhalten 
hätte,  vielmehr  sind  eine  ganze  Reihe  weiterer  Unter- 
suchungen mit  X-Strahlen  gefolgt,  welche  bisher  schon  einen 
erheblichen  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  des  Leidens  be- 
wirkt haben. 

In  Frankreich  hatte  Busquet1)  die  mit  dem  Knochen 
zusammenhängende  Natur  des  Prozesses  ebenfalls  erkannt 
und  ihn  als  Periostitis  aufgefaßt,  von  der  er  drei  Arten 
unterschied,  eine  direkte  traumatische,  veranlaßt  durch 
wiederholte  Insulte  der  Knochen  durch  die  Falte  des  Ober- 
leders; eine  indirekte  traumatische,  hervorgerufen  durch 
Zerrungen  oder  Einrisse  der  Bänder  an  ihrer  Ansatzstelle  an 
der  Knochenhaut  infolge  von  Verletzung  oder  Uebermüdung; 
ferner  eine  auf  Diathese  beruhende.  Die  Beteiligung  des 
Knochens  hielt  er  für  ganz  untergeordneter  Natur,  obwohl 
er  zwei  Fälle  von  Pfihl  und  Valence  erwähnt,  in  denen 
diese  Autoren  bei  der  Operation  „den  Knochen  etwas  ver- 
dickt, das  Knochengewebe  runzlig"  und  „eine  kleine  zer- 
reibliche  Exostose"  vorfanden,  während  das  Periost  selber 
ganz  gesund  erschien. 

Infolge  meiner  Mitteilungen  auf  dem  Kongreß  in  Madrid 
untersuchten  zwei  französische  Militärärzte,  Boisson  und 
Chapotot2)  eine  Anzahl  Fälle  bei  Infanteristen  und  ge- 
langten zu  der  Ansicht,  daß  es  zwei  verschiedene  Reihen  von 
Erkrankungen  des  Mittelfußes  gäbe.  Einmal  kommen  Brüche 
vor  mit  fixem  Druckschmerz  und  häufig  Krepitation,  welche 
dadurch  entstehen,  daß  bei  Ermüdung  die  Muskeln,  welche 
das  Fußgewölbe  in  der  Quere  zusammenhalten,  nachlassen,  der 
ziemlich  bewegliche  erste  Mittelfußknochen  nach  oben  aus- 
weicht und  nun  dem  folgenden  schwächeren  das  Abwickeln 
der  Sohle  und  Ueberwinden  von  Unebenheiten  zufällt.  Sie 
brechen  dabei  infolge  Hebelwirkung  durch  Ueberstreckung. 
Ferner  kommen  unter  denselben  Verhältnissen,  wenn  die 
Knochen  selbst  Widerstand  leisten,  Entzündungen  des  Band- 
und  Gelenkapparates    an  beiden  Enden    der  mittleren  Mittel- 


1)  Revue  de  Chirurgie  1897  S.  1065.     ■ 

2)  Le  pied  force.    Archives  de  med.  et  de  pharm,  militaires  1899 
Bd.  33  S.  81. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  209 

fußknochen  vor,  von  denen  namentlich  der  zweite  an  seinem 
hinteren  Ende  fest  eingekeilt  ist  und  nicht  nachgeben   kann. 

Auch  Nimier1)  glaubte  das  Zustandekommen  eines  kom- 
pletten oder  inkompletten  Bruches  nur  möglich  bei  nachge- 
wiesener größerer  Gewalteinwirkung  wie  Sprung,  Fehltritt 
oder  .dergl.,  während  er  in  anderen  Fällen  nur  eine  Ver- 
stauchung, also  eine  Affektion  der  Weichteile  für  annehm- 
bar hielt. 

Oberstabsarzt  a.  D.  Rittershausen2)  erklärte  sich, 
soweit  das  aus  seinen  hierauf  bezüglichen  Ausführungen  zu 
entnehmen  ist,  für  das  Zustandekommen  des  Bruches  durch 
vermehrte  Streckung  der  Mittelfußknochen,  war  übrigens 
anscheinend  der  Ansicht,  daß  nicht  allen  Fällen  von  Fußge- 
schwulst Brüche  zu  Grunde  liegen. 

Oberstabsarzt  Thiele3)  war  der  Meinung,  daß  bei  der 
Fußgeschwulst  immer  ein  Bruch  oder  wenigstens  eine  In- 
fraktion  eines  Mittelfußknochens  vorhanden  sei. 

Muskat4)  kam  nach ,  sehr  gründlicher  Erörterung  der 
statischen  und  Belastungsverhältnisse  des  Fußes  zu  der  Ueber- 
zeugung,  daß  das  Ueberwiegen  dieser  Mittelfuß  bräche  beim 
Soldaten  auf  besondere  Eigentümlichkeiten  der  militärischen 
Hebungen  und  zwar  auf  langes  Stillstehen,  Marschieren  im 
Tritt  und  den  Parademarsch  zurückzuführen  sei.  Allein 
bei  letzterer  Uebung  kommt  die  Verletzung  durchaus  nicht 
besonders  häufig  vor  und  der  Soldat  marschiert  draußen 
durchaus  nicht  in  der  vom  langsamen  Schritt  her  bekannten 
steifen  Form,  sondern  gerade,  wenn  er  auf  der  Landstraße  in 
der  Kolonne  ohne  weiteren  Zwang  sich  fortbewegt  oder  aber 
über  das  Feld  vorläuft,  wie  er  will,  treten  die  meisten  der- 
artigen Verletzungen  ein. 

Eine  große  Anzahl  guter  Röntgenbilder  hierher  gehöriger 
Fälle  veröffentlichte  Stabsarzt  M eis  er5).  Er  unterschied  sehr 
genau  einen  Knochenbruch,  der  sich  durch  Verschiebung  u.  s,  w., 


1)  Archives  de  med.  et  de  pharm,  mil.   1898  Bd.  31   S.  392. 

2)  Deutsche  militärärztliche  Zeitschrift  1899  S.  18. 

3)  Deutsche  med.  Wochenschrift  1899  No.  10;  Deutsche  militär- 
ärztliche Zeitschrift  1900   S.  129. 

4)  Sammlung  ldin.  Vorträge  begründet  von  Richard  Volkmann 
1899  No.  258. 

5)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen   1901  Bd.  4 
S.  105. 

Steehow,  Das  Röntgen -Verfahren.  ^ 


210  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

jedenfalls  aber  durch  einen  massigen,  klumpigen  Kallus 
zu  erkennen  gibt,  und  schlanke  Verdickungen  des  Mittel- 
stückes, welche  er  auf  'Periostitis  zurückführt.  Die  Ent- 
stehung des  Bruches  erklärte  er  ganz  entschieden  durch 
Ueberspannung  des  normal  vorhandenen  Bogens,  also  durch 
übermäßige  Zusammenbiegung  des  Knochens,  wobei  der 
erste  Einriß  von  der  oberen  konvexen  Seite  her  erfolgt. 

Oberarzt  Thalwitzer1)  war  dagegen  überzeugt,  daß  in 
den  meisten  Fällen  von  Fußgeschwulst  Bruch  des  Knochens 
fehle  und  nur  durch  Ueberanstrengung  der  M.  interossei  bei 
lang  fortgesetztem  Marschieren  eine  traumatische  Periostitis 
der  Mittelfußknochen  entstünde.  Er  bezieht  hierauf  die  lang- 
gestreckten Knochenschatten  des  Mittelstückes,  während  die 
eigentlichen  Frakturen  immer  Bruchlinien,  Dislokation  und 
später  dicken  Kallus  zeigen  sollen.  Der  Entstehung  nach 
hält  er  die  Fraktur  für  eine  direkte. 

Stabsarzt  Blech  er2)  fand  ebenfalls  unzweifelhafte  Fälle 
von  Knochenbruch  nur  in  1/3  der  Fälle,  in  den  übrigen  nimmt 
er  eine  Knochenhautentzündung  an,  welche  den  feinen  spindel- 
förmigen Schatten  um  die  Diaphyse  verursacht.  Er  sieht  in 
diesen  beiden  Veränderungen  keine  wesentlichen,  sondern  nur 
gradweise  Unterschiede,  bedingt  durch  die  Verschiedenheit  der 
Stärke  der  Gewalteinwirkung  und  der  Festigkeit  des  Knochens, 
und  erklärt  die  Entstehung  der  Fußgeschwulst  durch  eine 
abnorme  Belastung  der  mittleren,  normalerweise  nicht  be- 
lasteten Mittelfußknochen.  Die  für  gewöhnlich  den  Boden  nicht 
berührenden  Köpfchen  der  Mittelfußknochen  sinken  herab,  wenn 
infolge  von  Ermüdung  die  durch  die  Muskeln  unterhaltene  Quer- 
spannung dieses  Gewölbes  nachläßt.  Der  Bruch  kann  in  diesem 
Augenblick  entweder  sofort  beim  Erheben  der  Ferse  oder  beim 
darauf  folgenden  Abstoßen  des  Fußes  eintreten.  Ist  der 
Knochen  selbst  den  Anforderungen  gewachsen,  so  kommt  es 
durch  den  stets  wiederholten  Stoß,  die  Erschütterung  und 
den  Druck  auf  das  Köpfchen  zu  einer  Entzündung  der 
Knochenhaut.  Hiernach  soll  also  der  Bruch  auch  durch 
Ueb erstreckung  des  Knochens  zustande  kommen. 

Ueber  tadellose  Heilung  eines  dreifachen  Bruches  be- 
richtete   Stabsarzt    Schmitz3).      Aehnliche    Fälle     aus    der 


1)  Deutsche  militärärztl.  Zeitschrift  1902  S.  435. 

2)  Ebendas.   1902  S.  321  und  1903  S.  3. 

3)  Ebendas.   1902  S.  199. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  211 

zivilen  Bevölkerung  veröffentlichten  Scliipmann1)  und 
Muskat2). 

Aus  den  gemachten  Angaben  erhellt,  daß  die  Frage 
betr.  Wesen  und  Entstehung  der  Fußgeschwulst  von  vielen 
Seiten  in  Angriff  genommen,  aber  doch  noch  nicht  in  allen 
Punkten  vollkommen  geklärt  ist.  Noch  nicht  sicher  gestellt 
ist  die  Art  der  Entstehung,  ob  durch  Ueberst reckung  oder 
Ueberbeugung  oder  auf  beide  Arten,  ferner  die  Frage,  ob 
jedem  Fall  von  entzündlicher  Schwellung  in  der  Gegend  des 
Mittelfußes  tatsächlich  eine  Verletzung  des  Knochens  oder  der 
Knochenhaut  zu  Grunde  liegt,  oder  ob  auch  einfache  Er- 
krankungen der  ßandapparate  vorkommen.  Sodann  bedarf  das 
spätere  Verhalten  des  Kallus  genauerer  Aufklärung  namentlich 
nach  der  Richtung,  in  welchem  Zusammenhange  er  mit  der 
schmalen  Verdickung  des  Schaftes  steht  und  welche  Ver- 
änderungen er  im  Lauf  der  Zeit  eingeht. 

Hier  weitere  Aufklärung,  Trennung  der  verschiedenen 
noch  häufig  verwechselten ,  Erkrankungen  zu  erzielen  und  die 
Möglichkeit  der  Frühdiagnose  ohne  Röntgenapparat  zu  schaffen, 
ist  eine  immerhin  dankbare  Aufgabe  der  militärischen  Röntgen- 
kabinette.  Für  die  Untersuchung  ist  zunächst  zu  betonen, 
daß  Durchleuchtungen  nur  in  den  gröbsten  Fällen  genügen 
werden,  es ,  also  besser    ist,    hiermit    keine  Zeit  zu  verlieren. 

Die  genaue  äußere  Untersuchung  nimmt  man,  nachdem 
durch  Antreten  des  Mannes  mit  parallelgestellten  Füßen  eine 
Uebersicht  gewonnen  ist,  am  besten  so  vor,  daß  man  den 
kranken  Fuß  des  sitzenden  Patienten  auf  den  Schoß  nimmt  und 
nun  jeden  Mittelfußknochen  sorgsam  abtastet,  indem  man  den 
Daumen  an  die  Sohle,  die  übrigen  Finger  an  den  Fußrücken  legt. 
So  gelingt  es  am  besten  jeden  Knochen  einzeln  zu  verfolgen 
und.  Verdickungen  sowie  fixe  Druckpunkte  aufzufinden.  Man 
wird  erstaunt  sein,  wie  leicht  ein  Verzählen  bei  der  Bestim- 
mung des  eigentlich  schmerzhaften  Knochens  vorkommt. 

Die  Aufnahmen  sind  an  sich  ohne  Schwierigkeit,  müssen  je- 
doch stets  in  derselben  Stellung  (am  besten  sitzend,  Belichtung 
von  oben)  und  von  beiden  Füßen  zugleich  gemacht  werden. 
Auf  den  Bildern  lassen  sich  vier  verschiedene  Befunde  unter- 
scheiden. 1.  Deutliche  Knochenbrüche  mit  Spalten,  Splittern 
oder  Verschiebungen,    in.  der    ersten  Zeit    ohne  erkennbaren 


1)  Deutsche  med.  Wochenschrift   1899  S.  319. 

2)  Volkmann'sche  Hefte  No.  258. 


14* 


212  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Kallus.  2.  Dicker  rundlicher,  den  Knochen,  wie  die  Aus- 
wüchse einer  Birke  umfassender  Kallusschatten.  Auch 
bei  diesem  Befund  besteht  über  den  vorhandenen  oder 
vorhanden  gewesenen  Knochenbruch  kein  Zweifel,  selbst 
wenn  im  übrigen  weder  Bruchlinien  noch  Verschiebung  zu 
sehen  sind.  3.  Ein  ähnlicher  Schatten,  der  zwar  nicht 
ganz  rund  ist,  aber  durch  seine  Massenhaftigkeit,  unregel- 
mäßig-klumpige Gestalt  und  Dichte  sich  ebenfalls  als  echter 
Kallusschatten  erweist.  Diese  Form  mag  namentlich  bei 
Schrägbrüchen  mit  besonderer  Verschiebung  (Abhebung  einer 
Seite)  zustande  kommen.  4.  Feine  Verdickungen  des  Mittel- 
stückes, welche  den  Knochenumriß  meist  in  ganzer  Länge 
begleiten1)  Da  andere  Abweichungen  fehlen,  bleibt  man  im 
Ungewissen,  was  hier  ursprünglich  vorgelegen  hat,  zumal  die 
Leute  über  das  Vorhandensein  meist  garnichts  wissen  und  somit 
auch  über  die  Entstehung  keine  Angaben  machen  können. 
Daß  man  diese  zarten  Verdickungen  bei  der  Untersuchung 
mit  der  Hand  fühlt,  ist  ausgeschlossen,  sie  sind  wohl  stets 
ein  zufälliger  Befund. 

Da  bei  den  Fußaufnahmen  die  besondere  Schwierigkeit 
besteht,  daß  man  sie  nicht  in  der  Querrichtung  zur 
Aufhellung  des  räumlichen  Verhaltens  des  Knochens  wieder- 
holen kann,  so  dürfte  gerade  hier  ein  dankbares  Feld  für 
stereoskopische  Aufnahmen  sein.  Verfügt  man  überhaupt 
über  derartige  Apparate,  so  sind  die  Aufnahmen  an  dem  ver- 
hältnismäßig dünnen  Körperteil  leicht  und  ohne  viel  Zeit- 
aufwand herzustellen.  Eine  Platte  18x24  cm  und  unmittel- 
bare Betrachtung  der  darauf  neben  einander  liegenden  Negative 
werden  genügen.  Allerdings  wird  man  sich  für  diesen 
Zweck  eine  besondere  kleine  Wechselkassette  mit  Bleiblende 


1)  A.  Kirchner  erklärt  in  seinem  Vortrage  auf  der  70.  Versamm- 
lung deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  (Dtsch.  militärärztl.  Zeitschr. 
1899  S.  84)  diese  Unterscheidung  ohne  weiteres  für  unzulässig,  an- 
scheinend ohne  die  hierher  gehörenden  Befunde  der  Röntgenaufnahme  zu 
kennen.  Bei  der  ganz  auffälligen  Verschiedenheit  im  Röntgenbilde  von 
den  unzweifelhaften  Brüchen  ist  die  richtige  Deutung  keineswegs  leicht. 
Man  wird  vor  der  Hand  an  eine  von  Knochenbruch  abweichende  Ursache^ 
vielleicht  Knochenhautentzündung  denken  müssen,  wenn  es  nicht  etwa 
gelingen  sollte,  nachzuweisen,  daß  hierin  die  Endprodukte  alter  Bruch- 
kallusmassen  vorliegen. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  213 

nach  Art  der  von  Hildebrand1)  beschriebenen  herrichten 
müssen.  Das  vervollkommnete  Werkzeug  wird  auch  hier  wie 
immer  zu  höheren  Ergebnissen  führen. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  solche  Fußaufnahmen, 
bei  denen  es  sich  nicht  um  feinste  Knochenstruktur  handelt, 
kurz  belichtet  werden,  um  auch  einen  noch  wenig  dichten  Kallus 
auf  der  Platte  zu  erhalten.  Findet  man  kurz  nach  der  Ver- 
letzung keinen  Bruch  oder  Kallus,  so  muß  man  die  Behand- 
lung zunächst  allein  nach  den  Ergebnissen  der  äußeren  Unter- 
suchung einleiten2)  und  die  iYufhahme  nach  10 — 14  Tagen 
wiederholen.  Auch  jetzt  kann  es  kommen,  daß  Nichts  auf 
der  Platte  gefunden  wird,  obwohl  der  Kranke  fixen  Druck- 
schmerz zeigte.  Vielleicht  erscheint  in  solchen  Fällen  der 
Kallus  noch  später  oder  es  läßt  möglicherweise  die  stereo- 
skopische Betrachtung  erkennen,  daß  er  an  einer  bei  grader 
Aufnahme  versteckten  Stelle  sitzt. 

Bei  den  seitlichen  Aufnahmen  des  Fußes  hat  man 
außer  auf  den  Gesamtaufbau  des  ganzen  Skelettes,  worauf  schon 
oben  aufmerksam  gemacht  ist,  sein  Augenmerk  besonders 
auf  den  hinteren  Winkel  des  Talus  zu  richten.  Hier  befindet 
sich  eine  Knochenleiste,  welche  den  oberen  Rand  des  Cal- 
caneus  mehr  oder  weniger  überhakt,  in  normalen  Fällen  aber 
ersichtlich  mit  dem  Talus  in  Verbindung  steht.  In  seltenen 
Fällen,  deren  Häufigkeit  Pfitzer  wohl  zu  hoch  auf  7 — 8  pCt. 
schätzt,  bleibt  dieser  ursprünglich  selbständig  angelegte  Knochen 
vom  Talus  getrennt,  Os  intermedium  cruris,  und  kann 
nun  sehr  leicht  als  abgebrochenes  Stück  imponieren,  wie  es 
in  dem  Fall  von  Willmanns3)  lange  Zeit  stattfand.  Von 
Francis  J.  Schepherd    ist    dieses  Knochenstück  1882    als 


1)  Fortschr.  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1900  Bd.  III  S.71. 

2)  Ein  an  bestimmter  Stelle  fixierter  Druckschmerz  genügt,  um 
einen  Knochenbrucb  wahrscheinlich  zu  machen  und  den  Kranken  zu- 
nächst im  Lazarett  liegend  zu  behandeln.  Ein  einfacher  Gazeverband 
wird  aus  manchen  Gründen  erforderlich,  aber  auch  vollkommen  hin- 
reichend sein.  Es  gibt  aber  einfache  Anschwellungen  in  der  Mittelfuß- 
gegend, welche  nach  3 — 4  Tagen  vollkommen  geheilt  sind.  Man  wartet 
daher,  besonders  wenn  nicht  schon  fixer  Druckschmerz  vorhanden  ist, 
mit  Lazarettbehandlung  und  «der  Röntgenuntersuckung  zweckmäßig  bis 
zu  diesem  Zeitpunkt. 

3)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II 
S.  100. 


214  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Talusfraktur  beschrieben,  jedoch  von  Pfitzner1)  bereits  1892 
als  besonders  angelegter,  zufällig  selbständig  gebliebener,  dem 
Os  trianguläre  am  Handgelenk  homologer  Knochen  erkannt. 
Um  sich  vor  bedenklichen  Schlüssen  zu  hüten,  wird  man 
sich  in  einem  solchen  Fall  stets  der  Regel  erinnern  müssen, 
die  andere  Körperseite  zum  Vergleich  und  zur  Aufklärung 
heranzuziehen.  Ein  derartiger  Fall  ist  im  Dezember  1898 
im  Garnisonlazarett  I  Berlin  zur  Beobachtung  gekommen 
(Füs.  K.  2.  Komp.  G.  Füs.-Regts.  1898  No.  1297  bis 
1300).  Der  im  Oktober  eingestellte  Mann  fiel  dadurch  auf, 
daß  er  beim  Marschüben  die  Fußspitze  nicht  herunterbringen 
konnte.  Bei  der  Untersuchung  bestand  ersichtlich  eine  ver- 
minderte Bewegungsfähigkeit  beider  Fußgelenke.  Die  Seiten- 
aufnahmen zeigten  bei  genügender  Fußwölbung  an  Stelle  des 
übergreifenden  hinteren  Randes  des  Talus  deutlich  jederseits 
einen  selbständigen  Knochen,  der  aber  die  Grenzen  des  ge- 
wöhnlichen Talusfortsatzes  nicht  überschritt. 

Die  bisher  beschriebenen  Verfahren  genügen  für  die 
weitaus  größte  Anzahl  der  zur  Untersuchung  kommenden 
Fälle.  Allein  es  ist  nicht  zu  vergessen,,  dass  man  auf  diesem 
Wege  nur  Schattenbilder  erzielt,  welche  noch  dazu  die  in 
verschiedener  Höhe  über  der  Platte  liegenden  schattengeben- 
den Schichten  in  verschiedener  Streuung  über  einander 
entworfen  enthalten.  Handelt  es  sich  um  die  exakte  Fest- 
stellung eines  in  der  Tiefe  steckenden  Fremdkörpers,  so 
werden  die  beiden  rechtwinklig  gemachten  Aufnahmen  höch- 
stens bei  den  dünneren  Gliedmaßen  genügen,  am  Rumpf 
jedoch  muß  eine  andere  Untersuchung  Platz  greifen. 

Steckt  eine  Kugel  irgendwo  in  der  Tiefe  des  Brustkorbes, 
so  wird  sich  dieselbe,  wenn  man  den  Mann  schräg  vor  den 
leuchtenden  Schirm  stellt,  z.  B.  auf  der  rechten  Brustseite  als 
Schatten  zeigen.  Durch  diesen  Schatten  und  die  im  Innern 
steckende  Kugel  ist  eine  grade  Linie  bestimmt,  welche  an 
zwei  Stellen,  vorn  und  hinten,  die  Brustwand  schneiden  muß. 
Dreht  man  nun  den  Mann  um  einen  möglichst  90  °  betragenden 
Winkel,  so  erblickt  man  nunmehr  auf  der  andern  Seite  des 
Brustkorbes    das    Schattenbild    der    Kugel    und    eine    zweite 


1)  Morphologische'  Arbeiten  1892,  die  Sesambeine  des  mensch- 
lichen Körpers,  und  ebendas.  1896,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  mensch- 
lichen Extremitätenskeletts. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  215 

Grade  ist  gegeben,  welche  die  erste  in  der  Kugel  selber 
schneidet.  Kann  man  die  Endpunkte  der  beiden  graclen 
Linien  auf  der  Körperoberfläche  fixieren,  so  ist  damit  die 
Möglichkeit  gegeben,  die  Tiefenlage  der  Kugel  zeichnerisch 
und  rechnerisch  festzustellen.  Die  vorderen  Endpunkte  der 
Graden  kann  man  ohne  Weiteres  durch  eine  Farbmarke  auf 
der  Haut  festlegen.  Für  die  hinteren  Endpunkte  bedarf  man 
besonderer  Apparate.  Zweckmäßig  ist  der  Punktograph 
der  Voltohm-Gesellschaft,  München1),  welcher  auch  für  die 
vorderen  Punkte  verwendet  werden  kann.  Dies  ist  ein  flacher 
Stab  mit  einem  Metallring  von  ca.  1,5  cm  Durchmesser  an 
dem  einen  Ende,  in  welchen  ein  mit  einer  Feder  gespannter 
Farbstift  einschnappen  kann.  Nachdem  der  vordere  End- 
punkt der  einen  Linie  markiert  ist,  führt  man  bei  sorgsamst 
bewahrter  Stellung   des  Untersuchten    den  Punktographen  so 

Fig.  59. 


Punktograph  der  Voltohra-EIektrizitäts-Gesellschaft. 

hinter  den  Körper,  daß  der  Ringschatten  den  Mittelpunkt  der 
Kugel  gleichmäßig  umgibt.  Hierdurch  ist  der  hintere  End- 
punkt der  Graden  gefunden,  der  durch  den  losgelassenen 
Farbstift  alsbald  ebenfalls  markiert  wird.  Auf  dieselbe  Weise 
erhält  man  die  Endpunkte  der  zweiten  Graden.  Will  man 
besonders  vorsichtig  sein,  so  kann  man  auch  die  vorderen 
Endpunkte  zunächst  durch  ein  aufgelegtes  Schrotkorn  sichern. 
Man  erhält  schließlich  am  Brustkorb  vier  genau  bestimmte 
Punkte,  welche  man  mit  dem  Tasterzirkel  abgreifen,  auf 
Papier  übertragen  und  durch  Diagonalen  verbinden  kann. 
Ueber  die  Lage  des  Schnittpunktes  wird  man  sich  am  besten 
klar  durch  Vergleichung  mit  den  Tafeln  des  Braune 'sehen 
Atlas.  Ein  ähnlicher  „Dermograph",  ein  metallenes  Rohr, 
welches  Methylenblau  enthält  und  nach  Belieben  in  Tätigkeit 
gesetzt  werden  kann,  ist  von  Levy-Dorn2)  angegeben.    Im 


1)  Anger  er  im  Zentralblatt  für  Chirurgie  1898,  S.  473. 

2)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  S.  565.  S.  auch  Holz- 
knecht, Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Pvöntgenstrahlen.  Er- 
gänzungsheft  6,  S.  17. 


216  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Notfall  kann  ein  genügender  Apparat  durch  einen  Blei-  oder 
Kupferdraht  improvisiert  werden. 

Ein  besonderes  Verfahren  zur  genauen  Tiefenbestimmung 
eines  Fremdkörpers  mittelst  eines  von  zwei  Punkten  aus  auf 
derselben  Platte  aufgenommenen  Doppelbildes  gab  Mackenzie 
Davidson-London  an.  Dies  Verfahren  wurde  von  Schür- 
mayer1) vereinfacht  und  weiter  ausgebildet.  Es  werden 
dabei  wie  bei  der  Stereoskopie  zwei  Bilder,  aber  auf  dieselbe 
Platte  entworfen  unter  genauer  Markierung  des  zentralen 
Strahls.  An  der  Platte  oder  dem  Positiv  werden  in  einem 
besonderen  Gestell  durch  Lot  und  ausgespannte  Fäden  die 
Grenzstrahlen  rekonstruiert  und  durch  deren  Schnittpunkt  die 
Lage  des  Fremdkörpers  gefunden. 

Ein  weiteres  wichtiges  Hilfsmittel  zur  genauen  Feststellung 
eines  in  der  Tiefe  steckenden  Fremdkörpers  oder  zur  Dar- 
stellung der  räumlichen  Verhältnisse  im  Innern  des  Körpers 
sind  die  stereoskopischen  Aufnahmen.  Werden  von  zwei 
Punkten,  welche  dem  Augenabstand  entsprechen  und  in  der 
Entfernung  des  deutlichen  Sehens  von  der  Platte  gelegen 
sind,  zwei  Aufnahmen  gemacht,  so  erhält  man  zwei  Negative, 
welche  in  richtiger  Weise  angeordnet  ein  körperliches  Bild 
des  durchscheinend  sich  zeigenden  Objektes  ergeben.  Die 
Negative  können  direkt  mittelst  eines  Spiegelstereoskopes 
betrachtet  werden,  wobei  über  ein  Plattenmaß  von  18  :  24  cm 
nicht  gut  hinaus  gegangen  werden  kann.  Man  kann  aber 
auch  die  Negative  erst  auf  die  übliche  Größe  von  7x7  cm 
verkleinern,  sie  auf  einer  Glasplatte  als  Diapositiv  oder  auf 
Papier  vereinigen  und  alsdann  in  das  gewöhnliche  Stereoskop 
einlegen. 

Die  eingehendste  Darstellung  der  theoretischen  Grundlagen 
und  der  praktischen  Anwendung  dieses  Verfahrens  gab  Stabs- 
arzt Lambertz2).  Es  ist  hiernach  wohl  möglich,  dergleichen 
Aufnahmen  anzufertigen,  doch  gehören  zweifellos  nicht  nur 
besondere  Aufmerksamkeit  und  Geschicklichkeit,  sondern  auch 
wieder  neue  Apparate  dazu,  wodurch  die  Einführung  der 
Methode  für  den  täglichen  Gebrauch  sehr  erschwert  wird. 
Allerdings  vermag  der  geübte  Beobachter  auch  ohne  Stereoskop 
die  in  richtiger  Lage  zu  einander  aufgestellten  Negative  zu 
einem  körperlichen  Bilde    zu  vereinigen,    doch   gehört  hierzu 


1)  Portschr.  auf  dem  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen  1901  Bd.  IV  S.81. 

2)  Ebendas.   1900  Bd.  IV  S.  1. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  217 

eine  so  eingehende  Beschäftigung  und  Vertiefung  in  den 
Gegenstand  wie  sie  die  große  Mehrzahl  der  militärischen 
Röntgenkabinette  nicht  bieten  kann.  Hierzu  kommt,  daß  die 
weniger  geübten  Sanitätsoffiziere  kaum  in  der  Lage  sind, 
sich  ohne  weiteres  ohne  alle  Apparate  in  den  Bildern  zurecht- 
zufinden. Aus  diesen  Gründen  dürften  der  allgemeinen  An- 
wendung dieser  schönen  Methode  erhebliche  Schwierigkeiten 
im  Wege  stehen,    welche    sich  nicht  leicht  beseitigen  lassen. 

Eine  einfachere,  in  vielen  Fällen  gute  Resultate  ergebende 
Methode  zur  Erzeugung  von  zwei  auf  derselben  Platte  neben 
einander  liegenden  Aufnahmen,  welche  nachträglich  auf  das 
übliche  Maß  von  7x7  cm  mittelst  der  Kamera  zu  verkleinern 
sind,  beschrieb  Hildebrand1).  Er  rühmt  namentlich  die 
überraschende  Deutlichkeit,  welche  ein  so  aufgenommenes 
Bild  über  die  räumlichen  Verhältnisse  des  Schenkelhalses  bei 
Hüftgelenkluxationen .  gewährt.  Die  klarsten,  am  meisten 
instruktiven  Bilder  werden  ohne  Zweifel  von  injizierten  Leichen- 
teilen2) erhalten,  in  denen  die  räumliche  Verteilung  und  Ver- 
zweigung der  Schlagadern  mit  geradezu  frappierender  Deut- 
lichkeit erkennbar  wird. 

Gute  stereoskopische  Aufnahmen  lassen  sich  in  ver- 
hältnismäßig einfacher  Weise  auch  erhalten  mittelst  des 
Apparates  von  Victor  C h ab  au d- Paris.  Auf  einer  festen 
Holzkassette  mit  Einschieberahmen  für  die  Platten,  deren 
Lage  auf  der  Oberseite  erkennbar  ist,  erheben  sich  zwei 
metallene  Träger,  welche  soweit  auseinander  stehen,  daß  ein 
Erwachsener  zwischen  ihnen  gelagert  werden  kann.  Ein  in 
beliebiger  Höhe  feststellbarer,  die  Träger  verbindender  Quer- 
steg ist  mit  Zentimetereinteilung'  versehen  und  erlaubt  so 
genaue  Verstellung  (um  etwa  65  mm)  der  daran  befestigten 
Röhre.  Die  Platten  werden  gewechselt  ohne  den  aufzu- 
nehmenden Körperteil  zu  bewegen.  Die  entwickelten  Nega- 
tive können  unmittelbar  mit  einem  aus  vier  Spiegeln  be- 
stehenden Wheatstone'schen  Stereoskop  in  durchfallendem 
Licht   betrachtet    werden.     Zu    dem  Zweck    werden    sie    auf 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1900  Bd.  III 
S.  171. 

2)  Sammlung  von  stereoskopischen  Röntgenbildern  aus  dem  All- 
gemeinen Krankenhaus  in  Eppendorf  von  Hildebrand,  Scholz 
und  Wieting,  Wiesbaden,  J.  F.  Bergmann  1901 — 1903. 


218  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Fig.  60. 


Apparat  für  stereoskopische  Aufnahmen  von  Victor  Chabaud-Paris. 

eine  Glasscheibe  gelegt,  weiche  durch  eine  schräg  gestellte 
Milchglasscheibe  von  unten  her  belichtet  werden  kann.  Durch 
senkrechtes  und  seitliches  Verschieben  läßt  sich  leicht  voll- 
kommene Deckung  der  Bilder  erzielen.  Der  Apparat  hat 
sich  im  Garnisonlazarett  II -Berlin  bewährt. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 
Fig.  61. 


219 


Stereoskop  zur  Betrachtung  von  Positiven  und  Negativen  nach 
V.  Chabaud-Paris. 

Neuerdings    hat    B.    Walter1)    besonders    zweckmäßige 
Apparate  konstruiert,    welche    unmittelbares  stereoskopisches 


1)  Fortsein-,  a.  d.  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen   1902  Bd. VI  S.  18. 


220  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


Fig.  62a. 


i: 

if. 
' 

■ 

Prismenstercoskop  nach  B.  Walter. 


Fig.  62  b. 

Bt 

B-> 

Bt                             B2 

\ 
\ 
\ 
\ 

i 

i 

i 

i 

i 

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\ 

\ 
\ 
\ 

i 
l 
i 
/ 

V 

/\ 

"fr 

^ 

^'^5 

1 

0 
A, 

\ 

O 

A2 

A7    A2 
h 

Gang  der  Strahlen  im  Prismenstcreoskop. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


221 


Betrachten  auch  größter  Negative  gestatten.  Das  Spiegel- 
stereoskop entspricht  dem  oben  beschriebenen  von  Cha- 
baud.  ,Das  Prismenstereoskop  enthält  vor  den  Äugen 
zwei  achromatische  Prismen,  welche  mit  dem  Aufsatzbrett 
für  die  Negative  verbunden  sind  und  nach  der  Höhe  und 
der  Distanz  entsprechend  der  Größe  der  letzteren  verschiebbar 
sind.     Sie  sind  um  180 u  drehbar   gelagert,    wodurch    einmal 


Fig.  63. 


Linsenstereoskop  nach  B.  Walter. 


die  Strahlen  der  gleichseitigen  Negative  in  das  betreffende 
Auge  gelangen,  das  andere  Mal  eine  gekreuzte  Betrachtung 
herbeigeführt  wird.  Dies  ermöglicht  die  Betrachtung  des 
Gegenstandes  gleichsam  von  zwei  Seiten    her  und  soll  daher 


bei  Röntgenbildern 


die  Orientierung 


für  den  Beobachter  er- 


leichtern.     Das    Linsenstereoskop    endlich     besteht    aus 
einer  photographischen  Kamera    mit    sehr  lichtstarker  Linse, 


welche  von    den 


richtig 


aufgestellten  Negativen    ein    umge- 


kehrtes   reelles  Bild    entwirft,    weiches    auf   der  Mattscheibe 


222 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


kontrolliert  oder  auch  an  dieser  Stelle  in  beliebiger  Ver- 
kleinerung auf  einer  photographischen  Platte  aufgenommen 
werden  kann.  Lässt  man  die  Mattscheibe  oder  Platte  fort  und 
setzt  hier  ein  Okular  mit  zwei  Lupen  ein,  so  kann  man  die 
in  der  Luft  entworfenen  Bilder  wie  in  einem  Doppelfernrohr 
vergrößert  betrachten  und  erhält  hierbei  sehr  vollkommene 
stereoskopische  Wirkung.  Der  letztere  Apparat  enthält  also 
eigentlich  drei  verschiedene,  nämlich  ein  Stereoskop  für 
große,  eins  für  kleine  Bilder  und  eine  vollständige  photo- 
graphische    Kamera.       Die    Preise    betragen    bei    A.  Krüß- 


Fi2.  64. 


'Turbinenunterbrecher  mit  Stroboskop  der  Allg.  Elektrizitäts-Gesellschaft. 


Hamburg  für  Spiegelstereoskope  164  Mk.,  Prismenstereo- 
skope 200  Mk.,  für  das  große  Linsenstereoskop  mit  einer 
Kamera  von  18  X  24  cm  Größe  260  Mk.,  wozu  noch  das 
Stativ  mit  25  Mk.  und  ein  Rahmen  zum  Aufstellen  der 
Platten  mit  100  Mk.  kommen. 

Um  direkt  auf  dem  leuchtenden  Schirm  ein  stereo- 
skopisches  Sehen  zu  ermöglichen,  sind  eine  Anzahl  Appa- 
rate angegeben,  welche  bezwecken,  die  Eindrücke,  welche 
•das  rechte  und  linke  Auge  erhalten,  zu  trennen  und  nach 
einander  zur  Wahrnehmung  gelangen  zu  lassen.  Hier  ist  zu- 
nächst zu  erwähnen  die  Konstruktion  der  Allgemeinen  Elektri- 
zitäts-Gesellschaft Berlin,  welche    durch  D.  R,  P.  No.  23171 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


223 


geschützt  ist1).  Von  zwei  Induktoren  werden  zwei  Röhren 
betrieben,  welche  hinter  dem  zu  durchleuchtenden  Gegenstand 
aufgestellt  sind  und  durch  einen  Turbinenunterbrecher  mittelst 
besonderer  Kontaktvorrichtung  derartig  in  Tätigkeit  gesetzt 
werden,  daß  ihr  Aufleuchten  abwechselnd  erfolgt.  Mit  der 
diese  besondere  Kontaktvorrichtung  tragenden  Achse  ist  eine 
biegsame  Welle  verbunden,  welche  an  ihrem  Ende  ein  Strobo- 


Fig.  65. 


h — www — ' — www — * 


r 


Fl 


Schaltungsschema  für  stereoskopisches  Sehen  mit  dem  Turbinen- 
unterbrecher der  Allgemeinen  Elektrizitäts-Gesellschaft. 


skop  trägt.  Letzteres  enthält  in  seinem  Innern  eine  Trommel 
mit  zwei  zu  einander  senkrechten  Schlitzen,  welche  bei  der 
Rotation  abwechselnd  dem  einen  und  dem  anderen  Auge  den 

daß  das  rechte  Auge  die  durch 
und  das  linke  die  von  der 
rechten  Röhre  hervorgerufenen  wahrnimmt.  Wenn  auch  bei 
starken  Objekten  die  Klarheit  des  Bildes  nicht  genügt,  so 
ergibt  sich  doch  bei  dünneren  Gegenständen  ein  völlig  be- 
friedigender stereoskopischer  Effekt. 


Durchblick  derart  gestatten  ; 

die  linke  Röhre  erzeugten  Bilder 


1)  S.  H.  Boas,  Verhandlungen  der  deutschen  physikalischen  Ge- 
sellschaft  1900  S.  45. 


224  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Ein  ähnlicher  Apparat  ist  von  Mackenzie  Davidson1) 


angegeben. 


Eine  weitere  Ausbildung  hat  das  Verfahren  stereoskopi- 
scher Durchleuchtung    durch    die    Firma    Reiniger,    Gebbert 


Fig.  66. 


=ft± 


Umschaltevorrichtung  für  stereoskopische  Röntgendurchleuchtung  von 
Reiniger,  Gebbert  &  Schall. 


&  Schall2)  in  Erlangen  erfahren.  An  Stelle  zweier  Röhren, 
welche  kaum  dauernd  auf  gleichem  Vakuum  zu  erhalten  sind, 
ist  eine  Doppelröhre  getreten,  welche  in  jeder  Kugel  eine 
Antikathode  und  in  der  die  Kugeln  verbindenden  Röhre  zwei 
Kathoden    enthält.     Diese  Doppelröhre    wird  mit  nur   einem 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1900  Bd.  IV 


S.  191. 


2)  Ebendas.   1902  Bd.  V  S.  197. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  225 


Fig.  67, 


Fig.  68. 


.   Fig.  69. 


Unischaltevorrichtung  für  stereoskopische  Röntgendurchleuchtung  von 
Reiniger,  Gebbert  &  Schall. 


Steehow,.  Das  Röntgen- Verfahren. 


15 


226 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


Induktor  betrieben,  bei  welchem  die  Umsclialtevorrichtung 
zum  wechselweisen  Aufleuchten  der  beiden  Hälften  nicht  wie 
früher  im  primären,  sondern  im  sekundären  Stromkreise  an- 
gebracht ist.  Sie  besteht  aus  einer  vom  Elektromotor  ange- 
triebenen Achse  mit  zwei  Scheiben  aus  isolierendem  Material, 
weiche  an  der  Peripherie  je  einen  um  180°  versetzten  Metall- 
halbring tragen  und  in  Petroleum  oder  Alkohol  laufen.  Durch 
schleifende  Metallbürsten  gelangt  der  sekundäre  Strom  zu  den 
Halb  ringen  und  je  nach  deren  Stellung  in  die  eine  oder  andere 

Fig.  70. 


Umschaltevorrichtung    für    einfache   und   stereoskopische   Röntgendurch- 
leuchtungen  mit   gleichzeitig  wirkender  Vorrichtung  zur  Unterdrückung 
der  Schließungs-Induktionsströnie  von  Reiniger,  Gebbert  &  Schall. 


Hälfte  der  Doppelröhre.  Durch  Kegelräder  und  eine  biegsame 
Welle  wird  die  Bewegung  der  Scheiben  auf  ein  Stroboskop 
übertragen,  dessen  um  180°  versetzte  Ausschnitte  derart  ein- 
gestellt sind,  daß  das  rechte  Auge  nur  das  Bild  der  linken 
Antikathode  und  umgekehrt  erhält.  Die  Firma  liefert  diesen 
Apparat  auch  gekuppelt  mit  ihrer  Vorrichtung  zur  Unter- 
drückung der  Schließungs-Induktionsströme1).  Nach  Ein- 
schaltung eines  Kupferbügels  kann  derselbe  auch  für  einfache 
Röntgenröhren  verwendet  werden. 


1)  Fortschr.  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1902  Bd.VI  S.99. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  227 

Für  die  Untersuchung  der  Organe  des  Brustkorbes  ist 
frühzeitig  erkannt,  daß  der  Gewinnung  scharfer  Bilder  vor 
allem  die  Bewegungen  bei  der  Atmung  hinderlich  sind.  Da 
für  eine  Durchstrahlung  im  allgemeinen  die  Inspirations- 
stellung günstiger  ist,  weil  sie  schärfer  differenzierte  Schatten 
ergibt,  wurde  im  Garnisonlazarett  I  versucht,  durch  Ausharren 
in  tiefster  Einatmung  und  Darüberschieben  eines  Bleischirmes 
während  der  übrigen  Zeit  der  Atembewegungen  klarere  Bilder 
zu  gewinnen.  Levy-Dorn1)  gelang  dies  bei  Verbesserten 
Röntgenröhren  durch  einfache  Herabsetzung  der  Expositions- 
zeit. Cowl2)  erreichte  die  Exposition  in  nur  einer  be- 
stimmten Atemstellung  durch  eine  auf  die  Bauchwand  gesetzte 
Platte,  welche  den  Rhythmus  der  Atembewegungen  auf  ein 
Hebelwerk  übertrug,  mittelst  dessen  der  primäre  Strom  allein 
in  dem  gewünschten  Moment  auf  kurze  Zeit  geschlossen 
wurde  (Rheotom). 

Zur  Bestimmung  der  Grenzen  einzelner  Organe,  besonders 
des  Herzens  und  des  -Zwerchfelles,  dienen  Apparate  mit 
■Meßvorrichtungen,  wie  das  von  Hoffmann-Düsseldorf  (Fa- 
brikant Kohl-Chemnitz)  angegebene  Meßstativ.  Es  besteht  aus 
einem  festen  Gerüst,  welches  in  bestimmter  Entfernung  die 
Röhre  trägt  und  zwischen  den  beiden  senkrechten  Pfosten 
einen  viereckigen  Rahmen  mit  Millimetereinteilung,  auf  welchem 
zwei  wagerechte  und  drei  senkrechte  Drähte  in  beliebiger 
Lage  festgestellt  werden  können.  Gegen  diesen  Rahmen  kann 
von  der  einen  Seite  ein  leuchtender  Schirm,  von  der  anderen 
ein  Kassettenträger  angelegt  werden.  Der  Untersuchte  steht 
oder  sitzt  hinter  den  Drähten  und  legt  sich  fest  gegen  den 
Rahmen,  seine  Stellung  wird  durch  verstellbare  photographische 
Halter  gesichert.  Die  beweglichen  Drähte  erlauben  die  Ein- 
grenzung eines  Organes.  Das  Bild  mit  den  Drähten  kann 
entweder  gezeichnet  oder  auf  der  Platte  aufgenommen  werden. 

Obgleich  es  auf  diese  Weise  schon  möglich  ist,  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  ■  vergleichbare  Bilder  zu  gewinnen,  leiden 
doch  alle  an  dem  Uebelstancle,  daß  sie  die  Organe  in  zentraler 
Projektion,  also  verschiedentlich  vergrößert,  zur  Anschauung 
bringen.     Die  Fülle  der  erzeugten  X-Strahlen,    welche    nach 


1)  Deutsche  med.  Wochenschrift    1899    S.  161 ;    Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899  •  Bd.  II  S.  216. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1898  Bd.  II 
S.  169. 

15* 


228  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

allen  Richtungen  der  Halbkugel  von  der  Röhre  ausgehen, 
läßt  sich  nun  zwar  bisher  auf  keine  Weise  zusammenfassen 
und  parallel  richten,  man  kann  aber  ein  bestimmtes  Bündel 
herausschneiden  und  mit  diesem  allein  die  Konturen  be- 
streichen, wodurch  dann  alle  Punkte  nach  einander  parallel 
auf  den  Schirm  oder  die  Platte  projiziert  werden.  Die  ver- 
schiedenen zu  diesem  Zweck  angegebenen  Apparate  beruhen 
alle  darauf,  durch  besondere  Vorrichtungen  etwa  zwei  zu 
beiden  Seiten  des  Untersuchten  aufgehängte  Ringe  oder  ein 
Metallrohr,  welches  als  Ring  erscheint,  ein  solch  schmales 
Bündel  von  X-Strahlen  festzulegen  und  nun  mit  diesem  auf 
der  Ebene  des  Schirmes  oder  der  Platte  senkrecht  stehenden 
Zentral-  oder  Normalstrahl  die  Umrisse  der  Organe  zu  be- 
streichen. Die  gefundenen  Punkte  werden  mit  einem  Farb- 
apparat entweder  auf  Papier  oder  unmittelbar  auf  der  Haut 
markiert. 

In  dieser  Beziehung  erscheint  am  einfachsten  die  Vor- 
richtung von  Behn1).  Vor  der  leuchtenden  Röhre  mit  Blei- 
blende sind  zwei  Ringe  aufgehängt,  zwischen  denen  der  Pa- 
tient steht,  indem  er  sich  gegen  den  Schirm  anlegt.  Die 
Ringe  werden  so  reguliert,  daß  ihre  Bilder  konzentrische 
Kreise  bilden  und  der  Schirm  senkrecht  zu  dieser  Richtung 
eingestellt.  Auf  diese  Weise  ist  ein  senkrecht  zur  Projektions- 
fläche verlaufendes  Strahlenbündel  festgelegt  und  der  der 
Röhre  zunächst  liegende  Ring  kann  entfernt  werden.  Da  der 
Strahl  unbeweglich  ist,  muß  der  Untersuchte  seitlich  und 
nach  der  Höhe  verschoben  werden.  Die  gefundenen  Punkte 
werden  mit  einem  Farbtupfer  auf  der  Haut  festgelegt.  Levy- 
Dorn2)  machte  darauf  aufmerksam,  daß  gerade  auf  diesem 
Wege  mit  feststehendem  Strahl  und  Markierung  der  Ergeb- 
nisse auf  der  Haut  die  Ergebnisse  der  Röntgenuntersuchung 
am  ehesten  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  sind  mit  den 
bisherigen  Untersuchungsresultaten.  Auch  letztere  arbeiten 
im  allgemeinen  mit  einer  zur  Körperoberfläche  senkrechten 
Projektion.  Wenn  auch  die  auf  diese  Weise  gewonnenen 
„röntgoskopischen  Hautfiguren"  zur  unmittelbaren  Beurteilung 
des  Falles  gewiß  sinnfälliger  sind  als  die  auf  gleichem  Wege 
gewonnenen  Zeichnungen,  so  sind  letztere  doch  nicht  zu  ent- 
behren, um  verschiedene  Kranke  oder  denselben  Kranken  zu 


1)  Fortschr.  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1900  Bd.  IV  S.44. 

2)  Deutsche  med.  Wochenschrift  1900  S.  565. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


229 


verschiedenen  Zeiten  aufzunehmen  und    die  Befunde    zu  ver- 
gleichen. 

Eine  weitere  Ausbildung  erfuhr  diese  Untersuchungs- 
methode durch  den  „Orthodiagraph"  von  Moritz1)  (gebaut 
von  der  Voltohm-Gesellschaft  München,  Preis  250  Mark). 
Der  Kranke  liegt  auf  einem  Tisch    mit  Segeltuchplatte.     An 


Fig.  71. 


Apparat  zur  Feststellung  der  Herzgrcnzen  nach  Behn. 


dem  einen  Ende  des  Tisches  kann  ein  Gerüst  hochgeklappt 
werden,  welches  unter  dem  Tisch  die  Röhre,  darüber  eine 
Metallmarke  zur  Festlegung  des  normalen  Strahls  und  ober- 
halb des  Tisches  eine  Zeichenvorrichtimg  trägt.  Alle  diese 
Teile  können  auf  einander  eingerichtet  werden,  sind  aber 
durch  einen  starren  Arm  mit  einander  verbunden.  Der  obere 
Teil  ruht  auf  zwei  rechtwinklig  zu  einander  gelagerten  Walzen- 


1)  Verhandlungen  des  Kongresses  für  innere  Medizin  1900  S.  601; 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen   1900  Bd.  III  S.  193. 


230  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  231 


Fig.  73. 


{Aufnahmestuhl  für  die  ventrale  Projektion  nach  Dr.  Cowl. 


232  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen, 

paaren  und  kann  daher  leicht  nach  jeder  Richtung  bewegt 
werden.  Die  Konturen  der  Brustorgane  können  sicher  in 
senkrechter  Projektion  erhalten  werden.  Ueber  die  Ergeb- 
nisse von  Herzuntersuchurjgen  berichtete  Moritz1)  später. 

Der  Apparat  ist  nur  in  liegender  Stellung  des  Unter- 
suchten verwendbar,  was  für  viele  Fälle  ausreicht.  Oft  genug 
ist  es  aber  wünschenswert,  auch  in  aufrechter  Stellung  oder 
in  beiden  Aufnahmen  zu  erhalten.  Daß  hierbei  sich  beträcht- 
liche Unterschiede  in  der  Lagerung  des  Herzens  und,  des 
Zwerchfelles  ergeben,  wies  Cowl2)  nach,  der  auch  einen  be- 
sonderen Stuhl  für  Aufnahmen  im  Sitzen  angab    (s.  S.  231). 

Für  aufrechte  Aufnahmen  dienen  entweder  besondere 
Apparate  oder  aber  Einrichtungen,  welche  denselben  Apparat 
in  beiden  Richtungen  zu  benutzen  gestatten.  Sie  sind  alle  nach 
dem  Prinzip  gebaut,  daß  ein  frei  schwingender  zweiarmiger 
Hebel  an  seinem  einen  Ende  mit  einem  verstellbaren  Gewicht, 
an  dem  andern  mit  einem  wiederum  um  eine  Achse  beweg- 
lichen Hebel  belastet  ist,  welche  hinten  die  Röhre,  vorn  den 
Zeichenstift  trägt.  Beide  Punkte  werden  auf  das  normale 
Strahlenbündel  einreguliert  und  in  dieser  Lage  befestigt.  Durch 
die  Beweglichkeit  der  Hebelgelenke  und  die  Ausbalancierung 
der  Massen  kann  man  mit  dem  Zeichenstift  bequem  alle  Um- 
risse verfolgen. 

Auch  von  Guilleminot-Paris3)  wurde  ein  Zeichenstativ 
angegeben,  welches  gestattet,  den  Normalstrahl  festzulegen  und 
mit  ihm  die  Grenzen  der  Brustorgane  abzusuchen  (s.  S.  239 
und  240).  Ein  elektrisch  in  Tätigkeit  gesetzter  Pantograph, 
welcher  den  Bewegungen  der  Röhre  folgt,  verzeichnet  auf 
einer  besonderen  hinter  und  über  dem  Stativ  gelegenen  Platte 
die  Grenzlinien  in  einzelnen  Punkten: 

Auf  ein  Verfahren  muß  hier  noch  hingewiesen  werden, 
welches  von  mir  zuerst  auf  dem  Kongreß  in  Paris  beschrieben 
ist4)    und   welches    den  Zweck   hat,    das    Aufsuchen   kleiner 


1)  Münchener  med.  Wochenschrift  1902  No.  1. 

2)  Fortschr.  auf  dem  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen  1901  Bd.V  S.129. 

3)  Ebendas.   1902  Bd.  V  S.  190. 

4)  Ueber  die  für  den  Sanitätsdienst  erforderliche  feinere  Diagnose 
kleinster  Verletzungen  und  Abweichungen  vom  Normalen  mit  Hilfe 
der  Röntgenstrahlen.  Vortrag  in  der  Sektion  für  Militärmedizin  des 
XIII.  internat.  med.  Kongresses  zu  Paris  1900  von  Dr.  Stechow, 
Generaloberarzt  und  Divisionsarzt  der  39.  Division. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  233 

Fiff.  74. 


Orthodiagraphischer  Zeichenapparat  für  aufrechte  Stellung  der 
Voltohm-Elektrizitäts-Gesellschaft. 


Fremdkörper  in  massigen  Weichteilen  zu  erleichtern.  Die 
zwei  Fälle,  wie  sie  damals  mitgeteilt  wurden,  mögen  hier 
zunächst  Platz  finden,  um  zu  zeigen,  welchen  Anforderungen 
die  Untersuchung  zu  genügen  hatte. 

Am  Vormittag  des  '16.  November  1899  erschien  im 
Garnison-Lazarett  der  39.  Division  in  Kolmar  (Elsaß)  der 
Rekrut  J.  vom  Jäger  Batt.  No.  4  mit  der  Angabe,  er  habe  sich 


234  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Fig.  75. 

C 


Zeichenapparat  für  die  Durchleuchtung  und  zur  Aufnahme  von  Projehtions- 
bildern  des  Herzens  in  natürlicher  Größe  von  W.  A.  Hirschmann. 


vor  einigen  Tagen  eine  Nähnadel  in  den  linken  Oberschenkel 
gestochen.  Er  hatte  angeblich  Handschuhe  geflickt,  war  plötz- 
lich abgerufen  worden  und  wollte  in  der  Eile  die  Handschuhe 
mitsamt  der  Nadel  in  die  Hosentasche  gesteckt  haben.    Durch 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 
Fie.  76. 


235 


Fig.  77. 


Zeichenapparat  für  die  Durchleuchtung  und  zur  Aufnahme  von  Projektions- 
bildern des  Herzens  in  natürlicher  Größe  von   W.  A.  Hirschmann. 


236 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


einen  stechenden  Schmerz  aufmerksam  gemacht,  habe  er 
nachgesehen  und  die  tief  im  Fleisch  steckende  Nadel  an  dem 
noch' daran  befindlichen  Faden  herausziehen  wollen,  denselben 
aber  abgerissen,  worauf  die  Nadel  unter  der  Haut  ver- 
schwunden  sei.     Da  an  der  Haut   des  linken  Oberschenkels 


Fig.  78. 


Orthodiagraphisch.es    Zeichenstativ    der    Allgemeinen  Elektrizitäts- 
Gesellschaft. 


eine  Einstichstelle  mit  Sicherheit  nicht  zu  entdecken  war, 
galt  es  zunächst  erst  einmal  festzustellen,  ob  überhaupt  eine 
Nadel  im  Körper  stecke.  Es  wurden  daher  zunächst  zwei 
Aufnahmen  gemacht,  in  Bauchlage  und  in  linker  Seitenlage 
mit  Belichtung  des  linken  Oberschenkels  von  innen  her.  Es 
ergab  sich,  daß  eine  Nadel  etwa  in  der  Höhe  des  Trochanter 
minor  mitten  in   der    dicken  Muskulatur    des   Oberschenkels 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


237 


steckte.  Da  der  Oberschenkel  50  cm  Umfang  aufwies,  war  das 
Auffinden  derselben  gewiß  nicht  leicht,  zumal  Anhaltspunkte  für 
den  zu  machenden  »Schnitt  aus  den  sehr  tief  liegenden  Knochen 
nicht  recht  zu  entnehmen  waren.    Es  wurden  daher  dieselben 

Fi«.  79- 


Orthodiagraphisches  Zeichenstativ  der  Allgemeinen  Elektrizitäts- 
*  Gesellschaft. 


Aufnahmen  am  17.  November  wiederholt  unter  genauer  Fest- 
stellung des  Beines  und  nachdem  auf  dem  nunmehr  als  Ein- 
stichöffnung anerkannten  Punkt  ein  Schrotkorn  mit  Kollodium 
befestigt  war.  'Zu  großer  Ueberraschung  bildete  die  Nadel  jetzt 
mit  dem  Knochen  einen  andern  Winkel.  Da  sie  indessen  unmög- 
lich quer  zu  ihrer  Längsrichtung  sich  fortbewegt  haben  konnte. 


238 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 


wurde  nur  auf  eine  Drehung  durch  andere  Muskelspannung' 
geschlossen.  Nach  den  Negativen  wurde  nunmehr  am  18.  No- 
vember 1899  tief  eingeschnitten,  allein  die  Nadel  in  den 
massigen  Muskeln  an  der  Vorder-  und  Außenseite  des  Ober- 


Fie.  30. 


Orthodiagraphischer  Zeichenapparat  von  Siemens  &  Halste. 


schenkeis    weder 


gefunden 


noch  gefühlt.  Da  der  Mann 
heftige  Beschwerden  bei  jeder  Bewegung  hatte,  mußte  die 
Nadel  jedenfalls  entfernt  werden.  Die  große  Wunde  wurde 
vorläufig  mit  steriler  Gaze  tamponiert  und  ein  Ausweg  durch 
folgende  Uebeiiegung  gefunden.    Es  war  zunächst  unbekannt, 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 
Fig.  81. 


239 


Vorrichtung  zur  Durchleuchtung  des  Körpers  und  zur  Größen- 
bestimmung der  Organe  nach  Guilleminot. 


240 


-j   .{   !« 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 
Fig.  82. 


Fig.  83. 


Vorrichtung  zur  Durchleuchtung  des  Körpers  und  zur  Größen- 
bestimmung der  Organe  nach  Guilleminot. 


ob  die  Nadel  vor  oder  hinter,  nach  innen  oder  außen  von 
dem  gemachten  Einschnitt  steckte.  Konnte  man  durch 
Röntgenstrahlen  die  Ebene  des  Einschnittes  zusammen  mit 
der  Nadel  auf  die  Platte  bringen,  so  mußte  deren  Auffindung 
gelingen.     Es  wurde   daher  eine  Bleiplatte  von  3  mm  Dicke 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  241 

und  etwa  3x6  cm  Größe  zurechtgeschnitten,  am  folgenden 
Tage  sterilisiert  in  die  Wunde  eingelegt,  durch  wenige  Binden- 
touren festgehalten  und  nochmals  zwei  Aufnahmen  in  genau 
der  gleichen  Stellung  wie  am  Tage  zuvor  gemacht.  Es  ergab 
sich  nunmehr  unzweifelhaft,  daß  die  Nadel  nach  außen  und  die 
ßleiplatte  also  die  Wunde  nach  hinten  überragend  lag.  Bei 
erneuter  Operation  am  21.  November  1900  wurde  der  Ein- 
schnitt vertieft  und  beim  Vordringen  nach  außen  in  der  Spalte 
zwischen  Muse,  rectus  und  M.  vast.  ext.  die  Nadel  angetroffen 
und  leicht  entfernt.  Sie  hatte  eine  Länge  von  36  mm.  Die 
sorgfältig  geschlossene  Wunde  heilte  durch  erste  Vereinigung 
und  der  Mann  wurde  am  21.  Dezember  1899  dienstfähig  aus 
dem  Lazarett  entlassen.  Ende  Juni  1900  betrug  der  Umfang 
des  linken  Oberschenkels  50  cm  gegen  51  cm  rechts,  der 
Mann  hat  allen  Dienst  mitgemacht  und  ist  ohne  Beschwerden 
geblieben. 

Ein  ähnlicher  Fall  ist  der  folgende:  Der  am  10.  De- 
zember 1899  eingestellte  Rekrut  G.  des  Jäger-Batt,  14  hatte 
an  der  linken  Hand  eine  Narbe,  herrührend  von  einer  Ver- 
letzung durch  eine  Teschinkugel,  welche  zu  Weihnachten  1894 
eingedrungen  sein  sollte.  Die  Betrachtung  auf  dem  leuchtenden 
Schirm  wie  auf  der  photographischen  Platte  ergab  eine  Kugel 
am  Köpfchen  des  linken  Mittelhandknochens,  welche  von 
beiden  Seiten  gleiche  Größe  aufwies,  daher  ziemlich  in  der 
Mitte  liegen  mußte.  Der  Operateur  entschloß  sich  zum  Vor- 
gehen von  einem  dorsalen  Einschnitt  aus,  der  unter  Kokain- 
einspritzung nach  Schleich  am  21.  Februar  1900  gemacht 
wurde.  Es  gelang  indessen  nicht,  der  Kugel  ansichtig  zu 
werden,  weshalb  wieder  unter  Kokaineinspritzung  ein  volarer 
Längsschnitt  hinzugefügt  wurde.  Als  auch  jetzt  noch  die 
Kugel  sich  nicht  zeigte,  wurden  beide  Schnitte  in  der  Tiefe 
verbunden,  ein  sterilisierter  Streifen  von  Bleiblech,  welcher 
beiderseits  bis  zur  Oberfläche  reichte,  eingeführt  und  die 
provisorisch  verbundene  Hand  nochmals  auf  dem  leuchtenden 
Schirm  betrachtet.  Es  ergab  sich  nunmehr,  daß  die  Kugel 
hart  an  der  Außenseite  des  Bleistreifens  lag,  worauf  die 
Ausgrabung  aus  dem  sie  ganz  umschließenden  Knochen  ohne 
Schwierigkeit  gelang.  Auch  dieser  Mann  zeigte  glatte 
Heilung  und  ist  völlig  dienstfähig  geworden. 

Nicht  unwichtig  für  ein  militärisches  Röntgenka binett 
ist  der  Hinweis  auf  eine  vorsichtige  Beurteilung  vorge- 
fundener Abweichungen  vom  normalen  Verhalten  einzelner 

Stechow,  Das  Böntgen-Verfahren.  }g 


242  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Körperteile.  Es  können  nach  Verletzungen  aller  Art  ganz 
erhebliche  Verschiebungen  der  Knochen  vorkommen,  ohne 
daß  die  Funktion  und  damit  die  Militärtauglichkeit  merkliche 
Einbuße  erleidet.  Von  dieser  Ueberzeugung  muß  der  Leiter 
des  Kabinettes  vollkommen  überzeugt  sein,  um  bei  gelegent- 
lichen Aeußerungen  über  den  Befund  nicht  etwa  unbeab- 
sichtigt Klagen  zu  provozieren,  deren  Berechtigung  sich  nach- 
her schwer  beurteilen  läßt,  und  welche  verstummen  zu 
machen  später  oft  unmöglich  ist.  Die  folgenden  Fälle 
werden  dartun,  wie  bedeutende  Abweichungen  von  der  Norm 
ertragen  werden,  ohne  daß  die  Dienstfähigkeit  leidet. 

Leutnant  P.  vom  Inf.  Regt.  No.  161  hatte  im  Jahre  1889 
und  1890  einen  Brach  des  rechten  Unterarmes  erlitten.  Am 
25.  März  1898  zeigte  die  rechte  Speiche  eine  Verkürzung  um 
1/2  cm,  eine  Handbreit  oberhalb  des  Handgelenks  befand  sich 
eine  Verdickung,  in  der  Seitenansicht  waren  die  beiden  Enden 
verschoben  und  durch  eine  breite  Knochenbrücke  S-förmig 
verbunden.     Auch  die  Elle  zeigt  weiter  oberhalb  Verdickung. 

Leutnant  H.  vom  Inf.  Regt.  No.  104  hatte  im  Jahre  1888 
einen  Bruch  des  linken  Ellenbogens  erlitten,  der  angeblich 
falsch  eingerichtet  und  darum  später  noch  einmal  gebrochen 
war.  In  der  Aufsicht  von  innen  zeigte  sich  ein  haselnuß- 
großes Stück  am  inneren  Knorren  des  Oberarmbeines  vom 
Hauptknochen  getrennt,  in  Seitenansicht  ragten  stumpfe 
Knochenteile  nach  vorn  und  hinten  über  die  normalen  Be- 
grenzungslinien  des  Oberarmbeines  hervor. 

Leutnant  S.  vom  Feldart;  Regt,  No.  26  hatte  im  Jahre 
1886  einen  schweren  Bruch  des  linken  Unterschenkels  dicht 
über  dem  Fußgelenk  erlitten.  Es  bestand  Verdickung  in 
dieser  Gegend  und  Verkürzung  des  Beines  um  2  cm,  die 
aber  durch  ßeckenverschiebung  vollkommen  ausgeglichen 
wurde,  auch  war  das  Bein  derartig  gebrauchsfähig,  daß  der 
Offizier  in  seinem  Dienst  in  keiner  Weise  behindert  war. 
Das  Röntgenbild  zeigte  eine  bajonettförmige  Knickung  des 
unteren  Wadenbeinendes  nach  hinten  und  Verdickung  am 
unteren  Ende  des  Schienbeines. 

Leutnant  v.  B.  vom  Feldart.  Regt.  No.  36  hatte  im 
Jahre  1882  einen  Bruch  des  linken  Ellenbogens  erlitten. 
Es  erfolgte 

R  L 

die  Streckung  bis  180°  bis  200° 

die  Beuffimo"    „40°  .     „      40° 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  243 

Am  äußeren  Oberarmknorren  war  in  Beugung  ein  beweg- 
liches Knochenstück  zu  fühlen  von  der  Größe  etwa  eines 
halben  Hühnereies  und  unregelmäßig  dreiseitiger  Gestalt.  Bei 
der  Streckung  stellte  sich  das  Knochenstück  unbeweglich  fest. 
Bei  der  seitlichen  Aufnahme  erschien  hinter  dem  unteren  Ende 
des  Oberarmbeins  ein  zarter,  parallel  verlaufender  Schatten. 
Die  Aufnahme  von  innen  ergab  die  oberen  Enden  der  beiden 
Unterarmknochen  unverletzt  und  in  normaler  Lage.  Vom 
Oberarm  war  der  ganze  äußere  Knorren  durch  einen  Spalt 
von  5 — 6  mm  Breite  abgetrennt.  Die  Trennungslinie  verlief 
etwas  zackig,  aber  im  ganzen  als  Verlängerung  des  Zwischen- 
raums beider  Unterarmknochen  gerade  nach  oben.  Das  ab- 
getrennte Knochenstück  von  ungefähr  elliptischen  Umrissen 
war  auf  dem  Negativ  37  mm  hoch,  27  mm  breit. 

Alle  diese  Offiziere  waren  zur  Militärturn- 
anstalt  kommandiert    und    taten    hier    allen   Dienst. 

Freilich  ist  hierbei  nicht  zu  vergessen,  daß  es  sich  um 
Offiziere  handelt,  bei  welchen  die  Anforderungen,  wenn  auch 
nicht  geringere,  doch  in  anderer  Form  gestellt  und  zu  er- 
füllen sind  als  bei  Mannschaften.  Daß  übrigens  auch  bei 
diesen  erhebliche  Abweichungen  von  der  normalen  Stellung 
der  Knochen  ohne  Schaden  für  die  Dienstfähigkeit  vorhanden 
sein  können,  lehrt  z.  B.  der  von  Stabsarzt  Schmiz1)  be- 
kannt gegebene  Fall  eines  Musketiers,  welcher  bei  Einübung 
einer  Turnpyramide  aus  dem  obersten  Glied  heruntergefallen 
war  und  einen  Schrägbruch  des  zweiten,  dritten  und  vierten 
linken  Mittelfussknochens  davon  getragen  hatte.  Die  Ver- 
letzung wurde  zunächst  durch  die  gewöhnliche  Untersuchung 
nicht  erkannt  und  erst  drei  Wochen  später  bei  einer  Röntgen- 
aufnahme entdeckt,  wobei  sich  die  drei  distalen  Bruchenden 
nach  außen  verschoben  und  falsch  vereinigt  herausstellten. 
Nach  43  Tagen  war  der  Mann  dienstfähig  und  versah 
jeglichen  Dienst    eines  Infanteristen    ohne    alle  Beschwerden. 

Ebenso  vorsichtig  ist  zu  verfahren  bei  der  Beurteilung 
von  Soldaten,  bei  welchen  die  Epiphysenlinien  über  den  ge- 
wöhnlichen Zeitpunkt  der  Verschmelzung  hinaus  erhalten  ge- 
blieben sind.  Je  jünger  ein  Individuum  ist,  desto  isolierter 
erscheinen  im  Röntgenbilde  die  in  den  Epiphysen  auftreten- 
den Knochenkerne.  Sie  rücken  allmählich  zusammen  und 
können  bei  voraufgegangener  Verletzung  leicht  zu  irrtümlichen 


1)   Deutsche  militärärztliche  Zeitschrift  1902  S.  199. 

16* 


244  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Deutungen  als  abgesprengte  Knochenstücke  führen,  weshalb 
es  auch  hier  wieder  in  allen  Fällen  ratsam  ist,  die  andere 
Seite  zum  Vergleich  heranzuziehen.  Wilms1)  weist  darauf 
hin,  daß  man  aus  dem  Vorhandensein  einer  deutlichen  Epi- 
physenlinie  den  Schluß  auf  andauerndes  Knochenwachstum 
ziehen  könne,  während  umgekehrt  das  Verschwinden  dieser 
Linien  an  den  Röhrenknochen  andeutet,  daß  das  Individuum 
die  ihm  zukommende  Körpergröße  bereits  erreicht  hat.  Auch 
bei  Soldaten,  welche  das  20.  Lebensjahr  überschritten  haben, 
finden  sich  nicht  selten  noch  deutlich  ausgeprägte  Epiphysen- 
linien,  welche  namentlich  an  den  distalen  Enden  von  Speiche 
und  Elle  zu  Mißdeutungen  Anlaß  geben  können. 


Schädigungen  durch  Röntgenstrahlen. 

Unersetzlich  sind  die  Dienste,  welche  die  X-Strahlen  der 
Untersuchung  leisten,  aber  nicht  absolut  gefahrlos  ist  ihre 
Anwendung.  Zwar  wird  von  den  meisten  Menschen  die  Ein- 
wirkung der  Röntgenstrahlen  in  der  für  die  gewöhnlichen 
Aufnahmen  erforderlichen  Zeit  ohne  weitere  Reaktion  er- 
tragen, auch  wiederholte  Bestrahlungen  schaden  gewöhnlich 
nichts.  Unter  Umständen  findet  jedoch  von  Seiten  der  Haut 
eine  Reaktion  statt,  welche  mit  einer  Entzündung  infolge  von 
Verbrennung  verglichen  werden  kann.  Die  Affektion  hat  die 
Eigentümlichkeit,  daß  sie  erst  längere  Zeit  nach  der  statt- 
gehabten Einwirkung  sich  einstellt,  wodurch  besonders  in  der 
ersten  Zeit  der  Röntgenstrahlen  die  Erkennung  und  Beur- 
teilung der  Sachlage  äußerst  erschwert  war.  Zwei  bis  drei 
Wochen  nach  einer  mehrmaligen  oder  sogar  nach  einer  länger 
dauernden  einmaligen  Bestrahlung  treten  Rötung,  Schwellung, 
Schm erzhaftigkeit  und  Haarausfall  ein,  worauf  sich  mehr 
oder  minder  in  die  Tiefe  greifende  geschwürige  Veränderungen 
bilden,  welche  sich  weit  verbreiten  und  durch  besonders  lang- 
samen Verlauf  und  sehr  geringe  Neigung  zur  Heilung  aus- 
zeichnen. Das  Eintreten  dieser  Erscheinungen  wird  begünstigt 
durch  unzweckmäßige  Anordnung  der  Apparate,  zu  große 
Nähe   der  Röhre,    übermäßig    starke    oder    langdauernde  Be- 


1)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  Ergänzungs- 
band 9,  Die  Entwicklung  der  Knochen  der  Extremitäten  von  der  Ge- 
burt bis  zum  vollendeten  Wachstum,  "Wilms  u.  Sick. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  245 

Strahlung  und  zu  schnelle  Wiederholung  derselben,  besonders 
wenn  die  ersten  Anzeichen  einer  auftretenden  Reizung  über- 
sehen oder  infolge  falscher  Deutung    nicht    beachtet  werden. 

Außerdem  aber  muß' bei  einzelnen^  glücklicherweise  wenig 
zahlreichen  Menschen  eine  besondere  Disposition,  eine  Idio- 
synkrasie gegen  X-Strahlen  angenommen  werden,  da  solche 
Zufälle  auch  nach  Bestrahlungen  vorgekommen  sind,  wie  sie 
im  allgemeinen  zu  gründlichen  Untersuchungen  durchaus  er- 
fordert werden.  Unglücklicherweise  gibt  es  kein  Mittel,  eine 
so  abnorm  geringe  Widerstandsfähigkeit  der  Haut  vorher  zu 
erkennen,  man  ist  einzig  darauf  angewiesen,  in  jedem  Fall 
an  diese  Möglichkeit  zu  denken  und  sorgsam  beobachtend 
vorzugehen1).  Namentlich  wenn  öftere  Untersuchungen  not- 
wendig sind,  muß  sorgfältig  auf  das  Auftreten  entzündlicher 
Erscheinungen  geachtet,  die  Bestrahlung  sogleich  längere  Zeit 
ausgesetzt  und  überhaupt  das  nicht  zu  untersuchende  Gebiet 
vor  der  Einwirkung  der  Strahlen  durch  Bleiblenden  geschützt 
werden. 

Ueber  die  Natur  der  auftretenden  Veränderungen  be- 
richtet Gassmann2)  nach  einem  Fall  aus  der  dermatologischen 
Klinik  in  Bern.  Bei  einem  aus  dem  Geschwür  entnommenen 
Stückchen  Gewebe  fanden  sich  eigentümliche  Veränderungen 
an  den  Gefäßen,  nämlich  Wucherung  und  vakuolisierende 
Degeneration  der  Intima,  Auffaserung  der  elastischen  Wand, 
Vakuolisierung  und  Schwund  der  Muscularis.  Außerdem  be- 
stand stellenweise  eine  Zerfaserung  und  abnorme  Farbreaktion 
des  subkutanen  Bindegewebes.  Diese  Befunde  geben  eine 
hinreichende  Erklärung  für  den  schleppenden,  manchmal  end- 
losen Verlauf  derartiger  Geschwüre.  Kommen  die  Gefäße  in 
weitem  Umkreis  und  bis  in  gewisse  Tiefe  zur  Verödung,  so 
leidet  die  Ernährung  auch  des  später  in  großer  Erstreckung 
entstehenden  Narbengewebes  derartig,  daß  eine  Ueberhäutung 
nicht  zustande  kommen  kann.     Im  Besinn  ist  eine  durchaus 


1)  Daß  derartige  Ereignisse  auch  gerichtliche  Folgen  haben 
können,  lehren  u.  a.  die  Fälle  von  Hoffa  (s.  Gocht  in  Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II  S.  110)  und  Schür- 
mayer (ebenda  1902  Bd.  IV.  S.  24).  Vgl.  auch  Holzknecht,  Die 
forensische  Beurteilung  der  sog.  Röntgenverbrennungen,  ebenda  1903 
Bd.  VI  S.  145. 

■;-»     2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen   1899  Bd.  II 
S.  199. 


246  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

reizlose  Behandlung  am  Platze,  in  ausgedehnten  und  hart- 
näckigen Fällen  ist  dann  nur  noch  von  Exstirpation  des 
ganzen  aus  der  Blutzirkulation  ausgeschalteten  Bezirkes,  von 
Heranziehen  seitlicher  Hautgebiete  oder  ausgedehnter  Trans- 
plantation ein  Schluß  der  Wunde  zu  erwarten. 

Neben  dieser  tiefer  gehenden  Einwirkung,  welche  nament- 
lich bei  therapeutischer  intensiver  Bestrahlung  beobachtet  ist, 
kommt  bei  Aerzten  oder  auch  Fabrikanten  von  Röntgenröhren 
eine  mildere  Art  chronischer  Hautreizung,  namentlich  an  den 
Händen,  vor,  die  sich  durch  Rötung,  Verdickung  der  Haut, 
Schrundenbildung,  Auftreten  von  Warzen,  Ausfall  der  Haare 
und  Nägel  dokumentiert.  Rechtzeitiger  Schutz  und  milde 
Pflege  der  Haut  lassen  die  Erscheinungen  in  der  Regel  lang- 
sam zurückgehen. 

Bei  Tieren  sind  von  Barthelemy  und  Darier1)  bei 
intensiver  Durchstrahlung  Lähmungen  der  hinteren  Extremi- 
täten, von  Rollet  und.Bertin-Sans  an  Meerschweinchen 
Entzündungserscheinungen  und  Verwachsungen  am  Zentral- 
nervensystem beobachtet. 

Welche  Agentien  im  einzelnen  den  schädigenden  Einfluß 
auf  die  Haut  ausüben,  hat  noch  nicht  mit  voller  Sicherheit 
festgestellt  werden  können.  Einmal  sind  die  Röntgenstrahlen 
an  sich  dafür  verantwortlich  gemacht,  wobei  es  wieder  un- 
sicher geblieben  ist,  ob  den  Strahlen  aus  weicheren  oder 
härteren  Röhren  eine  größere  Wirksamkeit  in  dieser  Richtung 
innewohnt.  Da  erstere  in  größerer  Menge  in  den  oberen 
Schichten  zurückgehalten  werden,  müßte  man  von  ihnen  eine 
größere  Wirkung  voraussetzen,  doch  auch  von  den  Strahlen 
hoch  evakuierter  Röhren  sind  die  gleichen  Folgen  bekannt. 
Eine  andere  Erklärung  schiebt  die  Schuld  auf  die  von  den 
Drähten  und  Röhren  ausgehenden  hochgespannten  elektrischen 
Ausströmungen,  was  mit  der  größeren  Gefährlichkeit  zu  nahe 
an  die  Haut  gebrachter  Röhren  und  mit  der  Tatsache  gut 
übereinstimmt,  daß  schon  ein  dünnes,  die  X-Strahlen  hin- 
durchlassendes, an  Erde  angeschlossenes  Metallblatt  vor  den 
Wirkungen  schützt.  Allein  anderweitig  werden  sehr  hoch 
gespannte  Ströme  therapeutisch  ohne  jeden  derartigen  Schaden 
benutzt  (d'Arsonvalisation),  so  daß  ilye  schädigende  Wirkung  in 


1)  Internationaler  Kongreß  für  medizinische  Elektrologie  und 
Radiologie  zu  Bern  1902,  Vortrag  von  Audin.  S.  Fortschritte  auf  dem 
Gebiete  der  Röntgenstrahlen   1902  Bd.  VI  S.  43. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  "Röntgenstrahlen.  247 

diesem  besonderen  Fall  nicht  recht  erklärlich  ist.  Ana  wahr- 
scheinlichsten sind  die  X-Strahlen,  auf  deren  Bahnen  große 
Energiemengen  fortbewegt  und  dem  Körper  zugeführt  werden, 
in  Verbindung  mit  den  hochgespannten  elektrischen  Aus- 
strömungen die  Ursache  der  bekannten  Schädigungen. 


Therapeutische  Verwendung  der  Röntgenstrahlen. 

So  ausgedehnt  das  Gebiet  ist,  welches  in  diagnostischer 
Beziehung  der  X-Strahlen  nicht  mehr  entraten  kann,  so  gering 
ist  im  Vergleich  bislang  noch  der  Nutzen,  welchen  man  in 
therapeutischer  Beziehung  aus  diesem  mächtigen  Agens  zu 
ziehen  vermag.  Zunächst  ist  das  Gebiet  noch  wenig  bebaut,  da 
die  gleichmäßige  Erzeugung  von  X-Strahlen  bis  vor  kurzem 
auf  Schwierigkeiten  stieß.  Offenbar  erfordert  die  länger  an- 
dauernde Bestrahlung  besonders  haltbare  elektrische  Apparate 
und  Röhren  sowie  eine  viel  größere  Aufwendung  von  elek- 
trischem Strom  als  kleine  Kabinette  mit  Akkumulatoren  sie 
zu  leisten  vermögen.  Nur  größere  mit  Anschluß  an  Zentralen 
werden  in  der  Lage  sein,   diesen  Anforderungen  zu  genügen. 

Die  ursprünglichen  Hoffnungen,  mit  den  alles  durch- 
dringenden Strahlen  namentlich  parasitäre  Krankheiten  so- 
wohl an  der  Oberfläche  als  im  Innern  des  Körpers  erreichen 
und  heilen  zu  können,  haben  sich  nur  in  bescheidenem  Maße 
erfüllt.  Die  liier1)  und  da  gefundenen  bakteriziden  Eigen- 
schaften haben  von  anderen  Beobachtern  nicht  bestätigt  wer- 
den können.  Es  hat  damit  wenigstens  vorläufig  auch  die 
Hoffnung  aufgegeben  werden  müssen,  durch  den  Brustkorb 
hindurch  die  tuberkulöse  Lunge  beeinflussen  zu  können. 

Was  die  Methode  anlangt,  so  geht  gegenwärtig  wohl 
allgemein  die  Meinung  dahin,  daß  nur  besonders  weiche  Röhren 
in  Betracht  kommen,  welche  in  etwa  10  cm  von  der  zu  be- 
strahlenden Hautstelle    angebracht    und  10  Minuten    laue    in 


1)  S.  die  Uebersicht  von  Albers-Schönberg,  Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  1898  Bd.  11  S.  20.  Ferner  nament- 
lich Ried  er  in  Münchener  med.  Wochenschr.  1898  S.  101  und  773. 
Bei  frisch  angelegten  Kulturen  von  Cholerabakterien,  Bacterium  coli, 
Staphylococcus  pyogenes  aureus,  Streptococcus  pyogenes,  Diphtherie-, 
Typhus-  und  Milzbrandbazillen  erwiesen  sich  X-Strahlen  als  deutlich 
entwickelungshemmend. 


248  Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen. 

Gang  gesetzt  werden.  Solche  Sitzungen  sind  ungefähr  acht 
Tage  lang  fortzusetzen,  falls  es  zu  keinen  Reaktionserschei- 
nungen kommt.  Alsdann  wird  8 — 10  Tage  pausiert,  da  ja 
die  Reaktion  erst  so  spät  einzutreten  pflegt  und  erst  einmal 
gewartet  werden  muß,  um  die  Empfindlichkeit  der  Haut  kennen 
zu  lernen.  Sorgsamer  Schutz  der  umliegenden  Körperteile 
durch  Bleiblech  von  mindestens  2  mm  Dicke  ist  unbedingt 
erforderlich. 

Für  die  Bestrahlung  geeignet  sind  eine  Anzahl  Haut- 
affektionen, weiche  kurz  aufgeführt  werden  sollen. 

Zunächst  lenkte  der  nach  Bestrahlungen  beobachtete 
Haarausfall  auf  die  Idee,  abnormen  Haarwuchs  durch 
Röntgenstrahlen  zu  beseitigen.  In  der  Tat  fallen  die  Haare 
nach  voraufgehender  oberflächlicher  Hautentzündung  prompt 
aus,  doch  bilden  sie  sich  wieder  und  können  vielfach  erst 
durch  oft  wiederholte  Bestrahlungen  definitiv  beseitigt  werden, 
wobei  die  Gefahren  weitreichender  Hautentzündungen  und 
deren  Folgezustände  im  Auge  zu  behalten  sind1). 

Nächstdem  hat  der  gewöhnliche  Lupus2)  am  meisten 
Aussicht  auf  erfolgreiche  Behandlung,  sei  es,  daß  die  X-Strahlen 
allein  angewendet  oder,  daß  sie  mit  Galvanopunktur  oder  mit 
der  grünen  Salbe  Unnas  verbunden  werden.  Ob  diese  Me- 
thode bessere  Resultate  und  in  kürzerer  Zeit  als  die  Finsen'- 
sche  Lichtbehandlung  ergibt,  ist  zur  Zeit  noch  zweifelhaft. 
Bequem  für  den  Patienten  und  schonend  für  das  gesunde 
Gewebe  ist  sie  sicherlich.  Unter  vorsichtig  geleiteten  Be- 
strahlungen tritt  zunächst  eine  Hyperämie  auf,  die  zu  einer 
gesteigerten  Leukocytenauswanderung  aus  den  Gefäßen  führt. 
Die  Lupuszellen  verfallen  einer  Degeneration,  die  sich  in 
herabgesetzter  Färb  barkeit  und  Zerfall  des  Kernes  und 
Vakuolisierung  des  Protoplasmas  äußert.  In  späteren  Stadien 
findet  man  das  Bindegewebe  vermehrt  und  die  Lupusherde 
in  derben  Zügen  einkapselnd  und  durchsetzend.  Daß  die 
lupösen  Herde  vollkommen  zu  Grunde  gehen,  ist  indessen 
nicht  immer  konstatiert,   vielmehr  sind  auch  nach  anfänglich 


1)  Kümmell,  Verhandlungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Chirurgie  189S   S.  345. 

2)  S.  Gassmann  und  Schenkel,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II  S.  121;  Sjögren  und  Sederholm, 
ebendas.  1901  Bd.  IV  S.  145  und  Bd.  V  S.  37;  Grouven,  ebendas. 
Bd.  V   S.  35  u.  186. 


Das  praktische  Arbeiten  mit  Röntgenstrahlen.  249 

guten  Resultaten  Recidive  in  der  anscheinend  vollkommen 
gesunden  Narbe  vorgekommen.  Daß  in  Zukunft  noch  bessere 
Resultate  erhalten  werden,  ist  wohl  zu  erwarten. 

Bei  Lupus  erythematodes  sind  ebenfalls1)  günstige 
Erfolge  zu  verzeichnen,  doch  muß  die  Behandlung  oft  sehr 
lange  ausgedehnt  werden  und  Recidive  treten  leicht  auf. 

Bei  chronischem  Ekzem  erhielt  Albers-Schönberg2) 
ein  durchaus  befriedigendes  Resultat. 

Pruritus  ani  et  vulvae,  Psoriasis,  Acne,  Scrofulo- 
derma,  Ulcerationen  aus  nicht  klar  gestellter  Ursache. 
Epitheliom,  Warzen,  Favus3)  sind  ebenfalls  mit  Erfolg 
durch  X-Strahien  behandelt.  Bei  Carcinom  sind  gute  Erfolge 
beobachtet  in  Bezug  auf  Erweichung  und  Involution  der 
Massen,  Schwinden  der  Oedeme,  namentlich  aber  der 
Schmerzen. 

Die  gemeinsame  Ursache  der  Wirkung  wird  man  darin 
suchen  dürfen,  daß  bei  geeigneter  Dosierung  der  X-Strahlen 
eine  Entzündung  und-  Obliterierung  der  Gefäße  sowie  eine 
Wucherung  des  Bindegewebes  eintritt,  wobei  die  pathologi- 
schen Elemente  zu  Grunde  gehen. 

Gelegenheit  zu  therapeutischer  Verwendung  der 
X-Strahlen  wird  sich  infolge  der  Zusammensetzung  des 
Krankenmaterials  in  Militärlazaretten  im  allgemeinen  nur 
selten  finden.  Nur  diejenigen  Lazarette  werden  überhaupt  in 
der  Lage  sein,  geeignete  Fälle  mit  X-Strahlen  zu  behandeln, 
welche  von  Zentralen  mit  Strom  versorgt  und  in  der  Be- 
schaffung der  erforderlichen  Zahl  von  Röhren  nicht  be- 
schränkt sind. 


1)  Schiff,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen 
1899  Bd.  II  S.  135;  Sjögren  und  Sederholm,  ebendas.  Bd.  IV 
S.  145. 

2)  Portschr.  auf  dem  Gebiete  d.  Röntgenstrahlen  1899  Bd.  II  S.20. 

3)  Grouven,  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen 
1901   Bd.  IV   S.  182 


250  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


(5.  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


Die  tiefgreifende  Bedeutung,  welche  die  Röntgenstrahlen 
binnen  kurzer  Zeit  erlangten,  und  welche  sie  bald  als  ein 
unentbehrliches  Hilfsmittel  für  jeden  gewissenhaften  Chirurgen 
erschienen  ließen,  rief  bald  den  Wunsch  hervor,  neben  der 
schwerfälligen  stationären  Einrichtung  des  Krankenhauses 
auch  bewegliche  Apparate  zur  Verfügung  zu  haben,  welche 
sich  leicht  transportieren  lassen  und  Aufnahmen  auf  den 
Stationen  in  jedem  beliebigen  Bett  oder  im  Hause  des 
Kranken  gestatten  sollten.  Ferner  war  es  von  ganz  be- 
sonderer Bedeutung,  die  im  Frieden  gewonnenen  Erfahrungen 
auch  auf  Kriegs  Verhältnisse  übertragen  und  dem  ver- 
wundeten Soldaten  draußen  dieselben  Vorteile  der  genauen 
Untersuchung  zuwenden  zu  können,  deren  er  daheim  teilhaftig 
wird.  Es  sind  daher  transportable  Apparate  schon  seit 
einigen  Jahren  konstruiert  und  für  alle  erwähnten  Zwecke 
empfohlen  worden. 

Was  zunächst  die  Verwendung  solcher  Apparate  im 
Frieden  betrifft,  so  stehen  derselben  Schwierigkeiten  prin- 
zipieller Natur  nicht  entgegen.  Der  Induktor  ist  selbst  bei 
40  cm  Funkenlänge  nicht  zu  schwer  und  ein  wenig  empfind- 
liches Instrument.  Auch  der  Transport  eines  Unterbrechers 
bietet  keine  besondere  Schwierigkeit.  Der  Platin-Unter- 
brecher ist  völlig  unempfindlich,  aber  auch  die  Motor-,  Tur- 
binen- und  Wehnelt-Unterbrecher  sind  in  Ausführungen  her- 
stellbar, welche  sehr  wohl  transportabel  sind.  Am  meisten 
sind  der  Gefahr  des  Zerbrechens  die  Röntgenröhren  ausge- 
setzt, doch  gelingt  es  durch  besondere  Kästen  mit  guter 
Lagerung  und  Polsterung  auch  hier  den  Transport  sicher  zu 
ermöglichen.  WTas  die  Stromquelle  anbetrifft,  so  findet  sich 
in  den  meisten  Krankensälen  und  in  vielen  Privathäusern 
Anschluß  an  Netzstrom,  der  unmittelbar  verwendet  werden 
kann.  Fehlt  derselbe,  so  sind  auch  Kästen  mit  i^kkumula- 
toren  ohne  zu  große  Unbequemlichkeit  mitzuführen.  Solche  für 
Friedensverhältnisse  ausreichenden  Zusammenstellungen  aller 
notwendigen  Apparate    sind    von    verschiedenen   Firmen    auf 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


251 


den  Ausstellungen  der  letzten  Jahre  gezeigt.     Ob    von  ihnen 
Gebrauch    gemacht    ist,    darf    füglich    be- 


ein    ausgedehnter 

zweifelt    werden.      Denn    die 

wachung  der  Instrumente,    das  Fehlen  mancher  Bequemlich- 


notwendige  sorgfältige    lieber- 


Fie.  84. 


Transportable  Röntgeneinrichtung  von  Siemens  &  Halske  (geschlossen). 
Maßstab  etwa  1  :  5. 


keiten  bei  der  Aufnahme  erleichtern  demjenigen  die  Arbeit 
nicht  gerade,  der  es  übernimmt,  außerhalb  des  wohl  einge- 
richteten Kabinettes  zu  operieren.  Diese  Bequemlichkeiten 
kommen  nicht*  etwa  allein  dem  Röntgographen  zu  gute, 
sondern  sie  sichern  bei  dem  vielfach  komplizierten  Verfahren 


252 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


Fig.  85. 


Transportable  Röntgeneinrichtung  von  Siemens  &  Halske  (geöffnet). 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


253 


L- 2B  cm 


254 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


das  Endresultat,  die  Güte  des  Bildes,  die  Diagnose  und  sind 
so  von  erheblicher  Bedeutung  für  den  Kranken  selbst.  Dazu 
kommt,  daß  derartig  zu  untersuchende  Kranke  meist  chirurgi- 
scher Hilfeleistungen  bedürfen,  welche  schließlich  doch  nur  in 
hierfür  besonders  eingerichteten  Krankenhäusern  aufgeführt 
werden  können.  Es  dürfte  deshalb  den  transportablen  Ap- 
paraten im  Frieden  eine  größere  Verwendung  nicht  be- 
schieden sein. 

Auch  für  die  Zwecke  der  Landpraxis  hat  man  derartige 
Einrichtungen  empfohlen  und  wohl  gar  schon  daran  gedacht, 


Fig.  87. 


Transportable  Röntgeneinrichtung  von  W.  A.  Hirschmann. 


daß  der  auf  dem  Automobil  mit  allen  Röntgenapparaten 
herumfahrende  Landarzt  seine  Maschine  auf  eine  kleine 
Dynamo  umschaltet  und  nun. an  beliebiger  Stelle  seine  Auf- 
nahmen macht.  Es  ist  keine  Wahrscheinlichkeit  ciafür  vor- 
handen, daß  dieser  Traum  so  bald  zur  Wirklichkeit  werden 
wird.  Es  ist  vielmehr  mit  Sicherheit  anzunehmen,  daß  für 
absehbare  Zeit  und  bei  der  andauernden  Verbesserung  der 
Wege  und  Transportmittel  es  noch  immer  leichter  und  auch 
weniger  kostspielig  sein  wird,  einen  Kranken,  der  doch  der 
chirurgischen  Behandlung  in  einem  Krankenhause  zugeführt 
werden   muß,   auch  schon  zur  Röntgenaufnahme   in   ein   mit 


Transportable  Röntgeneinrichtungen.  255 

allen  Vorrichtungen  versehenes  Laboratorium  zu  trans- 
portieren1). 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Verwendung  der  Röntgen- 
strahlen im  Kriege?  Unzweifelhaft  hat  einerseits  der  Krieger 
ein  Anrecht  wie  auf  die  neuesten,  wirksamsten  Waffen  so  auf 
alle  Errungenschaften  der  heilenden  Wissenschaft,  andererseits 
kann  die  Militärverwaltung  sich  der  Verpflichtung  nicht  ent- 
ziehen, den  verwundeten  Söhnen  des  Landes  alle  Hilfsmittel 
zur  Erleichterung  ihres  Loses,  soweit  es  irgend  möglich,  zu- 
gänglich zu  machen.  Es  fragt  sich  nur,  wieweit  die  Technik 
vorgeschritten  ist,  welche  kriegsbrauchbaren  Formen  der 
Apparate  zur  Zeit  vorhanden  oder  in  Aussicht  sind.  Ferner 
muß  man  sich  darüber  klar  werden,  welche  Stellen  der  Feld- 
sanitätsformationen mit  solchen  Einrichtungen  zu  ver- 
sehen sind. 

Daß  es  möglich  ist,  auch  unter  schwierigen  Verhält- 
nissen einen  Röntgenapparat  zu  transportieren,  lehren  die  Er- 
fahrungen des  Surgeon-Major  W.  C.  Beevor2),  der  bereits  im 
Jahre  1897  in  den-  Kämpfen  der  Engländer  an  der  indischen 
Nordwestgrenze  gegen  die  Afridis  es  fertig  brachte,  in  den 
vordersten  Lazaretten  Aufnahmen  zu  machen.  Er  ließ  die 
Apparate  an  einer  Bambusstange  aufgehängt  von  Kulis  tragen 
und  hatte  trotz  unwegsamer  Felsen,  trotz  eiskalten  Wassers, 
herabstürzender  Gebirgsbäche,  Regen  und  Schnee  keinen  Unfall 
zu  beklagen.  Zwei  Mann  zum  Tragen,  zwei  zur  Reserve  ge- 
nügten. Die  Sicherheit  dieses  Transportes  war  dem  mit 
Maultieren,  Kameelen  und  auf  Fahrzeugen  bei  weitem  über- 
legen. Zum  Betrieb  empfahl  er  eine  von  Menschen  in  Be- 
wegung gesetzte  Dynamo  und  einen  tragbaren  Akkumulator, 
welche  Wechsel-  und  aushilfsweise  verwendet  werden  sollten. 
Um  in  heißen  Klimaten  ein  Schmelzen  der  Isolierungen  des 
Induktors  zu  vermeiden,  wurde  eine  Mischung  aus  Paraffin 
und  Harz,  welche  erst  bei  150°  Fahr.  =  65,5°  C.  schmilzt, 
am  sichersten  befunden. 

Wenn    diese  Vorrichtungen    auch    wohl  für  unkultivierte 


1)  Auf  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Ausübung  des  Verfahrens 
für  den  praktischen  Arzt  mit  sich  bringt,  machte  neuerdings  nach- 
drücklich Faulhaber  aufmerksam.  Deutsche  medizin.  Wochenschrift 
1902  S.  855. 

2)  Nach  einem  am  20.  Mai  1898  zu  London  gehaltenen  Vortrage. 


256  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 

Gegenden  ausreichen  oder  vielleicht  zur  Zeit  die  einzig 
möglichen  sein  mögen,  so  muß  man  doch  für  europäische 
Verhältnisse  vollkommenere  Apparate  ins  Auge  fassen. 

Was  zunächst  die  Apparate  im  allgemeinen  betrifft,  so 
ist  der  Verwaltung  mit  den  meisten  der  bisher  angebotenen 
Zusammenstellungen  wenig  gedient.  Alle  nötigen  Teile  lassen 
sich  zwar  erwiesenermaßen  in  einer  genügend  kompendiösen, 
transportablen  Form  herstellen,  allein  die  fast  stets  als  Strom- 
quelle beigegebenen  Akkumulatoren  sind  für  den  Feldge brauch 
nicht  hinreichend  widerstandsfähig.  Auf  ihre  Verwendung 
muß,  solange  die  Konstruktionen  nicht  erheblich  über  die 
heute  bekannten  hinauskommen1),  sowohl  der  Verletzlickeit  der 
aktiven  Schicht  als  der  Schwere  wegen  vollkommen  ver- 
zichtet werden.  Zwar  könnte  man  daran  denken,  daß 
größere  oder  kleinere  Stromzentralen  heut  schon  häufig  ge- 
funden werden  und  nur  das  Mitführen  der  übrigen  Apparate 
für  ausreichend  halten.  Demgegenüber  muß  aber  hervorge- 
hoben werden,  daß  dann  die  Einrichtung  eben  unvollständig 
und  daher  nicht  kriegsfertig  ist.  Dazu  kommt  aber  noch 
der  andere  Umstand,  daß  auch  für  diese  übrigen  Instrumente 
auf  den  bisher  vorhandenen  Wagen  der  Sanitätsformationen 
ohne  weiteres  kein  Raum  vorhanden  ist.  Es  muß  darauf 
gerechnet  werden,  daß  durch  die  Röntgen-Einrichtung  ein 
neues  Fahrzeug  notwendig  wird,  dem  dann  aber  zweckmäßig, 
wenn  möglich,  gleich  die  Aufgabe  zugewiesen  wird,  die  er- 
forderliche Kraftstation  mitzuführen. 

Die  einzige  Konstruktion,  welche  in  dieser  Beziehung- 
bekannt  und  praktisch  erprobt  ist,  rührt  von  der  Firma 
Siemens  &  Halske  her,  welche  für  Zwecke  der  militärischen 
Funkentelegraphie  solche  Wagen  gebaut,  auch  drei  derartige 
Fahrzeuge  zur  Verwendung  für  Röntgenaufnahmen  für  das 
deutsche  Expeditionskorps  während  der  chinesischen  Wirren 
geliefert  hat2).  Während  der  Erprobung  der  letzteren  hat 
sich  herausgestellt,  daß  Erfolge  nur  zu  erzielen  sind,  wenn 
die  Apparate  dauernd  unter  sachverständiger  Kontrolle  ge- 
halten werden.     Ist  dies  der  Fall,   so  ist  man  allerdings  im- 


1)  Vielleicht  ist  der  lange  erhoffte  Eisen -Nickel -Akkumulator 
Edisons  eine  selche  Konstruktion. 

2)  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Ergänzungs- 
band 7  S.  13.  Später  sind  noch  Lieferungen  für  die  japanische  Re- 
gierung ausgeführt. 


Transportable  Röntgeneinrichtungen, 


257 


w 


& 


Steck ow,  Das  Röntgen -Verfaliren. 


17 


258 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


r^ 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


259 


a 


er 


W 


260  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 

stände,  sowohl  gute  Röntgenbilder  zu  erzeugen  als  auch  mit 
demselben  Motor  von  etwa  3 — 4,  höchstens  10  PS  auch  den 
Operationssaal,  Kasino  oder  dergl.  Räume  zu  beleuchten, 
wenn  seine  Leistung  nicht  gerade  für  den  Röntgenapparat  ge- 
braucht wird.  Aber  es  ist  doch  zu  betonen,  daß  erst  eine 
genaue  Einarbeitung  dazu  gehört,  um  den  Motor  dauernd 
leistungsfähig  zu  erhalten.  Ist  dieselbe  nicht  vorhanden,  so 
hat  sich  gezeigt,  daß  ein  kleiner  Dampfmotor  leichter  zu  be- 
dienen ist  als  eine  Explosionsmaschine. 

Auf  einen  Uebelstand  des  Exlosionsmotors  muß  noch  hin- 
gewiesen werden,  d.  i.  das  untrennbar  mit  seinem  Arbeiten  ver- 
bundene Geräusch.  Bis  jetzt  ist  noch  kein  Schalldämpfer  er- 
funden, welcher  hiergegen  genügend  wirksam  ist.  Für  den  in 
freier  Luft  im  offenen  Wagen  Fahrenden  ist  das  wohl  zu  er- 
tragen, innerhalb  eines  Lazarettes  aber  kann  der  Motor  nur  in 
weiter  Ferne  von  belegten  Räumen  geduldet  werden.  Bei  den 
neueren  protzenartig  gebauten  Kriegswagen  ist  daher  die  Ein- 
richtung so  getroffen,  daß  der  Motor  und  die  Dynamomaschine 
fest  auf  dem  Wagen  montiert  und  außerhalb  in  einem  Schuppen 
aufgestellt,  Induktor  und  Unterbrecher  aber  in  das  Röntgen- 
zimmer  transportiert  werden  können.  Kabel  und  Telephon- 
leitung für  den  Mann  am  Motor  stellen  die  Verbindung  her. 
Daß  diese  räumliche  Trennung  der  einzelnen  Apparate  nicht 
gerade  zur  Bequemlichkeit  der  Bedienung  beiträgt,  leuchtet 
ein.  Auf  wie  unerwartete  Schwierigkeiten  man  beim 
Gebrauch  unter  Feldverhältnissen  stößt,  lehrt  die  Er- 
fahrung in  Ostasien.  Dort  verstaubte  die  Maschine  bei  den 
häufigen  Sandstürmen  jedesmal  dermaßen,,  daß  eine  peinliche 
Reinigung  mit  Auseinandernehmen  der  einzelnen  Teile  er- 
forderlich War. 

Eine  weitere  Vervollkommnung  ist  von  der  Firma 
Siemens  &  Halske  neuerdings  in  der  Art  angebracht,  daß 
die  ganze  Einrichtung  auf  zwei  zweirädrige,  von  einander 
unabhängige  Karren  verteilt  ist.  Auf  dem  einen  befindet 
sich  der  Stromerzeuger,  bestehend  aus  einem  etwa  4  PS 
Benzinmotor,  direkt  gekuppelt  mit  einer  Gleichstromdynamo 
von  65  Volt  und  20  Ampere.  Auf  demselben  Karren  kann 
noch  der  Wehnelt-Unterbrecher  installiert  werden.  Dieser 
Wagen  kann  auch  allein  für  Beleuchtungsz wecke,  z.  B.  des 
Operationssaales,  verwendet  werden. 

Alle  anderen  Apparate,  wie  Induktor  (40  dm),  Schalt- 
brett, Fluoreszenzschirm,  Röntgenröhren  und  photographische 


Transportable  Röntgeneinrichtungen. 


261 


=8 


262  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 

Einrichtung  befinden  sich  auf  dem  zweiten  zweirädrigen  Karren 
und  sind  ohne  weiteres  daraus  zu  entnehmen. 

Um  nicht  bei  jeder  Aufnahme  von  den  Launen  des 
Motors  abhängig  zu  sein,  ist  es  ratsam,  an  solchen  Stellen, 
wo  Akkumulatoren  gehalten  werden  können,  dieselben  erst 
mittelst  des  Motors  zu  laden.  Da  das  nur  alle  4 — 6  Wochen 
zu  geschehen  braucht,  hat  man  immer  Zeit,  für  richtiges 
Funktionieren  des  Motors  zu  sorgen.  Diese  Methode  ist  im 
Frieden  überall  anwendbar,  wo  Akkumulatoren  fest  aufgestellt 
werden  können  oder  etwa  nur  innerhalb  des  Lazarettes  zum 
Laden  umherzutragen  sind.  Für  Kriegszwecke  kann  auf  das 
Mitführen  von  Akkumulatoren  noch  nicht  gerechnet  werden; 
da  ihr  Gefüge  den  Unbilden  öfteren  Transports  auf  schlechten 
Wegen  noch  nicht  gewachsen  ist. 

Bleibt  man  also  für  Kriegszwecke  an  den  unmittelbaren 
Betrieb  mit  dem  Motor  gebunden,  so  wäre  es  jedenfalls  sehr 
erwünscht,  ein  Modell  zu  besitzen,  welches  die  oben  genannten 
Schattenseiten  des  Benzinmotors  nicht  aufweist.  Hier  eröffnet 
sich  nun  der  Ausblick  auf  den  modernen  Dampfmotor. 

Die  Dampfmaschinentechnik  hat  in  ihrer  mehr  als 
150jährigen  Entwickelung  einerseits  zur  Schaffung  ganz  großer 
Typen  von  Tausenden  von  Pferdestärken  geführt,  neuerdings 
aber  auch  wieder  zu  kleineren  Maschinen,  welche  nur  wenige 
Pferdestärken  Leistung  haben  und  im  Kleingewerbe  sowie  im 
Automobilbau  Verwendung  finden.  Dies  ist  möglich  geworden 
namentlich  durch  die  Konstruktion  von  Kesseln,  welche  rasche 
Dampferzeugung  mit  großer  Sicherheit  gegen  die  Gefahren 
einer  Explosion  verbinden.  Die  Konstruktion  der  eigentlichen, 
den  Dampf  verbrauchenden  und  nutzbar  machenden  Maschinerie 
ist  seit  langem  durchgearbeitet  und  hat  feststehende  Normen 
erlangt.  Die  Vorzüge  der  Dampfmaschine  sind  bis  jetzt  ihr 
elastischer,  stoßfreier  Gang,  ihre  relative  Unempfmdlichkeit 
gegenüber  kleinen  Schädlichkeiten  und  ihr  geräuschloses  Ar- 
beiten. Es  muß  hervorgehoben  werden,  daß  der  eine  der 
deutschen  Röntgenapparate  in  Tientsin  erst  ordentlich  in  Gang 
gebracht  werden  konnte,  nachdem  eine  in  einem  chinesischen 
Arsenal  vorgefundene  kleine  stationäre  Dampfmaschine  zum 
Betriebe  herangezogen  war. 

Allerdings  ist  die  Dampfmaschine  nicht  im  Augenblick 
betriebsbereit  wie  der  gut  gehende  Explosionsmotor.  Wenn 
man  aber  imstande  ist,  in  7 — 10  Minuten  vom  Anheizen 
an  Dampf    von  der  erforderlichen  Spannung  (20 — 40  Atmo- 


Transportable  Röntgeneinrichtungen.  263 

Sphären)  zur  Verfügung  zu  haben,  so  dürfte  diese 
Schnelligkeit  der  Betriebsbereitschaft  für  Röntgenzwecke 
vollauf  genügen.  Derartige  Kessel,  zuerst  von  der  Loeo- 
mobile  Co.  of  Amerika  für  Automobile  verwendet,  werden 
jetzt  auch  in  Deutschland  gebaut.  Es  sind  Kessel  von  Stahl- 
blech mit  zahlreichen  kupfernen  Siederöhren  im  Innern,  welche 
durch  eine  besondere  Vorrichtung  die  Brennstoffleitung  (Benzin 
oder  Spiritus)  abdrosseln,  sobald  der  zulässige  Betriebsdruck 
von  15  Atmosphären  erreicht  ist  und  sie  wieder  öffnen,  wenn 
durch  Dampf  entnähme  der  Druck  sinkt. 

Einen  weiteren  Fortschritt  in  der  Heiztechnik  für  kleine 
Motoren  bedeuten  sicherlich  die  durch  Patente  geschützten 
Erfindungen  des  Ingenieurs  Stoltz  von  der  Motorfahrzeug- 
fabrik Deutschland.  Die  einzelnen  Heizelemente  bestehen 
aus  etwa  daumdicken  Stahlplatten  von  der  Größe  einer  Ofen- 
kachel, mit  Durchbohrungen,  welche  wie  neben  einander 
liegende  Flintenläufe  die  Platten  durchsetzen.  Sie  halten  einen 
Druck  von  800  Atmosphären  ohne  jede  Deformierung  aus 
und  werden  durch  besondere  Brenner  mit  vollkommen  ver- 
gastem Petroleum  angeheizt.1) 

Falls  die  Explosionsmotoren  nicht  noch  besondere  Fort- 
schritte inbezug  auf  Einfachheit,  Schmiegsamkeit  und  Ge- 
räuschlosigkeit machen,  sind  Versuche  mit  den  oben  ge- 
nannten oder  ähnlichen  Dampfmotoren  angezeigt  und  aus- 
sichtsvoll. 

Es  kann  also  festgestellt  werden,  daß  für  europäische 
Verhältnisse  auf  einem  besonderen  Wagen  montierte  Röntgen- 
einrichtungen mit  Stromquelle  im  Felde  notwendig  und  schon 
heut  herstellbar  sind.  Der  Wagen  hätte  dann  gleichzeitig  die 
photographische  Ausrüstung  mitzuführen,  während  die  not- 
wendige Dunkeleinrichtung  jeweils  am  Orte  der  Tätigkeit  zu 
improvisieren  bleibt.  Ferner  sind  Verbesserungen  der  jetzt 
vorhandenen  Motoren  mit  Sicherheit  zu  erwarten. 

Es  bleibt  nun  noch  die  Frage  zu  beantworten,  welchen 
Feldformationen  diese  Apparate  zuzuweisen  sind,  da  von  einer 
allgemeinen  Einführung  selbstverständlich  nicht  die  Rede  sein 
kann.  Der  hier  und  da  geäußerte  Gedanke,  einfach  die 
Wagen    für    Funkentelegraphie    für  Sanitätszwecke    heranzu- 


1)  Die  Patente  sind  von  der  Germania- Werft  (Friedr.  Krupp)  Kiel 
erworben,  um  zunächst  im  Automobilbau  ausgedehnte  Verwendung  zu 
finden. 


264  Transportable  Röntgeneinrichtungen. 

ziehen,  kann  kaum  ernst  genommen  werden.  Sic  sind  sicher- 
lich weder  in  genügender  Anzahl  noch  gerade  an  den  Orten 
der  Lazarette  vorhanden  und  müssen,  wenn  auch  technisch 
den  Röntgenzwecken  entsprechend  gebaut,  für  andere  Auf- 
gaben jeden  Augenblick  zur  Verfügung  stehen.  Der  Sanitäts- 
dienst kann  sich  auf  fremde  Hülfe  nicht  basieren,  sondern 
muß,  wenn  die  Mitführung  überhaupt  möglich  ist,  über  eigene 
Apparate  verfügen. 

Die  Sanitätskompagnieen  bilden  die  erste  größere  Etappe 
auf  dem  Wege  zur  Heilung  und  zur  Heimat.  Es  ist  daher 
daran  gedacht,  daß  die  Röntgenapparate  hier  besonders  am 
Platze  wären,  zumal  diese  Dienststellen  es  nur  mit  Ver- 
wundeten, niemals  mit  Kranken  zu  tun  haben.  Vergegen- 
wärtigt man  sich  aber  die  Tätigkeit  auf  dem  Hauptverband- 
platz, so  erscheint  die  Verwendung  der  X-Strahlen  hier  kaum 
möglich.  Eine  derartige  Untersuchung  bedarf  immer  der  Ruhe 
und  einiger  Vorbereitung.  An  Aufnahmen  kann  nicht  gedacht 
werden,  für  Betrachtung  auf  dem  leuchtenden  Schirm  fehlt 
das  notwendige  Dunkelzimmer.  Die  Hauptaufgabe  besteht 
hier  nicht  in  einer  Behandlung  der  Verwundeten ,  sondern  in 
deren  schleuniger  Sondernng  und  Hemchtung  zum  Transport. 
Ist  dies  erreicht,  so  ist  die  Tätigkeit  der  Sanitätskompagnie 
erfüllt  und  ihre  Hülfsmittel  erschöpft.  Da  die  heutigen  Ver- 
bandmethoden (Jodoformgaze,  aseptischer  Mull,  Nichtberühren 
der  Wunde,  Immobilisierung)  gestatten,  eine  nicht  infizierte 
Wunde  mit  vollkommener  Sicherheit  längere  Zeit  frisch  zu 
erhalten,  so  bringt  die  Verschiebung  einer  gründlichen  Be- 
handlung, die  nur  in  der  Ruhe  mit  allen  Hilfsmitteln  aus- 
geführt werden  kann,  um  einige  Tage  in  den  meisten  Fällen 
dem  Verletzten  keinen  Schaden,  sondern  sichert  ihm  vielmehr 
die  unentbehrliche  Sorgfalt. 

Die  Feldlazarette  sind  der  erste  Ort,  in  welchen  die 
Verwundeten  zunächst  zur  Ruhe  kommen,  und  in  welchen 
nun  die  definitive  Afersorgung  aller  Verletzungen  vorgenommen 
wird.  Der  eigentliche  Ort  für  Anwendung  der  Röntgenstrahlen 
ist  also  hier  zu  suchen,  zumal  auch  bei  der  Unterbringung 
der  Feldlazarette  in  vorhandenen  Gebäuden  die  nötigen  Räum- 
lichkeiten überall  gefunden  werden  können. 

Soll  nun  jedes  Feldlazarett  mit  einem  Röntgen- Apparat 
ausgestattet  werden?  Dies  würde  immer  einen  Wagen  mehr, 
also  eine  erhebliche  Vermehrung  des  Trosses  bedeuten  und 
recht  bedeutende  Kosten  verursachen.    Zudem  ist  ein  großer 


Transportable  Röntgeneinrichtungen.  265 

Teil  der  Feldlazarette  längere  Zeit  nicht  etabliert  oder  aber 
mit  innerlich  Kranken  belegt,  welche  der  X-Strahlen  nicht 
bedürfen. 

Unter  Abwägung  aller  Verhältnisse  und  der  in  der 
deutschen  Armee  eingeführten  Formationen  erscheint  zur  Zeit 
die  allgemeine  Beigabe  von  Röntgenwagen  zu  den  Feld- 
lazaretten verfrüht,  Ihr  eigentlicher  Platz  muß  zunächst 
noch  hinter  dieser  Linie,  also  bei  dem  Lazarett-Reserve- 
Depot  gesucht  werden,  dem  ja  auch  die  Aufgabe  der  Ver- 
sorgung der  Feldlazarette  mit  anderen  Hilfsmitteln  zufällt. 
Hier  müßten  sie  allerdings  in  genügender  x\nzahl  und  hin- 
reichend beweglich  vorhanden  sein,  um  sogleich  nach  den 
etablierten  Lazaretten,  welche  ihrer  bedürfen,  in  Marsch  gesetzt 
zu  werden.  Drei  Wagen  dürften  für  ein  Armeekorps  genügen, 
da  die  Lazarette  nach  einander  aufgesucht  werden  können. 
Die  Wagen  müßten  fahrbereit  sein,  Pferde  könnten  nach 
Bedarf  gestellt  werden.  Daß  die  Sanitäts-Offiziere  mit  .den 
eigentlichen  Röntgenapparaten  umzugehen  versteheu,  darf  in 
Zukunft  allgemein  erwartet  werden.  Für  die  Bedienung  des 
Motors  wären  Maschinisten,  Schlosser  oder  ähnliche  Leute 
bei  den  Lazarett-Reserve-Depots  einzustellen  und  von  hier 
den  Wagen  beizugeben.  Dieser  Weg  erscheint  vorläulig  als 
der  einzig  gangbare,  um  auch  im  Felde  die  rechtzeitige  An- 
wendung der  Röntgenstrahlen  zu  ermöglichen.  Daß  dabei 
die  Gelegenheit,  die  Hilfsquellen  des  Landes  zur  A^ersorgung 
der  Armee  heranzuziehen,  auch  in  dieser  Hinsicht  ausgenutzt 
wird,  daß  in  größeren  Städten  vielleicht  Röntgeneinrichtungen 
vorgefunden  und  in  Anspruch  genommen  werden  können, 
bedarf  keiner  weiteren  Begründung. 


Druck  von  L.  .Schumacher  in  Berlin  N,  24. 


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Verlag  von  August  Hirschwald  in  Berlin. 

(Durch  alle  Buchhandlungen  zu  beziehen.) 

B(1  Bibliothek  von  Coler-Schjerning. 

1.  Kubier,  Geschichte  der  Pocken  und  der  Impfung.  Mit 
12  Abb.  und   l  'laf.  .  1901.  8  M. 

2.  E.  von  Behring,  Diphtherie.  (Begriffsbestimmung,  Zu- 
standekommen, Erkennung  und  Verhütung.)  Mit 
2  Abbildungen  im  Text.     1901.  5  M. 

3.  Buttersack,  NichtarzneilicheTher  apiein  nerer  Krank- 
heiten.' Skizzen  für  physiologisch-denkende  Aerzte.  Mit 
8  Abbildungen  im  Text.     Zweite  Autl.     190:!.     4  M.  50  Pf. 

4.  Trautmann,  Leitfaden  für  Operationen  am  Gehörorgan. 
Mit  27  Abbildungen  im  Text.     19ul.  4  M. 

5.  Hermann  Fischer,  Leitfaden  der  kriegschirurgischen 
Operationen.     Mit  56  Abbildungen.     1901.  4  M. 

6.  N.  Zuntz  u.  Schumburg,  Studien  zueinerPhysiologie  des 
Marsches.     Mit  Abb.,  Curven  im  Text  und  1  Tafel.     8  M. 

7.  Alb.  Köhler,  Grundriss  einer  Geschichte  der  Kriegs- 
chirurgie.    Mit  2t  Abbildungen.     190 1.  4  M. 

8.  P.  Musehold,  DiePestundih  reBekämpfung.  Mit  4  Licht- 
drucktafeln.    1901.  7  M. 

9.  H.  Jaeger,    DieCerebrospinalmeningitis    als    Heeres-      . 
Seuche.     In  ätiologischer,  epidemiologischer,  diagnostischer 
und  prophylaktischer  Beziehung.    Mit  33  Texttaf.    1901.    7  M. 

10.  Gerhardt,  Die  Therapie  der  Infecti  onskrankheiten.  In 
Verbindung  mit  Stabsarzt  Dr.  Dorendorf,  Oberstabsarzt 
Prof.  Dr.  Grawitz,  Oberstabsarzt  Dr.  Hertel,  Oberstabsarzt 
Dr.  Ilberg,  Oberstabsarzt  Dr.  Landgraf,  Generaloberarzt 
Prof.  Dr.  Martius,  Stabsarzt  Dr.  S  chul  z .  Oberstabsarzt  Dr. 
Schnitzen.  Stabsarzt  Dr.  Stuertz  und  Stabsarzt  Dr. 
Wide  n  mann.     Mit  Curven  im  Text.     1902.  8  M. 

11.  E.  Marx,  Die  experimentelle  Diagnostik,  Serumthe- 
rapieun  dProphylaxederlnfectionskrankheiten. 
Mit  1  Textfigur  und  2  Tafeln.     1902.  8  M. 

12.  Martens,  Die  Verletzungen  und  Verengerungen  der 
Harnröhre  und  ihre  Behandlung.  Auf  Grund  des 
König'schen  Materials  (1875 — 1900).  8.  Mit  einem  Vorwort 
von  Geh.  Rath  Prof.  Dr.  König.     1902.  4  M. 

18.  A.  Menzer,  Die  Aetiologie  des  acuten  Gelenkrheuma- 
tismus nebst  kritischen  Bemerkungen  zu  seiner  Therapie. 
Mit  Vorwort  von  Geh.  Rath  Prof.  Dr.  Senator.  Mit  5  Ta- 
feln.    1902.     5  M. 

14.  A.  Hiller,  Der  Hitzschlag  auf  Märschen.  Mit  Benutzung 
der  Acten  der  Medicinal-Abtheilung  des  Preussischen  Kriegs- 
ministeriums.     Mit  6  Holzschn.  und  :i  Curven.     1902.      7  M. 

15/16.  Sonnenburg  und  Mühsam,  C  o  m  p  e  n  d  i  ü  m  der  Operations- 
und  Verbandstechnik.  I.  Theil.  Mit  150  Te.xtfig.  1903. 
4M.  —  II.  Theil.     Mit  194  Textfiguren.     1903.     6  M. 

17.  Niedner,  Die  Kriegsepidcmieen  des  19.  Jahrhunderts. 
1903.     5  M. 

18.  StechOW,  Das  Röntgen -Verfahren  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  militärischen  Verhältnisse. 
Mit  91   Abbildungen  im  Text.     1903.  6  M. 

19.  J.  Boldt,  Das  Trachom  als  Volks-  und  Heereskrank- 
heit.    1903.  5  M. 


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