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BOSTON
Medical Library
8 THE FENWAY
Boston Medical Library
in the Francis A.Countway
Library of Medicine -Boston
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Bibliothek v. Coler.
Sammlung von Werken
aus dem
Bereiche der medizinischen Wissenschaften
mit besonderer Berücksichtigung
der militärmedizinischen Gebiete.
Herausgegeben von
Jö,-'&
0. Schjerning.
Band 18.
Das Röntgen -Verfahren
mit besonderer Berücksichtigung" der militärischen Verhältnisse.
Von
Dr. Stechow,
Generalarzt und Korpsarzt des X. Armeekorps.
Berlin 1903.
Verlag von August Hirschwald.
NW. Unter den Linden 68.
Das
Röntgen -Verfahren
mit besonderer Berücksichtigung
der militärischen Verhältnisse.
Von
Dr. Stechow,
Generalarzt und Korpsar/t des X. Armeekorps.
Mit 91 Abbildungen.
Berlin 1903.
Verlag von August Hirschwald.
NW, Unter den Linden
y. $U£
Vorwort,
Mit sicherem Gefühl hatte die Meclizinal-Abteilung des
Kriegsministeriums sofort die Bedeutung von Röntgen's
wunderbarer Entdeckung erkannt und mit vorausschauendem
Blick ohne Zögern die Mitarbeit militärischer Dienststellen
auf diesem Gebiete angeordnet. So konnte hier von Anfang
an der Entwicklungsgang verfolgt, die Eigentümlichkeiten mili-
tärischer Verhältnisse erforscht, die besten Methoden für die
sich hier darbietenden besonderen Aufgaben aufgesucht werden.
Daß die ersten Zeiten in angestrengter Arbeit nicht ohne
mannigfache Schwierigkeiten und Enttäuschungen verliefen, ist
erklärlich. Waren doch zunächst die Apparate unzulänglich,
das Gebiet für die Verwendung der X-Strahlen unbekannt,
die Fragestellung unsicher, die Methoden der Darstellung nicht
ausgebildet. In überraschend kurzer Zeit jedoch, im Laufe
weniger Jahre, war die anfängliche" Unsicherheit, das Unzu-
reichende aller an dem Verfahren beteiligten Faktoren ge-
schwunden. Die Apparate erlangten rasch einen hohen Grad
von Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, eine Uebersicht über
die unter militärischen Verhältnissen vorkommenden Befunde
wurde gewonnen, endlich wurden die Methoden der Unter-
suchung und Darstellung systematisch klargelegt sowie einfache,
leicht zu handhabende und sichere Ergebnisse liefernde Ver-
fahren ausfindig gemacht.
Die vorliegende Arbeit, hervorgegangen aus den Er-
fahrungen, welche bei Leitung zweier und bei Einrichtung
mehrerer anderer Röntgenkabinette gewonnen wurden, gibt daher
ein Bild sowohl von der Entwicklung der Methode in den
Militärlazaretten als auch von dem dort bis jetzt erreichten
Grad ihrer Ausbildung. Daß in den Militärlazaretten die
überraschend schnellen Fortschritte der Technik stets alsbald
VI Vorwort.
nutzbar gemacht und in jährlich steigendem Maße zahlreiche
Garnisonen mit den wertvollen Apparaten ausgerüstet werden
konnten, ist der unausgesetzten energischen Förderung von
Seiten der Zentralstelle zu verdanken, welche hierdurch von
Anfang an dem deutschen Heere einen wesentlichen Vor-
sprang vor anderen Armeen gesichert hat.
In dem Nachfolgenden soll dem Sanitätsoffizier eine
Uebersicht über den Werdegang der Untersuchungsmethode,
ihre jetzige Entwickelung, vor allem aber sichere Fingerzeige
für sein eigenes praktisches Arbeiten gegeben werden. Es
konnten nicht alle Verfahren aufgezählt werden, welche auf
dem Wege über die richtige Fragestellung, eine einfache aber
sichere Technik und brillante Bilder zu dem Endziel aller
x4.nstrengungen, der richtigen Diagnose, führen. Angestrebt
wurde aber, alle • Apparate und Methoden so einfach zu be-
handeln, class ein Mißgriff oder Fehlschlagen beim praktischen
Arbeiten möglichst ausgeschlossen ist. Man darf sicher sein,
daß bei genauer Beachtung der hier gegebenen Vorschriften
die erreichten Resultate nichts zu wünschen übrig lassen.
Ohne Zweifel ist die gründliche Kenntnis und sichere
Beherrschung des Röntgen- V erfahr ens . heutzutage für jeden
Sanitätsoffizier notwendig, ja im Hinblick auf die im Kriege
an jeden herantretenden Anforderungen fast unentbehrlich. Es
wird daher ein weiteres Studium den Leistungen nur förderlich
sein. Von einem besonderen Literaturverzeichnis wurde ab-
gesehen, auf alles Wichtige ist in den Anmerkungen hinge-
wiesen. Eine recht genaue Uebersicht der Literatur findet
man bei Gocht, Lehrbuch der Röntgentechnik, Ferdinand
Enke 1898, und bei Büttner u. Müller, Technik und Ver-
wendung der Röntgen 'sehen Strahlen, Knapp 1900, ferner
fortlaufend in den Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgen-
strahlen. Auf die letzte bemerkenswerte Veröffentlichung von
Albers-Schönberg, Die Röntgentechnik, Gräfe u. Siilem
1903, welche erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit
erschien, kann hier nur hingewiesen werden.
Den Herren Professor Raps, Ober-Ingenieur Rasehorn
und Ingenieur R od de bin ich für ihre liebenswürdige Unter-
stützung bei Abfassung des technischen Teiles zu auf-
richtigem Dank verpflichtet.
Dr. Stechow.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Geschichte . . . 1
Röntgen's Entdeckung. Die vorhergehenden dazu
führenden Erkenntnisse. Induktion, Entladungen in gewöhn-
licher Luft, in verdünnten Gasen, Geissler'sche Röhren,
Crookes'sche Röhren, Kathodenstrahlen, Lenard, Gold-
stein. Röntgenstrahlen, Entstehung, Eigenschaften, Natur
der X.-Strahlen, Messung der Intensität, AVirkungen. Ein-
führung der Apparate in die Armee. Ausstattung der Gar-
nisonlazarette.
2. Apparate 27
I. Der Induktor 27
Wesen und Zweck des Induktors. Technischer
Aufbau, primäre Spule, sekundäre Spule, Eisenkern.
Wirkung der einzelnen Teile aufeinander beim Betrieb,
Schließungs- und Oeffnungsstrom, Funkenbildung, Kon-
densator, Spannungen im sekundären Stromkreis. Größe
der Induktoren für militärische Zwecke.
II. Der Unterbrecher 39
Selbsttätige Unterbrechung des Stromes.
A. Einfache Unterbrecher 39
Wagner' scher Hammer, Deprez-, Queck-
silber-Unterbrecher, Interruptor von Poucault,
Quecksilber -Wippe von Siemens & Halske.
B. Motorunterbrecher 46
Spitzenrad von Hofmeister, von Haus-
wald, von Thor Stenbeck und Balke. Unter-
• brecher mit Elektromotor und Exzenter von
Siemens & Halske, Max Kohl, Ernecke,
Voltohm -Gesellschaft, Hirsch mann, Dr.
Lew. Edison.
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
C. Turbinenunterbrecher 55
Konstruktion der Allgemeinen Elektri-
zität s - G e s e 1 1 sc h a f t für Gleichstrom und
für Wechselstrom, Quecksilberstrahlunterbrecher
nach Dr. Levy, Zentrifugen -Quecksilberunter-
brecher und rotierender Unterbrecher mit Gleit-
kontakten von Hirschmann.
D. Elektrolytische Unterbrecher .... 62
nach Wehnelt, nach Simon. Konstruk-
tionen von Siemens & Halske, Hirschmann.
III. Die Stromquelle 72
Akkumulatoren, Prinzip, Aufbau, Laden, Wartung.
Gleichstrom. Wechselstrom. Gleichrichtung desselben.
Graetz'sche Zellen. Apparat von Pollak. Grisson-
Gleichrichter. Influenzmaschinen. Stromerzeugung
mittelst kleiner Kraftmaschinen.
IV. Die Röntgenröhren 87
Die ersten Formen. Anbringung der Antikathode.
Jetzige Formen. Metallschirm von Hirschmann. Kon-
struktion von Wood. Nebenkugeln mit Gas haltenden
Substanzen, Röhrchen von Palladium, Kapillarrohr.
Selbstregulierende Röhren von Müller, Hirschmann.
Abkühlbare Röntgenröhren, Metall-, Wasser-, Oelkühlung.
Punktförmige Erzeugung der X-Strahlen. Einpolige
Röntgenröhren. Ventilröhren.
V. Der Leuchtschirm 103
Bariumplatincyanürschirm , Kryptoskop. Verstär-
kungsschirm.
3. Photographie . 106
Geschichtliches: Johann Heinrich Schulze, Nicc-
phöre Niepce, Daguerre, Petzval, Einführung der
Glasplatte durch Niepce de St. Victor, des Collodiums
durch Le Gray, Harrison, Dr. Maddox, Trockenplatte
mit Gelatine, Films. Entwickler. Die lichtempfindlichen
Silbersalze.
Negativverfahren 111
Physikalische Entwicklung. ' Nasse Platten. Her-
stellung der Trockenplatten, farbenempfindliche Platten.
Chemische Entwicklung der Trockenplatte, saure — al-
kalische, harte — weiche. Gang der Entwicklung,
stufenweiser Aufbau des Bildes, Beurteilung der Dichtig-
keit. Ueberexposition, Unterexposition. Besonderheiten
der Röntgennegative. Vorsichtsmaßregeln beim Ent-
wickeln, Films, Doppelfilms. Die einzelnen Entwickler.
Eisenoxalat. Organische Entwickler, Pyrogallol, Hydro-
chinon, Metol, Rodinal, Glycin. Standentwicklung,
Inhaltsverzeichnis. IX
Seile
Schaukelapparate. Gleichzeitiges Entwickeln und Fixieren.
Fixieren der Platten. Wässern. Härten. Trocknen.
Abputzen. Verstärken. Abschwächen. Lackieren. Re-
touchieren. Signieren und Aufbewahren der Negative.
Positivverfahren 135
Auskopierverfahren , ChlorsiLberkopicen. Wässern,
Tonen, Fixieren, Tonfixierbad. Zurechtschneiden, Auf-
kleben, Satinieren. Kopierverfahren mit Entwicklung.
Diapositive. Pausen.
4. Die Einrichtung' der Röntgenstation . . . . . 143
Aufnahmezimmer 143
Lage der Station, Dunkelkammer, Zimmer zur Fertig-
stellung der Bilder. Apparate für die Aufnahmen, Tische,
Stative, besondere Apparate, um gleichmäßige Aufnahmen zu
sichern, Schrauben, Winkel, Fußklotz, Metallzahlen, ana-
tomische Werke, Skelett. Bleiblenden und Platten. Schutz
gegen die X-Strahlen. Buchführung über die Aufnahmen.
Einrichtung der Dunkelkammer 161
Die rote Laterne« Seite für trockene Arbeiten,
Bleibekleidung der Wand, Kassetten, Plattentaschen.
Seite für nasse Arbeiten, Wasserleitung, Wanne zum
Entwickeln, zum Wässern. Flache Schalen, Kuvetten
zur Standentwicklung, Plattenböcke, Waage, Mensuren,
Gaskocher, Diamant.
Zimmer zur Fertigstellung der Bilder .... 173
Beschneiden, Satinieren, Aufbewahrung der Platten.
5. Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen . . 175
Verwendung zu diagnostischen und therapeutischen
Zwecken. Anwendung auf Mineralien, Planzen, den tierischen
und menschlichen Körper. Art der Untersuchung, Schwierig-
keiten bei der Deutung der erhaltenen Schattenbilder. Ueber-
lagerung der durch zentrale Projektion entstehenden Bilder.
Entfernung der leuchtenden Röhre. Erkennung minimaler
Abweichungen von der Norm. Gleichzeitige Aufnahme der
gesunden Seite. Schema für Aufnahmen der gewöhnlichen
Fälle. Größe und Qualität der photographischen Platten,
Films, Expositionszeit. Aufnahme in zwei auf einander senk-
rechten Richtungen. Besondere Maßnahmen für den Kopf,
Hals, Brustkorb, Bauch. Becken (Steine), Oberarm, Ellenbogen-
und Handgelenk, genaue äußere Untersuchung, Finger, Hüft-
gelenk, Oberschenkel (Reitknochen), Kniegelenk (Sesambein),
Fußgelenk, Füße. Besondere Methode für seitliche Auf-
nahmen. Fußgeschwulst, Brüche der Mittelfußknochen, Breit-
haupt, Weissbach, Pauzat, Poulet, Martin, Ritters-
hausen, Stechow, Schulte, Kirchner, Busquet,
Boisson und Chapotot, Nimier, Thiele, Muskat,
Meiser, Thalwitzer, BJechcr, Schmitz, Schipmann.
X Inhaltsverzeichnis.
Seite
Befunde bei Röntgenaufnahmen, Behandlung ohne Röntgen-
untersuchung. Os mtermedium cruris.
Bestimmung der Lage von Fremdkörpern. Punktograph.
Verfahren von Mackenzie, Schür may er. Stereoskopische
Aufnahmen Lambertz, Hildebrand, Chabaud, Walter.
Stereoskopische Betrachtung, Apparat der Allgem. Elektr.-
Gesellschaft, von Reiniger, Gebbert & Schall. Ge-
winnung scharfer Bilder von den Organen des Brustkorbes.
Senkrechte Projektion mit einem Normalstrahlcnbündel,
Apparat von Beim, Orthodiagraph von Moritz, Guille-
minot, Siemens & Halske, Hirschmann, der Allge-
meinen Elektrizitäts-Gesellschaft. Sichtbarmachung
einer Einschnittswunde durch eingelegte Bleiplatte.
Beurteilung vorgefundener Veränderungen . . 241
Schädiguflgen durch Röntgenstrahlen . . . . 244
Therapeutische Verwendung 247
6. Transportable Röntgeneinrichtungen 250
Verwendung im Frieden. Apparate für Kriegszwecke,
Ort ihrer Verwendung- und Mitführuno;.
1. Geschichte.
Völlig unvermutet wurde im Herbst 1895 von Wilhelm
Kein- ad Röntgen, Professor der Physik in Würz bürg, eine
neue Art von Strahlen aufgefunden, welche mit wunderbaren
Eigenschaften begabt, ihrer Natur nach aber zunächst voll-
kommen rätselhaft waren.. Aus letzterem Grunde gab ihnen
der Entdecker vorläufig den Namen X-Strahlen. Die über-
raschte und infolge der bald sich herausstellenden hervor-
ragenden praktischen Verwertbarkeit ausnahmsweise dankbare
Mitwelt nannte sie jedoch alsbald Röntgenstrahlen. Wrar
diese Entdeckung auch keineswegs das Resultat planmäßiger
vorausschauender Untersuchungen, so baute sie sich doch auf
einer Reihe von Tatsachen auf, welche notwendiger Weise
vorher bekannt sein mußten, bevor diese neue Strahlenart
in die Erscheinung treten konnte. Es erscheint unerläßlich,
den Weg zu betrachten, welcher vorher zurückzulegen war,
ehe die Menschheit in den Besitz dieser ihren Aktionsradius
mit einem Schlage zauberhaft erweiternden Strahlen gelangen
konnte.
Michael Faraday1), der Schmiedsohn, den sein Genie
vom einfachen Buch bin clergehülfen zum größten Elektriker
des 19. Jahrhunderts führte, hatte 1831 die Erscheinungen
und Gesetze der Induktion aufgefunden. Aus diesen Ent-
deckungen waren im Laufe der nächsten Jahrzehnte die heute
allbekannten Induktionsapparate hervorgegangen, von denen
die kleineren zu medizinischen Zwecken gebraucht wurden,
1) Michael Faradays Leben u. Wirken von Silvanus P.Thomp-
son, übersetzt von Agathe Schütte und Heinrich Dannehl.
Halle a/S. 1900.
Stechow, Das Rönteen-Verfaliren. 1
2 Geschichte.
während die größeren mächtigen Apparate, wie .sie zuersi
Rühmkorff1) in Paris, später Stöhrer-Dresden in ver-
besserter Form lieferte, nur in physikalischen Laboratorien
und etwa noch in Schaustellungen Verwendung fänden. Noch
heute sind derartige Apparate gebrauchsfähig, und auch die
X-Strahlen sind von Röntgen mit Hülfe eines Original-
RühmkorfT entdeckt.
Der Induktionsappat besteht bekanntlich dem Prinzip
nach nur aus zwei in einander gesteckten Rollen von iso-
liertem Kupferdraht mit einem Kern von weichem Eisen. In
die innere dickere und kürzere wird unterbrochener Gleich-
strom hineingeschickt, welcher im Augenblick des Entstehens
'-
und Verschwindens in dem äußeren dünneren und längeren
Draht einen kurz dauernden Strom auftreten läßt. Letzterer
ist von sehr viel geringerer Stärke, aber unvergleichlich höherer
Spannung und bringt gerade vermöge der letzteren besondere
Entladungserscheinungen hervor. Zum Induktor gehört dann
noch ein Unterbrecher, welcher zumeist auf mechanische Weise
das Oeffnen und Schließen des primären Stromes besorgt und
ein Kondensator, eine Art Leydener Flasche, aus zahlreichen
Lagen Stanniol und isolierendem Papier zusammengesetzt und
.gewöhnlich im Fuß des die Drahtrollen tragenden Gestelles
untergebracht. Durch den Kondensator, dessen beide Bele-
gungen die Unterbrechungsstelle des primären Stromes um-
fassen, wird die Wirkung des ganzen Apparates bedeutend
gesteigert. Es mag an dieser Stelle genügen, festzuhalten,
daß die freien Enden der sekundären Spule die beiden Pole
einer elektrischen Kraftquelle darstellen, von denen ein im
wesentlichen nach einer Richtung verlaufender Strom abge-
nommen und in seinen AVirkungen unter verschiedenen äußeren
Bedingungen untersucht werden kann. Die einzelnen Teile
-des Induktors sollen später genauer besprochen werden. Hier
handelt es sich nur darum, festzustellen, welche Wirkungen
des sekundären Stromes vor Röntgen bekannt waren.
Man kann die Erscheinungen einteilen in solche, welche
bei gewöhnlichem Luftdruck und solche, welche im gasver-
•dünnten Raum auftreten.
Infolge der hohen Spannung, unter welcher die Elektri-
1) Heinrich Daniel Rühmkorff, ein deutscher Erfinder.
Ein Lebensbild zu seinem 100. Geburtstage von Emil Kosack, Diplom.
Ingenieur. Hahn'sche Buchhandlung, Hannover 1903.
Geschichte. 3
zität im sekundären Stromkreis erzeugt ist, vermag der aus-
gleichende Funke viel größere Widerstände zu überwinden
als der schwach gespannte primäre Strom. Das auffallendste
ist daher zunächst die große Schlagweite in gewöhnlicher
Luft, welche besonders hervortritt, wenn der positive Pol
eine Spitze, der negative eine Platte bildet. Der im Zickzack
herumwandernde Entladungsfunke in Verbindung mit dem
knatternden Geräusch erinnert durchaus an die Erscheinung
•des Blitzes, und diese Darstellung eines Gewitters im Kleinen
war lange Zeit die einzige Verwendung der großen Funken-
induktoren. Für die kleineren fanden sich allmählich mehrere
wichtige Anwendungsgebiete, so zur Beobachtung der Spectra,
welche bei Benutzung verschiedener Metalle als Elektroden
entstehen, zur gleichzeitigen Zündung beliebig vieler Minen1),
seit Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts zur
Entzündung des Gasgemisches in der Lenoir 'sehen Gas-
maschine und schließlich zu physiologischen und therapeu-
tischen Zwecken. Daß sie gegenwärtig zur Entzündung des
Gasgemisches in den Automobilfahrzeugen in ausgedehntem
Gebrauch sind, ist ebenfalls bekannt.
Der in gewöhnliche J.,uft übergehende Funke besteht
deutlich aus einem hellen Lichtstreifen in der Mitte, welcher
nach Beobachtungen Inssajous im rotierenden Spiegel nur
von momentaner Dauer ist und durch einen gegen den Funken
gerichteten kräftigen Luftstrom nicht beeinflußt wird. Er ist
umgeben von einer weniger hell leuchtenden, aber länger
dauernden Aureole, welche durch den Luftstrom zur Seite
geblasen werden kann. Lichtstreif und Aureole sind auch
trennbar durch die Einwirkung eines kräftigen Magneten,
zwischen dessen Polen die Entladung vor sich geht. Die
Aureole wird dabei zu einer halbkreisförmigen Scheibe zu-
sammengedrückt, welche sich stets so einstellt, daß ihre
Stromrichtung die gleiche ist, wie diejenige der Molekular-
st röme in den Magnetpolen.
1) Die erste Minenentzündung nach Rühmkorff scher Methode
fand 1853 durch den Genieoberstleutnant Verdu statt. S. Zickler,
Die elektrische Minenzündung. 1888. S. 64. J. J. 1854 wurde hiervon
in grossartigster Weise von du Moncel beim Bau des Hafens von Cher-
bourg Gebrauch gemacht, indem durch Explodieren sehr grosser Minen,
deren jede 4000 Kg Pulver enthielt, Felsboden von etwa 300000 cbm
Gesamtmasse abgetrennt wurde.
4 Geschichte.
Ueber die Form der Entladung in gewöhnlicher Luft iiat
I). Walter1) genaue photographische Aufnahmen an einem
Funken von 8 cm Länge gemacht. Danach stellt sich zuerst
eine mehrfach sich wiederholende und sich immer weiter vor-
schiebende Büschelentladimg am positiven Pol ein, welcher
vom negativen Pol her jedesmal eine schwächere Büschelung
entgegen kommt. Die Form der Büschelung ist bei jedem
»Stoß fast dieselbe und die Hauptentladimg folgt genau dem
dadurch vorgezeichneten Wege. An dem ganzen Funken
ließen sich fünf steigende Entladungen nachweisen, deren
Dauer etwa 9-10-4 Sekunden betrug.
Eine Fülle neuer und überraschender Erscheinungen tritt
ein, wenn der Induktionsfunke durch den gas verdünnten Raum
übergeht2). Vor allem fällt auf, daß der Widerstand der
Gase mit zunehmender Verdünnung sinkt und daß daher die
Pole der Funkenstrecke erheblich weiter auseinanderrücken
können. Dabei nimmt das knatternde Geräusch allmählich
ab, vom positiven Pol her erstreckt sich ein purpurroter
deutlich quergeschichteter Lichtschein bis nahe an den nega-
tiven Pol, der von tiefblauem Licht umhüllt ist. Zwischen
beiden Lichtarten in der Nähe des negativen Poles erscheint
stets ein vollkommen dunkler Zwischenraum. Obwohl das
vom positiven Pol ausgehende Licht scheinbar kontinuierlich
ist, geht die Entladung dennoch stoßweise, wenn auch sehr
rasch hintereinander, vor sich. Dies hat Poggendorf durch
folgenden Versuch am deutlichsten nachgewiesen. Eine Papp-
scheibe wird in drei konzentrischen Kreisen mit schwarzen
Flecken beklebt. In regelmäßigem Abstand erhält der innere
Kreis 8. der mittlere 9, der äußere 10 derselben. Wird
nun die Scheibe im Licht der vorher erwähnten Entladung
in allmählich steigende Drehung versetzt, so wird bald eine
Geschwindigkeit erreicht, bei welcher die Flecke des mittleren
Kreises stillzustehen, die des inneren rückwärts, die des äuße-
ren vorwärts zu laufen scheinen. Die sekundäre Entladung
tritt nur jedesmal bei Unterbrechung des primären Stromes
auf. Das scheinbare Stillstehen des Kreises mit 9 Flecken
1) Wiederaanns Annalen 18?8 Bd. 66 S. 636 und 1899 Bd. 68
S. 776.
2) Diese Verhältnisse sind zuerst 1854 von Gassiot in Frank-
reich und ausführlicher 1858 von Plücker in Bonn untersucht worden.
Geschichte. 5
erfolgt offenbar dann, wenn die Scheibe sich in der Zwischen-
zeit genau um 36% d. i. 40° gedreht hat.
Die weiteren Erscheinungen der Funkenentladung im
gasverdünnten Räume werden am besten in Glasröhren mit
eingeschmolzenen Platinpolen beobachtet, wie sie zuerst
mustergültig von dem mit Flacker arbeitenden Glasbläser
Geißler in Bonn hergestellt wurden. Diesen Geißler 'sehen
Röhren kann wie bekannt die allermannigfachste Gestalt in
bezug auf Länge und Weite und der verschiedenste Inhalt
gegeben werden. Es zeigt sich dann, daß die Qualität des
von dem positiven Pol ausgehenden Lichtes abhängt von der
Natur des Gases, welches den Innenraum in verdünntem Zu-
stande erfüllt, ferner von der verschiedenen AVeite des Ge-
fäßes und endlich von der Spannung des durchgehenden
Stromes. Allen diesen Erscheinungen ist aber eines gemein-
sam, nämlich die Tatsache, daß der vom positiven Pol aus
gehende Lichtschein allen Krümmungen und Windungen der
ihm angewiesenen Bahn getreulich folgt. Hierdurch ist es
möglich, mit solchen Geißler'schen Röhren lange Namens-
züge, leuchtende Kronen für Ballettänzerinnen, phantastische
rotierende Räder und ähnliche namentlich Laien erfreuende
Farbeneffekte zu stände zu bringen. Im Laboratorium finden
solche sorgfältig gearbeiteten Röhren Verwendung, um die
Spektren der verschiedenen Gase zu untersuchen.
Daß bei länger dauernder Durchleitung des Stromes die
negative Elektrode korrodiert wird, wurde bald erkannt,
ebenso, daß Aluminium hiergegen verhältnismäßig am un-
empfindlichsten ist.
Eine weitere Eigenschaft der Funkenentladung wurde
schon bei den Geißler'schen Röhren verwendet, nämlich die
Fähigkeit, in einer großen Reihe bestrahlter Körper Fluores-
zenz zu erzeugen. Dies ist die Eigenschaft unter dem Ein-
fluß auffallenden Lichtes in einem besonderen, nach der Natur
des Körpers verschiedenen Licht zu leuchten.
Eine große Reihe von Körpern teils fest teils in Flüssig-
keiten gelöst, zeigen diese Erscheinung. Edelsteine, in dieser
Weise bestrahlt, senden herrliche Farben aus. Uranglas er-
strahlt hellgrün, wovon oft bei Geißler'schen Röhren Ge-
brauch gemacht wird. Verschiedene Pflanzenextrakte, Aes-
culus, Chlorophyll, Chinin sulfur. etc. schillern in besonderem
Schein. Bei Morin aus Cubaholz ist in Verbindung mit
Tonerde die Empfindlichkeit so groß, daß, wie Goppels-
(i Geschichte.
rüd er gefunden hat, bei einem Gehalt von 1/600 mg Tonerde
in 1 cbm Wasser auf Zusatz von Morinlösung noch deutlich
grüne Fluoreszenz auftritt.
Das Gemeinsame in der großen Mannigfaltigkeit dvv
hierher gehörigen Erscheinungen ist nach Stokes allerdings
nicht unbestritten gebliebener Regel, daß das auffallende
Licht in Strahlen größerer Wellenlänge verändert wird. Von
größter Wichtigkeit ist das Verhalten der Doppelsalze Kaliuni-
platincyanür und Bariumplatincyanür. Papiere, auf welche diese
Salze in dünner Lage befestigt sind, fluoreszieren verhältnis-
mäßig stark, das erstere bläulich, dass letztere in gelblich-
grünem, also für unser Auge besonders wirksamen Licht.
Dabei ist es ganz gleichgültig, ob die erregenden Strahlen
schon an sich sichtbar sind oder außerhalb der Grenze
unseres Sehvermögens liegen. Diese Salze haben also die
höchst wertvolle Eigenschaft, auch unsichtbare Strahlen in
eine für unser Auge lesbare Wellenlänge zu übersetzen und
sind daher schon lange in den Laboratorien zum Nachweis
der ultravioletten Teile des Spektrums und anderer Strahlen-
arten in Gebrauch.
In den bisher betrachteten Geißler 'sehen Röhren war
die Verdünnung bis auf etwa 2 mm Hg-Druck, d. h. also auf
ungefähr V300 des gewöhnlichen Atmosphärendruckes getrieben,
was schon nur durch ziemlich zeitraubende Manipulationen
mit der Quecksilberluftpumpe zu erreichen ist. Eine Reihe
neuer Erscheinungen wurde bekannt, als man die Verdünnung
der in den Röhren eingeschlossenen Gase noch weiter auf
Viooooo bis Vioooooo trieb. Dies geschah zuerst 1869 von
Hittorf1), später in umfassenderer Weise von Crookes.
Durch diese' Untersuchungen wurde mit einem Male der bisher
kaum beachtete negative Pol als der Sitz bemerkenswerter
Kraftäußerungen erkannt.
Bleibt die Röhre in Verbindung mit der stetig arbeitenden
Luftpumpe und werden von Zeit zu Zeit Entladungen hindurch-
geschickt, so sieht man, daß der rötliche Lichtschein sich
bei sinkendem Druck immer mehr auf den positiven Pol
zurückzieht und das bläuliche Glimmlicht in der Nähe des
negativen Poles immer weiter vorrückt. Diese von der Ka-
thode ausgehenden Strahlen haben aber mehrere merkwürdige
und unerwartete Eigenschaften. Zunächst gehen sie stets grad-
linig fort, während der positive Lichtschein allen Krümmungen
x) Poggendorffs Annalen Bd. 136 S. 1 und 197.
Geschichte. i
folgte. Sie versetzen die getroffene Glasstelle in lebhafte
Fluoreszenz und erhitzen sie bald so, daß das Glas schmilzt
und eingedrückt wird. Von Crookes rührt der schöne Ver-
such her, in den Gang der Kathodenstrahlen ein Metallkreuz
zu bringen, von dem alsdann auf der gegenüberliegenden
Wand der Glasbirne ein Schattenbild sich abzeichnet. Wird
nunmehr das in einem Scharnier bewegliche Kreuz umge-
worfen, so erscheint der vorige Schatten heller als der um-
gebende Grund. Das geschützt gewesene Glas ist anscheinend
ausgeruht und ähnlich der Retina des Auges an diesen Stellen
jetzt für kurze Zeit lebhafterer Reaktion fällig. Leichte
Körper, wie ein auf Glasschienen laufendes Rädchen mit
Glimmerschaufeln vermögen die Kathodenstrahlen in Bewegung*
zu setzen und nach dem positiven Pol hinzutreiben. Infolge
ihrer unter allen Umständen geradlinigen Richtimg können
sie von Kathoden, welche die Gestalt eines Hohlspiegels
haben, konzentriert und auf einen Punkt im Inneren der
Birne zu • vereinigter Wirkung gebracht werden. Schon
Crookes zeigte, daß ein im Brennpunkt angebrachtes Platin-
blech bei hinreichender Stromstärke bis zur Weißglut erhitzt
werden kann. Er stellte ferner fest, daß, während der posi-
tive Lichtschein in weniger evakuierten Röhren sich der Ein-
wirkung eines Magneten gegenüber verhält wie die Aureole
in gewöhnlicher Luft, die Kathodenstrahlen in eigentümlicher
Weise abgelenkt werden.
Die Erklärung für diese merkwürdigen Erscheinungen
entnahm Crookes der kinetischen Gastheorie. Danach be-
finden sich die Moleküle eines Gases dauernd in äußerst
raschen gradlinigen Bewegungen, deren Richtung nur geän-
dert wird durch Anprallen an andere Moleküle und die ein-
schließende Gefäßwand. An letzterer kommt die Summe
alier darauf treffenden Stöße als Druck zum Vorschein.
Wird nun in einem gegebenen Raum das Gas dauernd ver-
dünnt, die Zahl der Moleküle also vermindert, so wird auch
die Zahl der Zusammenstöße der Moleküle unter einander
geringer werden und es läßt sich theoretisch eine Verdün-
nung denken, bei welcher derartige Zusammenstöße nicht
mehr stattfinden und die Moleküle gradlinig von einer Gefäß-
wand zur andern ihre Bahn verfolgen können. Dann ist die
Materie unter ganz andern Bedingungen und zu ganz andern
Leistungen befähigt. Diesen Zustand glaubte Crookes in
seinen evakuirten Röhren erreicht zu haben und bezeichnete
8 Geschichte.
ihn als vierten Aggregatzustand oder nach einer Ausdrucks-
weise Faraday's als strahlende Materie. Findet durch so ver-
dünnte Materie eine elektrische Funkenentladung statt, so sollten
die Moleküle von der Kathode mit großer Gewalt fortgeschleudert
werden und in gradlinigen Bahnen verlaufend die beobachteten
Wirkungen ausüben. Diese Hypothese fand eine Stütze in
der Tatsache, daß bei längerer Funkenentladiing die Kathode
korrodiert und ihre Substanz als verschieden gefärbter Nieder-
schlag auf der gegenüberliegenden Wand abgelagert wird.
Andere Forscher1) neigen zu der Ansicht, daß in den
Kathodenstrahlen elekrische Longitudinalstrahlen vorliegen,
welche bei 5 mm Quecksilberdruck eine Fortpflanzungsge-
schwindigkeit gleich 2/300 und bei 1,2 mm Druck eine solche
von V300 Lichtgeschwindigkeit besitzen.
Daß unter gewissen Bedingungen innerhalb eines sehr
verdünnten Gases besondere Strahlen, Kathodenstrahlen, ent-
stehen und hier auch Wirkungen äußern können, war somit,
erkannt. Allein nach außen hin war ihr Gebiet begrenzt
durch die Glaswand, welche sie nicht zu durchdringen ver-
mochten. Hertz, welcher die Zusammengehörigkeit von
Licht und elektrischen Wellen auffand, zeigte, daß die Ka-
thodenstrahien auch durch äußerst dünne Schichten von
Aluminium hindurchgehen und seinem Schüler Lenard2)
gelang es, indem er in die Glaswand ein kleines Stück
Aluminiumfolie einsetzte, nachzuweisen, daß Kathodenstrahlen
hindurchtreten und auch außerhalb in gewöhnlicher Luft
wirksam sein können. Er fand, daß sie sich von dem Alu-
miniumfenster aus nach allen Richtungen gradlinig fortsetzen,
die Haut und das Auge nicht affizieren, dagegen die photo-
graphische Platte schwärzen, dünne Metallfolien durchdringen,
aber von einer vollkommen durchsichtigen Quarzplatte auf-
gehalten werden. Sie dringen in das Innere metallisch ab-
geschlossener Räume, entladen positiv oder negativ elektrisch
geladene Körper und durchsetzen mit größter Leichtigkeit
einen völlig luftleeren Raum, in welchem sie nicht entstehen
können. Die verschiedenen Gase verhalten sich wie trübe
Medien gegenüber den Lichtstrahlen, sie absorbieren die Ka-
thodenstrahlen entsprechend ihrer Dichte, bei höheren Ver-
dünnungen verschwinden jedoch diese Verschiedenheiten der
1) G. Jaumann, Wiedemanns Annalen 1899 Bd. 67 S. 741.
2) Wiedemanns Annalen 1894 Bd. 51 S. 225.
Geschichte. 9
verschiedenen Gase. Es gibt mehrere Arten von Ka-
thodenstrahlen; bei geringer Verdünnung erzengte verbreiten
sich diffuser als in höherer Verdünnung entstandene. Bei den
uns bekannten Lichtstrahlen findet sich das Analogon, daß
kurzwelliges Licht in optisch trüben Medien mehr zerstreut
wird als langwelliges.
Alle diese Beobachtungen ergaben sehr viel Aelmlich-
keiten, aber auch eine ganze Reihe von den gewöhnlichen Licht-
strahlen abweichender Eigenschaften. Lenarcl schloß daher,
daß die Kathodenstrahlen auf außerordentlich feinen Vor-
gängen im Aether beruhen müßten, bei welchen schon jedes
einzelne Molekül als gesondertes Hindernis auftritt. Die Gas-
moleküle trüben den Aether und hierbei kommt keine andere
Eigenschaft von ihnen in Betracht als ihre Masse. Lenard
faßt die Erscheinungen der Kathodenstrahlen also streng als
Wellenphänomene im Aether auf. Später wies Lenard1) nach,
daß Kathodenstrahlen auch im luftleeren Raum entstehen,
wenn ultraviolette Strahlen auf eine darin befindliche Aln-
miniumelektrode fallen.
Sehr eingehende Untersuchungen über die Kathoden-
strahlen verdanken wir Goldstein2). Er fand, daß das von
der Kathode nach der Anode ausstrahlende Licht drei
Schichtungen zeigt, welche in verdünnter Luft chamoisgelb.
bläulich (gewöhnlich dunkler Raum, dark space, genannt) und
rein blau erscheinen. Die erste und zweite Schicht bestehen
aus gradlinigen Strahlen, wolche die dritte Schicht durch-
dringen. Die erste Schicht ist sehr wenig entwickelt, die
zweite weiter reichend, beide gehen nicht um Ecken des
Glases herum. Die Eigenschaft Phosphoreszenz des Glases
und starke Erwärmung zu erregen kommt nur den Strahlen
der zweiten Schicht zu. In ihr werfen dem Strahlen gang
entgegenstehende Körper Schatten. Die Strahlen der dritten
Schicht entstehen an den Strahlen der zweiten Schicht und
breiten sich nach allen Richtungen gleichmäßig aus. Sie
erfüllen den gesamten Raum der Vakuumröhre. Körper
werfen in ihnen keinen Schatten, sobald in den hinter ihnen
1) Annalen der Physik, 4. Folge. 1900 Bd. 2 S. 359.
2) Sitzungsberichte der-Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften.
1886 S. 691, 1892 S. 827, 1897 S. 905.
Wiedemanns Annalen. 1894 Bd. 51 S. 622, Ebenda 1899
Bd. 67 S. 84.
10 Geschichte.
liegenden Raum nach von anderen Punkten der zweiten
Schicht Strahlen dritter Ordnung gelangen können. Werden
Metallfolien in den Gang der Strahlen der zweiten Schicht
gebracht, so dringen diese um eine gewisse Tiefe ein und
erregen hier eine diffuse Strahlung, von welcher gewöhnlich
nur der nach rückwärts reflektierte Teil zur Wahrnehmung
kommt. Ist die Dicke der Wand kleiner als diese Ein-
dringungstiefe, so gelangen Strahlen hindurch. Das sind die
Lenard' sehen Strahlen. Von der Rückseite einer mit
Löchern versehenen Kathode gehen gelbe Strahlen aus, weiche
Goldstein .Kanalstrahlen nannte. Sie scheinen identisch zu
sein mit der gelben ersten Schicht an der Vorderseite. Ihr
Verlauf ist stets so, als ob sie die rückwärtige Verlängerung
eines blauen Strahls der zweiten Schicht wären. Sie erregen
nur in sehr geringem Grade Fluoreszenz, verstäuben das
Metall der Kathode nicht und sind durch einen Magneten zu
beeinflussen. Feste Körper werfen in ihnen Schatten wie
in den bläulichen Kathodenstrahlen der zweiten Schicht,
WehneJ t1) fand, daß die der Kathode anliegende erste
Schicht und die Kanalstrahlen identisch sind und den End-
weg der positiven Bewegung darstellen. Diese positive
Strahlung ist stets normal zur Kathode gerichtet, wirft von
Körpern, welche innerhalb des dunkeln Kathodenraumes auf-
gestellt werden, Schatten auf die Kathode und wirkt oxy-
dierend, während die Kathodenstrahlen, wie Villard gezeigt
hat, reduzieren.
Wehnelt2) wües ferner nach, daß bei steigender Eva-
kuierung der Röhren der Konvergenzpunkt der Kathodenstrahlen
von der Kathode weiter abrückt, daß hier eine völlige Durch-
kreuzung der Strahlen stattfindet und daß neben diesen
langst bekannten Kathodenstrahlen noch andere existieren,
welche nahezu parallel derRohraxe unabhängig von der Lage der
Kathode verlaufen. Ihre Leuchtkraft ist viel geringer, die
von ihnen entworfenen Schattenbilder stets aufrecht, während
bei den Strahlen erster Ordnung sich die Lage des Schattens
nach der Stellung des Körpers und des auffangenden Schirmes
zu dem Schnittpunkt der Strahlen ändert.
Er fand ferner3), daß der dunkle Raum von der
1) Wiedcmanns Annalen 1899 Bd. 67 S. 421.
2) Wiedcmanns Annalen 1899 Bd. 68 S. 584.
3) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 65 S. 511.
Geschichte. 11
Kathode sich vollkommen wie ein Dialektrikum, etwa wie
Paraffinöl verhält, daß er den Entladungen des positiven
Poles ein plötzliches Hindernis entgegensetzt und daß daher
die Entladungen einen disruptiven Charakter annehmen.
E. Wiedemann1) bestätigte die starke Erhöhung des
Entiadungs potenti ales beim Eintritt der Anode in den dunkeln
Kathodenraum. Er fand, daß die Vereinigung der positiven
und negativen Elektrizität in den Glimmlichtstrahlen statt-
findet und daß der Strom von der positiven Elektrode durch
die positive Lichtsäule, das Glimmlicht und alsdann erst
durch den dunkeln Kathodenraum geht.
Entstehen an derselben Kathode nebeneinander parallel
verlaufende Kathodenstrahlen, so kommen Deflexionen zu
stände, wie von E. Wiedemann2) gefunden wurde.
Nach Untersuchungen von A. Kaufmann8) ist die Ab-
lenkbarkeit der Kathodenstrahlen durch den Magneten allein
bedingt durch die Potentialdifferenz zwischen Anode und
Kathode und unabhängig von dem Gasdruck, der Natur der
Gasfüllung und dem Elektrodenmaterial. Zu einer bestimmten
Potentialdifferenz gehört eine bestimmte Ablenkbarkeit und
zwar ist diese umgekehrt proportional der vorhandenen Po-
tentialdifferenz. Auch durch elektrische Schwingungen sind
die Kathodenstrahlen ablenkbar4).
Auf die Salze der Alkalimetalle5) üben die Kathoden-
strahlen eine merkwürdige Wirkimg aus, indem gefärbte
Modifikationen entstehen, in denen Subchloride u. s. w. ver-
mutet werden.
Goldstein6) hat auch hierüber genaue Untersuchungen
angestellt und gefunden, daß außer den Alkalisalzen sehr
viele andere Körper ebenfalls Nachfarben zeigen, wenn sie
vor oder während der Bestrahlung erwärmt werden, ferner,
1) Wiedemanns Annalen J897 Bd. 63 S. 242.
2) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 63 S. 246.
3) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 61 S. 544.
4) Ebert, Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 64 S. 240. Vergl.
auch Jaumann, Ebenda S. 262.
5) Wiedemann u. Schmidt in Wiedemanns Annalen 1898
Bd. 64 S. 78.
6) Tätigkeitsbericht der Physikalisch-technischen Reichsanstalt
1895 u. 1896, Sitzungsberichte der Königlich Preuss. Akademie der
Wissenschaft zu Berlin 1901 S. 227.
12 Geschichte.
daß es zwei Klassen von Nachfärben gibt, die sich durch
die Entstellung und ihre Dauerhaftigkeit gegenübe]' gewöhn-
lichem Licht unterscheiden. Er hält es für möglich, daß
hierbei nicht die Bildung von Subhaloiden im Spiele ist,
sondern die Bildung von ätiotropen Modifikationen des betr.
Salzes. Die Nachfarben werden auch durch die Entladungs-
funken der Leydener Flasche erzeugt. Bezüglich der Natur
der Einwirkung neigt Goldstein zu der Auffassung, daß
die Kathodenstrahlen vielleicht nur dadurch wirken, daß sie
bei jedem Anprall an feste Substanzen ultraviolettes, also
chemisch wirksames Licht erzeugen.
Die Kathodenstrahlen erteilen Körpern, auf welche sie
fallen, negative Ladung1). Lenard2) fand später, daß sie
in jeder Hinsicht sich verhalten wie bewegte, negative La-
dung führende Massen. Sie führen dieselbe auch in einen
auf das äußerste evakuierten Raum und durch feste Die-
lektrika hindurch. Ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist
von Des Coudres3) aut über 200 Kilom. in der Sekunde
gefunden worden.
Mit Röhren, welche derartige Kathodenstrahlen ergeben,
experimentierte Röntgen im Herbst 1895 und machte hier-
bei eine ebenso überraschende, wie ungeahnte Entdeckung.
Sein erster Bericht hierüber4) rief ungeheures Erstaunen so-
wohl in der physikalischen wie in der medizinischen Welt
hervor, denn man begriff sofort, daß man es mit einem neuen
Agens zu tun hatte, von dessen weiterer Vervollkommnung
und Nutzbarmachung die schönsten Erfolge in der Medizin
zu erhoffen waren.
Gleich in seiner ersten Veröffentlichung hat Röntgen
die Eigenschaften der neuen Strahlenart derart umfassend
festgelegt, daß wesentlich Neues später nicht hinzugekommen
ist. Als die hauptsächlichsten Eigentümlichkeiten bezeichnete
er folgende:
1. Die Strahlen sind für das Auge nicht wahrnehmbar.
2. Sie durchdringen geradlinig feste Körper, welche für
1) Perrin, Comptes rendus 1895 Bd. 121 S. 1130.
2) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 64 S. 279.
3) Verhandlungen der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin 1895
Bd. 14 S. 85.
4) Sitzungsberichte der "Würzburger Physikalisch-medizinischen
Gesellschaft, Dezember 1895.
Geschichte. 13
Lichtstrahlen undurchgängig sind, wobei außer der
Dichte noch andere Momente wirksam sein müssen.
Schwarzer Karton, ein Buch von 1000 Seiten, Holz
und Hartgummi von mehreren Zentimetern Dicke,
Metalle in dünnen Folien, endlich die Weichteile der
Hand zeigen sich durchlässig, deutlich heben sich
im Schattenbild die dunkleren Knochen davon ab.
3. Sie bringen in zahlreichen Körpern Fluoreszenz her-
vor und beeinflussen die photographische Platte, wo-
bei es zunächst fraglich bleibt, ob diese Wirkung
direkt erfolgt oder indirekt durch "Erregung von
Fluoreszenz im Glas oder in der Gelatineschicht.
4. Brechung oder Reflexion ist nicht nachweisbar. Es
können daher mit den X-Strahlen nicht Bilder,
wie mit Linsen in der Kamera, sondern nur Schatten-
bilder aufgenommen werden. Pulver sind ebenso
durchlässig wie kohärente Körper, es ist gleichgültig
ob die Oberfläche der Körper rauh oder poliert ist.
5. Von Kathodenstrahlen unterscheiden sie sich dadurch,
daß sie in weit geringerem Grade von Luft absor-
biert und daß sie durch den Magneten nicht abge-
lenkt werden.
6. Sie entstehen an der Stelle, wo die Kathodenstrahlen
die Glaswand treffen, jedoch auch an Aluminium
und anderen Metallen.
In einer zweiten Mitteilung1) fügte Röntgen noch einige
Punkte hinzu, welche sich dahin zusammen fassen lassen:
7. Die X-Strahlen entladen positiv oder negativ elek-
trisch geladene Körper und zwar dann, wenn be-
strahlte Luft an ihnen vorbeistreicht. Eine Ent-
ladung findet ebenso statt, wenn die geladenen Körper
sich in trockenem Wasserstoff befinden. In stark
evakuierten Räumen geht die Entladung sehr viel
langsamer vor sich. Die bestrahlte Luft verliert
ihre entladende Eigenschaft durch Berührung mit
einem Körper von großer Oberfläche z. B. beim
Durchstreichen durch Watte oder zahlreiche feine
Drahtgitter.
8. Manchmal ist Einschaltung eines Tesla' sehen Appa-
1) Sitzungsberichte der Würzburger Physikalisch-medizinischen
Gesellschaft, 9. Mär? 1896.
14 Geschichte.
rates (Condensator und Transformator) zur Erzielung
kräftiger X-Strahlen vorteilhaft.
9. Läßt man Kathoden-Strahlen auf die vordere Seite
einer zur Hälfte aus Platin zur anderen Hälfte aus
Aluminium bestehenden Platte fallen, so ergibt die
Aufnahme mit der Lochkamera, daß von der Vorder-
seite des Platins sehr viel mehr X-Strahlen aus-
gehen, als von dem benachbarten Aluminium. Auf
der Rückseite dagegen sendet das Platin fast gar
keine, das Aluminium verhältnismäßig viel X-Strahlen
aus. Letztere müssen daher an der Vorderseite ent-
standen und durch das Aluminium in großer Menge
hindurchgegangen sein.
In einer dritten Veröffentlichung vom März 1897 teilt
Röntgen1) mit, daß Luft, während sie mit X-Strahlen be-
strahlt wird, nach allen Seiten ähnliche Strahlen aussendet,
wodurch Beugungserscheinungen vorgetäuscht werden können.
Die an einer Platinplatte entstehenden X-Strahlen erfüllen
eine Halbkugel bis nahe zum Rande fast gleichmäßig. Erst
bei einem Emanationswinkel über 80°, hauptsächlich aber
von 89° — 90° findet eine deutliche Verminderung der Inten-
sität statt. Die kräftigsten und schärfsten Bilder werden
daher erhalten, wenn man die unter etwa 80° von der Platin-
platte abgehenden Strahlen zur Bilderzeugung verwendet.
Inbetreff der Durchlässigkeit ermittelte er, daß, wenn man
sich die durchstrahlten Körper in zur Strahlenrichtung senk-
rechte gleich dicke Schichten zerlegt denkt, jede dieser
Schichten für die in sie eindringenden Strahlen durchlässiger
ist als die vorhergehende. Sind von verschiedenen Körpern
zwei Platten von bestimmter Dicke gleich durchlässig, so
braucht diese Gleichheit nicht mehr zu bestehen, wenn man
die Dicke im gleichen Verhältnis ändert. War z. B. in einem
Fall eine einfache Platinschicht gleich durchlässig wie eine
sechsfache Aluminiumschicht, so entsprach eine doppelte
Platinschicht nicht einer zwölffachen, sondern einer sechszehn-
fachen Aluminiumschicht. Durch die Prüfung der von einer
Röhre in verschiedenen Stadien der Luftverdünnung aus-
gesandten X-Strahlen kam Röntgen zu der Ueberzeugüng,
1) Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie der Wissen-
schaften 1897 mitgeteilt in Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 64
S. 18.
Geschichte. 15
daß solche Strahlen bei einer Breite des Druckes von 3.1 nun
bis unter 0.0002 nun Quecksilber entstehen können, daß zu-
nächst (bei weichen Röhren) die mehr absorbierbaren, später
die mehr penetrierenden erhalten werden und daß die Zu-
sammensetzung der Strahlen, welche eine mit Platinanode
versehene Entladungsröhre aussendet, wesentlich durch den
zeitlichen Verlauf des Entladungsstromes bedingt ist. Wird
vor eine sehr weiche Röhre eine Funkenstrecke oder ein Tesla-
Transformator geschaltet, also nichts geändert als die Form
der Entladung, so werden sogleich sehr viel durchdringendere
Strahlen erhalten, während Einlassen von Luft in eine hart
gewordene Röhre dieselbe weicher macht. Aehnlich wie
gewöhnliches weißes Licht besteht auch die von einer Vakuum-
röhre ausgesandte Strahlung aus einem Gemisch von Strahlen
verschiedener Absorbierbarkeit und Intensität.
Bezüglich der Parallelität, welche etwa zwischen den
photographischen und Fluoreszenzwirkungen verschiedene]'
Arten von X-Strahlen besteht, wurde folgendes gefunden.
Sind eine harte und eine weiche Röhre auf den beiden Hälften
eines nach Art eines Photometers eingerichteten Fluoreszenz-
schirmes auf gleiche Helligkeit eingestellt und wird nunmehr
eine photographische Platte an den Ort des Schirmes ge-
bracht, so ergibt die Bestrahlung mit der weichen Röhre
erheblich stärkere Schwärzung, offenbar weil die weicheren
Strahlen in höherem Maße absorbiert werden, als die durch-
dringenderen.
Die alsbald an allen Orten einsetzenden Untersuchungen
brachten eine Reihe neuer Thatsachen an das Tageslicht.
G. Brandes und E'Dorn1) legten am 7. 5. 189G der
Berliner Akademie der Wissenschaften eine Untersuchung vor,
bei welcher sie gefunden hatten, daß durch X-Strahlen eine
Lichtemplindung im Auge entsteht, welche bei einer bestimm-
ten Schlagweite, etwa 5 — 6 cm, am deutlichsten bemerkbar
war. Die Empfindung war fast gleich stark im linsenlosen
wie im normalen Auge und nicht veranlaßt durch Fluor-
eszenzwirkung auf irgend welche Teile des inneren Auges.
Die Linse zeigte keine besondere Absorption der X-Strahlen.
Sehpurpur wurde von ihnen nicht verändert.
!) Wiedcinanns Annalen 1897 Bd. 60 S. 478. S. auch Dom.
Zur Sichtbarkeit der Röntgenstrahlen, Wiedemanns Annalen 1898
Bd. 64 S. 620.
16 Geschichte.
Eine ähnliche Beobachtung war von Röntgen1) schon
im November 1895 gemacht, wurde jedoch erst später mit-
geteilt, zugleich mit einer Abänderung des Versuches. Hält
man dicht vor das offene oder geschlossene Auge einen
schmalen Metallspalt und bringt den mit einem schwarzen
Tuch dicht umhüllten Kopf in die Nähe der Entladungs-
rohre, so sieht man einen bellen Streifen, der bei Bewegung
des Spaltes in horizontaler Richtung andere Gestalt annimmt;
er wird gerade, gekrümmt oder kreisförmig. A. Crzellitzer2)
wiederholte diese Versuche und fand Lichtempflndungen be-
sonders bei harten Röhren. Seine Ergebnisse gewähren
interessante Ausblicke in physiologischer und diagnostischer
Hinsicht für Fälle, in welchen der Augenspiegel infolge von
Star, Blutung oder 'ähnlichen Zuständen versagt.
P. Czermak3) stellte ebenfalls durch Aufnahmen mit
Hülfe der Lochkamerä den Entstehungsort der X-Strahlen
in der leuchtenden Röhre fest. Da durch das mit einer
Aluminiumplatte verschlossene Loch einer Bleikamera nur
die X-Strahlen aussendenden Teile sich gradlinig auf der
Platte projizieren können, so ist hiermit ein Mittel gegeben,
den Entstehungsort der Strahlen festzulegen. In erster Linie
ist dies das Platinblech der Antikathode, sodann aber in
sehr viel schwächerem Grade jeder Teil des von den Strahlen
getroffenen fluoreszierenden Glases.
Später wurde erkannt4), daß jeder feste Körper, der von
den X-Strahlen getroffen wird, selbst wieder zu einem Zentrum
sekundärer Strahlen wird. Hierdurch erklärt sich die Un-
scharfe und Verwaschenheit von Projektionen dicker Körper-
teile.
Die erste Entstehung der Röntgen- Strahlen in der eva-
kuierten Röhre ist, wie Wehnelt5) fand, von keinem andern
Faktor in so starkem Maße abhängig als von dem Auftreten
1) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 64 S. 36.
Vgl. auch Himstedt und Nagel, Anualen der Physik, Neue
Folge 190L Bd. 4 S. 537.
2) Fortschritte auf dem Gebiete d. Röntgenstrahlen. 1902 Bd. V
S. 245.
3) Wiedemanns Annalen. 1897 Bd. 60 S. 760.
4) S. B. Walter, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen-
strahlen. 1897 Bd. I S. 83.
5) Wiedemanns Annalen. 1898 Bd. 65 S. 511.
Geschichte. 17
disruptiver schnell gedämpfter Entladungen. Alle Anord-
nungen, welche in evakuierten Räumen solche Entladungen
begünstigen, sind auch der Erzeugung von X-Strahlen förderlich.
A. Winkelmann1) untersuchte die Einwirkung einer
Funkenstrecke, welche in Oel erzeugt wurde, auf das Ent-
stehen von X-Strahlen. Es zeigte sich Maximalwirkung, wenn
die Funkenstrecke zwischen Kathode und Induktor geschaltet
war. Röntgen-Strahlen wurden bei weit höheren Drucken
in den Röhren erhalten, so in Luft bei 10 mm, in' Wasser-
stoff bei 30 mm Quecksilber. Der Maximaldruck, bei welchem
noch X-Strahlen auftraten, fand sich abhängig von der Länge
der Fimkenstrecke, der Natur des eingeschlossenen Gases
und den Dimensionen der Röhre.
C. Zoth2) wiederholte Röntgen's Versuche betreffend
Durchlässigkeit von Pulver und kompakten Stücken desselben
Materials und stellte an Steinsalz, Alaun, Doppelspath und
Glas fest, daß die kompakte Substanz in bestimmtem Grade
durchlässig ist, gepreßtes Pulver etwas weniger, loses Pulver
noch weniger. Er glaubte, daß dieses Verhalten im Sinne
von minimalen Reflexionen oder Brechungen an den Partikeln
des Pulvers gedeutet werden könnte.
Lenard3) hatte bereits füf Kathodenstrahlen gefunden,
daß die entladende Wirkung, welche sie auf elektrisch geladene
Körper ausüben, auf die Durchstrahlung der umgebenden Luft
und deren Hinzutritt zu dem fraglichen Körper zurückzuführen
ist. In gleicher Weise wirken Röntgenstrahlen. Die durch-
strahlte Luft wird hierbei elektrisch leitend und behält dieses
Vermögen noch einige Zeit nach der Bestrahlung bei. Alle
Vorrichtungen, welche die Berührung der durchstrahlten Luft
mit dem geladenen Körper hindern (Schirme, Luftzug), lassen
die Entladung nicht zu stände kommen. Die mit Kathoden-
und Röntgenstrahlen behandelte Luft enthält ferner Kerne
für Dampfkondensation, wie ebenfalls Lenard und Richard4)
nachwiesen.
Nach Precht5) vermögen die X-Strahlen die nach Gold-
1) Annalen der Physik. 4. Folge. 1900 Bd. 2 S. 757.
2) Wiedemanns Annalen. 1896 Bd. 58 S. 353.
3) Wiedemanns Annalen. 1897 Bd. 63 S. 253.
4) Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Neu-
Pommern. 1896.
5) Wiedemanns Annalen. 1897 Bd. 61 S. 350.
Stecliow, Das Röntgen-Veri'ahren. o
18 Geschichte.
stein's Untersuchungen durch Kathodenstrahlen mit Leichtig-
keit bewirkte Farbenänderung und Zersetzung von Salzen
nicht herbeizuführen.
lieber die Natur der neuen Strahlen konnte Röntgen
nur vorläufige Vermutungen äußern. Er dachte daran, daß
hier die lang gesuchten longitudinalen Aetherschwingungen vor-
liegen könnten, eine Anschauung, der sich später besonders
Zehnder1) anschloß, Von mehreren Seiten wurde über er-
folgreiche Interferenzversuche berichtet, welche erlauben sollten,
die Wellenlänge zu bestimmen und die X-Strahlen in die
Gegend weit jenseits der hyperultravioletten Strahlen einzu-
reihen. Allein die gewonnenen Resultate schwankten in
weiten Grenzen. Fomm2) fand aus den Bildern hinter einem
beugenden Spalt die Wellenlänge zu 0,014 f/,, Meier3) zu
0,015 |U, Sagnac4) gar zu 0,04 ^, während wieder Voller und
Walter5) zu dem Schluß kommen, daß die Wellenlänge nicht
über 0,001 fj betragen könne. Haga und Wund6) gelangten
zu der Schätzung, daß die Wellenlänge der Röntgenstrahlen
unter einigen Zehnteln ftp liege. Ob den X-Strahlen über-
haupt eine Ablenkbarkeit zukommt und die hieraus ableitbare
Wellenlänge, blieb bei derartig differierenden Ergebnissen daher
zweifelhaft.
L. Graetz7) versuchte nicht erst an den irgendwie ent-
standenen X-Strahlen etwaige Polarisation zu entdecken,
sondern sie gleich polarisiert entstehen zu lassen, indem er
Kathodenstrahlen auf Kristalle von Kalkspat, Turmalin, Anda-
lusit und Dichroit fallen ließ. Diese Kristalle waren in Va-
kuumröhren eingeschmolzen, welche während der Beobachtung
mit der Luftpumpe in Verbindung blieben, sodaß der Luft-
druck im Innern variiert werden konnte. Die erhaltenen
X-Strahlen waren so intensiv, daß man das Skelett der Hand
1) Die Mechanik des Weltalls. Freiburg 1897. Vgl. auch, Das
Wesen der Elektrizität und Röntgenstrahlen von Stabsarzt Sehrwald,
Fortschr. auf d. Gebiet der Röntgenstrahlen. 1898 Bd. II S. 1.
2) Wiedemanns Annalen. 1896 Bd. 59 S. 350.
3) Fortschritte auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. 1899 Bd. III
S. 76. Wiedemanns Annalen. 1899 Bd. 68 S. 903.
4) Comptes rendus. Bd. 122 No. 13.
5) Wiedemanns Annalen. 1897 Bd. 61 S. 88.
6) Wiedemanns Annalen. 1899 Bd. 68 S. 884.
7) Wiedemanns Annalen. 1898 Bd. 65 S. 453.
Geschichte. 19
deutlich sehen konnte. Eine Polarisation war in keinem Falle
.zu erzielen. Graetz kommt -zu dem Schluß, daß die Mög-
lichkeit der Longitudinalität der Strahlen immer noch bestehen
bleibt, falls man es überhaupt mit Wellen zu tun hat.
Demgegenüber, versuchte eine andere Theorie die Er-
klärung zu bringen und zwar fußend auf den älteren, von
€rookes inbetreff der Kathodenstrahlen aufgestellten An-
sichten. Hiernach werden in den Kathodenstrahlen Molekel
mit einer Geschwindigkeit von 100000 km1) in der Sekunde
fortbewegt und erzeugen durch dieses molekulare Bombarde-
ment sowohl die Fortbewegung leichter Räder, das Erglühen
■der Wand, die Fluoreszenz u. s. w. In weiterer Ausbildung
hat sich die Moleknlartheorie zu einer Dissoziationstheorie
ausgestaltet, welche annimmt, daß es unter der Einwirkung
disruptiver elektrischer Entladungen zu einer Zertrümmerung
der Molekel auch chemisch einfacher Gase kommt. Die
Molekel sind unelektrisch, welchen Zustand man sich sehr
wohl aus der Vereinigung eines positiven und eines negativen
Atomes hervorgegangen vorstellen kann. Wird dieser Zu-
sammenhang gesprengt, so werden Atome mit entgegenge-
setzten Elektrizitäten frei, die elektronegativen werden von
der Kathode abgestoßen und führen die negative Elektrizität
in der Richtung des erhaltenen Stoßes weiter. Durch ihre
elektrische Ladung erklärt sich ihre Ablenkbarkeit durch den
Magneten.
Hier nun knüpft die von v osmaer, Ortt und besonders
von B. Walter2) ausgebaute Theorie an, welche in den
Röntgenstrahlen nichts anderes sieht als die von der Anti-
kathode nach allen Seiten hin auseinander geschleuderten
Kathoden Strahlenteilchen, weiche jedoch an ersterer ihre elek-
trische Ladung abgegeben haben. Diese Teilchen sind von
solcher Feinheit, daß sie nicht nur zwischen den Molekülen
der wägbaren Materie, sondern sogar mitten durch die Mole-
küle selbst hindurchzuniegen vermögen. Hieraus erklärt sich
ihre Durchchingirngsfähigkeit für anscheinend dichte Körper,
ihre Aktion auf die photographische Platte, fluoreszierende
1) Donath, Die Einrichtungen z. Erzeugung d. Röntgenstrahlen.
1899 S. 160, vgl. auch Kaufmann in Wiedemanns Annalen. 1897
iBd. Gl S. 544.
2) B. Walter, Fortschritte auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen.
1899 Bd. II S. 144. Siehe auch Ebenda, 1897 Bd. I S. 188.
20 Geschichte.
Substanzen, endlich auch ihre offensive Wirkung auf den
menschlichen Körper.
L. Graetz1) wies nach, daß nicht nur Kathoden-, sondern
auch Röntgenstrahlen bei leicht beweglichen Körpern Rotation
hervorrufen und erklärte beide Arten der Einwirkung durch
elektrostatische Abstoßung der Körper, welche durch die
leitend gewordene Luft dieselbe negative Ladung erhalten
haben wie die Kathode.
Welche von beiden Theorieen sich schließlich als die
richtige erweisen wird, muß die weitere Forschung lehren.
Jedenfalls erinnert der jetzige Widerstreit der Meinungen leb-
haft an den Gegensatz von Newton's Emissions- und Huyghens
Undulations-Theorie des Lichtes am Ausgang des siebzehnten
Jahrhunderts2).
Unter den Eigenschaften der Röntgenstrahlen ist noch
näher zu erörtern ihre Fähigkeit, dichte Körper je nach ihrer
Natur in verschiedenem Grade zu durchdringen. An sich ist
dies nicht etwas so überraschendes, ist es doch z. B. von
Wärmestrahlen und elektrischen Wellen längst bekannt. Welche
Verhältnisse der durchstrahlten Körper jedoch diese filtrie-
renden Eigenschaften bedingen, darüber herrschte lange Zeit
Ungewißheit. Sehrwald3) berichtete schon im Juli 1896 über
seine Beobachtungen an den Halogenen Jod, Brom und Chlor.
Er hatte gefunden, daß Jodkristalle einen Schatten werfen
ähnlich wie dichte Metalle. Des weiteren stellte er fest,
daß auch Chlor und Brom erhebliche Undurchiässigkeit für
Röntgenstrahlen zeigen und zwar nicht nur in Substanz oder
in festen Verbindungen mit Metallen, sondern auch in wasser-
klaren Lösungen wie Bromoform, Chloroform und Chlorkohlen-
stoff. Ebenso zeigten sich die Metalle von hohem Atomgewicht,
wie Gold, Platin und Wismut, besonders undurchlässig, während
Stickstoff (als Ammoniak), Kohlenstoff, auch Cyan sehr wenig-
X-Strahlen absorbierten. Er gelangte zu der Anschauung,
daß diese Undurchiässigkeit an das Atom der Halogene ge-
il) Verhandlungen der Deutschen Physilcal. Gesellschaft. 1900
S. 58. Annalen der Physik. 4. Folge. 1900 Bd. 1 S. 648.
2) Eine übersichtliche Darstellung der vorhandenen Erklärungs-
versuche s. in B. Donath, Die Einrichtungen zur Erzeugung der
Röntgenstrahlen. Berlin 1899 S. 151.
3) Deutsche medizin. Gesellschaft. 1896 S. 477.
Geschichte. 21
bunclen und nicht etwa eine Folge der Atomgruppierung im
Molekül ist.
Novak und Sulc1) hatten schon im Februar 1896
nach Beobachtung von beinahe 300 verschiedenen Substanzen
darauf hingewiesen, daß das Absorptionsvermögen für X-
Strahlen nicht von der Molekulargröße abhängig ist, sondern
lediglich von dem Atomgewicht abhängt. Diese Ansicht
wurde von Walter2) in allen Richtungen bestätigt.
Eine Skala zur Prüfung und Vergleichung verschiedener
Körper auf ihre Durchlässigkeit für X-Strahlen gab schon im
Juni 1896 0. Zoth3) an. Sie bestand aus Streifen von
Zinnfolie von 0,01 mm Dicke, welche stufenweise ansteigend
übereinander gelegt waren. Ein ähnliches Instrument ist
später unter dem Namen Aktinometer von Böse angegeben;
es enthält auf den Stanniolstufen noch Zahlen aus undurch-
sichtigem Draht, von denen auf dem Schirm um so höhere
gelesen werden können, je durchdringender die Strahlen sind.
Weitere Verbesserungen dieser Instrumente stellen dar die
von Walter4) angegebene Härteskala, bei welcher in acht
Bleifenster Platinfolien eingelegt sind, deren Dicke nicht in
arithmetischer, sondern in geometrischer Progression wächst,
ferner der von Benoist angegebene, von Walter verbesserte
Apparat, bei welchem die Härte der X-Strahlen gemessen
wird durch Vergleich der Durchlässigkeit eines Silberbleches
und verschieden dicker Scheiben von Aluminium. Hierbei
befindet sich in der Mitte eine silberne Platte von 0,11 mm
Dicke, ringsherum 6 Sektoren von Aluminium, deren Dicke
nach einer arithmetischen Reihe zweiter Ordnung von 2 mm
bis 8 mm wächst. Das Instrument beruht auf der Tatsache,
daß die Durchlässigkeit der Metalle mit einem Atomgewicht
von 100 — 150, also z. B. des Silbers, sich gegenüber den
Strahlungen verschiedenen Härtegrades in viel geringerem
Grade ändert als die der übrigen chemischen Elemente.
In einem Dampfstrahl vermehren die X-Strahlen die
Kondensation. Da Helmholtz5) nachgewiesen hatte, daß
1) Zeitschrift für physikalische Chemie. 1896 Bd. 19 S. 489.
2) Fortschritte auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. 1898 S. 142.
3) Wiedemanns Annaleu. 1896 Bd. 58 S. 344.
4) Fortschritte auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. 1902 Bd VI
S. 68.
5) Wiedemanns Annalen. 1887 Bd. 32 S. 1.
22 Geschichte.
durch Staub, ferner durch eine Reihe elektrischer und
chemischer Prozesse, bei welchen isolierte Atome gebildet
werden, verstärkte Nebelbildung im Dampfstrahl eintritt, so
führte Richarz1) diese Erscheinung bei den X-Strahlen analog
auf das Auftreten isolierter Atome, auf Ionisierung zurück.
Der Widerstand einer Selenzelle wird nach Himstedt2)
durch Röntgen-Strahlen um mehr als 50% vermindert. Es
ergibt sich hieraus die Hoffnung, auf diesem Wege die In-
tensität der Strahlen exakt messen oder die Leistung ver-
schiedener Röhren vergleichen zu können.
Die Art der Einwirkung von X-Strahlen auf photho-
graphische Platten untersuchte Precht3). Er fand einmal,
daß die Wirkung, wie zu erwarten war, mit dem Quadrat der
Entfernung abnimmt. Bezüglich der zeitlichen Einwirkung
bei gleichbleibender Entfernung stellte er fest, daß die
Schwärzung zuerst sehr schnell ansteigt, um alsdann auch
bei sehr langer Exposition nur in geringem Grade zuzunehmen.
Für die erste Periode gilt annäherungsweise das Gesetz, daß
die Schwärzung um gleichviel wächst, wenn die Expositions-
zeiten wie die Quadrate der natürlichen Zahlenreihe zunehmen.
In Uebereinstimmung mit den Arbeiten der Gebrüder Lumiere
fand Precht4), daß die Empfindlichkeit der Bromsilbergelatine
für Röntgen-Strahlen durchaus ihrer Lichtempfindlichkeit
entspricht und daß die gewöhnlichen Farbensensibilatoren
ohne Einfluß sind.
Auf die menschliche Haut üben die X-Strahlen eine
merkwürdige Entzündung erregende Wirkung aus, welche sich
durch späten Eintritt und schleppenden Verlauf auszeichnet.
Noch im Dezember 1895 konnte Röntgen seine Ent-
deckung an maßgebendster Stelle vorführen. Ging dieselbe
auch von einem Physiker aus, so verstanden doch in erster
Linie die Mediziner ihre Tragweite zu würdigen, machten die
X-Strahlen doch den lebenden Körper gewissermaßen durch-
1) Wiedemanns Armalen. 1896 Bd. 59 S. 592.
2) Annalen der Physik. Neue Folge. 1901 Bd. 4 S. 531.
3) Fortschritte auf d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. 1899 Bd. III
S. 64 und Archiv für wissenschaftliche Photographie. 1899 S. 260.
4) Wiedemanns Annalen. 1897 Bd. 61 S. 347.
Geschichte. 23
sichtig und versprachen so einen alten Traum zu erfüllen, wenn
ihre Wirksamkeit erst bis über die Finger hinaus gesteigert und
ihre Anwendimg durch verbesserte Apparate erleichtert und ab-
gekürzt sein würde. Den rastlosen mühevollen Arbeiten der
Mediziner ist der Antrieb zur Herstellung zweckmäßiger
Apparate in erster Linie zu verdanken. Die Ausbildung der
Apparate in der kurzen Zeit von nur 4 — 5 Jahren bis
zu der Höhe der Wirkung und Dauerhaftigkeit, wie
wir sie jetzt kennen, diese Durchbildung und Vervollkomm-
nung des Werkzeuges konnte aber nur gelingen in einer Zeit,
in der die von wissenschaftlichem Geist durchwehte Technik
bereits eine derartige Höhe erreicht hatte, wie am Schlüsse
des 19. Jahrhunderts. Die Welt mußte schon in dem hohen
Maße elektrotechnisch vorgeschritten und geschult sein, um
in der kurzen Frist die sicheren Grundsätze für den Aufbau
der Apparate zu finden. Auch die Medizin mußte in einer
kurzen Spanne Zeit für das immer mächtiger werdende Rüst-
zeug die richtige Anwendung, die Grenzen seiner Wirksam-
keit, seinen Nutzen wie seine Gefahren ausfindig machen,
ja auch (geradeso wie es bei der Einführung des Thermo-
meters, des Augenspiegels und vieler anderer Hilfsmittel
gegangen war) manche Zweifelnde erst von der Notwendig-
keit seiner Anwendung, der moralischen Verpflichtung sich
in allen Fällen dieser idealen Sonde zu bedienen, überzeugen.
Vorerst war allerdings der Anfang recht schwer, obwohl
sofort in eine Prüfung über die medizinische Verwendbarkeit
mit aller Energie eingetreten wurde. Bereits im Januar 1896
stellte die Medizinal-Abteilung des Kriegsministeriums in Ver-
bindung mit der physikalisch-technischen Reichsanstalt ein-
gehende Versuche zu dem Zwecke an, die Verwertbarkeit
Röntgen' scher Strahlen für medizinisch-chirurgische Zwecke
aufzuklären. Diese Versuche, von denen alsbald der
Oeffentlichkeit Bericht gegeben wurde 1)1 haben bahnbrechend
gewirkt und namentlich unmittelbar zu der außerodentlich
früh erfolgenden Einführung des Verfahrens in die Militär-
lazarette geführt. Wie mühselig waren aber diese Arbeiten!
Die leuchtenden Röhren mußten in der Reichsanstalt selbst
angefertigt werden, es stand nur ein Induktor von 20 cm
1) Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Miütär-Sanitätswesens,
herausgegeben von der Medizinal-Abteilung des Königlich Preussischen
Kriegsministeriums. Heft 10. Ausgegeben am 20. März 1896.
24 Geschichte.
Funkenlänge zur Verfügung und die Aufnahme einer Hand
dauerte 15 — 20, eines Fußes (anatomisches Präparat) 65 Mi-
nuten1). Mit voller Sicherheit wurde aber dargetan, daß
Fremdkörper wie Kugeln, Metallteile, Glassplitter mit Leich-
tigkeit aufgefunden, die Stellung der Enden bei Knochen-
brüchen selbst durch einen Verband hindurch wahrgenommen,
die Konturen der Gelenke kontrolliert, ja auch Geschwülste,
Erweichungsherde im Knochen selber sichtbar gemacht wer-
den können. Sehr genau wurde die Entstehung des Bildes
aus übereinandergelegten Schatten, die von einem Punkt aus
projiziert werden, und daher das Fehlen der „Tiefen im
Raum" klargelegt. Eine einfache Methode der Höhenbe-
stimmung eines Punktes durch doppelte Aufnahme bei hori-
zontaler Verschiebung der Lichtquelle wurde angegeben, die
Durchlässigkeit einer Reihe von Körpergeweben, Verband-
stoffen und Medikamenten geprüft, schließlich auf die außer-
ordentlich vielversprechende Verwendbarkeit besonders zu
kriegschirurgischen Zwecken hingewiesen, wenn nur erst, sei
es durch mächtigere Apparate oder auf andere Weise die
Expositionsdauer auf ein erträgliches Maß herabgesetzt und
der ganze Körper durchstrahlt werden könnte. Diese Hoff-
nung ist freilich nur schrittweise aber in vollem Umfange im
Laufe der nächsten Jahre in Erfüllung gegangen.
Jedenfalls genügten schon die damals gewonnenen Er-
fahrungen der Medizinal- Abteilung, um bereits im Februar 1896
die Errichtung zweier Röntgenkabinette anzuordnen. Das eine
derselben in der Kaiser Wilhelms- Akademie war mehr für
wissenschaftliche Untersuchungen, Unterweisung der Stu-
dierenden und der zu Fortbildungskursen kommandierten Sani-
tätsoffiziere bestimmt und hat namentlich für die verschiedenen
Schießversuche der Medizinal-Abteilung hervorragende Auf-
klärungen geliefert. Das andere Kabinett wurde im Garnison-
lazarett I eingerichtet und diente den unmittelbaren An-
forderungen des Truppensanitätsdienstes, der Untersuchung
kranker Soldaten und Invaliden sowie zur Erforschung mancher
militär-medizinischer Fragen. Hier sind hauptsächlich die
Grundsätze für die Einrichtung solcher Kabinette für Zwecke
des Heeres festgelegt und Aufklärung gewonnen worden über
1) Auch von anderen Seiten wurden ähnliche Klagen laut. Vgl.
die Pvöntgen 'sehen X-Strahlen von Prof. G. Wunschmann. Berlin
1896.
Geschichte. 25
den Umfang und die Art der Tätigkeit unter den besonderen
Verhältnissen des militärischen Lebens1).
Das Arbeiten hier war zunächst ungemein schwierig, da
alsbald nach Bekanntwerden der neuen Entdeckung von allen
Seiten Anforderungen hervortraten, denen die Apparate in
der damaligen Zeit durchaus nicht gewachsen waren. Zwar
war bis zum Sommer 1896 die zur Aufnahme einer Hand
notwendige Zeit schon auf etwa 5 Minuten heruntergegangen,
allein was bedeutete das gegenüber den Aufgaben, Ver-
letzungen oder Kugeln im Becken, Schultergürtel oder Ober-
schenkel von Kriegsinvaliden zu suchen, welche sich oft
eines ganz achtbaren Leibesumfanges erfreuten. Es blieb
nichts anderes übrig als die Aufnahmezeiten nach heutigen
Begriffen ungebührlich lange auszudehnen und Daueraufnahmen
von zwei Stunden kamen vor. Allerdings gelang es schon
im Juli 1896 eine Kugel im Kopf (eines Lebenden) in Quer-
richtimg, im August in der Längsrichtung festzustellen2),
1) Die erste Aufnahme ist im Garnisonlazarett I am 15. 5. 96 ge-
macht und betraf einen Artilleristen, welcher hei einer Splitterung einer
Deichsel Verletzungen am Handrücken erlitten hatte. Beim Sondieren
der später eiternden Wunde war ein 1 cm langes Stück der Sonde ver-
schwunden, das nun prompt unter der Haut nachgewiesen wurde. Bis
zum Schluss des Jahres 1896 wurden 359 Aufnahmen gemacht, 1897
745, 1898 1373, 1899 1431, 1900 1137, 1901 971. Die Verminderung
der hier gemachten Aufnahmen erklärt sich durch die Einrichtung zahl-
reicher Röntgenkabinette in anderen Garnisonlazaretten. Vgl. S. 26.
2) Der Kanonier J. hatte sich am 15. 6. 96 mit einer Pistole eine
Kugel in den Mund geschossen. Eingangsöffnung im weichen Gaumen.
Ausschuss fehlt, Lähmung des Gaumensegels, Blindheit des linken
Auges. Am 15. 7. 96 wurde bei einer Aufnahme in linker Seitenlage
bei 1 Stunde Exposition der Kugelschatten mitten im Gehirn etwas
näher zur oberen Schädelgrenze gefunden. Am 26. 8. 96 gelang es
auch in Rückenlage bei Belichtung von oben den Kugelschatten genau
in der Mittellinie nachzuweisen, Expositionsdauer allerdings 2 Stunden.
— Von A. Eulenburg wurden in der No. 33 der Deutschen medizin.
Wochenschrift vom 13. 8. 96 zwei Fälle bekannt gegeben, bei welchen
Professor Buka-Charlottenburg ein Geschoss im Schädel nachgewiesen
hatte. — In den Schädel jeiner Leiche eingebrachte Infanterie-Ge-
schosse wurden in der Kaiser Wilhelms-Akademie bereits im Mai sowohl
auf dem leuchtenden Schirm nachgewiesen als auch photographirt.
Vgl. Schjerning u. Kranzfelder, D. med. Wochenschr. 1895 S.541.
26 Geschichte.
allein derartige Versuche waren eine qualvolie Anstrengung
sowohl für den tätigen wie den leidenden Teil und erforderten
eine unglaubliche Anspannung der Aufmerksamkeit auf die zahl-
reichen einem so lang dauernden Versuch von allen Seiten drohen-
den Gefahren. Vielfach konnten die Invaliden nur auf einen
Tag nach Berlin kommen, es war also unter allen Umständen
erforderlich, brauchbare Aufnahmen zu erhalten, da eine
Wiederholung nicht möglich war. Dies Alles mußte ge-
leistet werden mit einem Induktor von höchstens 30 cm
Funkenlänge, einem einfachen kleinen Feder-Quecksilber-Unter-
brecher, einer Stromquelle von 3 Akkumulatorenkasten mit
je 4 Zellen, welche zum Laden jedesmal 2y2 Kilometer weit
in die Stadt gefahren werden mußten, und mit den unzuver-
lässigen ersten Röhren, welche weder Durchdringungskraft
noch Dauerhaftigkeit besaßen und namentlich bei langen Be-
anspruchungen häufig in unberechenbarer Weise versagten1).
Die weitere Anwendung des Röntgenverfahrens ist in
der ersten Zeit namentlich in Deutschland mit rastlosem
Eifer gefördert werden. Bald entstanden an allen größeren
Krankenhäusern, namentlich den Universitätskliniken, derartige
Einrichtungen. Besonders sind zu nennen die Krankenhäuser
in Hamburg-Eppendorf und die chirurgische Universitätsklinik
in Halle, welche mit großen Mitteln Kabinette einrichteten
und bald mustergültige Leistungen vorführten.
Die Militär-Medizinal- Verwaltung wandte auch diesem
neuen Verfahren dauernd das lebhafteste Interesse zu. Im
Jahre 1897 wurde noch ein Röntgenkabinett in der Wilhelms-
Heilanstalt in Wiesbaden eingerichtet, 1898 kamen hierzu vier
neue Kabinette in Magdeburg, Metz, Breslau und Danzig, 1899
elf in den übrigen Orten mit einem Korpslazarett, 1900 wurden
31 Lazarette mit solchen Einrichtungen versehen, sodaß am
Schlüsse des Jahrhunderts die Armee mit rund 250 Garnisonen an
49 Orten über Röntgenkabinette verfügte, d. h. etwa der fünfte
1) Sobald die Technik bessere Apparate zur Verfügung stellte,
wurden dieselben beschafft. Die hiermit gewonnenen Resultate konnten
in einer grösseren Reihe von interessantoo wohlgelungenen Aufnahmen
schon 1897 auf dem Chirurgenkongress in Berlin, dem Schwedischen
Aerztekongress in Stockholm und dem XII. internationalen medizinischen
Kongress in Moskau, ferner 1898 auf dem IX. internationalen Kongress
für Hygiene und Demographie in Madrid, sowie 1900 auf dem XIII. inter-
nationalen medizinischen Kongress in Paris vorgelegt werden.
Der Induktor. 27
Teil aller Garnisonen war hiermit ausgerüstet. Gegenwärtig
stehen den 17 Preußischen Armeekorps über 60Röntgenkabinette
zur Verfügung und ihre Zahl wird noch jährlich vermehrt. Daß
die neue Untersuchungsart überall, wo Apparate vorhanden
sind, fleißig geübt wird, dafür bürgt das allseitige rege Inter-
esse der Sanitätsoffiziere. Die Zahl der in einem Armeekorps
jährlich erforderlichen Aufnahmen dürfte mit 1200 bis 1500
nicht zu niedrig geschätzt werden.
2. Apparate.
Die zur Erzeugung von Röntgenstrahlen erforderlichen
Apparate müssen nunmehr im einzelnen betrachtet werden.
Dazu gehören: 1. Der Induktor. 2. Der Unterbrecher.
3. Die Stromquelle. 4. 'Die Röntgen-Röhren. 5. Der fluo-
reszierende Leuchtschirm .
I. Der Induktor.
Der Induktor ist eine Form der heut in der Technik
zu so hoher Bedeutung gelangten Transformatoren, welche
die Aufgabe haben, durch einen Strom von niedriger Span-
nung einen solchen von höherer Spannung oder umgekehrt
zu erzeugen. Die Bedeutung dieser iVpparate ist darum eine so
hervorragende, weil der Transformator eine Maschine darstellt,
bei welcher sogar sehr beträchtliche Arbeit ohne alle me-
chanisch bewegte, daher abnutzbare Teile geleistet wird.
Technisch werden solche Apparate gebraucht, um große
Elektrizitätsmengen auf weite Entfernungen versendbar zu
machen. Meist wird zunächst Elektrizität von mäßiger
Spannung erzeugt, da Ixü Dynamomaschinen nur hierbei ge-
nügende Isolierung herzustellen ist. Der so gewonnene Strom
wird im Transformator auf eine Spannung von 20000 —
40000— 100000 Volt herauftransformiert und damit befähigt,'
große Strecken auf verhältnismäßig dünnen Drähten zu über-
winden. Am Verbrauchsorte wird andererseits der Strom
wieder heruntertransformiert auf die übliche Gebrauchsspan-
nung von 110 oder 220 Volt. Der entscheidende Beweis
für die Ausführbarkeit dieses Verfahrens auch auf größere
28 Der Induktor.
Entfernungen wurde auf der internationalen elektrotechnischen
Ausstellung zu Frankfurt a. M. im August 1891 geliefert.
Durch eine Turbine von 356 P. S. wurde primär ein Strom von
etwa 800 Ampere bei 55 Volt Spannung erzeugt, in Oeltrans-
formatoren auf 8500 Volt herauftransformiert und auf drei
4 mm dicken Drähten 170 Kilometer weit nach Frankfurt a. M.
geleitet, wo er wieder in Oeltransformatoren auf 65 Volt
heruntertransformiert zu Kraft- und Beleuchtungszwecken Ver-
wendung fand. Schließlich führten Versuche mit Erhöhung der
Spannung auf 25000 Volt zu völlig befriedigenden Ergeb-
nissen. Der "Wirkungsgrad betrug etwa 75 pCt.1).
Der technische Aufbau eines Induktors ist im Prinzip
außerordentlich einfach. Er besteht nur aus einer innen
liegenden primären Spule, welche außen von der sekundären
umgeben ist. Im Innern der ersteren steckt ein Kern von
weichem Eisen.
Die primäre Spule besteht aus Kupferdraht von etwa
2 mm Stärke, welcher gut isoliert und in mehreren Lagen
aufgewickelt ist, sodaß er bei den großen Apparaten in
500 — 600 "Windungen gegen 100 Meter Länge erreicht. Diese
Spule ist nach außen gut isoliert durch einen Hartgummi-
zylinder von 1 — 1,5 cm Stärke. Ist der Induktor für Ge-
brauch mit dem Wehnelt-Unterbrecher bestimmt, so wird
die primäre Spule nach Walter2) zweckmäßig in Abteilungen
zerlegt, welche nach Belieben parallel oder hinter einander
geschaltet werden können. Es wird dann der Draht so auf-
gewickelt, daß vier übereinander liegende, von einander un-
abhängige Lagen entstehen, deren acht Enden zu einem ge-
meinsamen Schaltbrett geführt werden. Durch verschiedene
Schaltstücke lassen sie sich entweder alle vier parallel oder
zu zwei hinter einander oder alle vier hinter einander schalten,
sodaß drei verschiedene Abstufungen in der dem Strom ge-
botenen Bahn entstehen. Welchen Einfluß diese verschie-
denen Schaltungen auf die Selbstinduktion der Spule haben,
wird weiter unten erörtert werden. Bei den neueren Aus-
führungen des Apparates durch Siemens & Halske sind die,
Enden der einzelnen Lagen bis zu einem Schalttisch hingeführt,
1) Offizieller Bericht über die internationale elektrotechnische
Ausstellung in Frankfurt a. M. 1891 Bd. 2 S. 319.
2) B. Walter, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen.
1900 Bd. IV S. 46.
Der Induktor. 29
wo man eine beliebige Anzahl Windungen einschalten kann,
je nach der Selbstinduktion, welche man haben will.
Die sekundäre Spule aus etwa 0,1 mm dickem, sorg-
fältig übersponnenem Kupferdraht, war bei den früheren
Apparaten in fortlaufenden hin- und hergehenden Lagen auf-
gewickelt. Es trafen also an einem Ende immer Windungen
zusammen, welche durch die Drahtlänge zweier ganzer Lagen
getrennt waren und zwischen welchen beim Betrieb eine sehr
erhebliche Spannumgsdifferenz entstand. Die Folge davon
war ein leichtes Durchschlagen an einer solchen Stelle.
Ferner war bei der fortlaufenden Aufwiegelung eine Reparatur
unmöglich. War ein Durchschlagen eingetreten, so waren
zwei oder mehrere Lagen einfach ausgeschaltet und der In-
duktor mußte mit einer erheblich verminderten Leistungs-
fähigkeit weiter benutzt oder die sekundäre Spule völlig er-
setzt werden.
Noch ein anderer Uebelstand trat auf: Die isolierende
Hülle der primären Spule war bei den früheren Apparaten
nur verhältnismäßig dünn und gegen mechanische Gewalt
wenig widerstandsfähig. Der lange, in einem Zug gewickelte
sekundäre Draht, der eine nicht gänzlich starre Röhre von
großem Gewicht darstellt, sank mit der Zeit in der Mitte
ein und klemmte seine Unterlage so fest, daß auch eine
Herausnahme der primären Spule bei eintretenden Defekten
unmöglich war. Schon Stöhrer brachte nach Poggendorff's
Vorschlag bei seinen Apparaten die Verbesserung an, daß
er die sekundäre Spule in drei Unterabteilungen trennte.
Bei den neueren Konstruktionen wird hierin noch weiter
gegangen. Der sorgfältig mit Seide umsponnene Draht läuft
durch heißes Paraffin oder ein ähnliches Isoliermaterial,
welches alle Poren der Faser erfüllt. Er wird alsdann auf-
gewickelt zu flachen Scheiben von 3 — 5 mm Dicke, in
welchen jeder Luftraum mit dem Isoliermaterial vergossen
wird. Seitlich sind diese Scheiben begrenzt durch Pergament-
papier oder ähnliches Material, welches beim Zusammen-
reihen die einzelnen Abschnitte trennt. Die hervorstehenden
Drahtenden aller Spulen müssen alsdann so verbunden wer-
den, daß eine im selben Sinne fortlaufende Strombahn ent-
steht. Anfang und Ende der gesamten sekundären Spule
werden zu zwei Klemmen geführt, deren Entfernung der
Leistungsfähigkeit des Induktors entspricht und an welche
Leitungsdrähte angelegt werden können, am den sekundären
30
Der Induktor.
Strom in beliebige Apparate zu führen. Bei größeren
Apparaten erreicht die sekundäre Spule wohl 50 Kilometer
Länge und sogar mehr. Durch die Verstärkung des isolie-
renden Zylinders um die primäre Spule und die vielfache
Unterteilung der sekundären ist nunmehr ein Auseinander-
nehmen, wenn einmal ein Durchschlagen des Funkens statt-
Fig. 1.
Induktor für 100 cm Funkenlänge von Siemens & Halskc.
finden sollte, leicht möglich, doch kommt bei den neueren
Apparaten solch' ein Zufall kaum mehr vor.
Im Innern der primären Spule und sie beiderseits über-
ragend ist ein Eisenkern gelagert, der früher aus dünnen sorg-
fältig gefirnißten Drähten von weichem Eisen aufgebaut war,.
jetzt aber vielfach aus Eisenblechen besteht (Dynamoblech).
Hiermit sind die wesentlichen Teile eines Induktors ge-
Der Induktor.
31
<
32 Der Induktor.
geben und es handelt sich nunmehr darum, darüber klar zu
werden, was in einer derartigen Anordnung vor sich geht,
wenn in der primären Spule ein Strom geschlossen und ge-
öffnet wird. Dabei sind auseinanderzuhalten die Wirkungen
des primären Stroms auf den Eisenkern (Magnetoinduktion)
auf die sekundäre Spule (Elektroinduktion) und auf die
eigenen Windungen (Selbstinduktion). Hierzu kommt die
Wirkung des sekundären Stromes auf den primären und den
Eisenkern.
Zunächst ist die Einwirkung auf den Kern von weichem
Eisen zu untersuchen. Ein durchflossener Leiter ist von
kreisförmigen Kraftlinien umgeben, deren Verlauf man sicht-
bar machen kann, wenn man den Draht durch eine Papier-
oder Glasplatte gehen läßt, welche mit Eisenfeilspähnen be-
streut ist.
Die Feilspähne ordnen sich in konzentrischen Kraft-
linien an, deren Dichte mit der Entfernung vom Mittelpunkt
abnimmt. Eine in dieses Feld gebrachte Magnetnadel stellt
sich stets tangential zu den Kraftlinien, ihr Nordpol gibt die
Richtung derselben an. Blickt man in der Richtung des
Stromes auf die Ebene der Kraftlinien, so umkreisen sie den
stromführenden Leiter , im Sinne der Drehung des Uhrzeigers.
Wird der stromführende Leiter zu einem Solenoid aufgerollt, so
summieren sich die Kraftlinien der einzelnen Windungen zu ge-
meinsamer magnetischer Wirkung. Es entsteht ein Nordpol an
derjenigen Endfläche, an welcher der Strom entgegengesetzt
dem Uhrzeiger fließt. Die Stärke des im Innern einer solchen
Spule entstehenden magnetischen Feldes hängt ab von der
Anzahl der Windungen und der Stärke des durchfließenden
Stromes. Das Produkt aus der Anzahl der Windungen auf
1 cm Länge und der Stromstärke nennt man die Zahl der
Ampere Windungen. Die Feldstärke, d. h. die Anzahl der pro
Quadratzentimeter des Solenoid -Querschnittes entstehenden
Kraftlinien ist gleich 5/4:m8l der Zahl der Amperewindungen.
Umfließt der elektrische Strom ein Eisenstück, so
wird dasselbe magnetisch. Der erregte Magnetismus ist ein
dauernder, wenn es sich um Stahl handelt, dagegen ein vor-
übergehender bei weichem kohlenstoffarmen Schmiedeeisen.
Die Pole bestimmen sich nach der bekannten Regel: Denkt
man sich eine Person mit dem Strom schwimmend und das
Eisen ansehend, so entsteht ein Nordpol an der Seite, wohin
sie den linken Arm ausstreckt, oder einfacher: hält man die
gleich — : — d. i. 12,5 Kraftlinien für Schmiedeeisen gleich
Der Induktor. 33
Finger der rechten Hand ausgestreckt in der Richtimg des
Stromes, so zeigt der rechtwinklig abgespreizte Damnen den
Nordpol an. Die verhältnismäßig recht geringe Anzahl von
Kraftlinien, welche innerhalb eines leeren Solenoids entstellen,
wird enorm gesteigert durch Einführung eines Eisenkernes in
das Innere der Spule. Die Steigerung ist am bedeutendsten
bei Schmiedeeisen und Stahlguß, geringer bei Gußeisen. Es
beträgt z. B. bei 10 Amperewindungen die Feldstärke der
leeren Spule 12,5 Kraftlinien, bei Hinzufügung des Kernes
von Schmiedeeisen 12000, von Stahlguß 13 500. Die Zahl,
welche angibt, um wieviel mal die Anzahl der Kraftlinien
durch das Einführen des Eisenkerns vermehrt ist, nennt man
die magnetische Leitungsfähigkeit oder magnetische Permea-
bilität des Eisens. Sie ist z. B. bei 10 Amperewindungen
10x5
4
-i?^ = 960, für Stahlguß gleich ^^ = i080. Während
12,5 12.0
nun die Zahl der erzeugten Kraftlinien bei leerer Spule immer
im gleichen Verhältnis zu der Zahl der Ampere Windungen
steht, nämlich immer 5/d derselben beträgt, ist* die magne-
tische Permeabilität der verschiedenen Eisensorten eine ver-
änderliche Größe, welche bei wachsender Zahl der Ampere-
windungen sinkt. Bei 30 Ampere Windungen ist sie für
Schmiedeeisen nur noch — — "- — = 408, für Stahlguß
30 X o ö
deich — = — = 421. Die Kraftlinien des Solenoids und
30 X 5
des durch den Strom entstandenen Magneten addieren sich
und äußern gemeinsame Wirkungen in die Umgebimg.
Die Einwirkung eines stromdurchflossenen Solenoids,
der primären Spule, auf einen in der Nähe befindlichen zu-
nächst stromfreien Leiter, die sekundäre Spule, besteht in
der schon von Faraday aufgefundenen Induktion, d. h. in
der Erzeugung eines neuen von dem ersten ganz verschie-
denen sekundären Stromes. Das Grundgesetz der elektrischen
Induktion lautet bekanntlich: Immer wenn in einem Strom-
kreis der elektrische Str,om geöffnet oder geschlossen wird
(abnimmt oder zunimmt), entsteht in einem benachbarten
Leiter ein momentaner (induzierter) Strom. Die gleiche Wir-
kung zeigt sich, wenn der stromdurchnossene Leiter von
Stechow, Das Röntgen- Verfahren. Q
34 Der Induktor.
dem andern entfernt oder ihm genähert wird. Die Richtung
des induzierten Stromes ist beim Eintritt des primären diesem
entgegengesetzt, beim Austritt diesem gleich. Nach Lenz
läßt sich das hierbei obwaltende Gesetz so ausdrücken:
Der Strom, welcher durch eine Bewegung entsteht, bringt
selbst die entgegengesetzte Bewegung hervor, und: die Be-
wegung, welche durch einen Strom entsteht, bringt selbst
den entgegengesetzten Strom hervor.
Gerade so aber wie eine stromdurchflossene Spule nach
außen vollkommen wie ein Magnet sich verhält, sich bei
freier Beweglichkeit in die Nordsüdrichtung stellt, magnetische
Eisenmassen anzieht oder abstößt, ebenso veranlaßt ein
Magnet elektrische Wirkimgen. Bewegungen eines solchen
in der Nähe eines Leiters erzeugen in dem letzteren Induk-
tionsströme wie die Bewegungen einer stromdurchflossenen
Spule. Das gleiche in beiden Fällen ist das Auftreten von
magnetischen Kraftlinien, welche eine Einwirkung auf den
vorher stromlosen Leiter ausüben. Aber nicht das einfache
Vorhandensein ruhender Kraftlinien induziert den Strom, son-
dern ihre Ab- oder ihre Zunahme, ihr Auftreten oder Ver-
schwinden ist das Wesentliche und Bedingende. Je stärker
der primäre Strom oder der Magnet ist, je rascher er auf-
tritt, seine Lage oder Intensität wechselt, endlich je zahl-
reicher die Windungen der sekundären Spule sind, desto
größer die induzierte elektromotorische Kraft in letzterer.
Die genauere Durchrechnung dieser Verhältnisse führt, wenn
von den Streuimgsverhältnissen abgesehen wird, zu dem Er-
gebnis, daß die elektromotorischen Kräfte in der primären
und sekundären Spule sich verhalten wie die Windungszahlen.
Auf jede Windung der sekundären Spule wirkt die elektro-
motorische Kraft der primären Spule in gleicher Weise.
Hat diese in jeder Windung derselben den Wert e und sind n
hintereinander geschaltete Windungen vorhanden, so addieren
sich alle Spannungen und die gesamte elektromotorische
Kraft beträgt n X e. Da aber der gesamte Effekt e X i, d. h.
das Produkt aus Spannung und Stromstärke unter den oben
angenommenen Verhältnissen keine Aenderung erfahren kann,
so muß die Stromstärke in demselben Grade abnehmen als
die Spannung gestiegen ist. Bei einer Spannung von n X <? be-
trägt die Stromstärke nur noch — .
Der Induktor. 35
Was nun den Gesamtaufbau des Induktors betrifft, so
ergibt sich aus den vorher angegebenen Zahlen über die im
Eisenkern auftretenden Kraftlinien, in wie hohem Maße die
induzierende Wirkung der primären Spule durch Einführen
eines solchen verstärkt wird. Das Material desselben an-
langend, so ist zunächst klar, daß derselbe aus möglichst
weichem Eisen bestehen muß, welches imstande ist, in
kürzester Frist Magnetismus anzunehmen und wieder un-
magnetisch zu werden. Dem primären Strom wird die in
Bezug auf die Molekularmagnete richtende Arbeit hierdurch
erleichtert. Nun stellt aber der Eisenkern einen Leiter in
der Nähe der primären Strombahn vor, welcher so gut wie
die sekundäre Spule von den entgegengesetzt gerichteten in-
duzierten Strömen durchflössen wird. Wäre der Kern aus
kompaktem Eisen, so würden diese Ströme in der Querrich-
tung fließen und hemmend auf den Verlauf der Induktion
wirken. Wird diesen Wirbelströmen, auch Foucault'sche
Ströme genannt, der Weg durch isolierende Schichten ver-
legt, so können sie nicht zur Entwickelung kommen und die
Induktionswirkimg wird beträchtlich vermehrt. Aus diesem
Grunde wurde der Eisenkern früher in zahlreiche Draht-
bündel aufgelöst, dessen einzelne Glieder in der Längsrich-
tung gut von einander isoliert wurden. Neuerdings werden
hierzu dünne Eisenbleche (Dynamobleche) genommen, wodurch
mehr Eisen in den Kern gebracht werden kann.
Bei allen Rühmkorffs und den bisher gebauten Funken-
Induktoren ist die Form der Walze mit weit auseinander-
stehenden Polen die gleiche geblieben. Diese Form hat aber
einen schlechten magnetischen Kreis, da die erzeugten Kraft-
linien genötigt sind, den Rückweg durch den weiten Luft-
raum zu nehmen. Bei technischen Transformatoren, welche
große Elektrizitätsmengen umzusetzen haben, sind daher ver-
schiedene Konstruktionen ersonnen, welche den magnetischen
Kreis ganz mit durchlässigem Eisen schließen, auf welche
aber hier nicht näher eingegangen werden kann1). Für
Röntgenzwecke ist von allen Firmen die alte Walzenform
mit ungeschlossenen Kraftlinien beibehalten, da hierbei der
Abfall des Magnetismus sich rascher vollzieht. Letzteres ist
von großer Wichtigkeit,' da hier dauernd weit höhere
1) Vergl. Die Dynamoelektrischen Maschinen von Silvanus
P. Thompson. 6. Aufl. 1901 Halle a, S. Wilhelm Knapp.
3*
36 Der Induktor.
Spannungen vorkommen als bei den technischen Trans-
formatoren.
Geradeso wie auf einen daneben liegenden Leiter wirkt
aber der primäre Strom auch auf die Windungen seines
eigenen Stromkreises induzierend. Diese neben der Magneto-
induktion und Elektroinduktion vorhandene dritte Art von
Induktion, die ebenfalls schon von Faraday entdeckt wurde,
ist die Selbstinduktion. Tritt der primäre Strom in seine
Strombahn ein, so entsteht in derselben ein entgegengesetzt
gerichteter Strom, welcher den ersten zunächst schwächt.
Der primäre Strom gelangt daher nicht gleich zu seiner
vollen Stärke, sondern erlangt diese erst nach einer gewissen,
wenn auch kurzen Zeit. Wird der primäre Strom unter-
brochen, so wirkt wieder jede Windung auf die andere in-
duzierend und es entsteht nunmehr ein zweiter Induktions-
strom, welcher dem primären gleichgerichtet ist. Da aber
beim Oeffnen die Aenderung in der Intensität des primären
Stromes sehr viel rascher eintritt als beim Schließen, so er-
hält der hierdurch induzierte Strom eine sehr viel höhere
Spannung, welche an der Unterbrechungsstelle als Oeffnungs-
funke sich bemerkbar macht. Die in der eigenen Strombahn
induzierten Ströme werden Extraströme genannt. Während
der Schließnngsextrastrom, ohne direkte Wirkungen nach
außen auszulösen, nur in der Schwächung und Verzögerung
des primären Stromes sich bekundet1), tritt das Vorhandensein
des Oeffnungsextrastromes in der Funkenbildung deutlich in
die Erscheinung.
Diese Funkenbildung hat mehrfache Ue beistände im Ge-
folge. Einmal werden hierdurch Teile der Unterbrechungs-
stelle losgerissen, und diese selbst bei längerem Gebrauch
rauh alsc zum guten Stromschluß ungeeignet gemacht.
Ferner bildet der Funke eine Verlängerung in der Dauer
des primären Stromes, welcher ja doch möglichst rasch
zu vollständigem Verschwinden gebracht werden soll.
Schließlich, gleicht sich auch ein Teil der heranströmenden
Elektrizitätsmengen durch den Funken aus, so flutet doch
ein anderer Teil zurück in die primäre Rolle und schwächt
deren Induktionswirkung auf die sekundäre. Hier schafft
der von Fizeau eingeführte Kondensator Abhülfe. Der-
1) Ueber den Nachweis desselben s. Edlund in Poggendorffs
Annalen Bd. 77 S. 161, auch Müller-Pouillet 1890 Bd. 3 S. 857.
Der Induktor. 37
selbe stellt bekanntlich eine vielfach geschichtete Frank-
lin'sehe Tafel dar, welche so angelegt wird, daß ihre beiden
Belegungen parallel zum Unterbrecher liegen und somit die
Funkenstrecke umfassen. Die Elektrizitätsmengen, welche
durch den Oeffhungsextrastrom in Bewegung gesetzt worden
sind, werden vom Kondensator aufgenommen, es findet kein
Zurückfluten und keine oder nur geringe Funkenbildung statt,
und die Wirkung des ganzen Apparates wird eine höhere.
Ob diese von altersher in den Lehrbüchern enthaltene Er-
klärung der Wirkung des Kondensators die beobachteten Tat-
sachen schon erschöpft, konnte zweifelhaft erscheinen.
Denn wenn in der Tat der einzige Zweck des Kondensators
wäre, eine große Menge in Bewegung gesetzter Elektrizität
aufzunehmen, so könnte er vielleicht zu klein, aber kaum zu
groß genommen werden. Nun hat unter Andern B. Walter1)
durch genaue Messungen von einem 30 cm Induktor von
Max Kohl-Chemnitz festgestellt, daß für ein gegebenes Ver-
hältnis der beiden Spulen' ein Kondensator von ganz be-
stimmter Kapazität erforderlich ist, um die größte Funken-
länge zu erhalten. Es ergab sich bei stufenweiser Vergröße-
rung des Kondensators zunächst ein sehr rasches Ansteigen
der Funkenlänge, welche bei 0,22 Mikro-Farad ihren höch-
sten Betrag von 30 cm erreichten. Bei weiterer Steigerung
der Kapazität jedoch ging die Länge der Funken langsam
wieder herunter. Hieraus folgt, daß bis zu einer gewissen
Größe der Kapazität der Kondensator tatsächlich in der
bisher angenommenen Weise wirkt, indem er den Oermungs-
extrastrom in sich aufnimmt, dadurch den Oeffnungsf unken
schwächt und die Dauer des Oerfhungsstrom.es kürzt. Wird
aber die Kapazität vergrößert, so entwickeln sich Schwin-
gungen, welche mit noch weiter zunehmender Kapazität
immer langsamer werden und die Unterbrechung des primären
Stromes wieder verzögern. Diese Schwingungen wurden mit
Hilfe einer Braun' sehen Kathodenstrahlenröhre 2) von Walter
im rotierenden Spiegel direkt nachgewiesen.
Wichtige Untersuchungen für den praktischen Aufbau
von Induktorien verdanken wir Klineelfuss3). Er stellte
1) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 62 S. 300.
2) Ueber die Kathodenstrahlen-Röhre siehe Braun in Wiede-
manns Annalen 1897 Bd. 60 S. 552.
3) Annalen der Physik 4. Folge 1901 Bd. 5 S. 837.
38 Der Induktor.
das Verhältnis fest, welches zwischen der Anzahl der pri-
mären und sekundären Windungen, sowie der Kapazität des
Kondensators und der Stromstärke bestehen muß, um in der
sekundären Spule die höchsten Wirkungen bei niedrigster
Spannung zu erhalten. Es ist nach den gefundenen Grund-
sätzen möglich, für Induktoren bis zu 1 m Funkenlänge alle
Größen derart vorauszubestimmen, daß die geforcierte Leistung
mit Sicherheit erreicht wird. Dabei ist die Zahl der Win-
dungen im Vergleich mit andern, dieselbe Leistung zeigenden
Apparaten eine sehr geringe, sodaß es wieder möglich ist,
Draht von größerem Querschnitt zu verwenden. Durch die
Verwendung kürzeren und dickeren Drahtes ist der Wider-
stand sehr gering. So hat eine sekundäre Spule, weiche
35 cm lange Funken liefert, nur 3250 Ohm Widerstand, eine
für meterlange Funken nur 86000 Windungen mit 40000 Ohm
Widerstand.
Die Spannungen, welche an der Sekundärklemme des
Induktors auftreten, sind sehr erhebliche. Nach Thompson
beträgt die Potentialdifferenz bei 2 cm Schlagweite 31350 Volt,
bei 20 cm 130000 Volt, bei 1 Meter 650000 Volt. Für
praktische Röntgenzwecke werden gewöhnlich Apparate von
30 — 40, auch 50 cm Funkenlänge verwendet. Man kann
somit annehmen, daß man es bei ihnen mit Spannungen von
etwa 200000 bis 300000 Volt zu tun hat.
Die Größe der Apparate richtet sich nach den von ihnen
verlangten Leistungen. Innerhalb der Militärlazarette werden
die größten Anforderungen gestellt, da es sich hier aus-
schließlich um die kräftigsten, ausgesuchtesten Leute handelt,
deren lebensfrische Gewebe der Durchstrahlung viel größeren
Widerstand entgegensetzen als die in Zivilkrankenhäusern
vielfach vorhandenen Kinder und dekrepiden Menschen.
Seitens der Fabrikanten werden namentlich aus Billigkeits-
rücksichten noch häufig Apparate zu 20 — 25 cm Schlagweite
empfohlen. Dieselben sind unter Berücksichtigung der oben
erwähnten Tatsachen für militärische Zwecke durchaus zu
widerraten. Soweit die Einrichtungen bis jetzt entwickelt
sind, müssen Induktoren von mindestens 35 — 40 cm Schlag-
weite unbedingt gefordert werden.
Der Unterbrecher.
39
II. Der Unterbrecher.
Die Unterbrechungen des primären Stromes können
natürlich nicht mit der Hand ausgeführt werden, sondern
hierzu sind besondere selbsttätig arbeitende Apparate nötig,
deren Vervollkommnung für die Röntgentechnik von ganz
besonderer Wichtigkeit gewesen ist. Bei Beginn der Röntgen-
ära war nur eine kleine Zahl von Konstruktionen vorhanden,
welche für die nur kurze Zeit dauernden Lab Oratoriums ver-
suche ausgereicht hatten, aber den nun erfolgenden lang
dauernden Beanspruchungen nicht gewachsen waren.
A. Einfache Unterbrecher.
Die einfachste Vorrichtung ist der bekannte von de la
Rive in Genf und Wagner in Frankfurt a. M. erfundene
magnetische Hammer, bei welchem ein Anker angezogen, die
"Wagner'scher Hammer mit Doppelfeder nach Poggendorff.
ihn tragende in der Strombahn liegende Messingfeder von
einem Kontakt entfernt und hierdurch der Strom unterbrochen
wird. Der Apparat ist gewöhnlich auf dem Grundbrett des
Induktors vor dem Eisenkern montiert, kann jedoch auch
als selbständiger Apparat angeordnet werden. Er liegt immer
40
Der Unterbrecher.
im Hauptstrom und vermag etwa 20 Unterbrechungen in der
Sekunde zu leisten. Die Kontakte an der Unterbrechungs-
stelle sind mit Platin belegt, was bei geringen Stromstärken
und kürzerem Gebrauch für lange Zeit gutes Funktionieren
gewährleistet. Dem Uebelstand, daß sofort beim Strom-
schluß der Anker angezogen wird, der Strom also längere
Zeit unterbrochen als geschlossen ist, hat schon Poggen-
dorf durch Anbringen einer zweiten, auf der ersten parallel
aufsitzenden Feder abgeholfen.
Dieser Apparat hat unstreitig den Vorzug großer Ein-
fachheit. Er arbeitet in jeder Lage, bedarf keiner be-
sonderen Wartung und zur Regulierung nur des Anziehens
einer der Messingfeder gegenüberstehenden Schraube. Er
Fig. 4.
Präzisions-Platin-Unterbrecher von Dr. Max Levy.
empfiehlt sich durch diese Eigenschaften namentlich auch für
transportabeln Gebrauch, und von vielen Konstrukteuren ist
versucht worden, ihn durch stärkere Bauart und Abänderung-
einzelner Teile, namentlich der Feder, stärkeren Strömen und
längeren Beanspruchungen gegenüber ]eistungsfähig auszuge-
stalten. Wenn auch hierdurch zweifellos manche Verbesse-
rungen erreicht sind, z. B. in der durch D. R. G. M. ge-
schützten Form von Levy, so können derartige Apparate
•heutzutage doch nur noch als ein Notbehelf gelten. Die
Elastizität der Federn ist eine beschränkte. Bei den längeren
Arbeiten mit stärkeren Strömen, wie sie bei Röntgenauf-
nahmen notwendig werden, leiden die Kontakte. Durch die
entstehenden Funken werden kleine Partikel selbst vom
Der Unterbrecher.
41
Platin losgerissen, verdampfen und verzögern die Stromunter-
brechung. Die Berührungsflächen werden uneben, wodurch
der Stromschluß erschwert und vermehrter Anlaß zur Funken-
bildung, wohl auch zu kurz dauerndem Zusammenbacken der
Kontakte gegeben wird. Das Ergebnis ist ein unregelmäßiges
Arbeiten und flackerndes Leuchten der Röhren, dem nur
durch häufiges Abfeilen oder Ersetzen der Kontakte abge-
holfen werden kann.
Der Unterbrecher von Deprez besitzt als Hauptteil- ein
Stück weichen Eisens, welches um eine vertikale oder hori-
Fig. 5.
Deprez-Untefbrecher.
Stromkreis geöffnet und alsdann das
welche mit regulierbarem
zontale Achse leicht drehbar ist und dessen eines Ende von dem
Magneten des Induktionsapparates angezogen werden kann
Hierdurch wird der
Eisenstück durch eine Feder
Druck auf das andere Ende wirkt, in die Anfangslage zurück-
geführt. Wenn auch die Schwingungen des Eisens rascher
wie beim Wagner'schen Hammer erfolgen (bis 45 mal in
der Sekunde), so hat doch die Bewegungsfähigkeit der
Feder eine Grenze, und die Stromunterbrechung erfolgt
wieder an metallischen Kontakten, sodaß für Dauerbean-
spruchung ebenfalls dieselben Bedenken und Schwierigkeiten
entstehen wie bei jenem einfacheren Instrument. Auch der
42
Der Unterbrecher.
Deprez -Unterbrecher wird daher nur noch vereinzelt ange-
wandt, namentlich in Fällen, in denen der ganze Apparat
nur zu kurz dauernden Arbeiten bestimmt ist, und besonders
für transportable, also möglichst leichte Apparate empfohlen.
Da sowohl beim Wagner 'sehen Hammer als beim
Deprez-Unterbrecher die schwingende Feder nur auf einer
Seite Kontakt gewinnt, somit während einer ganzen Schwingung
nur einmal den Strom schließt, suchte F. Dessau eK
Aschaffenburg1) die Leistung des Unterbrechers zu verdoppeln,
indem er auch der zweiten Hälfte der Schwingung einen
Fig. 6.
t[
EM
Deprez-Unterbrecher von Siemens u. Halske.
Kontakt gegenüberstellte. Trotzdem man ein „Kleben" der
Federn hierbei annehmen möchte, soll durch die Elastizität
derselben doch das Hin- und Herschwingen gesichert, die
Kontaktzeit besonders lange ausgenutzt und die Wirksamkeit
des Apparates wesentlich vermehrt sein. Daß derselbe
weitere Verbreitung gefunden, ist nicht bekannt geworden.
Um den Stromschluß für längere Zeit sicherer zu ge-
stalten, ist eine andere Klasse von Unterbrechern konstruiert,
bei welcher eine Metallnadel in Quecksilber taucht. Die
Wirkung muß hier eine bessere werden, da das Quecksilber
stets in vollen Kontakt mit der stromführenden Nadel treten
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II
S. 150.
Der Unterbrecher.
43
kann. Zum schnelleren Auslöschen des Funkens wird das
Quecksilber mit Wasser, Petroleum oder Alkohol üb er schichtet.
Letzterer gibt wohl die beste Wirkung und läßt eine leichte
Reinigung zu.
Das Eintauchen der Nadel kann in verschiedener Weise
bewirkt werden. Bei dem Apparat von Stöhrer1) ist die
Nadel einfach an einer Verlängerung der den Anker tragen-
den Feder befestigt und liegt mit dem den Anker bewegenden
Elektromagneten im Primärstromkreis.
Bei anderen Konstruktionen werden zwei Stromkreise an-
gewendet, der primäre, welcher unterbrochen werden soll,
und ein Hilfsstrom, welcher den die Nadel bewegenden
Fig. 7.
Quecksüber-Interruptor nach Stöhrer.
Magneten erregt. Der den Anker tragende Teil ist dann
meist ein starrer Messingbalken, welcher um einen Dreh-
punkt schwingend auf der einen Seite vom Magneten nieder-
gezogen und durch eine regulierbare Feder auf der anderen
Seite wieder gehoben wird.
In dieser einfachen Ausführung hat der Apparat viele
Mängel. Der Ausschlag der Nadel ist nur ein geringer. Das
Quecksilber gerät notwendigerweise in Bewegung, auf seiner
Oberfläche bilden sich Wellen, durch welche verursacht wird,
daß einmal die Nadel aus einem Wellenberge nicht heraus-
tritt, während sie ein andermal bei vorliegendem Wellental
1) Müller-Pouillet, Lehrbuch der Physik, 9. Aufl. Bd. III
S. 873.
u
Der Unterbrecher.
das Quecksilber nicht erreicht. Auch kann sich ein Queck-
silberfaden bilden, welcher mit der Spitze der Nadel in Ver-
bindung bleibend die Stromöffnung für einige Zeit überhaupt
verhindert. Das Quecksilber vermag eben den Bewegungen
der Nadel nicht mit der ausreichenden Schnelligkeit zu folgen.
Hierdurch entsteht ein unregelmäßiges, sehr störendes Arbeiten
der leuchtenden Röhre, welchem auch durch Hilfsmittel wie
z. B. Einlegen eines Metallringes in das Quecksilber, wo-
Fig. 8.
Foucault's Intemvptor.
durch die Wellenbewegung unterbrochen werden soll, nicht
genügend abgeholfen wird.
Abweichend hiervon ist der Interruptor von Foucault
eingerichtet.
Der wagerechte Balken ist an einer senkrecht stehenden
Feder befestigt und trägt in deren Verlängerung einen runden
Metallstab, an welchem ein Gewicht in beliebiger Höhe ein-
gestellt werden kann. An der einen Seite der Feder trägt
der Balken den Anker, an der andern zwei senkrecht
Der Unterbrecher.
45
stehende, in Quecksilbergefäße tauchende Stifte. Beide Ge-
fäße können in beliebiger Höhe eingestellt werden. In dem
einen wird der Hauptstrom der primären Spule unterbrochen,
in dem andern der den Magneten speisende Hilfsstrom. Bei
einer Schwingung des Wagebalkens wird der Strom, wie er-
sichtlich, einmal unterbrochen.
Eine erhebliche Verbesserung der Wirkung wird erzielt
durch die auf ähnlichem Prinzip beruhende schnellschwingende
Quecksilberwippe von Siemens & Halske. Hier' erfolgt
durch einen Magneten ein schnelles Oszillieren eines um
Fig. 9.
Quecksilberwippe von Siemens & Halske.
eine wagerechte Achse zwischen den Polen beweglichen
Ankers, der einen nach beiden Seiten verlängerten Wage-
balken trägt. Von jedem Ende des letzteren geht ein Kupfer-
draht nach abwärts in ein nach der Höhe verstellbares Gefäß,
welches mit Petroleum überschichtetes Quecksilber enthält.
Beide Gefäße sind leitend mit einander verbunden. Der Strom
wird dem Wagebalken zugeführt nnd geht durch die Nadeln
und das Quecksilber zurück. Da die beiden Quecksilber-
gefäße nur einen Pol bilden, wird der Strom bei jeder
Schwingung des Balkens* zweimal unterbrochen, somit die
Wirkung gegen den Apparat von Foucault verdoppelt. Der
zum Betrieb der Wippe erforderliche Strom beträgt nur 0,1
bis 0,2 Ampere.
46 Der Unterbrecher.
B. Motorunterbrecher.
In dem Bestreben, einerseits die Zahl der Unter-
brechungen zn steigern, andererseits die zum Antrieb' not-
wendige Kraft möglichst zu verringern, sind einige Kon-
struktionen angegeben, bei welchen ein mit Spitzen ver-
sehenes stromführendes Metallrad durch Quecksilber hindurch
bewegt wird. Im Juli 1897 beschrieb F. Hofmeister-
Tübingen1) einen Quecksilberunterbrecher, bei welchem ein
kleiner Elektromotor eine Welle dreht, an welcher ein drei-
strahliger Stern aus Nickelin mit Platinspitzen und ein
kapfernes Vollrad sitzen. Beide tauchen in je ein Glasgefäß,
welches bis zu einer bestimmten Höhe mit Quecksilber ge-
füllt ist. Letzteres ist in dem Gefäß für den Stern noch
mit Wasser überschichtet. Die Achse des Motors, der durch
eine besondere Stromquelle angetrieben wird, ist gegen die
übrige Welle isoliert und kann an dieser Stelle leicht durch
Lösen einer Kuppelung von letzterer getrennt werden. Der
Strom der primären Spule gelangt in das eine Q.uecksilber-
gefäß, wird durch die in das Quecksilber schlagenden Platin-
spitzen des Sternes geschlossen und auf dem Wege über die
Welle, die massive Kupferscheibe und das Quecksilber des
anderen Gefäßes zurückgeleitet. Die Unterbrechungszahl soll
sich von 5 bis 60 in der Sekunde abstufen lassen, der
Unterbrecher mit Motor kostet bei dem Mechaniker Schur -
Tübingen nur 60 Mark.
Im März 1898 beschrieb Hauswald2) ein Abänderung
des Apparates, wobei der dreischenklige Stern aus Silber
gearbeitet und jeder Schenkel knieförmig umgebogen und
zweischneidig zugeschärft war. Der Apparat soll ganz ge-
räuschlos arbeiten und stärkere Ströme bis 10 Ampere ver-
tragen.
Von Thor Stenbeck und Balke - Stockholm3) ist ein
ähnlicher Apparat angegeben, bei welchem statt der runden
Stifte eine in zwei flache Spitzen auslaufende Scheibe durch
das Quecksilber geführt wird. Die flache schneidenartige
Form der Arme soll das Eintauchen erleichtern und ein Ver-
spritzen sowohl des Quecksilbers als auch des darüber ge-
1) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 62 S. 379.
2) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 65 S. 479.
3) Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 26.
Congress 1897 S. 55.
Der Unterbrecher.
47
schichteten Alkohols verhindern. In der Minute sollen leicht
bis 2000 Unterbrechungen zu erhalten sein.
Ein hiermit ziemlich übereinstimmender Apparat wurde
von Dr. Stenbeck dem Röntgenkabinett im Garnisonlazarett I
Berlin im Jahre 1897 zur Verfügung gestellt. Hier war die
Achse eines kleinen Motors nur durch einen übergestreiften
Gummischlauch mit einer Welle gekuppelt, welche die Wand
eines Becherglases horizontal durchsetzte und am freien
Fiff. 10.
Motor-Unterbrecher von Thor Stenbeck.
Ende zwei zugespitzte schneidenartig zusammengedrückte
Arme trug. Der primäre Strom wurde dieser Welle außen
durch eine Kontaktfeder zugeführt und durch einen in das
Quecksilber eingetauchten Kupferbügel zurückgeleitet. Es
war also hierbei nur ein etwa 1300 ccm großes Gefäß vor-
handen, dessen Boden mit Quecksilber bedeckt und das im
übrigen etwa zur Hälfte mit Spiritus angefüllt wurde.
Es zeigte sich, daß die Antriebskraft in der Tat nur
minimal zu sein brauchte, sowie daß die Unterbrechungen
48 Der Unterbrecher.
regelmäßig , erfolgten und gut regulierbar waren, jedoch
machte die Dichtung der durch die Glaswand gehenden Welle
gegen den überschichtenden Alkohol Schwierigkeiten.
Einen erheblichen Fortschritt in der Technik des Strom-
unterbrechens stellen diejenigen Apparate dar, bei welchen
durch einen rotierenden Elektromotor eine Kupfernadel rasch
und gleichmäßig in senkrechter Richtung auf- und abbewegt
wird und durch ihr Eintauchen in Quecksilber den Strom
schließt. Durch passende Wahl des die Nadel tragenden
Exzenters kann ihre Exkursion beliebig groß gemacht und so
eingerichtet werden, daß ein regelmäßiges Eintauchen in das
Quecksilber unter allen Umständen gesichert ist. Die bei
den früher beschriebenen Apparaten erwähnten so sehr stören-
den Wellen auf der Oberfläche des Quecksilbers sind hierbei
ohne Belang. Durch Heben oder Senken des Gefäßes kann
die Dauer des Stromschlusses aufs feinste reguliert werden. Der
Elektromotor verlangt keine andere Bedienung als ein zeit-
weises Oelen. Das wie gewöhnlich mit Alkohol überschichtete
Quecksilber wird zwar durch die Stöße der Nadel und die
Funkenbildung zerstäubt, jedoch ist bei der gewöhnlichen
Größe der Gefäße (etwa 200 ccm Quecksilber und 500 ccm
Alkohol) ein Reinigen selbst bei täglichem Gebrauch in militäri-
schen Röntgenkabinetten nur alle 3 — 4 Wochen erforderlich. x)
Von Dumstrey und Metzner2) ist empfohlen, anstatt
mit dem stehen bleibenden und sich verunreinigenden Alkohol
1) Das Reinigen geschieht am besten durch Ausgiessen des Queck-
silbers in ein hohes Gefäss und mehrmaliges Durchspülen an der Wasser-
leitung. Den Rest von Schlamm und Wasser entfernt man durch Hinein-
bringen von Stückchen Fliesspapier mittelst eines Holzstäbchens. Die
vollkommene Entfernung des Wassers ist wichtig, weil durch Zurück-
bleiben desselben die Wirkung des Alkohols geschwächt wird. Das
Unterbrechergefäss wird ebenfalls mit Fliesspapier, das man in durch
Schwefelsäure angesäuertes Wasser tauchen kann, gut ausgerieben und
nachher sorgfältig ausgespült und getrocknet. Uebertriebene Sorgfalt
braucht man auf die Entfernung der letzten Reste des schwarzen An-
fluges nicht zu verwenden, da er sich beim Arbeiten sofort wieder bildet.
Den, alten Alkohol giesst man am besten fort, da er aus der Luft
Wasser aufgenommen hat.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1897 Bd. I.
S. 115.
Der Unterbrecher.
49
das Quecksilber mit Wasser zu überscliichten, welches während
des Betriebes an die Wasserleitung angeschlossen, hierdurch
fortwährend erneuert wird und jeden sich bildenden Schlamm
fortspült. Allerdings wird auf diese Weise stets eine Schicht
klarer Flüssigkeit gewährleistet, auch ist der Verlust an
Quecksilber nicht in Rechnung zu ziehen. Das Wasser aber
ist ein sehr viel bessere]- Stromleiter als Alkohol, man hat
daher dauernd mit beträchtlichen Stromverlusten zu rechnen.
Fie. 11.
Motorunterbrecher von Siemens u. Halske,
Die Wirkung dieser Apparate war eine wahrhaft er-
lösende, da man zum ersten Mal ein Instrument in der
Hand hatte, welches, einmal einreguliert, jeden Augenblick
mit voller Sicherheit arbeitet und auch in Bezug auf die
Schnelligkeit der Unterbrechung weiten Spielraum bietet. In
der Sekunde werden bis 50 Unterbrechungen erreicht.
Die von den einzelnen Firmen konstruierten Motor-
unterbrecher weichen sowohl in Bezug auf die Größe des
Motors und die Stärke der arbeitenden Teile wie auch hin-
sichtlich der Anordnung und der Ueb ertragung der wirksamen
Stecliow, Das Köntsren-Verfaliren. A
iui är 50/ iuoo Der Unterbrecher.
Kraft auf djgrden Strom schließende Kupfernadel nicht un-
^.i jifeeträchtlien von einander ab. Indessen ist der Hauptgedanke
der Konstruktion stets ein so deutlich erkennbarer, daß man
sich bei allen Mustern leicht zurechtfinden kann und eine
eingehende Beschreibung der verschiedenen
daher hier entbehrlich erscheint. Es
Ausführungen
mag nur darauf hinge-
Fm. 12.
Rotierender Unterbrecher für Akkumulatorenbetrieb von Max Kohl.
wiesen werden, daß man gut tut, ein nicht zu kleines Modell
zu wählen, da kräftiger gearbeitete Teile weniger empfindlich
sind, auch ein größeres Quecksilbergefäß mehr Schutz gegen
Arerspritzen der Flüssigkeit gewährt und ein selteneres
Reinigen benötigt. Die folgenden Abbildungen zeigen die
bekanntesten Typen der Motorunterbrecher. An den Appa-
Der Unterbrecher.
51
raten von Max Kohl- Chemnitz sind vielfach Tachometer an-
gebracht, welche gestatten, jederzeit während des Betriebes
die Unterbrechungszahl exakt abzulesen.
Von F. Ernecke - Berlin ist ein Unterbrecher angegeben
(Fig. 17), bei welchem ein horizontal gelagerter Motor auf
Fie, 13.
dotierender Unterbrecher zum Anschluss an Lichtleitungen mit Gleich-
strom von 110 Yolt Spannung von Max Kohl.
beiden Enden seiner Achse einen in Quecksilber tauchenden
Stift trägt. Da die Achsen der Stifte um 180° versetzt
sind, erfolgen bei einer Umdrehung des Ankers zwei Unter-
brechungen, somit die doppelte Zahl wie bei den nur einseitig
wirkenden Apparaten.
Auf einem ganz anderen Prinzip beruht der Unter-
4*
52
Der Unterbrecher.
Fig. 14.
Motorunterbrecher der Voltohm-Elektrizitäts-Gesellschaft.
Fig. 15.
Motor-Unterbrecher von Hirschmann.
Der Unterbrecher.
53
brecher von Edison1). Ein kleiner Gleichstrommotor treibt
eine Achse mit zwei darauf festsitzenden Zahnrädern an. Die
Zähne haben Kontakt mit zwei gegenüberstehenden flachen
Bürsten, durch welche* der Strom ein- und austritt. Zu
gleicher Zeit setzt der Motor aber noch ein Gebläse in Bewegimg,
1) Katalog der Edison Manufacturing Co.
54
Der Unterbrecher.
Fig. 17.
o
Quecksilber-Unterbrecher mit Doppel-Wechsel-Kontakt (Quecksilber-Rapid-
. Unterbrecher) D. R. G. M. nach Ferdinand Ernecke.
dessen Luftstrom in zwei Röhren bis unmittelbar an die
Bürsten geleitet wird und die entstehenden Funken augen-
blicklich auslöscht. Hierdurch wird eine sehr rasche Unter-
brechung und damit hohe Spannung im sekundären Strom-
kreise gewährleistet, welche den Gebrauch besonders harter,
durchdringende Strahlen liefernder Röhren ermöglichen soll.
Die originelle Einrichtung wird mit dem Namen Instantaneous
Der Unterbrecher. 55
air-break-wheel apparatus bezeichnet. Ob sie außerlialb
Amerikas Anwendung gefunden, ist nicht bekannt geworden.
C. Beck - New York x) ist von den damit erzielten Erfolgen
sehr befriedigt.
C. Turbinenunterbrecher.
Obwohl die vorher genannten Motorunterbrecher ein voll-
kommen verläßliches Werkzeug darstellen, mit welchem man
den Anforderungen an die Röntgentechnik Genüge tun kann,
erschien es wünschenswert, für spezielle Zwecke noch
raschere Unterbrechungen zu erzeugen. Solche kamen in
Frage für Durchleuchtungen, bei welchen für das Auge eine
dauernd gleichmäßige Helligkeit erzeugt werden muß, für die
Anwendung hochgespannter Ströme von 110 oder 220 Yolt
aus Zentralen, ferner behufs Abkürzung der Expositionszeit.
Diesen Anforderungen konnte der Motorunterbrecher mit
seinen hin- und herschwingenden Teilen nicht genügen. Die
Aufgabe wurde zuerst von Boas2) im Jahre 1898 gelöst
durch Anwendung eines ganz neuen Prinzips, welches darin
besteht, daß ein Elektromotor eine hohle, an ihrem unteren
Ende mit einer Turbine versehene Metallwelle dreht, welche
oberhalb an einer Seite eine von der Mittellinie entfernte
Oeffnung besitzt. Hierdurch entsteht ein knieförmig ge-
bogenes Rohr. Der hohle Fuß stellt in Quecksilber, hebt
bei der Drehung dasselbe in die Höhe und schleudert es
durch die seitliche Oeffnung in feinem Strahl an die gegen-
überliegende Wand. Hier trifft der mit dem einen Pol verbundene
Strahl auf die Zähne eines Rades, welche abwechselnd leitend
und nicht leitend sind, und wird so zur Batterie zurück-
geführt. Durch Einfügung von Radkränzen mit verschiedener
Breite der Zähne und verschiedene Regulierung des Motors
lassen sich weitgehende Abstufungen der Unterbrechungszahl
erzielen, welche von 10 bis 1500 in der Sekunde betragen
können. Da übrigens mit dem Einsetzen anderer Radkränze
immer ein Auseinandernehmen des ganzen Apparates ver-
bunden ist, muß für das praktische Arbeiten hiervon meist
abgesehen werden.
1) Die Röntgenstrahlen im Dienste der Chirurgie. München
1902, Seitz u. Schauer, S. 10.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. IL
S. 114.
56
Der Unterbrecher.
Fig. 18.
Turbinen-Unterbrecher für Gleichstrom der Allgemeinen Elektrizitäts-Ge-
sellschaft Berlin.
Fig. 19.
Turbinen-Unterbrecher für Gleichstrom der Allgemeinen Elektrizitäts-Ge-
sellschaft Berlin.
Der Unterbrecher ist meist mit Gleichstrommotor aus-
gerüstet. In diesem Fall ist die Regulierbarkeit eine sehr
vollkommene, da sowohl die Geschwindigkeit des Motors als
auch die Stärke des Primärstromes leicht verändert wer-
den kann.
Der Unterbrecher.
Fig. 20.
57
Turbinen-Unterbrecher für Wechselstrom der Allgemeinen Elektrizitäts-
Gesellschaft Berlin.
Fig. 21.
Quecksilberstrahlunterbrecher nach Dr. Max Levy.
Eine andere Ausführung ist für Wechselstrom bestimmt.
Hier muß der Motor erst durch ein Hilfsrad von Hand an-
gedreht werden, bis die den Perioden des Wechselstromes
(meist 50 in der Sekunde) entsprechende Geschwindigkeit er-
reicht ist. Diese Geschwindigkeit kann dann nicht mehr
58
Der Unterbrecher.
52
. Der Unterbrecher. 59
verändert werden. Die Regulierung erfolgt nur durch Be-
einflussung des Primärstromes.
Obwohl das Andrehen des Motors einen kleinen Aufent-
halt verursacht und nur die Stärke des Primärstromes ge-
ändert werden kann, läßt sich auch mit dem Wechselstrom-
unterbrecher nach kurzer Zeit gut und sicher arbeiten. Da
der Motor selber sehr wenig Kraft gebraucht und wenig Ge-
räusch macht, kann man ihn nach der ersten Ingangsetzung
während der ganzen Arbeitszeit in Bewegung lassen. •
Von Dr. Max Levy-Berlin1) ist ein „Quecksilberstrahl-
unterbrecher" angegeben, bei welchem die durch einen
Elektromotor angetriebene Welle eine Kapselräderpumpe mit
zwei Zahnrädern in Bewegung setzt. Hierdurch wird das
Quecksilber gehoben und durch eine horizontal gerichtete,
an der Drehung nicht teilnehmende Düse ausgespritzt. Auf
der Welle befindet sich ein Metallkranz mit nach unten ge-
richteten, auswechselbaren Zähnen, welche bei ihrer Drehung
den Quecksilberstrahl schneiden und so jedesmal Stromschluß
bewirken. Die Zähne sind nach unten abgeschrägt ähnlich
wie bei einer Säge und können einzeln in beliebiger Zahl
eingesetzt werden. Durch eine auf dem Yerschlußdeckel an-
gebrachte Schraube läßt sich die Ausspritzöffnung'
heben oder senken, wodurch infolge der Gestalt der
Zähne die Dauer des Stromschlusses in weiten Grenzen ver-
ändert und der jedesmal zur Verfügung stehenden elektro-
motorischen Kraft angepaßt werden kann. Die Achse kann
mit 300 bis 1000 Umdrehungen p. M. laufen. Setzt man
also einen Zahn ein, so erhält man 300 Unterbrechungen,
bei 24 Zähnen bis 24 000 in der Minute. Der Unterbreche^
der in Petroleum läuft und ebenfalls nur selten eine Reini-
gung erfordert, ist also ohne Verschwendung von Energie
in Widerständen in hohem Grade anpassungsfähig.
Nach einem ähnlichen Prinzip ist ein „Zentrifugen-Queck-
silberunterbrecher mit kontinuierlich fließendem Quecksilber-
strahl" von W. A. Hirschmann konstruiert2). Die senkrecht
stehende, unten hohle Welle hebt das Quecksilber in ein fest-
stehendes Gefäß, dessen unterer Rand so aufgebogen ist,
daß eine gewisse Menge Quecksilber darin Platz findet. Durch
1) Elektrotechnische Zeitschrift 1899 S. 717.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1898 Bd. II
S. 187.
60
Der Unterbrecher.
ein Loch am Boden dieses Randes fließt nun dauernd ein
feiner Strahl, welcher als Anode dient, nach unten und
trifft hier auf einen Kontakt, welcher den Strom zurückleitet.
Gleichzeitig mit der Welle rotiert eine an dieser befestigte
Scheibe, welche verschiedene Ausschnitte trägt, in horizontaler
Richtung, durchschneidet mit ihren Zähnen den Quecksilber-
strahl und unterbricht auf diese Weise den Strom.
Bei einer anderen Konstruktion derselben Firma (rotieren-
der Unterbrecher mit Gleitkontakten) wird eine unten hohle
Welle durch einen Elektromotor angetrieben. Das untere
Der Unterbrecher.
61
Fig. 26.
Fig. 27.
Rotierender Unterbrecher mit Gleitkontakten von W. A. Hirschmann
D.R.P. 116 246 und 121597.
62 Der Unterbrecher.
Ende derselben trägt außen Metallkontakte, deren Zahl ver-
ändert werden kann und welche bei der Umdrehung an einem
feststehenden Kontakt schleifen, dessen Druck gegen die
Welle durch eine Feder regulierbar ist. Von dem am Boden
befindlichen Quecksilber wird nun ein kleines Quantum ge-
hoben und gleichmäßig über die Kupferkontakte verteilt,
welche daher dauernd amalgamiert und somit gut strom-
leitend erhalten werden. Durch die exzentrische Stellung
der rotierenden Welle soll jede Trichterbildimg im Alkohol
und somit die Gefahr der Explosion sicher vermieden werden.
Der Apparat hat sich als zuverlässig bewährt.
D. Elektrolytische Unterbrecher.
Einen weiteren Fortschritt in der Unterbrechertechnik
bedeutet der zuerst von Dr. A. Wehnelt - Charlottenburg1)
angegebene elektrolytische Unterbrecher, welcher mit staunens-
werter Einfachheit außerordentlich rasche und präzise Unter-
brechungen des Stromes ermöglicht. Er beruht auf der
längst bekannten Tatsache, daß, wenn Strom von erheblich
höherer Spannung als die entgegenwirkende Polarisations-
spannung ist, mittelst zweier Elektroden von verschiedener
Größe durch einen Elektrolyt geleitet wird, Licht- und
Wärmeerschemungen an der kleineren auftreten.
Der Aufbau ist folgender. In einem Glasgefäß befindet
sich Schwefelsäure von 20 — 25° Be. In die Flüssigkeit
taucht eine Bleielektrode von großer Oberfläche, der eine
andere von sehr kleiner, z. B. ein bis nahe zur Spitze iso-
lierter Platindraht gegenübersteht. Wird letztere zur Anode
gemacht und bei vorgeschalteter Induktionsspule ein Strom
von wenigstens 40 Volt hindurchgeleitet, so entsteht ein
surrendes Geräusch, welches Stromimterbrechungen bis 1700
in der Sekunde anzeigt. In den Flauptstrom des Induktors
eingeschaltet ergibt dieser einfache Unterbrecher eine außer-
ordentliche Kraft und Fülle der sekundären Funken, wobei
noch dazu der Kondensator fortgelassen werden muß,
sodaß eine wesentliche Vereinfachung der ganzen Einrichtung
eintritt.
Die Wirkung des Apparates wurde zunächst darauf
zurückgeführt, daß der Strom die kleine Anode momentan
1) Kurze Mitteilung in Elektrotechn. Zeitschrift 1899 S. 76, Aus-
führliche Untersuchung in Wiedemanns Annalen 1899 Bd. 68 S. 233.
Der Unterbrecher. 63
bis zur Weißglut erhitzt. Es tritt dann durch die Wärme-
und elektrolytische Wirkung Wasserverdampf nng und Zer-
setzung, eine Bildung von Knallgas ein, wodurch die Anode
mit einem Gasmantel umgeben und die Leitung sofort unter-
brochen wird. Durch die starke Wärmeentwicklung wird ein
großer Teil der im Strom zugeführten Kraft verbraucht, doch
ist dies ein Nachteil, der bei Anschluß an eine Zentrale und
gegenüber den sonstigen Vorzügen nicht ins Gewicht fällt.
Unbequem ist die rasche Erwärmung des Elektrolyten und
der Umstand, daß von 70° C. ab die Unterbrechungen un-
regelmäßig werden und schließlich ganz aufhören. Diesem
Uebelstande ist bei den neueren Konstruktionen begegnet
durch eine den Elektrolyten durchziehende, mit der Wasser-
leitung in Verbindung zu setzende Kühlschlange, sowie durch
Vergrößerung der Flüssigkeitsmenge auf 8 — 10 Liter.
Spätere Untersucher1) haben die ersten Angaben
Wehnelt's bestätigt und erweitert. Danach ist die Unter-
brechungszahl in der Sekunde abhängig von der Spannung,
der Größe der Platinanode, des vorgeschalteten Wider-
standes und der Selbstinduktion des Stromkreises. Durch Ein-
schalten beträchtlicher Selbstinduktion bei gleichbleibendem
Widerstände läßt sich die Unterbrechungszahl auf 10 — 12 in
der Sekunde herabdrücken, während sie andererseits bis auf
3000 gesteigert werden kann. Als Minimum der Spannung
wurden 25, sogar 12 Volt gefunden, sehr viel besser arbeitet
der Apparat aber mit höheren Spannungen, er eignet sich
daher ganz besonders zum unmittelbaren Anschluß an
städtische Gleichstromnetze. Von d'Arsonval, Thomson
und S win ton wird angegeben, daß der Unterbrecher ebenso
gut mit Wechselstrom als mit Gleichstrom arbeitet, jedoch
hierbei nur auf die Stromstöße einer Richtung anspricht.
Simon2) bestätigte, daß der WTehnelt immer nur in dem-
jenigen Kurventeile des Wechselstromes unterbricht, in dem
die Platinspitze Anode ist; wählte er jedoch die Funken-
strecke sehr klein (2 cm), so erfolgte auch Funkenbildung im
anderen Kmwenteile. Er stellte ferner fest, daß es sich
immer um Oeffnungsf unken handelt. Für den praktischen
Gebrauch hat sich jedoch der direkte Betrieb mit Wechsel-
1) S. Elektrotechn. Zeitschrift 1899 S. 363.
2) Wiedemanns Annalen 1899 Bd. 68 S. 273.
64 Der Unterbrecher.
ström nach Walter1) nicht bewährt. Ueber die Ver-
wendung des Grisson-Gleichrichters sowie die Schaltung
von Siemens & Halske (vorgeschaltete Funkenstrecke) ist
in dem Abschnitt über Stromquellen das Nötige zu finden.
Klupathy2) hat darauf aufmerksam gemacht, daß zur
Erziel ung eines solchen Effektes die Joule'sche Wärme allein
nicht hinreichend ist, daß vielmehr hierfür noch die Peltier-
sche Wärme als mitwirkend angesehen werden muß. Hier-
durch erklärt sich auch die Tatsache, daß der Apparat nur
bei einer Stromrichtung arbeitet. Ist die Drahtelektrode
Anode, so addieren sich die Joule'sche und Peltier'sche
Wärme und bringen die regelmäßige Bildung der isolierenden
und stromunterbrechenden Gashaube hervor. Ist sie dagegen
Kathode, so äußert sich der Peltier'sche Effekt in Ab-
kühlung, welche die Joule'sche Wärme herabsetzt und die
Unterbrechungen nur bei sehr starkem Strom zu stände
kommen läßt, wobei dann gleichzeitig in dem durch Elektro-
lyse erzeugten Knallgas ein Voltalichtbogen entsteht, der
eine rasche Verbrennung der Kathode zur Folge hat.
In der praktischen Ausführung sind folgende Fortschritte
zu verzeichnen. Der Platindraht wird mit einem Porzellan-
rohr umgeben und kann durch eine Schraube weiter vorge-
schoben und festgestellt werden. Von der seitlichen Ein-
führung in das Glasgefäß ist abgegangen, weil die Dichtung-
Schwierigkeiten macht. An Stelle eines einzigen von oben
eingeführten Drahtes werden jetzt meist drei genommen,
welche von verschiedener Dicke sind und verschieden weit
hervorragen. Hierdurch in Verbindung mit einer mehrfach
unterteilten Primärwickelung mit verschieden großer Selbst-
induktion und einem Regulierwiclerstand läßt sich die Unter-
brechungszahl in sehr großer Breite verändern.
Von Elihu Thomson und Robert Shand3) ist eine
Konstruktion angegeben, bei welcher die Drahtanode inner-
halb der Bleikathode herabgeführt ist, sodaß der ganze Bau
ein sehr kompendiöser wird. Besondere Vorteile dieser Kon-
struktion sind nicht bekannt geworden.
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1901 Bd. V
S. 13.
2) Ungar. Akademie der Wissenschaften (III. Klasse). Sitzung
am 26. 5. 02 nach Elelrtrotechn. Zeitschrift 1902 S. 892.
3) Elektrotechn. Zeitschr. 1899 S. 407.
Der Unterbrecher.
65
Von Wehnelt1) selber ist zu seinem ersten Patent vom
3. Januar 1899 ein Zusatzpatent vom 20. März 1901 er-
worben, wonach die Anode mit einer dünnen Schicht feuer-
1) Elektrotechnische Zeitschrift 1902 S. 931.
Stecliow, Das Röntsreu-Yerfahren.
66
Der Unterbrecher.
Fig. 29.
Sechsteiliger Wehnclt- Unterbrecher von Siemens u. Halske.
"beständigen Materials -z. B. Porzellan umgeben wird, sodaß
diese Elektrode kerzenartig abbrennt und der Draht seine
wirksame Länge selbsttätig auf gleicher Grösse erhält.
Bei den "neueren Konstruktionen des Wehnelt-Unter-
Der Unterbrecher. 67
brechers werden drei, ja von B. Walter1) selbst sechs
Platinstifte von verschiedener Länge und Dicke in isolierender
Hülle verwendet, wodurch eine weitgehende Abstufung in der
Zahl und Art der Unterbrechungen erzielt wird.
Die Firma Siemens & Halske verwendet bei ihren
gangbarsten Röntgeneinrichtungen, welche zum Anschluß an
Gleichstrom von 65 — 220 Volt bestimmt sind, einen drei-
teiligen We Im e lt - Unterbrecher mit zwei 3 mm starken
Platinstiften und einem solchen von 1 mm Stärke, welche
auf 3, 4 und 5 mm Länge eingestellt werden. Der 40 bis
50 cm Induktor besitzt eine dreifach unterteilte Primär-
wickelung. Der Schalttisch (oder die Schalttafel) enthält
außer Ausschalter, einem Strom- und Spannungszeiger, einer
roten Glühlampe und Sicherungen einen Regulierwiderstand,
welcher durch zwei Kurbeln um ca. 12 Ohm in Abstufungen
von 0,1 Ohm abgeändert werden kann, ferner einen Kom-
binationsschalter, welcher gestattet, die verschiedenen Ab-
teilungen der Primärwickelung passend mit den einzelnen
Platinstiften zusammenz tisch alten und fünf verschiedene Ab-
stufungen der Funkenlänge von ca. 10 bis 50 cm zu er-
zielen. Bei den vollkommensten Einrichtungen finden sich
an Stelle des Kombinationsschalters zwei getrennte Schalter,
welche eine noch größere Zahl von Abstufungen ermöglichen.
Bei Vorhandensein von Betriebsspannung über 150 Volt wird
noch ein Nebenschlußwiderstand parallel zum Induktor und
Unterbrecher geschaltet. Hierdurch wird der höchste Wert
der Spannung an den Enden der Primärspule und des Unter-
brechers soweit erniedrigt, daß der Strom in der Primärspule
verhältnismäßig langsam ansteigt und eine umgekehrte Ent-
ladung durch die Röntgenröhre vermieden wird.
W. A. Hirschmann2) hat in seinem „elektrolytischen
Unterbrecher mit Flächenkontakten" dem aus der Porzellan-
hülse heraustretenden unteren Ende des Platinstiftes eine
kleine Scheibe ebenfalls aus Platin aufgesetzt. Porzellan-
körper umgeben dieselbe und sind derartig aufgeschliffen
sowie mit Hilfe eines umgebenden Gestelles aus massivem
Kupfer angepreßt, daß keine Flüssigkeit in das Innere des
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1901 Bd. 5
S. 13.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1902 Bd. V.
S. 258.
68
Der Unterbrecher.
Porzellanrohres eintreten kann und der Kontakt mit dem
Elektrolyten auf die Peripherie der Scheibe beschränkt wird.
Hierdurch wird vermieden, daß die Säure längs des Platin-
stiftes nach oben kriecht und die oberen Verbindungen
zerstört.
Auch bei der Konstruktion von Siemens & Halske
kommt das Ueberkriechen von Säure nicht vor.
Fig. 31.
Elektrolytischer Unterbrecher mit Flächenkontakten von W.A. Hirschmann.
A. v. Rzewuski1) machte die interessante Beobachtung,
daß der Wehnelt- Unterbrecher auch für Spannungen von
nur 24 Volt verwendet werden kann, sobald dafür gesorgt
wird, daß der Ansammlung des Gases an der aktiven Elek-
trode entgegengearbeitet wird. Durch das längere Vorhanden-
sein einer Gasblase an dieser Stelle wird nämlich die voll-
kommene Unterbrechung des Stromes verzögert. In dieser
1) Annalen der Physik. 4. Folge 1900 Bd. 1 S. 614.
Der Unterbrecher. 69
Richtung wirkt schon heftiges Bewegen der aktiven Elektrode
günstig, viel besser ist es jedoch, einen Strom verdünnter
Säure dauernd dagegen fließen zu lassen. Dies wird erreicht
durch Einführen einer gegen die Anode gerichteten Glasrohr-
spitze, welcher verdünnte Säure aus einem höher stehenden
Gefäß dauernd zugeführt wird.
Daß der Wehnelt -Unterbrecher auch für schwache Ströme
von nur 10 — 12 Volt Spannung, wie sie bei Vergleichung
geringer Kapazitäten gebraucht werden, in besonders zierlicher
Form zweckmäßig verwendet werden kann, zeigte neuerdings
Starke1).
Von T. H. Simon2) ist eine interessante Modifikation
des elektrolytischen Unterbrechers angegeben. Er ging aus
von Untersuchungen über die Art der Unterbrechung im
Wehnelt -Apparat. Er fand sie in der Joule'schen Wärme,
welche durch die plötzliche Zusammendrängung des Stromes,
dem überall sonst ein großer Querschnitt zur Verfügung
steht, auf die kleine Oberfläche der Platin spitze hervorge-
rufen wird, und stellte hierfür auch eine mathematische, mit
den beobachteten Tatsachen gut übereinstimmende Formu-
lierung auf. War die plötzliche Einengung des Stromes auf
einen kleinen elektrolytischen Leitimgsyuerschnitt in der Tat
das Bedingende, so mußte derselbe Erfolg jedesmal eintreten,
wenn in einem Elektrolyten von sonst großem Querschnitt
an einer Stelle die Strombahn stark verengt wird. Daß dies
der Fall, zeigte er durch mehrfach modifizierte Versuche, z. B.
Einsetzen einer Tonzelle mit einer feinen Oeffnung in ver-
dünnte Schwefelsäure. Wird der Flüssigkeit innen und außen
der Strom durch gleichgroße Elektroden zugeführt, so ent-
steht wie bei dem Apparat von Wehnelt eine rapide Strom-
unterbrechimg an der Stelle der Durchbohrung. Auch andere
ähnliche Konstruktionen3) zeigen ganz dieselbe Erscheinung.
Die Vorzüge dieser Einrichtung sind, daß sie von der Strom-
richtung unabhängig arbeitet, daß sie sowohl mit Gleich-
1) Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 1901
S. 125 u. 148.
2) Wiedemanns Annalen 1899 Bd. 68 S. 273 u. 860 und Elektro-
technische Zeitschr. 1899 S. 440. Das von Simon aufgestellte Wirkungs-
gesetz bestätigt G. Ruhm er. S. Elektrotechn. Zeitschrift 1899 S. 786.
3) Elektrotechn. Zeitschrift 1899 S. 440.
70
Der Unterbrecher,
ström wie mit Wechselstrom (letztere Anordnimg ist je-
doch für Röntgeninstrumentarien nicht anwendbar) anspricht,
wobei bei letzterem im Gegensatz zum Wehnelt in beiden
Phasen Unterbrechungen stattfinden, und daß schließlich Er-
Simon-Unterbrecher von Siemens u. Halske.
wärmung der Flüssigkeit ohne Einfluß auf das Funktio-
nieren ist.
Es ist durch die späteren Arbeiten von Wehnelt1),
Simon2), Voller und. Walter3), Ziegler4) als sichergestellt
zu erachten, daß die explosionsartige Gasbildung nicht durch
1) Wiedemanns Annalen 1899 Bd. 68 S. 233.
2) Ebenda S. 273 u. S. 860.
3) Ebenda S. 526.
4) Ebenda Bd. 69 S. 718.
Der Unterbrecher. 71
Erwärmung der kleinen Platinanodc zu stände kommt,
sondern durch die Erhitzung des Elektrolyten, welche an der
Stelle stattfindet, wo in ihm die Strombahn eine schroffe
Verengerung erleidet, also an der die Anode unmittelbar
umgebenden Schicht. Ueber die Natur der an der Anode
und Kathode entwickelten Gase berichten Voller und Walter.
Photographische Darstellungen von Strom- und Spannungs-
kurven verschiedener Unterbrecher mitteist' der Braun'schen
Röhre lieferten Wehnelt und Donath1).
Eine besondere Modifikation des Simon-Unterbrechers,
welche sich für lange dauernde Beanspruchungen eignen soll,
gab Joh. Harden - Stockholm 2) an. In ein Bleigefäß mit
doppelten Wänden, welche durch fließendes Wasser gekühlt
werden, ist ein Porzellanisolator, dessen Mitte durch ein
1 mm weites Loch durchbohrt ist, umgekehrt eingehängt.
Das Bleigefäß ist mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt und
bildet die Kathode. Als Anode hängt in den Isolator hinab
ein Bleistab, dessen unteres zugespitztes Ende sich über der
Oeffnung im Isolator befindet. Wird dieser Bleistab durch
Aluminium ersetzt, so ist der Apparat auch für Wechselstrom
brauchbar. Er stellt alsdann eine Graetz'sche Zelle dar,
welche nur Strom einer Richtung durchläßt, nämlich dann,
wenn das Aluminium Kathode ist.
Der elektrolytische Unterbrecher ist durch eine ganze
Reihe besonderer Vorzüge ausgezeichnet. Er gestattet, sehr
große Energiemengen im primären Stromkreise in Bewegung
zu setzen und infolgedessen sekundäre Ströme von außer-
ordentlicher Stärke zu erzeugen. Die Unterbrechungen er-
folgen so rasch, daß das erhaltene Fluoreszenzlicht völlig
gleichmäßig erscheint. Die Regulierfähigkeit ist dabei in den
neueren Anordnungen mit besonderen Schalttischen eine hervor-
ragend ausgiebige. Hierzu kommt noch als sehr wichtig, daß er
keinerlei bewegte Teile enthält, welche der Abnutzung unter-
worfen sind, daß er daher nur zeitweise nachgesehen zu
werden braucht. Hierdurch wird es möglich, den Nachteil
auszugleichen, welcher mit dem beim Arbeiten auftretenden
1) Wiedemann's Annalen 1891 Bd. 69 S. S61.
2) Stromunterbrecher für Funlcenindukloren. Zeitschi', f. Elektro-
therapie und ärztliche Elektrotechnik 1901 S. 49. Darin auch die Be-
schreibung mehrerer anderer Unterbrecher.
72 Die Stromquelle.
lauten Geräusch verbunden ist, da er ohne Schaden in be-
liebiger Entfernung von der Arbeitsstelle untergebracht
werden kann.
Mit jeder Verbesserung der Unterbrecher stiegen die
Ansprüche an die Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit
der Röhren. Den Zumutungen der Motor- und Turbinen-
unterbrecher wurden sie allmählich gewachsen. Bei den An-
forderungen, welche die mit gewaltigen Energiemengen
arbeitenden elektrolytischen Unterbrecher stellen, muß mit
den jetzigen Röhren noch sehr vorsichtig verfahren werden.
Die Leistungsfähigkeit der ersteren ist im Augenblick der
Aufnahmefähigkeit der letzteren zweifellos weit voraus.
III. Die Stromquelle.
Der Induktor kann mit Strom verschiedener Herkunft
betrieben werden. In Betracht kommen Akkumulatoren und
•Gleichstrom oder Wechselstrom aus städtischen Zentralen.
Schließlich ist noch zu erwähnen der Betrieb der Röntgen-
röhre mit der Influenzmaschine.
Die Akkumulatoren
bildeten anfangs die einzige Quelle für den erforderlichen
Betriebsstrom. Ihrem Wesen nach beruhen sie auf der Tat-
sache der Polarisation. Schickt man einen elektrischen Strom
durch einen Elektrolyten, so findet jedesmal Zersetzung statt
und die Endprodukte derselben treten an den beiden ein-
getauchten Elektroden zu Tage. Bei der Elektrolyse von
Salzlösungen scheidet sich immer das Metall (und ebenso der
Wasserstoff) am negativen Pol ab. Es ist nun möglich ge-
worden, auf diesen bei den Primärelementen so unerwünschten,
ihre elektromotorische Kraft bald schädigenden Vorgang ein
außerordentlich wichtiges Verfahren aufzubauen, welches ge-
stattet, elektrische Kraft gewissermaßen aufzuspeichern. Elek-
trolysiert man verdünnte Schwefelsäure mittelst zweier Elek-
troden von Platinblech, so bedeckt sich alsbald die Kathode
mit einer Schicht Wasserstoff, die Anode mit Sauerstoff. Wird
nun der Primärstromkreis unterbrochen, so stehen sich in
dem Elektrolyten die beiden Platinplatten nicht mehr gleich
also elektromotorisch unwirksam gegenüber, sondern sie sind
durch Anlagerung von Wasserstoff und Sauerstoff ungleich
Die Stromquelle. 73
geworden, in einen elektrischen Gegensatz getreten. Ein sie
verbindender Draht zeigt jetzt einen elektrischen Strom,
welcher in umgekehrter Richtung verläuft wie der zuerst
hineingeleitete und welcher so lange andauert bis beide Platten
■durch Rückbildung der abgeschiedenen Gase wieder gleich
und unwirksam geworden sind. Könnte man es erreichen,
daß der Primärstrom an den beiden Elektroden chemisch
differente und stabilere Körper erzeugt als es die beiden Gase
sind, so würde offenbar die Wirkung des sekundären. Elementes,
die Dauer des von ihm gelieferten Stromes beträchtlich
wachsen und nutzbar gemacht werden können. Dies ist möglich
geworden durch Verwendung des Bleies.
Plante gebührt das Verdienst, zuerst den Weg gezeigt
zu haben. Er rollte zwei Platten Walzblei zusammen, die
aber in ganzer Länge sich nicht berührten, stellte sie in ver-
dünnte Schwefelsäure und ließ nun elektrischen Strom hindurch-
gehen. An der Anode scheidet sich wieder Sauerstoff aus,
welcher braunes Bleisuperoxyd bildet, an der Kathode Wasser-
stoff, welcher die dort vorhandene Bleimasse reduziert und in
Bleischwamm verwandelt. Hat dieser Prozeß genügend lange
gedauert, so stehen sich nunmehr zwei Platten aus reinem
Blei und aus Bleisuperoxyd gegenüber, welche gegen ein-
ander eine Spannung von etwa 2 Volt besitzen und so lange
Strom in umgekehrter Richtung liefern können als diese
chemische Differenz andauert. Der sekundäre von den diffe-
renzierten Platten gelieferte Strom, welcher natürlich auch
das Element selbst aber in umgekehrter Richtung durchläuft,
ruft hier wiederum elektrolytische Vorgänge hervor; er führt
den Wasserstoff nunmehr zu der braunen Superoxydplatte,
wo mit dem dort vorher chemisch gebundenen Sauerstoff
Bildung von Wasser erfolgt. An der Kathode, der reinen Blei-
platte entwickelt sich jetzt Sauerstoff, welcher oxydierend wirkt,
und das Endresultat dieser Arorgänge sind zwei elektrisch in-
differente Oberflächen von Bleisulfat. Es ist klar, daß die Wir-
kung des sekundären Elementes um so länger andauern wird,
je dicker die vorher gebildete Schicht von Bleisuperoxyd und
Bleischwamm war. Es ergibt sich auch hieraus ohne weiteres,
daß im Akkumulator nicht eigentlich Elektrizität aufgespeichert
wird, sondern chemische Energie, welche aber leichter Rück-
verwandlung in elektrische fähig ist.
Die Herstellung der positiven Platten nach diesem ur-
sprünglichen von Plante angegebenen Verfahren erfordert
74 Die Stromquelle.
Wochen und Monate, auch ein vielfaches Laden und Entladen,,
ehe die Stromwirkimg genügend in die Tiefe gedrungen ist.
Sehr wichtig war daher die Verbesserung von Faure, welcher
auf die Oberfläche der aufgerauhten oder gitterartig gegoßenen
Platten ein Gemenge von Bleioxyden in Form einer Paste auf-
brachte und nun durch den Strom zersetzen ließ. Hierbei
entsteht in der lockeren Substanz sehr rasch eine Tiefen-
wirkung, welche auf der einen Platte die ganze aufgetragene
Masse in Bleisuperoxyd, auf der anderen in Bleischwamm
verwandelt. Die Formierung dieser Platten erfordert nur
noch Tage. Die Bleigerüste dienen hierbei nur als Träger
der Masse und als Leiter der Elektrizität. Diesem großen
Vorteil steht die Verletzlichkeit der lockeren porösen Massen
gegenüber. Um dieselben fester mit den Bleiplatten zu ver-
binden, wird auch wohl ein kombiniertes Verfahren angewendet,,
wobei die Platten zunächst nach Plante behandelt und alsdann
mit der Paste gefüllt und wie gewöhnlich formiert werden.
Je nach ihrer Bestimmung können die Platten in beliebiger
Form und Größe angefertigt und nach der Formierung in
beliebiger Anzahl zusammengestellt werden. Hierbei muß
darauf geachtet werden, daß sie sich zwar so nahe wie
möglich gegenüberstehen, eine Berührung aber sorgfältig
vermieden wird, um innere Entladung zu vermeiden. Sie
werden daher durch Stäbchen von Glas, Ebonit, Celluloid
oder dergl. von einander getrennt,' auch vom Boden des Ge-
fäßes entfernt plaziert, damit herabfallende Stückchen der
Füllung kein Unheil anrichten können. Die braunen Super-
oxydplatten sind ferner gegen ungleichen Stromdurchgang-
empfindlich, indem sie ihr Volumen vergrößern und sich
krümmen. Um daher die Stromdichte allseitig möglichst
gleich zu gestalten, wird ihnen stets auf beiden Seiten eine
ßleischwammplatte gegenübergestellt. Es ist in einem Akku-
mulator daher stets eine negative Elektrode mehr vorhanden
als positive. Das ganze System wird alsdann in einen Kasten
gesetzt, der aus Glas, mit Blei aasgeschlagenem Holz, Hart-
gummi, Celluloid oder ähnlichem besteht, mit verdünnter
reiner Schwefelsäure von 1,18 — 1,19 spez. Gewicht, die völlig
frei von Chlor und Arsen sein muß, gefüllt und nun in
beliebiger Weise wie ein Primärelement einzeln oder mit
anderen verbunden verwendet. Die flüssige, bewegliche
Schwefelsäure bietet natürlich ein schweres Hindernis für den
Transport. Die hierfür bestimmten Sammler werden daher
Die Stromquelle. 75
ähnlich wie die in neuerer Zeit für kleinste Leistungen so
beliebten Trockenelemente im Innern mit einer porösen, nicht
leitenden Masse versehen, welche die Schwefelsäure aufsaugt
und festhält. Trotz aller Anstrengungen der Technik gehört
ein widerstandsfähiger Akkumulator, namentlich wenn er
dauernd transportabel sein soll, immer noch zu den ungelösten
Aufgaben.
Wenn auch das Laden der Sammler wohl niemals zu
den Arbeiten der Röntgenkabinette gehört, so ist es doch
nützlich, über die Vorgänge genügend orientiert zu sein, um
eine richtige Ueberwachung ausüben zu können. Da der
Strom des Sammlers selber die Spannung von etwa 2 Volt
hat, muß zur Ladung natürlich etwas höhere Spannung an-
gewendet werden. Die Ladestromstärke darf ein bestimmtes,
von der Fabrik angegebenes Maß nicht überschreiten. Bei
der Ladung steigt die Kurve der elektromotorischen Kraft
zuerst sehr rapide, um dann in einen länger dauernden nur
sehr wenig ansteigenden Abschnitt überzugehen. Nach längerer
Zeit erfolgt wieder ein Umbiegen der Kurve nach oben, die
Ladung ist dann beendet und es tritt nutzlose Gasentwicklung
ein. Umgekehrt sinkt beim Entladen die Spannung erst
schnell, um dann längere Zeit auf etwa 1,9 — 1,95 Volt zu
bleiben. Ist sie auf 1,75 — 1,70 Volt gesunken, so muß ein
Wiederladen stattfinden, um Zerstörungen der aktiven Masse
vorzubeugen. Den Vorgang des Ladens und Entladens kann
man auch mit dem Aräometer verfolgen. In der ersten
Periode wird Wasser zersetzt und Wasserstoff und Sauerstoff
an die Bleiplatten gebunden, die Schwefelsäure muß also
konzentrierter, mithin schwerer werden. Umgekehrt wird bei
der Entladung den Bleiplatten Wasserstoff und Sauerstoff ent-
zogen und das zurückgebildete Wasser der Lösung zugeführt,
welche dadurch verdünnt, also leichter wird. Je nach der
Periode, in welcher sich der Sammler befindet, muß daher der
Ersatz etwa verlorener Säure in verschiedener Konzentration
erfolgen.
Der gesamte Vorgang im Bleiakkumulator ist ein rever-
sibeler und wird durch folgende Reaktionsgleichung wieder-
gegeben:
Pb02 + Pb -p 2H2S04 i± 2PbSO, + 2H20
wobei die Gleichung für die Entladung von links nach rechts,
für die Ladung von rechts nach links zu lesen ist. Dole-
76 Die Stromquelle.
zalek1) hat gezeigt, daß der Akkumulator in chemischer Be-
ziehung als vollkommen reversibles Element anzusehen ist
und daß die bei genauer Untersuchung sich zeigenden Ab-
weichungen nicht durch einen veränderten chemischen Prozeß,
sondern durch die infolge der mechanischen Konstruktion
auftretenden Konzentrationskräfte bedingt sind.
Gleichstrom aus Zentralen.
Die weitaus größten Bequemlichkeiten für das Arbeiten
im Röntgen-Laboratorium bietet der Anschluß an die
städtischen Zentralen, welche nunmehr ja bereits auch in
vielen kleinen Orten zur Verfügung stehen. Die Apparate
sind soweit entwickelt, daß der unmittelbare Anschluß ohne
Bedenken ist. Auch für Militärlazarette bedeutet die Ver-
sorgung der Röntgen- Kabinette mit dem Gleichstrom der
Zentralen eine wahre Wohltat, da sie den verantwortlichen
Leiter von der andauernden kleinlichen Sorge um die Akku-
mulatoren befreit und das Arbeiten erst zu ' einem sicheren
und prompten macht, wie es jeder militärische Dienstbetrieb
erfordert. Es kann nur dringend befürwortet werden, den
Anschluß überall einzuführen, wo er irgend erreichbar ist.
Die Arbeiten werden in ungeahnter Weise erleichtert und der
Stromverbrauch ist ein so geringer, class eigentlich nur die
Einrichtungskosten in Betracht kommen.
Die in verschiedenen Netzen herrschende Spannung be-
trägt 65, 110 oder 220 Volt. Die ersten beiden Spannungen
können ohne weiteres mit einem schnell laufenden Unter-
brecher, wie Turbinen-Unterbrecher oder Wehnelt benutzt
werden. Wie B. Walter2) gezeigt hat, verläuft die Kurve
der Stromstärke in der primären Spule bei Stromschluß nach
einer logarithmischen Gleichung in gebogener Form allmählich
ansteigend, um bei Oeffnung des Stromes rapid auf Null ab-
zufallen. Bei Anwendung einer höheren Betriebsspannung
verläuft die Kurve steiler, erreicht also die größte, gemäß
den vorhandenen Widerständen überhaupt erreichbare Höhe
schneller als bei geringerer Spannung. Es wird von der
Schnelligkeit der Unterbrechungen abhängen, welche Strom-
1) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 65 S. 894. S. auch Dole-
zalelc, die Theorie des Bleiakkumulators. Halle, W. Knapp 1901.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. II 1898
S. 29 und Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 62 S. 319.
Die Stromquelle.
77
stärke jedesmal erreicht wird und ob der Induktor direkt
betrieben werden kann oder ein Widerstand vorgeschaltet
werden muß, welcher nur eine bestimmte, für den Apparat
zulässige Stromstärke entstehen läßt.
Fig. 33.
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Schaltung bei hoher Netzspannung nach B. Walter.
Steht nur Strom von 220 Volt Spannung zur Verfügung^
so empfiehlt sich die von B. Walter1) angegebene Schaltung'
mit zwei Widerständen. In der Hauptzuleitung liegt ein
veränderlicher Widerstand W1? an dessen Endpunkt die Strom-
bahn sich teilt. Der eine Weg führt über die primäre Spule P,
der andere durch einen dem ersten ähnlichen Widerstand W9 zur
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. IV
S. 46 und 1901 Bd. V S. 13.
78 Die Stromquelle.
Stromquelle zurück. In der ersten Zuleitung, wie in derjenigen
zur primären Spule, liegt ein Amperemeter Ax undA2, ein parallel
zum Induktor und Unterbrecher eingelegtes Voltmeter V ergibt
die für den Induktor verwendete Spannung. Im ersten Wider-
stand liegt ferner ein sinnreich konstruierter Schalter mit zwei
Kurbeln. Durch die eine Kurbel werden 10 Kontakte be-
strichen, welche 10 gleichen Stufen entsprechen, jede gleich
Y10 des Gesamtwiderstandes. Die andere Kurbel schaltet
ebenfalls 10 Stufen ein, jede gleich 1/10Q des Gesamtwider-
standes. Auf diese Weise läßt sich eine sehr rasche und
sehr genaue Einschaltung erzielen, die für die primäre Spule
verwendete Betriebsspannung leicht verändern und dieselbe
der jedesmal gebrauchten Röhre anpassen. Dies ist für die
Lebensdauer derselben im allgemeinen und zur Erhaltung ihrer
eigentümlichen Qualitäten (weich, hart) im besonderen von
hervorragender Wichtigkeit. Die Einstellung erfolgt also mit
derselben Präzision wie bei einem mit grobem und feinem
Trieb versehenen Mikroskop. Die Größe der Widerstände
richtet sich nach der Netzspannung, dem Strombedarf des
Induktors und der Art des Unterbrechers, sie muß daher,
um mit verschiedenen Unterbrechern arbeiten zu können, ver-
änderlich gemacht werden. Die Fabrikation derartiger Appa-
rate erfolgt durch Siemens & Halske, Berlin und Th. Seifert
& Cie., Hamburg.
Wechselstrom.
Nicht geringe Verlegenheit bereitete früher den Röntgen-
kabinetten, welche Anschluß an ein städtisches Netz suchten,
das Vorhandensein von Zentralen, welche nur Wechselstrom
lieferten. Zwar lassen sich alle mit Elektromotoren be-
triebenen Unterbrecher auch für Wechselstrom einrichten,
allein damit ist noch kein für das Induktorium brauchbarer
Gleichstrom gewonnen. Nur der für Wechselstrom gebaute
Turbinen-Unterbrecher der Allg. Elektrizitäts-Gesellschaft war
hierbei brauchbar, da er aus dem Wechselstrom nur die
gleichgerichteten Stromstöße einschaltet. Für den in so
mancher Hinsicht unübertrefflichen Wehnelt-Unterbrecher bil-
dete Wechselstrom anfänglich ein beträchtliches Hindernis,
das wie bei allen Unterbrechern bis in die letzte Zeit nur
am besten überwunden werden konnte durch Verwandlung in
Gleichstrom mittelst eines rotierenden Umformers. Dies ist
ein Wechselstrommotor, welcher eine Dynamo antreibt, die
Die Stromquelle.
79
ihrerseits nun den Gleichstrom liefert. Gewiß ist dies eine
sehr unerwünschte Komplikation, die nur in den größten
Röntgenkabinetten ertragen und überwunden werden kann,
Fie. 34.
Rotierender Umformer von Siemens u. Halskc
für Militärlazarette jedoch die Verwendung in der Regel aus-
schließt.
Auch dieser Uebelstand scheint jetzt überwunden zu sein
durch die Konstruktion des Ingenieurs Robert Grisson-Ham-
burg1), welche die vorhin beschriebenen Apparate desDr.Walter
1) Die galvanischen Induktionsapparate von W. Weiler S. 197.
S. ferner Grisson, Elektrotechnische Zeitschrift 1903 S. 432 und
B. Walter, ebenda S. 489.
80 Die Stromquelle.
auch an eine Wechselstromlcitung anzulegen gestattet. Dies ge-
schieht durch den Grisson-Gleichrichter, eine Kombination
mehrerer elektrolytischer Zellen, welche in ihrem Zusammen-
wirken sämtliche Phasen der Wechselströme gleichrichten.
Das Wesen dieses Apparates beruht auf der vonL.Graetz1)
gemachten Entdeckung, daß, wenn in einem Elektrolyten
(Alaunlösung) die Anode aus Aluminium besteht, sie sich
alsbald mit einem dünnen Häutchen Oxyd überzieht, welches
so schlecht leitet, daß Ströme unter 22 Volt Spannung kaum
hindurchgeben, während ein Strom in der entgegengesetzten
Richtung keinen nennenswerten Widerstand findet. Die andere
Elektrode kann aus irgend einem Metall oder aus Kohle be-
stehen. Durch eine Reihe von 5 hintereinander geschalteten
Zellen werden fünfmal 22 Arolt abgedrosselt, von einem
Wechselstrom von 110 Volt also alle diejenigen Komponenten
nicht hindurchgelassen, bei welchen das Aluminium Anode
ist. Der bei einfacher Einschaltung solcher Zellen in den
Schließungsdraht zustande kommende Gleichstrom hat aller-
dings nur die halbe Stärke des vorherigen Wechselstromes,
doch ist ein Verlust der halben Energie hiermit nicht ver-
bunden, da die positiven Stromteile garnicht zustande kommen,,
also hierfür auch keine Energie verbraucht wird. Diese
Stromteile können aber in einem zweiten Stromkreise für sich
aufgefangen werden durch folgende Anordnung. Der von dem
einen Pol der Wechselstrommaschine kommende Leiter geht
geteilt zu zwei Aluminiumbatterieen, von denen die zweite
umgekehrt wie die erste angeordnet ist. Die von ihren
anderen Enden ausgehenden Leitungen führen beide zum
andern Pol der Maschine. Da jede Batterie nur Ströme einer
Richtung hindurchläßt, fließt jetzt in der einen Schleife die
eine Hälfte der Stromstöße, in der zweiten die andere und
zwar derartig gerichtet, daß der von beiden Batterieen ge-
bildete Stromkreis von beiden Strömen in gleichem Sinne
durchlaufen wird.
Werden an jeden Pol des Wechselstroms zwei Batterieen
in der beschriebenen Anordnung gelegt, ihre freien gleich-
namigen Pole verbunden und zwischen diesen Verbindungs-
stücken eine Leitung angebracht, so wird die letztere dauernd
1) Graetz, Sitzungsberichte der mathemat. physikal. Klasse der
K. B. Akademie der Wissenschaften Bd. XXVII 1897 S. 223.
Die Stromquelle.
81
von einem Gleichstrom durchflössen, welcher alle Komponenten
des Wechselstromes enthält. Ein solcher Apparat soll nach
Graetz 95 — 96 °/0 der Energie des Wechselstromes in Gleich-
Fi£. 33.
Fie. 34.
Schaltung- von Aluminiumzellen zum Gleichrichten von Wechselstrom
nach Graetz.
ström verwandeln und vollkommen einen Disjunktor ersetzen,
dem er noch dadurch überlegen ist, dass er keine beweg-
lichen Teile besitzt.
Genauere Untersuchungen über das Verhalten solcher
Zellen mit verschieden zusammengesetzten Lösungen von
Stechow, Das Röntgen -Verfahren. (;
82 Die Stromquelle.
Alaun, doppelt chromsaurem Kali und doppelt chromsaurem
Natron führte Mayrhofer1) aus. Er kam zu dem Schluß,
daß der mittelst einer Braun' sehen Röhre und photographi-
scher Aufnahmen festgelegte Verlauf des Wechselstromes
nicht eigentlich einfach die Bezeichnung „Ventilwirkung" recht-
fertige, vielmehr der Vergleich mit einem durchschlagenden
Ventil speziell etwa einer durchschlagenden Tür angebracht
sei, welche aber nach einer Richtung sich überwiegend leicht
öffnen läßt. Es erfolgt nicht ein absoluter Verschluß in der
einen Richtung, vielmehr ein Pendeln, das aber nach der
einen Seite sehr viel kleineren Ausschlag zeigt. Jene Rich-
tung, nach welcher die Tür leicht aufgellt, entspricht der
Stromrichtung Kohle-Elektrolyt- Aluminium.
Ein ähnlicher Apparat ist Charles Po Hak in Frank-
furt a. M.2) durch Patent vom 14. Januar 1896 und Zusatz
vom 18. Juni 1896 geschützt. Hierbei werden Aluminium-
platten in alkalischer Lösung formiert und mit Bleiplatten
zu Zellen zusammengestellt. Durch Einschaltung von vier
derartigen Aggregaten wird der ursprüngliche Wechselstrom
vollkommen in pulsierenden Gleichstrom verwandelt.
Ueber den „Grisson- Gleichrichter" ist aus den Mit-
teilungen der Firma folgendes zu entnehmen3). Die Zelle be-
steht aus einem Glasgefäße, welches mit einem (nicht genannten)
Elektrolyten gefüllt wird, zwei Elektroden und einer Kühl-
schlange nebst Deckel, Isolationsröhren und Polklemmen. Die
eine Elektrode besteht aus Blei und ist bipolar, die andere
aus Aluminium, welche nur den negativen Stromstößen den
Durchgang gestattet. Beide Elektroden werden in etwa Finger-
breite übereinander befestigt, die Kühlschlange eingehängt,
das Ganze mit destilliertem Wasser und einem bestimmten
Elektrolytsalz gefüllt, Bei AVechselstrom von 110 Volt kommen
vier Zellen, bei Drehstrom sechs Zellen zur Anwendung. Die
Zusammensetzung, Aufstellung und Schaltung zeigen die Figuren.
Der Gleichrichter ist bei einer Spannung von 110 Volt
bis zu Stromstärken von 25 Ampere verwendbar.
Für die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom
1) Elektrotechnische Zeitschrift 1900 S. 913, 926.
2) Elektrotechnische Zeitschrift 1897 S. 359.
3) Elektrotechnische Zeitschrift 1903 S. 432 und 489. S. auch
W. Weiler, die galvanischen Induktionsapparate. Leipzig, Moritz
Schäfer 1902 S. 197.
Die Stromquelle.
Fig. 35.
83
Fig
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Grisson-GIeichrichter, Bestandteile, Aufbau, Schaltung.
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84
Die Stromquelle.
kommt ferner noch in Betracht der von Franz Jos. Koch1)
Jim. angegebene, von Nostitz u. Koch in Chemnitz gebaute
Apparat, Der Wechselstrom erregt ein polarisiertes Relais
von großen Dimensionen, welchem ein Kondensator von
solcher Kapazität vorgeschaltet ist, daß Kontaktfunken voll-
kommen ausbleiben. Es wird ein pulsierender und inter-
Fie. 38.
Wechselstrom-Gleichrichter System Koch.
mittierender Gleichstrom erhalten, welcher ohne Unterbrecher-
vorrichtimg unmittelbar zur Speisung der primären Spule
eines Induktors verwendet werden kann.
Am einfachsten läßt sich, wie es scheint, Wechselstrom
direkt nutzbar machen durch Vorschalten einer Funkenstrecke
nach dem System von Siemens u. Halske2). Es wird
1) Elektrotechnische Zeitschrift 1901 S. 853.
2) Mittheilung der Firma, s. auch Fortschritte auf dem Gebiete
der Röntgenstrahlen 1901 Bd. V S. 78.
Die Stromquelle. 85
eine Funkenstrecke von solcher Länge gewählt, daß nur die
Stromstöße einer Richtung den Raum zu überspringen ver-
mögen. Der Induktor mit dem We Im elt -Unterbrecher er-
hält dabei Wechselstrom zugeführt, der in beiden Phasen
unterbrochen wird. Im sekundären Stromkreise liegt eine
Funkenstrecke bestehend ans einer Platte und gegenüber-
stehender Spitze, beide von einem weiten Glasrohr um-
schlossen. Die Spitze wird so lange von der Platte entfernt,
bis nur Funken in einer Richtung übergehen.
Influenzmaschinen.
Yon der Erwägung ausgehend, daß Akkumulatoren
schwerfällige, der Abnutzung unterworfene Apparate sind,
und Netzstrom nicht überall vorhanden ist, hat man auch
den von Influenzmaschinen gelieferten Strom für Röntgen-
versuche empfohlen. Diese Maschinen1), an welche die
Röhren unmittelbar angelegt werden, liefern ja allerdings
in den größeren vonHoltz, Töpler oder Whimshurst an-
gegebenen Konstruktionen Strommengen, welche zum Betriebe
einer kleineren Röntgenröhre wohl hinreichen und sie sind,
wenigstens beim Gebrauch im Laboratorium, jeden Augen-
blick betriebsbereit sowie einer Abnutzung nur wenig unter-
worfen. Aus diesem Grunde sind sie auch für Kriegszwecke
angepriesen, da die zum Drehen der Scheiben notwendigen
Kräfte bei einer Armee jederzeit leicht zu haben sind.
Daß in der Tat mit solchen Maschinen sich Erfolge er-
zielen lassen, zeigte schon 1897 der Mechaniker Wehrsen-
Berlin, welcher ein Röntgenbild eines ganzen lebenden Men-
schen (Laufbursche) mittelst einer Whimshurst'schen Ma-
schine aufnahm und öffentlich ausstellte. Allein in Deutsch-
land hat diese Art der Erzeugung elektrischer Kraft keine
Verbreitung gefunden, da ihrer Verwendung mannigfache
Bedenken gegenüberstehen. Einmal ist die gewonnene
Stromstärke für größere Röntgenröhren eine zu geringe,
sodann sind die Maschinen gegen feuchte Luft besonders
empfindlich, da sie in solcher Luft nicht angehen oder
die Leistung sehr bald nachläßt. Auch auf dem inter-
nationalen Kongreß zu Paris 1900 zeigte sich ein der-
artiger Mißerfolg. Die Anwesenheit von 20 — 30 Menschen
1) Vgl. hierüber Practica! X Ray Work von Frank T. Addyman,
Scott, Greenwood & Co., London 1901.
86 Die Stromquelle.
in einem Auditorium genügte, um die Maschine leistungs-
unfähig zu machen. Das gegen diesen Uebelstand empfohlene
Einschließen in einen Glaskasten und Aufstellen von Feuchtig-
keit absorbierenden Substanzen wie Schwefelsäure, Chlor-
calcium u. dgl. stellt eine schwere Komplikation der Methode
dar und macht dieselbe namentlich für den Krieg ganz un-
brauchbar. Walter1) berichtet über die Ausstellung des
zweiten internationalen Kongresses für Elektrologie und
Radiologie in Bern September 1902, daß besonders aus
Frankreich und Italien immer noch zahlreiche Influenzmaschinen
ausgestellt waren,, daß jedoch die Wirkung der größten kaum
an die des kleinsten Induktors heranreichte. Diese Vorliebe
für die Influenzmaschine ist um so befremdlicher als der
Preis etwa das Doppelte von demjenigen des letzteren beträgt.
Stromerzeugung mittelst kleiner Kraftmaschinen.
Fehlt die Verbindung mit einer elektrischen Zentrale
zum direkten Anschluß oder zum Laden von Akkumulatoren,
so bleibt noch die Möglichkeit mittelst eines kleinen Benzin-
motors, wie sie heut häufig zu Automobilen gebraucht werden,
eine Dynamomaschine antreiben zu lassen und den erzeugten
Gleichstrom entweder unmittelbar dem Induktor zuzuführen
oder ihn zum Laden von Akkumulatoren zu benutzen. Beide
Methoden haben ihre Vor- und Nachteile.
Zunächst hat man in jedem Fall einen Apparat mehr,
der zu überwachen ist. Trotz aller Vervollkommnungen der
Motoren, welche der rastlos vorwärts strebenden Auto-
mobiltechnik zu verdanken sind, erfordert die Maschine doch
eine unausgesetzte Sorgfalt, soll sie nicht gerade im Augen-
blicke des . Gebrauches gelegentlich hartnäckig den Dienst
versagen. Am besten ist es schon, den Motor von einem
Maschinisten besorgen zu lassen, wie er ja überall in kleinen
Krankenhäusern vorhanden ist. Derselbe wird auch am
leichtesten im stände sein, die notwendigen Handgriffe wie
Anziehen einer Schraube, Einsetzen einer Feder, Oelen u. s. w.
sachverständig auszuführen. Unbedingt notwendig ist ein
solcher Techniker allerdings nicht, da auch ein intelligenter
Krankenwärter wohl lernen kann, die Maschine richtig in
Gang zu setzen. In diesem Fall muß aber der Leiter der
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1902 Bd. VI
S. 56.
Die Röntgenröhren. 87
Röntgenstation selber mit allen Einzelheiten so vertraut sein,
daß er seinen Gehülfen überwachen und wenn notwendig
anweisen, auch wohl selbst zugreifen kann.
Von Motoren kommen zur Zeit nur die Explosionsmotoren
in Betracht, welche mit Leuchtgas oder mit vergastem Benzin
arbeiten. An Stelle des Benzins wird auch Petroleum, in
neuerer Zeit in steigendem Maße Spiritus verwendet. Beide
Arten sind im Prinzip vollkommen gleich, die erstere natür-
lich an eine bestehende Gasleitung gebunden und, wenn
dieselbe vorhanden, jedenfalls vorzuziehen, da sie in wohl
erprobten Marken jederzeit zu haben sind. Neben diesen Ex-
plosionsmotoren kommen noch neuerdings kleine Dampfmotoren
in Betracht, wie sie für Automobilzwecke z. B. von der
Locomobile Co. of America oder von der Motorfahrzeugfabrik
Deutschland nach den Patenten des Ingenieurs Stoltz ge-
baut werden. Weiteres hierüber siehe in dem Abschnitt über
Verwendung im Kriege.
IV. Die Röntgenröhren.
Den heikelsten Teil der Röntgenausrüstung stellen die
Vakuumröhren dar, weil zu ihrer Herstellung wie ferneren
Erhaltung während des Gebrauches unausgesetzte Achtsam-
keit erforderlich und eine einmal unbrauchbar gewordene in
den meisten Fällen nicht wieder herzustellen ist.
Die ersten Röhren waren einfache Glaszylinder von etwa
20 cm Länge und 3 cm Durchmesser, in deren eines ab-
gerundetes Ende die Anode eingeschmolzen war. Die Ka-
thode, eine flache Aluminiumscheibe, befand sich in einer
kurzen am andern Ende im rechten Winkel angeschmolzenen.
Glasröhre und sandte ihre Strahlen auf die gegenüberliegende
Glaswand. Die hier entstehenden X-Strahlen waren äußerst
unkräftig, die Kathodenstrahlen jedoch bei langer Dauer der
Exposition hinreichend wirksam, um das Glas zu erweichen.
Unzählige Konstruktionen sind ersonnen worden, um diese
beiden Fehler zu vermeiden.
H. Boas1) gab eine V-förmig gebogene Röhre an, in
deren beide Schenkel je ein Metallrohr als Elektrode ein-
gesetzt war.
1) Zeitschrift für Instrurnentenlumde 1896 S. 117,
88 Die Röntgenröhren.
P. Szymanski1) verschloß bei einem etwa 15 cm
langen, 3 cm weiten Glasrohr beide Enden mit einer Kappe
von Aluminium blech, die er mit Siegellack und Marineleim
dichtete. Jede Kappe konnte beliebig als Anode oder als
Kathode benutzt werden; die Erfolge namentlich beim Photo-
graphieren werden sehr hervorgehoben.
Von Benoist und Hurmuzescu2) rührt eine ähnliche
Konstruktion her mit zwei schalenförmigen Elektroden in den
beiden schräg gestellten Glasröhren und einer kugelförmigen
Erweiterung des Verbindungsstückes.
Die Röhre von E. Colarcleau3) war zylindrisch, sie
enthielt eine schalenförmige Kathode, eine flache, im Winkel
von 45° gestellte Anode und dieser gegenüber eine kugel-
förmige Ausblasung der Glaswand von nur 0,1 mm Dicke.
Da die Röhre nur 7 cm lang und 0,7 cm weit war, konnte
sie nur in Verbindung mit der Luftpumpe oder mit einem
andern größeren evakuierten Gefäß verwendet werden, ergab
aber bei Aufnahmen von verschiedenen Punkten aus sehr
gute stereoskopische Wirkung.
Eine namhafte Verbesserung bedeutete die Konstruktion
von Dr. Wien4), welcher in dem zuerst erwähnten recht-
winkligen Glasrohr gegenüber der Anode einen Platindraht
mit daran befestigtem Aluminiumblech einschmolz. Letzteres
war so groß, daß die Kathodenstrahlen völlig aufgefangen
wurden, es hinderte den Durchtrijtt der X-Strahlen kaum,
absorbierte aber die entstehende Wärme, verteilte sie auf
einen größeren Raum und schützte so die Wand des Glases.
In diesem Stadium der Entwickelung der Röhre wurden
alle möglichen Formen probiert, welche indessen nur noch
historisches Interesse haben5).
Ein wirklicher Fortschritt war erst zu verzeichnen, als
es gelang, durch Anbringung der Antikathode die Glaswand
1) Zeitschrift für Instrumentenkunde 1896 S. 153.
2) Les rayons-X par Guillaume. Paris 1896 S. 116.
3) Journal de physique, zitiert nach Zeitschrift für Instrumenten-
kunde 1897 S. 92.
4) Veröffentl. aus dem Gebiete des Militär -Sanitätswesens 1896
Heft 10 S. 5. Vergl. auch Schjerning und Kranzfelder, Deutsche
med. Wochenschr. 1896 S. 211.
5) S. Büttner u. Müller, Technik u. Verwertung der Röntgen -
sehen Strahlen. Halle, Verlag von Wilhelm Knapp. 2. Aufl. 1900. S. 98.
Die Röntgenröhren. 89
vor der erweichenden Einwirkung der Kathodenstrahlen dauernd
zu bewahren und den Ursprung der X-Strahlen auf einen
Punkt zu vereinigen. Unabhängig von der seitwärts sitzen-
den Anode wird hierbei der Kathode eine Metallplatte im
Winkel von 45 ° gegenüber gestellt, welche die von der hohl-
spiegelförmigen Kathode zusammengebrochenen Strahlen auf-
fängt und die nunmehr in größerer Intensität entstehenden
X-Strahlen nach allen Seiten aussendet. Eine Röhre mit
schräg stehender Antikathode ist zuerst im Februar 1896
von Neesen1) beschrieben, dann von König2), der sie von
Goetze in Leipzig hatte, erwähnt und auch von Röntgen3)
im März 1896 in seiner zweiten Mitteilung als besonders
wirksam gerühmt.
Auf dieser Grundlage haben alle späteren Konstruktionen
weiter gebaut. Zu erwähnen ist zunächst die Röhre der
Allg. Elekt. Ges. Berlin mit zwei in einer Glaskugel gegen-
übergestellten Elektroden und einer in der Mitte befindlichen,
schräg gestellten Platinplatte. Bald hat sich jedoch die noch
heut übliche Form entwickelt. An einer Glasröhre von etwa
3 cm Durchmesser wird eine Kugel von etwa dem fünffachen
Durchmesser so ausgeblasen, daß für die Kathode ein längerer,
für die Antikathode ein kürzerer Arm übrig bleibt, welche
sich gegenüberstehen. An der Kugel sitzt seitwärts ein
schmaleres Rohr für. die Anode. Die Antikathode besteht
aus Platinblech, das mit anderem Metall dick hinterlegt ist,
um mehr Wärme aufnehmen zu können. Anode und Kathode
bestehen aus Aluminium, erstere ist eine gerade Platte, letztere
eine flache Schale.
Derartige Röhren von konstantem Typus und mit
längere Zeit gleichbleibender Wirkung hat in Deutsch-
land wohl zuerst E. Gundelach in Gehlberg (Thüringen)
erzeugt. Sie erlaubten zuerst ein einigermaßen gleichmäßiges
und zuverlässiges Arbeiten und bilden noch heut wohl den
größten Bestand in den Röhrenvorräten der verschiedenen
Laboratorien.
Auch solche Röhren zeigen aber nach einiger Zeit, daß
der Widerstand gegen den Durchgang des Stromes wächst,
1) Verhandlungen der physikal. Gesellschaft zu Berlin 15. Jahr-
gang 1896 S. 80.
2) Ebendas. S. 75 und Elektrotechnische Zeitschrift 1896 S. 302.
3) Wiedemanns Annalen 1898 Bd. 64 S. 17.
90
Die Röntgenröhren.
sie werden „hart", erfordern höhere Stromstärken und sprechen
endlich garnicht mehr an. Als Hülfsmittel sind vorgeschlagen
leichtes Erwärmen mit einer Spirituslampe, Umhüllen des
Fig. 39.
Röntgenröhre von E. Gundelach, Gehlberg (Thüringen).
Fig. 40.
Röntgenröhre mit Metallschirm nach W. A. Hirschmann.
Kathodenarmes mit einem feuchten Tuch (Binde), Aufsetzen
eines flachen Schirmes von Metallpapier auf die Austritts-
stelle der Antikathode (W. A. Hirschmann). Alle diese
Kunstgriffe haben im ganzen nur wenig Einfluß auf die Dauer
Die Röntgenröhren.
91
der Leistungsfähigkeit der Röhre, können jedoch zur Ueber-
windung einer augenblicklichen Verlegenheit von Wert sein.
R. W. Wood1), von dem Wunsche geleitet, das in der
Röntgenröhre durch Ablösen von Gas sich allmählich ver-
schlechternde Vakuum leicht wiederherstellen zu können, gab
schon 1896 eine Konstruktion an, bei welcher der eigent-
lichen leuchtenden Röhre jederseits eine mit Quecksilber halb
gefüllte Kugel angefügt war. Die Glasrohrverbindungen waren
derartig getroffen, daß durch wechselseitiges Neigen nach den
Seiten das hin- und herfließende Quecksilber Luft aus der
Röntgenröhre auspumpte und in ein ferneres Verbindungsrohr
entleerte. Die ganze Vorrichtung war auf einem senkrechten
Fig. 41.
Voltohm-Röhre ß für mittelstarke Beanspruchungen.
Holzrahmen derart befestigt, daß die Bewegungen leicht und
sicher ausgeführt werden konnten. Durch die der Röhre an-
hängenden Hülfskonstruktionen war die Handhabimg einiger-
maßen erschwert, sodaß die sinnreiche Vorrichtung Eingang
in die Praxis nicht gefunden hat. Mit einer Antikathode
war diese Röhre noch nicht versehen.
Die Haltbarkeit der Röhre wird verlängert, wenn der
evakuierte Raum vergrößert wird. Demgemäß wurden ent-
weder die Abmessungen der Röhre größer gemacht oder auch
an die eigentliche Röhre eine zweite, den Innenraum ver-
mehrende angeschmolzen (Voltohm-Gesellschaft).
Die Ursache des Hartwerdens liegt in einer beim Ge-
brauch eintretenden Erniedrigung des Luftdruckes durch eine
noch nicht genügend 'aufgeklärte Kondensiernng der Luft
1) Wiedemanns Annalen 1896 Bd. 58 S. 205.
92
Die Röntgenröhren.
unter ein bestimmtes Maß. Es war also die Aufgabe gestellt,
auf irgend eine Weise die im Innenraum verschwundene Gas-
menge wieder zu ergänzen. Dies wurde auf verschiedene
Weise erreicht.
In ein angeschmolzenes kommunizierendes Glasrohr wind«'
eine Substanz eingebracht, welche die Fähigkeit besitzt, Gase
auf sich zu kondensieren, beim Erwärmen jedoch wieder frei
zu geben. Solche Substanzen sind Phosphor, Lindenkohle,
Kaliumpermanganat, Aetzkali. In anderer Weise wird auf
einer Beobachtung von P. Villard1) fußend Gas von außen
zugeführt. Platinmetalle haben die Eigenschaft, in erhitztem
Zustand Wasserstoff hindurchtreten zu lassen. Ein kurzes,
Fig. 42.
Voltohm-Röhre y für sehr starke Beanspruchungen.
dünnwandiges, am äußeren Ende geschlossenes Röhrchen von
Palladium wird in die Glaswand eingeschmolzen und für ge-
wöhnlich durch eine darüber geschobene Glaskappe geschützt.
Wird dasselbe durch eine Flamme, z. B. durch ein Streich-
holz kurz erhitzt, so tritt Wasserstoff hindurch und stellt den
normalen Druck wieder her. Diese Röhren sind unter dem
Namen „regenerierbare" Röhren bekannt und verdienen volle
Beachtung.
Eine andere Ausgestaltung hat dieselbe Idee in den
„Röntgenröhren mit regelbarem Vakuum" von W. A. Hirsch-
mann (D. R. P. 118 814) gefunden. Hier befindet sich an
dem zylindrischen, die Kathode enthaltenden Glasrohr seitlich
ein Kapillarrohr, welches mit einer Armierung und zwei
1) Comptes rendus 1898 Bd. 126 S. 1413.
Die Röntgenröhren.
93
Schrauben versehen ist, durch deren Umdrehung ein mini-
males Quantum Luft in das Innere hineingelassen werden kann.
Das Anwärmen der gasspendenden .Chemikalien kann
nun noch vereinfacht, dem sekundären Strom selbst über-
Fie. 43.
Regenerierbare Röntgenröhre nach Gundelach D. R. P. 103 100.
Fig. 44.
Röntgenröhre mit regelbarem Vakuum durch Luftzuführung nach
W. A. Hirschmann.
tragen und die Röhre auf eine beliebige zulässige Härte ein-
gestellt werden, eine Konstruktion, die zuerst von dem *
Mechaniker C. W. F. Müll er- Hamburg ausgeführt ist. Hier-
bei ist an die gewöhnliche Röntgenröhre eine zweite kleinere
94
Die Röntgenröhren.
und ganz weiche rechtwinklig angeschmolzen, welche indessen
keine metallene Antikathode, sondern an ihrer Stelle eine
kleine Glaskugel trägt,
die mit einem Reagens gefüllt ist
und mit der großen Röhre frei kommuniziert, die kleinere
von der großen jedoch luftdicht abschließt. Die Anoden
beider Röhren sind verbunden, die Kathode der kleineren
läuft in einen biegsamen Draht aus, welcher der Kathode der
Fig. 45.
^nr<r<r<
A
Röntgenröhre mit automatischer Regulierung von Müller-Hamburg.
großen Röhre beliebig genähert werden kann. Auf diese
Weise stehen dem Strom zwei parallele Wege zur Verfügung,
von denen er stets den des geringeren Widerstandes wählen
wird. Ist die große Röhre weich genug, so wird er hier-
durch seinen Weg nehmen. Ist sie hart geworden, so geht
er durch die kleinere Röhre, den Draht und die Funken-
strecke zur Kathode. Nun fallen aber die Strahlen der
kleineren Kathode auf die Glaskugel mit dem Reagens, er-
wärmen dasselbe, machen Gas frei nncl so die große Röhre
Die Röntgenröhren.
8
95
96
Die Röntgenröhren.
weich.. Durch Regulierung der Funkenstrecke kann man die
große Röhre auf jeden gewünschten Grad der Weichheit ein-
stellen, der dann automatisch beibehalten wird.
Von Müller-Hamburg ist unter dem Namen „Welt-
Record-Duplex-Röntgen-Röhre" eine Konstruktion angegeben,
Fig. 47.
Regulierbare Röntgenröhre „Monopol" von W. A. Hirschmann.
bei welcher einer in der Mitte der Kugel befindlichen Anti-
kathode auf zwei gegenüberliegenden Seiten je eine Kathode
von ungleicher Form gegenübersteht. Bei' Benutzung der
größeren erhält man harte, bei Verwendung der kleineren
weiche X-Strahlen. Mit der großen Röhre ist eine kleinere
Die Röntgenröhren. 97
mit einer dritten Kathode in Verbindung, welche mittelst
eines beweglichen Armes derart mit den anderen in Kon-
takt gebracht werden kann, daß Funken überspringen und
aus der Kathode etwas Gras entbinden, die Röhre also
weicher machen. Auch diese Röntgenröhre soll bei sach-
gemäßer Behandlung sehr große Lebensdauer haben.
Eine jüngste Konstruktion von W. A. Hirschmann ver-
folgt diesen Gedanken noch weiter. Seiner „regulierbaren
Röntgenröhre Monopol" liegt die Idee zugrunde, das Innere
der Röhre von der Außenluft vollkommen abzuschließen
und das Vakuum im Innern selbst zu regeln. Zu dem Zweck
ist an jedem Ende der Röhre eine Nebenkugel ange-
schmolzen und durch einen federnden Draht außen mit dem
zugehörigen Pol der Zuleitung verbunden. Soll die Röhre
weicher werden, so wird der Draht an der Kathode ein
wenig abgehoben, wodurch dem Strom der gewöhnliche
direkte Weg zur Kathode entzogen und er gezwungen wird,
durch die Glaskugel zu gehen. Hierbei wird aus der darin
befindlichen Substanz Luft entbunden, welche dem Innern
der Röhre sich beimengend dieselbe sofort weich macht.
Soll andererseit Luft absorbiert, die Röhre härter werden,
so wird der Draht an der Anode abgehoben. Der Strom
wird gezwungen, durch die andere Kugel zu gehen, in welcher
von einer Platinanode Metall verstäubt, an den Wänden
niedergeschlagen und bei diesem Vorgange Luft gebunden
wird. Auf diese Weise wird ohne Eröffnung der großen
Röhre die Regulierung sehr leicht, gleichsam durch Plin- und
Herschieben der Luft im Innern selbst bewirkt.
Weitere Modifikationen der Röhren haben den Zweck,
sie gegen den Durchgang großer Energiemengen widerstands-
fähiger zu machen. Dies Bedürfnis trat erst besonders
hervor seit Einführung des elektrolytischen Unterbrechers,
bei welchem die früheren Antikathoden im Zeitraum von
Sekunden weißglühend wurden und sich verbogen oder
durchschmolzen. Die Lösung der Aufgabe, die verderbliche
übermäßige Erhitzung von der Antikathode fernzuhalten,
wurde auf verschiedenem Wege angestrebt. Einmai wurde
das Platinblech mit einem anderen Wärme aufnehmenden
und leitenden Metall hinterlegt, auch der ganze Träger des
Platins aus massivem Metall gemacht (Patent-Röntgenröhren
von E. Gundelach- Gehlberg). Ferner wurde als Träger
eine weite nach außen offene Glasröhre verwendet, gegen
Stechow, Das Röntgen -Verfahren. n
98
Die Röntgenröhren.
deren geschlossenen Grand das Platin anliegt oder in welche
es direkt als Boden eingeschmolzen ist. Wird nun diese
Röhre mit kaltem Wasser gefüllt, so vermag dasselbe eine
Fig. 48.
Regenerierbares Röntgenrohr mit Antikathode von dickem die Wärme
ableitenden Metall von E. Gundelach.
Fig. 49
Röntgenröhre mit Wasserkühlung
Fig. 50.
Röntgenröhre mit Wasserkühlung
und regelbarem Vakuum durch
Luftzuführung und Entlüftung
von W. A. Hirschmann.
ziemliche AVärmemenge von der Antikathode aufzunehmen
und diese abzukühlen. Noch besser wird der Zweck erreicht,
wenn man das Glasrohr mit einem doppelt durchbohrten
Kautschukstöpsel verschließt und nun während des Strom-
Die Röntgenröhren.
99
durchganges Wasser
aus einer
hochgestellten Flasche
oder
der Leitung Irindurchfließen läßt.
Die Wasserspülung ist ohne Zweifel ein sehr wirksames
Mittel, die Antikathode kühl zu erhalten. Da jedoch die
Röhre durch die anhängenden Schläuche belastet und schwer
oder garnicht beweglich wird, so tut man gut, diese Me-
thode auf Durchleuchtungen, bei welchen man sehr energische
Strahlen braucht, wie etwa beim Rumpf, zu beschränken und
sich für gewöhnlich mit dem einfachen Einfüllen und öfteren
Erneuern einer kleinen Menge Wassers zu begnügen.
Fig. 51.
Idealröhre System Dessauer-Gundelach.
Eine Verbesserung der Wirkung erstrebte die Allgemeine
Elektrizitäts-Gesellschaft mit einer mächtigen Röhre, welche
auf dem Chirurgenkongreß 1897 vorgezeigt wurde. An Stelle
des Wassers wurde hier durch das bis zur Antikathode reichende
Rohr Oel geleitet, das in zwei mit Gummischläuchen ver-
bundenen abwechselnd hoch gestellten Glasflaschen enthalten
war. Oel sollte gegenüber Wasser infolge seiner größeren Isolier-
fähigkeit Vorzüge besitzen, doch hat sich das Verfahren nicht
einbürgern können.
Eine Verbesserung der Strahlenbildung in der Vakuum-
röhre wird von Friedrich Des sauer1) -Aschaffenburg in
Verbindung mit Gundelach empfohlen. Es wird erstrebt,
1) Allgem. medizinische Zentralzeitung 1902 S. 527 und Elektro-
technische Zeitung 1902 S. 675.
100 Pie Röntgenröhren.
die Käthodenstrahlen unter allen Umständen auf einen einzigen
Punkt der Antikathode zusammenzudrängen, um so einen un-
wandelbaren, möglichst kleinen Ausgangspunkt für die X-Strahlen
zu erhalten. Dies soll dadurch erreicht werden, daß die Anti-
kathode mit einem Glasrohr von bestimmter Weite und dieses
noch mit einem Metallmantel umgeben wird. Die statische
Ladung dieses Mantels soll auf die Kathodenstrahlen ab-
stoßend, somit bei richtig gewählter Weite sie konzentrierend,-
wirken. Der Mantel hat an der Seite einen pfenniggroßen
Ausschnitt, welcher die X-Strahlen mir in einem begrenzten
Bezirk austreten läßt, die übrigen jedoch abschneidet.
Die Möglichkeit, durch Einwirkung auf den Strahlen-
kegel die Kathodenstrahlen zusammen zu halten, ist schon
von F. Neesen1) im Jahre 1896 erwogen und versucht
worden. Zwei Glasröhren waren rechtwinklig an einander
.geschmolzen, in der Mitte befand sich unter 45° geneigt ein
Platinblech (Anode), auf welches die von einer Kathode
kommenden Strahlen fielen. \Beide Schenkel des Glases waren
mit einer Spule umgeben, durch welche ein starker Magneti-
sierungsström geleitet wurde, um die Strahlen zusammen-
zuhalten.
Wie sich diese neue Dessauer-Gundelach'sche Röhre
ebenso wie die neuerdings von Dessauer2) sehr empfohlene
„Riesen- Röntgen-Röhre" (Preis 110 M. per Stück) bewähren
werden, bleibt noch abzuwarten.
A. Pflüg er 3)-Bonn fand im Januar 1897, daß man auch
einpolige Röntgenröhren bauen kann. Er legte an die beiden
Pole der sekundären Spule eines Rühmkorff einen Kondensator
in Gestalt von großen Leydener Flaschen, deren Entladung
wieder durch die primäre Spule eines in Paraffinöl liegenden
Tesla-Transformators erfolgte. An jeden Pol der sekundären
Spule konnte er sogar mehrere Röntgenröhren mit schräger
1) Verhandlungen der physikalischen Gesellschaft in Berlin 1896
S. 80, Mitteilung in der Sitzung vom 14. 2. 1896. Es wird noch be-
richtet, dass die Wirkung der Röhre eine viel bessere war, wenn der
freie Schenkel anstatt mit Glas mit einer Schweinsblase verschlossen
war, welche sich vollkommen luftdicht und sehr gut durchlässig zeigte.
2) Mitteilungen des elektrotechnischen Laboratoriums Aschaffen-
burg No. 7.
3) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 60 S. 768.
Die Röntgenröhren. 101
Antikathode anlegen, welche lebhafte X-Strahlen aussandten.
Obwohl hierbei die Gefahr des Durchschlagens ziemlich aus-
geschlossen ist, haben diese Röhren doch keinen Eingang in
die Praxis gefunden.
Ventilröhren.
Das Leuchten der Röhre geht nur regelmäßig vor sich,
wenn die Stromstöße ausschließlich in einer Richtung erfolgen.
Wird der sekundäre Strom in anderer Richtung hindurchge-
schickt, so entstehen sehr viel weniger Kathoden- und X-
Strahlen, auch findet Zerstäubung des alsdann als Kathode
fungierenden Platins statt. Allerdings durchzucken den
Schließungs bogen des sekundären Kreises Wechselströme. Von
ihnen kommt aber bei Einschaltung des Entladungsrohres für
gewöhnlich nur der dem Oeffmmgsstrom entsprechende Teil zur
Ausbildung, da er infolge der raschen Unterbrechung des pri-
mären Stromes und des entstehenden Extrastromes ein viel
höheres Potential besitzt. ' Um das Zustandekommen falscher
Stromstöße sicher zu verhüten, kann man vor die eigentlichen
Röntgenröhren eine sog. Yentilröhre schalten, welche bewirkt,
daß von den abwechselnd gerichteten Strömen des Induktoriums
nur die eine Hälfte hindurchgeht. Dieselbe besteht dem Wesen
nach aus einer evakuierten Glasbirne von ähnlicher Form und
Größe wie die leuchtende Röhre und enthält zwei Elektroden
von derartig untereinander abweichender Anordnung, daß die
langsamer verlaufenden also eine geringere Potentialdifferenz
erzeugenden Schließungsströme bei der gewählten Luftver-
dünnung den Zwischenraum nicht zu überbrücken vermögen. Es
geht nur der Oeffmmgsstrom hindurch, wenn die kleinere
Elektrode Anode ist1). Ein solches Instrument ist schon lange
bekannt (Gangain's Ventilei, Oeuf sonpape, ferner Riess 1855)
und in seiner Wirkungsweise der Graetz 'sehen Aluminium-
zelle zu vergleichen. Ihre Anwendung ist neuerdings von
Villard und von Gundelach besonders' empfohlen. Die
Röhre wird in der Nähe des Induktors angebracht, nicht nahe
bei der Röntgenröhre, da deren Entladungen hierdurch nach-
teilig beeinflußt werden. Sie werden auch mit Regeneriervor-
richtung geliefert.
1) J. Puluj, Strahlende Materie. Wien 1883, Carl Gerold Sohn.
Vergl. Wiedemann, Die Lehre von der Elektrizität 1885 Bd. 4 S.473.
102
Die Röntgenröhren.
o
Der Leuchtschirm. 103
V. Der Leuchtschirm.
Da das menschliche Auge nicht befähigt ist, die X-
Strahlen unmittelbar genügend wahrzunehmen, bedarf es einer
Uebersetzung derselben in eine für die Netzhaut lesbare
Wellenlänge. Dies besorgen Substanzen, welche von X-Strahlen
getroffen, in einem ihnen eigentümlichen Lichte fluoreszieren.
Von allen auf diese Eigenschaften geprüften chemischen Körpern
hat sich am besten das Doppelsalz Bariumplatincyanür bewährt.
Bei einer bestimmten Korngröße erhält man einen für das Auge
gut erkennbaren gleichmäßigen Schimmer, auf welchem sich
zwischen die Röhre und den Schirm gestellte Körper je nach
ihrer Durchdringbarkeit für X-Strahlen wirkungsvoll abheben.
In der ersten Zeit machte das Aufbringen der Krystalle
Schwierigkeiten. Die Substanz war nicht gleichmäßig verteilt,
gab ein wolkiges Bild und löste sich leicht hier und da ab.
Jetzt werden starke Holzrahmen auf einer Seite mit hin-
reichend starkem Papier überzogen und auf dieses das Doppel-
salz in Lösungen von Celluloid oder ähnlichen Stoffen gleich-
mäßig verteilt aufgebracht. Nach Verdunsten des Lösungs-
mittels bei genau horizontaler Lagerung des Rahmens erhält
man die Krystalle sicher eingebettet in eine ganz gleichmäßige
Schicht mit glatter, nicht leicht verletzlicher Oberfläche. Ein
Uebelstand findet sich noch häufig, nämlich das Verwerfen
des Rahmens durch Nachtrocknen des nicht genügend ge-
alterten Holzes. Eine Abhilfe ist nicht bekannt; so lange
der Schirm nicht in einem Rahmen mit geraden Nuten be-
wegt werden soll, tut dies Verziehen seiner Brauchbarkeit
keinen Abbruch.
J. Villard1) beobachtete, daß die Leuchtschirme, wenn
sie längere Zeit von X-Strahlen getroffen werden, in ähnlicher
Weise „ermüden" wie das von Kathodenstrahlen getroffene
Glas der Cr ook es 'sehen Röhren. Die Einwirkung auf das
Bariumplatincyanür kann direkt am Tageslicht beobachtet
werden. Da diese Einwirkung sich im Dunkeln länger hält
als im Licht, ergiebt sich die Regel, die Leuchtschirme stets
am Tageslicht aufzubewahren.
Auf eine eigentümliche Erscheinung machte J. Precht2)
aufmerksam. Das Anwachsen der Helligkeit auf Leucht-
1) Comptes rendus 1898 Bd. 12G S. 1414.
2) Annalen der Physik 4. Folge 1900 Bd. 1 S. 420.
104 Der Leuchtschirm.
schirmen ist nämlich von der Zeit abhängig, was besonders
deutlich an einem Schwefelzinkschirm hervortritt. Exponiert
man einen solchen den X-Strahlen unter Vorhalten der Hand,
so erblickt man auch mit völlig ausgeruhtem Auge zuerst nur
ein Schattenbild der ganzen Hand. Nach einer gewissen Zeit
erscheinen die Knochen der Finger und noch später die der
Mittelhand. Die Zeiten nehmen ab mit wachsender Härte der
Köhre und sind auch bei den gewöhnlichen Bariumplatincyanür-
schirmen nachweisbar, wenn auch bedeutend kürzer. Umge-
kehrt wachsen die Zeiten mit der Undurchsichtigkeit der
durchstrahlten Körper. Die Versuche scheinen zu Gunsten der
Hypothese zu sprechen, daß es sich um die Emission materieller
Teilchen von sehr kleiner Größenanordnung handelt, welche sich
mit endlichen Geschwindigkeiten durch den Raum bewegen.
Es ist zweckmäßig, einen größeren derartigen Schirm,
welcher zu Beobachtungen am Brustkorb Erwachsener 40 X
50 cm groß sein muß, sowie einen kleineren von etwa 24 X
30 cm zu besitzen, welch letzterer zur raschen allgemeinen
Orientierung über das Funktionieren der Röhre und zum Be-
trachten der Gliedmaßen, des Kopfes und Halses dient. Vielfach
findet man noch einen Apparat, das Kryptoskop, angepriesen,
etwa wie ein großes Stereoskop gestaltet. Es ist ein Papp-
kasten, welcher mit dem einen Ende lichtdicht an die Augen
angelegt wird und an der gegenüberliegenden Seite im Innern
einen kleinen Leuchtschirm trägt. Der Apparat soll das
Beobachten im unverdunkelten Zimmer gestatten; sein Nutzen
ist aber sehr fraglich, da einmal der Anschluß an das Gesicht
kaum lichtdicht zu machen ist und andererseits das nicht
ausgeruhte Auge nicht die zum Beobachten nötige Empfind-
lichkeit besitzt. Zum wirklichen Sehen auf dem Schirm gehört
immer ein gänzlich verdunkelter Raum und ein etwa zehn
Minuten hierin ausgeruhtes xUige. Diese Zeit wird erheblich
geringer, wenn man bei Lampenlicht gearbeitet hat.
Verstärkungsschirme.
Eine weitere Anwendung findet die Fluoreszenz erregende
Wirkung der X-Strahlen in den. Verstärkungsschirmen1). Das
bei Fluoreszenz auftretende Licht übt einen Einfluß auch auf
die photographische Platte aus. Bringt man eine fluoreszierende
1) S. J. P recht, Untersuchungen über Kathoden- und Röntgen-
strahlen. Wiedemann's Annalen 1897 Bd. 61 S. 330.
Der Leuchtschirm. 105
Substanz in unmittelbare Berührung mit der lichtempfindlichen
Schicht, so wird beim Darauffallen von X-Strahlen ein größerer
Betrag ihrer Energie an dieser Stelle zurückgehalten und zur
Wirkung gebracht. Um dieselbe Veränderung der Silbersalze
zu erhalten, wird daher eine kürzere Bestrahlung genügen.
Diese Abkürzung der Expositionszeit führte zur Empfehlung
der Verstärkungsschirme, zu welchen aber nicht das gelb-
grünliche ßariumplatincyanür, sondern die bläulich schimmern-
den Verbindungen Kaliumplatincyanür oder wolframsaurer
Kalk genommen werden. Praktisch werden diese Schirme
wie die Beobachtungsschirme hergestellt, jedoch auf etwas
nachgiebiger Unterlage und ohne Rahmen, damit sie sich der
Platte genau anschmiegen können. Kommt es auf besondere
Herabsetzung der Expositionszeit an, so wird die Platte (oder
der beiderseitig eine Schicht tragende Film) zwischen zwei
Verstärkungsschirmen liegend exponiert.
Ueber die erzielte Wirkung berichtet J. Gaedicke1), daß
bei gewöhnlicher Platte mit einem Schirm von wolframsaurem
Kalk die vierfache, bei einer für gelbgrün sensibilisierten die
fünffache Menge von Silberniederschlag erhalten wurde. Am
erstaunlichsten war die Wirkung eines Schirms mit Barium-
platincyanür auf die letztgenannte Platte. Die erzielte Wirkung
wurde auf das Vierzehnfache des auf der gewöhnlichen Platte
ohne Schirm erhaltenen Niederschlages geschätzt.
Ein großer Uebelstand ist mit der Anwendung der Schirme
untrennbar verbunden. Jedes aufleuchtende Krystallkorn sendet
seine Strahlen nicht nur dahin, wo es gewünscht wird, nämlich
senkrecht zur Platte, sondern wird zum Mittelpunkt einer
nach allen Richtungen ausgehenden Strahlung. Infolgedessen
werden die Umrisse unscharf, und die ganze Platte erscheint
gekörnt, ähnlich wie beim Steindruck, was weder zur Deut-
lichkeit noch zur Schönheit des Bildes beiträgt und sich
namentlich bei weiteren Reproduktionen höchst unangenehm
bemerkbar macht. Allerdings gibt Gädicke an, bei seinen
Versuchen mit einem Schirm mit wolframsaurem Kalk von
Kahl bäum nur das Korn der Platte erhalten zuhaben, aber
die Verstärkungsschirme bleiben unter allen Umständen eine
unangenehme Zugabe zu der schon genügend komplizierten
Technik des Röntgenverfahrens. Seitdem Röhren und Unter-
brecher zu früher nicht geahnter Vollkommenheit gebracht
1) Photograph. Wochenblatt 1897 No. 29.
106 Photographie.
sind, ist die Herabsetzung der Expositionszeit auf anderem,
einfacherem Wege möglich geworden und die Benutzung
dieses wenig erwünschten Hilfsmittels auf seltene Ausnahme-
fälle beschränkt.
3. Photographie.
Die Aufnahme von Bildern mittelst Eöntgenstrahlen,
welche alsdann genau nach dem gewöhnlichen photographi-
schen Verfahren weiter behandelt werden, hat eine derartig
erhebliche Bedeutung bei der praktischen Anwendung des
Verfahrens, daß man getrost sagen kann, es bilde die Hälfte
der ganzen Arbeit.
Da die Röntgenstrahlen genau wie Lichtstrahlen auf
Silbersalze einwirken, so kommen hier dieselben Verfahren
zur Anwendung wie in der gewöhnlichen Photographie. Wer
also mit diesem Gebiet schon vertraut ist, der wird keine
Schwierigkeiten finden, auch gute Röntgenbilder herzustellen.
Allerdings darf hier nicht verschwiegen werden, daß die bloße
Kenntnis der üblichen Haus- und Liebhaber-Photographie noch
nicht genügt, um ohne weiteres hervorragende oder auch nur
genügende Röntgenbilder zu erzeugen. Dies rührt einmal
davon her, daß die Art der Aufnahme eine ganz andere ist
als mit der Kamera. Doch ist eine Röntgenaufnahme, was
die mechanisch-technische Seite betrifft, entschieden leichter
zu erlernen als die Handhabung der Kamera. Es kommt
aber noch hinzu, daß der ganze Apparat, was Platten, Schalen,
Entwicklerflüssigkeit u. s. w. anlangt, sich in einem erheblich
größeren Maßstabe bewegt als bei den gewöhnlichen Ama-
teur-Aufnahmen. Auch hieran ist erst eine gewisse Ge-
wöhnung erforderlich, ehe man zur Beherrschung gelangt.
Glücklicherweise ist es nicht .erforderlich, das ganze
bereits unendlich reich bebaute Feld der photographischen
Technik und Kunst zu beherrschen. Obwohl ausgebreitete
Kenntnisse auch hier für die eigene Tätigkeit nur förderlich
sind, genügt es doch wenigstens für den Anfang, sich ein
bestimmtes Gebiet zu eigen zu machen und die praktische
Ausführung womöglich bei einem Photographen von Fach
einzuüben. Um gute Röntgenbilder zu erhalten, ist eine gewisse
Reihe von technischen Handgriffen notwendiger als theoretische
Photographie. 107
Kenntnisse. Jedenfalls genügen letztere nicht, um bald einen
sichtbaren Erfolg, d. h. brillante Negative, aufzuweisen.
Indem für ein vertiefendes Studium auf die speziellen
Lehrbücher verwiesen -wird1), soll hier aus dem großen Gebiet
das Notwendigste herausgegriffen, damit aber doch der Weg'
gezeigt werden, welcher sicher zu guten Ergebnissen führt.
Schon am Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckte der
deutsche Arzt Johann Heinrich Schulze in Halle die
Lichtempfindlichkeit des salpetersauren Silbers. Bis zum
Schlüsse des Jahrhunderts kam hierzu das Chlorsilber, ver-
schiedene Harze, die Chromsäure und ihre Salze, später das
Jod- und Bromsilber. Im Jahre 1824 erzeugte Nicephore
Niepce in der Camera obscura Bilder auf einer Asphalt-
schicht, deren nnbelichtete Stellen er mit Lavenclelöl ab-
wusch, während die belichteten unlöslich geworden waren
und stehen blieben. Bald darauf erfand er ein Verfahren,
Druckplatten mit Hilfe d,es Lichtes zu erzeugen. Er ex-
ponierte mit Asphalt überzogene Kupferplatten unter einer
Strichzeichnung, wobei die unter den Strichen liegenden Teile
des Asphaltüberzuges dem Licht entzogen und löslich blieben.
Nach Entfernung dieser Stellen mit Lavendelöl konnte die
Platte geätzt und mit fetter Farbe abgedruckt werden (Helio-
graphie). Von 1829 bis 1833 arbeitete Niepce gemeinsam
mit Daguerre, ohne weitere Erfolge zu erzielen. Nach
seinem Tode setzte Daguerre die Versuche fort, auf
mechanische Weise mit Hilfe des Lichtes dauerhafte Bilder
zu erzeugen, und konnte seine ungeheures Aufsehen erregende
Erfindung 1838 der Akademie in Paris vorlegen. Auf Be-
treiben Aragos erhielt Daguerre für sein Verfahren,
welches in der Sitzung der Akademie vom 19. August 1839
veröffentlicht wurde, vom Staate eine lebenslängliche Pension
von 6000 Frs., der Sohn Isidore des verstorbenen Nicephore
Niepce eine solche von 4000 Frs. Sein Verfahren bestand
darin, versilberte polierte Kupferplatten Joddämpfen auszu-
setzen und in der Kamera zu exponieren. Der Lichteintlruck
ist auf der entstandenen Schicht von Jodsilber zunächst nicht
sichtbar, erscheint jedoch alsbald, wenn die Platte Queck-
1) S. besonders Ausführliches Handbuch der Photographie von
S. M. Eder, Halle a. S. Wilhelm Knapp; Handbuch d. Photographie von
H. W. Vogel, Berlin, Robert Oppenheim; Compendium der praktischen
Photographie von F. Schmidt, Karlsruhe, Otto Nemnich.
108 Photographie.
silberdämpfen ausgesetzt wird, wobei das Metall in kleinen
Kügelchen sich nur an den belichteten Stellen und zwar ent-
sprechend der Stärke der Lichtwirkung niederschlägt. Die
so gewonnenen Bilder wurden mit Lösungen von Kochsalz
oder unterschwefligsaurem Natron fixiert. Der letztere Aus-
druck entstpricht nicht dem eigentlichen Vorgange, der darin
besteht, daß das genannte Salz das nicht zum Aufbau des
Lichtbildes verwendete unveränderte Silbersalz auflöst. Obwohl
diese Eigenschaft der Hyposulfite schon 1819 von Sir John
Herschel entdeckt war, hatten weder Niepce noch Da-
guerre zunächst hiervon Gebrauch gemacht. Erst nach Be-
kanntgabe von Daguerres Verfahren führten Herschel
und Talbot noch im Jahre 1839 das unterschwefligsaiire
Natron in den Prozeß ein.
Damit waren für das photographische Verfahren Grund-
lagen gewonnen, welche, wenn auch mit vielfachen Ver-
besserungen, noch heut maßgebend sind. Auch heut noch
läuft der photographische Prozeß in den drei Phasen ab:
Erzeugung eines zunächst nicht sichtbaren Bildes mit Hilfe
der Licht- (oder anderer) Strahlen in einer Schicht von
Silbersalz (Exposition); Hervorrufung des latenten Bildes
durch eine Substanz, welche eine Reduktion des Silbers ent-
sprechend der verschiedenen Intensität der Lichteinwirkung
herbeiführt (Entwickelung); Auflösen des nicht zum Bild ver-
wendeten Teils des Silbersalzes (Fixieren). Das auf diese
Weise erhaltene Abbild stellt in seinen Tonwerten überall
das Gegenteil des Originals dar, es ist ein Negativ. Ist
dieser ganze Prozeß auf einer durchsichtigen Platte von
Glas, Marienglas, Celluloid oder ähnlichen Stoffen vor sich
gegangen, so hat man eine Schablone gewonnen, unter
welchem ein wieder mit Silbersalzen empfindlich gemachter
Stoff (Papier, Leder u. s. w.) dem Licht exponiert werden
kann. Das nunmehr gewonnene Bild, aus welchem das über-
schüssige Silbersalz wiederum zu entfernen ist, entspricht in
Licht und Schatten vollkommen dem Original, es ist ein
Positiv. Nach dem Negativ können beliebig viele Kopieen er-
zeugt werden, welche alle dem Original genau gleich sein müssen.
Zunächst war Daguerre allerdings noch nicht so weit.
Seine „Daguerrotvpieen", welche alsbald in der ganzen Kultur-
welt angefertigt und bewundert wurden, waren leicht ver-
letzliche Gebilde, welche eine Expositionszeit von 10 — 15 Mi-
nuten erforderten, nicht reproduzierbar waren und den dar-
Photographie. 109
gestellten Gegenstand nur deutlich erkennen ließen, wenn
das darauf fallende Licht in bestimmtem Winkel reflektiert
wurde. Diese ersten Lichtbilder, welche noch in vielen
Familien sich fortgeerbt haben, lassen sich übrigens heut
ganz leidlich reproduzieren.
Für die eigentliche Photographie waren von besonderer
Bedeutung die Berechnimg einer lichtstarken Porträtlinse für
die Kamera durch Petzval in Wien 1840, welche Voigt-
länder ausführte, und die Einführung von Glasplatten als
Bildträger durch Niepce de St.- Victor (Neffen von Nice-
phore N.) 1847. Die Platten waren mit jodkaliumhaltigem
Eiweiß oder Stärkekleister überzogen, wurden mit Silbernitrat
sensibilisiert, belichtet, mit Gallussäure entwickelt und mit
Bromkali fixiert. Le Gray führte 1850 das Kollodium als
Träger der empfindlichen Schicht ein. Dies Verfahren be-
deutete einen großen Fortschritt und war bis Ende der
60 er Jahre das herrschende. Das hierbei gebräuchliche sog.
nasse Entwicklungsverfahren hatte jedoch mancherlei Uebel-
stände, welche erst durch Einführung clerGelatine-Trockenplatten
beseitigt wurden. Im Jahre 1868 veröffentlichte Harris on ein
Rezept zur Anfertigung von Bromsilber-Gelatine, 1871 bildete
der englische Arzt Maddox das Verfahren weiter aas, sodaß
von nun an die Gelatine-Trockenplatte fast die allein an-
gewandte wurde. Erst mit Hilfe dieses Verfahrens, das noch
durch Auftragen der Schicht auf durchsichtige unzerbrechliche
Unterlagen (Celluloidfilms) eine wesentliche Bereicherung er-
fuhr, wurde die Photographie bequem, sauber und konnte
die Verbreitung im wissenschaftlichen, künstlerischen und
privaten Leben erlangen, welche wir jetzt kennen. Hand in
Hand mit diesen mehr mechanischen Grundlagen ging die
Vervollkommnung der Entwicklersubstanzen. Ihr Auffinden
geschah zunächst rein empirisch. Der Gallussäure und dem
Eisenvitriol folgte 1850 die Pyrogallussäure (Regnault),
1862 die alkalische Pyrogallolentwicklung (Russell und
Leahy), 1877 entdeckte Carey Lea den Eisenoxalatent-
wickler, der später von Eder vervollkommnet winde. Um
1887 wurde Hydrochinon als Entwickler bekannt, und nun
erfolgte auf Grund sorgfältiger planmäßiger Untersuchungen
von Andresen, Hauff, Gebrüder Lumi er e und Seyewetz
und anderen die Enthüllung des Zusammenhanges zwischen
chemischer Konstitution und Entwicklervermögen und in der
Folge davon die bewußte Aufsuchung und Herstellung neuer
110 Photographie.
Entwicklersubstanzen. Alle diese gehören der aromatischen
Reihe an, welche sich vom Benzolring ableitet. Andresen
und Lumiere haben nachgewiesen, daß die Entwickler-
eigenschaften von zwei Umständen abhängen, einmal von der
Natur der an den Kern angelagerten Verbindungen und dann von
ihrer gegenseitigen Stellung. Ein aromatischer Körper ist dann
ein Entwickler, wenn er wenigstens zwei Hydroxyl- (OH) oder
zwei Amido- (NH2) Gruppen (oder eine Hydroxyl- und eine
Amidogruppe oder drei Hydroxyl- oder eine Hydroxyl- und
zwei Amidogruppen) enthält und wenn diese Gruppen zu ein-
ander in der Ortho- oder Parastellung stehen. Isomere
Körper, welche die Metastellung enthalten, sind keine Ent-
wickler. Damit ist für ein bis dahin sehr unübersichtliches
Gebiet ein orientierendes Gesetz aufgefunden, welches freilich
noch keine Erklärung des Vorganges gibt.
Für die Zwecke der Röntgenphotographie kommen allein
die Verfahren mit Silbersalzen in Betracht, worauf sich daher
die folgenden Erörterungen beschränken werden.
Von den drei Silberhaloidsalzen Chlor-, Jod- und Brom-
silber ist das Chlorsilber das unempfindlichste, es hat jedoch
die Eigenschaft, bei Belichtung sich intensiv dunkel zu färben,
weshalb es beim Positiv-Prozeß Verwendung findet.
Das Jodsilber, an welchem Daguerre die Photographie
entdeckte, und welches bei dem nassen Verfahren mit Kol-
lodium verwendet wird, nimmt eine mittlere Stellung ein.
Das Bromsilber, welches in den Gelatinetrockenplatten als
außerordentlich feinkörniger Niederschlag enthalten ist, besitzt
die bei weitem höchste bis jetzt bekannte Empfindlichkeit.
Nach Eder und Pizzighelli zeigt die Empfindlichkeit
der drei Silberverbindungen folgende Abstufung:
Chlorsilber ohne Entwicklung 1
„ mit chemischer Entwicklung . . . 500
Jodsilber mit physikalischer „ 10 000—12 500
Bromsilber mit chemischer „ ... 50 000
Ueber die Natur der Substanz, aus welcher nach Ein-
wirkung des Lichtes das latente Bild besteht, ist viel ge-
stritten worden, ohne daß die Frage bisher endgültig aufge-
klärt werden konnte. Zwei Ansichten stehen sich, beide
durch gute Gründe gestützt, zur Zeit schroff gegenüber, die
Subhaloid- und die Silberkeim-Theorie. Nach der ersteren
'Theorie erfolgt im Licht eine Zersetzung des Silbersalzes
nach der Formel
Photographie. 111
2 AgBr = Ag2Br -f Br,
es soll Brom abgeschieden und ein Silbersubbromid gebildet
werden, welches nun unter Einwirkung des Entwicklers leicht
zu körnigem Silber reduziert wird. Da indessen ein solches
Subhaloid isoliert noch nicht aufgefunden werden konnte,
nimmt die andere Theorie an, daß durch das Licht sofort
minimale vollkommene Reduktionen zu Silber erfolgen, Silber-
keime entstehen, auf welche unter dem Einfluß des Ent-
wicklers Silber aus der Umgebung herangezogen und nieder-
geschlagen wird.
Soviel scheint nach allen Untersuchungen1) sicher zu
sein, daß die grobe chemische Formel nur als erste An-
näherung gelten darf, daß die Vorgänge beim Hervorrufen des
Bildes sehr viel verwickelter verlaufen und in jene Grenz-
gebiete zwischen Physik und Chemie gehören, welche aufzu-
klären noch der Zukunft vorbehalten ist.
Das Negativverfahreii.
Inbezug auf die Art der Entwicklung werden zwei Me-
thoden unterschieden, die physikalische und die chemische.
Bei der physikalischen ziehen die belichteten Teile Dämpfe
(Quecksilber-, Wasserdampf) oder im Entstehungszustand
ausgeschiedene Metallpartikel (z. B. aus Eisenvitriol und
Silbernitrat sich ausscheidendes Silber) an, ohne sich in ihrer
Substanz zu verändern. Das entstehende Bild stellt dann
eine Auflagerung auf die ursprüngliche Schicht dar, welche
je nach der Lichteinwirkung verschieden dick ist und durch
Salpetersäure wieder aufgelöst werden kann, ohne daß an
der ursprünglichen empfindlichen Schicht etwas geändert
wird. Bei der chemischen Entwicklung dagegen werden die
belichteten Teile der empfindlichen Schicht selbst von Re-
duktionsmitteln angegriffen. Das entstandene Bild liegt inner-
halb der Schicht, Salpetersäure nimmt beim Auflösen des
gefällten Silbers aus der Schicht Substanz hinweg und hinter-
läßt ein Transparent-Positiv.
Die physikalische Entwicklung wurde bei den nassen
Kollodiumplatten angewendet. Wenn dies Verfahren auch
1) Vergl. die Arbeiten von Ab egg, Eder, Englisch, Lutter,
Precht, Mercator u. A. im Archiv f. wissenschaftliche Photographie
Bd. 1 1899 u. ff.
112 Photographie.
heut keine allgemeine Bedeutung mehr besitzt, so ist es
doch wegen der Feinheit des entstehenden Kornes und der
Zartheit der Negative in Reproduktionsanstalten noch imer-
setzt. Auch werden z. B. die Negative für die Kartenblätter
der Landesaufnahme ausschließlich hiernach angefertigt. Aus
theoretischen Gründen sowohl als auch weil es sich einmal
um besonders genaue Wiedergabe wertvoller Bilder handeln
kann, soll daher das nasse Verfahren hier kurz beschrieben
werden. Die Ausführung müßte allerdings einem Fach-
photographen überlassen werden.
Die gut gereinigte Glasplatte wird mit dünnem Kol-
lodium Übergossen, dem Brom-, hauptsächlich aber Jod-
metalle, z. B. Jodnatrium, Jodkadmium, Bromnatrium in be-
stimmten Verhältnissen beigemischt sind. Sobald die Schicht
anfängt, fest zu werden, wird die Platte unverzüglich in einem
Bad von etwa 10 proz. salpetersaurem Silber gebadet und
hierdurch in der Schicht Jod- und Bromsilber gebildet,
welches aber nach dem Herausnehmen noch von einer
dünnen Schicht Silbernitrat überdeckt ist. Nach dem Ex-
ponieren der noch nassen Platte wird mit einer Eisenvitriol-
lösung, welche mit Eisessig oder Schwefelsäure angesäuert
ist, entwickelt. Das Bild entsteht, indem sich Silber aus
der die Platte bedeckenden Schicht an den belichteten
Stellen niederschlägt. Da es meist noch zu flau ist, um
kopierfähig zu sein, wird es verstärkt durch eine Mischung
von Silberlösung und Pyrogallussäure oder Eisenvitriol, aus
welcher sich wiederum gefälltes Silber an die belichteten
Stellen anlagert. Diese Verstärkung des ursprünglichen
Bildes kann bis zu beliebiger Dichte getrieben und auch nur
an einzelnen Teilen der Platte ausgeführt werden. Schließlich
folgt Fixieren in Lösung von unterschwefligsaurem Natron
oder Cyankali, Auswässern. Trocknen und Lackieren des
Negativs.
Es muß hervorgehoben werden, daß vom Entwickeln an
alle Manipulationen sehr rasch vor sich gehen, weil die Kol-
lodiumschicht sehr leicht durchdringlich und gegen die an-
gewendeten Chemikalien chemisch indifferent ist. Dennoch
sind die zahlreichen Unbequemlichkeiten des Verfahrens
nicht zu verkennen. Das richtige Ansetzen und dauernde
Rein- und. Konstanthalten der verschiedenen Lösungen, das
Arbeiten mit den nassen Platten, welche jedesmal frisch
präpariert und sofort verbraucht werden müssen, also nicht
Photographie. 113
beliebig vorrätig gehalten werden können, die geringe Em-
pfindlichkeit, das Hantieren mit den die Finger dauerhaft
färbenden Silberlösungen — alles das sind Unzuträglichkeiten,
welche das nasse Verfahren auf das Laboratorium und den
Kreis der Fachphotographen beschränkten.
Von diesen Fesseln befreite die Lichtbildkunst erst die
Trockenplatte, welche fast unbegrenzt haltbar, überaus em-
pfindlich, jederzeit ohne weitere Vorbereitungen zur Ver-
wendung bereit ist, zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der
Exposition weiter bearbeitet werden kann, und bei der das
ganze Verfahren ein einfaches und sauberes ist. Anderer-
seits muß zugegeben werden, daß die Gelatineschicht von
den Chemikalien schwerer durchdrungen wird, nicht in-
different gegen dieselben ist und auch schwerer trocknet.
Unter den Vorzügen der Trockenplatte ist einer der be-
deutendsten, daß sie fabrikmäßig hergestellt und vollkommen
gebrauchsfertig geliefert wird, sodaß also alle zeitraubenden
Vorbereitungen zu dem eigentlichen Photographieren ent-
fallen. Da auch für die Röntgenpraxis allein die Trocken-
platte in Betracht kommt, muß ihren Eigenschaften be-
sondere Aufmerksamkeit zugewandt werden. Es gibt eine
große Zahl von Vorschriften für die ^Anfertigung der Platten,
doch kann hier nur das Verfahren im allgemeinen dargelegt
werden.
Die Herstellung geschieht derartig, daß weiche und
harte Gelatine in bestimmtem Verhältnis gemischt in der
Menge von 4 — 10 pCt. bei gelinder Wärme in Wasser gelöst
und mit Bromkalium oder Bromammonium versetzt wird.
Zu der erwärmten Lösung wird alsdann Silbernitrat in Kry-
stallen, in wässeriger oder auch in Gelatinelösung hinzuge-
fügt, wobei dafür zu sorgen ist, daß Bromsalz stets im
Ueberschuß vorhanden ist. Durch Wechselzersetzung nach
der Formel
KBr + AgN03 = AgBr -f KN03
entsteht Bromsilber und Kaliumnitrat. Es entsteht eine
anfangs fast klare, schwach opalisierende, später milchige
Flüssigkeit, welche Bromsilberteilchen im Zustande äußer-
ster Feinheit suspendiert enthält, sodaß die Masse sogar
durch mehrfache Schichten von Waschleder filtriert werden
kann, ohne daß Bromsilber zurückgehalten wird. Bis dahin
Stecliow, Das Röntgen-Verf'ahreD. o
114 Photographie.
ist diese Masse wenig lichtempfindlich. Die folgenden Ope-
rationen müssen jedoch in voller Dunkelheit vorgenommen
werden. Durch längeres Stehen oder Kochen mit Zusatz
von Ammoniak steigt unter Vergrößerimg des Korns die
Empfindlichkeit (Reifen der Emulsion). Aus der gereiften
Masse muß nunmehr das Kaliumnitrat entfernt werden, was
durch Auswaschen geschieht. Die erkaltete Emulsion wird
durch Cannevas gepreßt, dadurch in einzelne Nudeln zerteilt
und wiederholt mit Wasser übergössen oder in fließendem
Wasser gespült, in welches das leicht lösliche salpetersaure
Kali übergeht. Nach vollendeter Waschung wird die Emulsion
neuerdings geschmolzen und nunmehr auf reine Glasplatten
gegossen, auf welchen sie alsbald erstarrt. Nach dem
Trocknen ist die Platte gebrauchsfertig.
Das Gießen der Platten kann für kleinere Mengen mit
der Hand erfolgen. In den Fabriken dienen hierzu Gieß-
maschinen, bei welchen die erwärmte flüssige Emulsion zu-
nächst in einen breiten Gießtrog gelangt, aus welchem sie in
gleichmäßig breitem Strom auf die darunter befindlichen Glas-
platten abfließt. Letztere gelangen vorgewärmt auf einer
Bandrolle ohne Ende unter den Gießtrog und werden mit
einer Geschwindigkeit, welche je nach der Dicke der zu er-
zeugenden Schicht verschieden reguliert werden kann, dar-
unter fortbewegt. Nachdem die Emulsion auf den Platten
ausgebreitet ist, gelangen sie in eine mit Eis gekühlte Vor-
richtung, in welcher die Gelatine alsbald erstarrt. Das
Trocknen geschieht in besonderen Trockenkammern, am
besten bei gewöhnlicher Temperatur durch einen künstlich
erzeugten Strom staubfreier Luft. Nach dem durch Patent
geschützten Verfahren von Edwards und Nelson werden in
der Trockenkammer Röhren angebracht, welche durch ver-
dunstendes flüssiges Ammoniak abgekühlt sind, und unterhalb
der Platten Heizröhren, wobei Wasserdampf aus der Emulsion
entweicht und sich an den Kühlröhren als Schnee niederschlägt.
Jode Verunreinigung durch Staub ist hierbei sicher vermieden.
Die kleineren Formate werden in der Regel aus den
größeren durch Zerschneiden hergestellt, was an der Schicht-
seite zu geschehen hat, weil sonst die Schicht am Rande ab-
blättert. Besondere Schneidemaschinen sichern die gewünschte
Größe der Platten und die richtige Lage des Diamanten. Es
können jedoch auch kleinere Platten in der Gießmaschine
aneinandergelegt und im Ganzen begossen werden. Dann
Photographie. 115
tritt die Gelatine in gewisser Menge zwischen den Rändern
hindurch und bildet auf der Glasseite mehr oder weniger
ausgedehnte Auflagerungen, welche beim Verarbeiten der
Platten, am besten gleich nach dem Fixieren in noch
feuchtem Zustande, entfernt werden müssen.
Die Verpackung, wofür jede Fabrik ihre eigene Manier
hat, muß vor allem dafür sorgen, daß die Schichtseiten sich
nicht berühren und zerkratzen, sowie daß seitlich kein Licht
eindringt, wodurch später Randschleier entstehen. • Auf die
sorgfältige Beachtung dieser Vorsichtsmaßregeln hat man auch
später beim Anbrechen der Pakete zu achten. Gut verpackte
Platten halten sich in trocknen Räumen jahrelang brauchbar,
doch tritt in der Gelatine meist eine Art A^erhornung ein,
wodurch die Entwickelung schwieriger wird. Für Seereisen
und Aufenthalt in den Tropen ist allein die Verpackung in
verlöteten Blechkästen genügend.
Für die Größe der Platten haben sich gewisse Maße
international eingebürgert, , welche auch für den Betrieb eines
Röntgenkabinettes festzuhalten empfehlenswert ist, da ihr
Ersatz überall und jederzeit leicht ist. Diese sog. Normal-
maße sind 18 X 24, 24 X 30, 30 X 40, 40 x 50 cm.
Die gewöhnlichen Trockenpiatten haben nicht für alle
Teile des Spektrums die gleiche Empfindlichkeit. Dieselbe
ist am größten in Blau und Violett, sehr viel geringer in
dem langwelligen Teil des Spektrums. Die Platte vermag
daher den Eindruck mehrfarbiger Körper nicht mit denselben
Helligkeitswerten aufzunehmen wie das menschliche Auge
sie sieht. Diesem Uebelstande half die Entdeckung von
H. W. Vogel1) ab, welcher im Jahre 1873 die optischen
Sensibilisatoren auffand. Gewisse Farbstoffe besitzen die
Eigenschaft, die Emulsion für diejenigen Farben empfindlich
zu machen, welche sie selbst absorbieren. Am meisten ge-
braucht werden Eosin, Erythrosin, Azalin und ähnliche Körper.
Die Farbstoffe können entweder der Emulsion vor dem Gießen
zugesetzt werden oder es können die fertigen Platten in den
Farblösungen gebadet und alsdann wieder getrocknet werden.
Die anfangs gehegte Vermutung, daß derartige Platten auch
für X-Strahlen empfindlicher sich erweisen könnten, hat sich
nicht bestätigt. Besondere Vorteile bringt die Verwendung
1) Vogel, Die Photographie farbiger Gegenstände in den richtigen
Tonverhältnissen. Berlin 1885.
116 Photographie.
derartiger, natürlich teurerer Platten im Röntgenverfahren nicht
mit sich1).
Die Entwickelung der Gelatineplatten geschieht auf
sog. chemischem Wege, d. h. das Silber wird durch den
Entwickler innerhalb der Schicht reduziert.
Man unterscheidet saure und alkalische Entwicke-
lung. Für die erstore wird ausschließlich Kalimn-Ferrooxalat
benutzt, für die letztere eine ganze Reihe Substanzen aus der
aromatischen Reihe wie Pyrogallussäure, Hydrochinon,
Eikonogen, Rodinal (Alkalisalz des Paramidophenols), Metol,
Glycin, Amidol, Ortol, Adurol, Edinol u. s. w. Alle diese
Entwickler zeigen in Bezug auf Farbe und Abstufung des
Niederschlages, Dichte des Negativs, Schnelligkeit der Ent-
wickelung kleine unterscheidende Eigentümlichkeiten, soclaß
für einen bestimmten Zweck eine Substanz herausgesucht
werden kann, welche den Absichten am besten entspricht.
Für die Röntgentechnik ist zu bedenken, daß ihre Projektions-
bilder sich in ganz bestimmter Weise von den mit der Linse
gemachten Aufnahmen unterscheiden. Werden hier möglichst
scharfe Konturen gewünscht und erhalten, so ist das Gleiche
bei Röntgenaufnahmen nicht in demselben Maße zu erreichen.
Immer fallen die Abgrenzungen der sich in einander ab-
bildenden Schatten unscharf aus, weil die durchstrahlten
Körperteile die X-Strahlen etwas zerstreuen. Von einer „ge-
schnittenen Schärfe", wie sie bei Kamera- Aufnahmen vor-
handen sein soll, ist hier nicht die Rede. Infolgedessen muß
bei der Entwickelung des Bildes das Streben dahin gehen,
die Unterschiede zwischen Licht und Schatten möglichst
stark hervorzuheben, das Negativ hart zu entwickeln. Weich
arbeitende Entwickler, welche eine reichhaltige Modulation
der Niederschläge ergeben, wie sie besonders bei Porträt-
aufnahmen erwünscht sind, können hier nicht gebraucht
werden. Es müssen im Gegenteil Entwickler aufgesucht
werden, welche die minder belichteten Teile wenig angreifen,
an den belichteten aber einen möglichst dichten, kompakten
Niederschlag ohne weiche Uebergänge hervorbringen. Es ist
dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung namentlich für
militärische Röntgenkabinette, wo man sich vielfach auf die
1) Ueber die Herstellung von Bromsilberplatten für die kürzesten
Wellenlängen von 220 ßp. abwärts s. Schumann, Annalen der Physik.
4. Folffe 1901 Bd. 5 S. 349.
Photographie. 117
Anfertigung von Negativen beschränken wird, diese aber auch
für weniger geübte Betrachter von in die Augen springender
Deutlichkeit sein müssen1).
Stellt man diese Grundsätze an die Spitze, so wird die
Auswahl unter den Entwicklern sehr erleichtert. Man hat
sich nur unter wenigen Substanzen zu entscheiden und wird
am Ende mit einer einzigen sich ausschließlich einarbeiten,
was einen großen Vorteil für den gesamten Betrieb mit sich
bringt. Selbstverständlich wird man das Verfahren so ein-
fach wie möglich wählen, wodurch die eigene Einarbeitung,
die Anleitung des Unterpersonals und der unter militärischen
Verhältnissen ja nicht zu vermeidende Uebergang von einem
Leiter zum anderen ungemein erleichtert wird.
Nach diesen Gesichtspunkten sind hauptsächlich zu em-
pfehlen der Eisenoxalatentwickler, das Hydrochinon, sodann
Metol, ferner für bestimmte Zwecke Glycin und Rodmal
(Weichteile). Es soll nicht geleugnet werden, daß vielleicht
auch mit anderen schon - vorhandenen oder noch zu ent-
deckenden Entwicklern gute Erfolge zu erreichen sind, die
vorgenannten haben sich aber zweifellos bewährt und werden
daher in ihrer Anwendung genauer beschrieben werden.
Vorher sind jedoch noch einige Bemerkungen über den
Gang der Entwickelung im allgemeinen erforderlich. Wird
die exponierte Platte mit dem Entwickler übergössen, so
dauert es einige Zeit, bevor derselbe in die harte Gelatine
eindringt, sie genügend erweicht und nun eine Wirkung
zeigt. Hierauf mag man im Durchschnitt eine halbe bis
zwei Minuten rechnen. Bei richtiger Exposition müssen die
verschieden belichteten Teile in ganz bestimmter Reihenfolge
erscheinen. Hat man z. B. ein von der Sonne beschienenes
Haus aufgenommen, so markieren sich zunächst die hellsten
Kanten als isolierte schwarze Striche. In einem zweiten
Stadium treten hierzu andere Teile, welche etwas weniger Licht
bekommen haben, ferner wieder andere mit noch weniger Be-
lichtung u. s. w. In dieser Weise muß sich bei richtiger Be-
lichtung und richtiger Konzentration des Entwicklers das
1) Diese Grundsätze gelten für alle Aufnahmen, bei denen es sich
um das Hervorheben von Knochen oder Fremdkörpern gegenüber den
Weichteilen handelt. Will man jedoch zarte Unterschiede in den Weich-
teilen selber wie in der Brusthöhle zur Anschauung bringen, so muss die
Entwicklung nicht eine harte, sondern eine weiche sein.
118 Photographie.
Bild stufenweise aufbauen, und man hat hieran einen un-
trüglichen Beweis, daß alles richtig gemacht ist. Geht die Ent-
wickelung in dieser Weise vor sich, so erhalten offenbar die
hellsten Stellen den dichtesten Niederschlag, und die Ab-
stufung von Licht und Schatten erfolgt genau entsprechend
den Helligkeitswerten des Originals. Läßt man das Bild im
Entwickler liegen, so wird allmählich die ganze Platte
schwarz, indem der Niederschlag dauernd dichter wird und
das Bild verschwindet. Die Entwickelung muß daher zu
einem gewissen Zeitpunkt unterbrochen werden. Hat man
die ersten Anfänge des Bildes im auffallenden roten Licht
beobachtet, so muß man die weiter zunehmende Dichtigkeit
in der Durchsicht beurteilen. Hierzu hebt man die Platte
an einer Seite hoch, hält sie, von der Entwicklerschale unter-
stützt, immer in derselben Entfernung gegen die rote Lampe
und sucht, ohne sich um Einzelheiten zu kümmern, rasch
einen Ueberblick über die ganze Platte zu gewinnen. Man
richtet seine Aufmerksamkeit auf die hellsten Stellen und
nimmt die Platte im allgemeinen dann aus dem Entwickler
heraus, wenn diese bisher hellroten Stellen anfangen, einen
grauen Anflug zu bekommen, wenn sie sich zu „belegen"
beginnen. Die Platte wird nunmehr abgespült und in die
Fixierlösung gelegt. Mußte die Entwickelung fast auf Se-
kunden genau verfolgt werden, so braucht man sich um die
zu fixierende Platte nicht weiter zu kümmern. Es kommt
hier auf Stunden nicht an.
So glatt und normal verläuft die Entwickelung aber nur,
wenn die Expositionszeit richtig getroffen war. Hier können
zwei Fehler gemacht sein. Entweder hat die Platte zu viel
oder zu wenig Licht bekommen.
Im Fall der Ueberexposition sind auch relativ dunkle
Stellen schon derart vom Licht beeinflußt, daß sie unter Ein-
wirkung des Entwicklers leicht reduziert werden. Dies
markiert sich dadurch, daß beim Aufgießen des Entwicklers
das Bild nicht stufenweise sich aufbaut, sondern sofort oder
wenigstens sehr schnell in allen Einzelheiten sichtbar wird. Die
weniger belichteten Teile kommen fast ebenso schnell wie die
stark belichteten, beide werden in ihren Helligkeitswerten ge-
nähert, die im Original vorhandenen Kontraste vermindert, das
Bild wird flau. Dieser Fehler läßt- sich bis zu einem gewissen
Grade wieder gut machen. Wie oben angegeben, ist die
Bildung des latenten Bildes mit einer Abspaltung von Brom
Photographie. 119
aus dem Bromsilber verbunden. Ist zuviel Silber zersetzt,
zuviel Brom abgespalten, so kann dies durch Hinzufügen von
Bromkalilösung wieder gut gemacht und damit die zu starke
Lichtwirkung vermindert werden. Da der Grad der Licht-
einwirkung vielfach vorher nicht absolut genau abgeschätzt
werden kann, muß stets beobachtet werden, wie das Bild
kommt, und sofort tropfenweise Bromkalilösung (1 : 10) hin-
zugesetzt werden, wenn Ueberlichtimg erkannt wird. Ist dies
von vornherein sicher, so kann man auch die Platte vor dem
Entwickeln in dünner Bromkalilösung baden oder dem Ent-
wickler Bromkali zusetzen. In ähnlicher Weise wirkt alter
Entwickler, welcher teils durch Oxydation an der Luft in
seiner Wirkung geschwächt ist, teils aus den Platten bereits
Brom aufgenommen hat, er arbeitet klar. Bei vorsichtigem
Vorgehen können auch sehr erheblich überlichtete Platten
gerettet werden. Man soll es sich daher zur Regel machen,
lieber zu lange als zu kurz zu exponieren und gebrauchten
Entwickler stets vorrätig zu halten.
Hat die Platte zu wenig Licht bekommen, so sind nur
die grell belichteten Teile genügend vom Licht getroffen, um
der Einwirkung des Entwicklers nachzugeben. An den anderen
vermag der Entwickler nichts auszurichten, weil die Brom-
silbermoleküle nicht genügend erschüttert sind, um der re-
duzierenden Kraft zu erliegen. Beim Fixieren der Platte
ergibt sich in den Schatten keine Zeichnung oder, wenn zu
lange entwickelt wurde, ein allgemeiner grauer Anflug ohne
Einzelheiten. Unterexposition kann nur in geringem Grade gut
gemacht werden durch kräftigen Entwickler oder Zusatz
von Natriumhyposulfit in geringen Mengen, am besten
Baden der Platten vor dem Entwickeln in dünner Lösung
(1 : 3000), schließlich durch Standentwicklung. Von allen
diesen Hilfsmitteln ist aber hier sehr viel weniger zu er-
warten wie bei überexponierten Platten.
Was nun im besonderen dieEntwickelun g von Röntgen-
platten anlangt, so geschieht dies nach genau denselben
Grundsätzen wie die der gewöhnlichen Platten, ja sie ist noch
entschieden leichter, weil man sich garnicht um Einzelheiten
zu kümmern hat, sondern die Platte nur im Großen zu ver-
folgen braucht. Bei allen medizinischen Röntgenaufnahmen
handelt es sich um Weichteile und Knochen. Auf der Platte
erhält man also unter Hinzurechnung des Hintergrundes drei
Abstufungen. Zuerst erscheint der am meisten von den
120 Photographie.
X-Strahlen getroffene Hintergrund und verdichtet sich all-
mählich. Längere Zeit lagert auf ihm wie ein Glied aus
Gips der aufgenommene Körperteil ohne jede Zeichnung im
Innern, sich nur in seinen Umrissen scharf von der Platte
abhebend. Allmählich belegt sich auch das Konturbild, es
wird grau und scheint in die nun schon tiefschwarze Um-
gebung einzusinken. Jetzt ist es Zeit, die Platte in der
Durchsicht zu kontrollieren. Man findet nunmehr als zweite
Stufe der Dichtigkeit die Weichteile und am hellsten die
.Knochen. Ohne sich im geringsten mit dem Aufsuchen und
Erkennenwollen von Einzelheiten aufzuhalten, setzt man die
Entwickelung im Dunkeln ruhig fort, bis die hellsten Teile, die
Knochenzeichnungen ebenfalls anfangen, einen grauen Schein zu
zeigen, „sieh zu belegen". Wie dicht das Negativ zu entwickeln
ist, hängt von der Plattensorte, dem Entwickler, dann aber
auch von der Helligkeit der Dunkelkam merlampe ab, welche
daher stets in gleicher Lichtstärke leuchten und stets in der-
selben Entfernung zur Prüfung des Negativs verwendet werden
muß. Gestaltet man alle diese Umstände mit peinlicher Sorg-
falt stets gleichmäßig, so erlangt das Auge sehr bald die zur
Beurteilung erforderliche Empfindlichkeit. Nur auf diesem Wege
ist es möglich, stets gleichmäßig gute Negative zu erzielen.
Einige Bemerkungen sind noch erforderlich über die
Art und Weise, wie die Platten mit den Entwicklerflüssig-
keiten zu behandeln sind, da hierbei gemachte Fehler das
Negativ unrettbar verderben. Nachdem die Platte mit der
Schichtseite nach oben im Dunkeln in eine trockene Schale
gelegt ist, wird letztere mit der linken Hand an der dem
Körper zunächst gelegenen Ecke ergriffen, wobei die eine
Langseite dem Körper zugekehrt ist. Nunmehr wird der
bereitgestellte Entwickler in einem gleichmäßigen Zuge über
die Platte ausgegossen, wobei man das Gefäß mit der rechten
Hand an der linken unteren Ecke beginnend an der Längsseite
derart nach rechts führt, daß das Ausgießen beendet ist, wenn
die rechte Ecke erreicht wird. Man muß dabei der Schale und
der Entwicklerflüssigkeit einen derartigen Schwung geben,
daß die Platte vollkommen gleichmäßig Überflossen wird.
Bemerkt man trocken gebliebene Stellen, so müssen die-
selben auf das schleunigste ebenfalls benetzt werden, weshalb
die Flüssigkeit genügend reichlich zu wählen ist. Nun muß die
Flüssigkeit fortwährend langsam bewegt werden, was durch ge-
ringes Hin- und Herneigen der Schale in den Händen, auf einem
Photographie. 121
Klotz oder auf dem Rand der darunter stehenden Zinkwanne
erfolgt. Die Flüssigkeit fließt dabei am besten abwechselnd
in beiden Diagonalen in langsamem Zuge über die Platte.
Man vermeidet so am leichtesten trockene Stellen, die sich
auch später noch bilden können, z. B. in der Mitte, wenn
die Flüssigkeit durch starkes Neigen nur im Kreise umhergejagt
wird. . Dieses Bewegen hat zum Zweck, den Entwickler
dauernd überall gleichmäßig gemischt zu halten. Bleibt die
Schale nämlich ruhig stehen, so wirkt der Entwickler zuerst
und am stärksten an den am meisten vom Licht getroffenen
Stellen. Da aber nur die in unmittelbarer Berührung mit
der Platte befindlichen Schichten diese Wirkung ausüben
können, so erschöpft sich hier die entwickelnde Wirkung-
rasch, kommt zum Stillstand, und diese Teile bleiben in der
Entwickelung zurück, während an den weniger belichteten
Stellen die Einwirkung langsam aber dauernd stattfindet.
Das Endergebnis ist, daß die stark belichteten Partieen viel
zu schwach erscheinen gegenüber den minder belichteten,
daß das ganze Bild flau wird. Hält man den Entwickler
aber dauernd in langsamer Bewegung, so findet eine fort-
währende Mischung statt und wenn auch naturgemäß seine ent-
wickelnde Kraft im Ganzen allmählich nachläßt, so wirkt doch
dauernd eine Flüssigkeit, welche jederzeit über allen Teilen
des Bildes dieselbe entwickelnde Kraft besitzt. Das Negativ
kann sich unter solchen Umständen einzig gemäß der Ein-
wirkung des Lichtes aufbauen und die einzelnen Teile er-
scheinen in ihren richtigen Belichtungs werten.
Das richtige Uebergießen macht bei kleinen Platten keine
Schwierigkeiten, bei großen übt man es am besten vorher im
Licht an verdorbenen ein. Will man als Anfänger ganz sicher
gehen, so legt man die zu entwickelnde Platte zunächst auf ganz
kurze Zeit in eine reichlich Wasser enthaltende Schale. Auf der
dann angefeuchteten Schicht fließt der Entwickler gleichmäßig.
Einseitige Films werden wie Glasplatten behandelt.
Doppelt begossene müssen erst durch Wasser gezogen
werden, wobei alles Spritzen zu vermeiden ist. Alsdann
werden sie in reichlich genommenen Entwickler gelegt und
etwa jede Minute umgedreht, wozu man zweckmäßig eine
Ecke nach oben umbiegt. « Hierbei ist jedes Zerkratzen der
beiden Schichten zu vermeiden, was große Sorgfalt erfordert.
Auch in der Fixage und beim Wässern müssen sie öfter
umgedreht werden.
122 Photographie.
Der Eisenoxalat-Entwickler.
Die wirksame Substanz ist die Doppelverbindung von
oxalsaurem Eisenoxydul mit oxalsaurem Kali Fe(C204)2K2 -f-
H20, welches seit 1879 nach Eders vereinfachter Vorschrift
durch Mischen zweier Lösungen von Eisenvitriol und von
neutralem oxalsaurem Kali hergestellt wird. Alle in den
Lehrbüchern aufgeführten Gewichtsangaben für die Lösungen
sind entbehrlich. Man stellt sich in zwei Flaschen zwei ge-
sättigte Lösungen her, welche man dadurch dauernd kon-
zentriert erhält, daß am Boden immer ein Ueberschuß von
Salz vorhanden ist und nach jedesmaligem Gebrauch die ent-
nommene Menge durch abgekochtes oder weiches Leitungs-
wasser ersetzt wird. Das Eisenvitriol soll nicht verwittert,
seine Lösung hellgrün sein. Sie wird mit einigen Tropfen
Schwefelsäure versetzt (1 Tropfen auf etwa 100 ccm) und
am Licht aufbewahrt, wodurch sie klar bleibt. Das neutrale
Oxalsäure Kali soll weder mit saurem Salz (Kleesalz) noch
mit Chlorkali verunreinigt sein. Da man von letzterer
Lösung immer die dreifache Menge braucht, tut man gut,
hiervon eine Literflasche, vom Eisenvitriol etwa eine 300 ccm-
Flasche anzusetzen. Gießt man beide Lösungen zusammen,
so erhält man Kalium - Ferrooxalat, welches Salz sich
in überschüssigem oxalsaurem Kali mit roter Farbe löst,
und Kaliumsulfat, welches der Entwickelung nicht hinderlich
ist. Auf drei Teile Oxalatlösung kommt 1 Teil Eisenlösung,
wobei letztere in die erstere hineinzugießen ist, damit immer
der notwendige Ueberschuß von Oxalat vorhanden ist. Wird
zuviel Eisenlösung genommen, so entsteht ein gelber sandiger
Niederschlag von oxalsaurem Eisenoxydul, welcher die Platten
verdirbt. Beim Ansetzen des Entwicklers tut man daher gut,
die abgemessene Menge Eisenlösun'g nicht gleich im Ganzen
hinzuzufügen, da hiermit die Grenze der Löslichkeit des neu
sich bildenden Doppelsalzes sofort erreicht, auch der Ent-
wickler sofort zu höchster Wirkung gebracht wird. Nimmt
man zunächst die Hälfte der zulässigen Menge Eisenlösung,
so ist die entwickelnde Kraft schwächer und man kann die
Hervorrufung des Bildes in Ruhe beurteilen. Bromkalilösung
wirkt schon in kleinen Mengen stark verzögernd. Die
Mischung halb neuer, halb gebrauchter Entwickler beim Beginn
der Operation ist zu empfehlen. Normale Platten erhalten
gute dichte Deckung und ganz klare Schatten. Die Negative
Photographie. 123
werden schön schwarz und kontrastreich. Der Entwickler
wäre sonach durchaus zu empfehlen, doch geht die Ent-
wickelung häufig recht laugsam von statten, das Hantieren
mit den sauren Lösungen bringt für die Finger Beschmutzimg
und Beschädigung der Haut mit sich, auch besteht immer
die Gefahr, daß bei nicht ganz vorsichtigem Abmessen der
Lösungen sicli oxalsaures Eisenoxydul Fe(C204) pulverförmig
ausscheidet und das Negativ verdirbt.
Die organischen Entwickler
haben das Gemeinsame, daß fast alle erst mit einem
Zusatz von Alkali (Kali oder Natron in Laugen- oder kohlen-
saurer Form) wirken. Durch diesen Zusatz wird die Gela-
tineschi cht rasch erweicht, die Lösungen dringen leicht hinein
und das Verfahren kann zu einer wahren Rapident Wickelung
ausgestaltet werden. Da alle hierher gehörigen Substanzen
begierig Sauerstoff aus der Luft aufnehmen, hierbei unwirksam
werden und zu Farbstoffsohleiern Veranlassung geben, muß
ihren Lösungen Natriuinsulfit zugesetzt werden, welches noch
energischer Sauerstoff absorbiert und sich hierbei zu Sulfat
oxydiert. Das Natriumsulfit wurde zuerst 1882 von Ber-
keley im Pyrogallol-Entwickler eingeführt.
Im allgemeinen werden zwei Lösungen empfohlen, die
eine mit der entwickelnden Substanz in etwa 2 — 5 proz.
Konzentration und 10 pCt. Natriumsulfit, die andere das Alkali
enthaltend. Diese Trennung geschieht, weil die Lösungen
in dieser Form haltbarer sind. Das mag ganz empfehlens-
wert sein für Amateure, welche nur selten zum Entwickeln
kommen. Für Laboratorien jedoch, in welchen täglich ge-
arbeitet wird, ist aber unstreitig das Vorrätighalten nur einer
Lösung vorzuziehen, falls dieselbe genügend haltbar ist. Es
sollen daher hier hauptsächlich genaue Vorschriften über einen
Entwickler gegeben werden, welcher sich nach Prüfung vieler
Anweisungen als ganz besonders einfach, zuverlässig und den
oben dargelegten Anforderungen an die Herstellung eines
Röntgennegativs entsprechend bewährt hat.
Hydro chinon (Para-Dioxybenzol C6H4(0H)2) kann als
Universalentwickler gelten, da er sehr gut sowohl langsamer
als rascher Entwickelung* angepaßt werden kann, gut haltbar
ist und ausgezeichnete Deckung der Negative gibt. Daß er
mit normaler Schnelligkeit nicht unter 19° C. arbeitet, tut
seine]- Verwendbarkeit keinen Eintrag, da diese Temperatur
124 Photographie.
wohl stets im Röntgenzimmer vorhanden ist. Als bewährter
Ansatz in zwei Lösungen kann folgende Vorschrift empfohlen
werden:
A
B
Wasser
1000
Wasser 1000
Natriumsulfit
Hydro chinon
100
20
Kohlensaures Kali 100
Zum Gebrauch werden 2 Teile A mit 2 Teilen B und
1 Teil Wasser gemischt.
Abänderungen dieser Vorschrift sind in ziemlich weiten
Grenzen ohne Belang. Als Verzögerer wirkt Bromkali, doch
nicht sehr energisch, und Eisessig tropfenweise hinzugefügt.
Alter Entwickler arbeitet sehr klar und kontrastreich, aber
langsamer als frischer.
Eine einfachere Vorschrift rührt von G. Balagny (Paris
1887) her. Folgende Zusammensetzung hat sich durchaus
bewährt:
Wasser 1000
Natriumsulfit 100
Natriumkarbonat 80
Hydro chinon 15
Letztere Substanz wird nach Lösung der übrigen hinzuge-
fügt. Der Entwickler ist alsbald gebrauchsfertig und hält sich
monatelang in verkorkter Flasche brauchbar. Er stellt für
Röntgenzwecke die einfachste und brauchbarste Mischung
dar. welche rasch, dicht und klar entwickelt, die Gelatine
nicht angreift, auch den Händen nicht besonders verderb-
lich ist.
An Stelle von einfachem Hydrochinon kann Permanent-
Hydrochinon genommen werden, welches 0,5proz. lose ge-
bundene schweflige Säure sowie etwas Krystallwasser enthält
und sich besonders gut hält.
Ferner kann das Adurol benutzt werden, welches ent-
weder Mono-Ohlor- oder Mono-Bromhydrochinon ist und etwas
rascher und weicher entwickelt als Hydrochinon, aber ebenso
klar arbeitet und ebenfalls vorzügliche Deckung ergibt.
Metol, das schwefelsaure Salz des Monometbyl-
p-Amiclometakresols, ist ein Entwickler, welcher sehr rapid
und kräftig entwickelt, daher aber weniger für überlichtete
Platten paßt. Metol hat die Eigenschaft, das Bild sehr
Photographie. 125
rasch in allen Einzelheiten hervorzurufen, die Dichte muß daher
nur in der Durchsicht sorgsam kontrolliert, auch etwas stärker
entwickelt werden, da das Bild beim Fixieren mehr zurück-
geht. Metol kann allein in zwei Lösungen angewendet
werden, welche analog den obigen Vorschriften für Hydro -
chiiion angesetzt werden. Häufig wird es aber mit anderen
organischen Entwicklern kombiniert. So kann in der vorher
angegebenen einfachen Lösung von Balagny statt 15 g
Hydrochinon von diesem nur 10 g und 5 g Metol genommen
werden.
Rodinal (Paramidophenol, Natriumsulfit und Aetznatron)
kommt als fertige Lösung in den Handel und braucht nur
mit 10 — 15 Teilen Wasser verdünnt zu werden. Es ist
gegen Temperaturschwankungen nicht besonders empfindlich,
verträgt viel Bromkalizusatz (zu 100 ccm verdünnten Ent-
wickler kann man bei normaler Exposition 2 — 3 ccm Brom-
kalilösung 1 : 10 geben) und läßt sich gut abstimmen. Es
ist in dünner Lösung, etwa 1 : 50, namentlich zur Hervor-
rufung von Brustaufnahmen zu empfehlen, da es die feinen
Schattenunterschiede der Weichteile zart herausbringt.
Glycin, hervorgegangen aus der Einführung des Essig-
säureesters in das Paramidophenol, ist ein langsam aber
ohne jeden Schleier arbeitender Entwicker, der zwar auch
in konzentrierten Lösungen verwendet wird, sich aber be-
besonders gut zur Standentwicklung (s. unten) eignet.
Mit den vorstehend aufgeführten Entwicklern kann allen
Anforderungen der Röntgenaufnahmen entsprochen werden.
Bei den fast täglich auftauchenden neuen synthetisch darge-
stellten Entwicklern ist es aber nicht ausgeschlossen, daß
noch Substanzen entdeckt werden, welche auch für die
Röntgentechnik von Wert sein können. Unter diesen er-
scheinen Pyramin, entstanden aus Dimethylamin und Pyro-
gallol, ferner Edinol, das salzsaure Salz des m-Amido-o-oxy-
benzylalkohols, der Prüfung wert.
Unter den Methoden der Entwickelung muß auch der
von Meydenbauer1) ausgebauten Standentwickelung be-
sonders gedacht werden. Das Verfahren beruht auf der Be-
1) A. Meydenbauer, Das photographische Aufnehmen zu
wissenschaftlichen Zwecken insbesondere das Meßbildverfahren. Berlin
1892. ünte's Verla<?sanstalt. S. 96.
126 Photographie.
obachtung, daß auch außerordentlich verdünnte Entwickler
eine Platte hervorrufen, wenn sie nur genügend lange ein-
wirken, und daß die Entwickelung gleichmäßiger erfolgt. Die
Standentwickelung eignet sich für jede Art von Platten, da
auch stark überlichtete hierdurch zu retten sind. Werden
bei gewöhnlicher Entwickelung die betreffenden Substanzen
etwa in lproz. Lösung angewandt, so geschieht es hier nur
im Verhältnis von 1: 500 bis 1000, und die Minuten beim
gewöhnlichen Verfahren werden auf Viertelstunden aus-
einandergezogen. Bedingung hierfür ist allerdings, daß die
Platten in der unbewegten Flüssigkeit stehen oder mindestens
mit der Schicht nach unten schwebend erhalten werden,
da sonst Streifen und Flecken darauf entstehen. Am besten
ist es, starke Holzküvetten anzuwenden, deren innere Seiten
mit Celluloid belegt sind. Diese Küvetten müssen aufrecht
stellen, wobei die Flüssigkeit der oxydierenden Luft die ge-
ringste Oberfläche darbietet. Die Platten werden in zwingen-
artige Rahmen von Holz von oben eingeschoben und gänzlich
in die Flüssigkeit getaucht. Vier bis sechs können gleich-
zeitig in demselben Kasten entwickelt werden. Macht man
eine Reihe von Aufnahmen nach einander, so stellt man so-
gleich die erste Platte in den Entwickler, die zweite dahinter
ü. s. f. Kennt man nun seine Expositionszeiten richtig, so
hat man immer nur nötig, die vorderste Platte zu beurteilen,
weil die nächsten in der Entwickelung noch weiter zurück
sein müssen. Das Nachsehen ist vor einer halben Stunde
nicht erforderlich, die Platten sind erst nach IV4 — 2 Stunden
fertig und müssen sehr dicht entwickelt werden, da sie in
der Fixage stark zurückgehen. In der Zwischenzeit braucht
man sich durchaus nicht um sie zu kümmern, sondern kann
andere Geschäfte erledigen.
Als Ansatz zur Glycin-Standeiitwickelung hat sich be-
währt :
Wasser 1000
Natriumsulfit 125
Natr i unikarb onat 150
Glycin 40
Zum Gebrauch wird diese Lösung auf 10 Liter ver-
dünnt.
Der Entwickler arbeitet bis 8 Tage hintereinander, an-
fangs rascher, später unter Bräunung etwas langsamer.
Photographie. 127
In dem vorstehend Angeführten ist die Verwendbarkeit der
Methode gekennzeichnet. Mit Vorteil macht man von ihr Ge-
brauch, wenn viele Aufnahmen zu entwickeln sind und man
doch in der Nähe beschäftigt ist. Im Garnisonlazarett I Berlin
ist sie ungefähr ein Jahr lang in Gebrauch gewesen, als bis
1500 Aufnahmen im Jahr (bis 30 an einem Tage) zu be-
wältigen waren. Sie hat gute Resultate gegeben, doch
werden die Negative weicher, die Schwärzen nicht so packend
wie beim Hrdrochinon. Offenbar ist das Verfahren .nicht so
gut am Platze, wenn nur wenige Aufnahmen täglich vor-
liegen und die Arbeit in kurzer Zeit erledigt, werden soll.
Dann ist es besser, bei der gewöhnlichen Entwickelung zu
bleiben, welche mit Sicherheit brillante Negative ergibt.
Freilich ist der Vorzug nicht zu unterschätzen, daß das Ver-
fahren auch in der Hand des Ungeübten bald zufrieden-
stellende Resultate gibt, da es keinerlei Anforderungen be-
züglich technisch-photographischer Routine stellt und somit
eine erhebliche Fehlerquelle ausschaltet. In dieser Ueber-
legung empfiehlt die Firma W. A. Hirschmann auch die
Hervorruf ung einzelner Platten mittelst Standentwickelung
und bringt hierzu einen Apparat mit ganz schmalen Küvetten
in den Handel. Als Entwickler wird empfohlen:
Wasser 1000
Natriumsulfit 400
Kohlensaures Kali 400
Glycin 20
Die Lösung wird verdünnt mit 6 Liter Wasser, worin die
Hervorrufimg in 20 — 30 Minuten erfolgt. Die schnellere
Wirkung ist wohl auf Rechnung der kräftiger wirkenden
Pottasche zu setzen. Mit einer ähnlichen Lösung hatte auch
Albers-Schönberg1) gute Erfolge.
Da trotz alledem von erfahrenen Photographen der Ent-
wickelung mit fortdauernder Bewegung der Flüssigkeit un-
streitig der Vorzug eingeräumt wird, hat es nicht an Ver-
suchen gefehlt, die Standentwickelung mit einer automati-
schen Schaukelbewegung zu kombinieren. Einfach durch ein
schweres Pendel in Bewegung gesetzte Apparate sind un-
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Pvönt gen -Strahlen 1899
Bd. III S. 30.
128 Photographie.
brauchbar, weil bei den in Betracht kommenden Massen die
Energie sich bald erschöpft. Es sind daher von Gocht1)
und Hofmeister2) mechanische Schaukelapparate angegeben,
welche entweder durch Elektrizität oder ein aufgezogenes
Gewicht angetrieben werden und welche für größere Ver-
hältnisse gewiß zweckmäßig sind.
Theoretisch interessant ist die Tatsache, daß man ge-
wisse Entwicklersubstanzen, namentlich Brenzkatechin und
Ortol, mit Fixiernatron ansetzen kann und so eine Lösung
erhält, welche gleichzeitig entwickelt und fixiert. Da man
jedoch den Entwicklungsprozeß nicht gut zu kontrollieren ver-
mag, hat dies Verfahren keinen Eingang in die Praxis ge-
funden3).
Das Fixieren.
Nach kräftigem Abspülen der entwickelten Negative, am
besten unter der Brause der Wasserleitung, werden sie in die
Lösung von unterschwefligsaurem Natron gestellt oder gelegt.
Unterläßt man das Abspülen, so werden Reste des Ent-
wicklers mitgeschleppt, welche zu Absetzen von Schlamm
und Schleierbildung Veranlassung geben und das Fixierbad
rasch unbrauchbar machen. Der Vorgang beim Fixieren ist
folgender. Zunächst setzt sich Bromsilber mit Natriumthio-
sulfat um nach der Gleichung
2 AgBr -f- Na2S203 = 2 NaBr + Ag2S203.
Bromsilber Natriumthiosulfat Bromnatrium Silberthiosulfat
Letzteres löst sich in übers chüssi gern Fixiernatron unter
Bildung des leicht löslichen unterschwefligsauren Silberoxyd-
natron Ag2S203 . 2 Na2S2Os. Ist dagegen nicht genügend
Fixiernatron vorhanden, so entsteht nur Ag2S203 . Na2S203,
welches sehr schwer löslich, aus der Gelatineschicht nur un-
vollkommen zu entfernen ist und als zersetzliches Silber-
salz hier später zur Bräunung der Negative führt. Man muß
daher die Fixierbäder in ihrer Wirkung nicht bis zur Er-
1) Fortschritte auf dem Gebiete der R ö n t g e n - Strahlen 1901
Bd. V. S. 26.
2) Ebendas. S. 181.
3) Vergl. Eder, Ausführliches Handbuch d. Photographie. Bd. III
S. 517. Halle 1903.
Photographie. 129
Schöpfimg ausnutzen, sondern lieber früher neu ansetzen.
Die Reste können auf Silber verarbeitet werden.
Am empfehlenswertesten ist es, nicht die einfache
Lösung des Fixiernatrons zu nehmen, sondern dem Bad
eine Säure zuzusetzen, welche die Wirkung des Entwicklers
rasch aufhebt, einem etwa durch Zersetzung der organischen
Entwickler entstehenden Gelbschleier vorbeugt und die durch
die Einwirkung der Alkalien gelockerte und aufgeweichte Gela-
tine etwas gerbt. Als Zusatz kann Zitronensäure, Weinsäure,
am einfachsten Schwefelsäure dienen. Man darf nicht soviel
nehmen, daß Schwefel ausgeschieden wird, und muß die
Säure zuletzt nach Lösung der anderen Substanzen zu-
setzen. Eine gute Vorschrift ist:
Natrium subsulfurosum 800
Natriumsulfit 200
Wasser 5000
Nach Lösung Ac. sulf. pur. 36
Die unter dem Namen „saure Sulfitlauge" für Zwecke
der Bleicherei in den Handel gebrachte Flüssigkeit enthält
Natrium bi sulfit und schweflige Säure. Man kann zweckmäßig
ansetzen :
Natrium subsulfurosum 250
Wasser 1000
Saure Sulfitlauge 50 — 100
Das gewöhnliche Natriumthiosulfat krystallisiert mit
5 Aequivalenten Krystallwasser (Na2S203 -f- 5H20). Das
„Fixiersalz" der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation ist
durch vorsichtiges Erhitzen entwässertes Fixiernatron, das fast
doppelt so wirksam ist.
Sog. „saures Fixiersalz" ist ein Gemisch von wasser-
freiem gepulvertem Fixiernatron und wasserfreiem Bisulfit
(z. B. Kaliummetabisulfit) und gibt in etwa 8 Teilen Wasser
gelöst sofort ein normales saures Fixierbad.
Auch gemischte Alaun- und Fixierbäder sind empfohlen,
namentlich um das Kräuseln und Ablösen der Gelatine-
schicht zu verhüten, bei guten Platten jedoch entbehrlich.
Das Fixieren wird beurteilt nach dem Verschwinden der
auf der Glasseite sichtbaren, vom Bromsilber herrührenden
gelben Farbe. Ist dieselbe nicht mehr sichtbar, so soll die
Platte noch einige Zeit in der Fixierlösimg liegen bleiben
Stechow, Das Röntgen-Verfaliren. Q
130 Photographie.
und dann gut gespült werden. Hierzu ist eine 8 — 10 malige
Erneuerung des Wassers oder ein halbstündiges Verweilen
in fließendem Wasser erforderlich. Am besten ist es, wenn
die Platte dabei steht oder mit der Schichtseite nach unten
hohl aufliegt, weil die schwere Lösung des Doppelsalzes als-
dann am leichtesten aus der Schicht abfließen kann.
Will man die Platten besonders härten, so kann man nun-
mehr noch ein Bad in Alaunlösung oder Formaldehyd anwen-
den. Die Gelatine wird aber besonders bei Anwendung des letz-
teren leicht so hart, daß sie keine weitere Bearbeitung annimmt.
Es ist durchaus empfehlenswert, die Rückseite der Platte
schon jetzt durch Bearbeiten mit einer scharfen Bürste
möglichst zu reinigen. Alle dort befindlichen Auflagerungen
sind jetzt erweicht und leicht zu entfernen. Unterläßt man
dies, so ist die oft wichtige sofortige Beurteilung der Platte
erschwert und die Arbeit bei der späteren Reinigung der
Rückseite unnötig vermehrt.
Die Platte ist ferner zum Schluß auf beiden Seiten noch
gehörig abzubrausen, wobei man von der Mitte ausgeht und
alle Unreinigkeiten nach den Rändern treiben läßt, wo sie
dann leicht abfließen. In Ermangelung eines kräftigen Wasser-
strahls (Brause) kann man die Platte auch mit dem nassen
Daumenballen abwischen, muß aber dabei sehr zart verfahren.
Die vollkommen saubere Platte muß nun zum Trocknen
aufgestellt werden, wozu die bekannten Plattenböcke dienen.
Das Trocknen muß bei gleichbleibenden Verhältnissen ge-
schehen. Jede Aenderung der Temperatur bedingt ein
' schnelleres oder langsameres Verdunsten des Wassers und
damit eine andere Intensität der Schwärzung. Rasch
trocknende Bilder erhalten einen dunkleren Farbenton. Ist
das Negativ also teils langsam, teils rasch getrocknet, so
ergeben sich Differenzen, welche auch durch nachheriges
Einweichen in Wasser nicht wieder zu beseitigen sind. Aus
dem gleichen Grunde ist es ängstlich zu vermeiden, ein
trockenes Negativ teilweise naß zu machen, was z. B. schon
bei unvorsichtigem Sprechen geschehen kann.
Das Trocknen kann beschleunigt werden, wenn man der
nassen Platte vorerst durch ein Bad mit Alkohol Wasser entzieht.
Nach dem Trocknen muß die Glasseite des Negativs
noch vollkommen sauber gemacht werden. Dies geschieht
durch Abputzen mit einem nassen Lappen, wobei sorgfältig
die Schichtseite vor Befeuchtung zu schützen ist, Am besten
Photographie. 131
bringt man sich auf dem Tische in bequemer Lage einen kleinen
rechten Winkel von etwa 2 mm dicken Holzleisten fest an,
gegen welchen man die auf Fließpapier gelagerte Platte sicher
anlegen kann. Mit einem feuchten Wattebausch wird nun
die Glasseite abgerieben, die Reste von Unreinigkeiten auf-
geweicht und entfernt und zum Schluß die Platte mit einem
Leinentuch trocken und spiegelblank gerieben.
Das fertige Negativ kann nun entweder überall Licht
und Schatten in richtiger Verteilung zeigen oder aber ent-
weder zu dünn oder zu dicht sein. Gegen beide Fehler sind Ab-
hilfen durch Verstärken oder Abschwächen möglich. Diese
Verfahren sollten beide aber immer erst angewendet werden,
wenn die Platte vollkommen trocken und auf der Rückseite
poliert ist. Im nassen und nicht vollkommen gesäuberten
Zustand kann man nämlich weder den ganzen Charakter
des Negativs sicher beurteilen noch auch namentlich bei
Röntgenplatten über feinere Abweichungen vom Normalen zu
voller Gewißheit kommen. Hierzu kommt die Tatsache, daß
die erneut anzuwendenden Lösungen in die aufgecpiollene
wasserhaltige Gelatine nur schwer eindringen, die Operationen
daher schleppend und ungleichmäßig verlaufen. Viel besser
kann man sich über das Maß der notwendigen Verstärkung
oder Abschwächung klar werden, und viel sicherer vermag
man diese durchzuführen, wenn man hiermit erst an die voll-
kommen fertigen und sauberen Negative herangeht.
Für beide Operationen sind eine ganze Reihe verschiedener
Verfahren angegeben. Es genügt jedoch vollkommen, nur je
eines zu beherrschen, welches leicht und sicher anzuwenden ist.
Verstärken der Negative.
Ist die Platte beim Entwickeln zu dünn ausgefallen, be-
sitzt sie im allgemeinen zu wenig Deckung oder nicht genügend
starke Kontraste zwischen Licht und Schatten, so kann die
bildgebende Schicht verstärkt werden durch Anlagerung anderer
Metalle an das gefällte Silberkorn. Am meisten gebräuchlich
ist die Behandlung mit Quecksilberchlorid oder -bromid, wo-
durch eine Doppelverbindung mit Silber, vielleicht von der
Formel Ag Hg Cl2, entsteht und das Bild grau bis weiss wird.
Durch Baden in Ammoniak (etwa 1 : 5 Wasser), in Natrium-
sulfit (etwa 1:6 — 8 Wasser) oder beliebigem alten Ent-
wickler wird das Doppelsalz reduziert zu dunkel gefärbten
132 Photographie.
Verbindungen von noch nicht sicher feststehender Zusammen-
setzung.
Man nimmt:
Quecksilberchlorid . . 10 oder Quecksilberchlorid 2
Wasser . . . . . . 100 Bromkalium . . 2
Wasser .... 100
und behandelt hiermit das trockene Negativ wie beim Ent-
wickeln. Soll nur geringe Verstärkung erzielt werden, so
spült man nach Erreichung des grauen Tones gründlich ab
und übergießt mit • einer der oben genannten Flüssigkeiten.
Nach vollkommener Schwärzung, die sehr rasch erfolgt, wird
wieder abgespült und getrocknet. Am bequemsten vollzieht
sich dies mit Ammoniaklösung, deren Ueberschuss einfach
verdunstet.
Beim Zurückgießen der Sublimatlösung ist in den
Trichter etwas entfettete Watte zu legen, um Unreinigkeiten
zu entfernen.
Nur Negative, welche in den Schatten völlig klar sind,
können ohne weiteres verstärkt werden. Findet sich darin
aber ein verbreiteter Schleier, so muss dieser vorher durch
Abschwächen entfernt werden.
Abschwächen der Negative.
Das metallisch gefällte Silber hat die Eigenschaft, durch
viele sauerstoffreiche Metallsalze in lösliche Verbindungen
übergeführt zu werden. Das Abschwächen muß mit großer
Vorsicht durchgeführt und vor dem Erreichen des gewünschten
Grades der Aufhellung abgebrochen werden, weil die in der
Schicht steckende Substanz nicht sofort zu entfernen ist
sondern bis zur Erschöpfung weiter arbeitet. Ist aber einmal
Silber aus dem Bild an einer dünnen Stelle vollkommen
herausgelöst, so ist es auf keine Weise wieder zu ersetzen.
Vor dem Abschwächen muß man sich darüber klar
werden, ob stark oder mäßig aufgehellt werden soll, ob nur
ein geringer allgemeiner Schleier fortzunehmen oder ob be-
sonders die dichten Stellen geklärt werden sollen. Die meisten
Abschwächer wirken derart, daß sie überall gleiche Mengen
Silber entfernen. Ist an einer Stelle beispielsweise eine
Deckung gleich 3 vorhanden, an einer andern gleich 6, so
ist dies ein Verhältnis wie 1 zu 2. Wird durch gleichmäßige
Photographie. 133
Abschwächimg an jeder Stelle derselbe Anteil von etwa 2
hinweg genommen, so resultiert ein Verhältnis von 1 zu 4.
Die Kontrastwirkung ist also auf das Doppelte gesteigert.
Am einfachsten ist das Verfahren mit rotem Blutlaugen-
salz und Fixiernatron (Farmer 1883), wobei Ferrocyansilber
entsteht, welches sich in Fixiernatron löst. Um den Prozeß
gut in der Hand zu haben, ist es am bequemsten folgender-
maßen vorzugehen. In eine weiße Porzellanschale gibt man
eine genügende Menge Fixiernatronlösung von beliebiger
Stärke (etwa 1 : 5 bis 8). Hierzu tropft man von einer be-
liebigen Lösung von rotem Blutlaugensalz, welche sich jahre-
lang hält, soviel hinzu, daß eine Flüssigkeit von hellem
Zitronengelb entsteht. Hierin bewegt man das Negativ wie
beim Entwickeln und kann die Klärung bequem verfolgen.
Die gelbe Farbe verschwindet nach einiger Zeit, womit die
Wirkung aufhört. Durch rechtzeitiges Zusetzen einiger Tropfen
der Eisenlösimg kann man die Abschwächung beliebig lange
fortführen, muß jedoch aufhören, bevor die gewünschte Wir-
kung erreicht ist. Nachher muß wieder ordentlich gewässert
und getrocknet werden.
Aehnlich wie dieser einfache und leicht zu handhabende
Abschwächer arbeiten noch eine ganze Reihe anderer Sub-
stanzen. Alle greifen gleichmäßig das Bild an, hellen daher
zuerst die dünnen Stellen auf und vermehren die Kontraste.
Eine höchst merkwürdige Wirkung besitzt das Ammo-
niumpersulfat wie Gebr. Lumiere und Seyewetz zuerst
1898 mitteilten. Es wirkt vorzugsweise auf die undurch-
sichtigen Stellen, während die zarteren Niederschläge erst
spät angegriffen werden. Hierdurch ist ein sehr wertvolles
Hilfsmittel gewonnen für Negative, welche gleichzeitig zu
kurz exponiert und zu kräftig entwickelt sind. Mit keiner
andern Methode konnten solche Negative früher verbessert
werden. Wenn das Verfahren auch besonders wertvoll für
die gewöhnliche Photographie ist, so kann die Kenntnis hier-
von wohl auch einmal für Röntgennegative wichtig sein. Das
Salz wird in 3 — 5proz. Lösung benutzt, die Einwirkung
vor Erreichung der gewünschten Wirkung abgebrochen und
das Negativ in Natriumsulfit (1 : 10) gebadet, wodurch das
Persulfat zerstört wird. Ammoniumpersulfat hat die Formel
S2 08 (NH4)2 ; über die Art der chemischen Umsetzungen ist
noch nichts Sicheres bekannt.
134 Photographie.
Lackieren der Negative.
Um die Gelatineschicht vor Beschädigungen, namentlich
auch vor dem Eindringen von Feuchtigkeit zu schützen, ist es
gebräuchlich, die Schicht mit irgend einem Lack zu über-
ziehen, welcher im allgemeinen durch Auflösen von Harzen in
Alkohol erhalten und warm oder kalt aufgetragen wird. Der
neuerdings beliebte Zaponlack, bestehend aus einer Auflösung
von Celluloid in Aceton und Amylacetat, ergibt eine be-
sonders harte, gleichmäßig blanke Schicht, kann aber nur
schwierig wieder entfernt werden.
Für Röntgenbilder ist zu beachten, daß die stets un-
scharfen zarten Konturen durch jede Art Lack noch mehr
verwischt werden und daß sehr feine Abweichungen ganz
verschwinden können. Es ist d alier zu empfehlen, hier ganz
vom Lackieren abzusehen.
Das Retouchieren der Negative
ist bei gewöhnlichen Photographieen, namentlich Porträts,
sehr gebräuchlich. Bei Röntgenbildern als wissenschaftlichen
Dokumenten ist jede „Verschönerung" des eigentlichen Bildes
unstatthaft, indessen ist nichts dagegen einzuwenden, offen-
bare Fehler der Schicht zu verbessern. Hierher gehören
namentlich die so häufigen hellen Pünktchen in dunkeln
Stellen, welche durch während der Aufnahme heraufgefallenen
Staub, mechanische A7eiietzungen durch Fingernägel, den
Wasserstrahl oder dgl., endlich durch Fehler beim Präparieren
der Emulsion bedingt sind. Sie müssen mit weichem Blei-
stift oder mit Farben (Karmin, Schwarz, Zinnober) gedeckt
werden, welche mit spitzem Pinsel ohne Ueberschreitung der
Konturen aufgetragen werden. Die Farben verreibt man auf
einer alten von der Gelatine befreiten Glasplatte. Statt des
dem Photographen unentbehrlichen Retouchierpultes mit Matt-
scheibe genügt wohl in allen Fällen im Röntgenzimmer ein
Schräglegen der Platte gegen das Licht und eine weiße
Unterlage.
Das Aufbewahren der Negative.
Jedes Negativ muß sofort signiert werden mit einer
der geführten Liste entsprechenden Nummer, vielleicht noch
mit dem Tag der Aufnahme oder anderen Angaben, auf welche
es gerade ankommt. Die betreffende Notiz kann in einer
Ecke aufgeklebt werden. Einfacher ist es und namentlich
Photographie. 135
für Röntgenaufnahmen in Militärlazaretten wegen der leichter
möglichen Verwechselung besonders zu empfehlen, jede Platte
ungesäumt nach der Fertigstellung auf der Schichtseite mittels
Tinte oder recht dick schreibendem Bleistift mit Datum,
Namen und Truppenteil des Mannes sowie der Nummer der
geführten Liste (falls nicht etwa Nummern aus Metall mit-
photographiert sind) zu versehen. Nicht zu vergessen ist
dabei die Jahreszahl, welche von größter Wichtigkeit ist,
wenn später einmal gelegentlich Zusammenstellungen gemacht
werden sollen, welche sich über mehrere Jahre erstrecken.
Die Schriftzüge haften sicher auf der Gelatine, stören in der
einen Ecke nicht bei Anfertigung von Abzügen und erleichtern,
wenn deutlich und kräftig ausgeführt, das Einordnen und
spätere Wiederauffinden der Platten.
Zum Schutz der Gelatine wird vielfach das Einschlagen
in halb durchsichtige Papiertaschen empfohlen. Dies Ver-
fahren ist ganz angebracht bei geringer Tätigkeit des
Röntgenk abinettes. Für größeren Betrieb ist es zu teuer
und umständlich. Es ist vollkommen ausreichend, die Nega-
tive nach der Nummer geordnet in dieselben Plattehkästen
zu legen, in welchen man sie bezogen hat. Zwischen je
zwei Platten kommt ein etwas kleineres Stück säurefreies
Papier, etwa glatt satiniertes schwarzes Plattenpapier. Ge-
wöhnt man sich noch, die Inschrift immer auf dieselbe Ecke
zu setzen, z. B. links oder rechts oben, so können die
Platten sehr leicht überblickt und wieder aufgefunden werden.
Legt man immer zwei Platten mit der Glasseite zusammen
und nur zwischen die Schichtseiten Papier, so spart man
etwas an letzterem und an Raum in dem Pappkasten, doch
wird die Uebersicht erschwert. Um die Gelatine vor jeder
Verletzung zu bewahren, werden die Kästen mit den Negativen
stehend aufbewahrt.
Positivverfaliren.
Ist das Negativ glücklich vollendet, so ist für das
Röntgenverfahren in den meisten Fällen der Prozess beendet,
da das Negativ alles, was mit diesem Verfahren erreichbar
ist, in größter Feinheit ze'igt. Für Ungeübte besteht vielleicht
anfangs einige Schwierigkeit, sich in diesen „umgekehrten
Bildern" zurechtzufinden; sind dieselben jedoch tadellos aus-
136 Photographie.
geführt, so lernt man schnell mit größter Sicherheit hierin zu
lesen. Jedenfalls darf man sich in schwierigen Fällen nur
nach dem Befund im Negativ richten.
Müssen jedoch Kopieen nach den Negativen angefertigt
werden, so stehen hierfür eine Anzahl verschiedener Ver-
fahren zur Verfügung, von denen ausschließlich die in der
Reduktion von Silbersalzen auf Papier beruhenden in Betracht
kommen. Sie lassen sich einteilen je nach der Art des ver-
wendeten Silbersalzes in direkt kopierende (Auskopier-)
Verfahren und Entwickelungsverfahren.
Bei der ersten Art wird Chlorsilber verwendet, welches
im Licht durch das Negativ hindurch sich direkt schwärzt,
daher den Fortgang des Prozesses dauernd und sicher zu
kontrollieren gestattet. Bei der zweiten Art wird in einer auf
Papier aufgetragenen Broms über Schicht durch Exponieren
unter dem Negativ an gedämpftem Tages- oder Kerzenlicht
ein unsichtbarer Lichteindruck erzeugt und das Bild ebenso
wie im Negativprozeß entwickelt. In beiden Fällen wird das
nicht verbrauchte Silbersalz durch Fixieren in dem gewöhn-
lichen 'Fixiernatron entfernt.
Bei dem Auskopierverfahren verwendet man feste, gut
geleimte Papiersorten, auf deren Oberfläche die empfindliche
Schicht entweder direkt erzeugt oder eine Silbersalze ent-
haltende Schicht aufgebracht wird. In früheren Zeiten wurde
Papier von glatt satinierter Oberfläche (von Rives oder
Steinbach) oder Albuminpapier mit Chlornatrium getränkt
(gesalzen) und alsdann auf Silbernitratlösung schwimmen ge-
lassen. Es entsteht Chlorsilber, daneben enthält das Papier
aber auch überschüssiges Silbernitrat bezw. Albuminat,
welches zwar nicht die Empfindlichkeit, wohl aber den Um-
fang der Zersetzung, die Tiefe der Schwärzung erhöht.
Diese Papiere müssen in kurzen Zeiträumen frisch be-
reitet werden und kommen daher, obwohl sie gute Bilder
liefern, für das Röntgen- Verfahren nicht in Betracht.
Wird Chlorsilber mit überschüssigem Silbernitrat oder
ähnlichen Silbersalzen in Gelatine emulgiert und auf Papier
übertragen, so entsteht sog. Aristopapier, welches noch
durch Einwirkung von etwas Formalm gehärtet werden kann
(Gelatoidpapier).
Eine Emulsion von Chlorsilber mit andern Silberoxyd-
salzen in Kollodium liefert das gegenwärtig am meisten an-
gewendete Celloiclinpapier, bei welchem die empfindliche
Photographie. 137
Schicht noch auf einer Lage von Gelatine und Baryumsulfat
ruht. Durch diese Vorpräparation werden die Poren des
Papiers verschlossen und die Oberfläche vollkommen eben.
Das Kopieren erfolgt bei zerstreutem Tageslicht, wenn
möglich nach Norden, in Kopierrahmen, in welchen das Papier
fest gegen die Schichtseite des Negativs gedrückt wird. Von
Zeit zu Zeit muß die eine Hälfte des Rahmens hochgeklappt,
das Fortschreiten der Bräunung bei gedämpfter Zimmerbe-
leuchtimg kontrolliert und abgebrochen werden, wenn das
Bild etwas „überkopiert" ist. Letzteres ist notwendig, weil
es beim Fixieren sehr zurückgeht. Das Erkennen dieses
Zeitpunktes läßt sich bald erlernen.
Die fertigen Kopieen können gegen Licht geschützt bis
zum nächsten Tage aufgesammelt und gemeinsam weiter be-
handelt werden. Hierdurch erhält man gleichmäßigere Re-
sultate als wenn jedes einzeln erledigt wird. Aus den
Kopieen muß vor allen Dingen das nicht verbrauchte Silber-
salz entfernt werden. Das geschieht durch Fixiernatronlösung
von derselben Zusammensetzung wie beim Negativverfahren.
Die Lösung muß womöglich frisch angesetzt sein, da. die
Papierbilder in ihren Weißen sehr empfindlich sind. Allein
angewendet würde aber das Fixiernatron dem eigentlichen
Bilde eine unangenehm fuchsige Farbe geben. Man geht
daher so vor, daß man das Silberbild durch Baden in einer
Goldsalzlösung mehr oder weniger vollständig durch Gold
ersetzt. Es entstellt eine angenehm schwärzliche oder blau-
violette Tönung, und das Bild ist zugleich im Licht halt-
barer geworden (Fizeau 1840).
Die fertig, d. h. überkopierten Bilder werden zunächst
in gewöhnlichem Wasser gewaschen, bis das Wasser nicht
mehr von ausgeschiedenem Chlorsilber getrübt wird. Die Wasch-
wässer können gesammelt und auf Silber verarbeitet werden.
Alsdann kommen sie in ein Goldbad zum „Tonen", wofür
unzählige Vorschriften existieren. Alle diese Bäder bestehen
aus dünnen Lösungen von Goldchlorid (AuCl3) oder Kalium -
bezw. Natriumgoldchlorid (AuC3KCl -f H20 bezw. AuCl3NaCl
-)- 2 H20), welche sauer, neutral oder alkalisch unter Hinzu-
fügung verschiedener Substanzen angesetzt werden und ver-
schiedene Farbentöne liefern. Meist wird von den Fabri-
kanten den Papieren eine Anweisung zum Ansetzen eines
Goldbades beigegeben. Ein bewährtes Goldbad ist nach
van Bosch:
138 Photographie.
Lösung A Lösung B
Wasser 1000 Wasser 500
Doppelt geschmolzenes Rhodankalium 10
essigsaures Natron 50
Lösung G Chlorgold 1 : 100.
Man mischt 500 A + 120 B + 25 bis 30 C.
Das Bad ist erst nach zwei Stunden brauchbar.
Beim Tonen muß man durchaus das Bild in der Durch-
sicht beurteilen.!
Nach dem Tonen kommen die Bilder in das Fixierbad,
werden hierin etwa 15 Minuten bewegt, dann eine halbe
Stunde in fließendem Wasser ausgewaschen und an Klammern
zum Trocknen aufgehängt, wobei an die nach unten ge-
richtete Ecke von der Rückseite her ein etwa zwei Finger
breiter Streifen Fließpapier angedrückt wird, um das gleich-
mäßige Absaugen und Verdunsten des Wassers zu befördern.
Diese getrennte Vornahme von Tonen und Fixieren ist
zwar etwas umständlich, gibt aber die besten Resultate.
Einfacher und für die meisten Zwecke bei sorgsamer
Handhabung genügend ist die Behandlung der fertigen Ko-
pieen im Tonfixierbad, wobei beide Prozesse neben-
einander ablaufen. Auch hierfür werden meist Vorschriften
den Papieren mitgegeben, welche am besten genau zu be-
folgen sind. Bewährt hat sich folgende Vorschrift:
Natron subsulfurosum
2500
Rhodanammonium
-275
Alum. pulverat.
75
Ac. citricum
75
Plumb. acet.
200
„ nitr.
200
Aur. chlorat. (Lösung 1 :
: 100)
375
Wasser
10 Liter
Die Umwandlung des Farbentones geht hierin in etwa
10 Minuten vor sich, nachher ist gründliches Auswaschen
erforderlich.
Die trocknen Bilder befinden sich nun auf einer so
dünnen Papierschicht, daß sie ohne weiteres nicht gebraucht
Photographie. 139*
werden können. Sie müssen noch rechtwinklig zu rechtge-
schnitten, auf Karton geklebt und satiniert werden.
Das Beschneiden geschieht nach einer Glasschablone mit
einem Buchbindermesser auf einem etwa 5 cm dicken Brett
von Pappelholz, das von Zeit zu Zeit abzuhobeln ist. Bei
größerem Betrieb ist eine Maschine mit langem Schneide-
messer, einer Vorrichtung zum Festklemmen des abzu-
schneidenden Papiers und Zentimetereinteilung des Grund-
brettes unentbehrlich. Dieselbe dient gleichzeitig zum Her-
i-j
richten der Kartons aus größeren Bogen :
Zum Aufkleben werden die fertig geschnittenen Bilder
in reinem Wasser geweicht, auf einer sauberen Glasplatte
mit der Bildseite nach unten beliebig übereinander gelegt,
das Wasser abgedrückt und durch aufgelegtes Fließpapier
abgesaugt. Nunmehr wird die noch feuchte Rückseite mit
Kleister bestrichen, wobei besonders auf die Ränder gut zu
achten ist, eine Ecke mit dem Messer hochgehoben und das
Bild an zwei diagonal gegenüber liegenden Ecken mit
Daumen und Zeigefingern so erlaßt, daß die äußersten
Kanten nicht berührt werden. Das Auflegen erfolgt langsam
und gleichmäßig von der anderen Diagonale aus. Etwa
hineingelangte Luftblasen sind unter Auflegen von Fließ-
papier sorgsam herauszustreichen, wobei starkes Anreiben
garnicht nötig ist. Der eintrocknende Kleister zieht das
Bild genügend fest an die Unterlage heran. Nunmehr folgt
das Trocknen, das unter leichtem Druck und Dazwischen-
legen von Fließpapier geschieht, damit der Karton im ganzen
Feuchtigkeit aufnimmt und sich gleichmäßig dehnt. Diese
ganze Hantierung erfordert ein durchaus sauberes Arbeiten,
damit nicht als Endprodukt aller Mühen ein verschmutztes
Bild herauskommt. Am besten übt man die Handgriffe unter
Anleitung eines gelernten Photographen ein. Erst wenn der
Leiter sie selbst beherrscht, kann er sich sein Unterpersonal
ausbilden und sie diesem überlassen.
Nach dem Trocknen werden am besten auf der Maschine
die Ränder des Kartons zurechtgeschnitten, wobei je nach
Geschmack und dem Zweck, welchem das Bild dienen soll,
ein gleichmäßig breiter Streifen als Rahmen stehen bleibt.
Mit diesen Prozeduren ist die Herstellung des Positivs aber
1) Empfehlenswert ist die Marke „Cyldop" von Guido Schneider
& Cie., Rochlitz i. Sachsen.
140 Photographie.
noch nicht abgeschlossen, sondern es muß ihm noch durch
starkes Pressen, Satinieren, die letzte Vollendimg gegeben
werden. Dies ist nicht etwa eine überflüssige nur auf das
Aussehen berechnete Eleganz, sondern gerade für Röntgen-
bilder von besonderer Wichtigkeit. Zeigt auch das Negativ
alle Feinheiten in höchster Deutlichkeit, so gehen sie doch
schon in der Uebertragung auf das Papier teilweise verloren.
Das einfach aufgeklebte Papier zeigt bei genauem Hinsehen
ein durchaus unebenes, feinkörniges Ansehen, in welchem
kleine Fremdkörper, wie z. B. Stahlsplitter, feine Einbrüche
der Knochen oder dergl. völlig verschwinden können. Durch
Glätten des Bildes, Nivellieren der Oberfläche mittelst starken
Druckes kommen solche Feinheiten wieder zum Vorschein. Will
man also nicht freiwillig auf ein sehr wirksames Hilfsmittel der
Deutlichkeit verzichten, so muß man als unbedingt zum Ver-
fahren gehörig auch die schließliche Satinage der Bilder ver-
langen. Wohl in jeder Stadt ist die Möglichkeit gegeben, die
Bilder in eine Satinieranstalt zu schicken. Für größere Röntgen-
kabinette, also alle am Sitze eines Generalkommandos, ist es
aber empfehlenswert grundsätzlich eine Satiniermaschine zu
beschaffen, welche in der Größe für Bilder von 40 X 50 cm,
also mit einer Walzenbreite von 60 cm etwa 250 Mk. kostet.
Es genügt Kaltsatinage, welche einfacher anzuwenden ist als
Heißsatinage1).
Die Oberfläche der satinierten Bilder ist gegen Schram-
mungen empfindlich und wird bald unansehnlich, wenn die
Bilder häufig durcheinander geworfen werden. Sollen sie
länger aufbewahrt, in allen Einzelheiten erhalten werden, so
ist es unbedingt erforderlich, ihnen einen erhabenen Rand,
einen sogen. Passe-partout zugeben, welche in besonderen
Fabriken angefertigt werden. In diesem Fall läßt man das Be-
schneiden der Kartons bis nach dem Aufkleben der Passe-
partouts.
Kopierverfahren mit Entwicklung.
Die Herstellung der Bilder nach dem Auskopier- Verfahren
ist weder rasch noch mühelos. Wenn auch gutes Celloidin-
papier noch am besten die Feinheiten des Negativs wieder-
gibt, so ist doch oft ein schnelleres und einfacheres Verfahren
1) Derartige Maschinen baut u. A. Rudolf Wolter in Berlin,
Miillerstr. 13.
Photographie. 141
vollkommen ausreichend. Dies leisten die mit Bromsilber-
gelatine-Emulsion genau wie Negativplatten bedeckten Papiere.
Wegen des unscharfen Charakters der Röntgenbilder dürfen
aber nur Papiere mit hochglänzender Oberfläche genommen
werden, z. B. das Bromarytpapier der Neuen Photographischen
Gesellschaft in Steglitz.
Da diese Papiere das sehr viel empfindlichere Brom-
silber enthalten, müssen sie beim Schein der Dunkelkammer-
lampe mit den Negativen in den Kopierrahmen gelegt und
an einer Petroleum- oder Gaslampe 20 — 30 Sekunden ex-
poniert werden. Da der Lichteindruck nicht sichtbar ist,
muß man an einem Negativ von normaler Beschaffenheit die
Wirkung seiner Lichtquelle erproben und später immer in
derselben Entfernung exponieren. Als Anhalt kann dienen,
daß ein normales Negativ in 1 m Entfernung von einer Gas-
glühlichtlampe etwa 15 — 20 Sekunden Belichtungszeit erfordert.
Auch hieraus erhellt, wie wichtig es ist, stets Negative von
der gleichen Dichte herzustellen.
Die exponierten Blätter können im Dunkeln aufbewahrt
zu beliebig späterer Zeit entwickelt werden. Die Entwicklung
findet genau in derselben Weise statt wie bei den Negativen,
sodaß also keinerlei neues Verfahren zu erlernen ist. Nur
in zwei Punkten findet, bedingt durch die Eigenschaften des
Schichtträgers, eine kleine Erweiterung des Verfahrens statt.
Zunächst stellt man sich neben dem Entwickeltisch eine
reichlich frisches Wasser enthaltende größere Schale auf und zieht'
jedes Bild zwei- bis dreimal hindurch, sodaß Papier und Schicht
jedesmal gleichmäßig feucht werden. Alsdann kommt das
Papier in die Entwickelschale und wird hier mit dem ge-
wöhnlichen Entwickler hervorgerufen. Hierbei ist zu be-
achten, daß man das Bild nur in der Aufsicht beurteilen
kann und daß der in der Schicht befindliche Entwickler auch
nach dem Herausnehmen noch weiter arbeitet. Man muß
daher die Entwicklung unterbrechen, wenn das Bild noch
ziemlich hell erscheint, was sehr bald zu erlernen ist. Nun-
mehr kommt das Bild in ein Essigbad, wodurch die Wirkung
des Entwicklers rasch aufgehoben wird und die Weißen des
Bildes klar bleiben. Hierzu stellt man sich eine Schale
bereit mit viel W^asser, « dem man eine Portion Essigsäure
beigefügt hat (ungefähr 5 — 10 auf 100). Man sorgt dafür,
daß das Bild hier völlig untergetaucht ist und läßt es ruhig
liegen bis das nächste entwickelt ist. iUsdann kommt es in
142 Photographie.
die gewöhnliche saure Fixage, wobei man nur darauf zu
achten hat, daß dieselbe frisch und rein ist. Nach gutem
Auswaschen werden die Bilder mit Nadeln oder Klammern
an einer Ecke zum Trocknen aufgehäugt und sind nach
Zurechtschneiden der Ecken fertig.
Das Verfahren empfiehlt sich durch Einfachheit und
Raschheit der Ausführung für zahlreiche Fälle, wo es nicht
auf äußerste Feinheit der Zeichnung ankommt. Die Bilder
haben einen angenehmen, rein schwarzen Ton und brauchen
nicht aufgeklebt zu werden, da das Papier an sich dick
genug ist, um dem Ganzen Halt zu geben. Vom Tageslicht,
das in unseren Breiten oft sehr mangelhaft ist, wird man
völlig unabhängig, wodurch die Aufgaben des Röntgenkabinettes
durch Arbeiten zu jeder beliebigen Zeit viel rascher erledigt
werden können. Die anfangs beim Trocknen stark gerollten
Bilder können durch Pressen und Aufrollen in umgekehrter
Richtung zwischen zwei starken Papierbogen mit Leichtigkeit
völlig gerade gerichtet werden.
Soll das Röntgenkabinett Lehrzwecken dienen (etwa an
den Orten, an welchen Fortbildungskurse abgehalten werden),
so kommt noch eine Bearbeitung der Aufnahmen in Betracht,
welche äußerst übersichtliche und lehrreiche Bilder ergibt.
Es ist dies die Anfertigung von Diapositiven auf Chlor-
silberplatten, womit in der Regel eine Verkleinerung der
Originalnegative verbunden ist. Hierzu muß allerdings eine
vollständige Kamera zur Verfügung stehen, in welcher die
Aufnahmen gemacht werden. Da indessen derartige Aufgaben
in Militärlazaretten in der Regel nicht gestellt werden, kann
hier auf die im übrigen einfache Technik nicht weiter ein-
gegangen werden.
Daß an Stelle der immerhin nicht unerhebliche Mühe
und Zeit erfordernden photographischen Positive auch oft
einfache Pauszeichnungen genügen, darauf ist in dem fol-
genden Abschnitt (S. 157) hingewiesen.
Die Einrichtung der Röntgenstation. 143
4. Die Einrichtung der Röntgenstation.
Um die Arbeiten in dem für Militärlazarette notwendigen
Umfang ordnungsgemäß durchzuführen, sind unbedingt drei
Räume erforderlich, welche womöglich nebeneinander liegen
müssen. Drei einfenstrige Zimmer, wie sie häufig in Lazaretten
nebeneinander vorkommen, sind besonders vorteilhaft. Sie
linden als Aufnahmezimmer, Dunkelkammer und Raum zur
Fertigstellung der Bilder Verwendung. Am besten ist es,
wenn alle drei miteinander in Verbindung stehen. Ist dies
nicht ausführbar, so sollten jedenfalls die beiden ersten un-
mittelbar zusammenhängen .
Die Lage der ganzen Station ergibt sich aus ihrem
Zweck, der hauptsächlich -auf die Aufhellung der chirurgischen
Fälle gerichtet ist. Demgemäß ist es am vorteilhaftesten,
wenn das Röntgenkabinett in der Nähe der chirurgischen
Station, jedenfalls im gleichen Geschoß mit dem Wachsaal
oder dem Operationssaal angelegt werden kann. Da aber
auf dem Röntgenkabinett vielfach Fälle von außerhalb, aus
dem Revier oder anderen Garnisonen, untersucht werden
müssen, ist es günstig, wenn ihm ein besonderer Zugang
überwiesen wird. Hiernach ergibt sich als zweckmäßigste
Lage die Unterbringung auf einem Flügel der chirurgischen
Station in gleicher Höhe mit dem Operationssaal und mit
besonderem Treppenaufgang.
Für das Aufnahmezimmer und das Dunkelzimmer ist
ein sehr heller Anstrich nicht gerade erwünscht, weil er zu-
viel Licht reflektiert. Es genügt eine mattgraue Farbe.
Tiefroter oder schwarzer Anstrich ist bei guten Verdunkelungs-
vorrichtungen nicht erforderlich.
Den Boden mit Linoleum zu belegen, ist für das Auf-
nahmezimmer sehr empfehlenswert, sowohl zur Unterdrückung
des Geräusches als behufs leichterer Reinhaltung. Ganz
notwendig ist Linoleum bei vorhandenen Holzdielen im
Dunkelraum, wo trotz größter Sorgfalt ein Beschmutzen des
Bodens mit Wasser und mit Chemikalien nie ganz zu ver-
meiden ist. Im Zimmer für trockene Arbeiten sind einfache
Holzdielen zulässig.
144 Die Einrichtung der Röntgenstation.
Bei der nachfolgenden Besprechung der notwendigen
Einrichtungen und Apparate ist durchweg dem Gesichtspunkt
Rechnung getragen, daß in einem Militärlazarett nicht selten
eine andersartige Verwendung einzelner Zimmer notwendig
wird. Es dürfen daher auch die auf der Röntgenstation zu
treffenden Maßnahmen nicht derartige Veränderungen mit sich
bringen, daß die Zimmer dauernd für andere Zwecke un-
brauchbar werden. Die Einrichtungen müssen vielmehr zwar
für alle Anforderungen hinreichend leistungsfähig, doch aber
derartig beschaffen sein, daß sie leicht fortgenommen und
in einem anderen Raum wieder aufgestellt werden können;
sie müssen bis zu einem gewissen Grade mobil sein.
Das Zimmer für die Aufnahmen
bedarf an besonderen Einrichtungen vor allem einer
Verdunkelungsvorrichtung entweder bestehend aus einer Roll-
jalousie, einer Schiebetüre oder doppelten Vorhängen aus
dichtem Stoff. Besonders ist darauf zu achten, daß allerseits
am Fenster tiefe Falze vorhanden sind, welche seitlich ein-
dringendes Licht sicher abhalten. Sind diese Falze tief genug
(etwa 10 cm), so brauchen sie nicht eng zu sein, was die
Handhabung erleichtert. Theoretisch kann man ja freilich
auch bei hellem Tageslicht Röntgenaufnahmen machen, allein
man hat immer damit zu rechnen, daß hier und da auch die
Beobachtung des Bildes auf dem leuchtenden Schirm von
Wert ist. Man braucht hierzu unbedingt Ausschluß jeglichen
Tageslichtes, dauert es doch selbst nach vorhergehendem
Arbeiten bei Lampenlicht mindestens 5 Minuten, ehe das Auge
genügend ausgeruht ist und seine volle Empfindlichkeit erlangt
hat. Auch ist die Möglichkeit, das Tageslicht vollkommen
abzuhalten, aus dem Grunde wünschenswert, weil in den
Kassetten Undichtigkeiten vorkommen können, welche beim
Zutritt des Tageslichtes zum Verderben der Platten führen.
Das Fenster mit den gewöhnlichen durchsichtigen Scheiben
eignet sich gewöhnlich nicht recht zur eingehenden Betrach-
tung der großen Bilder, weil die Schatten der Fensterkreuze
stören. Am besten ist es, die beiden üblichen Fensterflügel
durch einen einzigen mit großer Spiegelscheibe (natürlich
Doppelfenster) zu ersetzen. Aber auch so ist das Fenster
noch nicht vollkommen für den Zweck genauen Studiums der
Negative geeignet, besonders dann nicht, wenn es nach Süden
Die Einrichtung der Röntgenstation. 145
gelegen der hellen Sonne ausgesetzt ist. Der obere Teil in
Augenhöhe muß in der Ausdehnung von etwa 50 X 60 cm
mit Mattglas, feinem Seidenpapier oder am besten mit
einem Bogen matten Celluloid versehen werden. Hier-
durch wird die Beleuchtung gleichmäßig verteilt und die
Zeichnung des Negativs tritt deutlicher hervor. Von Holz-
knecht1) ist zu gleichmässiger Beleuchtung und Betrachtung
der Platten eine sehr vollständige Negativbühne angegeben, von
Metzner-Dessau ein ähnlicher Apparat bestehend aus einer
Mattscheibe und einem parabolisch gekrümmten Retlektor
mit vier elektrischen Lampen. Beide Apparate geben gute
Resultate, sind jedoch in Militärlazaretten in den meisten Fällen
nicht nötig.
Ferner sind erforderlich ein Schrank mit Querfächern
zum Aufbewahren von Büchern, Zeichnungen u. dergi., ein
Tisch zur Erledigung von Schreibgeschäften und einige
Stühle. Zur Lagerung der Kranken sind einige wollene
Decken, Bettlaken und Polsterrollen (aus Watte und
Cambrik einfach hergestellt) notwendig. Zu besonders pein-
licher Reinhaltung der Geräte und der Zimmer müssen ein
Staubwedel, ein Handfeger und einige Wischtücher
bereitgestellt werden. Alle diese Geräte können unmittelbar
dem Lazaretthaushalt entnommen werden.
An besonderen Apparaten für die Aufnahmen sind er-
forderlich:
Ein Auf nähme tisch. Es ist durchaus zweckmässig,
denselben so hoch zu nehmen (etwa 75 — 80 cm), daß
man den Kranken bequem zur Hand hat. Unpraktisch ist
es, den Tisch so niedrig zu bemessen, daß man sich herunter-
bücken muß. Durch die hiermit verbundenen Unbequemlich-
keiten leidet die Exaktheit der Aufnahmen. Der Tisch muß
fest sein und die Tischplatte allseitig etwa 10 cm über-
stehende, eckig abgeschnittene Ränder haben. Letzteres ist
durchaus notwendig, um die später zu beschreibenden
Schrauben überall bequem anbringen zu können. Ein Tisch-
kasten soll nicht vorhanden sein, damit man auch einmal
von unten durchleuchten kann. Sehr zweckmäßig ist der von
Stabsarzt Hamann2) angegebene Tisch mit ganz durchlässiger
1) Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Ergänzungs-
heft 6 S. 22.
2) Ebendas. 1902 Bd. V S. 354.
Stechow, Das Königen- Verfahren. ^Q
146
Die Einrichtung der Röntgenstation.
•=j
Platte aus mehrfach verleimtem Pappelliolz und einer Vorrich-
tung zur bequemen Anbringung und Verschiebung der Röntgen-
röhre unterhalb der Platte. Durch Bleiblenden können alle
Strahlen der Peripherie abgeschnitten werden, sodaß nur die
Strahlen in der Mitte übrig bleiben und der Felder zentraler
Projektion vermieden wird.
Die Einrichtung der Röntcrenstation.
147
fe
£
Der Induktor von 40 — 50 cm Schlagweite kommt am
besten auf eine Konsole hoch oben an der Wand zustehen, da
er keinerlei Wartung als gelegentlichen Abstäubens bedarf.
Werden die Drähte der sekundären Spule nach der Mitte des
Zimmers und liier senkrecht herunter geleitet, so bleibt der
Aufhahmetisch von allen Seiten frei zugänglich, was die
• , 10*
148
Die Einrichtung der Röntgcnstation.
3-
CJq"
Arbeiten sehr erleichtert. Zum Tragen der Drähte kann
ein Querarm aus trockenem Holz dienen, welcher an der
meist vorhandenen Gasleitung angebracht wird. Zweckmäßig
ist auch ein weit ausladender hölzerner, in wagerechter
Die Einrichtung der Röntgenstation. 149
Richtung beweglicher Galgen, welcher oberhalb des Induktors
an der Wand befestigt ist (Konstruktion der Allgemeinen
Elektrizitäts-Gesellschaft).
Ist die Befestigung der Konsole für den Induktor an
der Wand nicht möglich, so empfiehlt sich ein schrankartiger
Aufbau, welcher an beliebiger Stelle aufgestellt werden kann
und alle nötigen Apparate vereinigt enthält.
Das Schaltbrett mit allen zur Handhabung notwendigen
Griffen findet am besten seinen Platz an der Wand, unterhalb
des Induktors. Als flacher Körper hindert es sehr wenig die
Bewegung im Zimmer. Statt des Schaltbrettes wird jetzt
häufig ein Schalttischchen verwendet, welches beliebig ver-
schoben werden kann und zu dem ein alle notwendigen
Verbindungen enthaltendes Kabel führt.
Der Unterbrecher bedarf etwas größerer Aufsicht:
immer bleibt das beim Arbeiten nicht zu vermeidende Geräusch
eine unangenehme Zugabe. Indessen sind heute auch die
Motorunterbrecher derart zuverlässig, daß die Aufstellung
dieser Apparate im Nebenzimmer mit Durchleitung der Ver-
bindungen durch die Wand zulässig und empfehlenswert
erscheint. Ganz notwendig wird diese Verlegimg beim Wehnelt-
Unterbrecher, dessen sehr lautes Geräusch bei der Aufnahme
äußerst störend wirkt, der aber auch am ehesten sich selbst
überlassen werden kann.
Die Röhren müssen in ihrer Größe der Schlagweite
des Induktors augepaßt sein, welche daher beim Einkauf
anzugeben ist. Man tut gut, sich mit einer bestimmten
Sorte erst gehörig einzuarbeiten, ehe man andere Fabri-
kate probiert. Aeltere Modelle als wenigstens die re-
generierbaren empfiehlt sich nicht zu nehmen, da sie zu
schnell hart und unbrauchbar werden. Ist dieser Zustand
eingetreten, so ist die Röhre beiseite zu legen und
sorgsam aufzubewahren; nach längerer Zeit (sechs bis zwölf
3Ionate) ist sie häufig wieder ganz leistungsfähig. Man
sollte immer 3 — 4 Röhren zur Verfügung haben und viel-
leicht alle halbe Jahr eine neue hinzukaufen. Uebrigens
wird man die Röhren immer etwas weich vom Fabrikanten
erhalten, der eine solche Stufe der Evakuation wählt, weil
die Induktoren verschiedenen Ursprunges selbst bei gleicher
Funkenlänge nicht in gleicher Weise auf die Röhre wirken
und letztere sich nach kurzem Gebrauch von selbst auf den
150
Die Einrichtung der Röntgenstation.
Fig. 55.
Schrankartige Röntgeneinrichtung von W. A. Hirschmann (Ausführung RGj.
Die Einrichtung der Röntgenstation. 151
günstigsten Grad der Luftverdünnung einstellt und diesen
Zustand längere Zeit beibehält.
Das Stativ für die Röhre muß in sich fest, ziemlich
schwer, dabei aber doch beweglich sein. Am besten wählt
man ein großes, auf dem Boden stehendes mit schwerem
eisernen Fuß. Die häufig angepriesene Einrichtung, wobei
mit einer Schraube alle Bewegungen des Querarmes festge-
stellt werden, ist durchaus zu verwerfen. Denn ebenso
lockern sich auch bei jeder solchen Handhabung alle Be-
wegungen auf einmal, namentlich kippt die Röhre der
Schwere folgend sofort um, und man ist niemals in der Lage,
sie wieder in ganz genau dieselbe Stellung zu bringen, was
gerade für die Aufnahmen unter militärischen Verhältnissen
durchaus erforderlich ist. Am zweckmäßigsten ist die Feststellung
einer bestimmten Höhe an der senkrechten Stange des Stativs
durch eine Schraube oder einen Holzklotz. Ueber diesem
befindet sich ein zweiter Holzklotz von der Größe 5x5
X 10 cm, der an seinen beiden Enden zwei auf einander
senkrechte Durchbohrungen erhält, welche durch Schrauben
mit starken Flügelmuttern zugezogen werden können. Die eine
Durchbohrung umfaßt lose die senkrechte runde Stange, die
andere fester die horizontale. Hierbei ist es leicht, den Arm
mit der Röhre zur Seite zu drehen und doch wieder zu einer
neuen Aufnahme absolut dieselbe Stellung der Röhre zu er-
halten.
Zu Meßzwecken ist am besten das von Stabsarzt Lam-
bertz angegebene Stativ, bei dem sowohl die senkrechte
Stütze wie der wagerechte Tragearm Zentimetereinteilung be-
sitzen und letzterer in beiden Richtungen mit grobem Trieb
leicht und absolut sicher eingestellt werden kann. Bei einer
zweiten Ausführung kommt hierzu noch eine versteilbare
\ isicrvorrichtung.
Der leuchtende Schirm mit ßariumplatincyanür muß
für Beobachtungen am Brustkorb des lebenden erwachsenen
Menschen mindestens die Größe von 40 X 50 cm haben.
Die Schicht muß gleichmäßig aufgetragen sein. Um sie vor
Beschädigungen zu schützen und auch um die Umrisse der
inneren Organe bequem aufzeichnen zu können, kann man
in den Rahmen einen Bogen durchscheinendes Celluloid ein-
passen, der herauszunehmen und leicht auf Papier durchzu-
zeichnen ist. Der Holzrahmen verbiegt sich fast stets unter
dem starken Zuge des eintrocknenden Papieres, doch hat die
A bweichung von der vollkommenen Ebene meist nicht viel zu
152
.Die Einrichtung der Röntgenstation.
Fie. 56.
Meßstativ nach Stabsarzt Lamhertz von W. A. Hirschmann.
sagen. Für Beobachtungen am lebenden Brustkorb ist sehr
bequem ein Gestell, in welchem der große Schirm durch Gegen-
gewichte leicht auf- und abbewegt und festgestellt werden
kann, wie solches z. B. von Dr. A. Hoff mann angegeben
Die Einrichtung der Röntgenstation. 153
ist1). Für die meisten Zwecke wie Beobachtungen der Glied-
maßen und des Kopfes ist ein kleinerer Schirm von etwa
24 X 30 cm Größe bequemer zu handhaben und völlig aus-
reichend.
Sehr erleichternd für die Aufnahme ist eine sogenannte
Telephonuhr2), welche durch Druck auf einen Knopf auf-
gezogen wird und nach einigen Minuten ein Glockenzeichen
ertönen läßt. Es gibt Einteilung des Zifferblattes in drei
und fünf Minuten, wobei natürlich auf ersterem die Minuten
größer, daher im Halbdunkeln besser sichtbar sind. • Für
großen Betrieb kann man sich am Schaltbrett beide Arten
befestigen, was dann für alle Arten von Aufnahmen ausreicht.
•Nimmt man nur die 3 Minutenuhr, so muß man gelegentlich
nach dem Glockenzeichen noch einmal auf den Knopf drücken.
Dies darf nicht zu rasch nacli dem Ertönen der Glocke ge-
schehen, da sonst das Uhrwerk in Unordnung kommt.
Für gewisse Aufnahmen ist es zweckmäßig, die Höhe
des Tisches der Körperlänge genau anpassen zu können.
Hierzu dienen leichte Bänke von 30 X 40 cm Oberfläche
und verschiedener Höhe. Der Rand muß wieder über den
der Festigkeit wegen vierseitig geschlossenen Boden 5 cm
überstehen, um Schrauben leicht befestigen zu können. Man
braucht zwei von 10 cm und eine von 5 cm Höhe.
Zu Aufnahmen des Fußes, welche in militärischen
Röntgenkabinetten naturgemäß sehr häufig vorkommen, braucht
man ein Winkelbrett, bei dem zwei Bretter von 2 cm
Dicke und 30 X 35 cm Oberfläche an der schmalen Kante
rechtwinklig mit einander verzinkt sind. Durch seitlich ein-
gelassene Eisenwinkel wird der Verbindung größere Festig-
keit gegeben.
Einen rechten Winkel von kleineren Abmessungen
hat man ferner nötig, wenn man Aufnahmen der Ellenbogen-
gelenke mit Sicherheit immer in derselben Weise auf die
Platte bringen will. Bewährt haben sich folgende Ab-
messungen. Zwei Bretter aus Elsenholz von 2 cm Dicke,
10 cm Breite und 15 bezw. 20 cm Länge sind an einer
schmalen Seite rechtwinklig mit einander verzinkt und ihre
1) B. Donath, Die Einrichtungen zur Erzeugung der Röntgen-
strahlen. Berlin 1899. Reuther und. Reichard. S. 110.
2) Bei Feising, Berlin Unter den Linden 20, zum Preise von 6 M.
zu haben.
154 Die Einrichtung der Röntgenstation.
parallelen Kanten so abgehobelt, daß sie auf jeder Seite
sicher eben aufliegen. Durch Anlegen air die äußere Seite
wird jedes Ellenbogengelenk in rechtwinklige Stellung gebracht
und stets dieselbe Entfernung vom Plattenrand festgehalten.
Um die vorerwähnten ßänkchen u. s. w. sicher zu be-
festigen und auch um dem Kranken an jeder beliebigen Stelle
eine feste Anlage geben zu können, sind eiserne, schnell-
spannende Schraubzwingen sehr bequem. Man braucht
je zwei von zwei Größen, No. 2 = 180 mm Spannweite und
No. 4 = 250 mm Spannweite1). Außerdem sind noch zwei
kleinere eiserne Schraubzwingen2) von etwa 6 cm Spann-
weite nützlich, um einzelnen Fingern Halt zu gewähren.
Ein hölzerner Tritt von zwei breiten Stufen, mit Lino-
leum beschlagen, erleichtert sehr die so häufigen Fußunter-
suchungen.
Ein eiserner zusammenklappbarer Winkel mit Grad-
bogen3) dient zur genaueren Bestimmung der Beweglichkeit
der Gelenke namentlich der Ellbogengelenke.
Ein hölzerner Maßstab von 50 cm Länge, ein Band-
maß und ein Tasterzirkel sind für die Untersuchung der
Kranken unentbehrlich. Ein spitzer Zirkel (am besten die
amerikanische Form, mit Metallfeder in der Mitte und Stell-
schraube) dient zum genauen Ausmessen und Vergleichen der
Negative.
Ein Lederriemen mit Schnalle und Gummibänder
finden zum Feststellen der Kniee, einzelner Finger u. s. w.
Verwendung.
Eine Holzplatte von 40 X 50 cm Größe, am besten
gegen Verwerfen aus mehrfachen Lagen zusammengeleimt,
ist bequem, um gelegentlich den Tisch in beliebiger Richtung
zu vergrößern.
Mehrere Holz blocke von 15, X 30 cm Oberfläche und
5 bezw. 10 cm Dicke dienen als Beilagen, um Längen-
unterschiede auszugleichen und stets sicheres Anliegen der
Apparate zu gewährleisten. Einer derselben ist für seitliche
1) Preis 2,10 M. bezw. 2,40 M. bei Eisenführ, Berlin S. Komman-
dantenstr. 31a.
2) Zu haben bei Paul Kühn, Leipzig Petristr. 24, zum Preise von
0,90 M. Sie sind ursprünglich zum Befestigen von Kerbschnitzarbeiten
bestimmt und aus Eisen geschmiedet.
3) Medizinisches Warenhaus, Berlin N. Friedrich str. 110.
Die Einrichtung; der Rüntgenstation.
155
Fußaufnahmen besonders hergerichtet. Er soll in das oben
erwähnte Winkelbrett gelegt werden, soll seitlich die senk-
recht stehende Platte festhalten und gleichzeitig eine Marke
auf die Platte
mittelst deren stets die Stellung
projizieren,
der Röhre kontrolliert bezw. dieselbe stets in die gleiche Lage
gebracht werden kann. Zu diesem Zweck ist bei einem 5 cm
Fig. 57.
Winkelbrett und Klotz mit Bleistreifcn zu Fußaufnahmen nach Stechern.
hohen Klotz die eine schmale Längskante zunächst oben in
der Breite von 0,8 cm und der Tiefe von 1,5 cm ausge-
stoßen. In diese Höhlung, welche dem senkrechten Teil des
Winkelbrettes dicht angelegt wird, kommt die Platte zu stehen.
Anstoßend an diese Nut 'ist auf der Oberseite ein Streifen von
0,2cm Tiefe und 1,5cm Breite ausgehobelt und durch einen Blei-
streifen von denselben Abmessungen ersetzt, Wird die leuchtende
156 Die Einrichtung der Röntgenstation.
Röhre seitlich in 50 cm Entfernung aufgestellt, so kann sich
der 1,5 cm breite Bleistreifen nur bei einer ganz bestimmten
Lage der Röhre als Minimum auf der Platte abbilden, was
vor der Aufnahme leicht mit dem leuchtenden Schirm von
der andern Seite her kontrolliert werden kann. Durch den
erwähnten Bleistreifen ist also die Höhenlage der Röhre ein
für allemal bestimmt und diese Stellung stets wieder zu er-
langen. In der Mitte des Klotzes ist ferner unterhalb des
wagerechten Bleistreifens ein gleicher senkrecht eingelassen,
welcher die Stellung der Röhre in wagerechter Richtung
gegen seitliche Verschiebungen sichert. Auf diese Weise ist
es möglich, seitliche Fußaufnahmen stets bei genau gleiche]'
Projektion zu machen und hierdurch vollkommen vergleich-
bare Bilder zu erhalten.
Leitungsschnüre, Kupferdraht, Flach- und Rund-
zange (am besten die parallel schließenden amerikanischen)
sowie ein Schraubenzieher und eine Feile dürfen nicht,
fehlen.
Arbeitet man mit Akkumulatoren, so ist zur Prüfung
der Ladung ein Voltmeter erforderlich. Auf den größeren
Schalttafeln findet sich meist ein Voltmeter und ein Ampere-
meter angebracht.. Sonst sind die kleinen Voltmeter in
Taschenuhrformat bis 3 Volt messend sehr bequem zur
Prüfung der einzelnen Zellen und hinreichend genau.
Zur Bezeichnung der Körperseiten, welche auf dem Positiv
immer umgekehrt erscheinen, dienen Buchstaben aus Blei-
oder Kupferdraht, welche mit auf die Platte kommen. Man
kann sie leicht mit der Zange in der Form R und L her-
stellen und zwischen Papier kleben, wodurch sie bequem zu
hantieren sind. Zur leichteren Auffindung der kranken Seite
empfiehlt es sich, dieselben Buchstaben noch einmal herzu-
steilen und mit einem Strich zu versehen, etwa so R und L
Die stete Bezeichnung beider Seiten empfiehlt sich aus
Gründen der Symmetrie.
Ebenso kann man sich Ziffern herstellen, welche ebenfalls
zwischen Papier geklebt, leicht zu beliebigen Zahlen zusammen-
gestellt werden können und mit auf die Platte kommen. Sehr
bequem ist zur Zusammenfügung' ein kleines Täschchen aus
durchsichtigem Celluloid 1).
1) Man darf nicht vergessen, neben der fortlaufenden Nummer
auch die Jahreszahl mit auf die Platte zu photographieren oder
Die Einrichtung der Röntgenstalion. 157
Man mache es sich zur festen Regel, Buchstaben und
Ziffern bei gleichartigen Aufnahmen stets in dieselbe Lage
zum aufgenommenen Körperteil und so zu legen, daß sie hei
normaler Betrachtung der Platte grade aufrecht stehen. Un-
regelmäßigkeiten hierin stören das xAuge sehr, namentlich
beim Vergleichen mehrerer Platten oder Bilder.
Von sonstigen Hilfsmitteln müssen der Röntgenstation
unbedingt anatomische Werke und ein Skelett zur Ver-
fügung stehen. Mag man bei dem Leiter der Station auch
noch so genaue Kenntnisse voraussetzen und linden, so er-
heischen doch viele Bilder unbedingt eine Yergleichung mit gut
präparierten, in normaler Verbindung erhaltenen Knochen, um
bald Abweichungen vom Gesunden aufzufinden. Es kann
daher nur geraten werden, der Station ein besonderes Skelett
zu überweisen, das stets zur Hand ist und auch anderen
Sanitätsoffizieren (Attestausstellern) mit einem Schlage ver-
wickelte Sachlagen klar darzustellen gestattet. Bleibt das
Skelett dauernd in eigenem Gewahrsam der Station, so wird
auch seine gute Erhaltung gewährleistet.
Neben einem hier und da nachzuschlagenden anato-
mischen Lehrbuch erweist sich der Atlas von Braune be-
sonders nützlich, da er Durchschnitte von Erwachsenen, wie
sie auf militärischen Röntgen Stationen fast ausschließlich vor-
kommen, enthält. Dieselben können leicht durchkopiert werden.
Solche einfachen Pausen sind zur genauen Einzeichnung von
Fremdkörpern, sowohl für den Bedarf der Station wie zur
Weitergabe an andere Dienststellen ein einfaches Hilfsmittel
von hohem Wert.
Die bisher erwähnten Apparate reichen für die alltäg-
lichen Diagraphieen dünner Körperteile aus, für eine technisch
vollendete Aufnahme dicker Teile bedarf man jedoch be-
sonderer Hilfsmittel. Es ist schon oben erwähnt, daß nicht
nur die Glasteile der Röhre und die Luft, sondern vor allem
auch die durchstrahlten Gewebe zum Ausgangspunkt neuer
X-Strahlen werden, welche, von allen Seiten kommend, die
Platte beeinflussen und das von dem eigentlichen Brennpunkt aus
entworfene Schattenbild stören. Am Genauesten sind diese Ver-
nachträglich (am besten in der rechten oberen Ecke) darauf zu
schreiben. Unterlässt man dies, so können bei den so häufigen Zu-
sammenstellungen gleichartiger Verletzungen aus mehreren Jahren die
unangenehmsten Verwechselungen entstehen.
158 Die Einrichtung der Röntgenstation.
hältnisse zuerst von B. Walter1) erörtert, welcher die Wirkung
höher evakuierter Röhren treffend mit den Erscheinungen einer
in dickem Nebel brennenden Laterne verglich und als Mittel
zur Abhaltung aller Nebenstrahlen die Anwendung von Blei-
blenden und Bleikisten vorschlug. Aehnliche Apparate
sind später von Levy, Kohl, Schürmayer, Albers-Schön-
berg2) u. A. angegeben. Das wesentliche derselben besteht
darin, daß einmal in der Nähe der Röhre ein Bleidiaphragma
angebracht wird, durch dessen mehr oder minder große Oeffnung
zunächst ein zentraler Strahlenkegel aus den nach allen Rich-
tungen die Antikathode verlassenden Strahlen ausgesondert
und die schädliche Strahlung der Glaswände abgeschnitten
wird. Hierzu kann auch nach Levy-Dorn die ganze Röhre
in eine Bleikiste eingeschlossen werden.
Ferner wird der untersuchte Körperteil selbst noch derart
mit 2 mm dickem Blei bedeckt, daß möglichst nur der zu dia-
graphierende Abschnitt von den Strahlen getroffen wird. Dies
kann durch eine innen mit Blei ausgekleidete Kiste bei liegender
oder sitzender Stellung des Kranken geschehen. Es wird hier-
durch nicht nur die Klarheit des Bildes auf der Platte wesentlich
größer, sondern der Kranke wie der Untersucher, der dauernd
mit Röntgenstrahlen zu arbeiten hat, werden vor den häufig
nicht gleichgültigen längeren Einwirkungen geschützt. Auch
für die Diaskopie ist die Verwendung der Bleiumhüllung von
Wert. Diese Umhüllungen lassen sich mit Hilfe von Kisten
unschwer herstellen. Zur Auskleidung derselben kann man,
falls die Handhabung der dicken Bleiplatten auf Schwierig-
keiten stößt, auch die leicht zu schneidenden nur 0,5 mm
dicken Bleifolien in mehrfacher Lage verwenden. Auch die
Kompressiönsblende von Albers-Schönberg3) wirkt z. T.
in ähnlicher Richtung durch Vermeidung der diffusen
Strahlung.
Zur teilweisen Abdeckung von Platten, auf deren beiden
Hälften nach einander Aufnahmen gemacht werden sollen, bedarf
man einiger Bleiplatten mit scharfem Rande aus einer das
Format der halben Platte jederseits übersteigenden Größe.
Man richtet sich am besten aus Elsenholz und 2 — 3 mm
1) Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgen - Strahlen 1897
Bd. I S. 83.
2) Ebendas. 1901 Bd. IV S. 75, 118, 263.
3) Ebendas. 1902 Bd. V S. 301.
Die Einrichtung' der Röntgenstation. 159
dickem Walzblei durch Umbiegen der Ränder die Bleiplatten
selbst her. Bergonie1) empfahl Platten ans Blei (2 mm)
und Stahl (3 mm) Dicke, wodurch wohl nur eine besser zu
vermeidende Erhöhung des Gewichts entsteht.
AVer eine gegen Röntgenstrahlen empfindliche Haut be-
sitzt, mag außer den oben genannten Schutzmitteln oder beim
Fehlen derselben Handschuhe verwenden, deren Rückseite mit
Bleifolien besetzt ist. Das Arbeiten wird hierdurch aller-
dings nicht gerade erleichtert. Zum Schutze der Haut ist
von Unna2) ein Zinkleim empfohlen, dem je 10 pCt. Zinnober
und Wismutoxychlorid als sehr undurchlässige Substanzen
zugesetzt sind. Von Hahn ist diese Methode dahin abge-
ändert, daß er Trikothandschuhe mit diesem Leim im-
prägnierte. Dieselben scheinen nach Albers-Schönberg3)
genügenden Schutz für die Hände zu gewähren. Zum Schutz
für die Augen empfahl Levy-Dorn das Auflegen einer
Spiegelscheibe auf die empfindliche Schicht des leuchtenden
Schirmes.
r.r* Von Wichtigkeit ist die sorgfältige Führung einer Liste
über die auf der Röntgenstation vorgenommenen Arbeiten.
Ihre Größe und Einrichtung wird sich naturgemäß nach dem
Umfang der letzteren richten, sie muß jedoch jedenfalls den
Anforderungen genügen, daß einerseits jeder untersuchte Fall
unter fester Nummer registriert leicht aufgefunden werden
kann und daß andererseits sowohl alles in rein medizinischer
wie auch technischer Hinsicht Wichtige notiert wird. Be-
währt hat sich in militärischen Kabinetten die Verwendung
von Heften in Quartformat mit quadriertem Papier und
weichem Deckel aus schwarzem Glanzleinen. Richtet man
am oberen Rand einen für alle Seiten geltenden Kopf ein,
weist jedem Fall eine über beide Seiten laufende Spalte zu
und teilt die ganze Seite in fünf gleiche Teile, welche an
der linken Kante die fortlaufende Nummer führen, so erhält
man für jeden einzelnen Fall genügenden Raum und durch
die stets an gleicher Stelle erscheinenden Ziffern eine zu
raschem Nachschlagen sehr geeignete Form der Buchführung.
Das nachfolgend gegebene Schema wird die Sache erläutern.
1) Archives d'electricite medicale 1901 No. 105.
2) Monatshefte für prakt. Dermatologie 1898 Bd. XXVI S. 494.
3) Fortschritte aufdem Gebiet d. Röntgenstrahlen 189S Bd. II S.2S.
160
Die Einrichtuno- der Röntgenstation.
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Die Einrichtung der Röntgenstation. 161
Die im Vorstellenden erwähnten kleineren Geräte aus Holz,
die Winkelbretter und verschiedenen Holzblöcke läßt man am
besten unter Aufsicht im Lazarett selbst anfertigen, wo wohl
immer geeignete Werkzeuge und technisch erfahrene Kräfte sich
finden. Als Material ist gut getrocknetes Elsen- oder Pappel-
holz zu empfehlen, womit sich wegen seiner Leichtigkeit besser
hantieren läßt. Alle scharfen Kanten sind sorgfältig zu vermeiden.
Ein Ueberzug mit farblosem Lack schützt die Gegenstände vor
Feuchtigkeit und Verziehen. Auf diese Punkte ist besonders
zu achten, wenn die Arbeiten Handwerkern übergeben werden,
welche immer geneigt sind, derartige Gegenstände aus schwerem
(Eichen-) Holz mit. tadellos scharfen Kanten anzufertigen.
An Stelle der nach außen herauszugebenden Positive,
welche doch immer eine sorgsame Bearbeitung von mehreren
Tagen erfordern, genügen häufig auf der Negativplatte durchge-
zeichnete Pausen, welche sich sehr rasch herstellen lassen.
Ist die Platte nicht durchsichtig genug oder das Licht un-
günstig, so ist doppelte Uebertragung notwendig, indem man
zuerst auf eine Glasscheibe oder durchsichtige Celluloidi'olie
durchzeichnet und von dieser auf Pauspapier überträgt. Man
kann auf diese Weise manche Mühe und Kosten der Positive
ersparen.
Die Dunkelkammer
steht am besten in unmittelbarer Verbindung mit dem
Aufnahmezimmer und dient sowohl zur Entwicklung der be-
strahlten als zum Aufbewahren der frischen Platten. Da
man das Einlegen der letzteren, die Wahl des richtigen
Formates doch erst im letzten Augenblick nach genauer Unter-
suchung des entkleideten Kranken vornehmen kann, ist diese
räumliche Nähe von nicht zu unterschätzender Bequemlich-
keit für das praktische Arbeiten. Die trennende Tür muß
allerdings lichtdicht schließen, was eventuell durch Aufnageln
von Leisten und Anbringen eines Vorhanges unterstützt
werden kann. Als Stoff für den A7orhang ist wegen seiner
-Schwere und Steifigkeit Fries nicht zu empfehlen sondern
sog. Zanelia, welcher leicht beweglich und doch in doppelter
Lage für den vorliegenden Zweck hinreichend dicht ist. Durch
eine schräg verlaufende Schnur kann er portierenartig in die
Höhe gehoben werden, einige Stücke Blei am unteren Rande
eingenäht sorgen für sichern Fall.
Steohow, Das Röntgen-Verfahren. 11
162 Die Einrichtung der Röntgenstation.
Die vorhandenen Fenster müssen zunächst lichtdicht ver-
schließbar gemacht werden. Ohne bauliche Veränderungen
und große Kosten kann man das erreichen durch Ueber-
kleben der ganzen Fenster mit dem gewöhnlichen schwarzen
Einwickelpapier der Platten. Das Papier wird zurechtge-
schnitten, etwas in Wasser geweicht und mit Kleister in
mehrfachen Lagen angeklebt. Lassen sich einzelne Stellen
hiermit nicht genügend dichten, so hilft hier sorgfältig hin-
eingestopfte Verbandwatte, die man auch noch mit Tinte
schwarz machen kann. Die Fensterflügel müssen behufs
Lüftung aufklappbar bleiben. Die ganze Vorrichtung läßt
sich, falls das Zimmer anderweitig gebraucht werden soll.
durch warmes Wasser wieder vollkommen entfernen.
Was nun die Beleuchtung zum Entwickein anbe-
trifft, so ist von der Verwendung des Tageslichtes in unsern
Breiten durchaus abzuraten. Selbst wenn das Zimmer nach
Norden gelegen ist, kann man doch niemals auf einigermaßen
gleichmäßiges Licht rechnen. Noch weniger ist dies der Fall
bei einem nach Süden gerichteten Fenster. Die durch Bewöl-
kung sehr schnell wechselnde Intensität des Lichtes verhindert
jede sichere Beurteilung der Negative. Im Winter und am
Abend würde man naturgemäß außer Stande sein zu arbeiten.
Die Notwendigkeit, stets gleichmäßige Qualität der Negative zu
erstreben, zwingt zur Anwendung künstlicher Beleuchtung.
Hierfür nun sind die gebräuchlichen Amateurlampen mit
rotem Zylinder durchaus unzureichend. Sie geben weder ein
genügend helles noch hinreichend großes Feld, um auch
für Negative von 40 X 50 cm die Beurteilung zu ermög-
lichen. Hierzu bedarf man einer gleichmäßig hellen Fläche
von ungefähr 24 X 30 cm Ausdehnung, welche man bei
kleinerem Plattenformat je nach Bedarf durch übergehängte
Pappschirnie verkleinern kann. Am angenehmsten wirkt auf
das Auge eine rote Scheibe in Verbindung mit einer fein mat-
tierten. Hierdurch verschwindet der grelle Schein der Flamme
und das Feld wird vollkommen gleichmäßig. Hat man Elek-
trizität zur Verfügung, so kann man in die Laterne einfach
eine gewöhnliche helle Birne hineinhängen, die auch am
leichtesten zu ersetzen ist. Auch mit Gas (gewöhnlicher
Brenner oder Glühstrumpf) läßt sich die rote Laterne sehr
wohl erhellen. Solche Laternen sind zwar im LIandel zu
haben, jedoch zeigen sie meist mancherlei Uebelstände. Sie
lassen unten am Boden Licht durch, namentlich aber sind
Die Einrichtung der Röntgenstation. 163
die Falzen zur Aufnahme der Scheiben regelmäßig derartig
schmal und eng, daß Licht nebenbei herauskommt, jedenfalls
aber die Scheiben nicht mit der notwendigen Leichtigkeit heraus
zu nehmen und zu reinigen sind. Die Schwierigkeiten fallen
vollkommen fort, sobald die Falze die gehörige Breite und
eine Tiefe von mindestens 1 cm haben. Für elektrische
Birnen kann man solche Laternen sehr leicht selbst aus
Elsenholz herstellen. Das leicht zu schneidende Aluminium-
blech leistet hierbei für Deckel und Boden gute Dienste. Für
Gasbrenner wird am besten aus Schwarzblech vom Klempner
nach obigen Gesichtspunkten eine Laterne gebaut. Lackierung
ist überflüssig, da sie doch nur absengt und die Luft ver-
schlechtert. Die farbige Laterne erhält dann vorn die Rot-
und Mattscheibe, seitlich nur Rotscheiben, um liier Flaschen,
Mensuren u. s. w. zu beleuchten.
Das rote Glas muß unbedingt mit dem Spektroskop
kontrolliert werden. Entnimmt man es in einer Glashandlung
direkt von der Tafel, so wird man erstaunt sein, wie die
absorbierenden Eigenschaften der roten Schicht an derselben
Platte wechseln. Man muß ganz genau diejenige Stelle spek-
troskopisch aufsuchen, welche nur rotes Licht durchläßt.
Hat man solch Glas ausfindig gemacht, so wird man sich
freuen, wie hell die Dunkelkammer ohne Schaden beleuchtet
sein darf. Ganz dunkle Gläser, welche das Arbeiten sehr
erschweren, lassen manchmal eine ganze Reihe anderer
Sirahlen durch und sind trotz ihrer Dunkelheit unbrauchbar.
Die rot überfangenen Birnen für elektrisches Licht sind
meist zu dunkel oder die Farbe nicht sicher gleichmäßig
lichtdicht. Jedenfalls zeigen sie das unangenehme intensive
Leuchten desFadens, auch sind sie teuer und schwer zu ersetzen.
Die rote Lampe muß ziemlich dicht über dem Tisch an-
gebracht sein, soclaß man das Negativ bequem dagegen be-
trachten kann. Durch geringes Erheben der Entwickelschale
kann man es dann auch der Wirkung der roten Strahlen leicht
entziehen. Gänzlich falsch ist die Stellung der rothen Lampe
in Augenhöhe und darüber. Das Licht blendet die Augen,
es fällt dauernd auf die Platte und verhindert die feinere
Beurteilung, auch vermag man schwere Platten nicht so hoch
zu heben, um sie mit Ruhe zu betrachten.
Im Dunkelzimmer muß streng der Unterschied zwischen
nassen und trocknen Arbeiten festgehalten werden. Am
besten wird je eine Längsseite hierfür bestimmt und hier
11*
164: Die Einrichtung der Ilöntgenstation.
jederseits ein Tisch aufgestellt, welcher einfach aus gefirnißtem
Kiefernholz gefertigt ist. ,
Der Tisch auf der Seite für trockne Arbeiten muß
etwa 2 m lang sein und erhält zwei bis drei Kästen von unge-
fähr 12 cm Höhe, sowie eine starke Platte mit Linoleumbelag.
Etwa 10 cm über dem Boden wird ein Brett angebracht, auf
welchem die Plattenvorräte frei liegend aufbewahrt werden.
Auf diesem Tisch sind die Platten einzulegen, die exponierten
vorläufig in einem der Kästen aufzubewahren, die Chemikalien
abzuwiegen, allenfalls können an einem Ende die fertigen
Negative trocknen.
Wegen der X-Strahlen, welche im Nebenzimmer erzeugt
werden und welche 50 cm dicke Backsteinwände mit Leichtig-
keit durchdringen, muß eine Wand ungefähr in der Ausdehnung
von 2 — 3 qm und zwar dicht über dem Boden beginnend bis
etwa 0,75 m über Tischhöhe derart mit Walzblei von 3 mm
Stärke bekleidet werden, daß in dem entstehenden, vor X-
Strahlen geschütztem Räume sämtliche Arbeiten beim Ent-
wickeln vorgenommen und die frischen Platten aufbewahrt
und eingelegt werden können. Jahrelange Erfahrung hat ge-
lehrt, daß dieser Schutz vollkommen genügend ist. Die
Platten sind in Sicherheit und doch jederzeit leicht zugäng-
lich, jedenfalls viel bequemer erreichbar als in den manch-
mal empfohlenen besonderen mit Blei ansgeschlagenen Kästen.
Ueber das Einlegen der Platten in lichtdichte Kas-
setten ist folgendes zu bemerken. Vielfach werden Kassetten
empfohlen, deren Unterseite aus festem, widerstandsfähigem
Holz mit breitem Rand und deren Oberseite aus darauf ge-
nagelter Pappe besteht. Dieselben tragen zwar ohne weiteres
die Last des Körpers, haben aber manche Uebelstände. Sic sind
ziemlich schwer, erlauben nicht die Aufnähme gewisser Körper-
teile (Finger, Hals) in möglichst weiter Erstreckung und
bieten dem Einschieben der Platten einige Schwierigkeiten
dar. Die Schicht ist gegen Berührungen, Druck, Schrammen
sehr empfindlich, wird aber hiervon bei der schmalen Ein-
gangsöffhung im Dunkeln leicht betroffen. Sehr bequem sind
einfache Taschen mit weit übergreifender Klappe, welche man
sich aus doppeltem schwarzem Papier und Buchbinderleine-
wand selbst herstellen kann. Damit sie weich bleiben, müssen
sie mit Kleister und nur die übergreifenden Ränder des Stoffes
mit Fischleim geklebt werden. Es ist zweckmäßig, die Taschen
mehrere Oentimeter größer als die Platten zu machen, damit
Die Einrichtung der Röntgenstation. 165
sie leicht ohne Berührung der Schicht hineingeschoben werden
können. Je nach der Verwendung kann man sie alsdann in
die eine oder andere Ecke legen, auch, falls es notwendig
erscheint, die wahre Größe der Platte, deren Rand man übrigens
leicht durchfühlt, außen durch Aufkleben von Papier kenntlich
machen. Da öfter Abdeckungen der Platten behufs zweier
nach- und nebeneinander zu nehmenden Aufnahmen vorkommen,
markiere man sich auf jeder Tasche deutlich die beiden Mittel-
linien. Die Anzahl der vorrätig zu haltenden Taschen richtet
sich nach der Inanspruchnahme des Röntgenkabinetis. Etwa
je zehn von den kleineren Formaten, je fünf von den größeren
zur Verfügung zu haben, erleichtert sehr ein schnelles Arbeiten.
Vielfach wird empfohlen, die Platten vor dem Einlegen
mit einem breiten Pinsel abzustauben, was man häufig noch im
vollen roten Licht recht langsam und sorgfältig ausgeführt
sieht. Die sauber eingepackten Platten pflegen kaum Un-
reinigkeiten aufgelagert zu haben, sehr leicht ist der Pinsel
nicht sauber oder man - berührt mit dem die Haare um-
schließenden Blech -die Schicht, was sich nachher bei der
Entwicklung als Strich zu erkennen gibt. Da ferner die
Platten, besonders die neueren Röntgenplatten, gegen rotes
Licht durchaus nicht unempfindlich sind, jede Arerminderung
der Klarheit der Negative alter ängstlich vermieden werden
muß, tut man am besten, die Platten im Dunkeln oder
mindestens nicht im Licht der roten Lampe in die bequem
zu öffnenden Taschen ohne weiteres Abstauben einzulegen.
Man muß sich überhaupt gewöhnen, alle hierzu notwendigen
Griffe ohne Hilfe der Augen und ohne Berührung der Schicht-
seite sicher auszuführen und bei jedem Stadium der Be-
arbeitung die Platte immer in ganz bestimmter Weise zu
halten. Am besten ist der Griff, den Daumen an einer Ecke
anzulegen während die vier Finger die Glasseite von unten
stützen.
Auf der andern Längsseite des Dunkelzimmers befindet
sich die Einrichtung für nasse Arbeiten. Hierfür muß
vor allen Dingen Wasserleitung vorhanden sein mit drei bis
vier Zapfstellen und einem Ausguß. Der hier verwendete
Tisch (70 cm breit) kann aus drei Böcken (90 cm hoch)
und losen Brettern zusammengesetzt sein, die wieder einfach
aus gefirnißtem Kieferholz bestehen. Die oberste Platte er-
hält zweckmäßig eine Bedeckung mit dünner Bleifolie. Die
zweite Lage der Bretter befindet sich etwa 12 cm unterhalb
166 Die Einrichtung der Röntgenstation.
der ersteren, die dritte Lage ebenso hoch, über dem Erd-
boden. Die zweite Etage ist für die Entwickelschalen, die
nnlere für die Schalen mit Fixage bestimmt.
Vor den Tisch kommt ein Rost ans hartem Holz von etwa
35 cm Breite und von der Länge des Tisches zu liegen, was zur
Trockenhaltung des Schuhwerkes durchaus erforderlich ist.
Auf die Tischplatte werden zwei flache Wannen gesetzt,
weiche größer sind als das größte zu verarbeitende Platten -
maß, also etwa die Größe von 55 X 90 cm bei 18 ein Tiefe
haben. Die eine ist bestimmt für das Entwickeln, nimmt
aber nicht die Platten unmittelbar auf, sondern dient nur für
diesen Teil des Prozesses als Ausguß. Die zweite dient als
Wässerungsschale für die fertigen Negative. Beide müssen
Ablauf nach dem Ausgußbecken haben, was durch dicken
Gummischlauch bewirkt werden kann. Die Wannen können
aus starkem Zinkblech oder auch aus Holz mit Bleiverklei -
düng gefertigt werden. Der Boden wird in beiden am besten
umgekehrt dachförmig gemacht und senkt sich zum Ausfluß.
Die Wanne für das Entwickeln erhält 5 cm unterhalb
des oberen Randes ein grobes Drahtnetz eingelegt, welches
schnelles Ausgießen von Flüssigkeiten ohne starkes Spritzen
gestattet und gleichzeitig darauf gesetzte Schalen sauber erhält.
Die Wanne zum Wässern erhält einen Ablauf von min-
destens 5 cm Durchmesser, welcher in der Mittellinie des
Bodens oder seitlich angebracht werden kann (siehe Zeich-
nung S. 170); ferner einen darin eingeschliffenen Konus,
der in seiner Mitte wieder weit geöffnet ist, mit daran an-
gelötetem hohlem zugleich als Ueberlauf dienendem Griff.
Die schrägen. Boden wände dürfen nicht bis zum Rand der Wanne
heraufgeführt sein, sondern müssen etwa 5 cm unter]] alb
enden, weil sonst das Waschwasser bei jeder Bewegung über-
fließt. Grade diese Form der AVanne ist den Eigentümlich-
keiten der Röntgenpraxis besonders angepaßt. Zu diesen
gehört besonders der Umstand, daß man dauernd mit einer
Anzahl verschiedener Plattenformate zu tun hat. Man kann
nicht für jedes Format einen besondern Wässerungskasten
haben, vermag auch die Platten in einem größeren mit senk-
rechter Standvorrichtung weder zu bearbeiten noch zu über-
sehen. Dies ist alles in der beschriebenen Wanne leicht
ausführbar. Auf die schrägen Seiten des Bodens können
Platten jeden Formates, die kleinen unten, die großen oben
gleich gut mit der Schicht nach unten gelagert werden. Die
Die Einrichtung der Röntgenstation. 167
freiliegende Glasseite kann sofort mit einer Bärste abgeputzt
und so die gröbsten Verunreinigungen der Rückseite gleich
im Anfang sicher entfernt werden1). Durch die sehr weite
Ausflußöffnnng entsteht beim Aufheben des Stopfens sofort
eine starke Strömung, welche alle Abfälle an Gelatine, Glas-
splittern u. s. w. schnell entfernt. Endlich dient die Wanne
in sicherster und bequemster Weise zur völligen Auswässerung
der Platten. Hat man dieselben gebürstet und abgespült, so
füllt man die Wanne bis zum Rande mit reinem Wasser und
laßt ruhig stehen. Die schwere Lösung des Doppelsalzes fließt
immer über die Glasseiten nach unten ab ohne in die Schicht
der unteren Platten einzutreten. Lüftet man nun alle 5 bis
10 Minuten den Abflußkonus, so fließt immer die dichteste
Lösung unten ab und von oben tritt neues Wasser an die
Platten heran. Mit einer Füllung der Wanne kann man so
mehrere Lagen von Platten im Laufe von etwa einer halben
Stunde sicher auswässern. Der breit und offen daliegende Boden
der Wanne gestattet schließlich jederzeit leichte Reinigung.
Die Aufstellung der beiden Wannen erfolgt derartig, daß
ihr hinterer Rand etwa 15 cm von der Wand entfernt bleibt.
Hier wird durch ein 15 cm breites Brett, welches oben den
Wannenrand überschreitet, ein schmales Tischchen gebildet,
welches die Flüssigkeiten zum Entwickeln, die Mensuren und
dergl. aufnimmt und welches am besten eine auf die Wand
heraufreichende und in die Wannen herabhängende Bekleidung
von 1 mm dickem Walzblei erhält. Seitlich stehen die
Wannen so weit von einander entfernt, daß auf dem er-
wähnten Tischchen die rote Lampe Platz findet. Der Raum
vor ihr wird in derselben Breite durch ein mit dünnem
Blei geschütztes Brettchen ausgefüllt, welches gelegentlich
zum Aufsetzen der Schalen dient.
1) Auf die sofort erfolgende Reinigung der Rückseite gleich nach
dem Fixieren muss besonderes Gewicht gelegt werden. In sehr vielen
Fällen will man sobald wie möglich sich über den Befund orientieren.
Dies wird schon erschwert durch das in Schlieren herabfliessende Wasser,
kann aber ganz unmöglich werden, wenn dazu noch die gewöhnlichen
Unreinigkeiten der Rückseite kommen. Allerdings lassen sie sich auch
nach dem Trocknen der Platte noch durch Abkratzen entfernen, dies
erfordert jedoch mehr Arbeit als wenn die Gelatineteilchen aufgeweicht
sind. Aus allen diesen Gründen ist das sofortige Abbürsten der Platten,
wenn sie aus der Fixage kommen, am meisten zu empfehlen.
168 Die Einrichtung der Röntgenstation.
An Wasserhähnen bedarf man zunächst des gewöhn-
lichen über dem Ausgußbecken. Ferner muß sich ein Schwenk-
hahn mit Brause in der Mitte jeder Wanne befinden. Es ist
vorteilhaft, die Breite des Tischchens hinter den Wannen
(15 cm) durch ein starres Rohr zu überbrücken und erst hier
den Drehpunkt anzuschließen. In dem starren Rohr muß für
jede Brause ein besonderes Absperrventil angebracht sein,
welches die Stärke des Wasserdruckes zu regulieren gestattet.-
"Die Plöhe der Brause über dem Fußboden beträgt etwa 1,50 m.
An einem der Wasserhähne muß noch ein Abzweig angebracht
werden, von welchem durch einen Gummischlauch Wasser in
die Wässerungswanne geleitet werden kann. .Man vermag
alsdann hier auch Papierbilder zu spülen und entnimmt über-
haupt zum Wässern das Wasser besser hier, da durch die
Brause zuviel Luftblasen mitgerissen werden, welche an der
Schicht sich ansetzend zu Plattenfehlern Anlaß geben können.
Diese Einrichtung der Wasserleitung ist die einzige Ver-
änderung von einiger Dauerhaftigkeit, welche aber nicht zu
umgehen ist. Dadurch, daß von der Zapfstelle über dem
Ausguß einfach eine Abzweigung aus Bleirohr auf der Wand
verlegt wird, läßt sich übrigens auch hier die Veränderung
eines Lazarettzimmers auf das geringste Maß beschränken.
An einer oder mehreren Wänden bringt man zweck-
mäßig Consolbretter von 20 cm Breite für Chemikalien,
Flaschen u. dgl. an. Einige eiserne Winkel und Haken
genügen zur sicheren Befestigung.
An Schalen braucht man drei verschiedene Arten,
welche am besten aus verschiedenem Material hergestellt
sind und stets zu denselben Zwecken gebraucht werden.
Zum Entwickeln nimmt man die leichten Schalen
aus schwarz lackiertem Papiermache. Grosse Schalen,
3 — 5 cm größer als das Plattenformat, sind immer zweck-
mäßiger als kleine, weil die Platten sich leichter heraus-
heben lassen. Folgende Formate sind erforderlich eine zu
42 X 52 cm, eine zu 37 X 40 cm und zwei zu 19 X 26 cm.
Zum Fixieren stellt man sich unter den Entwickeltisch
2 — 3 größere Schalen aus weißem Porzellan auf, welche
dauernd reichlich mit Fixieriösung gefüllt bleiben, auch deren
Beschaffenheit dauernd leicht kontrollieren lassen. Es ist
durchaus notwendig, hierfür eine genügende Anzahl von
Schalen zu besitzen, denn nichts ist störender als wenn
Patten entwickelt sind und aus Mangel an Platz nicht
Die Einrichtung der Röntgenstation. 169
fixiert werden können. Trocknet die Lösimg" einmal ein, so
kann sie einfach durch Wasserzusatz wieder gebrauchsfähig
gemacht werden. Durch die Aufstellung dieser .Schalen uni er
dem Tisch wird auch am besten dem Verschleppen oder
Verspritzen von Fixiernatron vorgebeugt. Die Größen sind:
zwei zu 42 X 53 cm, da man in einer mehrere kleine
Negative fixieren kann.
Zum Tonfixierbad gebraucht man auch besondere
Schalen, welche entweder ebenfalls aus Porzellan oder behufs
besserer Unterscheidung aus emailliertem Eisenblech sein
können. Letztere sind allerdings nicht besonders dauerhaft,
aber ihrer Leichtigkeit wegen bequem. Es genügt eine große
Schale von 42 X 52 cm.
Einige weitere Porzellanschalen mittlerer Größe sind
erforderlich zum Abschwächen und zum Untersetzen unter
die trocknenden Negative, Größe etwa 31 X 38 cm, zum
Verstärken können die Entwickelschalen genommen werden.
Entwickelt man Papierbilder, so erweisen sich die ge-
wöhnlichen käuflichen Schalen als unzweckmäßig, da das
nasse Papier sich an den schräg gestellten Wänden in die
Höhe schiebt und hierdurch Verluste entstehen können. Hier
muß man sich durch Klemmen helfen, die man sich aus
hartgezogenem Messingdraht selber anfertigen und auf die
Ränder klemmen kann, oder man stellt sich aus leichtem
Elsenholz besondere Schalen mit senkrechten Wänden zu-
sammen, welche man durch einen Ueberzug' von weißem
Celluloid1) dichtet.
Zum Aufgießen der Entwicklerlösung sind am bequemsten
die bekannten weiß emailliertenEisengefäße, welche einHinfallen
im Dunkeln vertragen ohne zu zerbrechen. Ihre Ausmessungen
lernt man sehr bald kennen und bedarf dann der Mensuren
nicht mehr. Man braucht zwei kleinere zu etwa 300 und
500 ccm und ein größeres zu etwa 1 Liter Inhalt.
Gefäße zur Standentwieklunff muß man von einer Firma
1) Weisses Celluloid (Abfälle aus einer Schirmfabrik) werden mit
Amylacetat und Aceton zu gleichen Teilen Übergossen und zu einem
dicken Brei verarbeitet, der sich aufstreichen (auch z. B. zu Korsetts
bei Behandlung von Skoliosen und ähnlichen Zwecken verwenden)
lässt. Ein Klebemittel für Celluloidplatten erhält man aus Amylacetat
und Aceton zu gleichen Teilen unter Hinzufügung von 10 pCt. bestem
Kampher.
170
Die Einrichtung der Röntgenstation.
Kr. 58 a.
Wanne aus Zinkblech oder Holz mit Bleibekleidung für das Entwickeln
der Platten.
Fig. 58 b.
Wanne ans Zinkblech oder Holz mit Bleibekleidung zum Wässern
der Platten.
Für. 58 c.
#
^
Sern. ' Stocm.
Dieselbe Wanne im Längs- und Querschnitt.
Die Einrichtuno: der Röntgenstation.
171
beziehen (W. A. Hirschmann-Berlin, Ziegelstr. 30 oder
L. J an owski -Berlin, Elisabethstr. 14).
Zum Trocknen der nassen Negative braucht man einige
Fig. 58 e.
60cm. - >!
Bock für den Entwickeltes eh.
Fig. ÖS f.
Tisch für nasse Arbeiten (von oben gesehen).
Trockenböcke, welche, aber für die großen Platten ent-
sprechende Abmessungen haben müssen. Durch Sieden in
Paraffin werden sie wasserdicht. Films und Papierbilder
werden an Nadeln oder besonderen Klammern aufgehängt.
172
Die Einrichtung der Köntgenstation.
Fig. 58 g.
Tisch für nasse Arbeiten (von vorn gesehen).
Fi ff. 58 h.
Tisch für trockene Arbeiten.
Eine Wage (einfacher Art bis 2 Kilo reichend) ist er-
forderlich, um die Lösungen auf der Station ansetzen zu
können. Ebenso eine Glasmensur zu 100 cem und eine
zu 1000 com. Ferner ein Gaskocher zur raschen Her-
stellung heißer Lösungen.
Da ffeleeentlich ein Zerteilen von Platten vorkommen
Die Einrichtung der Röntgenstation. 173
kann, muß ein gut schneidender Glaserdiamant vorhanden
sein und dessen Gebrauch sicher erlernt werden, namentlich
auch die Handhabung im Dunkeln (bei unbelichteten Platten;.
Hierzu sind ein festes, am besten eisernes Lineal und zur
Einübung alte Glasplatten erforderlich. Unbenutzte Platten
werden von der Schichtseite aus geschnitten, weil beim
Schneiden von der Rückseite die Gelatine unregelmäßig ein-
reißt und sich ablöst.
Da das Arbeiten mit den verschiedenen photographischen
Lösungen die Haut der Hände sehr angreift, sie trocken und
brüchig macht oder zu Warzenbildungen Anlaß gibt, bedient
man sich feiner Gummifinger oder am besten ganzer Gummi-
handschuhe, deren das Gefühl abstumpfende Wirkung man
bald überwinden lernt.
Für die in der Dunkelkammer gebrauchten Tische,
Wannen u. s. w. haben sich gewisse Maße und Ausführungs-
arten bewährt, welche den Vorzug haben, daß sie leicht her-
zustellen, billig und für alle vorkommenden Anforderungen
hinreichend sind. Die Abmessungen sind aus den beigefügten
Abbildungen zu ersehen. Ihre Anfertigung kann von jedem
Handwerker (sogar auch auf der Scheibenwerkstatt) besorgt
werden, außerdem sind sie, obwohl hinreichend stabil, mit
Leichtigkeit auseinander zu nehmen und an einem andern
Ort aufzustellen. Da die Maße überall angegeben sind, kann
nach den Zeichnungen unmittelbar gearbeitet werden.
Das Zimmer zur Fertigstellung der Bilder
kann allenfalls von den andern getrennt liegen. Be-
sondere Verdunkelungseinrichtungen außer den gewöhnlichen
Rouieaux sind nicht erforderlich, da hier nur Arbeiten ge-
macht werden sollen, welche mäßiges Licht vertragen. Hier
werden die Abzüge im Tonfixierbad behandelt und später zum
Trocknen aufgehängt. Sie werden alsdann beschnitten, auf-
geklebt und satiniert. Hier braucht man also einen großen
Tisch zum Arbeiten und wird ferner die Schneide- und
Satiniermaschine aufsteilen. Hier werden auch die fertigen
Bilder „ausgefleckt", d. Jb.. die etwa im Positiv erschienenen
weißen Pünktchen mit dunkler Farbe gedeckt. Neben elek-
trischer oder Gasbeleuchtung ist es erwünscht, hier einen
Gaskocher zu haben, um warmes Wasser zu Kleister oder
174 Die Einrichtung der Röntgenstation.
andern Zwecken herzustellen. Daß auch hier Wasserleitung
mit Ausguß erwünscht ist, liegt auf der Hand.
Hier können auch die fertigen Negative, die sich bald
zu stattlichen Massen ansammeln, aufbewahrt werden. Was
überhaupt mit den alten Negativen geschehen soll, welche
zum allergrößten Teil nur wenige Male gebraucht werden,
ist noch nicht klar. Sie stellen mit den schweren Glastafeln
einen Ballast dar, welchen zu verwalten die Lazarette weder
Zeit noch Raum haben. Sehr erleichtert würde die Sache,
wenn es gelänge, die Gelatine von den Tafeln zu trennen
und für sich aufzubewahren. Letztere können in den Platten-
fabriken wieder verwendet werden. Versuche in dieser Rich-
tung sind durch Anwendung von Formalinlösungen, welche
die Gelatine härten und vom Glase abziehbar macheu, an-
gestellt, haben jedoch zu einem allgemein zu empfehlenden,
einfachen und sichern Verfahren noch nicht geführt1). Sollte
ein solches aufgefunden werden, so würde es sicher von
größter Bedeutung grade für Militärlazarette werden.
Von Stein2) und Holzknecht3) sind sehr sinnreiche
Systeme angegeben, um Platten zahlreicher Formate nach
gewissen Gesichtspunkten leicht auffindbar aufzubewahren,
also besonders nach Namen, nach Diagnosen und nach der
Körperregion. Für Militärlazarette dürfte die Festlegung
durch eine ein Jahr fortlaufende Nummerierung in allen Fällen
ausreichen, namentlich wenn in der genau zu führenden
Liste (s. S. 160) auch das Format der Platte stets an-
sehe ben wird.
1) S. Eder, Ausführliches Handb. d. Photographie Bd. III S. 575.
2) Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen 1902 Bd. V
S. 183.
3) Ebendas. S. 308.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 175
5. Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Aus den Eigenschaften der wunderbaren Strahlenart geht
hervor, daß ihre Verwendung zwei große Gebiete umfaßt,
nämlich die Diagnostik und die Therapie. Unstreitig
hat das erstere für Militärlazarette eine bei weitem über-
wiegende Bedeutung, denn wenn auch die Lazarette in keiner
Hinsicht den zivilen Heilanstalten nachstehen, so erstreckt
sich ihre Wirksamkeit auf Kranke doch nur so lange als
dieselben dem Militärstande angehören. Bedingt aber ein
länger dauerndes Leiden das Ausscheiden aus dem Militär-
verhältnis, so hört damit in der Regel auch die Verpflegung
in einem Militärlazarett auf. Die dankbarsten Fälle für eine
Behandlung mit X-Strahlen wie Lupus, chronische Ekzeme
ii. dgl. wird man daher hier nicht antreffen.
Was mm die diagnostische Anwendung der Röntgen-
strahlen anbetrifft, so beruht sie ja auf ihrer Eigenschaft,
von den verschiedenen Körpern je nach ihrer Dichte und
ihrem atomistischen Aufbau in verschiedenem Grade absor-
biert zu werden. Schicken wir sie durch einen beliebigen
Körper hindurch, so zeigen sie uns auf dem leuchtenden
Schirm oder der Platte die verschiedene Dichtigkeit der
durchstrahlten Partieen an und erlauben uns hieraus mit dem
Gesichtssinn Schlüsse auf die innere Beschaffenheit von
Teilen zu ziehen, welche unserm Auge direkt vollkommen
verborgen sind. Alle möglichen Gegenstände aus dem Tier-,
Pflanzen- und Mineralreich können mit dieser idealen Sonde
für die Dichten der Körper untersucht werden.
Unter den Edelsteinen ist besonders der Diamant für
X-Strahlen völlig durchgängig und erlaubt eine leichte Unter-
scheidung von jeder Nachahmung. Nicht zu dicke Metallteile,
wie eiserne Schlösser, Flintenläufe sind ebenfalls genügend
durchgängig, um das Innere beurteilen zu lassen. Röntgen1)
berichtete bereits im März 1897 über ein mittelst einer harten
Röhre erhaltenes photographisches Schattenbild von dem
Doppellauf eines Jagdgewehres, in welchem alle Einzelheiten
1) Wiedemanns Annalen 1897 Bd. 64 S. 30.
176 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
der Patronen, die inneren Fehler der Damastläufe u. s. w. sehr
deutlich erkennbar waren. Aehnliche Aufgaben können im
militärischen Leben wohl einmal vorkommen.
Fast alle Herkünfte aus dem Pflanzenreich sind be-
sonders leicht für die X-Strahlen durchdringbar. Im Holz
läßt sich der Verlauf der Jahresringe, in Früchten vielfach
die Lagerung einzelner Teile demonstrieren. Dies kann von
Wert sein bei seltenen Stücken, welche unzerteilt auf bewahrt
werden sollen. Im Garnisonlazarett I Berlin sind mehrfach
derartige Aufnahmen für das botanische Museum gemacht
worden. Eine besondere Wichtigkeit besitzt diese Unter-
suchung zur Erkennung der Verfälschung von pflanzlichen
Nahrungsmitteln, z. B. Kaffeebohnen, Chokolade u. s. w., bei
denen die nicht vegetabilischen Beimengungen sich beim
ersten Blick auf dem leuchtenden Schirm erkennen lassen.
Wie den städtischen Untersuchungsämtern können derartige
Aufgaben sehr leicht auch den militärischen Röntgenkabinetten
gestellt werden.
Eine ähnliche Verwertung haben die Röntgenstrahlen ge-
funden bei der Untersuchung von mumifizierten Menschen
oder Tieren, wobei der sorgfältig eingewickelte Inhalt ent-
rätselt werden kann, ohne die kunstvollen Hüllen zu lösen.
Aus der Tierarzneikunde 1)' liegen Veröffentlichungen vor über
erfolgreiche Diagnosen bei Pferden und anderen Haustieren,
welche verheißungsvolle Ausblicke in die Zukunft ergeben.
Das Röntgenkabinett in Militärlazaretten hat es aber
vor allen Dingen mit der Diagnose am lebenden erwachsenen
menschlichen Körper zu tun. Die Möglichkeit der Durch-
strahlung ist hier langsam von den Fingern bis auf die
dicksten Körperteile gestiegen und die Zeitdauer der Ex-
position bis auf Minuten und Sekunden herabgegangen.
Vor allem2) muß das Instrumentarium tadellos sein.
Sind alle vorher beschriebenen Apparate in guter Ordnung,
der Induktor genügend kräftig, um Funken von wenigstens
1) Hoff mann, Portschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen
1901 Bd. V S. 138.
2) Die hier folgenden Gesichtspunkte habe ich in meinem Vortrag:
Ueber die für den Sanitätsdienst erforderliche feinere Diagnose kleinster
Verletzungen und Abweichungen vom Normalen mit Hülfe der Röntgen-
strahlen, gehalten in der Sektion für Militärmedizin des XIII. internat.
medizin. Kongresses zu Paris 1900. schon zum Teil behandelt.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 177
40 cm Länge zu geben, die Stromquelle zuverlässig ange-
schlossen, der Unterbrecher in regelmäßiger Tätigkeit und die
Röhre weder zu weich noch zu hart, so kann zur praktischen
Verwertung der X-Strahlen geschritten werden. Alle zu
untersuchenden Gegenstände müssen zwischen die Röhre und
•die Platte oder den Schirm (dem letzteren möglichst an-
liegend) gebracht werden, soclaß die sie durchsetzenden Strahlen
hier Schattenbilder entwerfen. Auf dem Schirm entstehen sie
in sofort für das Auge lesbarer Schrift, auf der Platte müssen
.sie erst durch sachgemäße Behandlung entwickelt werden.
Alle technische Mühe des Untersuchers hat zum Ziel, die-
selben möglichst klar und deutlich zu erhalten, während
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit die Entzifferung der von
sämtlichen schattengebenden Schichten über einander ent-
worfenen Schattenbilder zufällt.
Die Deutung derselben ist durch verschiedene Umstände
•erschwert. Da die einzelnen Substanzen entsprechend ihrer
Dichtigkeit die X-Strahlen- zurückhalten, so können sich in
<len Schatten Differenzen nur da finden, wo Dichtigkeits-
unterschiede neben einander vorkommen. Am menschliehen
Körper werden z. B. die Weichteile eines Armes oder Beines
nur geringe Differenzen erkennen lassen, da die Dichtigkeit
der verschiedenen Gewebe nahezu die gleiche ist. Einzig
•die Knochen treten wegen ihres infolge der Kalksalze er-
heblich dichteren Gefüges deutlich aus der Masse der Weich-
teile hervor. Ebenso werden dichte Fremdkörper von Metall,
Glas, Porzellan und dergl. sich deutlich abheben, während
Holzsplitter unsichtbar bleiben. Bei Durchleuchtungen des
Brustkorbes jedoch, in welchem luftgefüllte, kalkhaltige, blut-
l'ührende muskulöse und massige drüsige Teile dicht neben
•einander vorkommen, wird eine Abgrenzung derselben gegen
einander gut möglich sein, wozu beim Lebenden noch die
bei der Atmung zu beobachtende Verschiebung der Organe
erleichternd hinzutritt.
Eine weitere Erschwerung der Deutung liegt in der Ent-
stehung des Schattenbildes durch zentrale Projektion. Je
näher ein Teil der Röhre liegt, unter desto größerem Winkel
wird er auf die Platte oder den Schirm projiziert. Bei der
Deutung des Schattenbildes muß also unter Verwertung aller
topographisch - anatomischen Tatsachen diesem Umstände
dauernd Rechnung getragen werden. Diesem Uebelstande kann
man einigermaßen begegnen, wenn man die Entfernung zwischen
Stechow, Das Röntgen-Veifahren. i.}
178 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Rühre und Platte nicht zu klein wählt. Zwar nimmt die
Intensität der Wirkung mit dem Quadrat der Entfernung abr
die doppelte Entfernung erfordert also unter sonst gleichen
Umständen die vierfache Expositionszeit, allein die richtigere
Projektion, welche man auf diese Weise erhält, wiegt bei weitem
den Zeitverlust auf. Es ist oft empfohlen, die Entfernung
der Röhre je nach der Dicke des aufzunehmenden Körper-
teiles verschieden zu wählen. Für den praktischen Gebrauch
kann man vier Abstufungen unterscheiden (Hand, Arm, BeinT
Rumpf), welchen alsdann Entfernungen von 30, 40, 50 und
60 cm entsprechen würden. Für diese Anordnung wird an-
geführt, daß die Streuung jedesmal etwa den gleichen Betrag
erreicht, und daß man für jeden Körperteil die kürzeste
Expositionszeit wählen kann. Es läßt sich indessen die
Sache wesentlich vereinfachen. Einmal spielt bei den heutigen
Apparaten die Expositionszeit keine Ausschlag gebende Rolle
mehr. Ferner ist Niemand gewohnt, bei Betrachtimg von
Knochen diese nach ihrer Größe in den oben genannten Ab-
stufungen der Entfernung vor das Auge zu halten, sondern
man kann annehmen, daß ein einzelner Knochen in etwa
50 cm, der Brustkorb oder das Becken in 60 — 70 cm deut-
lich gesehen werden. Die bei einer solchen Betrachtung sich
ergebenden Umrisse haben sich dem Gedächtnis eingeprägt.
Benutzt man dieselben Entfernungen bei 'Beobachtungen auf
dem Schirm oder bei Aufnahmen auf der Platte, so findet
man bekannte Linien, in welchen man sich leicht zurecht-
findet.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich noch aus der
.Lagerung der aufzunehmenden Körperteile. Sämtliche Knochen
haben sehr mannigfaltig gestaltete Umrisse, soclaß schon ge-
ringe Veränderungen der Lage, Drehung oder Verschiebung,
;ganz andere Randlinien des Knochenschattens ergeben können.
Das mag bei groben Veränderungen, unzweifelhaften Brüchen
oder Verrenkungen, nicht viel zu sagen haben, bei feineren
Untersuchungen kann es jedoch sehr irreführend wirken.
Aus dem Vorstehenden erhellt sofort, daß bei der
Röntgopraphie im allgemeinen die Technik im weitesten
■Sinne, welche sich aus zahlreichen Einzelheiten zusammen-
setzt, von erheblicher Wichtigkeit ist, und- daß eine voll-
kommene Beherrschung der Methoden unerläßliche Vorbe-
dingung für Unanfechtbare wissenschaftliche Schlußfolge-
.rungen ist.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 179
Von noch weiter gehender Bedeutung ist jedoch die
Technik für die Militärmedizin. Zwar fußt die letztere wie
alle anderen medizinischen Disziplinen auf denselben alige-
meinen Grundlagen und kann der seitlichen Fühlung nicht
ontraten, aber auf ihrem engeren Gebiet erwachsen ihr Auf-
gaben, für welche sie allein die Lösungen finden muß. In
dem hier ins Auge zu fassenden Abschnitt ihrer Aufgaben
•ist es die Erkennung und Bewertung von minimalen Ver-
letzungen und Abweichungen von der Norm, welche
eine ganz besonders sorgfältige und sichere technische Be-
arbeitung erfordern. Nach einem anscheinend unbedeutenden
Fall auf die Hand z. B. stellen sich im Ellenbogen- oder
Handgelenk geringfügige Symptome ein, welche als „Kon-
tusion" aufgefaßt werden und nach einer Behandlung von
wenigen Wochen anscheinend ganz geschwunden sind. Beim
Versuch Dienst zu tun, ergibt sich jedoch bald eine Be-
schränkung der Beweglichkeit in einer oder mehreren Rich-
tungen, welche zwar an , sich unbedeutend ist, jedoch das
strenge Einhalten der vorgeschriebenen Formen erschwert
oder unmöglich macht. Ein ander Mal kommt ein sonst ge-
sunder und kräftiger Mensch dadurch zur militärärztlichen
Beurteilung, daß er den Fuß nicht in der verlangten Weise
zu strecken -vermag wie die andern.
In allen solchen oder ähnlichen Fällen handelt es sich
um Gesunde oder Genesene mit geringen Ausfallserschei-
nungen, welche niemals zur Kenntnis einer Zivilklinik ge-
langen würden und deren Defekte nur dadurch an den Tag
kommen, daß sie den erhöhten Anforderungen des Militär-
dienstes nicht oder nicht mehr gewachsen sind. Nun müssen
aber mannigfache dienstliche Verrichtungen von dem Sol-
daten in ganz bestimmter Form gefordert werden. Diese
Leistungen sind keine freiwilligen, und wie bei gröberen sinn-
fälligen Fehlern das Gesetz eine Befreiung von der Dienst-
pflicht ausspricht, so liegt es durchaus im Interesse sowohl
des Mannes wie des Staates und des verantwortlichen Sani-
tätsoffiziers, Mittel und Wege zur Verfügung zu haben,
welche auch kleinere Abweichungen mit Sicherheit aufzu-
decken und zu bewerten gestatten. In solchen Fällen die
Sachlage klarzustellen und in Bezug auf Diensttauglichkeit
bezw. Pensionsberechtigung zu würdigen, ist einzig die
schwierige, aber dankbare Aufgabe des Sanitätsoffiziers.
Selbst an die Unfallsärzte dürften Aufgaben von gleicher
12*
180 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Feinheit nur selten herantreten, da der zivile Arbeiter nicht
in demselben Maße an die äußere Form der Arbeitsleistung-
gebunden ist wie der Soldat.
Aus alledem geht hervor, daß die Aufgabe des Sanitäts-
offiziers, welchem die Leitung eines Röntgenkabinettes über-
tragen wird, keine leichte ist, und daß er dauernd hier dieselbe
Sorgfalt und peinliche Gewissenhaftigkeit aufzuwenden hat wie
etwa bei Arbeiten im bakteriologischen Laboratorium oder
bei Ausübung der Asepsis. Er muß seine mannigfachen
Apparate genau kennen, ihr Funktionieren dauernd beob-
achten, das Instandhalten beaufsichtigen oder selber besorgen,
kleine Schäden sofort beseitigen und bei größeren rechtzeitig
die Hülfe des Fabrikanten anrufen. Er muß ferner die ihm
zugesandten Fälle sofort derartig überschauen, um den
zweckmäßigsten Weg der Untersuchung angeben zu können.
Daß der leuchtende Schirm für die in einem Militärlazarett
vorkommenden Fälle nur in den seltensten Fällen ausreichend
ist, mag gleich hier erwähnt werden. Fast durchgehends
ist die photographische Aufnahme erforderlich, welche, wenn
geschickt ausgeführt, besser als alle Beschreibungen das
Tatsächliche aktenmäßig festlegt. Allein hierbei ergibt sich
eben die Schwierigkeit, daß sie geschickt, d. h. den Fall er-
schöpfend und technisch vollendet hergestellt sein muß, wenn
sie den Anforderungen genügen soll.
Die „technische Vollendung" der Negative und Positive
ist eine unerläßliche Forderung, welche der Erkenntnis und
dem Verständnis auch Fernerstellender zu gute kommt. Sie
setzt aber völlige Vertrautheit mit dem photographischen Ver-
fahren voraus. Glücklicherweise ist es nicht erforderlich,
alle Wege der unendlich breiten photographischen Technik,
Avelche zum Ziele führen, genau zu kennen. Es ist völlig
ausreichend, wenn ein oder das andere Verfahren, welches
gute Resultate ergibt, vollkommen beherrscht wird. Nach
diesem Grundsatz ist bei der Darlegung der photographischen
Technik weiter oben verfahren. Unbenommen bleibt es einem
Jedem und höchst anregend und anziehend ist es, nach ge-
nauer Einübung einer einfachen Methode andere Verfahren
zu versuchen und so sein Wissen und Können später auf
eine breitere Grundlage zu stellen.
Außer der Kenntnis seiner Apparate und der Beherrschung
der photographischen Technik bedarf der Leiter eines mili-
tärischen Röntgenkabinettes aber noch etwas weiterer Hufs-
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 181
mittel zu fruchtbringender Tätigkeit. Er stellt seine Unter-
suchungen nicht für sich seiher an, sondern für einen großen
Kreis von Sanitätsoffizieren, welche mit ihren Kranken auf
das Lazarett angewiesen sind und welche der Mehrzahl nach
mit den Einzelheiten des Verfahrens nicht so vertraut sein
können. Im Interesse aller Beteiligten liegt es, die Bilder
so klar und übersichtlich wie möglich zu gestalten. Geschieht
dies, so werden sie bald lernen, auch die Negative zu be-
urteilen. Noch wichtiger ist diese Forderung, wenn Positive
angefertigt und etwa nach außerhalb an andere Dienststellen
weiter gegeben werden müssen, welche zu mündlicher Auf-
klärung nicht zur Verfügung stehen. Nach allen diesen Gesichts-
punkten ist es förderlich, in die Aufnahmen eine gewisse
Regelmäßigkeit, eine Art Schema zu bringen, welches allen
Beteiligten bald bekannt wird und die Beirrteilung der vor-
liegenden Verletzung ungemein erleichtert. Weiß man genau,
in welcher Weise ein bestimmter Körperteil untersucht zu
werden pflegt, findet man 'denselben jedesmal in der gleichen
Lage auf der Platte, so gewinnt man am leichtesten eine
Uebersicht und erkennt auch kleinere Abweichungen rascher
und sicherer, als wenn die Aufnahmen ohne bestimmte Regeln
erfolgen. Ein solches Schema ist sehr wohl möglich anzu-
wenden, da die zur Untersuchung kommenden Soldaten sowohl
die größte Gleichmäßigkeit der Körperbeschaffenheit darbieten
als auch infolge der gleichartigen Beschäftigung vielfach ähn-
liche Verletzungen aufweisen. Es hat gleichzeitig dem Gesichts-
punkt zu genügen, sowohl das gewählte Plattenmateriai aufs
beste auszunutzen, um die nicht unerheblichen Kosten dieses
Verfahrens in zulässigen Grenzen zu halten, als auch die ver-
schiedenen Körpergegenden in bester und vollständigster Weise
zur Anschauung zu bringen. Uebrigens beansprucht es keine
weitergehende Gültigkeit als z. B. die Vorschriften für die
gerichtlichen Leichenöffnungen. WTie diese soll es nur den
Weg zeigen, bei dessen Befolgung die Untersuchung in den
gewöhnlichen Fällen gründlich ist und zu erschöpfender Auf-
klärung führt. Besonderheiten des Falles rechtfertigen hier
wie dort Abweichungen von dem gewöhnlichen Verfahren.
Inbezug auf die photographischen Platten ist zunächst
festzustellen, daß es sich empfiehlt, auf eine kleine Zahl von
Formaten sich zu beschränken und für jeden Körperteil stets
dieselbe Größe zu verwenden. Dies erleichtert die Aufbe-
wahrung der Platten und auch Fernerstehenden ungemein die
182 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Orientierung. Als Maße haben sich folgende bewährt;:
18 X 24 cm für Finger, Hand, Ellenbogen, Vorderfuß;
A24 X 30 cm für zwei Füße von oben, Fuß und Fußgelenk
seitlich, zwei Fußgelenke von vorn, zwei Unterarme, allenfalls
den Kopf; 30 X 40 cm für den ganzen Kopf sowohl seitlich
als frontal, Schulter, Knie, zwei Unterschenkel ; 40 X 50 cm
für Brust, Bauch und Becken. Gewiß reichen für einzelne
Finger auch kleinere Platten als 18 X 24 cm aus, allein man
muß immer gesunde Finger zum Vergleich mitphotographieren
und kann die beiden in zwei Richtungen erforderlichen Auf-
nahmen bequem auf die beiden Enden der Platte bringen,
sodaß dann das ganze Krankheitsbild auf einer Platte ver-
einigt ist.
Bezüglich der Art der Platten ist festzuhalten, daß die
gewöhnliche Qualität, wie sie von Schleußner, Smith, Aktien-
Gesellschaft für Anilinfabrikation und anderen Firmen geliefert
werden, vollkommen genügt. Es kommt darauf an, daß die
Emulsion hinreichend dick aufgetragen sowie genügend silber-
haltig und feinkörnig ist, um ein kräftiges Negativ zu geben.
Da die höchste Empfindlichkeit immer mit einer Vergrößerung
des Kornes, also einer Vergröberung der Zeichnung verbunden
ist, wird man für die gewöhnlichen Fälle hiervon keinen Ge-
brauch machen. Die mit Farbstoffen sensibilisierten Platten
bieten ebenfalls keine Vorteile. Die Verwendung von Films
hat mancherlei Schwierigkeiten. Die nur einseitig begossenen
lassen sich zwar ebenso leicht entwickeln wie Platten, allein
sie zeigen leicht allerhand Schatten, welche vielleicht durch
elektrische Einwirkungen auf den Schichtträger zu Stande
kommen, und bieten bei der späteren Behandlung durch Ein-
rollen so große Unbequemlichkeiten, daß man namentlich auf
die Verwendung größerer Formate gern verzichtet, Die auf
beiden Seiten mit sensibler Gelatine überzogenen Films bleiben
grade, geben gute klare Negative und können von beiden
Seiten kopiert werden. Da ihre Bearbeitung aber zweifellos
mehr Mühe und Vorsicht erheischt als die der Glasplatten,
wird man auch ihre Verwendung auf besondere Fälle be-
schränken, wie z. B. Aufnahmen von Füßen im Stehen, wobei
Glasplatten leicht zerbrochen werden.
Um die Aufnahme auf Glasplatten und damit die Kosten
des negativen Verfahrens zu umgehen, ist wiederholt empfohlen
worden, unmittelbar auf lichtempfindliches Papier zu projizieren
.und dieses dann zu entwickeln. Dies Verfahren erscheint
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 183
theoretisch sehr verlockend, zumal das Papier ja durchlässig
ist, man also mehrere Aufnahmen auf einmal machen kann.
Wohl jeder, der von Anfang an mit Röntgenstrahlen beschäftigt
war, hat diese Versuche gemacht und ist baldigst wieder
davon zurückgekommen. Es ist immer ein Verstärkungsschirm
notwendig, und die Bilder sehen derartig körnig und unscharf
aus, daß ein Erkennen von feineren Abnormitäten ganz aus-
geschlossen ist. Bei dem jetzigen Zustande der Papiere und
des ganzen Verfahrens ist eine neuerdings wieder- erfolgte
dringende Empfehlung nicht recht zu verstehen.
Was die Aufnahmezeit anbetrifft, so beträgt sie für
dünne Körperteile, wie die Finger, nur noch Bruchteile einer
Miaute, und auch für das Becken dürften 10 — 12 Minuten
der äußerste erforderliche Zeitraum sein. Fraglos kann man
z. B. von der Hand auch wahre Augenblicksaufnahmen machen,
und diese werden genügen, wenn es sich um die Feststellung
eines dichten Fremdkörpers, etwa einer Kugel, um eine Ver-
renkung oder grobe Fraktur handelt. Allein solche Bilder
sind nur möglich mit Hilfe mächtiger Apparate und stark
penetrierender X-Strahlen, sie ergeben nur Umrißbilder und
nie die feine, bis auf die einzelnen Knochenbälkchen sich er-
streckende Strukturzeichnung, welche man mit weicheren
Röhren und längerer Exposition erhalten kann. Da in
solchen Bildern mehr, vielleicht Unerwartetes zu sehen ist,
erscheint es nur vernünftig, das Negativ immer so gut wie
möglich zu machen und hierbei die in den meisten Fällen
bedeutungslose Verlängerung der Expositionszeit mit in den
Kauf zu nehmen. Für die im Durchschnitt in den Laza-
retten zur Zeit vorhandenen Apparate kann als Anhalt für
die Erzielung wirklich durchgearbeiteter Negative folgende
Angabe über die Expositionszeit zur Richtschnur dienen:
Plancl und Vorderfuß 1/2 — 3/4 Minuten, Unterarm und ganzer
Fuß iy2 — 2 Minuten, Ellenbogen- und Fußgelenk von vorn
nach hinten 2 — 2y2 Minuten, in der Quere 2y2 — 3 Minuten,
Schulter, Unterschenkel und Knie 3 — 4 Minuten, Oberschenkel
und Kopf quer 4 — 5 Minuten, Kopf von vorn nach hinten,
Bauch und Becken 8 — 12 Minuten. Beim Brustkorb kommt
es ciarauf an, ob es sich um die Darstellung der Weichteile
oder Knochen handelt. Im ersteren Fall genügen 1 — 2 Mi-
nuten, wobei aber die Schultergelenke und die Wirbelsäule
in der Lebergegend noch ganz ohne Zeichnung bleiben,
während die Herzgrenzen, die Aorta, die Lungengefäße und
184 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Drüsen sehr deutlich hervortreten. Hier kann man sich
helfen durch den von Beck für Gallensteine angegebenen
Kunstgriff. Man legt 2 — 3 Platten mit der Schicht nach
oben über einander und exponiert lange. Eine der Platten,
die von oben nach unten immer weniger Strahlen erhalten,,
wird die richtige Exposition bekommen haben. In wichtigeren
Fällen ist dies Verfahren überhaupt sehr empfehlenswert
um von vornherein falsche, auf Plattenfehlern beruhende
Schlußfolgerungen zu vermeiden.
Grundsätzlich soll man, wenn irgend angängig, zwei
Aufnahmen in zwei auf einander senkrechten .Rich-
tungen machen. Einmal handelt es sich stets darum, aus-
über einander entworfenen Schattenbildern eine räumliche
Vorstellung von den im Innern des Körpers vorhandenen
Verhältnissen zu gewinnen. Sodann aber kann man bei Auf-
nahmen in nur einer Richtung eine Verletzung sehr leicht
übersehen, weil bei dieser Projektion keine Knochenver-
schiebung sich zeigt. Häufig ist z. B. bei Brüchen des
äußeren Knöchels bei einer Aufnahme von vorne nicht das
Geringste am Knochen zu sehen, während die seitliche Auf-
nahme die Verschiebung eines Bruchstückes nach vorn oder
hinten ganz deutlich ergibt. Werden diese zwei Aufnahmen,
wie es beim Arm oder Unterschenkel angängig ist, noch
neben einander auf dieselbe Platte gebracht, so erhält der
geübte Beobachter auf einen Blick eine räumliche A'or Stellung-
von den vorhandenen Abnormitäten. Diese Methode ist ein-
fach und ersetzt in den meisten Fällen stereoskopische Auf-
nahmen, zu deren exakter Anfertigung viel Mühe und kom-
plizierte Apparate erforderlich sind.
Muß man Platten sparen oder will man sich erst orien-
tieren und ist der Kranke dauernd zur Hand, so mag man
sich zunächst mit einer Aufnahme begnügen und die zweite
gemäß den aus der ersten erhaltenen Direktiven zu gelegener
Zeit folgen lassen. Verweilt jedoch der Kranke hierfür nicht
lange genug am Ort, wie es bei der Untersuchung von Ver-
letzten aus anderen Garnisonen vorkommt, so muß die Unter-
suchung sofort durch die beiden Aufnahmen zu einer voll-
ständigen gemacht werden, auf welche dann ein begründetes-
Gutachten sich stützen kann.
Die Richtung der beiden Aufnahmen in Bezug auf den
Knochen könnte an sich beliebig gewählt werden, wenn sie
. nur auf einander senkrecht stehen, allein da wir vom ana-
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 185
tomischen Standpunkt aus am Knochen immer eine vordere
und hintere, eine laterale und mediale Seite unterscheiden,
empfiehlt es sich im allgemeinen, auch hei der Röntgen-
untersuchung, diese Richtungen aufs genaueste innezuhalten.
Die so erhaltenen Schattenbilder stimmen sowohl mit unseren
anatomischen Erinnerungen wie mit den Abbildungen der
Lehrbücher überein, sind ohne Weiteres mit ihnen vergleich-
bar und vermitteln, wenn geschickt auf derselben Platte
entworfen oder nahe zusammengestellt, eine gute räumliche
Vorstellung, gestatten auch ohne Schwierigkeit eine recht
genaue Bestimmung der Lage von Fremdkörpern, Bruch-
linien u. dergl.
Diese einfache Methode ist allerdings nur bei den Glied-
maßen anwendbar, an welchen ja aber auch Verletzungen am
häufigsten vorkommen. Beim Rumpf mit Schulter- und Hüft-
gelenk ist dies Verfahren nicht mehr möglich. Hier muß
man sich darauf beschränken, eine Aufnahme in Rücken-,
eine in Bauchlage zu machen. Aus der bekannten Ent-
fernung der Strahlenquelle und der wechselnden Größe des
Fremdkörpers kann man auch so noch oft genug seine
Tiefenlage mit genügender Genauigkeit ermitteln.
Sehr zu empfehlen ist es ferner, jedesmal wenn irgend
angängig, die gesunde Seite entweder gleichzeitig aufzu-
nehmen (Hände. Füße) oder in genau derselben Stellung
sofort hinzuzufügen. Hierdurch wird dem Auge die Beur-
teilung namentlich kleinerer Veränderungen außerordentlich
erleichtert, oft ein begründetes Urteil erst möglich.
Müssen zwei gleiche Körperteile nach einander auf-
genommen und auf dieselbe Platte gebracht werden, z. B.
zwei Unterarme, so ist es sehr nützlich, die einmal einregu-
lierte Röhre ganz unbewegt zu lassen, auch durch Hilfs-
apparate, für genau gleiche Lagerung des zweiten Teiles zu
sorgen. Nur auf diese Weise gelingt es, die hier so wichtigen
äußeren Umrisse in einwandfreier, auf beiden Seiten gleich-
mäßiger Weise auf die Platte zu bringen.
Auf ein wichtiges Hilfsmittel bei der Aufnahme von
Gliedmaßen muß noch hingewiesen werden, nämlich die Ent-
fernung des Blutes aus den Geweben nach der Methode
von Esmarch. Wie es, scheint, hat zuerst Schiff1) darauf
1) S. Freund, Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen
1899 Bd. II S. 138.
186 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
hingewiesen, daß die Verdrängung des Blutes durch elastische
Einwickelung und Abschnürimg für Aufnahmen wie auch bei
der Radiotherapie von wesentlicher Bedeutung ist. Stabsarzt
Niehues1), welcher lange Zeit zur chirurgischen Klinik in
Bonn kommandiert war, hat das Verfahren sehr häufig an-
gewendet und namentlich zur klaren Darstellung der inneren
Struktur von Neubildungen sehr bewährt gefunden.
Sehr wichtig ist es, für genügende Ruhigstellung der
aufzunehmenden Körperteile Sorge zu tragen. Durch Schrauben,
Gummibänder, Sandsäcke u. dgl. kann man dem Kranken das
minutenlange Stillhalten sehr erleichtern. Hierzu gehört auch
die Sorge für Ruhe im Zimmer, das Vermeiden lauter Unter-
haltungen und Befragen des Kranken während der Exposition,
wodurch leicht Bewegungen provoziert werden können. Alle
diese vorhergehende Sorgfalt aber belohnt sich in einem
sauberen und korrekten Negativ, nach welchem nicht nur die
Leistungen des Röntgenkabinetts beurteilt, sondern auch dia-
gnostische Entscheidungen getroffen und therapeutische Ent-
schlüsse gefaßt werden.
Es soll nunmehr an den einzelnen Körpergegenden gezeigt
werden, in welcher Weise die Aufnahmen am besten zu machen
sind, um die Untersuchung erschöpfend zu gestalten.
Bei der Aufnahme des Kopfes kommen nur zwei Lagen
in Betracht, auf einer Seite und auf dem Hinterkopf. In der
Seitenlage muß dafür gesorgt werden, daß die Schultererhöhung
durch ein passendes Bänkchen ausgeglichen wird derart, daß
der Kopf auf dem Ohr ohne Verdrehung sicher aufruht. Durch
eine große Schraube am Tischrand und ein an den Rücken ge-
legtes Kissen wird man die Lage des Kranken erleichtern und
sichern. Auch kann man dem Kopf durch lange Holzschrauben,
welche am Rand des Bänkchens befestigt und gegen Stirn und
Hinterhaupt vorgeschoben werden, eine sichere Stütze geben.
Sie verschwinden bei genügend langer Belichtung auf dem Negativ
vollkommen. Dieselben Schrauben kann man anwenden, wenn
der Schädel v on der Stirn her belichtet wird, wobei der Kranke
auf dem stark gewölbten Hinterhaupt nicht sehr sicher auf der
harten Platte aufruht. Man kann jedoch auch zwei Stützen
aus leichtem Elsenholz seitlich gleichmäßig unter den Schädel
schieben und ihn so besser feststellen. Soll aber z. B. eine
D Mündliche Mitteilung.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 187
Kugel in dem vorderen Teil des Schädels näher bestimmt
werden, so legt man den Kranken auf den Bauch und die
Stirn auf die Platte, muß dann aber auch für Unterstützung
durch zwei Klötze entsprechend dem Vorsprung' der Nase
sorgen. Hat man die Lage gut getroffen und die Röhre senk-
recht einreguliert, so erscheint der Nasenboden als Querstrich
und die Muscheln vollkommen im Querschnitt auf der Platte.
Am Halse kann man von vorn in Rüclfenlage die ganze
Wirbelsäule gut auf die Platte bringen, wenn man' das Kinn
erhebt und die Belichtimg etwas schräg stellt. In Seitenlage
kann man die Halswirbelsäule bis zum siebenten Wirbel er-
halten, wenn man folgenden Kunstgriff anwendet: Man stellt
unter Kopf und Hals ein Bänkchen, welches sich gegen die
Wand anlehnt und die Stufe zwischen Schulter und Hals
grade ausfüllt. Giebt man den Füßen des Kranken nun einen
festen Anhalt, an den er sich anstemmen und nach oben
gegen das Bänkchen drücken kann, so wird die Schulter in
genügendem Maße herabgedrängt, um die Wirbelsäule bis zum
siebenten Halswirbel frei zu lassen. Die Platte ist dabei nur
in doppeltes Papier oder eine ähnliche Umhüllung einzuschlagen,
um die Ausnutzung bis zum Rande zu gestatten. Kariöse
Zerstörung des sechsten Halswirbels konnte auf diese Weise
im Garnisonlazarett I Berlin sehr schön zur Anschauung ge-
bracht werden1).
Besondere Verhältnisse erfordern auch entsprechende
Untersuchungsmethoden. In einem Fall2) war ein Stück eines
Stahlmantels des Infanterieeeschosses an der rechten HalS-
^ö v
seite eingedrungen und erschien in Rückenlage dicht oberhalb
des inneren Schlüsselbeinencles. Um die Tiefenlage festzu-
stellen, wurde von einer Trockenplatte ein Streifen von 5 cm
Breite und 30 cm Länge abgeschnitten, durch ein ebensogroßes
Brett gestützt und dem in rechter Seitenlage befindlichen Mann
gegen den Winkel zwischen Hals und Schulter angedrückt.
Die Belichtung fand bei hocherhobenem linkem Arm schräg
durch den Brustkorb von der Gegend der linken Achselhöhle
aus statt und ließ die Tiefenlage des Sprengstückes genau
erkennen.
Handelt es sich um einen Schlüsselbeinbruch, so
genügt häufig weder die Rückenlage, noch die sitzende Stellung
1) Garn.-Laz. I. 1897. No. 85.
2) Garn.-Laz. I. 1897. No. 114. Invalide St.
188 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
mit vorn angelegter Platte. In beiden Fällen werden die
Atembewegungen störend bemerkbar. Es bleibt nur übrig,
den Kranken auf den Bauch und so nahe an den Rand des
Tisches zu legen, daß das Kinn grade drüber hinausragt,
während .die Stirn auf einen andern Tisch aufgestützt wird.
Wegen der näheren Lage der Platte zum Knochen und des
Fehlens der Atembewegungen ergeben sich schärfere Bilder.
Das Schultergelenk kann meistens in Rückenlage
genügend zur Anschauung gebracht werden.
Die Weichteile im Innern des Brustkorbes werden
am besten erhalten in sitzender Stellung des Kranken bei
Belichtung vom Rücken her. Man bedarf hierzu eines be-
sonderen Stuhles mit fester Lehne und daran verstellbarem
Brett von etwa 40 X 50 cm Größe, welches die Platte auf-
nimmt und gegen welches der Kranke sich mit hoch er-
hobenem Kinn fest anlegt. Man erhält hierbei sehr scharfe
und charakteristische Bilder vom Herzen und von den großen
Gefäßen, den Rippen und der Kuppe des Zwerchfells. Da kurze
Belichtungen von einer halben bis einer Minute schon genügen,
kann man im Zustand tiefster Einatmung belichten und nötigen-
falls nach kurzer Unterbrechung noch einmal exponieren.
Von Professor Grunm ach -Berlin wird Aufnahme in halber
rechter Seitenlage empfohlen, wobei die Umrisse der im
.Mittelfell liegenden Gebilde, Luft- und Speiseröhre, große
Gefäße und das Herz von den beschattenden Knochen der
Wirbelsäule losgelöst und gegen das lufthaltige Lungengewebe
projiziert werden, von welchem sie sich deutlich abheben.
Neubildungen, Gefäß- oder Herzerweiterungen, Drüsenver-
kalkungen und ähnliche Zustände können so sehr klar zur
Anschauung gebracht werden.
Handelt es sich um die Bewegungen des Herzens oder
des Zwerchfells, so ist man auf die Beobachtung auf dem
leuchtenden Schirm angewiesen. Es empfiehlt sich, mit recht
ausgeruhten iUigen an diese Feststellung heranzugehen, da
man starke Durch Strahlung braucht und diese, länger aus-
gedehnt, sowohl der Röhre als dem Kranken verderblich
werden kann. Die Beweglichkeit des Zwerchfells, die Größe
und Bewegungen des Herzens, die Umrisse der großen Gefäße,
cbensp manche Zustände der Lungen und des Rippenfells
sind wohl erkennbar. Auch bei seitlicher Durchstrahlung
kann man manchen Aufschluß erhalten. Bei tiefster Ein-
atmung sieht man deutlich hinter und unter dem normalen
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 189
Herzen einen dreieckigen lichten Raum erscheinen, der bei
der Ausatmung durch die näher aneinander rückenden
Schatten des Herzens und des Zwerchfells wieder ver-
schwindet. In Militärlazaretten bietet sich im allgemeinen
nur wenig Gelegenheit, krankhafte Veränderungen im Brust-
korb zu beobachten, da derartige Fälle gewöhnlich zur Ent-
lassung kommen, bevor sie mit X-Strahlen diagnostizierbar
werden. Am leichtesten wird sich noch der Schatten eines
alten pleuritischen Exsudates, Unbeweglichkeit einer Zwerch-
fellshälfte infolge von Verwachsungen, Vergrößerung des
Herzens nach Rheumatismus oder etwa ein Situs trans-
versa finden.
Neubildungen oder vergrößerte Drüsen im Mittelfell-
raum können dieselben Umrisse zeigen wie Vergrößerung der
Gefäße oder einzelner Herzabschnitte und sind aus dem
Röntgenbilde allein nicht zu entscheiden. Man muß alsdann
in der Deutung der Bilder außerordentlich vorsichtig sein
und auch alle übrigen Hilfsmittel der Diagnose gewissenhaft
verwerten. Steht elektrischer Strom in hinreichender Menge
zur Verfügung, so sollte nicht versäumt werden, alle zweifel-
haften Fälle von Lungenerkrankungen sowohl zu röntgo-
graphieren als auch auf dem Schirm zu prüfen. Nach den
Arbeiten von Holzknecht1), Kelsch2), Immelmann3),
Bade4) und anderen ist trotz der Zweifel Hildebrandt 's5)
nicht in Frage zu ziehen, daß Verdichtungen einzelner
Lungenpartien, Drüsenpakete, einseitiges Zurückbleiben des
Zwerchfelles aufgedeckt werden und hierdurch die Diagnose
auf Tuberkulose gestützt oder exakter gestaltet werden kann.
Am Bauch kann es sich um Verletzungen oder Er-
krankungen der Wirbelsäule handeln, die in Rückenlage
meist gut auf der Platte darstellbar ist. Allerdings macht
die durch die Leber gedeckte Partie Schwierigkeiten, die aber
mit Hilfe wiederholter Aufnahmen oder auch durch mehrfach
übereinander gelegte Platten überwunden werden können.
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Ergänzungs-
heft 6.
2) Bulletin de l'Academie de medecine, Sitzung vom 21. Dez. 1897.
3) Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II
S. 142.
4) Ebendas. 1902 Bd. V S. 193.
5) Münchener medizin. Wochenschrift 1901 No. 49.
190 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Sorgfältige Entleerimg der Därme und Aufnahme in nüchternem
Zustand wird die Aufgabe erleichtern. Von einer Schirm-
untersuchung kann höchstens bei Kindern und einem dichten
Fremdkörper (Metallknopf) etwas erwartet werden. Quer-
aufnahmen gelingen auch hier noch bei mageren jugendlichen
Personen. Im Garnisonlazarett I wurde im November 1896
bei einem 11jährigen Knaben sowohl in Rücken- als in
Seitenlage ein Infanteriegeschoß im vierten Lendenwirbel
nachgewiesen.
Für Beckenaufnahmen empfiehlt Freund1) Hoch-
lagerung bis zu 45 °, sodaß die Eingeweide nach oben sinken.
Obgleich Resultate dieser Methode nicht mitgeteilt werden,
mag man in besonderen Fällen immerhin hierauf zurück-
kommen.
Von besonderem Interesse sind die in der GailenblaseT
den Nieren, den Harnleitern und der Harnblase vorkommen-
den Steine, deren bildliche Darstellung lange Zeit den
größten Schwierigkeiten begegnete, weil die mit der Um-
gebung nahezu übereinstimmende Dichte wie auch die Dif-
fusion in den massigen Weichteilen eine Differenzierung un-
möglich machte.
Bei allen diesen Steinen hängt der Grad, in welchem
sie auf der Platte sichtbar werden, außer von ihrer Dichte
noch von der Körperbeschaffenheit des Untersuchten ab. Auf
jeden Fall muß der Darm vorher ordentlich entleert, ferner
eine Röhre genommen werden, welche nicht zu hart, son-
dern gerade noch weich genug ist, um den Körper zu durch-
dringen, und lieber etwas unterexponiert und die Platte
nachher verstärkt werden, weil bei kräftigerer Durch-
strahlung die feinen Schatten leicht verloren gehen. Die
fertige Platte muß alsdann gegen diffuses Licht (Mattglas,
oder besonderen Beleuchtungsapparät) unter Ausschluß seit-
lichen Lichtes aus größerer Entfernung betrachtet werden.
Ratsam ist es, immer große Platten (40 X 50 cm) zu nehmen,
weil dadurch die Orientierung erleichtert und die ganze
Bauchhöhle abgesucht wird, ferner gleich von vornherein
2 — 3 Platten über einander zu legen und ganz gleichmäßig"
zu entwickeln. Dieselben kontrollieren sich gegenseitig und
lassen Plattenfehler sofort als solche erkennen.
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II
S. 137.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 191
Für Blase nst eine ist Rücken- oder Bauchlage zu wählen,
letztere besonders bei Fettleibigen. Oxalatsteine sind am
undurchlässigsten, alsdann folgen Phosphat- und Uratsteine.
Für Nieren- und Ureter st eine ist im allgemeinen die
Rückenlage angebracht, bei sehr starken Personen jedoch
die Bauchlage vorzuziehen1). Zunächst läßt man gründlich
abführen, macht die Aufnahme auf zwei übereinander ge-
legten Platten von 40 X 50 cm Größe bei Erwachsenen und
wählt hierzu eine mittelweiche Röhre. Die Entfernung be-
trage mindestens 50 cm, Bleiblende oder Bleikiste ist sehr
^förderlich, die Exposition soll eher zu kurz sein, um die
zarten Schatten nicht zu überlichten. Es ist besser, die
Platte nach dem Trocknen gründlich mit Sublimat zu ver-
stärken. Schon mit diesen einfachen Maßnahmen gelang der
Nachweis von Steinen aus kohlensaurem Kalk und Tripel-
phosphat3).
Als weiteres Hilfsmittel für derartige Untersuchungen
gab Alb er s- Schönberg3) zunächst eine kastenartige Vor-
richtung an, welche durch Einschaltung von Bleiblenden die
Diffusion von X-Strahlen in den Weichteilen des Bauches
beträchtlich herabsetzte und mittelst fünfmaliger Aufnahme
durch vorgezeichnete Löcher eine systematische Absuchimg
der Nierengegend ermöglichte. Bei weitem wirksamer ist
die neuerdings von demselben Forscher empfohlene Kom-
pressionsblende4). Bei diesem Apparat wird ein Metallrohr
von 9 cm Durchmesser langsam in die Weichteile des Bauches
in gerader oder schräger Richtung hineingeschraubt, die
Masse der Weichteile beiseite gedrängt, den X-Strahlen ein
näherer Weg zu der zu untersuchenden Stelle gebahnt und
gleichzeitig ihre Diffusion in hohem Grade vermindert. Die
günstige Wirkung des Apparates auch zur Darstellung von
Lendenwirbeln ist unverkennbar. In einfacherer Weise läßt
sich ein solcher Apparat durch ein Metallrohr, das mit Blei
ausgekleidet wird, herstellen (Grunmach-Berlin).
Gallensteine sind schwer auf die Platte zubringen, da
1) S. Albers-Schönberg, Fortschritte auf dem Gebiete der
Röntgenstrahlen 1900 Bd. III S. 210.
2) S. die Fälle von Lauenstein, Wagner, Levy-Dorn und
Levy ebendas. 1900 Bd. III S. 211 ff.
3) Ebendas. 1901 Bd. IV S. 118.
4) Ebendas. 1902 Bd. 5 S. 301.
192 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
sie am wenigsten dichte Substanzen enthalten. Nach ihrer
Transparenz ordnen sie sich der Einteilung von Naunyn ein,
wonach gemeine Gallensteine, einfache und geschichtete Chole-
sterinsteine, gemischte und reine Biiirubinkalksteine zu unter-
scheiden sind. Zur Darstellung von Gallensteinen gab Beck1)
die Regel, den Kranken auf den Bauch zu legen, die Schlüssel*-
beingegend unterstützt und die linke Seite leicht gehoben, sodaß
sich die Gallenblasengegend so viel wie möglich hervorwölbt.
Er erhielt gute Resultate bei etwas seitlicher Beleuchtung,
wobei das Lebergewebe nicht in seinem ganzen Durchmesser
durchstrahlt zu werden brauchte, mit einer ziemlich harten
Röhre und unter Anwendung von vier übereinander liegenden
Platten, deren oberste die Lebergrenze stark zeichnete, während
die unterste diese nur andeutete, dagegen ein wahrnehmbares
Bild der Steine ergab.
Beckenauf nahmen sind bei Erwachsenen immer die
unangenehmsten, weil selbst bei bestmöglichem Gelingen die
Bilder infolge der in den reichlichen Weichteilen entstehenden
Strahlungen stets verschwommen und schattenhaft erscheinen.
Aufnahmen sind in Rückenlage und Bauchlage möglich, die
Wahl richtet sich nach dem Sitz der Verletzung oder des
Fremdkörpers, welcher der Platte immer möglichst zu nähern
ist. Weibliche Becken erscheinen wegen der flacheren Form
besser auf der Platte. Verwundungen oder Brüche der großen
Beckenknochen oder des Oberschenkels lassen sich im all-
gemeinen gut darstellen. Am besten bilden sich die an-
geborenen Verrenkungen des Oberschenkels bei Kindern, auch
im Verbände ab. Bei derartigen Aufnahmen muß streng
darauf gesehen werden, daß der Kranke genau auf dem Rücken
und seine Füße zusammengelegt und grade nach aufwärts
liegen, da bei Drehung der Beine sich namentlich der Trochanter
minor sofort anders projiziert, wodurch die Beurteilung der
anatomischen Verhältnisse oder der therapeutischen Erfolge
leicht irregeführt werden kann. Ist das kranke Bein etwa
im Verbände in bestimmter Stellung fixiert, so muß das ge-
sunde ebenfalls aufs genaueste in dieselbe Lage gebracht
werden, um vergleichbare Bilder zu bekommen.
Handelt es sich in der Beckengegend um Tiefenbe-
stimmungen, z. B. eingedrungener Geschosse, so kann die
Aufnahme in Rücken- und in Bauchlage noch zu ziemlich
1) Berliner klinische Wochenschrift 1901 S. 513.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 193
sicheren Resultaten führen. Sind die Dimensionen des Fremd-
körpers bekannt, wie es bei Projektilen wohl meist der Fall
ist, so kann ihre Tiefenlage durch Konstruktion oder Be-
rechnung ermittelt werden.
Am Oberarm sind die Richtungen der beiden normalen
Aufnahmen ohne weiteres bestimmt. In der Regel erfolgt
die Profilaufnahme bei rechtwinklig gebeugtem Unterarm,
Avährend der in die richtige Schulterhöhe des Mannes erhobene
Oberarm auf dem Epiondylus internus aufruht. Die dazu
rechtwinklige Aufnahme ist am sichersten herzustellen, wenn
der Kranke auf den Rücken gelegt und der Arm rechtwinklig
abgespreizt wird, wobei die Hand etwas erhoben und an einer
Schraube befestigt werden muß. Bleibt der Unterarm nämlich
gestreckt, so verhindert das unter den Oberarmknochen sich
schiebende Olecranon ein sicheres Aufliegen.
Das Ellenbogengelenk bietet einer exakten Projektion
wegen der sehr komplizierten Umrisse der beteiligten Knochen
manche Schwierigkeiten, weshalb grade hier die Beobachtung
fester Regeln besonders notwendig und nützlich sich erweist.
Sie werden um so unentbehrlicher, wenn man in zweifelhaften
Fällen genötigt ist, durch Aufnahmen auch der gesunden
Seite Aufklärung sich zu verschaffen. Die beiden Bilder sind
nur vergleichbar, wenn sie in genau derselben Projektion,
Entfernung u. s. w. hergestellt sind. Was zunächst das
Querbild des Ellenbogens betrifft, so erhält man die deutlichste
Zeichnung, wenn die Strahlenquelle sich senkrecht über dem
Condylus ext. befindet, während der Unterarm rechtwinklig ge-
beugt bis zu den Fingern flach aufruht. Dabei muß der ganze
Arm durch Untersetzen von Bänkchen bis zur Schulterhöhe
des Mannes gehoben, der Oberarm an eine -das ganze an den
Tisch befestigende Schraube angelehnt, das Gelenk durch den
Holzwinkel rechtwinklig gestellt und die Lage der Hand durch
eine zwischen die Finger geschobene kleinere Schraube ge-
sichert sein. Diese Stellung hat nichts Ermüdendes und den
Vorteil, daß sie jederzeit an jedem beliebigen Arm in genau
der gleichen Weise sicher wieder erhalten werden kann. Die
Röhre wird so einreguliert, daß die Antikathode 50 cm ober-
halb der Platte sich befindet. Die senkrechte Stellung über
dem Condylus externus kontrolliert nfan durch Visieren aus
größerer Entfernung in zwei auf einander rechtwinkligen
Richtungen. Der Holzwinkel wird entfernt, nachdem er auch
noch zur Regulierung der Plattenränder gedient hat. Platten-
Stecliow,. Das Röntgen -Verfahren, jg
194 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
große 18 X 24 cm, längere Seite am Unterarm, Expositions-
zeit 2 f/2 bis 3 Minuten. Die Aufnahme des gesunden Elllen-
l>ogens wird am besten gleich angeschlossen, wobei man
unter Berücksichtigung der auf der kranken Seite etwa vor-
handenen Schwellung um 20 — 40 Sekunden kürzer exponiert.
Die hierzu senkrechte Aufnahme von der Innenseite her
ist am besten in Rückenlage, zu machen. Will man beide Seiten
vergleichen, so legt man unter die Schultern ein schmales langes
Brett und befestigt die Hände in genau gleicher Stellung an
Schrauben mittelst Gummibändern. Ob beiderseits die gleiche
Stellung erreicht ist, kontrolliert man am besten aus einiger Ent-
fernung vom Kopf her. Die Röhre, um die senkrechte Achse
des Stativs drehbar, kommt zu Häupten des Untersuchten so
in die Mitte zu stehen, daß eine einfache Drehung genügt.
um sie in senkrechter Stellung über das eine und andere
Gelenk zu bringen. Expositionszeit 2 bis 2 1/2 Minuten unter
Abkürzung für die normale Seite. Die ebenfalls 18 X 24 cm
großen Platten nutzt man am besten aus, wenn man den Arm
von einer Ecke in der Diagonale herabsteigen läßt, wobei
man, um Irrungen in der Stellung der Bilder zu vermeiden,
zunächst eine leere Kassette in symmetrischer StellungMinter
das zweite Gelenk schiebt. In allen Fällen ist es ratsam,
zunächst die kranke Seite zu belichten, um hier eventuell die
Befestigungen bald lösen zu können.
Jeder solcher Röntgenaufnahmen der Ellenbogengelenke
hat eine orientierende äußere Untersuchung sowohl des pa-
thologisch-anatomischen Befundes wie der Funktion vorherzu-
gehen. Auch hierüber mögen einige Regeln mitgeteilt werden,
welche sich bei den häufig nur sehr geringfügigen Abweichungen
von der Norm als nützlich erwiesen haben.
Zunächst lasse man den Mann grundsätzlich den ganzen
Oberkörper entkleiden, wobei schon beim Herabhängen der Arme
Verschiedenheiten in der .Haltimg auffallen können. Geht man
zur Betastung des Gelenkes über, so ist klar, daß, wenn der
Mann den Arm selbsttätig hebt, die Muskeln sich spannen
und ein tieferes Eindringen der Finger erschweren. Um die
Muskeln zu erschlaffen und eine vergleichende Untersuchung-
beider Seiten bei verschiedenen Stellungen und Bewegungen
zu ermöglichen, läßt der Untersucher den Kranken beide Hände
in senkrechter Stellung nach vorn strecken und in seine Achsel-
höhlen legen. Indem er sie hier mit den eigenen Oberarmen
festhält, schaltet er die Muskelanspannung' beim Untersuchten
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen» 195
aus, kann mit den Händen gleichzeitig korrespondierende Teile
beider Gelenke abtasten und durch Vor- und Zurückbeugen
des Oberkörpers sie auch bei Bewegungen verfolgen. Hieran
schließt sich die Bestimmung des Umfanges auf beiden Seiten
mit dem Meßband und. des Quer- und Tiefendurchmessers
mit dem Tasterzirkel, beides bei gestrecktem Gelenk.
Nach Feststellung des Befundes folgt die Prüfung der
Exkursionen des Gelenks, wobei es sehr wichtig ist, beide
Seiten gleichmäßig zu berücksichtigen. Auch hier wird ejn
gewisses Schema vor Unterlassungen schützen und eine Ver-
ständigung mit anderen sowie eine A7ergleichung von zeitlich
entfernten Untersuchungen ermöglichen. Man läßt den Mann
vor eine dunkle Wand, Tür oder Vorhang treten, die Arme
bei senkrechter Stellung der Hand wagerecht zur Seite
strecken und betrachtet ihn zunächst aus der Entfernung.
Während der gesunde Arm eine gerade Linie bildet, wird
man am verletzten meist einen Winkel bemerken, den man
recht genau bestimmen # kann, indem man den S. 154
erwähnten Winkelmesser in die Achse des Ober- und
Unterarmes legt. Anlegen an die Ober- oder Unterseite
ergibt schwankende Resultate wegen der Muskelbäuche. Der
gefundene Winkel betrage z.B. 160°, auf ■ der gesunden Seite
180°. Alsdann läßt man den Unterarm gegen den wage-
recht bleibenden Oberarm beugen, wobei die Handflächen
immer senkrecht zu halten sind. Der Winkel der äußersten
Beugung wird auf dieselbe Weise gemessen wie vorher und
sei z. ß. auf der gesunden Seite 35°, auf der kranken 60°.
Nunmehr läßt man die Arme parallel gerade nach vorn
strecken und langsam senken, wobei sich eine Abweichung
nach der Beuge- oder Streckseite ergeben kann, z. B. eine
Ueberstreckung um 10°. Schließlich muß beim Ellenbogen-
gelenk auch noch die Rotation des Radius festgestellt werden.
Um Mitbewegimgen im Schultergelenk auszuschließen muß
der Untersuchte hierzu beide Oberarme gleichmäßig seit-
lich an die Brust legen und die Arme wagerecht nach
vorn strecken. Die Drehung der Hand ergibt (bei gesundem
Handgelenk) die Beweglichkeit des Radius in seinem oberen
Gelenk. Geht man wieder von der senkrechten Mittel-
stellung der Hand aus-,, so kann die Pro- und Supination
für sich gemessen, schließlich der Betrag der gesamten
Rotation ermittelt werden. Das Ergebnis der Untersuchung
bringt man nunmehr in folgendes einfache und übersichtliche
13*
196 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Schema für Untersuchungen der Ellenbogengelenke:
R L
Anne wagerecht ( Streckung bis 1800|1450bis ^
b \ Beugung . „ 35°) „ 60°/
Arme nach vorn Streckung „ 180° „ 190°
Pronation „ 900)lfi00 „ 45 °l „ro
Supination „ 90°jiöU „ 30°/ iö
Umfang gestreckt .... 28 cm 29 cm
Durchmesser nach der Tiefe 6,5 „ 7 „
„ „ „ Quere 7,5 „ 8 „
Viele der anscheinend geringfügigen, zunächst als Kon-
tusionen aufgefaßten Verletzungen des Ellenbogengelenks sind
Einbrüche im Oberarmbein oberhalb der Ulna.
Am Unterarm sind die gewöhnlichen normalen Rich-
tungen Belichtung von der Radialseite bei ganz aufgelegter
Elle imcl senkrecht befestigter Hand und von der Dorsal-
seite bei flach aufgelegter Hand. In diesen Stellungen ist
die Lage der Knochen zu einander eine ganz bestimmte und
stets wiederherstellbare. Es ist daher auch möglich, beide
Unterarme in paralleler Stellung und darum gut vergleichbar
nach einander auf dieselbe Plätte zu bringen. Verletzungen,
Einbrüche, wobei nur eine Seite des Knochens etwas klafft,
werden hierbei leicht erkannt. Von besonderer Wichtigkeit
sind die Verletzungen am unteren Ende besonders des Radius,
da bei der Durchleuchtung in dem schwammigen Gewebe
keine Bruchlinien erkennbar sind. Es kommt häufig nach
einem Fall auf die Hand eine Schwellung vor, welche als
„Kontusion des Handgelenks" aufgefaßt wird und nach
einigen Wochen der Fixierung und Ruhe anscheinend geheilt
ist. Nur eine geringe unbestimmbare Schwellung bleibt
zurück, sowie eine Beschränkung in den Exkursionen des
Handgelenkes, Welche den Arbeiter in zivilen Beschäfti-
gungen nicht hindert, welche aber den davon betroffenen
Soldaten zum Turnen wie den vorgeschriebenen Griffen un-
fähig macht und bald der Beurteilung durch den zuständigen
Sanitätsoffizier zuführt.
Man findet eine mehr oder weniger gut lokalisierbare
Verdickung, welche wieder durch Meßband und Tasterzirkel
festzustellen ist ebenso wie die Maße der gesunden Seite.
Die Funktionsprüfung des Gelenks erfolgt am besten, indem
beide Unterarme unverrückbar so auf ein Bänkchen aufgelegt
werden, daß die Hand frei beweglich über eine Kante herab-
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 197
hängt. Die Exkursionen nach den vier verschiedenen Rich-
tungen1) sowie die Rotation können nun wieder mit dem
Winkelmesser leicht unter Ausgang von der graden ge-
streckten Stellung ermittelt und das Ergebnis der Untersuchung
übersichtlich zusammengestellt werden, z. B. in folgendes
Schema für Untersuchungen der Handgelenke:
R L
Umfang des Handgelenks 19 cm 18 cm
Querdurchmesser ... 6 „ 6 „
Tiefendurchmesser ... 5 „ 4 „
Streckung bis 20° ( 7O0 bis 30° i inn(>
Beugung ,, 50°/ U ,, 70° {
Beugung ulnarwärts . . ,, 30° I „q „ 45 °l ^0
„ radialwärts .. „25°/ „ 25°J
Supination „ 70 Oj150o n 90° \ i«0°
Pronation „ 80o/iOU „ 90° / iöU
Die nunmehr erfolgende Aufnahme wird häufig so wenig
in die Augen lallende Abweichungen ergeben, daß man gut
tut, in solchen Fällen grundsätzlich den anderen Unterarm in
der gleichen Lage parallel daneben auf die Platte zu bringen,
und zwar so sorgfältig, daß nachher auch die Spalten der
Handgelenke genau in gleicher Höhe liegen. Es ist hierbei
außerordentlich wichtig, an der sorgfältig über das Gelenk
einregulierten Röhre nichts zu ändern und alle Apparate durch
Schrauben sicher festzustellen. Das Gleiche gilt von der
hierzu senkrechten Aufnahme, wobei man die genau gleiche
Lage der beiderseitigen Unterarmknochen durch ein in der
Mitte aufgestelltes als Anlage dienendes dünnes Brett sichern
kann. Aus einem mit derartiger Sorgfalt hergestellten
Negativ ist man nun berechtigt, weitgehende Schlüsse selbst
bei anscheinend unbedeutendem Befunde zu ziehen. Ein im
Garnisonlazarett Colmar im Jahre 1900 untersuchter Fall
wird dies des Näheren dartun. Ein Obergefreiter des Fuß-
Artillerie-Regiments No. 14 war von einem Teiephonbaum
3 m hoch auf die linke Hand gefallen und zeigte geringe
Anschwellung in der Gegend des Handgelenks nebst ebenfalls
geringfügigen Ausfallserscheinungen der Bewegungen. Die bei
Belichtung von der Dorsalseite aufgenommenen Unterarm-
1) Gut verwendbar ist hierfür auch ein von Oberstabsarzt
Kimmle für das Garnisonlazarett II Berlin konstruierter Apparat.
198 Das praktische Arbeiten1 mit Röntgenstrahlen.
knochen zeigten keinerlei Bruchlinien, nur bei genauem Ver-
gleichen auf dem verletzten Arm eine in den Umrissen etwas
von der gesunden Seite abweichende Zeichnung des unteren
Speichenendes. Es war ferner die Ausbuchtung der Weichteile
am Griffelfortsatz der Elle an der verletzten Seite etwas mehr
ausgeprägt. Verfolgte man ferner auf der gesunden Seite die
vom Griffeifortsatz der Speiche ausgehende Gelenklinie nach
außen, so verlief sie in gleichmäßigem Zuge bis auf die Ge-
lenkfläche der Elle, sodaß man den Eindruck hatte, eine herab-
rollende Kugel könne ohne Anstoß von der einen auf die andere
Fläche gelangen. Auf der anderen Seite dagegen mußte sie
an die Elle anstoßen, weil deren G-elenkfläche um ein weniges
hervorragte. In der Queraufnahme zeigte sich die nach ab-
wärts zeigende Spitze des Radius etwas verlängert, aber
auch hier keine Spur einer Bruchlinie oder von Kallusbiidung.
Alle diese so äußerst geringen Abweichungen von der nor-
malen Seite wären nicht erkannt oder auf geringe Ver-
schiedenheiten bei der Aufnahme bezogen, wenn eben nicht
mit der peinlichsten Sorgfalt beide Seiten unter gleichen Be-
dingungen projiziert wären. Unter diesen Umständen konnte
eine Zusammenstauchung des unteren Radiusendes mit Sicher-
heit angenommen werden, womit die anderweitig beobachteten
Symptome vollkommen übereinstimmten.
Der Beweis für die Richtigkeit einer solchen Annahme
konnte auf folgende Weise geführt werden. Es stand ein
skelettierter Radius zur Verfügung, dessen unteres Ende
deutlich in vier Stücke zerbrochen und von denen eines mit
Verschiebung wieder an den im Ganzen verdickten Knochen
angeheilt war. Arier deutlich von einander getrennte Facetten
der Gelenkfläche und ein spitzer Vorsprung des einen Stückes
ließen über die stattgehabte Verletzung keinen Zweifel. Dieser
Radius wurde nun zusammen mit einem normalen in ver-
schiedenen Lagen röntgographiert. Das Bild zeigt außer den
abweichenden Umrissen im Innern des Knochens keine Spur
des sicher durch die ganze Substanz gegangenen mehrfachen
Bruches. Dies kann nur darauf beruhen, daß dieser Knochen-
abschnitt nahezu ausschließlich aus gleichmäßig aufgebauter
schwammiger Substanz ohne merkliche Anhäufung von kom-
pakter besteht. Ergibt sich schon bei einem skelettierten
Knochen dieser negative Befund im Röntgenbild, so ist noch
weniger zu erwarten, daß die von Weichteilen bedeckte
schwammige Substanz des lebenden Knochens im Innern Zcr-
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 199'
trümmerungen und Verschiebungen auf der Platte erkennen
lassen wird. Es erhellt aber gleichzeitig die Berechtigung, aus
den oben geschilderten minimalen Aenderungen der Umrisse und
der Lage zum Nebenknochen, auf eine stattgehabte Knochen
Verletzung zu schließen, allerdings nur für den Fall, wenn man
sicher ist, daß die Bilder in absolut identischer Lage aufge-
nommen, daher vergleichbar sind.
Verletzungen der Knochen des Handgelenks,
Brüche sowohl wie Verrenkungen und Fremdkörper, sind
leicht darzustellen, wobei man die Hand sowohl auf der
Volar- als auf der Dorsalfläche aufruhen lassen kann. Auch
(x) uerauf nahmen mit Lagerung auf der Ulnarseite sind einfach
zu machen und häutig von großem Nutzen. Brüche der
einzelnen Handwurzelknochen kommen häufiger bei schweren
Maschinenverletzungen vor, sind aber im Militärlazarett im
allgemeinen recht selten. Daß Schmiz1) im Verlauf von
"20 Monaten bei 27 derartigen im Garnisonlazarett Koblenz
beobachteten 16 mal Brüche bezw. Verrenkungen der Hand-
wurzelknochen nachweisen konnte, ist recht auffallend.
Am einfachsten und brillantesten sind Aufnahmen der
einzelnen Finger. Auch hier sollte nie unterlassen werden,
wenn möglich die gleichen Finger der gesunden Hand in
Aufsicht wie im Profil in derselben Stellung auf die Plätte
zu bringen. Dies läßt sicli ganz gut erreichen, wenn man
eine 18 X 24 cm - Platte halb abdeckt und auf jeder Hälfte
eine Aufnahme macht. Um bei den Profilaufnahmen an clef
Basis der Finger möglichst hoch himaufgehen zu können,
muß man über die Tischkante hinausreichend eine Eisenplatte,
von etwa 30 X 40 cm Größe und 0,3 cm Dicke fest an-
schrauben, die nur in dickes Papier gewickelte Platte bis
zum Rand vorschieben und nun den Kranken die Finger fest
dagegen stemmen lassen. Beim Daumen bedarf die Fest-
legung der normalen Belichtungsebenen einiger Sorgfalt. Läßt
man die Hand einfach auflegen, so erhält man eine etwas
schräge Projektion der Daumenknochen. Es ist erforderlich,
unter die Finger einen 3 — 3,5 cm hohen Klotz zu schieben,
um die richtige Lage der Daumenknochen im Profil zu er-
halten. Die hierzu rechtwinklige Lage der Knochen ein-
schließlich des ersten Mittelhandknochens erreicht man, indem
man den Kranken im Stellen zu beiden Seiten einer Tisch-
1) Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1902 S. 311.
200 Das praktische Arbeiten mit Röntgen strahlen.
ecke die Daumen soweit wie möglich über die photographische
Platte heraufschieben läßt.
Für den Oberschenkel, das Knie und den Unter-
schenkel sind nur wenige Vorsichtsmaßregeln erforderlich.
Die richtige Lage erhält man, wenn der Kranke die Füße
fest gegen ein senkrechtes Brett stützt, wo sie durch ein
Gummiband derart festgehalten werden, daß ihre Berührungs-
fläche auf der Unterlage genau senkrecht steht. Hierdurch
erhält man alle drei Gelenke nebst den umgebenden Knochen
in guter Uebersicht und jedesmal in derselben Lage. Sehr
schön übersichtlich namentlich bei Kindern zeigt sich das
Hüftgelenk mit großem und kleinem Rollhügel. Am Knie-
gelenk verschwindet die Kniescheibe wegen der großen Ent-
fernung von der Platte fast vollständig. Will man sie genauer
erhalten, so muß man die Aufnahme in Bauchlage machen.
Die Unterschenkelknochen sind in ganzer Länge sichtbarr
am Fußgelenk erscheint sehr deutlich der Gelenkspalt und
die das Sprungbein umschließende Zwinge der Knöchel.
.Namentlich am äußeren Knöchel kommen Brüche vor, welche
in einer Richtung keine Verschiebung zeigen, sodaß gerade
hier die zweite Aufnahme besonders notwendig wird.
Die Queraufnahme kann man mit Belichtung von der
Außen- oder Innenseite machen. Die erstere ist sicherer.
weil die flach aufgelegte Innenseite des Fußes die korrekte
Stellung verbürgt. Man muß dabei den Kranken auf die
gesunde Seite legen, ihm eine feste Rückenstütze (Schraube
mit Kissen) geben, das gesunde Bein durch ein Bänkchen
überbrücken und auf diesem ein größeres Brett (50 X 60 cm)
je nach Bedarf befestigen. Handelt es sich um einen frischen
Bruch, bei welchem man die Umlagerang des Kranken ver-
meiden möchte, so kann man beide Aufnahmen ohne Ver-
änderung seiner Lage machen, indem man das Bein gleich
von vornherein auf ein niedriges Bänkchen legt, einmal von
oben belichtet und dann von der Außenseite her gegen eine
zweite Platte projiziert, welche durch einen rechten Winkel
(das Fußbrett) an der Innenseite festgehalten wird.
Am Oberschenkel und zwar an der Vorder-, Innen- und
Außenseite begegnet man ebenso wie am Oberarm und ge-
legentlich am Unterarm den nach irgend einem Trauma wie
Reiten, Bajonettieren u. dergl. entstandenen harten Produkten
verschiedener Entzündungsprozesse, welche unter dem Namen
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 201
Reit- oder Exerzierknochen1) bekannt sind. Dieselben
zeigen bei der Betastung nicht immer scharfe Grenzen, sind
aber für das Gefühl im Ganzen leicht nachweisbar. Bei der
Durchstrahlung hat man immer eine möglichst weiche Röhre
zu nehmen, welche für die Dicke des Körperteiles noch
gerade ausreicht. Nur mit solchen kann man die in der
Dichte von den umgebenden Weichteilen nur wenig ver-
schiedenen Neubildungen in genügender Deutlichkeit auf die
Platte bringen. Sie zeigen meist ein unregelmäßig geflecktes
Aussehen. Auch trotz aller Mühe wird man sich häufig mit
schattenhaften, verlaufenden Umrissen begnügen müssen. Man
unterlasse nicht die Aufnahmen in zwei Richtungen, da man
hierdurch Aufschluß über die Verbindung der Neubildung
mit dem Knochen erhalten kann.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß bei Querauf-
nahmen des Knies in etwa 8 pCt. aller Fälle hinter dem
Gelenk ein Schatten erscheint, dessen Natur vielfach unbe-
kannt ist und zu falschen- Deutungen als Fremdkörper Anlaß
gegeben hat. Wiederholt ist dieser Befund auch als neu ent-
deckter Knochen beschrieben worden. Es handelt sich um ein
Sesambein, welches im äußeren Kopf des M. gastrocnemius
sich in 1/6 bis 1/1Q aller Fälle findet2).
Das Fußgelenk und der Fuß sind von eminenter
Wichtigkeit für den militärischen Dienst. Die hier vor-
kommenden Verletzungen und Abnormitäten sind mannigfaltig
und bedürfen sorgsamer Untersuchung. Wegen der Vielge-
staltigkeit der wenig verschieblichen eng an einander gelagerten
Knochen sind auch hier wieder ganz bestimmte Grundsätze
für die Aufnahme erforderlich, wenn zu beliebiger Zeit Bilder
gewonnen werden sollen, welche direkt vergleichbar sind.
Am besten ist es auch hier, zur Vergleichung die ge-
1) Salm an, Klin. und anatom. Beiträge zur Myositis ossificans.
Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1898 S. 65. — Knaak, Die subkutanen
Verletzungen der Muskeln. Veröffentl. aus dem Gebiete des Militär-
sanitätswesens Heft 16, 1900. — Schmiz, Beitrag zur Myositis ossi-
ficans traumatica. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1901 S. 581.
2) Vergl. Pfitzner, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen-
strahlen 1900 Bd. IV S. 59. «— Derselbe in: Morphologische Arbeiten
1892 Bd. 1 S. 578, Ueber Sesambeine der Hand s. G. Thilenius,
Morphologische Arbeiten 1896 Bd. 5 S. 309.
202 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Sunde Seite mit zu photographicren. Dies ist am leichtesten
ausführbar bei der Projektion der Füße von oben. Die sym-
metrische Stellung wird gesichert, indem das S. 153 er-
wähnte Fußbrett an der Tischkante festgeschraubt wird. Der
Mann sitzt auf dem Tisch auf einem Stuhl, lehnt die
Hacken und die Waden gegen das senkrechte Brett und
hat die inneren Fußränder in ganzer Ausdehnung an ein-
ander zu legen, wobei die Berühr ungslinie gerade nach vorn
verlaufen muß. Die Kniee sind durch einen Lederriemen
leicht zusammengedrückt. Die Röhre kommt in 50 cm Ent-
fernung von der Platte senkrecht über die Zehen zu stehen,
Exposition bis 2 Minuten. Da wegen der nach hinten rasch
ansteigenden Dicke der Füße die vorderen Teile hierbei leicht
übeiiichtet werden, kann man nach einer Minute dieselben
durch eine vorsichtig hin- und herbewegte Bleiplatte abblenden.
Man erhält auf diese Weise deutliche bis zum Hackeu-
bein reichende Bilder, welche außer über Verletzungen schon
guten Aufschluß über den Bau des Fußgewölbes geben. Man
erkennt deutlich das mehr oder minder starke Hervortreten
des Kahnbeins an der Innenseite und den Verlauf des inneren
Randes der Knochen. Bei normalem Bau bilden die inneren
Knochenräncler eine gebrochene Linie, welche mit der der
anderen Seite einen deutlichen Rhombus einschließt, dessen
Längs- und Querdiagonale bei Erwachsenen etwa die Ab-
messungen 11:4 cm zeigen. Sinkt das Fußgewölbe ein, so
springt das Kahnbein mehr hervor, die innere Randlinie der
Knochen flacht sich mehr und mehr ab und der erwähnte
Rhombus wird schmaler, spaltförmiger.
Von Verletzungen interessieren hier am meisten die
vielberufenen Brüche der Mittelfußknochen, über welche
weiter unten Genaueres mitgeteilt wird.
Die Profilaufnahmen des Fußes lassen zwar in jeder
Lage die Diagnose grober Verletzungen zu. Feinere jedoch
sowie die Beurteilung des Fußgewölbes erfordern besondere Maß-
nahmen, um unter den bei verschiedener Projektion in den Um-'
rissen stark wechselnden Knochenschatten sich zu orientieren.
Auf die klare, in die Augen springende Darstellung des Fuß-
gewölbes sollte man in jedem Falle besonders halten, da es
für die Leistungsfähigkeit namentlich des Infanteristen Von
weittragendster Bedeutung ist. Dies läßt sich nun mit Hilfe
des S. 155 beschriebenen Fußklotzes mit Bleistreifen stets
einfach und sicher erreichen. Man befestigt das rechtwinklige
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 203
Fußbrett auf dem Tisch, legt den Fußklotz in den Winkel, läßt
den Mann auf einem Stuhl so sitzen, daß der Fuß auf dem
Klotz steht und die Innenseite des senkrecht stehenden Unter-
schenkels an das senkrechte Brett sich anlegt. Diese Lage
sichert man durch eine am Stuhl angebrachte Schraube,
welche dem Oberschenkel Anlage gewährt. Nunmehr reguliert
man die Stellung der Röhre nach dem wagerechten und senk-
rechten Bleistreifen ein (dies läßt sich nach einiger Uebung
auch ohne leuchtenden Schirm durch Visieren mit dem Auge
sicher erreichen), sorgt dafür, daß die vordere Schienbeinkante
mit dem senkrechten Bleistreifen zusammenfällt, schiebt die
Platte (24 X 30 cm) in den Falz an der Innenseite des Fuß-
klotzes und exponiert bei 5 0 cm Entfernung 2 bis 3 Minuten. Diese
durch einfache Merkmale gesicherte Lage ergibt nun Bilder,
welche mit überraschender Deutlichkeit sowohl Verletzungen
wie den Bau des Fußes erkennen lassen. Der als schwarzer
Strich erscheinende Bleistreifen dient als Richtungslinie. Bei
normalen Füßen steigt die Ünterkante des Hackenbeines steil im
Winkel von .30 ° bis 35 ° nach vorn auf, woran sich dann
das weitere Fußgewölbe mit den Sesambeinen des Großzehen-
gelenks endend anschließt. Die Flöhe dieses Gewölbes beträgt
im Durchschnitt etwa 3 cm über der Unterlage. Je mehr
der Fuß einsinkt, zum Plattfuß wird, desto flacher wird das
Gewölbe. Dies macht sich mit größter Klarheit am Calca-
neus bemerkbar, der Winkel zwischen seiner unteren Kante
und dem Bilde der Bleiplatte wird kleiner, bei stärkeren
Plattfüßen liegen beide parallel, ja das vordere Ende kann
der Unterlage näher stehen als das hintere.
Es muß hier etwas genauer auf ein Leiden eingegangen
werden, welches jedem Sanitätsoffizier genügend bekannt ist,
welches indessen erst im Laufe der Röntgenära mehr Würdigung
und Aufklärung gefunden hat. Das als Fußgeschwulst,
Fußödem. Marschgeschwulst, Pied force, aecroissement du pied
bezeichnete Krankheitsbild ist in seinen äußeren Umrissen
bekannt, seit der Oberstabsarzt Breithaupt1) in Koblenz
zuerst im Jahre 1855 die Aufmerksamkeit darauf lenkte.
Da hier keine klinische Darstellung gegeben werden kann,
mag es genügen zu sagen, daß Breithaupt das Leiden als
eine Entzündung der Sehnenscheiden und des tiefer gelegenen
Bänderapparates, ausgehend von den Gelenkverbindungen
1) Medizin. Zeitung 1855 No. 36 und 37.
204 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
zwischen den Zehen und Metatarsalknochen besonders der
dritten und vierten Zehe auffaßte. Erst 22 Jahre später folgt
eine weitere Besprechung der Krankheit durch Stabsarzt Weis-
bach1), welcher den Sitz des Schmerzes mehr an der Dorsal-
seite des Fußblattes an den Strecksehnen der mittleren Zehen
fand und namentlich die Schmerzhaftigkeit beim raschen Auf-
heben und Beugen der Zehen betonte. Mit der von ihm ge-
wählten Bezeichnung und Auffassung des Leidens als Syndes-
mitis metatarsea fand sich in Deutschland eine ganze
Generation ' von Militärärzten ab. In Frankreich machte
Pauzat2) 1887, Poulet3) 1888 auf typische Knochenver-
dickungen bei ausgesprochenen derartigen Fällen aufmerksam.
Der erstere faßte die Krankheit als Periostite osteoplasiquo
des metatarsiens ä ia suite des marches auf, der zweite als
Osteoperiostite rhumatismale des metatarsiens. Auch Martin4)
1891 bezeichnet sie als Inflammation periosto-arthritique du
pied ä la suite des marches. Oberstabsarzt Rittershausen5)
fand, daß die Schmerzhaftigkeit auf die einzelnen Metatarsal-
knochen beschränkt ist und daß man hier Verdickungen
fühlen kann. Dies führte ihn zu der Annahme einer Knochen-
entzündung. Dieser in Deutschland erste öffentliche Hinweis
-■:->
auf eine Beteiligung der Knochen an dem Krankheitsbilde
wurde wenig bekannt und man kann getrost behaupten, daß
beim Beginn der Röntgenära die große Mehrzahl aller
Sanitätsoffiziere noch vollkommen von der Vorstellung be-
herrscht war, es handle sich um einen vorwiegend im Band-
apparat verlaufenden Prozeß. Um so größer war das Er-
staunen als in einem Falle von „chronischem Fußleiden"
Anfang Juli 1897 im Garnisonlazarett I Berlin6) mittels der
Röntgenaufnahme ein unzweifelhafter Knochenbruch gefunden
und dieselbe Verletzung sofort in zwei ähnlichen Fällen fest-
gestellt wurde. Schon damals unterschied ich zwei Befunde,
spindelförmige \rerdickungen des ganzen Mittelstückes, welche
die Form des Knochens nicht wesentlich verändern und welche
1) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1877 Heft 12.
2) Archives de medecine et de pharmacie militaires 1887 Bd. 10
S. 337.
3) Ebendas. 1888 Bd. 12 S. 245.
4) Ebendas. 1891 Bd. 18 S. 336.
5) Militär-Wochenblatt 1894 No. 75.
6) Stech ow, Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1897 S. 466.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 205
als von den Weichteilen auf die Knochenhaut fortgeleitete
Entzündungen gedeutet wurden; ferner knollige dem Knochen
aufsitzende Verdickungen mit oder ohne erkennbare Bruch-
linien und Knochenverschiebung. Auch ohne den letzteren
Befund mußte hierin stets ein Knochenbruch mit Kallusbildung
erblickt werden. Ich hielt damals unter dem Eindruck dieser
Befunde es für notwendig, zunächst jeden Fall von Fuß-
geschwulst auch mit Röntgenstrahlen zu untersuchen, um vor
allem erst einmal festzustellen, in wieviel Fällen ein Knochen-
bruch zu Grunde liegt imd um Anhaltspunkte zu gewinnen, welche
eine derartige Diagnose auch ohne Röntgenapparat ermöglichen.
Ein Jahr später konnte ich1) in der 8. Sektion für
Militärhygiene des IX. internationalen Kongresses für Hygiene
und Demographie zu Madrid über 35 Fälle von Verletzungen
und Abnormitäten der Mittelfußknochen berichten, von welchen
34 der äußeren Diagnose „Fußgeschwulst" zugehörten. Ich
erklärte das Zustandekommen des Bruches bei anscheinend
geringer Gewalteinwirkung' (von 34 Verletzten konnten 9 über
die Veranlassung keine Angabe machen) durch einen von
vorn kommenden Stoß, wie er beim Sprung aber auch durch.
Anstoßen an einen Stein, gefrorene Wagenspur oder dergl.
während des Marschierens bei ungünstiger Stellung des Fußes
namentlich bei üebermüdung des Körpers vorkommt, wodurch
die natürliche Krümmung des Knochens über die Elastizitäts-
grenze hinaus vermehrt wird. Bricht der Knochen, so reißt
er zuerst an der konvexen Oberseite ein, womit die schon von
Weisbach hervorgehobene besondere Schmerzhaftigkeit auf
der Dorsalseite gut übereinstimmt. Soweit die damals vorläufig
gewonnene Uebersicht erkennen ließ, lag bei der gewöhnlich im
Revier gestellten Diagnose „Fußödem" in etwa einem Dritteil
der Fälle eine nachweisbare Knochenverletzung vor. Ueber
den klinischen Verlauf dieser Fälle konnte nichts berichtet
werden, da die Kranken aus den verschiedensten Regimentern
und Garnisonen nur auf kurze Zeit zur Röntgenuntersuchung
gebracht wurden. Auch über das endgültige Resultat der
Behandlung (Heilung — Entlassung) konnte erst später etwas
in Erfahrung gebracht werden. Die Röntgen Station war ohne
unmittelbaren Einfluß auf die Entschließungen der Truppenärzte.
Seit dieser Zeit hat die Frage nach der Natur der der
1) Brüche der Mittelfaßknochen, eine häufige Ursache von Fuß-
ödem. Madrid 10.— 17. April 1898.
206 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen-.
Fußgesch willst zu Grunde liegenden- anatomischen Läsion
nicht geruht und jedes Jahr hat Veröffentlichungen gebracht,
weiche die Sache weiter geklärt haben.
Zunächst berichtete im selben Jahre, 1897, in welchen
die ersten Mitteilungen aus dem Garnisonlazarett I Berlin er-
folgten, der Oberstabsarzt Schulte1), daß er vom 1. 4. 94
bis Ende Oktober 96 gegen hundert Fälle von Fußgeschwulst
beobachtet habe und zu der Ueberzeugung gekommen sei,
daß stets eine Störung des Zusammenhanges der Knochen -
snbstanz an einem der drei mittleren Mittelfußknochen, und
zwar ein Knickbruch oder eine vollkommene Fraktur vor-
liege... Er berichtete genauer nur über 59 Fälle, welche er
in zwei Klassen einteilte. In der ersten Reihe (53 Fälle)
bestand typischer fixer Druckschmerz, Schwellung, später
Bildung eines Knochenringes meist im mittleren Dritteil.
dessen Dicke nach dem Abtasten auf 2 — 3 mm geschätzt
wurde. Es war 33mal der zweite Mittelfußknochen, 18 mal
der dritte, 2 mal der vierte betroffen. Die erste Röntgen-
photographie wurde am 19. Oktober 1896 gemacht und zeigte
einen typischen Kallns. Ein Mann wurde invalide wegen
einer 3 cm langen Knochenauflagerang, welche beim Auftreten
Druckschmerz verursachte.
Die zweite Gruppe (6 Fälle) zeichnete sich dadurch
aus, daß neben den Symptomen der ersten Gruppe noch
charakteristische Bruchanzeichen, abnorme Beweglichkeit, Kre-
pitation vorhanden waren. Niemals sind jedoch Blutanstritte
erwähnt. Der Verlauf war derselbe wie bei der ersten Reihe
von Fällen und hiernach wurde als wahrscheinlich angenommen,
daß auch dort die gleiche Ursache, nämlich eine Knochen-
verletzung zu Grunde liege.
Interessant ist der Verlauf eines Falles der zweiten
Gruppe mit deutlicher Krepitation. Da die Kallusbildung
sich verzögerte, ließ man den Mann aufstehen und umher-
gehen. Die Knochenbildung erfolgte nunmehr derartig massen-
haft, daß die anstoßenden Zwischenknochenräume völlig aus-
gefüllt und das Tragen des Schuhzeugs behindert wurde.
Der Mann wurde dienstunfähig.
Nach Schulte sind alle Fälle, in welchen eine kailöse
Knochenauftreibung zustande kommt, als Bruch aufzufassen,
welchen er sich durch Ueb erstreckung der leicht gebogenen
1) Langenbeck's Archiv für klin. Chirurgie 1897 Bd. 55 S. 872.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 207
Mittelfußknochen entstanden dachte. Gegenüber Körting1)
betonte er, daß mehr normalgebaute Füße als solche mit
platten Sohlen erkranken. Nur in einer sehr geringen Anzahl
von Fällen wurden Röntgenaufnahmen gemacht, welche die
anderweitig gestellte Diagnose bestätigten.
Sodann berichtete Oberstabsarzt A.Kirchner2), daß er
bis zum Jahre 1887 die Erkrankung ebenfalls für eine
Bänderentzündung angesehen, seit dem Jahre 1888 aber drei
beobachtete Knochenverdickimgen als Knochenbrüche be-
trachtet, eine Reihe anderer Fälle jedoch teils als An-
schwellung des Mittelfußes, teils als Bänderentzündung be-
zeichnet habe. Seit dem Jahre 1894 aber konnte er in
jedem ihm zur Beobachtung kommenden Fall von Fußge-
schwulst einen Mittelfnßknochenbruch bezw. eine von einem
solchen herrührende Knochenverdickung feststellen, „ohne
hierzu der Röntgenstrahlen zu bedürfen" (sie wurden erst
Ende 1895 entdeckt). Diese Ansicht bedeutet eine unerklär-
liche Unterschätzung der, Wichtigkeit der neuen Unter-
suchungsmethode. War die Vermutung, daß der Knochen
beteiligt sei, schon vorhanden, hatte hier und da der Ge-
danke schon Eingang gefunden, daß in manchen oder sogar
in allen Fällen von Fußgeschwulst ein Knochenbruch vor-
liege, so war dies doch zunächst noch jedesmal erst ein-
wandfrei zu beweisen, und hierzu war das neue Hilfsmitte
der X-Strahlen geradezu unschätzbar. Kein späterer Beob-
1) Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1893 S. 404.
2) Ueber das Wesen der sogen. Fußgeschwulst (Bruch der Mittel-
fußknochen durch indirekte Gewalt). Wiesbaden, J. F. Bergmann 1898.
— Die Fußgeschwulst, in der 30. Abteilung der 70. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte zu Düsseldorf am 19. 9. 1898 er-
stattetes Referat in Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1899 S. 79. — Wenn
auch sehr bedauerlich, so ist es jedenfalls Tatsache, dass von dieser
seiner neuen Auffassung des Leidens vor dem Jahre 1898 nichts in die
Oeffentlichkeit gelangt ist. Weder über die im Jahre 1894 auf der
Station und im Rapport als Bruch der Mittelfußknochen geführten
17 Fälle noch über die im Stationsbericht 1894/95 gegebenen genauen
Erläuterungen noch auch über den im Dezember 1894 in der militär-
ärztlichen Gesellschaft zu Hannover gehaltenen Vortrag war etwas in
weiteren als den zunächst dienstlich beteiligten Kreisen bekannt ge-
worden. Vergl. ferner die Sanitätsberichte für 1896 S. 125, 1897 S. 125,
1898 S. 127.
208 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
achter hat sich daher wie A. Kirchner damit begnügt, seine
auf anderem Wege gewonnene Meinung nur durch einige
Aufnahmen „gewissermaßen für ungläubige Seelen" ergänzen
zu lassen, ohne daß er hierdurch neue Aufklärung erhalten
hätte, vielmehr sind eine ganze Reihe weiterer Unter-
suchungen mit X-Strahlen gefolgt, welche bisher schon einen
erheblichen Fortschritt in der Erkenntnis des Leidens be-
wirkt haben.
In Frankreich hatte Busquet1) die mit dem Knochen
zusammenhängende Natur des Prozesses ebenfalls erkannt
und ihn als Periostitis aufgefaßt, von der er drei Arten
unterschied, eine direkte traumatische, veranlaßt durch
wiederholte Insulte der Knochen durch die Falte des Ober-
leders; eine indirekte traumatische, hervorgerufen durch
Zerrungen oder Einrisse der Bänder an ihrer Ansatzstelle an
der Knochenhaut infolge von Verletzung oder Uebermüdung;
ferner eine auf Diathese beruhende. Die Beteiligung des
Knochens hielt er für ganz untergeordneter Natur, obwohl
er zwei Fälle von Pfihl und Valence erwähnt, in denen
diese Autoren bei der Operation „den Knochen etwas ver-
dickt, das Knochengewebe runzlig" und „eine kleine zer-
reibliche Exostose" vorfanden, während das Periost selber
ganz gesund erschien.
Infolge meiner Mitteilungen auf dem Kongreß in Madrid
untersuchten zwei französische Militärärzte, Boisson und
Chapotot2) eine Anzahl Fälle bei Infanteristen und ge-
langten zu der Ansicht, daß es zwei verschiedene Reihen von
Erkrankungen des Mittelfußes gäbe. Einmal kommen Brüche
vor mit fixem Druckschmerz und häufig Krepitation, welche
dadurch entstehen, daß bei Ermüdung die Muskeln, welche
das Fußgewölbe in der Quere zusammenhalten, nachlassen, der
ziemlich bewegliche erste Mittelfußknochen nach oben aus-
weicht und nun dem folgenden schwächeren das Abwickeln
der Sohle und Ueberwinden von Unebenheiten zufällt. Sie
brechen dabei infolge Hebelwirkung durch Ueberstreckung.
Ferner kommen unter denselben Verhältnissen, wenn die
Knochen selbst Widerstand leisten, Entzündungen des Band-
und Gelenkapparates an beiden Enden der mittleren Mittel-
1) Revue de Chirurgie 1897 S. 1065. ■
2) Le pied force. Archives de med. et de pharm, militaires 1899
Bd. 33 S. 81.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 209
fußknochen vor, von denen namentlich der zweite an seinem
hinteren Ende fest eingekeilt ist und nicht nachgeben kann.
Auch Nimier1) glaubte das Zustandekommen eines kom-
pletten oder inkompletten Bruches nur möglich bei nachge-
wiesener größerer Gewalteinwirkung wie Sprung, Fehltritt
oder .dergl., während er in anderen Fällen nur eine Ver-
stauchung, also eine Affektion der Weichteile für annehm-
bar hielt.
Oberstabsarzt a. D. Rittershausen2) erklärte sich,
soweit das aus seinen hierauf bezüglichen Ausführungen zu
entnehmen ist, für das Zustandekommen des Bruches durch
vermehrte Streckung der Mittelfußknochen, war übrigens
anscheinend der Ansicht, daß nicht allen Fällen von Fußge-
schwulst Brüche zu Grunde liegen.
Oberstabsarzt Thiele3) war der Meinung, daß bei der
Fußgeschwulst immer ein Bruch oder wenigstens eine In-
fraktion eines Mittelfußknochens vorhanden sei.
Muskat4) kam nach , sehr gründlicher Erörterung der
statischen und Belastungsverhältnisse des Fußes zu der Ueber-
zeugung, daß das Ueberwiegen dieser Mittelfuß bräche beim
Soldaten auf besondere Eigentümlichkeiten der militärischen
Hebungen und zwar auf langes Stillstehen, Marschieren im
Tritt und den Parademarsch zurückzuführen sei. Allein
bei letzterer Uebung kommt die Verletzung durchaus nicht
besonders häufig vor und der Soldat marschiert draußen
durchaus nicht in der vom langsamen Schritt her bekannten
steifen Form, sondern gerade, wenn er auf der Landstraße in
der Kolonne ohne weiteren Zwang sich fortbewegt oder aber
über das Feld vorläuft, wie er will, treten die meisten der-
artigen Verletzungen ein.
Eine große Anzahl guter Röntgenbilder hierher gehöriger
Fälle veröffentlichte Stabsarzt M eis er5). Er unterschied sehr
genau einen Knochenbruch, der sich durch Verschiebung u. s, w.,
1) Archives de med. et de pharm, mil. 1898 Bd. 31 S. 392.
2) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1899 S. 18.
3) Deutsche med. Wochenschrift 1899 No. 10; Deutsche militär-
ärztliche Zeitschrift 1900 S. 129.
4) Sammlung ldin. Vorträge begründet von Richard Volkmann
1899 No. 258.
5) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1901 Bd. 4
S. 105.
Steehow, Das Röntgen -Verfahren. ^
210 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
jedenfalls aber durch einen massigen, klumpigen Kallus
zu erkennen gibt, und schlanke Verdickungen des Mittel-
stückes, welche er auf 'Periostitis zurückführt. Die Ent-
stehung des Bruches erklärte er ganz entschieden durch
Ueberspannung des normal vorhandenen Bogens, also durch
übermäßige Zusammenbiegung des Knochens, wobei der
erste Einriß von der oberen konvexen Seite her erfolgt.
Oberarzt Thalwitzer1) war dagegen überzeugt, daß in
den meisten Fällen von Fußgeschwulst Bruch des Knochens
fehle und nur durch Ueberanstrengung der M. interossei bei
lang fortgesetztem Marschieren eine traumatische Periostitis
der Mittelfußknochen entstünde. Er bezieht hierauf die lang-
gestreckten Knochenschatten des Mittelstückes, während die
eigentlichen Frakturen immer Bruchlinien, Dislokation und
später dicken Kallus zeigen sollen. Der Entstehung nach
hält er die Fraktur für eine direkte.
Stabsarzt Blech er2) fand ebenfalls unzweifelhafte Fälle
von Knochenbruch nur in 1/3 der Fälle, in den übrigen nimmt
er eine Knochenhautentzündung an, welche den feinen spindel-
förmigen Schatten um die Diaphyse verursacht. Er sieht in
diesen beiden Veränderungen keine wesentlichen, sondern nur
gradweise Unterschiede, bedingt durch die Verschiedenheit der
Stärke der Gewalteinwirkung und der Festigkeit des Knochens,
und erklärt die Entstehung der Fußgeschwulst durch eine
abnorme Belastung der mittleren, normalerweise nicht be-
lasteten Mittelfußknochen. Die für gewöhnlich den Boden nicht
berührenden Köpfchen der Mittelfußknochen sinken herab, wenn
infolge von Ermüdung die durch die Muskeln unterhaltene Quer-
spannung dieses Gewölbes nachläßt. Der Bruch kann in diesem
Augenblick entweder sofort beim Erheben der Ferse oder beim
darauf folgenden Abstoßen des Fußes eintreten. Ist der
Knochen selbst den Anforderungen gewachsen, so kommt es
durch den stets wiederholten Stoß, die Erschütterung und
den Druck auf das Köpfchen zu einer Entzündung der
Knochenhaut. Hiernach soll also der Bruch auch durch
Ueb erstreckung des Knochens zustande kommen.
Ueber tadellose Heilung eines dreifachen Bruches be-
richtete Stabsarzt Schmitz3). Aehnliche Fälle aus der
1) Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1902 S. 435.
2) Ebendas. 1902 S. 321 und 1903 S. 3.
3) Ebendas. 1902 S. 199.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 211
zivilen Bevölkerung veröffentlichten Scliipmann1) und
Muskat2).
Aus den gemachten Angaben erhellt, daß die Frage
betr. Wesen und Entstehung der Fußgeschwulst von vielen
Seiten in Angriff genommen, aber doch noch nicht in allen
Punkten vollkommen geklärt ist. Noch nicht sicher gestellt
ist die Art der Entstehung, ob durch Ueberst reckung oder
Ueberbeugung oder auf beide Arten, ferner die Frage, ob
jedem Fall von entzündlicher Schwellung in der Gegend des
Mittelfußes tatsächlich eine Verletzung des Knochens oder der
Knochenhaut zu Grunde liegt, oder ob auch einfache Er-
krankungen der ßandapparate vorkommen. Sodann bedarf das
spätere Verhalten des Kallus genauerer Aufklärung namentlich
nach der Richtung, in welchem Zusammenhange er mit der
schmalen Verdickung des Schaftes steht und welche Ver-
änderungen er im Lauf der Zeit eingeht.
Hier weitere Aufklärung, Trennung der verschiedenen
noch häufig verwechselten , Erkrankungen zu erzielen und die
Möglichkeit der Frühdiagnose ohne Röntgenapparat zu schaffen,
ist eine immerhin dankbare Aufgabe der militärischen Röntgen-
kabinette. Für die Untersuchung ist zunächst zu betonen,
daß Durchleuchtungen nur in den gröbsten Fällen genügen
werden, es , also besser ist, hiermit keine Zeit zu verlieren.
Die genaue äußere Untersuchung nimmt man, nachdem
durch Antreten des Mannes mit parallelgestellten Füßen eine
Uebersicht gewonnen ist, am besten so vor, daß man den
kranken Fuß des sitzenden Patienten auf den Schoß nimmt und
nun jeden Mittelfußknochen sorgsam abtastet, indem man den
Daumen an die Sohle, die übrigen Finger an den Fußrücken legt.
So gelingt es am besten jeden Knochen einzeln zu verfolgen
und. Verdickungen sowie fixe Druckpunkte aufzufinden. Man
wird erstaunt sein, wie leicht ein Verzählen bei der Bestim-
mung des eigentlich schmerzhaften Knochens vorkommt.
Die Aufnahmen sind an sich ohne Schwierigkeit, müssen je-
doch stets in derselben Stellung (am besten sitzend, Belichtung
von oben) und von beiden Füßen zugleich gemacht werden.
Auf den Bildern lassen sich vier verschiedene Befunde unter-
scheiden. 1. Deutliche Knochenbrüche mit Spalten, Splittern
oder Verschiebungen, in. der ersten Zeit ohne erkennbaren
1) Deutsche med. Wochenschrift 1899 S. 319.
2) Volkmann'sche Hefte No. 258.
14*
212 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Kallus. 2. Dicker rundlicher, den Knochen, wie die Aus-
wüchse einer Birke umfassender Kallusschatten. Auch
bei diesem Befund besteht über den vorhandenen oder
vorhanden gewesenen Knochenbruch kein Zweifel, selbst
wenn im übrigen weder Bruchlinien noch Verschiebung zu
sehen sind. 3. Ein ähnlicher Schatten, der zwar nicht
ganz rund ist, aber durch seine Massenhaftigkeit, unregel-
mäßig-klumpige Gestalt und Dichte sich ebenfalls als echter
Kallusschatten erweist. Diese Form mag namentlich bei
Schrägbrüchen mit besonderer Verschiebung (Abhebung einer
Seite) zustande kommen. 4. Feine Verdickungen des Mittel-
stückes, welche den Knochenumriß meist in ganzer Länge
begleiten1) Da andere Abweichungen fehlen, bleibt man im
Ungewissen, was hier ursprünglich vorgelegen hat, zumal die
Leute über das Vorhandensein meist garnichts wissen und somit
auch über die Entstehung keine Angaben machen können.
Daß man diese zarten Verdickungen bei der Untersuchung
mit der Hand fühlt, ist ausgeschlossen, sie sind wohl stets
ein zufälliger Befund.
Da bei den Fußaufnahmen die besondere Schwierigkeit
besteht, daß man sie nicht in der Querrichtung zur
Aufhellung des räumlichen Verhaltens des Knochens wieder-
holen kann, so dürfte gerade hier ein dankbares Feld für
stereoskopische Aufnahmen sein. Verfügt man überhaupt
über derartige Apparate, so sind die Aufnahmen an dem ver-
hältnismäßig dünnen Körperteil leicht und ohne viel Zeit-
aufwand herzustellen. Eine Platte 18x24 cm und unmittel-
bare Betrachtung der darauf neben einander liegenden Negative
werden genügen. Allerdings wird man sich für diesen
Zweck eine besondere kleine Wechselkassette mit Bleiblende
1) A. Kirchner erklärt in seinem Vortrage auf der 70. Versamm-
lung deutscher Naturforscher und Aerzte (Dtsch. militärärztl. Zeitschr.
1899 S. 84) diese Unterscheidung ohne weiteres für unzulässig, an-
scheinend ohne die hierher gehörenden Befunde der Röntgenaufnahme zu
kennen. Bei der ganz auffälligen Verschiedenheit im Röntgenbilde von
den unzweifelhaften Brüchen ist die richtige Deutung keineswegs leicht.
Man wird vor der Hand an eine von Knochenbruch abweichende Ursache^
vielleicht Knochenhautentzündung denken müssen, wenn es nicht etwa
gelingen sollte, nachzuweisen, daß hierin die Endprodukte alter Bruch-
kallusmassen vorliegen.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 213
nach Art der von Hildebrand1) beschriebenen herrichten
müssen. Das vervollkommnete Werkzeug wird auch hier wie
immer zu höheren Ergebnissen führen.
Es versteht sich von selbst, daß solche Fußaufnahmen,
bei denen es sich nicht um feinste Knochenstruktur handelt,
kurz belichtet werden, um auch einen noch wenig dichten Kallus
auf der Platte zu erhalten. Findet man kurz nach der Ver-
letzung keinen Bruch oder Kallus, so muß man die Behand-
lung zunächst allein nach den Ergebnissen der äußeren Unter-
suchung einleiten2) und die iYufhahme nach 10 — 14 Tagen
wiederholen. Auch jetzt kann es kommen, daß Nichts auf
der Platte gefunden wird, obwohl der Kranke fixen Druck-
schmerz zeigte. Vielleicht erscheint in solchen Fällen der
Kallus noch später oder es läßt möglicherweise die stereo-
skopische Betrachtung erkennen, daß er an einer bei grader
Aufnahme versteckten Stelle sitzt.
Bei den seitlichen Aufnahmen des Fußes hat man
außer auf den Gesamtaufbau des ganzen Skelettes, worauf schon
oben aufmerksam gemacht ist, sein Augenmerk besonders
auf den hinteren Winkel des Talus zu richten. Hier befindet
sich eine Knochenleiste, welche den oberen Rand des Cal-
caneus mehr oder weniger überhakt, in normalen Fällen aber
ersichtlich mit dem Talus in Verbindung steht. In seltenen
Fällen, deren Häufigkeit Pfitzer wohl zu hoch auf 7 — 8 pCt.
schätzt, bleibt dieser ursprünglich selbständig angelegte Knochen
vom Talus getrennt, Os intermedium cruris, und kann
nun sehr leicht als abgebrochenes Stück imponieren, wie es
in dem Fall von Willmanns3) lange Zeit stattfand. Von
Francis J. Schepherd ist dieses Knochenstück 1882 als
1) Fortschr. auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. III S.71.
2) Ein an bestimmter Stelle fixierter Druckschmerz genügt, um
einen Knochenbrucb wahrscheinlich zu machen und den Kranken zu-
nächst im Lazarett liegend zu behandeln. Ein einfacher Gazeverband
wird aus manchen Gründen erforderlich, aber auch vollkommen hin-
reichend sein. Es gibt aber einfache Anschwellungen in der Mittelfuß-
gegend, welche nach 3 — 4 Tagen vollkommen geheilt sind. Man wartet
daher, besonders wenn nicht schon fixer Druckschmerz vorhanden ist,
mit Lazarettbehandlung und «der Röntgenuntersuckung zweckmäßig bis
zu diesem Zeitpunkt.
3) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II
S. 100.
214 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Talusfraktur beschrieben, jedoch von Pfitzner1) bereits 1892
als besonders angelegter, zufällig selbständig gebliebener, dem
Os trianguläre am Handgelenk homologer Knochen erkannt.
Um sich vor bedenklichen Schlüssen zu hüten, wird man
sich in einem solchen Fall stets der Regel erinnern müssen,
die andere Körperseite zum Vergleich und zur Aufklärung
heranzuziehen. Ein derartiger Fall ist im Dezember 1898
im Garnisonlazarett I Berlin zur Beobachtung gekommen
(Füs. K. 2. Komp. G. Füs.-Regts. 1898 No. 1297 bis
1300). Der im Oktober eingestellte Mann fiel dadurch auf,
daß er beim Marschüben die Fußspitze nicht herunterbringen
konnte. Bei der Untersuchung bestand ersichtlich eine ver-
minderte Bewegungsfähigkeit beider Fußgelenke. Die Seiten-
aufnahmen zeigten bei genügender Fußwölbung an Stelle des
übergreifenden hinteren Randes des Talus deutlich jederseits
einen selbständigen Knochen, der aber die Grenzen des ge-
wöhnlichen Talusfortsatzes nicht überschritt.
Die bisher beschriebenen Verfahren genügen für die
weitaus größte Anzahl der zur Untersuchung kommenden
Fälle. Allein es ist nicht zu vergessen,, dass man auf diesem
Wege nur Schattenbilder erzielt, welche noch dazu die in
verschiedener Höhe über der Platte liegenden schattengeben-
den Schichten in verschiedener Streuung über einander
entworfen enthalten. Handelt es sich um die exakte Fest-
stellung eines in der Tiefe steckenden Fremdkörpers, so
werden die beiden rechtwinklig gemachten Aufnahmen höch-
stens bei den dünneren Gliedmaßen genügen, am Rumpf
jedoch muß eine andere Untersuchung Platz greifen.
Steckt eine Kugel irgendwo in der Tiefe des Brustkorbes,
so wird sich dieselbe, wenn man den Mann schräg vor den
leuchtenden Schirm stellt, z. B. auf der rechten Brustseite als
Schatten zeigen. Durch diesen Schatten und die im Innern
steckende Kugel ist eine grade Linie bestimmt, welche an
zwei Stellen, vorn und hinten, die Brustwand schneiden muß.
Dreht man nun den Mann um einen möglichst 90 ° betragenden
Winkel, so erblickt man nunmehr auf der andern Seite des
Brustkorbes das Schattenbild der Kugel und eine zweite
1) Morphologische' Arbeiten 1892, die Sesambeine des mensch-
lichen Körpers, und ebendas. 1896, Beiträge zur Kenntnis des mensch-
lichen Extremitätenskeletts.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 215
Grade ist gegeben, welche die erste in der Kugel selber
schneidet. Kann man die Endpunkte der beiden graclen
Linien auf der Körperoberfläche fixieren, so ist damit die
Möglichkeit gegeben, die Tiefenlage der Kugel zeichnerisch
und rechnerisch festzustellen. Die vorderen Endpunkte der
Graden kann man ohne Weiteres durch eine Farbmarke auf
der Haut festlegen. Für die hinteren Endpunkte bedarf man
besonderer Apparate. Zweckmäßig ist der Punktograph
der Voltohm-Gesellschaft, München1), welcher auch für die
vorderen Punkte verwendet werden kann. Dies ist ein flacher
Stab mit einem Metallring von ca. 1,5 cm Durchmesser an
dem einen Ende, in welchen ein mit einer Feder gespannter
Farbstift einschnappen kann. Nachdem der vordere End-
punkt der einen Linie markiert ist, führt man bei sorgsamst
bewahrter Stellung des Untersuchten den Punktographen so
Fig. 59.
Punktograph der Voltohra-EIektrizitäts-Gesellschaft.
hinter den Körper, daß der Ringschatten den Mittelpunkt der
Kugel gleichmäßig umgibt. Hierdurch ist der hintere End-
punkt der Graden gefunden, der durch den losgelassenen
Farbstift alsbald ebenfalls markiert wird. Auf dieselbe Weise
erhält man die Endpunkte der zweiten Graden. Will man
besonders vorsichtig sein, so kann man auch die vorderen
Endpunkte zunächst durch ein aufgelegtes Schrotkorn sichern.
Man erhält schließlich am Brustkorb vier genau bestimmte
Punkte, welche man mit dem Tasterzirkel abgreifen, auf
Papier übertragen und durch Diagonalen verbinden kann.
Ueber die Lage des Schnittpunktes wird man sich am besten
klar durch Vergleichung mit den Tafeln des Braune 'sehen
Atlas. Ein ähnlicher „Dermograph", ein metallenes Rohr,
welches Methylenblau enthält und nach Belieben in Tätigkeit
gesetzt werden kann, ist von Levy-Dorn2) angegeben. Im
1) Anger er im Zentralblatt für Chirurgie 1898, S. 473.
2) Deutsche med. Wochenschr. 1900, S. 565. S. auch Holz-
knecht, Fortschritte auf dem Gebiete der Pvöntgenstrahlen. Er-
gänzungsheft 6, S. 17.
216 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Notfall kann ein genügender Apparat durch einen Blei- oder
Kupferdraht improvisiert werden.
Ein besonderes Verfahren zur genauen Tiefenbestimmung
eines Fremdkörpers mittelst eines von zwei Punkten aus auf
derselben Platte aufgenommenen Doppelbildes gab Mackenzie
Davidson-London an. Dies Verfahren wurde von Schür-
mayer1) vereinfacht und weiter ausgebildet. Es werden
dabei wie bei der Stereoskopie zwei Bilder, aber auf dieselbe
Platte entworfen unter genauer Markierung des zentralen
Strahls. An der Platte oder dem Positiv werden in einem
besonderen Gestell durch Lot und ausgespannte Fäden die
Grenzstrahlen rekonstruiert und durch deren Schnittpunkt die
Lage des Fremdkörpers gefunden.
Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel zur genauen Feststellung
eines in der Tiefe steckenden Fremdkörpers oder zur Dar-
stellung der räumlichen Verhältnisse im Innern des Körpers
sind die stereoskopischen Aufnahmen. Werden von zwei
Punkten, welche dem Augenabstand entsprechen und in der
Entfernung des deutlichen Sehens von der Platte gelegen
sind, zwei Aufnahmen gemacht, so erhält man zwei Negative,
welche in richtiger Weise angeordnet ein körperliches Bild
des durchscheinend sich zeigenden Objektes ergeben. Die
Negative können direkt mittelst eines Spiegelstereoskopes
betrachtet werden, wobei über ein Plattenmaß von 18 : 24 cm
nicht gut hinaus gegangen werden kann. Man kann aber
auch die Negative erst auf die übliche Größe von 7x7 cm
verkleinern, sie auf einer Glasplatte als Diapositiv oder auf
Papier vereinigen und alsdann in das gewöhnliche Stereoskop
einlegen.
Die eingehendste Darstellung der theoretischen Grundlagen
und der praktischen Anwendung dieses Verfahrens gab Stabs-
arzt Lambertz2). Es ist hiernach wohl möglich, dergleichen
Aufnahmen anzufertigen, doch gehören zweifellos nicht nur
besondere Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit, sondern auch
wieder neue Apparate dazu, wodurch die Einführung der
Methode für den täglichen Gebrauch sehr erschwert wird.
Allerdings vermag der geübte Beobachter auch ohne Stereoskop
die in richtiger Lage zu einander aufgestellten Negative zu
einem körperlichen Bilde zu vereinigen, doch gehört hierzu
1) Portschr. auf dem Gebiete d. Röntgenstrahlen 1901 Bd. IV S.81.
2) Ebendas. 1900 Bd. IV S. 1.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 217
eine so eingehende Beschäftigung und Vertiefung in den
Gegenstand wie sie die große Mehrzahl der militärischen
Röntgenkabinette nicht bieten kann. Hierzu kommt, daß die
weniger geübten Sanitätsoffiziere kaum in der Lage sind,
sich ohne weiteres ohne alle Apparate in den Bildern zurecht-
zufinden. Aus diesen Gründen dürften der allgemeinen An-
wendung dieser schönen Methode erhebliche Schwierigkeiten
im Wege stehen, welche sich nicht leicht beseitigen lassen.
Eine einfachere, in vielen Fällen gute Resultate ergebende
Methode zur Erzeugung von zwei auf derselben Platte neben
einander liegenden Aufnahmen, welche nachträglich auf das
übliche Maß von 7x7 cm mittelst der Kamera zu verkleinern
sind, beschrieb Hildebrand1). Er rühmt namentlich die
überraschende Deutlichkeit, welche ein so aufgenommenes
Bild über die räumlichen Verhältnisse des Schenkelhalses bei
Hüftgelenkluxationen . gewährt. Die klarsten, am meisten
instruktiven Bilder werden ohne Zweifel von injizierten Leichen-
teilen2) erhalten, in denen die räumliche Verteilung und Ver-
zweigung der Schlagadern mit geradezu frappierender Deut-
lichkeit erkennbar wird.
Gute stereoskopische Aufnahmen lassen sich in ver-
hältnismäßig einfacher Weise auch erhalten mittelst des
Apparates von Victor C h ab au d- Paris. Auf einer festen
Holzkassette mit Einschieberahmen für die Platten, deren
Lage auf der Oberseite erkennbar ist, erheben sich zwei
metallene Träger, welche soweit auseinander stehen, daß ein
Erwachsener zwischen ihnen gelagert werden kann. Ein in
beliebiger Höhe feststellbarer, die Träger verbindender Quer-
steg ist mit Zentimetereinteilung' versehen und erlaubt so
genaue Verstellung (um etwa 65 mm) der daran befestigten
Röhre. Die Platten werden gewechselt ohne den aufzu-
nehmenden Körperteil zu bewegen. Die entwickelten Nega-
tive können unmittelbar mit einem aus vier Spiegeln be-
stehenden Wheatstone'schen Stereoskop in durchfallendem
Licht betrachtet werden. Zu dem Zweck werden sie auf
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. III
S. 171.
2) Sammlung von stereoskopischen Röntgenbildern aus dem All-
gemeinen Krankenhaus in Eppendorf von Hildebrand, Scholz
und Wieting, Wiesbaden, J. F. Bergmann 1901 — 1903.
218 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 60.
Apparat für stereoskopische Aufnahmen von Victor Chabaud-Paris.
eine Glasscheibe gelegt, weiche durch eine schräg gestellte
Milchglasscheibe von unten her belichtet werden kann. Durch
senkrechtes und seitliches Verschieben läßt sich leicht voll-
kommene Deckung der Bilder erzielen. Der Apparat hat
sich im Garnisonlazarett II -Berlin bewährt.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 61.
219
Stereoskop zur Betrachtung von Positiven und Negativen nach
V. Chabaud-Paris.
Neuerdings hat B. Walter1) besonders zweckmäßige
Apparate konstruiert, welche unmittelbares stereoskopisches
1) Fortsein-, a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen 1902 Bd. VI S. 18.
220 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 62a.
i:
if.
'
■
Prismenstercoskop nach B. Walter.
Fig. 62 b.
Bt
B->
Bt B2
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A,
\
O
A2
A7 A2
h
Gang der Strahlen im Prismenstcreoskop.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
221
Betrachten auch größter Negative gestatten. Das Spiegel-
stereoskop entspricht dem oben beschriebenen von Cha-
baud. ,Das Prismenstereoskop enthält vor den Äugen
zwei achromatische Prismen, welche mit dem Aufsatzbrett
für die Negative verbunden sind und nach der Höhe und
der Distanz entsprechend der Größe der letzteren verschiebbar
sind. Sie sind um 180 u drehbar gelagert, wodurch einmal
Fig. 63.
Linsenstereoskop nach B. Walter.
die Strahlen der gleichseitigen Negative in das betreffende
Auge gelangen, das andere Mal eine gekreuzte Betrachtung
herbeigeführt wird. Dies ermöglicht die Betrachtung des
Gegenstandes gleichsam von zwei Seiten her und soll daher
bei Röntgenbildern
die Orientierung
für den Beobachter er-
leichtern. Das Linsenstereoskop endlich besteht aus
einer photographischen Kamera mit sehr lichtstarker Linse,
welche von den
richtig
aufgestellten Negativen ein umge-
kehrtes reelles Bild entwirft, weiches auf der Mattscheibe
222
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
kontrolliert oder auch an dieser Stelle in beliebiger Ver-
kleinerung auf einer photographischen Platte aufgenommen
werden kann. Lässt man die Mattscheibe oder Platte fort und
setzt hier ein Okular mit zwei Lupen ein, so kann man die
in der Luft entworfenen Bilder wie in einem Doppelfernrohr
vergrößert betrachten und erhält hierbei sehr vollkommene
stereoskopische Wirkung. Der letztere Apparat enthält also
eigentlich drei verschiedene, nämlich ein Stereoskop für
große, eins für kleine Bilder und eine vollständige photo-
graphische Kamera. Die Preise betragen bei A. Krüß-
Fi2. 64.
'Turbinenunterbrecher mit Stroboskop der Allg. Elektrizitäts-Gesellschaft.
Hamburg für Spiegelstereoskope 164 Mk., Prismenstereo-
skope 200 Mk., für das große Linsenstereoskop mit einer
Kamera von 18 X 24 cm Größe 260 Mk., wozu noch das
Stativ mit 25 Mk. und ein Rahmen zum Aufstellen der
Platten mit 100 Mk. kommen.
Um direkt auf dem leuchtenden Schirm ein stereo-
skopisches Sehen zu ermöglichen, sind eine Anzahl Appa-
rate angegeben, welche bezwecken, die Eindrücke, welche
•das rechte und linke Auge erhalten, zu trennen und nach
einander zur Wahrnehmung gelangen zu lassen. Hier ist zu-
nächst zu erwähnen die Konstruktion der Allgemeinen Elektri-
zitäts-Gesellschaft Berlin, welche durch D. R, P. No. 23171
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
223
geschützt ist1). Von zwei Induktoren werden zwei Röhren
betrieben, welche hinter dem zu durchleuchtenden Gegenstand
aufgestellt sind und durch einen Turbinenunterbrecher mittelst
besonderer Kontaktvorrichtung derartig in Tätigkeit gesetzt
werden, daß ihr Aufleuchten abwechselnd erfolgt. Mit der
diese besondere Kontaktvorrichtung tragenden Achse ist eine
biegsame Welle verbunden, welche an ihrem Ende ein Strobo-
Fig. 65.
h — www — ' — www — *
r
Fl
Schaltungsschema für stereoskopisches Sehen mit dem Turbinen-
unterbrecher der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft.
skop trägt. Letzteres enthält in seinem Innern eine Trommel
mit zwei zu einander senkrechten Schlitzen, welche bei der
Rotation abwechselnd dem einen und dem anderen Auge den
daß das rechte Auge die durch
und das linke die von der
rechten Röhre hervorgerufenen wahrnimmt. Wenn auch bei
starken Objekten die Klarheit des Bildes nicht genügt, so
ergibt sich doch bei dünneren Gegenständen ein völlig be-
friedigender stereoskopischer Effekt.
Durchblick derart gestatten ;
die linke Röhre erzeugten Bilder
1) S. H. Boas, Verhandlungen der deutschen physikalischen Ge-
sellschaft 1900 S. 45.
224 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Ein ähnlicher Apparat ist von Mackenzie Davidson1)
angegeben.
Eine weitere Ausbildung hat das Verfahren stereoskopi-
scher Durchleuchtung durch die Firma Reiniger, Gebbert
Fig. 66.
=ft±
Umschaltevorrichtung für stereoskopische Röntgendurchleuchtung von
Reiniger, Gebbert & Schall.
& Schall2) in Erlangen erfahren. An Stelle zweier Röhren,
welche kaum dauernd auf gleichem Vakuum zu erhalten sind,
ist eine Doppelröhre getreten, welche in jeder Kugel eine
Antikathode und in der die Kugeln verbindenden Röhre zwei
Kathoden enthält. Diese Doppelröhre wird mit nur einem
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. IV
S. 191.
2) Ebendas. 1902 Bd. V S. 197.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 225
Fig. 67,
Fig. 68.
. Fig. 69.
Unischaltevorrichtung für stereoskopische Röntgendurchleuchtung von
Reiniger, Gebbert & Schall.
Steehow,. Das Röntgen- Verfahren.
15
226
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Induktor betrieben, bei welchem die Umsclialtevorrichtung
zum wechselweisen Aufleuchten der beiden Hälften nicht wie
früher im primären, sondern im sekundären Stromkreise an-
gebracht ist. Sie besteht aus einer vom Elektromotor ange-
triebenen Achse mit zwei Scheiben aus isolierendem Material,
weiche an der Peripherie je einen um 180° versetzten Metall-
halbring tragen und in Petroleum oder Alkohol laufen. Durch
schleifende Metallbürsten gelangt der sekundäre Strom zu den
Halb ringen und je nach deren Stellung in die eine oder andere
Fig. 70.
Umschaltevorrichtung für einfache und stereoskopische Röntgendurch-
leuchtungen mit gleichzeitig wirkender Vorrichtung zur Unterdrückung
der Schließungs-Induktionsströnie von Reiniger, Gebbert & Schall.
Hälfte der Doppelröhre. Durch Kegelräder und eine biegsame
Welle wird die Bewegung der Scheiben auf ein Stroboskop
übertragen, dessen um 180° versetzte Ausschnitte derart ein-
gestellt sind, daß das rechte Auge nur das Bild der linken
Antikathode und umgekehrt erhält. Die Firma liefert diesen
Apparat auch gekuppelt mit ihrer Vorrichtung zur Unter-
drückung der Schließungs-Induktionsströme1). Nach Ein-
schaltung eines Kupferbügels kann derselbe auch für einfache
Röntgenröhren verwendet werden.
1) Fortschr. auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1902 Bd.VI S.99.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 227
Für die Untersuchung der Organe des Brustkorbes ist
frühzeitig erkannt, daß der Gewinnung scharfer Bilder vor
allem die Bewegungen bei der Atmung hinderlich sind. Da
für eine Durchstrahlung im allgemeinen die Inspirations-
stellung günstiger ist, weil sie schärfer differenzierte Schatten
ergibt, wurde im Garnisonlazarett I versucht, durch Ausharren
in tiefster Einatmung und Darüberschieben eines Bleischirmes
während der übrigen Zeit der Atembewegungen klarere Bilder
zu gewinnen. Levy-Dorn1) gelang dies bei Verbesserten
Röntgenröhren durch einfache Herabsetzung der Expositions-
zeit. Cowl2) erreichte die Exposition in nur einer be-
stimmten Atemstellung durch eine auf die Bauchwand gesetzte
Platte, welche den Rhythmus der Atembewegungen auf ein
Hebelwerk übertrug, mittelst dessen der primäre Strom allein
in dem gewünschten Moment auf kurze Zeit geschlossen
wurde (Rheotom).
Zur Bestimmung der Grenzen einzelner Organe, besonders
des Herzens und des -Zwerchfelles, dienen Apparate mit
■Meßvorrichtungen, wie das von Hoffmann-Düsseldorf (Fa-
brikant Kohl-Chemnitz) angegebene Meßstativ. Es besteht aus
einem festen Gerüst, welches in bestimmter Entfernung die
Röhre trägt und zwischen den beiden senkrechten Pfosten
einen viereckigen Rahmen mit Millimetereinteilung, auf welchem
zwei wagerechte und drei senkrechte Drähte in beliebiger
Lage festgestellt werden können. Gegen diesen Rahmen kann
von der einen Seite ein leuchtender Schirm, von der anderen
ein Kassettenträger angelegt werden. Der Untersuchte steht
oder sitzt hinter den Drähten und legt sich fest gegen den
Rahmen, seine Stellung wird durch verstellbare photographische
Halter gesichert. Die beweglichen Drähte erlauben die Ein-
grenzung eines Organes. Das Bild mit den Drähten kann
entweder gezeichnet oder auf der Platte aufgenommen werden.
Obgleich es auf diese Weise schon möglich ist, zu ver-
schiedenen Zeiten ■ vergleichbare Bilder zu gewinnen, leiden
doch alle an dem Uebelstancle, daß sie die Organe in zentraler
Projektion, also verschiedentlich vergrößert, zur Anschauung
bringen. Die Fülle der erzeugten X-Strahlen, welche nach
1) Deutsche med. Wochenschrift 1899 S. 161 ; Fortschritte auf
dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 • Bd. II S. 216.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1898 Bd. II
S. 169.
15*
228 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
allen Richtungen der Halbkugel von der Röhre ausgehen,
läßt sich nun zwar bisher auf keine Weise zusammenfassen
und parallel richten, man kann aber ein bestimmtes Bündel
herausschneiden und mit diesem allein die Konturen be-
streichen, wodurch dann alle Punkte nach einander parallel
auf den Schirm oder die Platte projiziert werden. Die ver-
schiedenen zu diesem Zweck angegebenen Apparate beruhen
alle darauf, durch besondere Vorrichtungen etwa zwei zu
beiden Seiten des Untersuchten aufgehängte Ringe oder ein
Metallrohr, welches als Ring erscheint, ein solch schmales
Bündel von X-Strahlen festzulegen und nun mit diesem auf
der Ebene des Schirmes oder der Platte senkrecht stehenden
Zentral- oder Normalstrahl die Umrisse der Organe zu be-
streichen. Die gefundenen Punkte werden mit einem Farb-
apparat entweder auf Papier oder unmittelbar auf der Haut
markiert.
In dieser Beziehung erscheint am einfachsten die Vor-
richtung von Behn1). Vor der leuchtenden Röhre mit Blei-
blende sind zwei Ringe aufgehängt, zwischen denen der Pa-
tient steht, indem er sich gegen den Schirm anlegt. Die
Ringe werden so reguliert, daß ihre Bilder konzentrische
Kreise bilden und der Schirm senkrecht zu dieser Richtung
eingestellt. Auf diese Weise ist ein senkrecht zur Projektions-
fläche verlaufendes Strahlenbündel festgelegt und der der
Röhre zunächst liegende Ring kann entfernt werden. Da der
Strahl unbeweglich ist, muß der Untersuchte seitlich und
nach der Höhe verschoben werden. Die gefundenen Punkte
werden mit einem Farbtupfer auf der Haut festgelegt. Levy-
Dorn2) machte darauf aufmerksam, daß gerade auf diesem
Wege mit feststehendem Strahl und Markierung der Ergeb-
nisse auf der Haut die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung
am ehesten in Uebereinstimmung zu bringen sind mit den
bisherigen Untersuchungsresultaten. Auch letztere arbeiten
im allgemeinen mit einer zur Körperoberfläche senkrechten
Projektion. Wenn auch die auf diese Weise gewonnenen
„röntgoskopischen Hautfiguren" zur unmittelbaren Beurteilung
des Falles gewiß sinnfälliger sind als die auf gleichem Wege
gewonnenen Zeichnungen, so sind letztere doch nicht zu ent-
behren, um verschiedene Kranke oder denselben Kranken zu
1) Fortschr. auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. IV S.44.
2) Deutsche med. Wochenschrift 1900 S. 565.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
229
verschiedenen Zeiten aufzunehmen und die Befunde zu ver-
gleichen.
Eine weitere Ausbildung erfuhr diese Untersuchungs-
methode durch den „Orthodiagraph" von Moritz1) (gebaut
von der Voltohm-Gesellschaft München, Preis 250 Mark).
Der Kranke liegt auf einem Tisch mit Segeltuchplatte. An
Fig. 71.
Apparat zur Feststellung der Herzgrcnzen nach Behn.
dem einen Ende des Tisches kann ein Gerüst hochgeklappt
werden, welches unter dem Tisch die Röhre, darüber eine
Metallmarke zur Festlegung des normalen Strahls und ober-
halb des Tisches eine Zeichenvorrichtimg trägt. Alle diese
Teile können auf einander eingerichtet werden, sind aber
durch einen starren Arm mit einander verbunden. Der obere
Teil ruht auf zwei rechtwinklig zu einander gelagerten Walzen-
1) Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin 1900 S. 601;
Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900 Bd. III S. 193.
230 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 231
Fig. 73.
{Aufnahmestuhl für die ventrale Projektion nach Dr. Cowl.
232 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen,
paaren und kann daher leicht nach jeder Richtung bewegt
werden. Die Konturen der Brustorgane können sicher in
senkrechter Projektion erhalten werden. Ueber die Ergeb-
nisse von Herzuntersuchurjgen berichtete Moritz1) später.
Der Apparat ist nur in liegender Stellung des Unter-
suchten verwendbar, was für viele Fälle ausreicht. Oft genug
ist es aber wünschenswert, auch in aufrechter Stellung oder
in beiden Aufnahmen zu erhalten. Daß hierbei sich beträcht-
liche Unterschiede in der Lagerung des Herzens und, des
Zwerchfelles ergeben, wies Cowl2) nach, der auch einen be-
sonderen Stuhl für Aufnahmen im Sitzen angab (s. S. 231).
Für aufrechte Aufnahmen dienen entweder besondere
Apparate oder aber Einrichtungen, welche denselben Apparat
in beiden Richtungen zu benutzen gestatten. Sie sind alle nach
dem Prinzip gebaut, daß ein frei schwingender zweiarmiger
Hebel an seinem einen Ende mit einem verstellbaren Gewicht,
an dem andern mit einem wiederum um eine Achse beweg-
lichen Hebel belastet ist, welche hinten die Röhre, vorn den
Zeichenstift trägt. Beide Punkte werden auf das normale
Strahlenbündel einreguliert und in dieser Lage befestigt. Durch
die Beweglichkeit der Hebelgelenke und die Ausbalancierung
der Massen kann man mit dem Zeichenstift bequem alle Um-
risse verfolgen.
Auch von Guilleminot-Paris3) wurde ein Zeichenstativ
angegeben, welches gestattet, den Normalstrahl festzulegen und
mit ihm die Grenzen der Brustorgane abzusuchen (s. S. 239
und 240). Ein elektrisch in Tätigkeit gesetzter Pantograph,
welcher den Bewegungen der Röhre folgt, verzeichnet auf
einer besonderen hinter und über dem Stativ gelegenen Platte
die Grenzlinien in einzelnen Punkten:
Auf ein Verfahren muß hier noch hingewiesen werden,
welches von mir zuerst auf dem Kongreß in Paris beschrieben
ist4) und welches den Zweck hat, das Aufsuchen kleiner
1) Münchener med. Wochenschrift 1902 No. 1.
2) Fortschr. auf dem Gebiete d. Röntgenstrahlen 1901 Bd.V S.129.
3) Ebendas. 1902 Bd. V S. 190.
4) Ueber die für den Sanitätsdienst erforderliche feinere Diagnose
kleinster Verletzungen und Abweichungen vom Normalen mit Hilfe
der Röntgenstrahlen. Vortrag in der Sektion für Militärmedizin des
XIII. internat. med. Kongresses zu Paris 1900 von Dr. Stechow,
Generaloberarzt und Divisionsarzt der 39. Division.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 233
Fiff. 74.
Orthodiagraphischer Zeichenapparat für aufrechte Stellung der
Voltohm-Elektrizitäts-Gesellschaft.
Fremdkörper in massigen Weichteilen zu erleichtern. Die
zwei Fälle, wie sie damals mitgeteilt wurden, mögen hier
zunächst Platz finden, um zu zeigen, welchen Anforderungen
die Untersuchung zu genügen hatte.
Am Vormittag des '16. November 1899 erschien im
Garnison-Lazarett der 39. Division in Kolmar (Elsaß) der
Rekrut J. vom Jäger Batt. No. 4 mit der Angabe, er habe sich
234 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 75.
C
Zeichenapparat für die Durchleuchtung und zur Aufnahme von Projehtions-
bildern des Herzens in natürlicher Größe von W. A. Hirschmann.
vor einigen Tagen eine Nähnadel in den linken Oberschenkel
gestochen. Er hatte angeblich Handschuhe geflickt, war plötz-
lich abgerufen worden und wollte in der Eile die Handschuhe
mitsamt der Nadel in die Hosentasche gesteckt haben. Durch
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fie. 76.
235
Fig. 77.
Zeichenapparat für die Durchleuchtung und zur Aufnahme von Projektions-
bildern des Herzens in natürlicher Größe von W. A. Hirschmann.
236
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
einen stechenden Schmerz aufmerksam gemacht, habe er
nachgesehen und die tief im Fleisch steckende Nadel an dem
noch' daran befindlichen Faden herausziehen wollen, denselben
aber abgerissen, worauf die Nadel unter der Haut ver-
schwunden sei. Da an der Haut des linken Oberschenkels
Fig. 78.
Orthodiagraphisch.es Zeichenstativ der Allgemeinen Elektrizitäts-
Gesellschaft.
eine Einstichstelle mit Sicherheit nicht zu entdecken war,
galt es zunächst erst einmal festzustellen, ob überhaupt eine
Nadel im Körper stecke. Es wurden daher zunächst zwei
Aufnahmen gemacht, in Bauchlage und in linker Seitenlage
mit Belichtung des linken Oberschenkels von innen her. Es
ergab sich, daß eine Nadel etwa in der Höhe des Trochanter
minor mitten in der dicken Muskulatur des Oberschenkels
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
237
steckte. Da der Oberschenkel 50 cm Umfang aufwies, war das
Auffinden derselben gewiß nicht leicht, zumal Anhaltspunkte für
den zu machenden »Schnitt aus den sehr tief liegenden Knochen
nicht recht zu entnehmen waren. Es wurden daher dieselben
Fi«. 79-
Orthodiagraphisches Zeichenstativ der Allgemeinen Elektrizitäts-
* Gesellschaft.
Aufnahmen am 17. November wiederholt unter genauer Fest-
stellung des Beines und nachdem auf dem nunmehr als Ein-
stichöffnung anerkannten Punkt ein Schrotkorn mit Kollodium
befestigt war. 'Zu großer Ueberraschung bildete die Nadel jetzt
mit dem Knochen einen andern Winkel. Da sie indessen unmög-
lich quer zu ihrer Längsrichtung sich fortbewegt haben konnte.
238
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
wurde nur auf eine Drehung durch andere Muskelspannung'
geschlossen. Nach den Negativen wurde nunmehr am 18. No-
vember 1899 tief eingeschnitten, allein die Nadel in den
massigen Muskeln an der Vorder- und Außenseite des Ober-
Fie. 30.
Orthodiagraphischer Zeichenapparat von Siemens & Halste.
schenkeis weder
gefunden
noch gefühlt. Da der Mann
heftige Beschwerden bei jeder Bewegung hatte, mußte die
Nadel jedenfalls entfernt werden. Die große Wunde wurde
vorläufig mit steriler Gaze tamponiert und ein Ausweg durch
folgende Uebeiiegung gefunden. Es war zunächst unbekannt,
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 81.
239
Vorrichtung zur Durchleuchtung des Körpers und zur Größen-
bestimmung der Organe nach Guilleminot.
240
-j .{ !«
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Fig. 82.
Fig. 83.
Vorrichtung zur Durchleuchtung des Körpers und zur Größen-
bestimmung der Organe nach Guilleminot.
ob die Nadel vor oder hinter, nach innen oder außen von
dem gemachten Einschnitt steckte. Konnte man durch
Röntgenstrahlen die Ebene des Einschnittes zusammen mit
der Nadel auf die Platte bringen, so mußte deren Auffindung
gelingen. Es wurde daher eine Bleiplatte von 3 mm Dicke
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 241
und etwa 3x6 cm Größe zurechtgeschnitten, am folgenden
Tage sterilisiert in die Wunde eingelegt, durch wenige Binden-
touren festgehalten und nochmals zwei Aufnahmen in genau
der gleichen Stellung wie am Tage zuvor gemacht. Es ergab
sich nunmehr unzweifelhaft, daß die Nadel nach außen und die
ßleiplatte also die Wunde nach hinten überragend lag. Bei
erneuter Operation am 21. November 1900 wurde der Ein-
schnitt vertieft und beim Vordringen nach außen in der Spalte
zwischen Muse, rectus und M. vast. ext. die Nadel angetroffen
und leicht entfernt. Sie hatte eine Länge von 36 mm. Die
sorgfältig geschlossene Wunde heilte durch erste Vereinigung
und der Mann wurde am 21. Dezember 1899 dienstfähig aus
dem Lazarett entlassen. Ende Juni 1900 betrug der Umfang
des linken Oberschenkels 50 cm gegen 51 cm rechts, der
Mann hat allen Dienst mitgemacht und ist ohne Beschwerden
geblieben.
Ein ähnlicher Fall ist der folgende: Der am 10. De-
zember 1899 eingestellte Rekrut G. des Jäger-Batt, 14 hatte
an der linken Hand eine Narbe, herrührend von einer Ver-
letzung durch eine Teschinkugel, welche zu Weihnachten 1894
eingedrungen sein sollte. Die Betrachtung auf dem leuchtenden
Schirm wie auf der photographischen Platte ergab eine Kugel
am Köpfchen des linken Mittelhandknochens, welche von
beiden Seiten gleiche Größe aufwies, daher ziemlich in der
Mitte liegen mußte. Der Operateur entschloß sich zum Vor-
gehen von einem dorsalen Einschnitt aus, der unter Kokain-
einspritzung nach Schleich am 21. Februar 1900 gemacht
wurde. Es gelang indessen nicht, der Kugel ansichtig zu
werden, weshalb wieder unter Kokaineinspritzung ein volarer
Längsschnitt hinzugefügt wurde. Als auch jetzt noch die
Kugel sich nicht zeigte, wurden beide Schnitte in der Tiefe
verbunden, ein sterilisierter Streifen von Bleiblech, welcher
beiderseits bis zur Oberfläche reichte, eingeführt und die
provisorisch verbundene Hand nochmals auf dem leuchtenden
Schirm betrachtet. Es ergab sich nunmehr, daß die Kugel
hart an der Außenseite des Bleistreifens lag, worauf die
Ausgrabung aus dem sie ganz umschließenden Knochen ohne
Schwierigkeit gelang. Auch dieser Mann zeigte glatte
Heilung und ist völlig dienstfähig geworden.
Nicht unwichtig für ein militärisches Röntgenka binett
ist der Hinweis auf eine vorsichtige Beurteilung vorge-
fundener Abweichungen vom normalen Verhalten einzelner
Stechow, Das Böntgen-Verfahren. }g
242 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Körperteile. Es können nach Verletzungen aller Art ganz
erhebliche Verschiebungen der Knochen vorkommen, ohne
daß die Funktion und damit die Militärtauglichkeit merkliche
Einbuße erleidet. Von dieser Ueberzeugung muß der Leiter
des Kabinettes vollkommen überzeugt sein, um bei gelegent-
lichen Aeußerungen über den Befund nicht etwa unbeab-
sichtigt Klagen zu provozieren, deren Berechtigung sich nach-
her schwer beurteilen läßt, und welche verstummen zu
machen später oft unmöglich ist. Die folgenden Fälle
werden dartun, wie bedeutende Abweichungen von der Norm
ertragen werden, ohne daß die Dienstfähigkeit leidet.
Leutnant P. vom Inf. Regt. No. 161 hatte im Jahre 1889
und 1890 einen Brach des rechten Unterarmes erlitten. Am
25. März 1898 zeigte die rechte Speiche eine Verkürzung um
1/2 cm, eine Handbreit oberhalb des Handgelenks befand sich
eine Verdickung, in der Seitenansicht waren die beiden Enden
verschoben und durch eine breite Knochenbrücke S-förmig
verbunden. Auch die Elle zeigt weiter oberhalb Verdickung.
Leutnant H. vom Inf. Regt. No. 104 hatte im Jahre 1888
einen Bruch des linken Ellenbogens erlitten, der angeblich
falsch eingerichtet und darum später noch einmal gebrochen
war. In der Aufsicht von innen zeigte sich ein haselnuß-
großes Stück am inneren Knorren des Oberarmbeines vom
Hauptknochen getrennt, in Seitenansicht ragten stumpfe
Knochenteile nach vorn und hinten über die normalen Be-
grenzungslinien des Oberarmbeines hervor.
Leutnant S. vom Feldart; Regt, No. 26 hatte im Jahre
1886 einen schweren Bruch des linken Unterschenkels dicht
über dem Fußgelenk erlitten. Es bestand Verdickung in
dieser Gegend und Verkürzung des Beines um 2 cm, die
aber durch ßeckenverschiebung vollkommen ausgeglichen
wurde, auch war das Bein derartig gebrauchsfähig, daß der
Offizier in seinem Dienst in keiner Weise behindert war.
Das Röntgenbild zeigte eine bajonettförmige Knickung des
unteren Wadenbeinendes nach hinten und Verdickung am
unteren Ende des Schienbeines.
Leutnant v. B. vom Feldart. Regt. No. 36 hatte im
Jahre 1882 einen Bruch des linken Ellenbogens erlitten.
Es erfolgte
R L
die Streckung bis 180° bis 200°
die Beuffimo" „40° . „ 40°
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 243
Am äußeren Oberarmknorren war in Beugung ein beweg-
liches Knochenstück zu fühlen von der Größe etwa eines
halben Hühnereies und unregelmäßig dreiseitiger Gestalt. Bei
der Streckung stellte sich das Knochenstück unbeweglich fest.
Bei der seitlichen Aufnahme erschien hinter dem unteren Ende
des Oberarmbeins ein zarter, parallel verlaufender Schatten.
Die Aufnahme von innen ergab die oberen Enden der beiden
Unterarmknochen unverletzt und in normaler Lage. Vom
Oberarm war der ganze äußere Knorren durch einen Spalt
von 5 — 6 mm Breite abgetrennt. Die Trennungslinie verlief
etwas zackig, aber im ganzen als Verlängerung des Zwischen-
raums beider Unterarmknochen gerade nach oben. Das ab-
getrennte Knochenstück von ungefähr elliptischen Umrissen
war auf dem Negativ 37 mm hoch, 27 mm breit.
Alle diese Offiziere waren zur Militärturn-
anstalt kommandiert und taten hier allen Dienst.
Freilich ist hierbei nicht zu vergessen, daß es sich um
Offiziere handelt, bei welchen die Anforderungen, wenn auch
nicht geringere, doch in anderer Form gestellt und zu er-
füllen sind als bei Mannschaften. Daß übrigens auch bei
diesen erhebliche Abweichungen von der normalen Stellung
der Knochen ohne Schaden für die Dienstfähigkeit vorhanden
sein können, lehrt z. B. der von Stabsarzt Schmiz1) be-
kannt gegebene Fall eines Musketiers, welcher bei Einübung
einer Turnpyramide aus dem obersten Glied heruntergefallen
war und einen Schrägbruch des zweiten, dritten und vierten
linken Mittelfussknochens davon getragen hatte. Die Ver-
letzung wurde zunächst durch die gewöhnliche Untersuchung
nicht erkannt und erst drei Wochen später bei einer Röntgen-
aufnahme entdeckt, wobei sich die drei distalen Bruchenden
nach außen verschoben und falsch vereinigt herausstellten.
Nach 43 Tagen war der Mann dienstfähig und versah
jeglichen Dienst eines Infanteristen ohne alle Beschwerden.
Ebenso vorsichtig ist zu verfahren bei der Beurteilung
von Soldaten, bei welchen die Epiphysenlinien über den ge-
wöhnlichen Zeitpunkt der Verschmelzung hinaus erhalten ge-
blieben sind. Je jünger ein Individuum ist, desto isolierter
erscheinen im Röntgenbilde die in den Epiphysen auftreten-
den Knochenkerne. Sie rücken allmählich zusammen und
können bei voraufgegangener Verletzung leicht zu irrtümlichen
1) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1902 S. 199.
16*
244 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Deutungen als abgesprengte Knochenstücke führen, weshalb
es auch hier wieder in allen Fällen ratsam ist, die andere
Seite zum Vergleich heranzuziehen. Wilms1) weist darauf
hin, daß man aus dem Vorhandensein einer deutlichen Epi-
physenlinie den Schluß auf andauerndes Knochenwachstum
ziehen könne, während umgekehrt das Verschwinden dieser
Linien an den Röhrenknochen andeutet, daß das Individuum
die ihm zukommende Körpergröße bereits erreicht hat. Auch
bei Soldaten, welche das 20. Lebensjahr überschritten haben,
finden sich nicht selten noch deutlich ausgeprägte Epiphysen-
linien, welche namentlich an den distalen Enden von Speiche
und Elle zu Mißdeutungen Anlaß geben können.
Schädigungen durch Röntgenstrahlen.
Unersetzlich sind die Dienste, welche die X-Strahlen der
Untersuchung leisten, aber nicht absolut gefahrlos ist ihre
Anwendung. Zwar wird von den meisten Menschen die Ein-
wirkung der Röntgenstrahlen in der für die gewöhnlichen
Aufnahmen erforderlichen Zeit ohne weitere Reaktion er-
tragen, auch wiederholte Bestrahlungen schaden gewöhnlich
nichts. Unter Umständen findet jedoch von Seiten der Haut
eine Reaktion statt, welche mit einer Entzündung infolge von
Verbrennung verglichen werden kann. Die Affektion hat die
Eigentümlichkeit, daß sie erst längere Zeit nach der statt-
gehabten Einwirkung sich einstellt, wodurch besonders in der
ersten Zeit der Röntgenstrahlen die Erkennung und Beur-
teilung der Sachlage äußerst erschwert war. Zwei bis drei
Wochen nach einer mehrmaligen oder sogar nach einer länger
dauernden einmaligen Bestrahlung treten Rötung, Schwellung,
Schm erzhaftigkeit und Haarausfall ein, worauf sich mehr
oder minder in die Tiefe greifende geschwürige Veränderungen
bilden, welche sich weit verbreiten und durch besonders lang-
samen Verlauf und sehr geringe Neigung zur Heilung aus-
zeichnen. Das Eintreten dieser Erscheinungen wird begünstigt
durch unzweckmäßige Anordnung der Apparate, zu große
Nähe der Röhre, übermäßig starke oder langdauernde Be-
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Ergänzungs-
band 9, Die Entwicklung der Knochen der Extremitäten von der Ge-
burt bis zum vollendeten Wachstum, "Wilms u. Sick.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 245
Strahlung und zu schnelle Wiederholung derselben, besonders
wenn die ersten Anzeichen einer auftretenden Reizung über-
sehen oder infolge falscher Deutung nicht beachtet werden.
Außerdem aber muß' bei einzelnen^ glücklicherweise wenig
zahlreichen Menschen eine besondere Disposition, eine Idio-
synkrasie gegen X-Strahlen angenommen werden, da solche
Zufälle auch nach Bestrahlungen vorgekommen sind, wie sie
im allgemeinen zu gründlichen Untersuchungen durchaus er-
fordert werden. Unglücklicherweise gibt es kein Mittel, eine
so abnorm geringe Widerstandsfähigkeit der Haut vorher zu
erkennen, man ist einzig darauf angewiesen, in jedem Fall
an diese Möglichkeit zu denken und sorgsam beobachtend
vorzugehen1). Namentlich wenn öftere Untersuchungen not-
wendig sind, muß sorgfältig auf das Auftreten entzündlicher
Erscheinungen geachtet, die Bestrahlung sogleich längere Zeit
ausgesetzt und überhaupt das nicht zu untersuchende Gebiet
vor der Einwirkung der Strahlen durch Bleiblenden geschützt
werden.
Ueber die Natur der auftretenden Veränderungen be-
richtet Gassmann2) nach einem Fall aus der dermatologischen
Klinik in Bern. Bei einem aus dem Geschwür entnommenen
Stückchen Gewebe fanden sich eigentümliche Veränderungen
an den Gefäßen, nämlich Wucherung und vakuolisierende
Degeneration der Intima, Auffaserung der elastischen Wand,
Vakuolisierung und Schwund der Muscularis. Außerdem be-
stand stellenweise eine Zerfaserung und abnorme Farbreaktion
des subkutanen Bindegewebes. Diese Befunde geben eine
hinreichende Erklärung für den schleppenden, manchmal end-
losen Verlauf derartiger Geschwüre. Kommen die Gefäße in
weitem Umkreis und bis in gewisse Tiefe zur Verödung, so
leidet die Ernährung auch des später in großer Erstreckung
entstehenden Narbengewebes derartig, daß eine Ueberhäutung
nicht zustande kommen kann. Im Besinn ist eine durchaus
1) Daß derartige Ereignisse auch gerichtliche Folgen haben
können, lehren u. a. die Fälle von Hoffa (s. Gocht in Fortschritte auf
dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II S. 110) und Schür-
mayer (ebenda 1902 Bd. IV. S. 24). Vgl. auch Holzknecht, Die
forensische Beurteilung der sog. Röntgenverbrennungen, ebenda 1903
Bd. VI S. 145.
■;-» 2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II
S. 199.
246 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
reizlose Behandlung am Platze, in ausgedehnten und hart-
näckigen Fällen ist dann nur noch von Exstirpation des
ganzen aus der Blutzirkulation ausgeschalteten Bezirkes, von
Heranziehen seitlicher Hautgebiete oder ausgedehnter Trans-
plantation ein Schluß der Wunde zu erwarten.
Neben dieser tiefer gehenden Einwirkung, welche nament-
lich bei therapeutischer intensiver Bestrahlung beobachtet ist,
kommt bei Aerzten oder auch Fabrikanten von Röntgenröhren
eine mildere Art chronischer Hautreizung, namentlich an den
Händen, vor, die sich durch Rötung, Verdickung der Haut,
Schrundenbildung, Auftreten von Warzen, Ausfall der Haare
und Nägel dokumentiert. Rechtzeitiger Schutz und milde
Pflege der Haut lassen die Erscheinungen in der Regel lang-
sam zurückgehen.
Bei Tieren sind von Barthelemy und Darier1) bei
intensiver Durchstrahlung Lähmungen der hinteren Extremi-
täten, von Rollet und.Bertin-Sans an Meerschweinchen
Entzündungserscheinungen und Verwachsungen am Zentral-
nervensystem beobachtet.
Welche Agentien im einzelnen den schädigenden Einfluß
auf die Haut ausüben, hat noch nicht mit voller Sicherheit
festgestellt werden können. Einmal sind die Röntgenstrahlen
an sich dafür verantwortlich gemacht, wobei es wieder un-
sicher geblieben ist, ob den Strahlen aus weicheren oder
härteren Röhren eine größere Wirksamkeit in dieser Richtung
innewohnt. Da erstere in größerer Menge in den oberen
Schichten zurückgehalten werden, müßte man von ihnen eine
größere Wirkung voraussetzen, doch auch von den Strahlen
hoch evakuierter Röhren sind die gleichen Folgen bekannt.
Eine andere Erklärung schiebt die Schuld auf die von den
Drähten und Röhren ausgehenden hochgespannten elektrischen
Ausströmungen, was mit der größeren Gefährlichkeit zu nahe
an die Haut gebrachter Röhren und mit der Tatsache gut
übereinstimmt, daß schon ein dünnes, die X-Strahlen hin-
durchlassendes, an Erde angeschlossenes Metallblatt vor den
Wirkungen schützt. Allein anderweitig werden sehr hoch
gespannte Ströme therapeutisch ohne jeden derartigen Schaden
benutzt (d'Arsonvalisation), so daß ilye schädigende Wirkung in
1) Internationaler Kongreß für medizinische Elektrologie und
Radiologie zu Bern 1902, Vortrag von Audin. S. Fortschritte auf dem
Gebiete der Röntgenstrahlen 1902 Bd. VI S. 43.
Das praktische Arbeiten mit "Röntgenstrahlen. 247
diesem besonderen Fall nicht recht erklärlich ist. Ana wahr-
scheinlichsten sind die X-Strahlen, auf deren Bahnen große
Energiemengen fortbewegt und dem Körper zugeführt werden,
in Verbindung mit den hochgespannten elektrischen Aus-
strömungen die Ursache der bekannten Schädigungen.
Therapeutische Verwendung der Röntgenstrahlen.
So ausgedehnt das Gebiet ist, welches in diagnostischer
Beziehung der X-Strahlen nicht mehr entraten kann, so gering
ist im Vergleich bislang noch der Nutzen, welchen man in
therapeutischer Beziehung aus diesem mächtigen Agens zu
ziehen vermag. Zunächst ist das Gebiet noch wenig bebaut, da
die gleichmäßige Erzeugung von X-Strahlen bis vor kurzem
auf Schwierigkeiten stieß. Offenbar erfordert die länger an-
dauernde Bestrahlung besonders haltbare elektrische Apparate
und Röhren sowie eine viel größere Aufwendung von elek-
trischem Strom als kleine Kabinette mit Akkumulatoren sie
zu leisten vermögen. Nur größere mit Anschluß an Zentralen
werden in der Lage sein, diesen Anforderungen zu genügen.
Die ursprünglichen Hoffnungen, mit den alles durch-
dringenden Strahlen namentlich parasitäre Krankheiten so-
wohl an der Oberfläche als im Innern des Körpers erreichen
und heilen zu können, haben sich nur in bescheidenem Maße
erfüllt. Die liier1) und da gefundenen bakteriziden Eigen-
schaften haben von anderen Beobachtern nicht bestätigt wer-
den können. Es hat damit wenigstens vorläufig auch die
Hoffnung aufgegeben werden müssen, durch den Brustkorb
hindurch die tuberkulöse Lunge beeinflussen zu können.
Was die Methode anlangt, so geht gegenwärtig wohl
allgemein die Meinung dahin, daß nur besonders weiche Röhren
in Betracht kommen, welche in etwa 10 cm von der zu be-
strahlenden Hautstelle angebracht und 10 Minuten laue in
1) S. die Uebersicht von Albers-Schönberg, Fortschritte auf
dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1898 Bd. 11 S. 20. Ferner nament-
lich Ried er in Münchener med. Wochenschr. 1898 S. 101 und 773.
Bei frisch angelegten Kulturen von Cholerabakterien, Bacterium coli,
Staphylococcus pyogenes aureus, Streptococcus pyogenes, Diphtherie-,
Typhus- und Milzbrandbazillen erwiesen sich X-Strahlen als deutlich
entwickelungshemmend.
248 Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen.
Gang gesetzt werden. Solche Sitzungen sind ungefähr acht
Tage lang fortzusetzen, falls es zu keinen Reaktionserschei-
nungen kommt. Alsdann wird 8 — 10 Tage pausiert, da ja
die Reaktion erst so spät einzutreten pflegt und erst einmal
gewartet werden muß, um die Empfindlichkeit der Haut kennen
zu lernen. Sorgsamer Schutz der umliegenden Körperteile
durch Bleiblech von mindestens 2 mm Dicke ist unbedingt
erforderlich.
Für die Bestrahlung geeignet sind eine Anzahl Haut-
affektionen, weiche kurz aufgeführt werden sollen.
Zunächst lenkte der nach Bestrahlungen beobachtete
Haarausfall auf die Idee, abnormen Haarwuchs durch
Röntgenstrahlen zu beseitigen. In der Tat fallen die Haare
nach voraufgehender oberflächlicher Hautentzündung prompt
aus, doch bilden sie sich wieder und können vielfach erst
durch oft wiederholte Bestrahlungen definitiv beseitigt werden,
wobei die Gefahren weitreichender Hautentzündungen und
deren Folgezustände im Auge zu behalten sind1).
Nächstdem hat der gewöhnliche Lupus2) am meisten
Aussicht auf erfolgreiche Behandlung, sei es, daß die X-Strahlen
allein angewendet oder, daß sie mit Galvanopunktur oder mit
der grünen Salbe Unnas verbunden werden. Ob diese Me-
thode bessere Resultate und in kürzerer Zeit als die Finsen'-
sche Lichtbehandlung ergibt, ist zur Zeit noch zweifelhaft.
Bequem für den Patienten und schonend für das gesunde
Gewebe ist sie sicherlich. Unter vorsichtig geleiteten Be-
strahlungen tritt zunächst eine Hyperämie auf, die zu einer
gesteigerten Leukocytenauswanderung aus den Gefäßen führt.
Die Lupuszellen verfallen einer Degeneration, die sich in
herabgesetzter Färb barkeit und Zerfall des Kernes und
Vakuolisierung des Protoplasmas äußert. In späteren Stadien
findet man das Bindegewebe vermehrt und die Lupusherde
in derben Zügen einkapselnd und durchsetzend. Daß die
lupösen Herde vollkommen zu Grunde gehen, ist indessen
nicht immer konstatiert, vielmehr sind auch nach anfänglich
1) Kümmell, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie 189S S. 345.
2) S. Gassmann und Schenkel, Fortschritte auf dem Gebiete
der Röntgenstrahlen 1899 Bd. II S. 121; Sjögren und Sederholm,
ebendas. 1901 Bd. IV S. 145 und Bd. V S. 37; Grouven, ebendas.
Bd. V S. 35 u. 186.
Das praktische Arbeiten mit Röntgenstrahlen. 249
guten Resultaten Recidive in der anscheinend vollkommen
gesunden Narbe vorgekommen. Daß in Zukunft noch bessere
Resultate erhalten werden, ist wohl zu erwarten.
Bei Lupus erythematodes sind ebenfalls1) günstige
Erfolge zu verzeichnen, doch muß die Behandlung oft sehr
lange ausgedehnt werden und Recidive treten leicht auf.
Bei chronischem Ekzem erhielt Albers-Schönberg2)
ein durchaus befriedigendes Resultat.
Pruritus ani et vulvae, Psoriasis, Acne, Scrofulo-
derma, Ulcerationen aus nicht klar gestellter Ursache.
Epitheliom, Warzen, Favus3) sind ebenfalls mit Erfolg
durch X-Strahien behandelt. Bei Carcinom sind gute Erfolge
beobachtet in Bezug auf Erweichung und Involution der
Massen, Schwinden der Oedeme, namentlich aber der
Schmerzen.
Die gemeinsame Ursache der Wirkung wird man darin
suchen dürfen, daß bei geeigneter Dosierung der X-Strahlen
eine Entzündung und- Obliterierung der Gefäße sowie eine
Wucherung des Bindegewebes eintritt, wobei die pathologi-
schen Elemente zu Grunde gehen.
Gelegenheit zu therapeutischer Verwendung der
X-Strahlen wird sich infolge der Zusammensetzung des
Krankenmaterials in Militärlazaretten im allgemeinen nur
selten finden. Nur diejenigen Lazarette werden überhaupt in
der Lage sein, geeignete Fälle mit X-Strahlen zu behandeln,
welche von Zentralen mit Strom versorgt und in der Be-
schaffung der erforderlichen Zahl von Röhren nicht be-
schränkt sind.
1) Schiff, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen
1899 Bd. II S. 135; Sjögren und Sederholm, ebendas. Bd. IV
S. 145.
2) Portschr. auf dem Gebiete d. Röntgenstrahlen 1899 Bd. II S.20.
3) Grouven, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen
1901 Bd. IV S. 182
250 Transportable Röntgeneinrichtungen.
(5. Transportable Röntgeneinrichtungen.
Die tiefgreifende Bedeutung, welche die Röntgenstrahlen
binnen kurzer Zeit erlangten, und welche sie bald als ein
unentbehrliches Hilfsmittel für jeden gewissenhaften Chirurgen
erschienen ließen, rief bald den Wunsch hervor, neben der
schwerfälligen stationären Einrichtung des Krankenhauses
auch bewegliche Apparate zur Verfügung zu haben, welche
sich leicht transportieren lassen und Aufnahmen auf den
Stationen in jedem beliebigen Bett oder im Hause des
Kranken gestatten sollten. Ferner war es von ganz be-
sonderer Bedeutung, die im Frieden gewonnenen Erfahrungen
auch auf Kriegs Verhältnisse übertragen und dem ver-
wundeten Soldaten draußen dieselben Vorteile der genauen
Untersuchung zuwenden zu können, deren er daheim teilhaftig
wird. Es sind daher transportable Apparate schon seit
einigen Jahren konstruiert und für alle erwähnten Zwecke
empfohlen worden.
Was zunächst die Verwendung solcher Apparate im
Frieden betrifft, so stehen derselben Schwierigkeiten prin-
zipieller Natur nicht entgegen. Der Induktor ist selbst bei
40 cm Funkenlänge nicht zu schwer und ein wenig empfind-
liches Instrument. Auch der Transport eines Unterbrechers
bietet keine besondere Schwierigkeit. Der Platin-Unter-
brecher ist völlig unempfindlich, aber auch die Motor-, Tur-
binen- und Wehnelt-Unterbrecher sind in Ausführungen her-
stellbar, welche sehr wohl transportabel sind. Am meisten
sind der Gefahr des Zerbrechens die Röntgenröhren ausge-
setzt, doch gelingt es durch besondere Kästen mit guter
Lagerung und Polsterung auch hier den Transport sicher zu
ermöglichen. WTas die Stromquelle anbetrifft, so findet sich
in den meisten Krankensälen und in vielen Privathäusern
Anschluß an Netzstrom, der unmittelbar verwendet werden
kann. Fehlt derselbe, so sind auch Kästen mit i^kkumula-
toren ohne zu große Unbequemlichkeit mitzuführen. Solche für
Friedensverhältnisse ausreichenden Zusammenstellungen aller
notwendigen Apparate sind von verschiedenen Firmen auf
Transportable Röntgeneinrichtungen.
251
den Ausstellungen der letzten Jahre gezeigt. Ob von ihnen
Gebrauch gemacht ist, darf füglich be-
ein ausgedehnter
zweifelt werden. Denn die
wachung der Instrumente, das Fehlen mancher Bequemlich-
notwendige sorgfältige lieber-
Fie. 84.
Transportable Röntgeneinrichtung von Siemens & Halske (geschlossen).
Maßstab etwa 1 : 5.
keiten bei der Aufnahme erleichtern demjenigen die Arbeit
nicht gerade, der es übernimmt, außerhalb des wohl einge-
richteten Kabinettes zu operieren. Diese Bequemlichkeiten
kommen nicht* etwa allein dem Röntgographen zu gute,
sondern sie sichern bei dem vielfach komplizierten Verfahren
252
Transportable Röntgeneinrichtungen.
Fig. 85.
Transportable Röntgeneinrichtung von Siemens & Halske (geöffnet).
Transportable Röntgeneinrichtungen.
253
L- 2B cm
254
Transportable Röntgeneinrichtungen.
das Endresultat, die Güte des Bildes, die Diagnose und sind
so von erheblicher Bedeutung für den Kranken selbst. Dazu
kommt, daß derartig zu untersuchende Kranke meist chirurgi-
scher Hilfeleistungen bedürfen, welche schließlich doch nur in
hierfür besonders eingerichteten Krankenhäusern aufgeführt
werden können. Es dürfte deshalb den transportablen Ap-
paraten im Frieden eine größere Verwendung nicht be-
schieden sein.
Auch für die Zwecke der Landpraxis hat man derartige
Einrichtungen empfohlen und wohl gar schon daran gedacht,
Fig. 87.
Transportable Röntgeneinrichtung von W. A. Hirschmann.
daß der auf dem Automobil mit allen Röntgenapparaten
herumfahrende Landarzt seine Maschine auf eine kleine
Dynamo umschaltet und nun. an beliebiger Stelle seine Auf-
nahmen macht. Es ist keine Wahrscheinlichkeit ciafür vor-
handen, daß dieser Traum so bald zur Wirklichkeit werden
wird. Es ist vielmehr mit Sicherheit anzunehmen, daß für
absehbare Zeit und bei der andauernden Verbesserung der
Wege und Transportmittel es noch immer leichter und auch
weniger kostspielig sein wird, einen Kranken, der doch der
chirurgischen Behandlung in einem Krankenhause zugeführt
werden muß, auch schon zur Röntgenaufnahme in ein mit
Transportable Röntgeneinrichtungen. 255
allen Vorrichtungen versehenes Laboratorium zu trans-
portieren1).
Wie steht es nun mit der Verwendung der Röntgen-
strahlen im Kriege? Unzweifelhaft hat einerseits der Krieger
ein Anrecht wie auf die neuesten, wirksamsten Waffen so auf
alle Errungenschaften der heilenden Wissenschaft, andererseits
kann die Militärverwaltung sich der Verpflichtung nicht ent-
ziehen, den verwundeten Söhnen des Landes alle Hilfsmittel
zur Erleichterung ihres Loses, soweit es irgend möglich, zu-
gänglich zu machen. Es fragt sich nur, wieweit die Technik
vorgeschritten ist, welche kriegsbrauchbaren Formen der
Apparate zur Zeit vorhanden oder in Aussicht sind. Ferner
muß man sich darüber klar werden, welche Stellen der Feld-
sanitätsformationen mit solchen Einrichtungen zu ver-
sehen sind.
Daß es möglich ist, auch unter schwierigen Verhält-
nissen einen Röntgenapparat zu transportieren, lehren die Er-
fahrungen des Surgeon-Major W. C. Beevor2), der bereits im
Jahre 1897 in den- Kämpfen der Engländer an der indischen
Nordwestgrenze gegen die Afridis es fertig brachte, in den
vordersten Lazaretten Aufnahmen zu machen. Er ließ die
Apparate an einer Bambusstange aufgehängt von Kulis tragen
und hatte trotz unwegsamer Felsen, trotz eiskalten Wassers,
herabstürzender Gebirgsbäche, Regen und Schnee keinen Unfall
zu beklagen. Zwei Mann zum Tragen, zwei zur Reserve ge-
nügten. Die Sicherheit dieses Transportes war dem mit
Maultieren, Kameelen und auf Fahrzeugen bei weitem über-
legen. Zum Betrieb empfahl er eine von Menschen in Be-
wegung gesetzte Dynamo und einen tragbaren Akkumulator,
welche Wechsel- und aushilfsweise verwendet werden sollten.
Um in heißen Klimaten ein Schmelzen der Isolierungen des
Induktors zu vermeiden, wurde eine Mischung aus Paraffin
und Harz, welche erst bei 150° Fahr. = 65,5° C. schmilzt,
am sichersten befunden.
Wenn diese Vorrichtungen auch wohl für unkultivierte
1) Auf die Schwierigkeiten, welche die Ausübung des Verfahrens
für den praktischen Arzt mit sich bringt, machte neuerdings nach-
drücklich Faulhaber aufmerksam. Deutsche medizin. Wochenschrift
1902 S. 855.
2) Nach einem am 20. Mai 1898 zu London gehaltenen Vortrage.
256 Transportable Röntgeneinrichtungen.
Gegenden ausreichen oder vielleicht zur Zeit die einzig
möglichen sein mögen, so muß man doch für europäische
Verhältnisse vollkommenere Apparate ins Auge fassen.
Was zunächst die Apparate im allgemeinen betrifft, so
ist der Verwaltung mit den meisten der bisher angebotenen
Zusammenstellungen wenig gedient. Alle nötigen Teile lassen
sich zwar erwiesenermaßen in einer genügend kompendiösen,
transportablen Form herstellen, allein die fast stets als Strom-
quelle beigegebenen Akkumulatoren sind für den Feldge brauch
nicht hinreichend widerstandsfähig. Auf ihre Verwendung
muß, solange die Konstruktionen nicht erheblich über die
heute bekannten hinauskommen1), sowohl der Verletzlickeit der
aktiven Schicht als der Schwere wegen vollkommen ver-
zichtet werden. Zwar könnte man daran denken, daß
größere oder kleinere Stromzentralen heut schon häufig ge-
funden werden und nur das Mitführen der übrigen Apparate
für ausreichend halten. Demgegenüber muß aber hervorge-
hoben werden, daß dann die Einrichtung eben unvollständig
und daher nicht kriegsfertig ist. Dazu kommt aber noch
der andere Umstand, daß auch für diese übrigen Instrumente
auf den bisher vorhandenen Wagen der Sanitätsformationen
ohne weiteres kein Raum vorhanden ist. Es muß darauf
gerechnet werden, daß durch die Röntgen-Einrichtung ein
neues Fahrzeug notwendig wird, dem dann aber zweckmäßig,
wenn möglich, gleich die Aufgabe zugewiesen wird, die er-
forderliche Kraftstation mitzuführen.
Die einzige Konstruktion, welche in dieser Beziehung-
bekannt und praktisch erprobt ist, rührt von der Firma
Siemens & Halske her, welche für Zwecke der militärischen
Funkentelegraphie solche Wagen gebaut, auch drei derartige
Fahrzeuge zur Verwendung für Röntgenaufnahmen für das
deutsche Expeditionskorps während der chinesischen Wirren
geliefert hat2). Während der Erprobung der letzteren hat
sich herausgestellt, daß Erfolge nur zu erzielen sind, wenn
die Apparate dauernd unter sachverständiger Kontrolle ge-
halten werden. Ist dies der Fall, so ist man allerdings im-
1) Vielleicht ist der lange erhoffte Eisen -Nickel -Akkumulator
Edisons eine selche Konstruktion.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Ergänzungs-
band 7 S. 13. Später sind noch Lieferungen für die japanische Re-
gierung ausgeführt.
Transportable Röntgeneinrichtungen,
257
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Steck ow, Das Röntgen -Verfaliren.
17
258
Transportable Röntgeneinrichtungen.
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Transportable Röntgeneinrichtungen.
259
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260 Transportable Röntgeneinrichtungen.
stände, sowohl gute Röntgenbilder zu erzeugen als auch mit
demselben Motor von etwa 3 — 4, höchstens 10 PS auch den
Operationssaal, Kasino oder dergl. Räume zu beleuchten,
wenn seine Leistung nicht gerade für den Röntgenapparat ge-
braucht wird. Aber es ist doch zu betonen, daß erst eine
genaue Einarbeitung dazu gehört, um den Motor dauernd
leistungsfähig zu erhalten. Ist dieselbe nicht vorhanden, so
hat sich gezeigt, daß ein kleiner Dampfmotor leichter zu be-
dienen ist als eine Explosionsmaschine.
Auf einen Uebelstand des Exlosionsmotors muß noch hin-
gewiesen werden, d. i. das untrennbar mit seinem Arbeiten ver-
bundene Geräusch. Bis jetzt ist noch kein Schalldämpfer er-
funden, welcher hiergegen genügend wirksam ist. Für den in
freier Luft im offenen Wagen Fahrenden ist das wohl zu er-
tragen, innerhalb eines Lazarettes aber kann der Motor nur in
weiter Ferne von belegten Räumen geduldet werden. Bei den
neueren protzenartig gebauten Kriegswagen ist daher die Ein-
richtung so getroffen, daß der Motor und die Dynamomaschine
fest auf dem Wagen montiert und außerhalb in einem Schuppen
aufgestellt, Induktor und Unterbrecher aber in das Röntgen-
zimmer transportiert werden können. Kabel und Telephon-
leitung für den Mann am Motor stellen die Verbindung her.
Daß diese räumliche Trennung der einzelnen Apparate nicht
gerade zur Bequemlichkeit der Bedienung beiträgt, leuchtet
ein. Auf wie unerwartete Schwierigkeiten man beim
Gebrauch unter Feldverhältnissen stößt, lehrt die Er-
fahrung in Ostasien. Dort verstaubte die Maschine bei den
häufigen Sandstürmen jedesmal dermaßen,, daß eine peinliche
Reinigung mit Auseinandernehmen der einzelnen Teile er-
forderlich War.
Eine weitere Vervollkommnung ist von der Firma
Siemens & Halske neuerdings in der Art angebracht, daß
die ganze Einrichtung auf zwei zweirädrige, von einander
unabhängige Karren verteilt ist. Auf dem einen befindet
sich der Stromerzeuger, bestehend aus einem etwa 4 PS
Benzinmotor, direkt gekuppelt mit einer Gleichstromdynamo
von 65 Volt und 20 Ampere. Auf demselben Karren kann
noch der Wehnelt-Unterbrecher installiert werden. Dieser
Wagen kann auch allein für Beleuchtungsz wecke, z. B. des
Operationssaales, verwendet werden.
Alle anderen Apparate, wie Induktor (40 dm), Schalt-
brett, Fluoreszenzschirm, Röntgenröhren und photographische
Transportable Röntgeneinrichtungen.
261
=8
262 Transportable Röntgeneinrichtungen.
Einrichtung befinden sich auf dem zweiten zweirädrigen Karren
und sind ohne weiteres daraus zu entnehmen.
Um nicht bei jeder Aufnahme von den Launen des
Motors abhängig zu sein, ist es ratsam, an solchen Stellen,
wo Akkumulatoren gehalten werden können, dieselben erst
mittelst des Motors zu laden. Da das nur alle 4 — 6 Wochen
zu geschehen braucht, hat man immer Zeit, für richtiges
Funktionieren des Motors zu sorgen. Diese Methode ist im
Frieden überall anwendbar, wo Akkumulatoren fest aufgestellt
werden können oder etwa nur innerhalb des Lazarettes zum
Laden umherzutragen sind. Für Kriegszwecke kann auf das
Mitführen von Akkumulatoren noch nicht gerechnet werden;
da ihr Gefüge den Unbilden öfteren Transports auf schlechten
Wegen noch nicht gewachsen ist.
Bleibt man also für Kriegszwecke an den unmittelbaren
Betrieb mit dem Motor gebunden, so wäre es jedenfalls sehr
erwünscht, ein Modell zu besitzen, welches die oben genannten
Schattenseiten des Benzinmotors nicht aufweist. Hier eröffnet
sich nun der Ausblick auf den modernen Dampfmotor.
Die Dampfmaschinentechnik hat in ihrer mehr als
150jährigen Entwickelung einerseits zur Schaffung ganz großer
Typen von Tausenden von Pferdestärken geführt, neuerdings
aber auch wieder zu kleineren Maschinen, welche nur wenige
Pferdestärken Leistung haben und im Kleingewerbe sowie im
Automobilbau Verwendung finden. Dies ist möglich geworden
namentlich durch die Konstruktion von Kesseln, welche rasche
Dampferzeugung mit großer Sicherheit gegen die Gefahren
einer Explosion verbinden. Die Konstruktion der eigentlichen,
den Dampf verbrauchenden und nutzbar machenden Maschinerie
ist seit langem durchgearbeitet und hat feststehende Normen
erlangt. Die Vorzüge der Dampfmaschine sind bis jetzt ihr
elastischer, stoßfreier Gang, ihre relative Unempfmdlichkeit
gegenüber kleinen Schädlichkeiten und ihr geräuschloses Ar-
beiten. Es muß hervorgehoben werden, daß der eine der
deutschen Röntgenapparate in Tientsin erst ordentlich in Gang
gebracht werden konnte, nachdem eine in einem chinesischen
Arsenal vorgefundene kleine stationäre Dampfmaschine zum
Betriebe herangezogen war.
Allerdings ist die Dampfmaschine nicht im Augenblick
betriebsbereit wie der gut gehende Explosionsmotor. Wenn
man aber imstande ist, in 7 — 10 Minuten vom Anheizen
an Dampf von der erforderlichen Spannung (20 — 40 Atmo-
Transportable Röntgeneinrichtungen. 263
Sphären) zur Verfügung zu haben, so dürfte diese
Schnelligkeit der Betriebsbereitschaft für Röntgenzwecke
vollauf genügen. Derartige Kessel, zuerst von der Loeo-
mobile Co. of Amerika für Automobile verwendet, werden
jetzt auch in Deutschland gebaut. Es sind Kessel von Stahl-
blech mit zahlreichen kupfernen Siederöhren im Innern, welche
durch eine besondere Vorrichtung die Brennstoffleitung (Benzin
oder Spiritus) abdrosseln, sobald der zulässige Betriebsdruck
von 15 Atmosphären erreicht ist und sie wieder öffnen, wenn
durch Dampf entnähme der Druck sinkt.
Einen weiteren Fortschritt in der Heiztechnik für kleine
Motoren bedeuten sicherlich die durch Patente geschützten
Erfindungen des Ingenieurs Stoltz von der Motorfahrzeug-
fabrik Deutschland. Die einzelnen Heizelemente bestehen
aus etwa daumdicken Stahlplatten von der Größe einer Ofen-
kachel, mit Durchbohrungen, welche wie neben einander
liegende Flintenläufe die Platten durchsetzen. Sie halten einen
Druck von 800 Atmosphären ohne jede Deformierung aus
und werden durch besondere Brenner mit vollkommen ver-
gastem Petroleum angeheizt.1)
Falls die Explosionsmotoren nicht noch besondere Fort-
schritte inbezug auf Einfachheit, Schmiegsamkeit und Ge-
räuschlosigkeit machen, sind Versuche mit den oben ge-
nannten oder ähnlichen Dampfmotoren angezeigt und aus-
sichtsvoll.
Es kann also festgestellt werden, daß für europäische
Verhältnisse auf einem besonderen Wagen montierte Röntgen-
einrichtungen mit Stromquelle im Felde notwendig und schon
heut herstellbar sind. Der Wagen hätte dann gleichzeitig die
photographische Ausrüstung mitzuführen, während die not-
wendige Dunkeleinrichtung jeweils am Orte der Tätigkeit zu
improvisieren bleibt. Ferner sind Verbesserungen der jetzt
vorhandenen Motoren mit Sicherheit zu erwarten.
Es bleibt nun noch die Frage zu beantworten, welchen
Feldformationen diese Apparate zuzuweisen sind, da von einer
allgemeinen Einführung selbstverständlich nicht die Rede sein
kann. Der hier und da geäußerte Gedanke, einfach die
Wagen für Funkentelegraphie für Sanitätszwecke heranzu-
1) Die Patente sind von der Germania- Werft (Friedr. Krupp) Kiel
erworben, um zunächst im Automobilbau ausgedehnte Verwendung zu
finden.
264 Transportable Röntgeneinrichtungen.
ziehen, kann kaum ernst genommen werden. Sic sind sicher-
lich weder in genügender Anzahl noch gerade an den Orten
der Lazarette vorhanden und müssen, wenn auch technisch
den Röntgenzwecken entsprechend gebaut, für andere Auf-
gaben jeden Augenblick zur Verfügung stehen. Der Sanitäts-
dienst kann sich auf fremde Hülfe nicht basieren, sondern
muß, wenn die Mitführung überhaupt möglich ist, über eigene
Apparate verfügen.
Die Sanitätskompagnieen bilden die erste größere Etappe
auf dem Wege zur Heilung und zur Heimat. Es ist daher
daran gedacht, daß die Röntgenapparate hier besonders am
Platze wären, zumal diese Dienststellen es nur mit Ver-
wundeten, niemals mit Kranken zu tun haben. Vergegen-
wärtigt man sich aber die Tätigkeit auf dem Hauptverband-
platz, so erscheint die Verwendung der X-Strahlen hier kaum
möglich. Eine derartige Untersuchung bedarf immer der Ruhe
und einiger Vorbereitung. An Aufnahmen kann nicht gedacht
werden, für Betrachtung auf dem leuchtenden Schirm fehlt
das notwendige Dunkelzimmer. Die Hauptaufgabe besteht
hier nicht in einer Behandlung der Verwundeten , sondern in
deren schleuniger Sondernng und Hemchtung zum Transport.
Ist dies erreicht, so ist die Tätigkeit der Sanitätskompagnie
erfüllt und ihre Hülfsmittel erschöpft. Da die heutigen Ver-
bandmethoden (Jodoformgaze, aseptischer Mull, Nichtberühren
der Wunde, Immobilisierung) gestatten, eine nicht infizierte
Wunde mit vollkommener Sicherheit längere Zeit frisch zu
erhalten, so bringt die Verschiebung einer gründlichen Be-
handlung, die nur in der Ruhe mit allen Hilfsmitteln aus-
geführt werden kann, um einige Tage in den meisten Fällen
dem Verletzten keinen Schaden, sondern sichert ihm vielmehr
die unentbehrliche Sorgfalt.
Die Feldlazarette sind der erste Ort, in welchen die
Verwundeten zunächst zur Ruhe kommen, und in welchen
nun die definitive Afersorgung aller Verletzungen vorgenommen
wird. Der eigentliche Ort für Anwendung der Röntgenstrahlen
ist also hier zu suchen, zumal auch bei der Unterbringung
der Feldlazarette in vorhandenen Gebäuden die nötigen Räum-
lichkeiten überall gefunden werden können.
Soll nun jedes Feldlazarett mit einem Röntgen- Apparat
ausgestattet werden? Dies würde immer einen Wagen mehr,
also eine erhebliche Vermehrung des Trosses bedeuten und
recht bedeutende Kosten verursachen. Zudem ist ein großer
Transportable Röntgeneinrichtungen. 265
Teil der Feldlazarette längere Zeit nicht etabliert oder aber
mit innerlich Kranken belegt, welche der X-Strahlen nicht
bedürfen.
Unter Abwägung aller Verhältnisse und der in der
deutschen Armee eingeführten Formationen erscheint zur Zeit
die allgemeine Beigabe von Röntgenwagen zu den Feld-
lazaretten verfrüht, Ihr eigentlicher Platz muß zunächst
noch hinter dieser Linie, also bei dem Lazarett-Reserve-
Depot gesucht werden, dem ja auch die Aufgabe der Ver-
sorgung der Feldlazarette mit anderen Hilfsmitteln zufällt.
Hier müßten sie allerdings in genügender x\nzahl und hin-
reichend beweglich vorhanden sein, um sogleich nach den
etablierten Lazaretten, welche ihrer bedürfen, in Marsch gesetzt
zu werden. Drei Wagen dürften für ein Armeekorps genügen,
da die Lazarette nach einander aufgesucht werden können.
Die Wagen müßten fahrbereit sein, Pferde könnten nach
Bedarf gestellt werden. Daß die Sanitäts-Offiziere mit .den
eigentlichen Röntgenapparaten umzugehen versteheu, darf in
Zukunft allgemein erwartet werden. Für die Bedienung des
Motors wären Maschinisten, Schlosser oder ähnliche Leute
bei den Lazarett-Reserve-Depots einzustellen und von hier
den Wagen beizugeben. Dieser Weg erscheint vorläulig als
der einzig gangbare, um auch im Felde die rechtzeitige An-
wendung der Röntgenstrahlen zu ermöglichen. Daß dabei
die Gelegenheit, die Hilfsquellen des Landes zur A^ersorgung
der Armee heranzuziehen, auch in dieser Hinsicht ausgenutzt
wird, daß in größeren Städten vielleicht Röntgeneinrichtungen
vorgefunden und in Anspruch genommen werden können,
bedarf keiner weiteren Begründung.
Druck von L. .Schumacher in Berlin N, 24.
f ~c^gyägcy& <xüys cMiys c^gs/s cvpya gvüys c^gjyäcxüy&ll
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
(Durch alle Buchhandlungen zu beziehen.)
B(1 Bibliothek von Coler-Schjerning.
1. Kubier, Geschichte der Pocken und der Impfung. Mit
12 Abb. und l 'laf. . 1901. 8 M.
2. E. von Behring, Diphtherie. (Begriffsbestimmung, Zu-
standekommen, Erkennung und Verhütung.) Mit
2 Abbildungen im Text. 1901. 5 M.
3. Buttersack, NichtarzneilicheTher apiein nerer Krank-
heiten.' Skizzen für physiologisch-denkende Aerzte. Mit
8 Abbildungen im Text. Zweite Autl. 190:!. 4 M. 50 Pf.
4. Trautmann, Leitfaden für Operationen am Gehörorgan.
Mit 27 Abbildungen im Text. 19ul. 4 M.
5. Hermann Fischer, Leitfaden der kriegschirurgischen
Operationen. Mit 56 Abbildungen. 1901. 4 M.
6. N. Zuntz u. Schumburg, Studien zueinerPhysiologie des
Marsches. Mit Abb., Curven im Text und 1 Tafel. 8 M.
7. Alb. Köhler, Grundriss einer Geschichte der Kriegs-
chirurgie. Mit 2t Abbildungen. 190 1. 4 M.
8. P. Musehold, DiePestundih reBekämpfung. Mit 4 Licht-
drucktafeln. 1901. 7 M.
9. H. Jaeger, DieCerebrospinalmeningitis als Heeres- .
Seuche. In ätiologischer, epidemiologischer, diagnostischer
und prophylaktischer Beziehung. Mit 33 Texttaf. 1901. 7 M.
10. Gerhardt, Die Therapie der Infecti onskrankheiten. In
Verbindung mit Stabsarzt Dr. Dorendorf, Oberstabsarzt
Prof. Dr. Grawitz, Oberstabsarzt Dr. Hertel, Oberstabsarzt
Dr. Ilberg, Oberstabsarzt Dr. Landgraf, Generaloberarzt
Prof. Dr. Martius, Stabsarzt Dr. S chul z . Oberstabsarzt Dr.
Schnitzen. Stabsarzt Dr. Stuertz und Stabsarzt Dr.
Wide n mann. Mit Curven im Text. 1902. 8 M.
11. E. Marx, Die experimentelle Diagnostik, Serumthe-
rapieun dProphylaxederlnfectionskrankheiten.
Mit 1 Textfigur und 2 Tafeln. 1902. 8 M.
12. Martens, Die Verletzungen und Verengerungen der
Harnröhre und ihre Behandlung. Auf Grund des
König'schen Materials (1875 — 1900). 8. Mit einem Vorwort
von Geh. Rath Prof. Dr. König. 1902. 4 M.
18. A. Menzer, Die Aetiologie des acuten Gelenkrheuma-
tismus nebst kritischen Bemerkungen zu seiner Therapie.
Mit Vorwort von Geh. Rath Prof. Dr. Senator. Mit 5 Ta-
feln. 1902. 5 M.
14. A. Hiller, Der Hitzschlag auf Märschen. Mit Benutzung
der Acten der Medicinal-Abtheilung des Preussischen Kriegs-
ministeriums. Mit 6 Holzschn. und :i Curven. 1902. 7 M.
15/16. Sonnenburg und Mühsam, C o m p e n d i ü m der Operations-
und Verbandstechnik. I. Theil. Mit 150 Te.xtfig. 1903.
4M. — II. Theil. Mit 194 Textfiguren. 1903. 6 M.
17. Niedner, Die Kriegsepidcmieen des 19. Jahrhunderts.
1903. 5 M.
18. StechOW, Das Röntgen -Verfahren mit besonderer Be-
rücksichtigung der militärischen Verhältnisse.
Mit 91 Abbildungen im Text. 1903. 6 M.
19. J. Boldt, Das Trachom als Volks- und Heereskrank-
heit. 1903. 5 M.
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QC
U81
S85
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