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Full text of "Die in meiner Klinik geübte Technik der Gallensteinoperationen mit einem Hinweis auf die Indikationen und die Dauererfolge : auf Grund eigener, bei 1000 Laparotomien gesammelter Erfahrungen"

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Presented  to  the 

LIBRARY  o///ie 

UNIVERSITY  OF  TORONTO 

by 

DR.    M.    H.    BRODER 


Die  in  meiner  Klinik  geübte 

Technik  der  Gallensteinoperationen 

mit  einem  Hinweis  auf 

die  Indikationen  und  die  Dauererfolge. 


Auf  Grund  eigener, 
bei  1000  Laparotomien  gesammelter  Erfahrungen 

bearbeitet  von 

Prof.  Dr.  Hans  Kehr. 

Mit  81  schematischen  Zeichnungen  im  Text  des  I.  Teils, 

24  schematischen  Zeichnungen  im  Text  des  II.  Teils  und 

14  Tafeln  am  Ende  des  I.  Teils. 


J.  F.  Lehmann's  Verlag. 
MÜNCHEN  1905. 


Alle  Rechte,  insbesondere  das  der  Uehersetzung  vorbehalten. 


I 


1 

i 


Seiner  Excellenz 
dem    Wirklichen   Geheimen  Rat 

Herrn  Professor  Dr,  Rrnst  v.  Bergmann 

gewidmet. 


VorvsTort. 


Das  Geheimnis  des  Glückes  ist: 
Freude  am  Werk  unserer  Händel 

Nachdem  ich  nunmehr  14  Jahre  lang  Gallensteinchirurgie 
getrieben  und  am  14.  12.  04.  die  lOOOste  Gallensteinoperation 
ausgeführt  habe,  trete  ich  mit  einem  Buche  vor  die  Öffentlichkeit, 
in  dem  ich  unter  einem  Hinweis  auf  die  Indikationen  zur  Operation 
und  die  augenblicklichen  und  Dauererfolge  besonders  die  in  meiner 
Klinik  geübte  Technik  der  Gallensteinoperationen  ausführlich 
beschreibe.  1000  Gallensteinoperationen!  Wer  auf  dem  Gebiete 
der  Gallen  stein  Chirurgie  auch  nur  einigermassen  Bescheid  weiss, 
der  kann  die  Mühe  und  Arbeit  beurteilen,  die  nötig  war,  um 
eine  solche  Arbeit  zu  bewältigen.  Der  kennt  auch  die  schweren 
und  sorgenvollen  Stunden,  die  solche  Eingriffe  mit  sich  bringen. 
Neben  den  guten  Erfolgen  blieben  die  Misserfolge  nicht  aus, 
aber  sie  kamen  in  einer  solch'  verschwindenden  Minderzahl  vor, 
dass  ich  heute  allen  Grund  habe,  mit  grösster  Befriedigung 
auf  die  vergangenen  14  Jahre  zurückzublicken. 

Ich  habe  durch  die  vielen  Operationen  viel  gelernt. 

Sie  verschafften  mir  den  richtigen  Einblick  in  die  patho- 
logische Anatomie  der  Cholelithiasis,  schärften  meine  diagno- 
stischen Fähigkeiten  und  verhalfen  mir  zu  einer  Technik,  die 
mich  heutzutage  in  die  Lage  versetzt,  mich  iu  den  schwierigsten 
Fällen  schnell  zurecht  zu  finden  und  Operationen,  zu  denen  ich 
früher  3 — 4  Stunden  brauchte,  in  V«  his  1  Stunde  zum  guten 
Ende  zu  führen.  Ich  kann  mich  glücklich  schätzen ,  dass  ich 
mich  in  dieser  Spezialität  ausbilden  konnte,  und  ich  hoffe,  wenn 
ich  gesund  bleibe,  noch  viele  Jahre  lang  zum  Wohle  der  zahl- 
reichen Gallensteinkranken  das  Messer  führen  zu  können. 

Zur  Feier  meiner  lOOOsten  Gallensteinoperation  habe  ich 
mir  selbst  eine  Festschrift  geschrieben:  sie  befasst  sich  beson- 


VI 

ders  mit  der  Technik  der  Gallensteinoperationen  und  der 
Indikationsstellung.  Ich  hatte  das  Bedürfnis,  die  von  mir 
geübte  Technik  einer  kritischen  Prüfung  zu  unterwerfen  und 
festzustellen,  ob  sie  den  Anforderungen  moderner  Chirurgie  ent- 
spricht. Und  dann  wollte  ich  mir  selbst  über  die  von  mir 
aufgestellten  Indikationen  zur  Operation  Eechenschaft  ablegen. 
Ich  hoffe,  dass  sowohl  meine  Technik  als  auch  meine  Indikations- 
stellung in  den  Kreisen  der  Ärzte  Anklang  findet. 

Wenn  ich  mich  an  dem  Tage  meiner  lOOOsten  Gallenstein- 
operation meiner  Erfolge  freuen  kann,  so  will  ich  nicht  ver- 
gessen, dass  ich  diese  in  erster  Linie  dem  kollegialen  Wohl- 
wollen zahlreicher  Ärzte  verdanke.  Dem  Chirurgen  werden  die 
meisten  Kranken  von  den  Hausärzten  überwiesen.  Ohne  deren 
Kat  ist  es  nach  meiner  Erfahrung  selten,  dass  einmal  ein 
Patient  freiwillig  eine  chirurgische  Klinik  aufsucht.  Gerade 
auf  dem  Gebiete  der  Cholelithiasis  ist  ein  einmütiges  Zusam- 
menarbeiten von  Chirurgen  und  praktischen  Ärzten  dringend 
notwendig,  wenn  man  den  Kranken  die  richtige  Behandlung 
angedeihen  lassen  will.  Ich  habe  mich  von  jeher  der  Unter- 
stützung vieler  Kollegen  erfreuen  können,  die  mir  eine  grosse 
Zahl  Gallensteinkranker  zuführten  und  dazu  beitrugen,  dass 
ich  die  Gallensteinchirurgie  zu  einer  Art  Spezialität  in  meiner 
Klinik  ausbilden  konnte.  Die  guten  Erfolge,  die  ich  erzielte, 
kann  jeder  von  diesen  Ärzten  getrost  für  sich  beanspruchen. 
Dankbaren  Herzens  schreibe  ich  diese  Worte  nieder  in  der 
Hoffnung,  dass  auch  in  Zukunft  das  kollegiale  Zusammenarbeiten 
mit  den  praktischen  Ärzten  andauern  wird. 

In  zweiter  Linie  verdanke  ich  die  guten  Erfolge  meinen 
Assistenten,  die  mir  bei  und  nach  der  Operation  treulich  zur 
Seite  standen.  Mit  Wehmut  gedenke  ich  meines  ersten  Helfers 
in  meiner  Klinik,  des  verstorbenen  Oberstabsarztes  Dr.  Saur- 
brey,  der  nun  schon  vier  Jahre  in  der  kühlen  Erde  ruht. 
Die  andern  sind  —  des  freue  ich  mich  —  zum  grossen  Teile 
tüchtige  Chirurgen  geworden,  die  selbstständig  auf  dem 
Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  weiter  arbeiten  und  bereits 
über  ansehnliche  Erfolge  berichten  können.  Allen  meinen 
Assistenten  spreche  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  Dank  aus 
für  die  aufopfernde  Mühe,  die  sie  besonders  bei  der  Nach- 
behandlung meinen  Kranken  bei  Tag  und  Nacht  zukommen 
Hessen.  — 


VII 

Die  zahlreichen  Kollegen,  die  bei  meinen  Gallensteinopera- 
tionen zugeg-en  waren  —  ich  hatte  die  Freude  berühmte  Ver- 
treter der  Chirurgie  in  meinem  Hause  begrüssen  zu  können  — , 
sprachen  fast  sämtlich  den  Wunsch  aus,  eine  von  mir  verfasste 
Technik  der  Gallensteinoperationen  zu  besitzen.  Ich  habe  mich 
lange  dagegen  gesträubt,  diesem  Wunsche  nachzukommen,  da 
ich  der  Meinung  bin,  dass  eine  noch  so  anschaulich  geschriebene 
Operationslehre  nicht  im  Stande  ist,  den  Nutzen,  den  das  Zu- 
sehen bei  Operationen  gewährt,  zu  ersetzen.  Doch  sehe  ich 
ein,  dass  nur  wenige  Arzte  in  der  Lage  sind,  sich  die  Zeit  zu 
gönnen,  an  Spezialkliniken  für  Gallensteinchirurgie  ihre  Kennt- 
nisse zu  erweitern,  und  ich  gebe  auch  zu,  dass  Chirurgen,  die 
sich  sonst  mit  der  Abdominalchirurgie  beschäftigen,  an  einer  ge- 
schriebenen Technik  genügenden  Anhalt  finden  können,  wie  sie 
sich  bei  der  chirurgischen  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit 
zu  verhalten  haben. 

Immerhin  muss  ich  ausdrücklich  bemerken,  dass  ein  Arzt, 
auch  wenn  er  die  folgenden  Auseinandersetzungen  auswendig 
lernt,  noch  lange  kein  Gallensteinchirurg  wird.  Für  Studierende 
und  solche  Kollegen,  denen  jede  spezielle  chirurgische 
Ausbildung  abgeht,  ist  die  Technik  nicht  geschrieben;  diese 
mögen  sich  mit  der  Lektüre  der  Indikationen  und  der  Dauererfolge 
begnügen.  Wer  sich  besonders  für  die  pathologische  Anatomie 
der  Cholelithiasis  interessiert,  dem  werden  die  zahlreichen 
mikroskopischen  Untersuchungen  der  excidierten  Gallenblasen 
willkommen  sein.  Dieselben  sind  in  dem  pathologischen  Institut 
des  Herrn  Prof.  Dr.  Asch  off  in  Göttingen  und  Marburg  aus- 
geführt worden,  wofür  ich  auch  an  dieser  Stelle  dem  verehrten 
Kollegen  meinen  ergebensten  Dank  ausspreche. 

Die  Technik  ist  also  lediglich  für  solche  Ärzte  bestimmt, 
welche  in  der  Chirurgie  völlig  Bescheid  wissen  und  die  Haupt- 
operationen der  Bauchhöhle  (Gastroenterostomie,  Darmresektion 
etc.)  gründlich  beherrschen.  Ich  werde  bei  der  Beschreibung 
der  Vorbereitungen  zu  einer  Gallensteinoperation  Gelegen- 
heit finden,  diesen  Punkt  noch  ausführlich  zu  erörtern. 

Ich  wurde  in  dem  Entschluss,  eine  Technik  der  Gallenstein- 
operationen zu  schreiben,  durch  den  Umstand  wesentlich  bestärkt, 
dass  bisher  die  Gallensteinchirurgie  in  den  bekannten  Operations- 
lehren (z.  B.  von  Kocher,  Sonnen  bürg  und  Mühsam)  nur 
sehr  stiefmütterlich  behandelt  worden  ist;  die  beste,  dem  Zweck 


VIII 

des  Buches  entsprechend  aber  sehr  kurze  Darstellung  der 
Gallensteinchirurgie  findet  man  bei  v.  Bergmann  und  Rochs. 

Eine  ausführliche  Beschreibung  der  Operationstechnik  der 
Eingriffe  am  Gallensystem  stammt  von  Riedel.  Aber  gerade 
von  diesem  Chirurgen  weiche  ich  in  vielen  Punkten  wesentlich 
ab  (z.  B.  im  Hinblick  auf  die  Tamponade  nach  Ectomie,  auf 
die  Choledochotomie  mit  Naht,  Hepaticusdrainage,  Schlauch- 
vertahren,  transduodenale  Choledochotomie  etc.).  Ich  werde 
deshalb,  damit  der  Leser  unsere  gegensätzlichen  Ansichten 
genau  kennen  lernt,  auf  diese  näher  eingehen  müssen;  ich 
verfolge  dabei  nicht  den  Zweck,  meine  Erfahrungen  in  den 
Vordergrund  zu  drängen,  sondern  ich  will  einen  Ausgleich 
herbeizuführen  suchen  zwischen  zwei  Chirurgen,  deren  Haupt- 
tätigkeit es  von  jeher  war,  die  Gallensteinchirurgie  zu  pflegen 
und  auszubauen.  Wer  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen  versteht, 
der  wird  gemerkt  haben,  dass  Riedel  in  seinem  Buch  oft  gegen 
mich  —  ohne  Nennung  eines  Namens  —  Stellung  nimmt;  ich 
liebe  im  Kampf  auch  bei  wissenschaftlichen  Fragen  die  offene 
Aussprache  und  verspreche  mir  davon  für  die  Förderung  der 
Gallensteinchirurgie  einen  grösseren  Gewinn,  als  wenn  man 
Seitenhiebe  austeilt  und  durch  versteckte  Angriffe  sich  wehrt. 

Riedel  hat  um  die  Ausbildung  der  Gallensteinchirurgie  sich 
grosse  Verdienste  erworben,  die  ich  stets  anerkannt  habe.  Nach 
Langenbuch  hat  er  diesen  Teil  der  Chirurgie  am  meisten  aus- 
gebildet, aber  von  seinen  Operations  Vorschriften  kann  ich  nicht 
alle  gut  heissen. 

Trotzdem  empfehle  ich  jedem  Chirurgen,  Riedel's  Buch 
recht  sorgfältig  zu  studieren,  ich  bitte  aber  auch  mit  dem 
meinigen  ebenso  zu  verfahren. 

Jeder  handle  also  nach  dem  Grundsatz:  Prüfet  Alles  und 
behaltet  das  Beste ! 

Ob  meine  Vorschriften  besser  oder  schlechter  sind  wie  die 
Riedel 's,  das  wird  die  Wissenschaft  entscheiden.  Mag  das  Urteil 
der  Fachleute  gut  oder  schlecht  ausfallen,  etwas  Nutzen  wird 
mein  Buch  hoffentlich  bringen  und  dazu  beitragen,  die  Gallen- 
steinchirurgie populärer  zu  machen.  Nur  wenige  Chirurgen 
beschäftigen  sich  mit  ihr  in  grösserem  Umfang;  die  meisten 
scheuen  die  schwierige  Technik  und  ziehen  vielleicht  aus  diesem 
Grunde  die  Indikationen  zur  Operation  sehr  eng.  Ich  hoffe  von 
meiner  Arbeit,  dass  sie  noch  recht  viele  Chirurgen  zu  begeisterten 


IX 

Freunden  der  Gallensteinchirurgie  macht.  Das  wäre  der 
schönste  Lohn  für  die  Mühe,  die  mir  die  Fertigstellung  des 
Buches  bereitet  hat.  Ich  bilde  mir  nicht  ein,  dass  die  von 
mir  beschriebene  Operationstechnik  in  jeder  Beziehung  voll- 
kommen ist.  Wir  wollen  doch  nicht  vergessen,  dass  wir  erst 
im  Anfang  der  Gallensteinchirurgie  stehen  und  dass  eigentlich 
erst  seit  22  Jahren  —  seit  der  ersten  Ectomie  Langen  buch's  — 
die  operative  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit  in  Fluss  ge- 
kommen ist.  Noch  gibt  es  genug  an  der  Technik  auszubessern! 
Auch  wenn  man  wie  ich  1000  Gallehsteinoperationen  gemacht 
hat,  kommen  noch  genug  Fälle  vor,  denen  gegenüber  man 
sich  sehr  als  Anfänger  fühlt,  und  oft  genug  werde  ich 
daran  erinnert,  dass  ich  trotz  grosser  Übung  und  Erfahrung 
noch  ein  rechter  Stümper  bin. 

Gerade  diese  Einsicht  hat  mich  bewogen,  meine  Operations- 
erfahrungen immer  wieder  kund  zu  geben,  und  ich  hoffe  dadurch 
manchem  Kollegen  viel  „Lehrgeld"  zu  ersparen  und  bei  diesem 
und  jenem  Gallensteinkranken  die  Gefahr  des  blutigen  Eingriffs 
erheblich  zu  mildern. 

Die  folgende  Arbeit  zerfällt  in  zwei  Teile.  In  dem  ersten 
spreche  ich  von  den  Vorbereitungen  zur  Operation,  der  Opera- 
tionstechnik, der  Nachbehandlung  und  den  Erfolgen.  Die  überall 
im  Text  eingefügten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  im  zweiten 
Teil  niedergelegten  Krankengeschichten.  Für  jede  Operations- 
methode habe  ich  als  Beleg  mehrere  Krankengeschichten  an- 
geführt, aus  denen  man  zugleich  die  bei  der  Operation  selbst 
und  hinterher  bei  der  Nachbehandlung  eintretenden  Abweichungen 
genau  kennen  lernen  soll.  Ich  habe  die  Krankengeschichten 
in  einem  besonderen  Teil  untergebracht,  um  nicht  den  Text  im 
ersten  Teil  unnötig  zu  zerreissen.  Nur  wenige  Kranken- 
geschichten, die  meine  Contraindikationen  zur  Operation  erörtern 
sollen,  habe  ich  in  dem  Kapitel:  „Indikationen"  untergebracht; 
ebenso  findet  sich  der  Fall  von  Plastik  am  Ductus  choledochus, 
von  Aneurysma  der  Art.  hepatica  und  von  Hepato-Cholangio- 
Enterostomie  im  ersten  Teil  dieses  Buches.  Der  grosse  Wert 
einer  guten  Casuistik  kommt  gerade  in  der  Gallensteinchirurgie 
so  recht  zur  Geltung,  und  eben  deshalb  habe  ich  im  II.  Teil 
dieses  Buches  1T7  Krankengeschichten  zusammengestellt,  aus 
denen  die  Einzelheiten  der  von  mir  im  I.  Teil  beschriebenen 
Technik    zu   ersehen    sind.     „Die  Krankengeschichten    sind  — 


X 

wie  Lennander  richtig  sagt  —  Tatsachen,  an  die  man  sich 
halten  kann.  Derjenige,  der  keine  persönliche  Erfahrung  besitzt, 
muss  gute  Krankengeschichten  in  Massen  lesen  und  sich  in 
jede  von  ihnen  hineindenken/'  Dies  ist  auch  meine  Meinung 
und  mein  Wunsch. 

Die  Anamnesen  der  Krankengeschichten  stammen  ent- 
weder von  den  Ärzten,  die  mir  die  Kranken  zur  Operation 
anvertrauten,  oder  von  meinen  Assistenten.  Der  Befund  und 
die  Diagnose  wurden  stets  von  mir  vor  der  Operation 
niedergeschrieben.  Der  Verlauf  der  Operation  wurde  ebenfalls 
von  mir  notiert,  während  den  Verlauf  nach  der  Operation  die 
Assistenten  zu  Protokoll  brachten. 

Ich  bin  bisher  immer  gewohnt  gewesen,  den  Beruf  wie 
die  Herku  n  f  t  meiner  Kranken  anzugeben  und  war  sehr  erstaunt, 
dass  ein  Kritiker  einer  meiner  früheren  Arbeiten  meine  Gewohn- 
heit abfällig  kritisierte.  Ich  meine,  es  ist  wichtig,  dass  man 
Beruf  und  Geschlecht  der  Patienten  kennt;  ja  es  scheint  mir, 
dass  diese  Kenntnis  nützlich  ist.  Hat  doch  Riedel  in  einer 
Arbeit  aus  der  Jenenser  Klinik  meine  diesbezüglichen  Angaben 
gut  verwerten  lassen  können,  um  über  Ätiologie  und  Vorkommen 
der  Cholelithiasis  Untersuchungen  anzustellen.  Wenn  ich  den  Ort 
angebe,  woher  die  Patienten  stammen,  so  habe  ich  dabei  nicht 
die  Absicht,  die  Verbreitung  der  Cholelithiasis  zu  ergründen. 
Das  dient  lediglich  zu  meiner  Orientirung  und  zu  der  der- 
jenigen Kollegen,  die  mir  die  Kranken  zur  Operation  überwiesen 
haben.  Ich  bin  oft  genötigt,  bei  späteren  Arbeiten  auf  frühere 
Krankengeschichten  zurückzugreifen.  Steht  da  nun :  Herr  S.  B. 
ausN.,  so  muss  ich  erst  alle  Krankenbücher  durchblättern,  ehe  ich 
mich  orientiere,  steht  aber  da :  S.  B.,  Apothekenbesitzer  aus 
Nauheim,  so  weiss  ich  sofort,  wer  damit  gemeint  ist.  Und 
Kollegen,  die  meine  Krankenjournale  lesen,  werden  viel  leichter 
die  Operationsgeschichte  ihres  Patienten  finden.  Ein  Kritiker 
sollte  sich  doch  an  solchen  kleinlichen  Äusserlichkeiten  nicht 
stossen,  sondern  mehr  dem  Inhalt  und  den  Erfolgen  sein  Augen- 
merk schenken.  Ich  bleibe  also  bei  meiner  Gewohnheit  und 
bin  mir  bewusst,  dass  ich  es  Allen  niemals  recht  machen  werde. 

Bisher  hat  noch  kein  Patient  sich  „getroffen"  gefühlt,  dass 
ich  so  ausführlich  sein  Leiden  beschrieben  habe.  Selbstver- 
ständlich habe  ich  Krankheiten  wie  Gonorrhoe  und  Lues  etc., 
die    man    gern    geheim    hält,    nicht   erwähnt.     Auch   hat  sich 


XI 

Niemand  bisher  gekränkt  gefühlt,  weil  ich  seine  Lebercirrhose, 
deren  Entstehung  ich  auf  Excesse  in  Baccho  zurückführen 
musste,  diagnostiziert  habe ;  im  Gegenteil :  Die  Patienten  mit 
Lebercirrhose,  die  ich  durch  die  Talma' sehe  Operation  heilen 
konnte,  sind  mir  so  dankbar,  dass  die  von  mir  vertretene 
Annahme  des  Potatoriums  bestimmt  keinen  veranlassen  wird, 
mich  deshalb  „gerichtlich  zu  belangen". 

Es  war  nicht  leicht,  die  vielen  Krankengeschichten  in  be- 
stimmten Gruppen  unterzubringen.  Fälle,  die  z.  B.  in  dem 
Abschnitt  transduodenale  Choledochotomie  erwähnt  sind,  konnten 
ebensogut  bei  der  Choledocho-Duodenostomia  interna  angeführt 
werden  und  umgekehrt.  Immerhin  glaube  ich,  dass  meine 
Einteilung  nicht  ganz  unpraktisch  ist  und  bei  einer  raschen 
Orientierung  über  die  einzelnen  Operationsmethoden  gute 
Dienste  leistet. 

Zahlreiche  Abbildungen  mögen  zum  bessern  Verständnis 
der  von  mir  geübten  Technik  beitragen.  Die  schematischen 
Zeichnungen  sind  von  mir  selbst  entworfen  und  von  einem 
Zeichner  des  J.  F.  Lehmann 'sehen  Verlags  in  München  aus- 
geführt worden.  Einige  Bilder  habe  ich  den  ausgezeichneten 
Atlanten  von  Schnitze  und  Sobotta  entnommen.  Die 
Skizzen,  welche  die  retroduodenale  Choledochotomie  erläutern, 
hat  mir  Herr  Prof.  Payr  in  Graz  zur  Verfügung  gestellt, 
wofür  ich  ihm  meinen  besten  Dank  ausspreche.  — 

Ich  widme  dieses  Buch  Seiner  Excellenz  dem  Wirklichen 
Geheimen  Rat  Herrn  Professor  Dr.  Ernst  von  Bergmann. 
Seine  mit  Hochs  zusammen  herausgegebene  Operationslehre 
ist  so  ziemlich  die  einzige,  welche  die  von  mir  eingeführte 
Hepaticusdrainage  ausführlich  beschreibt.  Und  dann  hat  mich 
Herr  von  Bergmann  von  vornherein  in  meinen  Bestrebungen 
auf  dem  Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  so  wohlwollend  unter- 
stützt, dass  ich  das  Bedürfnis  fühle,  ihm  durch  ein  äusseres 
Zeichen  meinen  Dank  auszudrücken.  Als  ich  nunmehr  vor  zehn 
Jahren  auf  dem  Chirurgenkongress  meine  Jungfernrede  hielt: 
„Über  die  Entfernung  des  eingeklemmten  Steines  aus  dem  Ductus 
cysticus  durch  Incision  dieses  Ganges",  und  der  Vorsitzende 
von  Esmarch  die  Dauer  der  Vorträge  am  letzten  Sitzungs- 
tage auf  5  Minuten  angesetzt  hatte,  da  war  es  unser  erster 
deutscher  Chirurg,  der  die  Erlaubnis  erwirkte,  dass  ich  länger 
als   5  Minuten  reden  durfte,  und  der  für  meine  Methode  ein 


XII 

sehr  lebhaftes  Interesse  zeigte.  Auch  in  späteren  Jahren  hat 
der  akademische  Meister  der  ersten  deutschen  Universität  mir, 
dem  Chirurgen  einer  kleinen  Provinzialstadt,  Zeichen  seines 
Wohlwollens  zu  teil  werden  lassen,  wofür  ich  ihm  auch  an 
dieser  Stelle  meinen  ergebensten  Dank  ausspreche. 

Ich  verbinde  mit  der  Widmung  dieses  Buches  den  Wunsch, 
dass  Ernst  von  Bergmann  noch  viele  Jahre  der  deutschen 
Chirurgie  erhalten  bleiben  möge,  der  Wissenschaft  zum  Ruhme, 
den  Kranken  zum  Segen  und  den  Ärzten  zur  Nacheiferung  I 

Halberstadt,  14.  Dezember  1904, 

am  Tage  der  1000.  Gallenstein-Operation. 

Prof.  Dr.  Hans  Kehr. 


I  Teil. 


Die  Vorbereitungen  zu   einer   Gallensteinoperation,   die 

Technik  der  verschiedenen  Eingriffe,  die  Nachbehandlung 

der  Gallensteinoperierten  und  die  augenblicklichen  und 

Dauererfolge  nach  Gallensteinoperationen. 


Inhalt  des  ersten  Teils. 


Seite 

A.  Die  Yorbereitungen  zu  einer  Gallensteinop^ration    .    .     1 

I,  Die  Yorbereitungen  des  Operateurs  und  seiner  Assistenten      1 

Über  die  wissenschaftliche  Ausbildung  eines 
Gallensteinchirurgen  S.  1.  Ein  Gallensteinchirurg 
muss  ein  firmer  Laparotomist  sein  S.  5.  Dirigenten 
kleiner  Krankenhäuser  dürfen  nur  unter  bestimmten 
Bedingungen  Gallensteiuoperatiouen  ausführen  S.  7. 
Zusammenwirken  von  praktischen  Ärzten  und 
Spezialisten  S.  8.  Der  Gynäkologe  als  Gallenstein- 
operateur S.  9.  Kuhn's  Ansichten  über  Gallenstein- 
sanatorien S.  10.  Mein  Urteil  über  dieselben  S.  12. 
Ohne  gute  Assistenz  ist  eine  Gallensteinoperation 
unmöglich  S.  16.  Kann  man  Gallensteinoperationen 
auch  in  der  Privatpraxis  ausführen?  S.  17.  Ein- 
richtung des  Operationszimmers  S.  18.  Waschung 
der  Hände  S.  19.    Pflege  der  Hände  S.  21. 

II.  Die  Vorbereitnngen  des  Kranken 22 

Psychische  Vorbereitung  S.  22.  Einrichtung  des 
Krankenzimmers  S.  23.  Vorbereitungen,  die  sieh 
auf  den  Körper  des  Kranken  beziehen  S.  24.  Baden 
S.  24.  Ruhe  S.  24.  Diät  des  Kranken  S.  25.  Ab- 
führen S.  26.  Magenentleerung  S.  26.  Gewöhnung 
an  die  Magensonde  S.  27.  Pflege  der  Zähne  S.  27. 
Vorbereitungen  bei  ikterischen  Patienten  S.  27. 
Chlorcalcium,  Gelatinelösung  S.  28.  Reinigung  der 
Bauchhaut  des  Patienten  S.  29. 

III.  Die  Vorbereitungen  des  Unterbindungsmaterials,  des  Ver- 
bandzeugs und  der  Instrumente 30 

Seide  S.  30.  Catgut  S.  31.  Sterilisierung  des  Ver- 
bandzeugs S.  32.  Kompressen  zur  Absperrungs- 
tamponade S.  33.  Kompressenzählung  S.  34.  Her- 
stellung der  Kompressen  und  der  Tampons  S.  37. 
Tupfergaze,  Watte,  Cambricbinden,  Kopftücher  S.  39. 
Instrumente  S.  39,  Operation  ausserhalb  der  Klinik 
S.  45. 


XVI 

B.  Die  Technik  der  Grallensteinöperationen 47 

I.  Die  allgemeine  Technik  der  Oallenstcinoperationen  ...    47 

1.  Die  Anatomie  des  Grallensystems     ...    47 

Normale  Lage  der  Gallenblase  S.  47.  Anomalien 
S.  48.  Arteria  cystica  S.  49.  Ductus  cysticus  S.  50. 
Ductus  choledochus  S.  51.  Zweck  der  Gallenblase 
S.  51.  Sitz  der  Gallensteine  S.  52.  Anatomie  dea 
Lig.  hepato-duodenale  S.  53.  Arterien  (Haasler)  S.  55. 
Venen  S.  56.  v.  Büngner's  Untersuchungen  S.  57. 
Lymphdrüsen  S.  58.    Nerven  S.  58.  ^ 

2.  Die  Narkose  bei  einer  Gallen  Steinope- 
ration    58 

Schleich's  Anästhesierungs-Methode  S.  58.  Ather- 
narkose  S.  59.  Chloroformnarkose  S.  59.  Chloroform- 
Sauerstoffnarkose  S.  59. 

3.  Die   Verteilung  der  bei    einer   Gallen- 
steinoperation nötigen  Personen   .    .    .    60 

Beschränkung  der  Zuschauerzahl  S.  60.  Beschrän- 
kung der  Assistenz  S.  6L  Mein  aseptisches  Ope- 
rationszimmer S.  62.  Stellung  der  verschiedenen 
Personen  S.  62.     Stellung  des  Operateurs  S.  63. 

4.  Die   Lagerung    des   Kranken    bei    einer 
Gallensteinoperation 63 

Verstellbarer  Operationstisch  S.  64.  Bessere  Zu- 
gänglichkeit des  Operationsterrains  durch  Unter- 
schieben einer  Rolle  unter  den  Rücken  des  Patienten 
S.  64.  Kelling's  Lagerung  S.  64.  Schutz  gegen  Ab- 
kühlung des  Patienten  S.  64. 

5.  Die  Schnitt führung  durch  die  Baucb- 
decken  bei  einer  Gallensteinoperation    64 

Schnitte  von  Lawson  Tait,  Riedel,  Czerny,  Cour- 
voisier  S.  64.  Mein  Wellenschnitt  S.  64.  Schnitt  in 
der  Mittellinie  S.  66.  Langenbuchs  Schnitt  S.  67. 
Schnitt  nach  Keen,  Musser,  Parkes,  Böckel,  Willet 
S.  68.  Schnitt  nach  Kocher  S.  69.  Schnitt  nach 
Bevan  S.  70.  Lannelongue's  Rippenresektion  S.  71. 
Lumbaler  Schnitt  nach  Mears,  Tuffier  S.  72.  Schnitt 
nach  Bogajewski,  Reboul,  Tischendorf  S.  72.  Schnitt 
bei  sekundärer  Gallensteinoperation  S.  73.  Schnitt 
bei  Situs  transversus  S.  74. 

6.  Über  die  Asepsis  während  einer  Gallen- 
steinoperation      74 

Verstösse  gegen  die  Asepsis  S.  74.  Zwirnhand- 
schuhe  S.  75.     Gummihandschuhe  S.  76.     Punktion 


xvn 

der  Gallenblase  S.  76.  Dieulafoy  S.  76.  Absperrungs- 
tamponade S.  77.  Ausspülung  der  Gallenblase  ist 
fehlerhaft  S.  79.  Häufige  Reinigung  der  Hände  wäh- 
rend der  Operation  S.  79.  Luftinfektion  S.  80.  Ge- 
sichts- und  Mundmasken  S.  81. 

7.  Die   Lösung  der  Verwachsungen   am 
Gallensystem 81 

Inspektion  und  Palpation  des  Gallensystems  S.  82. 
Die  Verwachsungen  zwischen  Gallensystem  und  In- 
testinis  S.  83.  Warum  sind  die  Verwachsungen  zu 
lösen?  S.  84.  Lösung  der  Verwachsungen  bei  Ek- 
toniie  und  Choledochotomie  S.  85.  Zerstörung  der 
Gallenwege-Darmfisteln  S.  87.  Colostomie  S.  88. 
Gallenblasen-Duodenalfisteln  S.  90.  Die  verschiede- 
nen Arten  der  inneren  Fisteln  S.  90. 

8.  Die    Wundversorgung-    und    die    Naht 
derBauchwand 91 

Probeincision  S.  91.  Tamponade  mit  steriler  Gaze 
S.  91.  Durchstichknopfnaht  S.  92.  Etagennaht  S.  93. 
Herausleitungsstelle  für  die  Tamponade  S.  93.  Tam- 
ponade durch  den  Lumbaischnitt  S.  94.  Kelling's 
Aspirationsdrainage  6.  94. 

9.  Die  Indikationen  und  Kontraindikationen 
beiGallensteinoperationen 94 

Beschränkung  der  Indikationen  S.  95.  Verschieden- 
heit der  Indikationsstellung  bei  Chirurgen  und  In- 
ternen S.  96.  Riedel's  Indikationen  S.  98.  v.  Wini- 
warter's,  Kocher's  und  Mayo-Robson's  Indikationen 
S.  99.  Indikatiousstellung  auf  Grund  der  patholo- 
gischen   Anatomie   S.  100.     Meine   Indikationen   S. 

101.  Pathologische  Anatomie   der  Cholelithiasis  S. 

102.  Törnquist  S.  102.  Cholecystitis  S.  103.  Ver- 
schiedene Formen  derselben  S.  104.  Akute  Chole- 
cystitis 8.  107.  Chronische  Cholecystitis  S.  107. 
Steine  im  Ductus  choledochus  S.  108.  Naunyn's 
Choledochus-Duodenalfistel  S.  109.  Thesen  über  die 
Indikationen  S.  110.  Die  Frühoperation  ist  unnötig 
S.  115.  In  welchen  Punkten  ich  von  Riedel  ab- 
weiche S.  115.  Entfernung  der  Gallensteine  bei 
einer  aus  anderen  Gründen  indizierten  Laparotomie 
S.  127.  Indikationen  zur  inneren  Behandlung  der 
Cholelithiasis  S.  128.  Beseitigung  der  Entzündung 
S.  129.  Klemperer's  Ansichten  S.  130.  Kontraiu- 
dikationen  S.  133.  Akuter  Choledochusverschluss 
S.  134.     Akute  Exacerbation  der  chronischen  Chole- 


XVIII 


cystitiB  S.  138.  Chronische  Cholecystitis  und  Cho- 
langitis S.  140.  Manche-  Fälle  von  chronischem 
Choledochusverschluss  S.  142.  Andere  Kontraindika- 
tionen S.  145.  Steriler  Hydrops  der  Gallenblase  S. 
149.  Naturheilungen  (innere  Fistelbildung)  S.  154. 
Relative  Indikation  S.  156.  Innere  Kuren  S.  159. 
Massage  ist  zu  verwerfen  S.  160.  Glaser's  Cholo- 
genkur  S.  162.  Schürmayer's  Kur  S.  164.  Zweck 
der  Gallensteinoperationen  S.  167.  Fink's  Indika- 
tionen S.  170. 

II.  Die  spezielle  Technik  der  Gallensteinoperatiouen  .     .     .     .171 

1.  Die  Operationen  an  der  Gallenblase     .    .    .171 

a)  Die  Punktion  der  Gallenblase 172 

Gefahren  derselben  S.  172.  Punktion  bei  deut- 
lichem Bauchwandabszess  S.  172.  Punktion  der 
Gallenblase  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  S.  173. 
Harley's  Prozedur  S.  173. 

b)  Die  Cystendyse  (ideale  Operation)  und  ihre 
Modifikationen       173 

Technik  S.  173.  Methode  nach  Parkes,  Carmalt 
S.  174.  Cystendyse  mit  Tamponade  S.  175.  Ver- 
fahren nach  Bloch  S.  175.  Verfahren  nach  Wölfler 
und  Senger  S.  176. 

c)  Die  zweizeitige  Cystostomie 176 

Technik  S.  176.  Indikationen  S.  179.  Vorteile, 
Nachteile  S.  180. 

d)  Die  einzeitige  Cystostomie 180 

Cystostomie  bei  grosser  Gallenblase  mit  freiem 
Cysticas  S.  181.  Drahtmethode  S.  185.  Fistelanle- 
gung nach  Gersuny  S.  186.  Cystostomie  bei  Cysti- 
cusverschluss  S.  187.  Unvollständige  Cystostomie 
(laterale  Suspension  der  Gallenblase)  S.  190.  Schlauch- 
verfahren S.  191.  Netzplastik  nach  Lauenstein  S. 
192.  Verfahren  nach  Landerer  S.  192.  Verfahren 
nach  Delag^ni^re  S.  192.  Cystostomie  nach  Ab- 
lösung der  Gallenblase  von  der  Leber  S.  193. 

e)Die  Ectomie   der   Gallenblase 193 

Technik  S.  193.  Entleerung  der  Gallenblase  bei 
der  Ectomie  S.  194.  Versorgung  der  Art.  cystica 
S.  197.  Liegenlassen  von  Klemmen  S.  197.  Ver- 
sorgung des  Leberbetts  S.  199.  Tamponade  S.  200. 
Hepatopexie  S.  200.  Technische  Schwierigkeiten 
bei  der  Ectomie  S.  201.  Versorgung  des  Cystious- 
stumpfs  S.   203.    Resektion  der  Gallenblase  S.  203. 


XTX 

Verfahren  von  Mayo  S.  203.  Verfahren  von  Kott- 
mann  S.  204.  Fundusresektion  S.  204.  Loreta's 
Colecistorafia  S.  204.  Zweizeitige  Ectomie  nach 
Shettle  S.  204. 

f)Die    Eotomie     bei     Carcinom     der   Gallen- 
blase      204 

Pathologisch-Anatomisches  S.  205.  Technik  S.  207. 
Dauerheiluiigen  nach  Gallenblasencarcinomopera- 
tionen  S.  208. 

2.  Die  Operationen  am  Ductus  cysticus    .    .  209 

a)  Die  Cy  stic  oli  t  hotrips  i  e 209 

Nachteile  derselben  S.  209. 

b)DieprimäreCysticotomie 209 

Innere  Cysticotomie  nach  Körte  S.  209.  Äussere 
Cysticotomie  S.  210.  Technik  S.  210.  Naht  bei 
Cysticotomie  S.  211.  Greiffenhagen's  ideale  Cysti- 
cotomie S.  211. 

c)Die      Cysticectomie     (die     Excision    des 

Ductus  cysticus) 212 

Technik  S.  212.  Auslösung  der  Mucosa  des 
Cysticus  S.  212.  Die  Resektion  des  Ductus  cysticus 
S.  212. 

8.  Die  Operationen   am   Ductus    choledociius  212 

a)  Die  Choledoc  holith  otripsi  e 212 

Nachteile  derselben  S.  213. 

b)  Die  supraduodenale  Choledochotomie  mit 
Naht  und  die   Hep  at  icusdrai  nage     ....  213 

Grosser  Schnitt  S.  214.  Kleiner  Schnitt  nach 
Mannoury  und  Richardson  S.  214.  Technik  S.  214. 
Behandlung  der  Gallenblase  S.  215.  Choledochus- 
naht  S.  220.  Hepaticusdrainage  S.  221.  Chole- 
dochus-  und  Hepaticusdrainage  S.  222.  Unmöglich- 
keit der  Hepaticusdrainage  S.  223.  Verschiedene 
Kombinationen  von  Gallenblasenoperation  und 
Hepaticusdrainage  S.  225.  Notwendigkeit  der  Tam- 
ponade S.  225.  Technik  derselben  S.  226.  Blutung 
bei  der  Incision  des  Choledochus  S.  227.  Lumbai- 
schnitt nach  Tuffier  bei  der  Choledochotomie  S.  227. 
Zweizeitige  Choledochotomie  S.  228.  Verfahren  von 
Rose-Kuhn  S-  228.  AnfüUung  der  Gallenwege  mit 
Luft  S.  229.  Über  Riedel's  Choledochotomie  mit  Naht 
ohne  Taraponade  S.  229.  Vorzüge  der  Hepaticus- 
drainage S.  232. 


XX 


c)  Die  transduodenale  Oholedochotomie    .     .     .  233 

Riedel  bestreitet  die  Notwendigkeit  dieser  Opera- 
tion S.  233.  Technik  derselben  S.  235.  Transduo- 
denale und  retroduodenale  Freilegung  S.  236.  Tech- 
nik nach  Colins,  Mc.  Burney,  Kraske  S.  237.  Tech- 
nik nach  Kocher,  Majo  Rohson  S.  238.  Choledochus- 
fege  nach   Kehr   S.  238.     Zeller's  Verfaliren  S.  239. 

d)  Die  retroduodenale  Oholedochotomie    .     .     .  239 

Nachteile  der  transduodenalen  Oholedochotomie 
S.  240.  Eröffnung  des  Duodenums  durch  Längs-  oder 
Querschnitte  S.  240.  Technik  der  retroduodenalen 
Oholedochotomie  S.  241.  Langenbuch's  Vorgehen 
S.  242.  Kocher's  Mobilisierung  des  Duodenum  S. 
242.  Technik  nach  Berg  S.  243.  Technik  nach 
Haasler  S.  244.  Fall  von  De  Quervain  S.  244.  Fall 
von  Payr  S.  245.  Meine  Ansicht  über  die  retro- 
duodenale Oholedochusinzision   S.  245. 

e)  Die  Resektion  des  Ductus  choledochus     .       246 

Die  Fälle  von  Doyen  und  Kehr  S.  246.  Grund- 
züge der  Operationstechnik  S.  247.  Resektion  an 
der  Papilla  duodeni  S.  248.  Fälle  von  Ozerny, 
Halsted  und  Körte  S.  248. 

4.  Die  Operationen  am  Ductus   hepaticus  249 

Hepaticotomie  S.  249.  Hepaticostomie,  Hepatocho- 
langiostomie ,  Hepatocholangioenterostomie  S.  250. 
Hirschberg's  Operation  S.  251.  Kritik  derselben 
durch  Berger  S.  251.  Mein  Fall  von  Hepatocho- 
langioenterostomie S.  256.  Enderlen's  Tierexperi- 
mente S.  262.  Hirschberg's  Ausstellungen  an  der 
Hepatocholangioenterostomie  S.  264. 

5.  Die    Anastomosen    zwischen    Galle  n  Sy- 
stem undintestinis .265 

Die  verschiedenen  Arten  S.  265.  Benutzung  des 
Murphyknopfes  S.  265.  Nachteile  desselben  S.  265. 
Technik  der  Oysto-Gastrostomie  S.  266.  Majo-Rob- 
son's  Anastomose  zwischen  Gallenblase  und  Oolon 
S.  267.  Riedel's  Technik  S.  268.  Erste  Oholecysto- 
Enterostomie  nach  v.  Winiwarter,  erste  einzeitige 
Anastomose  nach  Kappeier,  Oysto-Gastrostomie 
nach  Gersuny  S.  270.  Dreizeitige  Operation  nach 
Tillaux  S.  270.  Oystico-Gastrostomie  S.  270.  Ohole- 
docho-Duodenostomie  S.  270.  Hepatico-Enterosto- 
mie  S.  271.  Senn'sche  Platten  und  Kautschukröhren 
nach  Duboury  bei  den  Anastomosen  unnötig  S.  271. 


XXI 

Radsiewsky's  Schlussfolgerungen  S.  272.  Modifi- 
kationen der  Anastomose  nach  Krause  und  Kruken- 
berg S.  273.  Ascendierende  Cholangitis  S.  273.  Ana- 
stomose eines  Pankreasfistelgangs  mit  der  Gallen- 
blase S.  274. 

6.  D  i  e  ])  l a  s  t i  s  c  h e n  Operationen  an  den 
Grallenwegen 274 

Enderlen's  und  Justi's  Experimente  S.  274.  Tier- 
versuche von  Baldassari  und  Gardini  S.  275.  Netz- 
plastiken bei  Anastomosen  S.  275.  Kehr's  Plastik 
eines  Choledochusdefekts  S.  276.  Technik  S.  280. 
Indikationen  zu  plastischen  Operationen  an  den 
Gallenwegen  S.  281. 

7.  Die  Unterbindung  der  Arteria  hepa- 
tica  propria  wegen  Aneurysma 283 

Die  Arbeit  Hansson's  über  das  Aneurysma  der 
Art.  hepat.  S.  283.  Kehr's  Fall  S.  283.  Symptome 
des  Aneurysma  S.  288.  Diagnostik  desselben  S.  290. 
Blutungen  bei  Cholelithiasis  S.  291.  Arbeiten  über 
das  Aneurysma  von  Mester  S.-  291.  Langenbuoh 
S.  293.  Ehrhardt  S.  297.  Haussen  S.  299.  Kasuistik 
S.  300.  Technik  der  Operation  S.  301.  Fall  von 
Habs  S.  305. 

8.  Die  Behandlung  der  circumscri  pten  und 
diffusen  Eiterungen  in  der  Bauchliöhle 
bei  Cholelithiasis       305 

Perforationsperitoni tis  S.  306.  Abgekapselte  und 
diffuse  Peritonitis  S.  307.  Hepatopexie  S.  307.  Gallen- 
steinileus  S.  307. 

9.  Die  sekundären  Operationen  am  Gallen- 
systera  (besonders  wegen  Schleim-  und 
Gallenfisteln)      308 

Bauchwandabszess  S.  309.  Ursachen  der  Schleim- 
fisteln S.  309.  Verschwellung  der  Cysticusschleim- 
haut  S.  309.  Obliteration  des  Ductus  cysticus  S.  310. 
Stein*  im  Ductus  cysticus  S.  311.  Carcinom  des 
Ductus  cysticus  S.  312.  Abknickung  des  Ductus 
cysticus  durch  Adhäsionen  S.  312.  Die  Behandlung 
der  Schleimfisteln  S.  313.  Gallenfisleln  S.  314.  Ihre 
Ursachen  S.  314.  Entzündlicher  Prozess  in  der 
Gallenblase  S.  315.  Steine  in  der  Gallenblase  S.  315. 
Abknickung  des  Choledochus  durch  zu  straflFe  Fixa- 
tion   der   Gallenblase    an    die    ßauchwand   S.    316 


XXTI 

Lippenfisbeln  S.  817,  Gallenfisteln  durch  Chole- 
dochussteine  bedingt  S.  318.  Andere  Ursachen  der 
permanenten  Gallenfisteln  S.  318. 

a)  Die  Sondierung  der  Gallenblase       ....  318 
Technik  derselben  S.  318. 

b)  Die  Ausspülung  der  Gallenblase      ....  319 
Zweck  derselben  S.  319. 

c)  Die  Stöpselung  der  Gallenblasenf  ist  ei   .     .  320 

Technik  S.  321. 

d)  Die  sekundäre  Cystectomie 322 

Bauchdeckenschnitt  S.  323.    Technik  S.  324. 

e)  Die  sekundäre  Cysticotomie 324 

Technik  S-  324.  Operationen  hei  kompleter  Gal- 
lenfistel S.  325.  Ablösung  der  Gallenblase  von  der 
Bauchwand^S.  326. 

f)  Die  sekundäre  Choledochoto  mie 326 

g)  Die  sekundäre  Cysto-Enterostomie    ....  327 

Technik  S.  327. 

10.  Einige  Winke  über  die  Auswahl  der  ver- 
schiedenen Operationsmethoden  auf  Grund 
meiner  Erfahrungen 328 

a)  Die  Vorteile  und  Nachteile  der  verschiede- 
nen Operationen  des  Gallensystems      .     .     .  328 

Keine  Cystendyse  S.  329.  Zweizeitige  Cystosto- 
mie  S.  330.  Ectomie  S.  330.  Bei  akuten  eitrigen 
Fällen  Cystostomie  S.  331.  Choledochotomie  S.  332. 
Cholecyst-Enterostomie  S.  333.  Richardson's  Stand- 
punkt S.  333.  Robson's  Standpunkt  S.  335.  Vor- 
teile der  Cystostomie  S.  336.  Vorteile  der  Ectomie 
S.  337.  Vorteile  der  Hepaticusdrainage  S.  338.  Nach- 
teile derselben.    S.  339. 

b)  Die    historische    Entwicklung    der    Gallen- 
stein-Chirurgie in  meiner  Klinik 339 

Cystendyse  S.  340.  Cystostomie  S.  340.  Chole- 
dochotomie S.  340.  Anastomosen  S.  341.  Chole- 
dochusfege  S.  342.  Cysticotomie  _  S.  343.  Statistik 
über  meine  Operationen  von  1890—1904  S   344. 

C.  Die  Nachbehandlung  der  Oallensteinoperierten    .    .    .345 
I.  Allgemeiner  Teil  der  Nachbehaudlaiig  .     .  345 

Wichtigkeit  der  Nachbehandlung  S.  346.  Opera- 
tionen im  Privathause  sind  möglichst  einzuschränken 
S.  346.    Der  erste  Tag  nach  der  Operation    S.  349, 


XXIII 

Puls,  Temperatur  S.  350.  Morphium  S.  351.  Magen- 
spülung S.  351.  Koehsalzinfusionen  S.  351.  Kom- 
plikationen S.  352.  Cholämische  Blutungen  S.  352. 
Lungenerkrankungen  S.  353.  Peritonitis  S.  354. 
Erbrechen  S.  354.  Akute  Dilatation  des  Magens 
S.  355.  Arterio- mesenterialer  Darmverschluss  S. 
356.  Schwarzes  Erbrechen  S.  359.  -Beobachtungen 
von  Landow,  M.  Schmidt,  Rodmann,  Friedrich  und 
Hoömann,  Sthamer  S.  360.  Casuistik  des  schwarzen 
Erbrechens  S.  361.  Therapie  S.  362.  Zwei  Fälle 
nach  Appendicectomieu  S.  363.  Ileus  S.  364. 
Diphtherie  des  Ileum  S.  365.  Subphrenischer  Ab- 
szess  S.  365.  Diät  nach  einer  Gallensteinoperation 
S.  366,  Diät  nach  Cystostomie  S.  369.  Nach  Bc- 
tomie  S.  370.  Nach  Choledochotomie  S.  371.  Ver- 
bandwechsel S.  372.  Riedel's  Verbandwechsel  S. 
372.     Ätherrausch    beim    Verbandwechsel.    S.  374. 

II.  Spezieller  Teil  der  Nachbehandlung 374 

1.  Die  Nachbehandlung  der  Cystostomie      .    .  374 

Art  des  Verbands  S.  375.  Wechsel  des  Verbandes 
S.  376.  Entfernung  der  Fäden  S.  376.  Dauer  der 
Heilung  S.  377. 

2.  Die   Nachbehandlung   der    Ectomie     .    .    .377 

Abweichungen  im  Verlauf  S.  377.  Blut  im  Verband 
S.  377.  Galle  im  Verband  S.  379.  Wundsekret  im 
Verband  S.  380.    Dauer  der  Heilung  S.  381. 

3.  Die  Nachbehandlung  der  Choledochotomie 

undderHepaticusdrainage 381 

Verbandwechsel  S.  382.  Spülung  des  Hepaticus 
S.  383.  Störungen  des  normalen  Verlaufs  S.  385. 
Stöpselexperiment  S.  386.  Einführung  des  Lami- 
nariastifts  in  den  Hepaticus  S.  387.  Duodenalfisteln 
S.  388.  Entstehung  derselben  nach  v.  Cackovic  u. 
Lilienthal  S.  389.  Bougierung  der  Papilla  duodeni 
S.  390.  Karlsbader  Wasser-Trinken  während  der 
Rekonvaleszenz  unnötig  S.  391.  Fink's  Standpunkt 
S.  392. 

D.   Die  Erfolge  der  Oallensteinoperationen 395 

I.  Die  augenblicklichen  Erfolge 395 

Sterblichkeit  nach  meinen  1000  Gallensteinopera- 
tionen S.  396.  3,2  "/o  bei  697  reinen  Gallenstein- 
operationen S.  396.  Tabelle  der  Einzeleingriffe  S. 
397.     Resultate  der  Cystostomie  (2"/o  Mortalität)  S. 


XXIV 

•  399.  Resultate  der  .Eotomie  (3— 4«/o)  S.  899.  Re- 
sultate der  Hepaticusdrainage  (-i^/o)  S.  399.  Resul- 
tate bei  gleichzeitigen  Eingriffen  am  Magen  etc. 
( 17  "/o)  S.  400.  Resultate  bei  gleichzeitigen  Carci- 
nomen  (85  "/o)  S.  400.  Frühoperation  des  chroni- 
nischen  Choledochusversehlusses  nötig  S.  402.  Unter- 
schied der  Sterblichkeit  beim  männlichen  und  weib- 
lichen Geschlecht.  S.403.  Kritik  meiner  Erfolge.  S.40r). 

II.  Die  Dauererfolge 407 

Zurückweisung  der  Meinung  Schürmayer's  S.  408. 
Echte  und  unechte  Recidive  S.  409,  Riedel's  und 
Petersen's  Erfahrungen  S.  413.  Körte's  Ansichten 
S.  413.  Kasuistik  der  sog.  Recidive  S.  416.  Umfrage 
bei  meinen  ersten  400  Operationen  S.  419.  Umfrage 
bei  meinen  letzten  500  Operationen  S.  420."  Echtes 
Recidiv  S.  425.  Fall  von  Klemperer-Karlsbad  S.  427. 
Fall  von  Körte-Herrmann  S.  428.  Gemeinsames  V^or- 
gehen  der  inneren  Ärzte  und  Chirurgen  bei  Be- 
handlung der  Gallensteinkrankheit  notwendig  S.  429. 

Literatur 431 

Unter  besonderer  Berücksichtigung  der  grund- 
legenden Arbeiten  und  der  seit  1897  erschienenen 
Abhandlungen  nebst  einer  Aufzählung  der  aus 
meiner  Klinik  hervorgegangenen  Veröffentlichungen. 


I.  Teil. 


A)  Die  Vorbereitungen  zu  einer  Gallensteinoperation. 

Jede  Operation,  gleichgültig-,  ob  es  sich  um  die  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  oder  um  die  Entfernung  einer  Warze  handelt, 
verlangt  gewisse  Vorbereitungen,  denen  sich  der  Operateur  und 
der  Kranke  unbedingt  unterziehen  muss.  Je  schwieriger  die 
Operation  ist,  nm  so  umfassender  müssen  die  Vorbereitungen 
getroffen  werden.  Da  die  Gallensteinoperationen  zu  den  schwie- 
rigsten Eingriffen  gehören,  die  überhaupt  am  Menschen  vorge- 
nommen werden,  sind  die  Vorbereitungen  mit  dem  Bewusstsein 
grösster  Verantwortung  einzuleiten  und  mit  allen  zur  Verfügung- 
stehenden  Mitteln  zu  vollenden. 

Diese  Vorbereitungen  beziehen  sich  auf  den  Arzt,  der  die 
Operation  unternimmt,  auf  die  Assistenten,  welche  dem  Ope- 
rateur helfend  zur  Seite  stehen,  auf  den  Patienten,  welcher 
sich  dem  Chirurgen  anvertraut;  aber  schliesslich  auch  auf  totes 
Material,  auf  das  Operationszimmer,  das  Verbandzeug,  die 
Instrumente  und  das  ünterbindungsmaterial. 

Wir  sprechen  zuerst  von  den  Vorbereitungen,  denen  sich 
der  Arzt  und  seine  Assistenten  unterziehen  müssen. 

I.  Die  Vorbereitungen  des  Operateurs  und  seiner  Assistenten. 

Ehe  ich  zu  meinem  eigentlichen  Thema  übergehe,  halte  ich 
es  für  zweckmässig-,  einige  einleitende  Bemerkungen  vorauszu- 
schicken, um  festzustellen,  welche  wissenschaftliche  Vorbereitung 
und  Ausbildung  der  Arzt  nötig  hat,  wenn  er  sich  mit  gutem 
Erfolg  der  Gallensteinchirurgie  widmen  will.  Manchem  könnten 
solche  Erörterungen  überflüssig  erscheinen,  da  es  doch  als 
selbstverständlich  gelten  muss,  dass  ein  Arzt,  der  eine  Gallen- 
steinoperation unternimmt,  auch  die  Technik  solcher  Operationen 
völlig  beherrscht  und  imstande  ist,  durch  eine  sorgfältige  Nach- 
behandlung seine  Pflegebefohlenen  der  gewünschten  Heilung 
entgegenzuführen. 

Nach  meinen  Erfahrungen  wird  diese  Forderung  aber  nicht 
immer  erfüllt,   und   deshalb  halte  ich  es  für  keineswegs  über- 

Kehr,  Technik  der  Ganensteinoperationen.  l 


2     

flüssig,  wenn  ich  etwas  ausführlich  diesen  Punlit  erörtere.    Ja, 
ich  glaube,  dass  solche  Erörterungen  von  grossem  Nutzen  sind. 

Ich  habe  mir  auf  den  folgenden  Blättern  die  Aufgabe  ge- 
stellt, durch  eine  genaue  Beschreibung  der  Operationstechnik 
der  Gallensteinchirurgie  zu  grösserer  Verbreitung  zu  verhelfen, 
halte  es  aber  auch  für  meine  Pflicht,  auf  den  Schaden,  der 
durch  die  Einmischung  Unberufener  ihr  erwächst,  hinzuweisen 
und  die  Operationslust  solcher  zu  dämpfen,  die  nicht  genügend 
vorbereitet  eine  Gallensteinoperation  unternehmen. 

Dabei  leiten  mich  nicht  etwa  egoistische  Absichten  und 
persönliche  Interessen.  Wie  töricht  ist  doch  die  Annahme,  ich 
hätte  Sorge,  in  meiner  Lieblingsbeschäftigung  und  Spezialität 
beeinträchtigt  zu  werden,  wenn  gar  zu  viel  Ärzte  sich  mit  der 
Gallensteinchirurgie  beschäftigten!  Nun,  wer  die  folgenden 
Blätter  mit  Aufmerksamkeit  liest,  wird  zu  der  gegenteiligen 
Ansicht  gelangen :  mich  beseelt  lediglich  der  Wunsch,  den 
grossen  Segen,  der  in  der  Gallensteinchirurgie  steckt,  immer 
mehr  zu  verbreiten  und  dadurch  den  unzähligen  von  Schmerzen 
geplagten  Kranken  zu  nützen  und  zu  helfen.  Ein  Segen  er- 
wächst den  Kranken  aber  nur  dann,  wenn  sie  in  die  rechten 
Hände  kommen,  wenn  sie  den  richtigen  Arzt  finden,  der  gelernt 
hat,  Gajllensteinkranke  zu  operieren  und  —  zu  heilen. 

Freilich  hat  jeder  Mediziner,  der  das  Staatsexamen  absolviert 
hat,  die  „juristische  Berechtigung"  Operationen  vorzunehmen, 
gleichgültig  ob  diese  zur  grossen  oder  kleinen  Chirurgie  ge- 
hören. Das  Recht,  die  chirurgische  Kunst  auszuüben,  hat  also 
nicht  nur  der  Leiter  einer  chirurgischen  Universitätsklinik,  nicht 
nur  der  Spezialist  für  Chirurgie  in  seiner  Privatklinik;  auch 
der  Dirigent  kleiner  und  kleinster  Krankenhäuser,  auch  der 
praktische  Arzt,  gleichgültig  ob  er  in  grosser  Stadt  eine  ,,praxis 
aurea"  betreibt  oder  auf  entlegenem  Dorfe  sein  Dasein  von 
kläglicher  Kassenpraxis  kümmerlich  fristet,  ist  berechtigt. 
Gallensteine  zu  operieren,  nota  beiie,  wenn  er  kann.  Meinhard 
Schmidt  beantwortet  die  Frage:  „Darf  ein  praktischer  Arzt 
Laparotomien  machen?"  ganz  korrekt,  w^enn  er  sagt:  „Warum 
nicht?  wenn  er  kann!"  In  dem  kleinen  Wörtchen  „kann" 
stecken  aber  sehr  viele  Forderungen,  deren  Erfüllung  nicht  nur 
vom  Wissen  und  Können  des  Einzelnen,  sondern  von  manchen 
äusseren  Umständen  und  Bedingungen  abhängt.  Der  praktische 
Arzt  darf  Laparotomien  machen,    wenn    er  die   Technik    der 


—     3     — 

Abdominalchiriirg-ie  beherrscht,  wenn  er  über  eine  zuverlässige 
Assistenz  verfügt,  wenn  er  Gelegenheit  hat,  die  Nachbehandlung 
gewissenhaft  und  sorgsam  zu  überwachen.  Wird  eine  dieser 
Bedingungen  nicht  erfüllt,  dann  ist  es  um  den  Erfolg  der 
Operation  schlecht  bestellt. 

Wie  und  wo  der  Arzt  die  Technik  erlernt  hat:  auf  eigene 
Faust,  aus  Büchern,  durch  Zusehen  bei  Operationen  anderer 
Ärzte  oder  in  der  Schule  eines  Fachchirurgen,  das  ist  schliesslich 

seine  Sache: 

„Das  wird  sich  bäldlich  zeigen, 
Wenn  rechte  Kunst  ihm  eigen 
Und  gut  er  sich  bewährt, 
Was  gilt's,  wer  sie  ihn  gelehrt?" 

Was  Hans  Sachs  in  den  Meistersingern  von  dem  hoffnungs- 
vollen Bitter  aus  dem  Frankenland  singt,  das  gilt  so  recht 
vom  Chirurgen.  Die  rechte  Kunst  muss  ihm  eigen  sein,  wenn 
er  auf  einen  guten  Erfolg  seiner  Tätigkeit  hoffen  will.  Gar 
Mancher  erlernt  die  „rechte  Kunst"  niemals,  und  wenn  er  Jahre 
lang  die  treffliche  chirurgische  Schule  eines  berühmten  Meisters 
besucht  hat,  und  ein  Anderer  wieder  „bewährt  sich  gut",  obwohl 
er  nur  kurze  Zeit  in  der  Chirurgie  sich  ausbilden  konnte.  Der 
eine  Jünger  des  Asculap,  dem  die  Mutter  Natur  eine  gute 
chirurgische  „Anlage"  geschenkt  hat,  entwickelt  sich  in  der 
Tat  in  wenigen  Monaten  zum  tüchtigen  Operateur,  während 
ein  zweiter  sich  viele  Jahre  lang  in  heissem  Bemühen  um- 
sonst abquält  und  am  Ende  doch  ein  „Stümper"  bleibt. 

Ein  Gallensteinoperateur  muss  aber  ein  fertiger  Chirurg 
sein;  zwar  kann  eine  Gallensteinoperation  eine  ganz  einfache 
Operation  sein,  die  auch  ein  Arzt  unternehmen  kann,  der  sonst 
in  seiner  Praxis  nur  gewohnt  ist,  ein  Panaritium  zu  spalten 
oder  ein  Atherom  zu  excidieren.  Aber  sie  kann  andererseits 
auch  sich  höchst  kompliziert  gestalten,  so  dass  sie  nur  ein 
Chirurg  unter  Anwendung  der  höchsten  psychischen  und  physi- 
schen Kraft  zum  guten  Ende  zu  führen  vermag,  der  schon  mehr 
als  100  Gallensteinoperationen  ausgeführt  hat.  Eine  zweizeitige 
Cystostomie,  die  doch  weiter  nichts  darstellt  als  eine  Incision 
der  Bauchdecken,  ist  technisch  leicht,  und  wer  ein  Messer,  eine 
Hakenpinzette,  einige  Klemmen  besitzt,  bahnt  sich  schon  einen 
Weg  bis  an  das  Peritoneum.  Wenn  man  es  aber  mit  Chole- 
dochussteinen  zu  tun  hat,   die    retroduodenal    in   der    Papilla 

duodeni  sitzen,    wenn  man  auf  geschrumpfte  Gallenblasen  stösst, 

1* 


(ieren  Höhle  mit  dem  Magen  oder  Darm  in  kommunizierende 
Verbindung  getreten  ist,  dann  bedarf  es  hervorragender  Technik, 
um  sich  in  solchen  Verhältnissen  zurecht  zu  finden  und  die 
Wund  Verhältnisse  so  herzustellen,  dass  eine  Heilung  möglich 
ist.  Hier  handelt  es  sich  um  Fälle,  die  auch  dem  trockensten 
Chirurgen  den  Schweiss  aus  den  Poren  pressen  und  an  die 
körperlichen  Kräfte  die  höchsten  Anforderungen  stellen.  Solche 
Operationen  werden  nur  Männer  ausführen  können,  und  wenn 
erst  die  liebe  Weiblichkeit  sich  mit  der  grossen  Chirurgie  be- 
fasst,  an  diesen  Fällen  wird  sie  ihrer  Schwäche  recht  bewusst 
werden  und  neidlos  dem  stärkeren  Geschlecht  Euhm  und  Ehre 
überlassen.  Wer  in  solchen  Fällen  nicht  ganz  grosse  Erfahrung 
hat,  operiert  stundenlang  bis  zur  grössten  Erschöpfung.  Gar 
oft,  wie  aus  den  Operationsgeschichten  im  II.  Teil  zu  ersehen 
ist,  wurde  aus  der  geplanten  Cystostomie  eine  Cystectomie, 
man  musste  Darmnähte,  eine  Pyloroplastik  oder  Gastroentero- 
stomie zu  der  eigentlichen  Gallensteinoperation  hinzufügen. 
Niemand,  auch  der  erfahrenste  Gallensteinchirurg  nicht,  kann 
vorher  wissen,  wie  eine  Gallensteinoperation  verlaufen  wird, 
ob  die  gewöhnliche  Cystostomie  ausreicht  oder  komplizierende 
Eingriffe  am  Magen,  Darm  nötig  werden,  und  deshalb  ist  es 
unverantwortlich,  wenn  ein  Arzt  an  eine  solche  Operation 
herantritt,  der  nicht  die  Technik  der  Pylorusresection,  der 
Gastroenterostomie,  der  lieberresection  völlig  beherrscht. 

Diese  Forderung  wird  aber,  wie  gesagt,  niclit  immer  erfüllt. 
Ich  kannte  einen  Chirurgen,  der  von  den  gebräuchlichen  Operations- 
methoden am  Gallensystem  nur  die  Cystendyse,  die  sogenannte 
ideale  Operation  ausübte;  es  schien  ihm  das  einfachste, 
die  Gallenblase  aufzuschneiden,  ihren  Inhalt  auszuräumen,  den 
Schnitt  zu  vernähen  und  das  Organ  zu  versenken.  Von  Ectomien 
und  Choledochotomien  wollte  er  durchaus  nichts  wissen:  für 
solche  schwierigen  Eingriffe  fehlte  ihm  jedes  Verständnis  und 
mangelte  ihm  die  Technik. 

Ein  solcher  Operateur  wird  natürlich  nicht  viel  Gutes 
leisten ;  seine  Eingriffe  bleiben  unvollkommen,  und  dadurch  bringt 
er  die  Gallensteinchirurgie  ebenso  in  Misskredit  wie  jener  Kollege, 
der  auf  einsamem  Dorfe  sass  und  die  Operationen  ganz  gut 
ausführte,  die  schliesslich  jeder  Arzt  gelegentlich  ausführen 
muss:  die  Tracheotomie  und  die  Herniotomie.  Die  Erfolge, 
die  er  bei  diesen  Operationen  hatte,  Hessen  seinen  Ehrgeiz  nicht 


ruhen,  er  excidierte  Maramacarcinome,  liess  aber  die  inficierten 
Achseldrüsen  zurück,  und  schliesslich  operierte  er  auch  die 
-acute  Cholecystitis  —  natürlich  zweizeitig.  Der  Barbier  oder 
die  Hebamrae  des  Dorfes  waren  seine  Assistenten,  der  Arzt 
cliloroformierte  den  Patienten  an,  und  wenn  er  schlief,  wurde 
sich  rasch  gewaschen  und  die  Bauchhöhle  eröffnet.  Das  schliess- 
liche  Resultat  seiner  Cystostomien  waren  fast  durchweg  Schleim- 
und Eiterflsteln ,  deren  definitive  Beseitigung  die  grössten 
Schwierigkeiten  bereitete.  Das  Publikum  bekommt  durch  der- 
artige Operationen  keinen  besonderen  Respekt  vor  der  Chirurgie, 
im  Gegenteil,  dieselbe  kommt,  wie  schon  oben  bemerkt,  in  einen 
üblen  Ruf,  wenn  Ärzte  ohne  besondere  chirurgische  Ausbildung 
schwierige  Operationen  vornehmen.  Denn  auch  der  chirurgisch 
Begabteste  kann  heutzutage  einer  gründlichen  Ausbildung  in 
der  Chirurgie  kaum  entraten :  ein  guter ,  Lehrer  muss  den 
Schüler  unterrichtet  haben,  ehe  dieser  sich  auf  eigene  Füsse 
stellt.  Das  gilt  ganz  besonders  für  die  Bauchchirurgie  und 
ganz  speziell  für  die  Gallensteinchirurgie.  Deshalb  tut  der  prak- 
tische Arzt,  der  sich  direkt  nach  dem  Staatsexamen  nieder- 
lassen und  auf  eine  spezielle  chirurgische  Ausbildung  verzichten 
muss,  gut,  wenn  er  von  vorno  herein  von  der  Ausübung  der 
grossen  Chirurgie  absteht  und  sich  auf  die  allernotwendigsten 
Operationen  beschränkt.  So  hat  er  immer  noch  Gelegenheit, 
seinen  chirurgischen  Neigungen  nachzugehen. 

In  Summa  :  Gallensteinoperationen  sollen  also  nur  solche 
Ärzte  ausführen,  die  die  Technik  der  verschiedensten  Bauch- 
operationen nach  jeder  Richtung  hin  beherrschen! 

Diese  Forderung  erstreckt  sich  auch  auf  die  Dirigenten 
kleiner  und  kleinster  Krankenhäuser.  Überall  im  deutschen 
Reich,  in  grossen  und  kleinen  Städten,  hat  heutzutage  das 
Krankenhauswesen  eine  Entwickelung  erreicht,  auf  die  wir 
stolz  sein  können.  Selbst  Städte  unter  10,000  Einw^ohner  haben 
Krankenhäuser  errichtet,  die  in  Bezug  auf  die  Hygiene  nichts 
zu  wünschen  übrig  lassen,  und  die  nicht  selten  von  Ärzten  ge- 
leitet werden,  welche  speziell  chirurgisch  ausgebildet  ebenso 
gut  einem  grossen  Krankenhaus  in  grosser  Stadt  zur  Zierde 
gereichen  würden.  Nicht  selten  sind  aber  die  Dirigenten  solch' 
kleiner  Krankenhäuser  praktische  Ärzte  der  betreffenden  Stadt, 
die  als  Chirurgen  einen  lokalen  Ruf  geniessen,  und  weil  sie 
beim  Publikum    von  jeher  als   tüchtige  Operateure  galten,  den 


—     6     — 

Vertrauensposten  eines  Krankenhäusarztes  erhielten.  Sie  hatten, 
ohne  jemals  längere  Zeit  chirurgfische  Assistenten  gewesen  zu 
sein,  die  Chirurgie  in  der  Praxis  erlernt,  bewiesen  ihre  Tüch- 
tigkeit durch  manche  glückliche  Operation  und  erhielten  nun 
einen  Posten,  der  ganz  ihren  Wünschen  entsprach.  Jetzt  konnten 
sie  sich  so  ganz  ihrer  Lieblingsbeschäftigung,  der  Chirurgie, 
widmen!  In  der  Tat  zeigte  mancher,  der  bisher  grössere  Ope- 
rationen nicht  ausgeführt  hatte,  dass  in  ihm  viel  chirurgisches 
Talent  steckte,  denn  die  Erfolge  der  Operationen  an  Magen, 
Leber  und  Uterus  liessen  nichts  zu  wünschen  übrig.  Andere 
wiederum  hatten  mit  ihren  Laparotomien  kein  rechtes  Glück! 
Die  meisten  Patienten  starben.  Trotzdem  betrachteten  sie  es 
für  eine  Schande,  einen  Gallensteinpatienten  abzuweisen  und 
ihm  einzugestehen,  dass  sie  bis  dahin  eine  solche  Operation 
nicht  gemacht  hätten,  und  der  Ehrgeiz  Hess  sie  dann  manchen 
Eingriff  ausführen,  dem  sie  auf  Grund  ihrer  Ausbildung  nicht 
gewachsen  waren.  Statt  dass  sich  solche  Arzte  auf  die  Ver- 
sorgung von  Verletzungen,  auf  Amputationen  und  Resektionen, 
Herniotomien,  Tracheotomien,  Empyemoperationen  und  viele 
andere  Eingriffe  beschränkten,  fühlten  sie  sich  auch  be- 
rufen, die  grosse  Chirurgie  zu  pflegen.  Welche  Freude,  wenn 
einmal  eine  acu^e  serös -eitrige  Cholecystitis  eingeliefert  wurde! 
Die  Operation  wurde  gewagt,  ja,  sie  musste  gewagt  werden, 
denn  was  würde  der  Patient  sagen,  wenn  man  ihn  zu  einem 
anderen  Chirurgen  schicken  würde,  und  wie  würde  das  Kura- 
torium des  Krankenhauses  sich  wundern,  wenn  es  erführe,  dass 
der  Arzt  ihres  Vertrauens  noch  nicht  einmal  eine  „lumpige" 
Gallensteinoperation  ausführen  könne.  Der  Erfolg  der  Operation 
war  schliesslich  meist  der,  dass  doch  noch  der  Transport  in  ein 
grösseres  Krankenhaus  oder  in  eine  chirurgische  Klinik  nötig 
wurde,  wo  eine  sekundäre  Operation  die  "definitive  Heilung 
unter  schweren  Gefahren  des  Lebens  herbeiführte.  Meistenteils 
aber  überstanden  die  Kranken  die  erste  Operation  überhaupt  nicht. 
Es  wäre  gewiss  ein  idealer  Zustand,  wenn  jede  kleine 
Stadt  von  10,000  Einwohnern  ein  Krankenhaus  hätte,  in  dem 
ein  Arzt  waltete,  der  die  ganze  operative  Tätigkeit  völlig  be- 
herrschte, und  der  unterstützt  von  mindestens  zwei  Assistenten 
sich  nur  um  seine  Krankenhauspatienten  zu  bekümmern  brauchte. 
Aber  wer  soll  solch'  vortrefflich  ausgebildete  Ärzte  derart 
honorieren,  dass  sie  standesgemäss  leben,  ihre  Familie  anständig 


ernähren  und  für  ihr  Alter  eine  kleine  Pension  ersparen  können? 
Ob  jemals  die  Zeit  heraufdämmert,  in  der  solch'  ideale  Zustände 
herrschen  ?     Hoifen  wir  das  Beste !    Einstweilen  sind  wir  noch 
weit  genug-  von  dem  oben  geschilderten  Ideal  entfernt !     Noch 
ist    die    Bauchchirurgie   zu  sehr  in  der  Entwicklung  begriffen, 
als  dass  sie  Allgemeingut  aller  Ärzte  werden  könnte,  und  mit 
der  Gallensteinchirurgie  beschäftigen   sich    zur  Zeit   ausgiebig 
nur  wenige  Chirurgen,  deren  Namen  bald  aufzuzählen  sind.   Es 
wird  noch  viele  Jahre  dauern,  bis  sich  auf  diesem  Gebiete  ein 
Umschwung  vollzogen  hat  und  alle   Krankenhausärzte  sich  mit 
diesem  Zweige  der  Chirurgie  befassen  werden.    Wie  die  -Verhält- 
nisse nun  einmal  liegen —  man  kann  doch  unmöglich  verlangen, 
dass    ein    spezialistisch    gebildeter    Chirurg,     der    4 — 5    Jahre 
Assistent  war,  in  eine  kleine  Stadt  zieht  und    für  600  M.  eine 
Krankenhausstelle  annimmt !  —  scheint  es  mir  das  Richtige  zu 
sein,    wenn    zwischen    Dirigenten    kleiner   Krankenhäuser   und 
SpezialChirurgen    eine    Arbeitsteilung  eintritt,  wie   sie  z.  B.  in 
dem  Bezirke,    in  dem  ich  tätig  bin,    von  ganz  allein  sich  voll- 
zogen  hat.      Es   besteht    in    der    Tat    zwischen  den    meisten 
Dirigenten  kleinerer  Krankenhäuser    und  meiner   chirurgischen 
Privat -Klinik    ein    sehr   schönes  und  verständiges   Verhältnis. 
Überall  in  der  Umgebung,  z.  B.  in  Blankenburg,    Quedlinburg, 
Wernigerode,  sind  schöne  Krankenhäuser  erbaut,    denen  Ärzte 
vorstehen,  die  in  der  Chirurgie  sehr  segenbringend  wirken.  Sie 
sind  häufig  genug  gezwungen,  eine  Stichverletzung  der  Leber, 
einen  üarra verschluss  operativ  anzugreifen,  und  die  Erfolge  sind 
gut.       Aber    eine   Magenresektion,      eine    Gallensteinoperation 
lehneu   sie  ab  und  überweisen   solche  Kranken  dem  erfahrenen 
SpezialChirurgen.     Dadurch  handeln  sie  gewiss  mehr  im  Intei-- 
esse    der   Patienten,    als    wenn   sie   selbst  die   ihnen  nicht  ge- 
läufige Operation  unternehmen.     Ich  bin  überzeugt,   dass  diese 
Kollegen  die  Technik  der  Gallensteinoperation  mit  der  Zeit  be- 
herrschen lernen  ;  aber  es  kommt  hinzu,  dass  ihnen,  da  sie  als 
praktische    Ärzte    eine   ausgedehnte   Stadtpraxis   zu  versorgen 
haben,    die    Zeit    fehlt,    die    Nachbehandlung  —    ich    komme 
auf  diesen  überaus  wichtigen  Punkt  noch  zu  sprechen!  —  mit 
der    gehörigen     Sorgfalt     zu    überwachen.       Fest   angestellte 
Assistenten,    die    im   Krankenhaus  wohnen,   stehen  ihnen  meist 
nicht  zur  Verfügung,  und  deshalb  handeln  sie  ganz  verständig, 
wenn  sie  im  grossen  und  ganzen  auf  die   Bauchchirurgie   ver- 


ziehten.  Sind  doch  Kranke  mit  Carcinom  des  Magens  und 
Darms  und  solche  mit  chronischer  Appendicitis  und  Oholelithiasis 
fast  immer  gut  transportabel.  Und  wenn  einmal  in  solch'  ein 
kleines  Krankenhaus  ein  Fall  eingeliefert  wird,  der  nicht  gut 
transportiert  werden  kann  (z.  B.  eine  akute  eitrige  Cholecystitis 
mit  starker  peritonealer  Reizung),  so  wird  der  benachbarte  Ab- 
dominalchirurg auch  unter  Verzichtleistung  auf  ein  Honorar 
gern  bereit  sein,  seinem  Krankenhauskollegen  mit  Rat  und  Tat 
zur  Seite  zu  stehen.  Wo  gute  kollegiale  Verhältnisse  herrschen, 
da  ziehen  den  grössten  Gewinn  die  Kranken.  Schaut  der  Spe- 
zialchirurg  mit  Geringschätzung  auf  den  Dirigenten  eines  kleinen 
Krankenhauses  herab,  und  ist  dieser  wieder  zu  stolz,  sich  von 
einem  in  der  Technik  höher  Stehenden  aushelfen  zu  lassen,  so 
muss  der  Kranke  unter  diesem  unverständigen  gegenseitigen 
Benehmen  schwer  leiden. 

Auch  in  der  Gallensteinchirurgie  ist  ein  kollegiales  Zu- 
sammenwirken zwischen  praktischem  Arzt  und  Spezialisten  von 
gTösster  Bedeutung.  In  dem  Bezirk,  in  welchem  ich  meine 
chirurgische  Wirksamkeit  entfalte,  kommt  das  so  recht  zur 
Geltung.  Weil  ich  jährlich  mehr  als  hundert  Gallensteinkranke 
operiere,  heisst  es  immer :  „In  Halberstadt  und  Umgebung  muss 
es  ganz  besonders  viel  Gallensteinkranke  geben!*'*  Ganz  abge- 
sehen davon,  dass  ca.  ^/s  der  Kranken  von  weit  her,  aus  aller 
Herren  Länder,  mir  zugeschickt  werden,  glaube  ich  nicht,  dass 
in  der  Provinz  Sachsen  es  mehr  Gallensteine  gibt  als  z.  B. 
in  Süddeutschland,  aber  ich  habe  die  Überzeugung,  dass  die 
Ärzte  meines  Bezirkes  heutzutage  viel  mehr  ihre  Aufmerk- 
samkeit der  Oholelithiasis  zuwenden,  wie  vor  zehn  Jahren,  und 
dass  sie  mit  der  Zeit  gelernt  haben,  eine  bessere  Diagnose  zu 
stellen  wie  ehedem.  Das  glaube  ich  erreicht  zu  haben  durch 
zahlreiche  Vorträge,  die  ich  in  der  medizinischen  Gesellschaft 
zu  Halberstadt  gehalten  habe,  und  durch  die  Zusendung  von 
jährlich  erscheinenden  Jahresberichten  meiner  Privat-Klinik. 
Auf  diese  Weise  hat  sich  auf  dem  Gebiete  der  Gallenstein- 
krankheit ein  kollegiales  Zusammenwirken  hergestellt,  welches 
schliesslich  den  Kranken  am  meisten  zu  Gute  kam.  Die  Arzte 
haben  durch  die  Lektüre  der  Jahresberichte  den  Nutzen  de.r 
operativen  Behandlung  kennen  gelernt  und  überweisen  die  Pa- 
tienten bei  Zeiten  meiner  chirurgischen  Klinik.  Gewiss  kommt 
es  immer  noch  vor,  dass  Gallensteinkranke  an  Perforation  und 


—     9     — 

Carcinom  zu  Grunde  gehen,  und  es  gibt  auch  noch  Ärzte  in 
Halberstadt  und  Umgegend,  die  trotz  der  geringen  Mortalität 
von  3°/odie  Patienten  vor  der  „höchst  gefahrvollen"  Operation 
warnen,  aber  das  sind  Ausnahmefälle.  In  der  Regel  wird 
chirurgische  Hülfe  aufgesucht  zu  einer  Zeit,  wo  noch  ein  guter 
Erfolg  erzielt  werden  kann. 

Jedenfalls  steht  fest,  dass  in  Halberstadt  wie  in  der 
ganzen  Provinz  Sachsen  sich  die  Gallensteinchirurgie  einer  ge- 
wissen „Popularität"  erfreut.  Im  Salvatorkrankenhaus  zu 
Halberstadt,  in  dem  noch  vor  wenigen  Jahren  kaum  3—4 
Gallensteinoperationen  ausgeführt  wurden,  werden  jetzt  jähr- 
lich ca.  30  solche  Operationen  vorgenommen,  und  selbst  die 
Gynäkologen  scheinen  anzufangen,  für  diesen  Zweig  der  Chirur- 
gie Interesse  zu  bekommen.  In  Amerika  findet  man  schon 
lange  unter  den  Gynäkologen  zahlreiche  Gallensteinoperateure. 
Die  Gallensteinkrankheit  ist  ja  eine  exquisite  Frauenkrankheit, 
und  manche  Gynäkologen  beschränken  eben  ihre  Eingriffe  nicht 
nur  auf  den  Uterus  und  die  Adnexe,  sondern  dehnen  sie  auch 
auf  Darm,  Magen,  Pankreas,  Niere,  Milz,  Leber  und  Gallen- 
blase, schliesslich  auf  die  ganze  grosse  Bauchhöhle  des  Weibes 
aus.  Ob  das  richtig  ist,  will  ich  hier  nicht  untersuchen.  Aber 
sicherlich  ist  es  nicht  richtig,  wenn  der  Gynäkologe  nur  so 
nebenbei  einmal  eine  Gallenblase  operativ  angreift,  weil  gerade 
die  betreffende  Kranke  nur  zu  ihm  Vertrauen  hat  und  weil 
der  Tumor  in  Abdomine  so  günstig  liegt.  Will  der  Gynäko- 
loge auf  diesem  Gebiete  etwas  Tüchtiges  leisten,  so  muss  er 
die  Gallensteinoperationen  pflegen,  damit  er  auch  in  diesem  Fache 
eine  ganz  besondere  Erfahrung  bekommt.  Denn  auf  die  Technik 
kommt  es  allein  nicht  an,  ohne  gediegene  Kenntnisse  in  der 
pathologischen  Anatomie  wird  der  Operateur  nie  die  Entschei- 
dung treffen  können,  ob  eine  Cystostomie,  eine  Ectomie  oder 
eine  Hepaticusdrainage  am  Platze  ist.  Was  man  angreift, 
muss  man  ordentlich  vornehmen,  nur  keine  Halbheit. 

Ich  habe  erst  vor  wenigen  Stunden  eine  Frau  operiert, 
die  ein  Gynäkologe  vor  Jahresfrist  wegen  Gallensteinen  cysto- 
stomiert  hatte.  Ein  kleiner,  kaum  8  cm.  langer  Schnitt  am 
äusseren  Rand  des  rechten  Muse.  rect.  abd.  war  angelegt  und 
die  Gallenblase  am  unteren  Ende  des  Schnittes  eingenäht  wor- 
den. Dadurch  kam  eine  Zerrung  zu  Stande,  die  die  Frau  fast 
zur   Verzweiflung   trieb.     Ich    konnte    mich    bei    der    zweiten 


—     10     — 

Operation  überzeugen,  dass  eine  falsche  Technik  die  vor  der 
Operation  bestehenden  Steinbeschwerden  in  viel  ärgere  Adhä- 
sionsbeschwerden umgewandelt  hatte.  — 

Manche  Chirurgen  haben  in  Anbetracht  der  relativ  leichten 
Ausführbarkeit  der  Cystostomie  den  Vorschlag  gemacht,  dass 
der  Anfänger  sich  mit  der  Fistelanlegung  begnügen  und  nur 
der  geübte  Chirurg  die  Ectomie  vornehmen  solle.  Ich  kann  diesen 
Vorschlag  nicht  billigen.  Heutzutage  sollte  sich  ein  Anfänger 
überhaupt  nicht  mehr  in  die  Gefahr  einer  Gallensteinoperation  be- 
geben. Vor  20  und  15  Jahren  gab  es  Anfänger  in  der  Gallenstein- 
chirurgie, —  ich  selbst  war  ein  solcher  —  heute  kann  jeder, 
der  sich  mit  diesem  Zweige  beschäftigen  will,  in  vielen  Kliniken 
sich  so  ausbilden  lassen,  dass  seine  erste  Operation  nicht  mehr 
die  Operation  eines  Anfängers,  sondern  die  eines  ausgebildeten 
Chirurgen  ist.  Vor  lö  und  20  Jahren  musste  es  in  dem  Fache 
der  Gallensteinchirurgie  Autodidakten  geben,  jetzt  ist  es  nicht 
mehr  nötig,  dass  jeder  von  vorne  anfängt,  sondern  man  kann 
sich  und  seinen  Patienten  viel  Lehrgeld  ersparen,  wenn  man 
in  die  Schule  eines  erfahrenen  Gallensteinchirurgen  geht.  Es 
ist  also  der  Satz  ,,der  Anfänger  mag  sich  mit  der  Cystostomie 
begnügen,  der  geschulte  Chirurg  greift  zur  Ectomie''  nicht  zu 
billigen.  Wer  Gallensteinkranke  operieren  will,  muss  ein  ganzer 
Chirurg  sein,  er  muss  ebensogut  eine  Cystostomie  wie  eine 
Ectomie,  eine  Hepaticusdrainage  wie  eine  Gastroenterostomie 
ausführen  können.  Dabei  ist  es  keineswegs  nötig,  dass  der 
gallensteinoperierende  Chirurg  sich  lediglich  mit ,, Bauchchirurgie" 
beschäftigt;  im  Gegenteil  ich  bin  ganz  andrer  Meinung  wie 
Kuhn-Kassel,  der  schon  öfters  den  Vorschlag  machte,  Spezial- 
kliniken  für  abdominelle  Medizin  zu  errichten.  Ich  persönlich 
wäre  sehr  leicht  in  der  Lage,  den  Vorschlag  Kuh  n's,  ein  Spezial- 
sanatori um  für  Gallensteinkranke  zu  errichten,  zur  Ausführung 
zu  bringen.  Ich  kenne  sowohl  die  innere  Behandlung  als  auch 
die  operative  bei  der  Cholelithiasis  sehr  genau  und  würde, 
wenn  ich  auch  intern  zu  behandelnde  Gallensteinkranke  in 
meine  Anstalt  aufnehmen  würde,  ein  Material  bekommen,  welches 
die  Zahl  von  1000  Kranken  pro  Jahr  sicher  erreichte.  Und 
würde  ich  gar  meinen  Wirkungskreis  von  Halberstadt  nach 
Berlin  verlegen,  so  würde  ich  mehr  gelbe  Gesichter  sehen,  als 
mir  lieb  wäre.  Gewiss  muss  der  Chirurg  die  raedicamen tose 
Behandlung    beherrschen    und    alle    notwendigen    Anordnungen 


—    11    — 

selbst  treffen  können,  aber  ich  bin  doch  der  Meinung,  dass  es 
richtiger  ist,  wenn  sich  innere  Ärzte  und  Chirurgen  in  die 
Erkrankungen  der  Bauchhöhle  teilen.  Auf  einem  ganz  anderen 
Standpunkt  steht,  wie  gesagt  Kuhn.  Dieser  will  nämlich  die  Ab- 
dominalmedizin auch  als  Spezialfach  aufgefasst  wissen  und  sagt  am 
Schluss  seiner  Auseinandersetzungen  (Allg.  Internat,  med.  Rund- 
schau No.  4),  nachdem  er  in  Vorbemerkungen  das  Ziel,  das  er 
im  Auge  hat,  klar  gelegt  hat,  folgendes: 

„Spülen  wir  gründlich  den  Magen,  bestimmen  seine  motorische 
Kraft  und  untersuchen  seine  Sekrete  auf  gebundene  und  unge- 
bundene Salzsäure  und  Fermente,  —  aber  im  Bedarfsfalle 
beseitigen  wir  auch  im  peinlich  aseptischen  Operationszimmer 
eine  Stenose  oder  umgehen  sie  nach  dem  genialen  Vorschlag 
von  W  ö  1  f  1  e  r. 

Und  wenn  Gallensteine  die  Ursache  angeblicher  „Magen- 
schmerzen", so  wollen  wir  gewissenhaft  prüfen,  wie  schwer  und 
wie  häufig  die  Anfälle,  und  wie  die  wirtschaftliche  Lage  unseres 
Patienten.  Und  falls  es  uns  ausreichend  erscheint,  so  reden  wir 
einer  alkalischen  Kur  oder  selbst  einem  Badeaufenthalt  das  Wort; 
sobald  aber  mechanische  Störungen  das  Krankheitsbild  beherrschen, 
Steine  vermutlich  eingeklemmt  sind,  oder  unsere  Kranken  unter 
den  häufigen  Koliken  zu  schwer  leiden,  wollen  wir  beherzt  zum 
Messer  greifen  und  dem  trostlosen  Zustande  ein  kurzes  glück- 
liches Ende  machen. 

Und  percutieren  wir  einen  Ascites  heraus,  so  wollen  wir 
so  lange  mit  Jod  oder  Schmierseife  oder  Kalomel  vorgehen,  bis 
wir  sehen,  dass  es  nichts  nützt:  dann  aber  kommt  das  Messer. 

Kommt  ferner  der  untere  Teil  des  Abdomen  in  Frage,  so 
untersuchen  wir  wohl  die  Genitalien,  aber  auch  Blinddarm,  Dick- 
darm und  Blase,  und  wenn  wir  Frauen  vor  uns  haben,  so  regulieren 
wir  erst  einmal  die  fast  stets  bestehende  Obstipation,  ob  mit  oder 
ohne  Oelkur,  und  sehen,  ob  die  Schmerzen  im  Rücken  nicht 
dem  Magen  angehören.  Dann  wollen  wir  gerne  mit  dem  Ringe 
einverstanden  sein,  zu  der  Behandlung  der  Erosionen  und 
Polypen  unsere  Zustimmung  geben  und  zu  der  Kürettage  oder 
Discision  und  anderen  kleinen  Eingriffen  raten. 

Haben  wir  endlich  das  Abdomen  offen,  so  kann  die  Ver- 
legenheit noch  wachsen ;  schon  den  besten  Diagnostikern  ist  es 
passiert,  dass  ein  vermeintlicher  Ascites  zum  Ovarialtumor  sich 


—     12     — 

entpuppte  und  eine  diagnosticierte  Stieltorsion  zur  Hernia  incar- 
cerata  interna.     Was  soll  dann  die  Losung  sein? 
Gynäkologie  oder  Chirurgie? 

Ich  für  meinen  Teil  meine: 

„Operative  Technik", 
welcher  Disziplin    immer   sie   angehört   und   in  welcher  Schule 
immer  sie  erlernt  wurde,  und  diese  wollen  wir  auf  unsere  Fahne 
schreiben,,    wenn   wir  an  die  Lösung  der   grossen    Fragen    der 
abdominellen  Medizin  herangehen  wollen/'    — 

Ganz  abgesehen  davon,  dass  mit  diesem  Vorschlag  Kuhn 's 
der  Gynäkologe  wenig  einverstanden  sein  wird ,  und  die 
Chirurgie  selber  sich  in  zwei  Lager  teilen  müsste,  in  eine 
Chirurgie  des  Bauches  und  in  eine  des  übrig  bleibenden 
Menschen,  —  halte  ich  eine  solche  weitgehende  Spezialisiererei 
für  ein  grosses  Unglück,  nicht  nur  für  den  Arzt,  sondern 
auch  für  den  Patienten.  Der  Arzt  wird  einseitig  und  ver- 
gisst  über  seinem  Bauch  den  Gesamtorganismus.  Ich  speziell 
beschäftige  mich  mit  Vorliebe  mit  der  Bauchchirurgie,  aber  ich 
freue  mich  immer  wieder,  wenn  ich  einmal  eine  Struma  exzidieren, 
einen  Schädelbruch  heilen  oder  ein  Mammacarcinom  heraus- 
schneiden kann.  Ich  möchte  nicht  nur  Spezialist  für  die  Bauch- 
höhle sein,  deren  Operationen  so  viel  sorgenvolle  Stunden 
bringen.  Ich  gönne  mir  gerne  die  Ruhe,  die  man  nach  den 
Eingriffen  an  den  Extremitäten  geniessen  kann.  Aber  das  sind 
—  höre  ich  einwenden  —  doch  nur  egoistische  Gründe,  welche 
bei  einer  so  wichtigen  Angelegenheit  vollständig  in  den  Hinter- 
grund treten  müssen.  Wenn  ich  nun  diesen  Einwand  gern 
gelten  lasse  und  meine  persönlichen  Wünsche  gern  zurückdränge, 
so  muss  ich  doch  im  Interesse  der  Kranken  die  Forderung 
aufstellen,  dass  die  Behandlung  der  Bauchhöhlenerkrankungen 
auch  in  Zukunft  geteilt  bleibt. 

Innere  Mediziner  und  Chirurgen  müssen  sich  in  ihrer  Tätig- 
keit gegenseitig  ergänzen.  Der  Eine  soll  von  dem  Andern 
lernen,  der  Eine  soll  den  Andern  in  seiner  Indikationsstellung 
kontrollieren.  Mancher  Chirurg  braucht  für  seinen  Furor 
operativus  einen  Dämpfer  und  mancher  innere  Kollege  für  seine 
Interessenlosigkeit  an  den  Fortschritten  der  Bauchchirurgie  ein 
Excitans.  Da  hilft  aber  weder  das  Studium  von  chirurgischen 
Tiehrbüchern  noch  das  Anhören  von  langen  Vorträgen^  sondern 
lediglich    allein    die    Zuziehung    des    inneren    Arztes   zu    den 


—     13     — 

Operationen.  Ich  lade  die  behandelnden  Ärzte  immer  zu  meinen 
Operationen  ein,  und  jeder  war  bisher  erstaunt,  die  schreck-, 
liehen  Verwüstungen  zu  sehen,  welche  Gallensteine  in  der  Bauch- 
höhle anrichten,  und  manchem  habe  ich  den  Glauben  an  die 
Harmlosigkeit  der  Cholelithiasis  fortoperiert  und  ihn  zu  meinen 
Ansichten  bekehrt.  Auf  der  andern  Seite  sollte  jeder  Chirurg 
immer  wieder  in  die  Schule  seines  inneren  Kollegen  gehen,  da- 
mit er  sich  genau  unterrichtet  über  die  Portschritte,  welche  auf 
dem  Gebiete  der  Magen-  und  Darmkrankheiten  in  diagnostischer 
und  therapeutischer  Hinsicht  erzielt  werden. 

Wird  die  Kuhn'  sehe  Forderung,  Spezialisten  für  die  ab- 
dominelle Medizin  heran  zu  bilden,  erfüllt,  so  bleibt  ein  solcher 
Spezialist  schliesslich  doch  ein  Innerer  oder  ein  Chirurg.  Der 
Bauchspezialist,  wie  ihn  Kuhn  sich  träumt,  ist  ein  Überarzt 
im  Sinne  des  Nietzsche' sehen  Übermenschen,  denn  das  Wissen 
und  Können,  welches  er  verlangt,  geht  in  den  kleinen  Raum 
eines  menschlichen  Schädels  gar  nicht  hinein.  Will  er  gründ- 
lich ausgebildet  die  Leitung  einer  Bauchklinik  übernehmen,  so 
mttsste  er  zuvor  20  Jahre  Assistent  gewesen  sein.  Der  Bauch- 
spezialist Kuhn 's  müsste  in  erster  Linie  ein  firmer  Gynäkologe 
sein,  er  muss  bei  Nierenaffektionen  die  diagnostischen  Künste 
eines  Kümmel  1  und  Israel,  die  Technik  eines  von  Bergmann 
und  Küster  besitzen,  die  Beurteilung  der  Magenaffektionen 
müsste  er  genau  so  gut  verstehen  wie  Boas,  Ewald,  Leube 
und  Rosenheim,  um  schliesslich  mit  dem  Messer  bewaffnet  als 
kleiner  Billroth  sich  zu  entpuppen.  In  der  Behandlung  der 
Gallensteinkrankheiten  muss  er  als  Baineologe  sich  auszeichnen 
und  in  der  Anlegung  einer  Gallenblasenfistel  genau  dieselbe 
Routine  haben  wie  in  der  Ausführung  einer  Hepaticusdrainage. 
Er  muss  als  Urologe  in  den  Künsten  der  Cystoscopie  und  im 
Ureteren  -  Katheterismus  bewandert  sein,  und  schliesslich  muss 
er  die  vielfachen  Nervenstörungen,  die  sich  bei  Abdominal- 
erkrankungen so  häufig  einstellen,  sicher  beurteilen  können. 
Fürwahr  Kuhn  verlangt  viel.  Sein  Spezialarzt  für  abdominelle 
Medizin  wird  schliesslich  ein  Mensch  werden,  der  „alles  weiss 
und  doch  nichts  kann",  und  seine  Kliniken  werden  —  und  das 
ist  das  Punktum  saliens  —  mehr  schaden  als  nützen.  Denn 
ist  der  Leiter  einer  solchen  Klinik  von  chirurgischem  Geist  be- 
seelt, so  wird  er  sich  bei  einer  Pylorusstenose  nicht  erst  lange 
mit  Magenspülungen  und  Diät  aufhalten,  wie  der  innere  Arzt, 


—      14     — 

der  gewohnt  ist  geduldig-  auszuharren,  bis  der  ersehnte  Erfolg 
ihm  bescheert  wird;  er  wird  schon  nach  wenigen  Wochen  zum 
Messer  greifen,  weil  er  weiss,  welchen  zauberhaften  Erfolg  eine 
Gastroenterostomie  bei  der  Pylorusstenose  bringt.  Und  wenn 
er  aus  seiner  Assistentenzeit  die  Segnungen  der  Gallenstein- 
chirurgie kennt,  wird  er  nicht  erst  lange  mit  Thermophor,  Mor- 
phiumspritze und  Karlsbader  Salz  seinen  Patienten  traktieren, 
sondern  er  wird  möglichst  bald  das  Abdomen  eröffnen.  Und 
umgekehrt  droht,  falls  der  Leiter  einer  Kuhn'schen  Spezial- 
bauchklinik  nicht  blutfest,  sondern  operationsscheu  ist,  die  Ge- 
fahr, dass  die  innere  Behandlung  allzu  lange  fortgesetzt  und 
der  richtige  Zeitpunkt  zur  Operation  verpasst  wird.  So  bin 
und  bleibe  ich  der  Ansicht,  dass  der  innere  Arzt  und  der 
Chirurg  sich  in  die  Behandlung  der  Bauchhöhlenerkrankungen 
zu  teilen  haben,  und  wenn  ich  mir  persönlich  auch  genug  Ob- 
jektivität zumute,  um  die  inneren  und  chirurgischen  Indikati- 
onen streng  auseinander  zu  halten,  so  verspreche  ich  mir  doch 
für  die  Behandlung  der  Gallensteinkranken  einen  grösseren 
Gewinn,  wenn  innere  Ärzte  und  Chirurgen  jeder  für  sich  die 
Diagnostik  der  Cholelithiasis  zu  verbessern  und  die  Indikations- 
stellung zu  verfeinern  suchen,  um  schliesslich  gemeinschaftlich 
gegen  die  Krankheit  vorzugehen.  Es  wäre  traurig  um  den 
Innern  Mediziner  bestellt,  wenn  er  immer  sofort  bei  jeder 
Kolik  Hilfe  und  Kat  beim  chirurgischen  Kollegen  aufsuchen 
müsste.  Aber  sobald  er  merkt,  dass  er  mit  seiner  Therapie 
nicht  vorwärts  kommt,  und  die  Krankheit  in  ein  „chirur- 
gisches Stadium"  übertritt,  dann  darf  er  auch  nicht  mit  der 
Hinzuziehung  eines  erfahrenen  Gallensteinchirurgen  länger 
zögern. 

Übernimmt  dieser  dann  die  Behandlung,  dann  soll  er 
nicht  vergessen,  dass,  um  ein  guter  Gallensteinchirurg  zu  sein, 
mehr  nötig  ist,  als  gute  Technik.  Denn  der  moderne  Chirurg 
ist  heutzutage  nicht  mehr  der  Kunsthandwerker,  an  dem  man 
die  Eleganz  der  Schnittführung  und  die  Geschwindigkeit  der 
Finger  schätzt;  der  Chirurg  wird  nicht  mehr  geachtet,  der 
weiter  nichts  ist  als  ein  guter  Techniker.  Ernst  von  Berg- 
mann sagt  ganz  richtig:  „Es  ist  ja  jedem  Ciiirurgen  bekannt, 
wie  viel  er  ungescheut  und  ungestraft  operieren  kann,  aber  es 
bedarf  wissenschaftlicher  Begründung  in  kritischer  Untersuchung, 
damit  die  Arbeit  des  geschickten  Künstlers  aucii  vor  dem  Urteil 


—      15     — 

des  gelehrten  Chirurgen  bestehe  und  gelte."  Gerade  von  einem 
Gallensteinchirurgen  fordern  wir,  dass  er  ein  guter  pathologischer 
Anatom  und  ein  scharfer  Diagnostiker  ist,,  und  dass  er  seine 
Indikationen  exakt  und  strikte  stellt.  Leichtensterns  Vor- 
wurf, ,,dass  der  Chirurg  sich  bekanntermassen  am  wenigsten 
um  die  diagnostischen  Feinheiten  des  Mediziners  zu  kümmern 
pflegt",  sollten  wir  Chirurgen  nicht  auf  uns  sitzen  lassen, 
jeder  Gallensteinchirurg  soll  vielmehr  danach  streben ,  auch 
ein  guter  innerer  Arzt  zu  sein :  er  muss  wissen,  wie  die 
Gallensteinkrankheit  unter  dem  Eintluss  innerer  Mittel  z.  B. 
einer  Karlsbader  Kur  verläuft,  er  muss  eine  genaue  Kennt- 
nis der  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  besitzen,  die 
sich  bei  den  Koliken  am  Gallensystem  abspielen.  Auf  Grund 
dieser  Kenntnisse  stellt  der  Chirurg  seine  Diagnose  und  bestimmt 
die  Therapie.  Anatomische  und  physiologische  Studien  über 
den  Bau  der  Gallenwege  und  ihre  Funktionen  setzt  man  als 
selbstverständlich  voraus.  Aber  gerade  das,  was  als  selbst- 
verständlich gilt,  wird  nicht  immer  erfüllt. 

Unter  allen  Umständen  soll  jeder  Arzt,  der  an  eine 
Gallensteinoperation  herantritt,  sich  der  grossen  Verantwortung 
bewusst  sein,  die  er  damit  übernimmt;  er  muss  die  Technik 
der  Bauchchirurgie  von  A  bis  Z  beherrschen.  Fehlen  ihm  die 
nötigen  Kenntnisse  in  der  Pathologie  und  pathologischen  Ana- 
tomie der  Cholelithiasis,  so  handelt  er  richtiger,  wenn  er  die 
Hände  von  der  Operation  lässt. 

Soll  ich  noch  die  anderen  Eigenschaften  schildern,  die 
einen  Gallensteinchirurgen  zieren  müssen '?  Da  sind  die  extrem- 
sten Tugender,  die  sich  scheinbar  gegenseitig  ausschliessen, 
nötig :  eiserne  Ruhe,  wenn  in  der  Tiefe  die  Ligatur  von 
der  Arteria  cystica  abgleitet  oder  gar  die  Vena  portarum 
einen  klaffenden  Riss  zeigt;  rasches  Handeln,  wenn  es  gilt, 
dem  gewaltigen  Blutstrom  Einhalt  zu  tun  ;  oft  ist  Zartheit, 
oft  Rücksichtslosigkeit  am  Platze,  langsames  vorsichtiges 
Vorgehen  wechselt  iMt  kühnen  Angriffen  fortwährend  ab. 
Schliesslich  muss  ein  Gallensteinoperateur  ein  gesunder  Mensch 
sein,  und  nervöse  Ärzte  sollten  sich  von  solchen  Operationen 
fern  halten.  Bei  der  Nachbehandlung  muss  man  unendlich 
viel  Geduld  mit  sich  und  seinen  Patienten  haben.   — 

Zu   einer   Operation    gehören    aber   mehr    Leute    als    der 
Arzt,  der  das  Messer  führt  und  mit  der  Kornzange  die  Steine 


-     16     — 

entfernt.  Ohne  gute  Assistenz  ist  eine  Gallensteinoperation 
ein  sehr  schwerer  und  oft  unmöglicher  Eingriif.  Und  wenn 
die  Assistenten  in  der  Technik  der  Operation  und  in  der  patho- 
logischen Anatomie  der  Krankheit  nicht  ebensogut  Bescheid 
wissen  wie  der  Operateur  selbst,  so  wird  man  selten  einen 
vollen  Erfolg  erzielen.  Manche  Chirurgen  haben  es  an  sich, 
dass  sie  sich  von  dem  Arzt  assistieren  lassen,  der  gerade  den 
Patienten  in  die  Klinik  bringt.  Das  soll  kollegial  sein,  bringt 
aber  den  Patienten  oft  in  die  grösste  Gefahr,  und  die  Forderung 
„Aegroti  salus  suprema  lex"  wird  durch  dieses  Verfahren  nicht 
gerade  befolgt.  Denn  nicht  jeder  Arzt  ist  in  der  Asepsis  so  geschult, 
dass  man  sich  auf  ihn  in  jeder  Beziehung  verlassen  kann. 
Auch  die  Asepsis  lernt  man  nur  durch  tägliche  fortdauernde 
Übung.  Aber  wie  viele  Landärzte  haben  denn  Gelegenheit,  täg- 
lich Asepsis  zu  treiben  ?  Den  Verständigeren  unter  ihnen  fällt  es 
deshalb  auch  gar  nicht  ein,  sich  zur  Operation  zu  drängen, 
sie  sind  froh,  wenn  der  Chirurg  seinen  eigenen  Assistenten 
hat  und  sie  selbst  zusehen  dürfen.  Zudem  ist  es  dringend 
nötig,  dass  der  assistierende  Kollege  in  der  pathologischen 
Anatomie  der  Cholelithiasis  ausreichende  Kenntnisse  besitzt, 
damit  er  den  Operateur  in  seinen  EntSchliessungen  unterstützen 
kann.  In  den  Fällen,  in  denen  die  Cholelithiasis  durch  intra- 
peritoneale Eiterungen  kompliziert  ist,  kann  ein  unerfahrener 
Assistent  durch  ungeschicktes  Assistieren  und  durch  unvor- 
sichtige Handgrifie  grossen  Schaden  anrichten.  Ich  nehme 
meine  Gallensteinoperationen  nur  vor  mit  einem  Assistenten,  der 
durch  längeres  Zusehen  meine  Operationstechnik  kennen  ge- 
lernt und  durch  genaues  Studium  der  Krankengeschichten  sich 
mit  dem  Wesen  der  Cholelithiasis  vertraut  gemacht  hat.  Ich 
verfüge  über  zwei  Assistenten.  Tritt  ein  Wechsel  ein  (ge- 
wöhnlich ist  das  am  1.  Oktober  der  Fall),  so  engagiere  ich  den 
neuen  Assistenten  bereits  für  den  1.  September,  damit  derselbe 
im  Verlaufe  dieses  Monats  als  Hospitant  Gelegenheit  hat,  sich 
in  jeder  Beziehung  zu  orientieren.  BeÄ^der  ersten  Gallenstein- 
operation, bei  welcher  der  neue  Assistent  dann  assistiert,  ist 
er  eben  kein  Neuling  mehr,  sondern  weiss  schon  genügend  Be- 
scheid. Während  eines  Monates  hat  auch  jeder  Gelegenheit 
genug,  die  von  mir  geübte  Asepsis  sich  so  anzueignen,  dass  er 
meinen   Anforderungen  entspricht ;    denn  das  Haupterfordernis 


—      17      — 

2um  Gelingen  einer  Gallensteinoperation  liegt  in  einer  mit 
peinlichster  Gewissenhaftigkeit  durchgeführten  Asepsis. 

Ehe  ich  zu  einer  genauen  Schilderung  der  von  mir  geübten 
Asepsis  übergehe,  will  ich  kurz  die  Frage  erledigen:  wo  man 
Gallensteine  operieren  soll,  im  Krankenhause  oder  in  der 
Privatwolmung  des  Patienten?  Ich  werde  dieser  Frage  noch 
bei  der  Nachbehandlung  näher  treten,  will  aber  hier  schon 
-einige  Worte  darüber  sagen. 

Mit  gutem  Willen  lässt  sich  eine  gute  Asepsis  überall 
-durchführen,  gleichgültig,  ob  ich  in  der  ärmlichsten  Bauern- 
hütte oder  zwischen  den  Kachelwänden  eines  modernen  Ope- 
rationssaales zum  Messer  greife.  Wasser  zum  Auskochen  der 
Instrumente  gibt  es  überall,  eine  Feuerstelle  finden  wir  beim 
-ärmsten  Feldarbeiter,  und  das  Verbandzeug  kann  man  in  Tonnen 
sterilisiert  mit  sich  führen.  Zu  einer  Gallensteinoperation  ge- 
hört aber  gutes  Licht,  und  da  dieses  in  den  niedrigen  engen 
Stuben  der  Landbevölkerung  fehlt,  verbietet  es  sich  von  selbst, 
eine  solche  Operation  hier  vorzunehmen.  Ganz  anders  liegen 
die  Verhältnisse  bei  der  wohlhabenden  Bevölkerung  in  der  Stadt, 
wo  man  den  Salon  leicht  in  ein  Operationszimmer  umwandeln 
kann.  Aber  der  Frau  des  Hauses  tut  man  damit  keinen  grossen 
Gefallen :  die  Gardinen  müssen  herunter,  und  der  Parkettboden 
wird  auf  immer  ruiniert.  Das  spielt  indessen  keine  Rolle,  wenn 
es  gilt,  durch  eine  Operation  die  Gesundheit  wieder  herzu- 
stellen. 

Wenn  ich  also  zugebe,  dass  in  der  Privatwohnung  eines 
gut  situierten  Patienten  eine  Gallensteinoperation  in  Bezug  auf 
<lie  Asepsis  sich  tadellos  durchführen  lässt,  vielleicht  hier 
noch  besser,  wie  in  dem  von  pathogenen  Bakterien  gefüllten 
Krankenhause,  so  operiere  ich  doch  lieber  in  meiner  Klinik, 
weil  hier  die  Nachbehandlung  sich  besser  bewerkstelligen  lässt, 
wie  in  der  Wohnung  des  Kranken.  In  bestimmten  Fällen  habe 
ich  gegen  .  eine  Hausoperation  nichts  einzuwenden.  Wo  der 
Transport  unmöglich  ist  oder  schaden  könnte,  kann  man  dem 
Wunsch,  die  Operation  an  Ort  und  Stelle  vorzunehmen,  gewiss 
naclikommep.  Aber  ein  Transport  ist  eigentlich  jetzt  bei  unseren 
trefflichen  Verkehrsmitteln  fast  immer  möglich.  Das  Tragen 
auf  der  Tragbahre,  der  Transport  durch  Krankenwagen  und 
auf  der  Eisenbahn  schaden  auch  bei  peritonealer  Reizung  so  gut 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  ^ 


—      18     -- 

wie  nichts,  und  deshalb  bleiben  nur  wenige  Fälle  übrig,  bei  denen 
man  zugeben  muss,  dass  nur  eine  Hausoperation  in  Betracht 
käme.  Der  Nutzen  einer  Operation  kommt  oft  erst  bei  der 
Nachbehandlung  zu  Tage;  darüber  werde  ich  mich  bei  dem 
Kapitel  „Nachbehandlung**  eingehend  äussern. 

Ich  benutze  zu  meinen  Gallenstein-Operationen  einen  be- 
sonders für  aseptische  Eingriffe  bestimmten  Raum.  Ich  verfüge 
noch  über  ein  zweites  Operationszimmer,  in  dem  ich  die  eitrigen 
Fälle  behandle  und  die  Verbandwechsel  vornehme.  Wenn  man 
auch  mit  einem  einzigen  Operationsraum  auskommen  kann, 
so  hat  es  doch  grosse  Vorteile,  wenn  man  über  zwei  solche 
Zimmer  verfügt. 

Mein  aseptisches  Operationszimmer  ist  Winter  und  Sommer 
gut  durchwärmt,  ein  Radiator  der  Warmwasserheizung  spendet 
so  viel  Wärme,  dass  weder  Patient  noch  Arzt  zu  frieren  brauchen. 
Das  Thermometer  zeigt  gewöhnlich  24"  Celsius.  Die  Wände 
des  Operationszimmers  sind  mit  weissen  Kacheln  und  der  Fuss- 
boden  mit  Fliessen  bedeckt.  Durch  heisses,  aus  der  Zentral- 
heizung entnommenes  Wasser  kann  der  Wärter,  der  die  Rei- 
nigung des  Operationsraumes  zu  besorgen  hat,  Wände  und 
Fussboden,  auch  die  mit  Emaillefarbe  gestrichene  Decke  des 
Zimmers  gründlich  abspülen.  Zur  W^aschung  der  Hände  sind 
drei  grosse  Porzellanbecken  vorhanden,  welche  die  Firma  Lau- 
tenschläger in  Berlin  geliefert  hat,  und  die  eine  weitgehende 
Asepsis  ermöglichen.  Der  Abfluss  des  heissen  und  kalten 
Wassers  kann  durch  eine  mit  dem  Fuss  zu  regulierende  Vorrich- 
tung bewerkstelligt  werden,  der  Zufluss  wird  mit  dem  Ellen- 
bogen hergestellt. 

Am  Tage  vor  der  Operation  wird  der  Operationsrauiu 
gründlich  gereinigt,  Wände  und  Fussboden  mit  heissem  W^asser 
abgeschwemmt.  Über  Nacht  bleibt  das  Operationszimmer  vei- 
schlossen,  damit  kein  Unbefugter  es  betritt.  Ehe  es  am  Morgen 
geöffnet  wird,  entledigen  wir  uns  des  Rockes  und  der  Weste^ 
legen  über  efne  weisse  Leinenschürze  eine  Gummischürze  an 
und  stecken  zum  Schutz  vor  Nässe  unsere  Füsse  in  Holzpan- 
toffeln, wie  sie  der  Schmied  trägt.  Dieselben  sind  besser  wie 
Gummischuhe,  in  denen  die  Füsse  nicht  ausdunsten  können. 
Man  steht  auf  dicken  Holzsohlen  und  ist  mehr  vor  der  Einwirkung^ 
der  Feuchtigkeit  geschützt  wie  in  Gummischuhen.  Ausserdem  sind 


—     19     — 

die  Holzpantoffeln  billiger  und  dauerhafter  wie  Gummischuhe.  In 
diesem  Anzug  betreten  wir,  d.  h.  der  Operateur,  zwei  Assistenten, 
die  die  Instrumente  reichende  Schwester  und  der  Wärter,  das 
Operationszimmer  und  beginnen  mit  den  eigentlichen  aseptischen 
Vorbereitungen.  Ein  vorheriges  Bad  wird  keinem  Operateur 
schaden,  aber  vor  jeder  Laparotomie  zu  baden,  ist  eine  über- 
triebene Forderung.  Ein  vielbeschäftigter  Laparotomist  käme 
ja  kaum  aus  der  Badewanne  heraus.  Wir  verlangen  von  einem 
Chirurgen  nur  dieselbe  Reinlichkeit  am  Körper,  die  wir  von 
jedem  anständigen  Menschen  verlangen. 

.  In  einem  Punkt  der  übertriebenen  Reinlichkeit  dagegen 
können  wir  uns  gar  nicht  genug  tun,  er  betrifft  die  Waschung 
der  Hände. 

Dieselbe  wird  mit  möglichst  heissem  Wasser  vorgenommen 
und  dauert  ca.  20  Minuten.  Ich  verwende  Bürsten,  die  vor 
jeder  Operation  ausgekocht  und  dann  in  Sublimatlösung  gelegt 
werden.  Die  Bürste  ist  mir  ein  sehr  lieber  Freund  und  nicht 
wie  Schleich  sagt  „unser  ärgster  Feind,  der  borstige  Be- 
herrscher der  aseptischen  Situation''.  Die  Bürste  muss  recht 
scharf  sein,  man  muss  bei  ihrer  Verwendung  einen  gewissen 
Luxus  treiben:  mehr  als  3  oder  4  Laparotomien  sollte  keine 
Bürste  mitmachen.  Ich  lasse  6  Bürsten  vor  jeder  Operation 
auskochen  und  gebrauche  bei  der  Händedesinfektion  zur 
mechanischen  Reinigung  eine  Bürste,  zur  Desinfektion  mit 
Alkohol  eine  zweite.  Ich  beginne  die  Waschung  zur  gleichen 
Zeit  wie  meine  Assistenten;  auf  diese  Weise  findet  eine 
gegenseitige  Kontrolle  statt.  Als  Seife  benutze  ich  eine 
gut  schäumende  Mandelseife.  Ehe  ich  die  Waschung  beginne, 
wird  jeder  Nagel  mit  einem  Messer  abgekratzt,  der  Nagelfalz 
durch  den  Braatz' sehen  Reiniger  zurückgeschoben  und  dem 
subungualen  Raum  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet. 
Wenn  wir  5  Minuten  lang  unsere  Hände  mit  Seife  und  Bürste 
traktiert  haben,  wobei  wir  immer  das  fliessende  Wasser  ver- 
wenden, wird  noch  einmal  eine  gründliche  Nägelreinigung  vor- 
genommen, und  mit  dem  Messer  w^erden  etwaige  Schuppen  aus  der 
Hohlhand  und  zwischen  den  Fingern  weggeschabt.  Dann  kehren 
wir  zur  weiteren  Waschung  mit  heissem  Seifenwasser  zurück. 
Sind  20  Minuten  vergangen,  so  tauchen  wir  unsere  Hände  in 
Seifenspiritus,  der  in  einer  ausgekochten  Schüssel  vorrätig  ge- 
halten wird.     Die  Waschung  im  Seifenspiritus  dauert  5  Minuten. 


—     20     — 

Nun  legen  wir  die  bis  dahin  gebrauchten  Bürsten  fort  und 
vollenden  mit  neuen  Bürsten  die  Waschung  in  absolutem 
Alkohol,  welcher  aus  dem  Braatz' sehen  aseptischen  Wasch- 
tisch über  unsere  Hände  träufelt.  Zuletzt  spülen  wir  die  Hände 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung  ab.  Bis  zum  Beginn  der 
Operation  bearbeite  ich  meine  Hände,  besonders  die  Finger- 
spitzen mit  sterilen  Gazeläppchen,  die  mit  Alkohol  getränkt 
sind,  und  es  vergehen  also  ca.  40  Minuten,  ehe  ich  das  Messer  in 
die  Hand  nehme. 

Kurz  bevor  wir  zur  Desinfektion  mit  absolutem  Alkohol 
übergehen,  ziehen  wir  frisch  sterilisierte  Mäntel  an,  deren 
Ärmel  bis  zum  Ellenbogengelenk  reichen  und  den  Körper  ringsum 
bedecken.  Die  Mäntel  entnimmt  ein  Jeder  selbst  der  Schimmel- 
busch'schen  Tonne.  Das  Knoten  der  Bänder  am  Rücken  be- 
sorgt der  Wärter,  das  Knoten  der  Armbänder  gegenseitig  die 
bereits  sterilisierten,  bei  der  Operation  beteiligten  3  Personen 
(Operateur,  Assistent,  Instrumentenreicherin). 

Gegen  das  Schwitzen,  das  ich  besonders  sehr  liebe,  tragen 
wir  Kopftücher,  aus  zweifacher  Lage  Gaze  bestehend.  Die- 
selben saugen  gut  auf  und  verhüten  das  Herunterfallen  der 
Schweisstropfen. 

Gesichtsmasken,  Gummi-  oder  Zwirnhandschuhe  benutze 
ich  bei  meinen  Gallensteinoperationen  nicht;  der  Direktor  einer 
chirurgischen  Universitätsklinik,  der  viel  mit  eitrigen  Aftekti- 
onen  zu  tun  hat,  mag  derartige  Vorsichtsraassregeln  für  nötig 
halten.  Ich  habe  im  Durchschnitt  täglich  nur  zwei  Operationen 
und  hüte  mich  nach  Möglichkeit,  mit  Eiter  in  Berührung  zu 
kommen. 

Bei  Eröffnung  von  Abszessen  ziehe  ich  Gummihandschuhe 
an,  und  bei  Verbandwechseln  kommen  meine  Finger  weder  mit 
der  Wunde  noch  mit  den  Verbandstücken  in  Berührung.  Auch 
meine  Assistenten  dürfen  nur  mit  Instrumenten  einen  Verband- 
wechsel vornehmen.  Selbst  mein  Personal  ist  angewiesen,  sicii 
von  allen  mit  Sekret  durchtränkten  Verbänden  fern  zu  halten. 
Dass  ein  Arzt  mit  einem  Panaritium  das  Operieren  unterlässt, 
ist  eine  so  selbstverständliche  Forderung,  dass  icii  darüber 
nichts  weiter  zu  sagen  brauche.  Ebenso  bei  Angina,  akutem 
Schnupfen  ruht  er  sich  besser  aus,  als  dass  er  seine  Patienten 
der  Gefahr   einer   immer  möglichen  Infektion  aussetzt.     Über- 


—     21     ~ 

haupt,  fühlt  sich  der  Operateur  nicht  ganz  wohl,  sollte  er  so 
schwierige  und  angreifende  Operationen,  wie  die  meisten  Gallen- 
steinoperationen sind,  nicht  unternehmen. 

In  der  Zeit,  die  zwischen  den  Operationen  liegt,  ist  der 
Pflege  der  Hände  die  grösste  Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 
Und  Kocher  hat  nicht  Unrecht,  wenn  er  darauf  hinweist,  dass 
man  Handschuhe  in  der  Zeit  zwischen  den  Operationen  tragen, 
bei  Beginn  derselben  aber  ausziehen  sollte.  Bei  der  Pflege  der 
Hände  hat  sich  mir  sehr  das  Kaloderm  bewährt,  welches  nach 
jeder  Operation  in  die  feuchten  Hände  eingerieben  wird  und 
die  Sprödigkeit  der  Haut  wesentlich  vermindert. 

Sublimat  gebrauche  ich  bei  meinen  Waschungen  nicht,  es 
macht  die  Hände  bei  den  meisten  Chirurgen  rauh  und  rissig 
und  verhindert  dadurch  geradezu  die  Durchführung  der  Asepsis. 

Wenn  unsere  Händedesinfektion  beendet  ist,  wird  der 
Patient  in  das  Operationszimmer  gefahren,  auf  den  Tisch  ge- 
legt, in  warme  Decken  gewickelt,  und  nun  beginnt  sofort  die 
Narkose.  Nicht  selten  wird  diese,  worauf  wir  noch  zurück- 
kommen, bei  sehr  ängstlichen  Kranken  in  einem  Vorraum  be- 
gonnen, damit  der  Kranke  nichts  von  dem  „schrecklichen"  Ope- 
rationszimmer zu  sehen  bekommt. 

Die  Frage,  welche  Art  der  Narkose  bei  einer  Gallensteiu- 
operation  den  Vorzug  verdient,  werde  ich  in  einem  späteren 
Kapitel  dieses  Buches  (siehe  allgemeine  Technik)  beantworten. 

Erst  wenn  die  Narkose  gehörig  tief  ist,  wird  der  Kranke 
richtig  gelagert.  Auch  darüber  werde  ich  in  dem  Abschnitt 
„Allgemeine  Technik"  die  notwendigen  Bemerkungen  machen. 
Hier  sei  nur  im  Interesse  einer  guten  Asepsis  darauf  hinge- 
wiesen,  dass  keine  der  sterilisierten  Personen,  weder  Ope- 
rateur noch  Assistent  sich  mit  der  Lagerung  des  Kranken 
befasst,  sondern  dass  diese  allein  der  Wärter  besorgt.  Das 
ist  eigentlich  selbstverständlich,  und  doch  habe  ich  oft  genug 
in  anderen  Krankenhäusern  und  Kliniken  gesehen,  wie  der 
bereits  gewaschene  und  in  einen  sterilen  Mantel  eingehüllte 
Operateur  bei  der  Lagerung  des  Kranken  behilflich  war.  Da- 
durch wird  natürlich  jede  Asepsis  illusorisch.  In  meiner 
Klinik  hat  sich  nur  der  Wärter  mit  der  Lagerung  des  Kran- 
ken zu  beschäftigen.  Er  schiebt  das  Hemd  desselben  vorn 
und   hinten   nach  oben   bis  an  Hals  und  Nacken,    indem  er  es 


—     22     - 

nach  innen  einrollt,  wodurch  es  vor  Durchfeuchtung  von 
Wasser  und  Blut  behütet  wird.  Fast  niemals  ist  es  nötig, 
dass  nach  der  Operation  der  Patient  der  immerhin  umständ- 
lichen Prozedur  des  Neuanziehens  eines  Hemdes  unterworfen 
wird.  Die  Hemdärmel  des  Kranken  werden  bis  zur  Mitte  des 
Oberarmes  hoch  geschoben  und  eingerollt.  Die  Ellbogen  wer- 
den in  Watte  gewickelt,  um  einer  Drucklähmung  des  nervus 
ulnaris  aus  dem  Wege  zu  gehen.  Unter  den  Rücken  des 
Kranken  wird  eine  feste  Rolle  gelegt  von  ca.  30  cm.  Durch- 
messer, wodurch  Gallenblase  und  Gallengänge  mehr  dem  Niveau 
der  Bauchdecken  genähert  werden.  Die  Beine  des  Patienten 
werden  in  warme  Decken  gewickelt,  die  auf  dem  Heiz- 
körper der  Zentralheizung  vorgewärmt  sind,  und  nun  beginnt 
der  Wärter  nach  gründlicher  Rasur  der  Schamhaare  die  Rei- 
nigung der  Bauchhaut  mit  Seife,  heissem  Wasser  und  Bürste 
und  Seifenspiritus. 

Doch  ich  will  nicht  vorgreifen!  Die  Vorbereitungen  des 
Operateurs  und  seiner  Assistenten  sind  indes  mit  denen  des 
Patienten  —  besonders  was  die  aseptischen  Massnahmen  an- 
langt! —  so  eng  mit  einander  verknüpft,  dass  es  nicht  auf- 
fallen 'kann,  wenn  dieser  und  jener  Punkt  bereits  schon  jetzt 
zur  Sprache  kam. 

Da  jedoch  die  Vorbereitungen  des  Kranken  nicht  nur  die 
Asepsis,  sondern  viele  andere  wichtige  Dinge  betreffen,  sollen 
in  einem  besonderen  Kapitel  —  dem  folgenden  Abschnitt  — 
die  Vorbereitungen  des  Kranken  im  Zusammenhang  besprochen 
werden,  wobei  es  natürlich  nicht  ausbleiben  wird,  dass  ich  auf 
diesen  oder  jenen  bereits  besprochenen  Punkt  kurz  zurück- 
kommen muss. 


II.  Die  Vorbereitungen  des  Kranken. 

Ich  will  nicht  weiter  von  jenen  Vorbereitungen  sprechen, 
die  darauf  hinausgehen,  den  Verzagten  aufzurichten  und  ihm 
Mut  einzuflössen;  doch  soll  man  die  psychische  Vorbereitung 
nicht  vergessen.  Es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel,  dass  ein 
Mensch,  der  mit  recht  grossen  Hoffnungen  und  viel  Vertrauen 
an  eine  Operation  herantritt,  den  Eingriff  besser  verträgt,  wie 
ein  kleinmütiger  und  furchtsamer  Kranker.  Woran  das  liegt,  das 
vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Vielleicht  wird  die  grössere  Ängstlich- 


—     28     — 

keit  bedingt  durch  den  schwereren  Grad  der  Erkrankung  oder 
durch  eine  schlechte  Beschaffenheit  des  Herzens,  auch  spielt 
das  Nervensystem  in  dieser  Hinsicht  gewiss  eine  grosse  Rolle. 
Gerade  deshalb  kann  die  ganze  Persönlichkeit  des  Arztes,  die 
Umgebung  des  Kranken,  die  Einrichtung  der  Klinik  dazu  bei- 
tragen, die  Schrecken  der  bevorstehenden  Operation  wesentlich 
zu  mindern.  Das  wird  nicht  erreicht,  wenn  es  überall  im 
Haus,  auf  den  Korridoren  und  im  Krankenzimmer  nach  Lysol, 
Chloroform ,  Carbol  und  Jodoform  riecht  und  der  Patient  da- 
durch auf  Schritt  und  Tritt  an  die  kommende  Operation  er- 
innert wird.  Das  Operationszimmer  muss  so  liegen,  dass  es 
womöglich  gar  kein  Patient  vorher  zu  Gesicht  bekommt.  Die 
allzu  krankenhausmässige  Einrichtung  der  Krankenzimmer 
liebe  ich  nicht ;  in  einem  Krankenzimmer  muss  eine  gewisse 
anheimelnde  Gemütlichkeit  herrschen,  wobei  doch  die  Prin- 
zipien der  Hygiene  streng  gewahrt  sein  können.  Wie  oft  sieht 
man  aber  Krankenzimmer  ähnlich  eingerichtet  wie  aseptische 
Operationszimmer,  auf  dem  Fussboden  Terrazzo ,  an  den  Wänden 
Kacheln ;  eine  Wandtafel  mit  irgend  einem  frommen  Spruch  soll 
Abwechselung  bringen  in  die  schreckliche  Eintönigkeit.  In 
einem  solchen  Raum  kann  sich  kein  Kranker  wohl  fühlen,  im 
Gegenteil,  er  wird  aus  dem  Hause,  in  dem  er  Heilung  von 
schweren  Leiden  erhoffte,  sich  fortsehnen.  Ein  Arzt  vergiebt 
sich  gewiss  nichts,  wenn  er  auf  das  Gemütsleben  seiner  Kranken 
Rücksicht  nimmt. 

Ebenso  soll  man  bei  den  Vorbereitungen  nicht  vergessen, 
durch  häufige  Untersuchung  des  Kranken  und  durch  eine  genaue 
Beobachtung  desselben  recht  sorgsam  zu  erwägen,  ob  der  Patient 
auch  im  Stande  sein  wird,  die  Gefahren  der  Operation  und  der 
Narkose  zu  bestehen.  Es  genügt  nicht,  allein  Leber  und  Gallen- 
blase genau  zu  untersuchen,  der  Arzt  muss  über  den  Zustand 
des  Herzens,  der  Lunge  und  der  Nieren  des  Patienten  orientiert 
sein  und  darf  keine  Untersuchungsmethode  versäumen,  die  ihm 
ein  Urteil  über  den  Zustand  des  Gesamtorganismus  seines 
Kranken  erlaubt.  Der  Chirurg  sei  also  —  worauf  ich  bereits 
im  vorigen  Kapitel  hinwies  —  vor  der  Operation  mehr  innerer 
Arzt  wie  Operateur.  Weiterhin  kann  man  sich  gar  nicht  oft 
genug  daran  erinnern,  in  der  Indikationsstellung  zur  Operation 
recht  gewissenhaft  zu  Werke  zu  gehen,  damit  man  in  diesem 
Punkte  der  Vorbereitung  ja  nichts  versäumt.      Eigentlich    ge- 


—     24     — 

hören  solche  Erörterungen  in  das  vorangehende  Kapitel,  doch 
erwächst  keinem  Gallensteinoperateur  ein  Schaden,  wenn  er 
immer  und  immer  wieder  an  die  grosse  Verantwortung  erinnert 
wird,  die  ihm  der  Kranke,  der  sich  seiner  Hand  und  seinem 
Messer  anvertraut,  auferlegt. 

Die  auf  den  Körper  des  Kranken  sich  erstreckenden  Vor- 
bereitungen beziehen  sich  nur  auf  folgende  Punkte : 

Der  Patient  muss  möglichst  rein  zur  Operation  kommen. 
Ich  gebe  gewöhnlich  2 — 3  Reinigungsbäder.  Der  betreifende 
Wärter  resp.  die  Wärterin  müssen  lange  Zeit  besonders  die 
Bauchhaut  mit  Seife,  heissem  Wasser  und  Bürste  traktieren, 
die  Schuppen  mit  Aether  entfernen  und  besonders  den  Feind 
des  Bauchchirurgen,  den  Nabel,  mit  besonderer  Aufmerksamkeit 
behandeln.  Patienten,  in  deren  Nabeltiefe  noch  Schmutz  liegt, 
sollten  nicht  auf  den  Operationstisch  kommen,  und  doch  macht 
man  immer  wieder  die  Beobachtung,  dass  selbst  vornehme  Damen 
den  alten  Schmutz  in  der  Nabelhöhle  geradezu  konservieren. 
Die  Wärterin  hat  oft  ihre  liebe  Not,  solche  Patienten  zu  über- 
zeugen, dass  der  Schmutz  nun  endlich  mal  heraus  befördert 
werden  muss.  Nicht  selten  ist  es  nötig,  mit  Aether  die  alten 
eingetrockneten  Massen  loszulösen  und  mit  einer  Pincette  mecha- 
nisch zu  entfernen.  Der  Patient  bleibt  je  nach  seinem  Befinden 
10 — 20—30  Minuten  im  Bad,  wird  dann  in  das  Bett  gefahren 
und  erhält  dort  einen  Alkoholumschlag  um  den  Bauch.  Es 
werden  ihm  mit  Alkohol  getränkte  Gazekompressen  aufgelegt, 
darüber  kommt  ein  engschliessender  Verband  von  Watte, 
der  durch  eine  Cambricbinde  befestigt  wird.  Sublimatumschläge 
halte  ich  für  bedenklich,  da  man  niemals  vorher  wissen 
kann,  ob  nicht  eine  allzugrosse  Reizung  der  Haut  sich  ein- 
stellen wird. 

Jede  körperliche  Anstrengung  und  gemütliche  Aufregung 
ist  von  dem  Kranken  fernzuhalten.  Viel  Spazierengehen  schwächt 
und  ist  zu  unterlassen,  der  Patient  soll  meist  auf  der  Chaise- 
longue oder  auf  dem  Bett  sich  ausruhen,  und  oft  muss  man 
den  lang  entbehrten  Schlaf  durch  ein  gutes  Schlafmittel  herbei- 
zuführen suchen.  Das  notwendige  und  gerade  beim  Gallenstein- 
leiden so  wichtige  Krankenexamen  zwecks  Aufnahme  einer 
Anamnese  dehne  man  nicht  zu  lange  aus,  sondern  verteile  das- 
selbe   auf  die  einzelnen  Tage,    die  der  Operation  vorausgehen. 


ZO       — 

Angehörige  sind,  wenn  irgendwie  möglich,  fernzuhalten ;  ich 
lasse  niemals  einen  Angehörigen  des  Kranken  zur  Pflege  zu. 
Ihm  fehlt  die  Objektivität.  Zumeist  haben  sie  nie  gesehen, 
wie  ein  Laparotomierter  aussieht.  Bekommt  dieser  Erbrechen, 
so  läuten  sie  Sturm,  und  müssen  sie  gar  einmal  dabei  sein, 
wenn  dem  allzu  häufig  Brechenden  der  Magen  ausgespült 
werden  muss,  so  regen  sie  sich  ganz  gewaltig  auf  und  über- 
tragen diese  Aufregung  auf  den  Operierten.  Die  Angehörigen 
erhalten  erst  am  dritten  Tage  post  op.  Zutritt,  wenn  die  Haupt- 
gefahren der  Operation  überwunden  sind,  und  der  weitere 
Verlauf  sich  voraussichtlich  günstig  gestalten  wird.  Selbstver- 
ständlich lasse  ich  die  Angehörigen  auch  eher  zu,  wenn  es  dem 
Kranken  schlecht  geht  und  kein  guter  Ausweg  zu  erwarten  ist. 
Es  ist  oft  nicht  leicht,  hier  das  Richtige  zu  treffen,  und  nur 
bei  ganz  verständigen  Angehörigen  wird  man  in  dieser  Be- 
ziehung keine  Unannehmlichkeiten  haben. 

Jeder  Gallensteinoperierte  erhält  schon  24  Stunden  vor  der 
Operation  seine  Pflegerin  zuerteilt,  damit  er  sich  an  die  fremde 
Person  gewöhne.  Zwei  Pflegerinnen  lösen  sich  alle  24  Stunden 
ab :  mehr  als  einen  Tag  und  eine  Nacht  kann  niemand  so  rüstig 
bleiben,  dass  er  die  Aufgaben  einer  guten  Pflege  gewissenhaft 
erfüllen  kann. 

Das  Personal  in  der  Klinik  hat  die  strikte  Weisung,  über 
die  Vorgänge  in  derselben  (Operationen,  Sterbefälle)  Still- 
schweigen zu  bewahren.  Da  das  Personal  sich  meist  aus 
Weibern  zusammensetzt,  ist  es  nicht  leicht,  die  oft  recht 
lockeren  Zungen  immer  in  der  notwendigen  Ruhe  verharren  zu 
lassen.  Doch  gibt  es  auch  unter  dem  männlichen  Personal 
„Klatschmäuler"  genug  1 

Die  Diät  des  Kranken  sei  kräftig,  da  ja  die  Operation 
mit  dem  nie  zu  vermeidenden  Blutverlust  immer  einen  schwä- 
chenden Einfluss  auf  den  Organismus  des  Kranken  ausübt ; 
doch  darf  der  Patient  keine  feste  Nahrung  zu  sich  nehmen,  da 
in  dem  Augenblick  der  Operation  Magen  und  Darm  möglichst 
leer  sein  müssen. 

Ich  gebe  48  Stunden  vor  der  Operation  nur  flüssige  Kost, 
Suppen  mit  Ei,  Kaffee,  Tee,  Milch,  Wein  etc.  und  lasse  alle 
festen  Speisen  fort. 


—     26     — 

Zwecks  Entleerung  des  Darmes  bekommen  die  Patien- 
ten, wenn  nicht  besondere  Kontraindikationen  (Ileus,  lokale 
Peritonitis)  dies  verbieten,  ausnahmslos  Ricinusöl.  Die  scharfen 
Abführmittel  vermeide  ich,  da  sie  die  Darmschleimhaut  zu  sehr 
reizen.  Ricinusöl  (2  Esslöflfel  mit  Bier  gequirlt)  ist  ein  gross- 
artiges Gretränk,  welches  Niemand  verweigert.  Selbst  Anti- 
alkoholiker verschmähen  nicht  den  ans  Bier  und  Ricinus  zu- 
sammengesetzten Trank.  Ricinuskapseln  nehmen  sich  viel 
schlechter  ein. 

Bei  Frauen  mit  Enteroptose  wird  mit  Einlaufen  von 
warmem  Seifen wasser,  Olivenöl-  und  Glycerinklystieren  nachge- 
holfen, da  man  sonst  gefasst  sein  muss,  bei  der  Operation  im 
Colon  und  Cöcum  oft  noch  recht  feste  Scybala  vorzufinden. 
Die  gründliche  Entleerung  des  Darras  ist  sehr  sorgfältig  vor- 
zunehmen, da  bei  leerem  Darm  die  Operation  viel  leichter  ist 
und  der  Verlauf  sich  günstiger  gestaltet.  Hat  der  Patient 
nicht  gründlich  abgeführt,  so  bekommt  er  viel  eher  Meteoris- 
mus und  muss  sich  mit  den  Blähungen  oft  recht  plagen.  Es 
kommt  hinzu,  dass  der  Chirurg  nicht  selten  bei  einer  Gallen- 
steinoperation zu  gleicher  Zeit  Eingriffe  am  Darm  (Appen- 
dicitis,  Darmfi.steln)  vornehmen  muss,  zu  deren  aseptischer 
Durchführung  an  und  für  sich  schon  eine  gründliche  Ent- 
leerung des  Darmes  notwendig  erscheint.  Langenbuch  hat 
zwecks  Verhütung  der  Darmaufblähung  Wismuth  gegeben ; 
ich  habe  das  nie  getan. 

Wie  der  Darm,  so  muss  auch  der  Magen  völlig  leer  sein, 
sobald  der  Patient  auf  den  Operationstisch  kommt.  Ich  er- 
reiche das  durch  zwei  Massnahmen  : 

Erstens  darf  der  Patient  6  Stunden  vor  der  Operation 
nichts  mehr  zu  sich  nehmen,  auch  keine  Flüssigkeit  mehr. 
Zweitens  spüle  ich  den  Magen  mehrere  Male  vor  der  Opera- 
tion gründlich  aus.  Dabei  verfolge  ich  zwei  Zwecke.  Einer- 
seits kann  man  nie  wissen,  ob  man  nicht  auf  eine  Gallenblasen- 
magenfistel  trifft,  deren  Beseitigung  geboten  erscheint.  Die 
Zerstörung  einer  solchen  Fistel  kann  aber  ein  Einfliessen  von 
Mageninhalt  in  die  Bauchhöhle  nach  sich  ziehen.  Ist  der 
Magen  vor  der  Operation  gründlich  ausgewaschen,  so  ist  mit- 
dem  Einfliessen  keine  allzu  grosse  Gefahr  verbunden.  Ich  lasse 
also   nach   der   letzten    Magenspülung,    die    am    Vorabend   der 


r 


—     27     -■ 

Operation  vorgenommen  wird,  den  Patienten  die  Nacht  über 
hungern  und  gestatte  ihm  nur  bis  morgens  4  Uhr  etwas 
Wasser  oder  Milch  zu  sich  zu  nehmen,  dann  ist,  wenn  die 
Operation  gegen  9  oder  10  Uhr  stattfindet,  der  Magen 
sicher  leer. 

Andererseits  ist  es  nicht  selten,  dass  der  Patient  nach  der 
Operation  Erbrechen  bekommt,  dem  man,  wenn  es  sich  wieder- 
holt, am  besten  durch  eine  Magenspülung  Einhalt  gebietet. 
Die  Einführung  der  Magensonde  ist  aber  keine  besondere  An- 
nehmlichkeit, selbst  in  gesunden  Tagen.  Ein  Laparotomierter 
hat  an  und  für  sich  Schmerzen  in  seiner  genähten  Bauchwunde, 
und  wenn  nun  gar  durch  Einführung  der  bis  dahin  nicht  ge- 
wohnten Schlundsonde  Würgen  und  Erbrechen  hervorgerufen 
wird,  so  werden  die  Schmerzen  erheblich  gesteigert.  Deshalb 
gewöhne  ich  die  Patienten  an  das  Instrument,  damit  sie  bei  der 
notwendigen  Einführung  nach  der  Operation  nicht  zu  sehr  zu 
leiden  haben.  Ich  habe  die  Erfahrung  gemacht,  dass  Niemand 
sich  dieser  prophylaktischen  Applikation  der  Schlundsonde 
widersetzt,  wenn  man  ihm  die  Gründe  dieser  Massnahme  richtig 
darlegt. 

Natürlich  fällt  die  Magenspülung  ebenso  wie  das  Baden 
und  das  Abführen  fort,  wenn  Patient  erheblich  geschwächt  ist, 
hoch  fiebert,  Magenblutungen  hat  etc. ;  statt  Rizinus  zu  geben, 
begnüge  ich  mich  dann  mit  einem  gewöhnlichen  Wassereinlauf 
und  statt  des  Badens  beschränke  ich  die  Reinigung  auf  die 
Bauchhaut,  doch  darf  sie  an  Gründlichkeit  nichts  zu  wünschen 
übrig  lassen.     (No.  157.) 

Wi  tzel  legt  ein  grosses  Gewicht  auf  die  Pflege  der  Zähne 
bei  seinen  Patienten,  damit  von  Seiten  der  Lungen  nach  der 
Operation  keine  unangenehmen  Störungen  durch  infizierten  Speichel 
entstehen.  Ich  kann  ihm  in  dieser  Beziehung  nur  beipflichten, 
aber  es  ist  in  der  Praxis  sehr  schwer,  diese  Forderung  Witzeis 
zu  erfüllen. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  Patieuten  mit 
Ikterus.  Bei  dieser  Komplikation  fürchten  wir  besonders  die 
Gefahr  der  cholämischen  Blutung.  Sie  tritt  selbst  beim  akuten 
Einsetzen  des  Ikterus,  wenn  auch  selten,  ein.  Ich  habe  einen 
Patienten  mit  akut  auftretendem  Ikterus  am  5.  Tage  der  Er- 
krankung an  cholämischer  Blutung  zu  Grunde  gehen  sehen. 
Beim  chronischen  Ikterus  sind  cholämische  Blutungen  .viel  hau- 


—     28     - 

figer  beobachtet  worden,  wie,  bei  akuter  Gelbsucht,  und  sind 
Todesfälle  infolge  dieser  Komplikation  keine  allzugrosse 
Seltenheit. 

Dasjenige  Mittel,  welches  am  besten  die  Gefahr  der  cho- 
lämischen  Nachblutung  abwendet,  ist  das  Clilorcakium  in  ziem- 
lich grossen  Dosen.  Ich  gebe  es  als  Klysma,  3,6  gr.  pro  dosi 
dreimal  täglich  oder  per  os  1,8  gr.  pro  dosi,  ebenfalls  drei- 
mal täglich.  In  der  Regel  wird  dieses  Mittel  gut  vertragen, 
manchmal  macht  es  Brustbeklemmungen  und  Kurzatmigkeit. 
Dann  wird  man  es  aussetzen.  Es  ist  nötig,  "das  Mittel  2 — 3 
Tage  lang  anzuwenden,  bei  schon  vorhandenen  Blutungen  dasselbe 
noch  länger  zu  gebrauchen.  Man  muss  darauf  achten,  dass  chemisch 
reines  Chlorcalcium  verwandt  wird;  unreines  verursacht  Brennen 
im  Rectum.  A.  E.  Wright  hat  als  erster  das  Calcium- 
chlorid  bei  Blutungen  mit  Erfolg  benutzt  und  einen  gerinn ungs- 
befördernden  Einfluss  der  Kalksalze  auf  das  Blut  festgesetzt. 
Mayo-Robson,  Silvestri,  Rolleston  und  Dawson, 
Boas*)  haben  es  mit  Erfolg  verordnet. 

Subkutane  Infusionen  von  2  "/o  Gelatinelösung  habe  ich 
früher  ebenfalls  angewandt,  oft  mit  überraschendem  Erfolg. 
(No.  158.) 

Es  ist  ja  schwer  zu  sagen,  ob  diese  Mittel  wirklich  in  dem 
betreffenden  Fall  geholfen  haben,  aber  ich  habe  doch  den  Ein- 
druck, dass,  seitdem  ich  Chlorcalcium  verwende,  die  cholämischen 
Blutungen  sehr  selten  eingetreten  sind. 

Mancher  Kranke  kommt  in  einem  derartigen  Zustand  in  die 
Klinik,  dass  sofort  operiert  werden  muss,  z.  B.  bei  Perforationen  der 
Gallenblase,  dann  muss  man  die  Vorbereitungen  auf  das  Min- 
destmass einschränken,  um  keine  kostbare  Zeit  zu  versäumen. 
Andere  wieder  sind  so  geschwächt  und  elend,  dass  man  nicht 
schon  nach  zwei  Tagen  operieren  kann.  (No.  75.)  Man  muss 
erst  den  Zustand  der  Kranken  durch  eine  gute  Ernährung  wieder 
aufbessern.  Stärkung  der  Herztätigkeit  durch  Strophantus,  Kog- 
nak, Weinclystiere,  bei  daniederliegender  Magenverdauung  Nähr- 
clj^stiere  und  subkutane  Ernährung  sind  dann  am  Platze.  Man  soll 
kein  Mittel  unversucht  lassen,  welches  geeignet  erscheint,  den 
Patienten  so  zu  stärken,  dass  erden  nachteiligen  Einwirkungen  der 
Narkose  und  des  unvermeidlichen  Blutverlustes  gewachsen  ist. 

*)  Therapie  der  Gegenwart.     1904.    Heft  7. 


—     29     — 

Ich  brauche  wohl  kaum  hervorzuheben,  dass  ich  Patienten  mit 
akuten  Erkrankungen  der  Luftwege  (Nr.  98.  Nr.  115.)  (Schnup- 
fen, Bronchitis)  von  der  Operation  solange  zurückstelle,  bis  sie 
wieder  frei  sind,  und  dass  man  bei  Blasenkatarrh  erst  diesen  behan- 
delt^ ehe  man  die  Operation  vornimmt.  Eintretende  Menses  geben 
an  und  für  sich  keine  Contraindication  ab,  doch  ist  das  Baden  für 
solche  Kranke  oft  unangenehm  und  ermüdend,  und  dann  stellen  sich 
bei  vielen  Frauen  mancherlei  nervöse  Zustände  während  der  Men- 
ses ein,  sodass  ich  grösstenteils  mit  der  Operation  so  lange  warte, 
bis  die  Menses  vorüber  sind.  Sind  die  Menses  bei  Cholämischen 
sehr  profus,  so  ist  unter  allen  Umständen  die  Operation  aufzu- 
schieben (Nr.  150.). 

Leider  kommen  auch  Fälle  vor,  bei  denen  irgendwelche 
Vorbereitungen  wegfallen  können,  weil  der  Patient  moribund 
in  die  Klinik  eingeliefert  wird.  Wahrend  ich  dieses  schreibe, 
liegt  eine  Gallensteinkranke,  die  vor  24  Stunden  in  die  Klinik 
eintrat,  im  Sterben.  Sie  hatte  akute  eitrige  Cholecystitis.  Die 
Krankheit  begann  vor  14  Tagen.  Ärzte  und  Angehörige  sahen 
ein,  dass  nur  eine  Operation  helfen  konnte,  und  nun  wurde  die 
Kranke  nach  Halberstadt  transportiert.  Aber  ich  rausste,  da 
kaum  der  Puls  zu  fühlen  war,  die  Operation  ablehnen  ;  Ope- 
rations-Vorbereitungen fallen  hier  fort!  — 

Wir  hatten  am  Schluss  des  vorigen  Kapitels  geschildert, 
wie  der  Wärter  die  Reinigung  der  Bauchhaut  des  Patienten 
vorzunehmen  hat.  Wenn  der  Operateur  nicht  über  genügendes 
Personal  verfügt,  so  ist  es  ganz  zweckmässig,  wenn  er  selbst 
am  Tage  vor  der  Operation  die  Desinfektion  der  Bauchdecken 
vornimmt;  wenigstens  bei  Männern  ist  das  durchführbar. 
Bei  diesen  lasse  ich  sofort  nach  dem  Eintritt  in  die  Klinik 
durch  den  Wärter  die  Bauchhaut  rasieren  und  nach  gründ- 
licher Waschung  mit  Seife  einen  Alkoholverband  auf  die  Bauch- 
decken auflegen.  Man  kann  auf  diese  Weise  die  Narkose  er- 
heblich abkürzen,  indem  man  auf  dem  Operationstisch  nur  eine 
kurze  Waschung   mit  Seife   und  Alkohol  vorzunehmen  braucht. 

Bei  Frauen  ist  die  gründliche  Desinfektion  erst  auf  dem 
Operationstisch  während  der  Narkose  möglich,  und  in  diese  teilt 
sich  der  Wärter  und  der  Arzt.  Der  Wärter,  der  nach  Rasur  der 
Schamhaare  die  Reinigung  der  Bauchhaut  mit  heissem  Wasser, 
Seife,  Bürste  und  Seifenspiritus  vornimmt  und  der  Operateur,  der 
selbst  bereits  sterilisiert,  die  Sterilisation  des  Bauches  mit  Alko- 


—     30     — 

hol  vollendet.  Da  Patient  mehrere  Male  gebadet  hat,  und  «ein 
Abdomen  zwei  Nächte  lang  mit  einem  Alkoholverband  bedeckt 
war,  wird  man' mit  einer  Desinfektion  von  im  ganzen  10  Minuten 
auskommen,  jedoch  längere  Zeit  dazu  gebrauchen,  wenn  Patient 
aus  bestimmten  Gründen  vorher  nicht  baden  konnte. 

Sobald  die  Sterilisation  der  Bauchdecken  beendet  ist,  legt 
der  Operateur  eine  der  Schimmelbusch'schen  Tonne  ent- 
nommene grosse  sterilisierte  Decke  so  über  den  Patienten,  dass 
die  Unterbauchgegend  und  die  unteren  Extremitäten  völlig 
bedeckt  sind.  Auf  diese  sterile  Decke  legt  die  Instrumenten- 
reicherin  die  Instrumente,  welche  immer  zur  Hand  sein  müs- 
sen :  Klemmen,  Schere  etc.,  doch  beobachte  ich  die  Vorsicht, 
Instrumente,  die  während  der  Operation  infiziert  sind  (z.  B. 
Sonden,  mit  denen  man  den  Choledochus  sondiert  hat),  nicht  auf 
die  Decke  zu  legen.  Diese  kommen  in  ein  mit  3°/o  Karbolsäure- 
lösung angefülltes  Becken.  Zwecks  Umgrenzung  des  Ope- 
rationsterrains lege  ich  3  sterile  Servietten  rings  herum  und 
befestige  dieselben  gegenseitig  resp.  mit  der  grossen,  die  un- 
teren Extremitäten  bedeckenden  Decke  durch  vier  ausgekochte 
Langen beck'sche  Klemmen.  Es  bleibt  frei  die  Gegend  vom 
Prozessus  xiphoideus  bis  handbreit  unterhalb  des  Nabels  und 
seitlich  die  Partieen  bis  zum  äusseren  Rande  der  beiden  Musculi 
rect.  abd.     Nun  kann  die  Operation  beginnen  !  — 

Ich  glaube  in  diesem  und  in  dem  vorhergehendem  Kapitel 
die  Vorbereitungen,  die  den  Arzt,  seine  Assistenten  und  den 
Patienten  angehen,  ausführlich  genug  beschrieben  zu  haben 
und  wende  mich  nun  zu  den  Vorbereitungen,  denen  das  Unter- 
bindung^smaterial,  das  Verbandzeug:,  die  Instrumente  etc.  unter- 
worfen werden  müssen. 

III.  Die  Vorbereitungen  des  Unterbindungsmaterials,  des  Verband- 
zeugs und  der  Instrumente. 

Ich  habe  früher  die  Seide  einfach  ausgekocht  oder  in 
strömendem  Wasserdampf  sterilisiert,  musste  aber  wie  auch 
andere  Chirurgen  einsehen,  dass  es  nicht  genügt,  wenn  man 
die  Seide  nur  keimfrei  macht,  sondern  dass  es  besser  ist,  wenn 
man  sie  mit  einem  Antisepticum  imprägniert. 

Seit  2  Jahren  sterilisiere  ich  die  Seide  nach  dem  Ver- 
fahi'en  von  Kocher. 


—      31     — 

Die  Seide  wird 

1.  in  Äther  eingelegt  für  12  Stunden, 

2.  in  Alkohol  12  Stunden, 

3.  10  Minuten  in  l°/ooigem,  ungefärbtem,  säurefreiem  Sub- 
limat gekocht, 

4.  mit  gereinigten  Händen  aufgespult, 

5.  die  Spulen  10  Minuten  lang  vor  der  Operation  in  dem- 
selben Sublimat  nochmals  gekocht, 

6.  die    Fäden    aus   dem  Sublimat,   jn  dem  sie  zuletzt  ge- 
kocht sind,  zugereicht. 

Seitdem  ich  so  verfahre,  .sind  Ligatureiterungen  grosse 
Seltenheiten.  Ich  verwende  drei  Sorten  Seide,  ganz  starke  zur 
Bauchnaht,  mittelstarke  für  die  Ligaturen  an  der  art.  cysticä 
und  feine  für  die  Fixationsnähte  der  Gallenblase  und  die  Ver- 
schliessungsnähte  des  Choledochus  und  Darms. 

Catgut  habe  ich  früher  bei  Gallensteino'perationen  viel 
verwendet  und  dasselbe  entweder  nach  den  Vorschriften  von 
Saul  oder  Hofmeister  sterilisiert. 

In  dem  von  Lauten  schlag  e'r  angefertigten  Saul'schen 
Apparat  werden  die  auf  Glasplatten  gespannten  Catgutfäden 
in  85®/oigem  Alkohol  (Alkohol  85,  Acid,  carbol.  liquef.  5, 
Aq.  dest.  10)  langsam  bis  zum  Siedepunkte,  welcher  um  75" 
liegt,  erhitzt,  worauf  sie  in  der  siedenden  Flüssigkeit  5  —  15 
Minuten  (je  nach  der  Fadendicke)  verbleiben.  Die  Aufbewahrung 
geschieht  in  dieser  Lösung  oder  in  90  °/o  Alkohol. 

Hofmeister  legt  die  Fäden  24  Stunden  lang  in  2 — 4  °/o 
Formalinlösung,  bringt  sie  12  Stunden  lang  in  Wasser  und 
kocht  sie  dann  10 — 30  Minuten  lang  aus.  Die  Aufbewahrung 
geschieht  in  Sublimatglycerinalkohol    (0,1  :  5,0:  100,0). 

Seitdem  ich  alle  Fäden^  die  zur  Unterbindung  der  art.  cystica 
und  des  duct.  cysticus,  zum  Verschluss  des  ductus  choledochus,  zur 
Fixation  der  Gallenblase  an  der  Bauchwand  dienen,  lang  lasse,  und 
bei  späteren  Verbandwechseln  in  toto  entferne,  hatte  ich  keinen 
Grund  mehr,  Catgut  zu  verwenden.  Da  ich  mehrere  Male  die 
Beobachtung  machte,  dass  die  durch  Catgut  an  die  Bauchwand 
fixierte  Gallenblase  sich  vorzeitig  löste,  wodurch  die  Patienten 
in  erhebliche  Gefahr  gerieten,  bin  ich  gänzlich  von  dem  Ge- 
brauch des  Catgut  abgekommen. 


—     32     — 

Nur  bei  den  Schleinihautnähten  der  Anastomosen  zwischen 
Gallensystem  und  Intestinis  könnte  man  es  verwenden,  doch 
benutze  ich  auch  hier  eine  ganz  feine  Seide.  Ich  mache  die 
Anastomosen  weit,  und  deshalb  ist  die  Gefahr  einer  Incrus- 
tation  sehr  gering,  da,  ehe  es  dazu  kommen  kann,  die  Liga- 
turen längst  durchgeschnitten  und  sich  abgestossen  haben. 
Auch  ist  nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  man  bei  den  Ana- 
stomosen überhaupt  auf  eine  Schleimbautnaht  verzichtet.  Bei  der 
Technik  der  Anastomosen  komme  ich  darauf  noch  zu  sprechen. 

Bei  der  Reichung  der  Seide  durch  die  Sciiwester  ist  der 
Rat  Kr  ecke's*)  sehr  der  Berücksichtigung  wert,  das  Unter- 
bindungsmaterial so  wenig  wie  -möglich  mit  den  Fingern  zu  be- 
rühren. „Wenn  man  der  assistierenden  Schwester  zuschaut,  so 
sieht  man  sehr  häufig,  dass  dieselbe  jeden  Faden,  bevor  sie  ihn 
herreicht,  noch  einmal  liebevoll  durch  die  Finger  ihrer  rechten 
oder  linken  Hand  durchzieht.  Nunmehr  erfasst  ihn  der  Ope- 
rateur, und  auch  dieser  zieht  häufig  jeden  Faden  durch  die 
Finger  hindurch.  Diese  wiederholten  Berührungen  des  Fadens 
zu  vermeiden,  scheint  mir  eine  wichtige  Sache.  Die  Schwestern 
haben  bei  mir  die  strenge  Weisung,  die  Fäden  nur  mit  der 
Pinzette  zu  fassen  und  auch  beim  Einfädeln  sich  möglichst  nur 
der  Pinzette  zu  bedienen.  Der  Operateur  soll  den  Faden  nur 
an  den  beiden  Enden  fassen  und  das  Durchziehen  durch  die 
Finger  unbedingt  vermeiden.  So  bleibt  bestimmt  derjenige  Teil 
des  Fadens,  der  in  der  Wunde  liegen  bleibt,  von  den  Fingern 
unberührt." 

Was  das  Verbandzeug  anlangt,  so  verwende  ich  bei  meinen 
Laparotomien  nur  in  strömendem  Wasserdampf  sterilisiertes 
Verbandzeug.  Jodoform-,  Silber-,  Xeroformgaze  ist  teils  schädlich, 
teils  unnötig:  die  sterile  Gaze  genügt  allen  Ansprüchen.  Be- 
sonders die  aus  den  Apotheken  oder  direkt  aus  Fabriken  be- 
zogene Jodoformgaze  würde  ich  nie  in  die  Bauchhöhle  einzu- 
führen wagen.  Man  muss  sich  schon,  wie  es  in  der  v.  Berg- 
mann'sehen  Klinik  üblich  ist,  die  Jodoformgaze  selbst  präpa- 
rieren.    Das  ist  indes  ziemlich  umständlich.  — 

Die  Watte  wird  in  Rollenform  sterilisiert;  zu  Binden  ge- 
brauche ich  derbe  breite  und  lange  Cambricbinden,  die,  wenn 
sie     nicht     von     Blut    und     Wundsekret     durchtränkt     siiui, 


*)  Krecke,  2  Jahre  chirurgischer  Tätigkeit  1901/1902.  München. 


—     33     — 

mehrere  Male  verwandt  werden  können.  Sie  werden  in  Soda- 
lösung- und  Schmierseifenwasser  gekocht,  getrocknet  und  neu 
gewickelt. 

Watte  und  Cambric  liefern  mir  die  Firma  Moritz  Böhme- 
Berlin  in  vorzüglicher  Qualität,  eben  daher  beziehe  ich  die  Gaze. 
Natürlich  gibt  es  noch  andere  Firmen,  die  gewiss  ebenso  gutes 
Verbandzeug  liefern. 

Fast  bei  jeder  Laparotomie  müssen  wir  zwecks  Absperrungs- 
taraponade  Gazekompressen  in  die  Bauchhöhle  einlegen,  sei  es, 
um  einer  Infektion  der  übrigen  Bauchhöhle  vorzubeugen,  sei  es, 
um  Flächenblutungen  zu  stillen  oder  das  Operationsterrain 
besser  zugänglich  zu  machen.  Diese  Gazekompressen  muss  man 
auf  irgend  eine  Weise  kenntlich  machen,  damit  man  vor  Schluss 
der  Bauchwunde  keine  übersieht  und  in  der  Bauchhöhle  zurück- 
lässt. 

Früher  benutzte  man  zu  diesem  Zweck  Schwämme.  Diese 
sind  schwer  zu  reinigen,  und  wenn  sie  auch  eine  grosse  Saug- 
kraft besitzen,  so  hat  man  sie  allgemein  aufgegeben,  da  eine 
sichere  Sterilisation  derselben  kaum  zu  erreichen  ist. 

Statt  der  Schwämme  verwendet  man  heute  allgemein  Gaze 
resp.  Gazekompressen,  v.  Mikulicz  benutzt  sogen.  Perltücher, 
Krause  verwendet  meterlange  Binden ,  von  denen  ein 
längeres  Stück  ausserhalb  der  Bauchhöhle  bleibt.  Andere  legen 
an  die  Gazekompressen  Klemmen  an,  um  ein  Verrutschen  und 
Verschieben  der  Kompressen  in  die  Bauchhöhle  zu  verhüten. 

Jedes  Verfahren  hat  seine  Vorteile  und  Nachteile.  Die 
Perlen  können  zerspringen;  die  Fäden,  an  denen  die  Perlen  be- 
festigt sind,  können  abreissen,  und  dann  kann  sich  die  Kom- 
presse verlieren.  Die  Klemmen  sind  bei  vielen  Operationen 
sehr  im  Wege.  Ich  gebrauche  z.  B.  bei  einer  schweren  Gallen- 
steinoperation oft  auf  einmal  10  Tupfer.  Die  zahlreichen  Klemmen, 
die  diese  10  Tupfer  halten  müssten,  würden  mich  sehr  in  der 
Ausführung  der  Operation  hindern.  Ausserdem  kann  eine 
Klemme  einmal  unbemerkt  aufgehen,  vom  Operationstisch  herab- 
fallen, und  der  Tupfer  bleibt  in  der  Bauchhöhle  zurück. 

Ich  benutze  ein  Verfahren,  das  nach  Riese 's  Meinung  das 
schlechteste,  nach  meiner  Erfahrung  das  beste  ist:  ich  lasse 
die  nötigen  Tupfer  vor  Beginn  der  Operation  abzählen  und 
vor  Beendigung  der  Operation  wieder  nachzählen. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    L  3 


—     34     — 

Ich  gebrauche  bei  jeder  Laparotomie  immer  eine  ganz  be- 
stimmte   Anzahl    Gazekompressen     und    zwar    30   grosse    und 
10  lange.     Ich   habe   bei  ca.  2000  Laparotomien,    unter   denen 
sich    mehr   als    900  Gallensteinoperationen   befinden ,     niemals 
eine   Kompresse    zurückgelassen ;   ich   gehe  allerdings  nicht  so 
vor    wie   Riese,    der    seinen    Assistenten    die  Tupfer  zählen 
lässt,  sondern  ich  verfahre  folgendermassen  :  Vor  jeder  Operation 
kommen  30  grosse  und  10  lange  genähte  Tupfer  in  die  Schim- 
mel bus  ch 'sehe    Sterilisationstonne.      Die    Tupfer    —  ich  be- 
schreibe  ihre    Herstellung  nachher  —  sind  kenntlich  an  kurz- 
geschnittenen schwarzen  Zwirnfäden,    die  an  den  4  Ecken    an- 
gebracht sind.      Die  Zählung  derselben  geschieht  durch  2  Per- 
sonen.     Die    Tupfer    liegen    in   Reih  und  Glied  aufmarschiert 
auf  dem  mit  einem  reinen  Laken  versehenen  Tisch  und  werden 
dann  von  der  ersten  Person  gezählt;  eine  zweite  Person  zählt 
sie  in  die  Tonne,  in  der  sie  nunmehr  sterilisiert  werden,  hinein. 
Früher   besorgte  das   nur   eine  Person;   da  es    einmal  vorkam, 
dass  diese  statt  30  Tupfer  31  einzählte,  habe  ich   angeordnet, 
dass  jetzt  2  Personen  die  Zählung  vornehmen.    So  gut  aber  eine 
Person  31  Tupfer  einzählt,  kann  sie  auch  einmal  nur  29  zählen. 
Dann   würde  man  immer   wieder  die  Bauchhöhle  absuchen  und 
Riese 's  Einwendungen  gegen  die  Zählmethode  wären  sehr  ge- 
rechtfertigt. Dass  2  Personen  sich  verzählen,  ist  so  gut  wie  aus- 
geschlossen.     Um   jeden    Irrtum    auszuschalten,    lasse   ich  bei 
Beginn  der  Operation  von  der  schon  sterilisierten  Instrumenten- 
reicherin    die    Tupfer  nochmal  zählen.    "Wenn  wir  während  der 
Operation  solche  Tupfer  brauchen,  zählen  wir  nicht;  aber  wenn 
ein    solcher    Tupfer   aus    der   Bauchhöhle  entfernt  wird,  sucht 
ihn  sofort  der  Wärter,  der  sich  stets  im  Operationszimmer  auf- 
hält,   auf   und    legt   ihn  wiederum    in  Reih  und  Glied  auf  den 
Fussboden    des    Operationszimmers.       Ehe   wir  die  eigentliche 
Tamponade    beginnen,    resp.    die  Bauchwunde  schliessen,  zählt 
die    Instrumentenreicherin  die    noch    vorhandenen    Tupfer    (der 
Operateur  zählt  mit!),  der  Wärter  gibt  an,    wieviel  er  Tupfer 
hat.     Da  die  Tupfer  in  Reih  und  Glied  liegen  —  die  von  Riese 
erwähnten  Schlupfwinkel  sollten  in  einem  modernen  Operations- 
zimnier  nicht  vorkommen!  —  bedarf  es  nur  eines  kurzen  Auf- 
enthaltes, damit  Assistent  und  Operateur  sich  von  der  Zahl  der 
gebrauchten     Tupfer     überzeugen.      Nie     darf     dadurch    eine 
Operation  aufgehalten  werden,    und  ein  unnützes  Suchen  nacli 


—     35     — 

«ineni  angeblich  noch  in  der  Bauchhöhle  vergessenen  Tupfer 
•darf  nicht  vorkommen.  Gewiss,  mit  schlechtem  Personal  und 
gewissenlosen  Leuten  kann  auch  dieses  Verfahren  versagen, 
schlechtes  Personal  gehört  aber  in  keine  Klinik,  vor  allen 
Dingen  nicht  in  eine  Klinik,  in  der  besonders  die  Bauch- 
<^hirurgie  gepflegt  wird.  Ich  habe  mit  meinen  Leuten  immer 
viel  Glück  gehabt,  und  so  mag  es  kommen,  dass  ich  niemals 
-einen  Tupfer  in  der  Bäuchhöhle  zurückgelassen  habe.  So  wie 
die  Tupferziililung  in  meiner  Klinik  gehandhabt  wird, 
halte  ich  es  für  völlig  ausgeschlossen,  dass  einmal  ein 
Tupfer  zurückbleibt ;  nur  bei  gröbster  Fahrlässigkeit 
*ines  einzelnen  könnte  das  passieren.  Aber  wir  —  Opera- 
teur, Assistent,  Instruraentenreicherin  —  kontrollieren  uns 
gegenseitig  so  scharf,  dass  jeder  Fehler  des  einzelnen  so- 
fort vom  andern  bemerkt  wird.  Der  Operateur  muss  es  sich 
natürlich  gefallen  lassen,  dass  sein  Assistent  ihn  auf  dieses  und 
jenes  aufmerksam  macht;  wenn  er  sich,  wie  das  häufig  ge- 
schieht, für  vollkommen  hält,  eigene  Fehler  dem  Assistenten  in 
die  Schuhe  schiebt,  oder  sich  gar  vom  Assistenten  jede  noch 
so  „devote  Zurechtweisung"  verbittet,  so  wird  gar  bald  der 
Assistent  dem  Grundsatz  huldigen :  „Schweigen  ist  Gold  !"  Dass 
dadurch  das  Wohl  des  Patienten  nicht  gefördert  wird,  liegt  auf 
der  Hand.  Gerade  bei  einer  Gallensteinoperation  muss  der 
Assistent  eine  gewisse  Selbständigkeit  an  den  Tag  legen. 
Einen  Assistenten,  der  gewohnt  ist,  immer  erst  auf  die  Auf- 
forderung des  Chefs  hin  eine  Klemme  anzulegen  oder  einen  Tupfer 
in  die  Bauchhöhle  zu  schieben,  kann  man  bei  einer  Gallenstein- 
operation nicht  gebrauchen.  Es  gibt  für  mich  nichts  Schreck- 
licheres, als  wenn  ich  einer  Operation  zusehen  muss,  bei  der 
der  Operateur  fortwährend  den  Assistenten  anfährt  und  ihm 
Ungeschicklichkeit  vorwirft.  Kein  Meister  fällt  vom  Himmel, 
und  jeder  Assistent  muss  sich  erst  die  nötige  Eoutine  an- 
eignen. Wenn  mancher  trotz  vieler  Operationen  ungeschickt 
bleibt,  so  liegt  das  nicht  selten  am  Chef  selber,  der  es  nicht 
versteht,  dem  Assistenten  die  nötige  Selbständigkeit  beizu- 
bringen. Jedenfalls  hat  das  ewige  Zanken  während  der  Ope- 
ration gar  keinen  Wert,  mit  Ruhe  und  Güte  kommt  man  viel 
weiter.  Hinterher  ist  es  immer  noch  Zeit,  den  Assistenten  auf 
seine  Fehler  aufmerksam  zu  machen,  damit  er  bei  der  nächsten 
■Operation  grössere  Geschicklichkeit  an  den  Tag  legt. 


36 

Fig.  l. 


Ein  Stück  Gaze  von  einfacher  Lage,  1  Meter  laig,  45  cm.  breit,  wird 
so  zusammengelegt,  dass 


Fig.  2. 


ein  Stück  15  cm.  breit  von  dreifacher  Lage  entsteht.    Dieses  wird  so 
nach  innen  geschlagen,  dass  eine  Kompresse 


Fig.  3. 


von  sechsfacher  Lage,  50  cm.  lang,  15  cm.  breit  entsteht.  Noch  einmal 
in  sich  zusammengeschlagen,  entsteht  die  endgültige  Kompresse,  aus. 


Fig.  4. 


12facher  Lage,  25  cm.  lang,  15  cm.  breit     Diese  wird  an  den  4[Rckei» 

mit  einem  schwarzen  Faden   fest  zusammengenäht.    Davon   worden 

30  Stück  hergestellt  (sog.  grossu  genähte  Tupfer). 


—     37     — 

Doch  ich  komme  auf  einen  Punkt  zu  sprechen,  dessen  Er- 
örterung bei  den  Vorbereitungen  des  Verbandmaterials  wenig 
am  Platze  ist.     Kehren  wir  deshalb  zu  unserem  Thema  zurück. 

Die  Herstellung  der  Tupfer  geschieht  folgendermassen : 

Die  Gaze  liegt  90  cm.  breit  und  1  Meter  lang.  Dieselbe 
wird  in  der  Mitte  der  Länge  nach  durchschnitten,  so  dass  also 
Stücke  von  45  cm.  Breite  und  1  Meter  Länge  entstehen.  Die 
-Gaze  liegt  doppelt. 

Bei  der  Herstellung  der  Tupfer,  die  in  der  Bauchhöhle 
Terwendet  werden  und  oft  während  des  ganzen  Verlaufs  der 
Operation  im  Abdomen  liegen  bleiben,  verwende  ich  nur  einfache 
Lage  von  Gaze.  Es  kommt  mir  darauf  an,  das  sog.  „Fusseln"  der 
Tupfer  zu  verhüten.  Ich  erreiche  das  dadurch,  dass  die  Tupfer 
so  hergestellt  werden,  dass  die  freien  Schnittflächen  der  Gaze 
nach  innen  kommen,  also  verschwinden. 

Das  45  cm.  breite  und  1  Meter  lange  Gazestück  wird  so 
.gefaltet,  dass  aus  einer  einfachen  Lage  eine  dreifache  entsteht. 
Die  dreifache  Lage  wird  dann  so  in  sich  gelegt,  dass  ein  Tupfer 
■entsteht,  der  eine  12  fache  Lage  besitzt.  Die  Fig.  1 — 4  er- 
läutern am  besten  die  Herstellung  dieser  sog.  grossen  genähten 
"Tupfer,  von  denen  ich  bei  jeder  Laparotomie  30  Stück  verwende. 

Dann  brauche  ich  noch  10  sogen,  lange  Tupfer.  Ihre  Her- 
stellung geschieht  auf  folgende  Weise: 

Das  1  m.  lange  und  45  cm.  breite  Gazestück  wird  mit  der 
Schere  geteilt,  so  dass  Stücke  von  22  cm.  Breite  und  1  m 
Länge  entstehen.  Die  weitere  Bereitung  der  langen  Tupfer 
:geht  aus  den  Skizzen  auf  p.  38  hervor. 

Die  äusseren  Enden  bis  zur  punctierteu  Linie  werden  nach 
innen  geschlagen,  damit  die  fusselnden  Streifenenden  verschwin- 
den. Man  kann  auch  so  wie  bei  der  Herstellung  der  grossen 
Tupfer  vorgehen,  die  Hauptsache  ist,  dass  die  Aussenfläche 
^es  Tapfers  keine  Schnittfläche  zeigt. 

Bei  diesen  genähten  Tupfern  —  ich  habe  eine  photogra- 
phische Abbildung  (Fig.  9)  derselben  anfertigen  lassen !  —  ist 
keine  Schnittfläche  sichtbar,  dieselben  sind  nach  innen  geschlagen, 
Fusseln  kommen  nicht  an  die  Oberfläche. 

Da  die  genähten  Tupfer  an  dem  schwarzen  Faden  in  jeder 
Ecke  leicht  kenntlich  sind,  fällt  es  dem  Wärter  nicht  schwer, 
am  Schluss  der  Operation  dieselben  rasch  zu  zählen. 


-     38     — 

Zur  Tamponade  verwende  ich  dieselben  langen  (Fig.  9)  Tu- 
pfer, nur  lasse  ich  hier  die  schwarzen  Fäden  fehlen. 

Fig.  5. 


Einfache  Lage  Gaze  1  m.  lang  22  cm.  breit,  wird  ao  umgelegt,  dasi 
Fig.  6. 


ein  Stück  11  cm.  breit  von  zweifacher  Lage  entsteht. 
Fig.  7. 


Dieses  wird  noch  einmal  so  umgelegt,  dass  ein  Stück  5'/«  cm.  breit  von  vierfacher 

Lage  entsteht.    Dieses  wird  so  nach    innen  geschlagen,  dass  eine  Oompresse   aus- 

achtfacher  Lage  entsteht,  50  cm.  lang,  ö'/a  cm.  breit. 

Fig.  8. 


Diese  Gompresse  wird  an  den  4  Ecken  mit  einem  schwarzen  Faden  züsammongou'äbt. 


Die  gewöhnliche  Gaze  zum  Tupfen  wird  nach  Belieben 
gross  oder  klein  geschnitten;  gewöhnlich  lasse  ich  Quadrate 
von  15 — 20  cm.  Seitenlänge  schneiden. 


39 


\ 


Ausser  2  Tonnen  gewöhnlicher  Tupfergaze  raiiss  man  für 
jede  Gallensteinoperation  1  Tonne  Watte  und  mehrere  recht 
lange  und  breite  Cambricbinden  bereit  halten. 

In  einer  andern  besonders  grossen  Tonne  werden  die  Decken 
und  Tücher,  die  Mäntel  (für  den  Operateur,  den  Assistenten  und 
die  Instrumentenreicherin)  und  die  Kopftücher  sterilisiert.     Die 

zuschauenden  Arzte  be- 
kommen bei  mir  keine  ste- 
rilen Mäntel,  wie  das  in  an- 
deren Kliniken  gebräuch- 
lich ist.  Sie  werden  ge- 
beten, Rock  und  Weste 
auszuziehen,  und  es  wird 
ihnen  ein  Platz  ange- 
wiesen, von  dem  aus  sie 
nicht  die  aseptischen 
Massnahmen  stören  kön- 
nen. Gibt  man  ihnen 
sterile  Mäntel,  so  wagen 
sie  sich  oft  zu  weit  bis 

\an     das      Operationsfeld 
vor    und     genieren     den 
Operateur.  Dadurch,  dass 
^♦^  ^"^  sie  nicht  in  den  schützen- 

den   sterilen    Mantel  ge- 
j  steckt  werden ,    sind    sie 

schon  gezwungen,  auf  dem 
ihnen  angewiesenen  Platz 
zu  verharren  und  kommen 
nicht  mit  dem  Operateur 
in  Kollision. 
Dass   man    die   Sterilisation   nur   gewissenhaften  Personen 
anvertraut ,    ist    bei    der    Wichtigkeit    der    Sache    selbstver- 
ständlich. — 

Alle  Instrumente,  die  ich  bei  einer  Gallensteinoperation 
verwende,  müssen  auskochbar  sein ;  Instrumente  mit  Holz- 
griffen  sind  als  veraltet  bei  Seite  zu  legen,  Spritzen  und  Messer 
dürfen  nicht  nur  in  3  °/o  Carbolsäurelösung  liegen,  sondern 
werden  ebenfalls  5  Minuten  lang  der  Einwirkung  der  kochen- 
den Sodalösung  unterworfen. 


40 


Fig.  10. 


Die  Instrumente  sowie  die  Gummischläuche,  Katheter  etc., 
werden  in  ein  mit  einem  Deckel  versehenes  ca.  80  cm. 
breites  und  20  cm.  hohes  Nickelbecken  gleich  so  hineingelegt, 
wie  sie  bei  der  Operation  gebraucht  werden.  Jedes  Instru- 
ment hat  seinen  ge- 
wohnten Platz.  Die 
Sterilisation  dauert 
fünf  Minuten,  sind 
die  Messer  gut  ge- 
schliffen, so  leiden 
sie  wenig  unter  dem 
Auskochen.  Früher 
kochte  ich  die  In- 
strumente in  dem  be- 
kannten Schimmel- 
b US ch' sehen  Appa- 
rat, was  ziemlich  um- 
ständlich ist.  Man 
muss  die  Instru- 
mente aus  dem 
kochenden  Wasser 
herausbeben,  in  ein 
anderes  Becken  le- 
gen, und  wenn  man 
auch  das  letztere 
für  sich  sterilisieren 
kann,  so  ist  mein  jetzt  geübter  Modus  einfacher  und  prakti- 
scher. Man  sterilisiert  Instrumente  und  Becken  zu  gleicher 
Zeit,  braucht  die  Instrumente  nicht  umzulegen,  spart  Platz, 
Zeit  und  Arbeit. 

Ist  die  Sterilisation  nach  fünf  Minuten  vollendet,  so  dreht 
der  Wärter  den  an  der  schmalen  Seite  des  Beckens  ange- 
brachten Ablaufhahn  auf  und  lässt  die  Sodalösung  abfliessen. 
Zur  Abkühlung  der  Instrumente  wird  eine  sterile  Kochsalz- 
lösung darüber  gegossen;  man  kann  aber  auch  die  Instru- 
mente trocken  verwenden.  An  der  beifolgenden  Zeichnung  ist 
der  Hahnablauf  (Fig.  10)  schlecht  zu  sehen ;  er  befindet  sich  an  der 
linken  schmalen  Seite  des  Beckens.  Es  ist  zweckmässig,  statt 
einer  Gasflamme  zwei  zu  verwenden,  um  das  Wasser  rasch 
bis  auf  den  Siedepunkt  zu  erhitzen. 


—     41      — 

Dieselbe  Sorgfalt,  die  wir  den  Instrumenten  vor  der 
Operation  angedeihen  lassen,  verwenden  wir  auf  die  Reinigung 
nach  derselben,  besonders  wenn  sie  während  der  Operation 
mit  Eiter  oder  sonstigem  infektiösem  Material  in  Berührung 
gekommen  waren.  iJann  werden  sie  nach  der  Operation  eben- 
falls fünf  Minuten  gekocht,  die  auseinandernehmbaren  Instru- 
mente werden  in  ihre  einzelnen  Teile  zerlegt,  mit  Seifen- 
spiritus und  Bürste  blank  gemacht  und  mit  sterilen  Tüchern 
abgetrocknet. 

Die  Instrumente,  die  ich  bei  einer  Gallensteinoperation 
gebrauche,  sind  die  folgenden: 

1.  Mehrere  gewöhnliche  und  geknöpfte  Messer. 

2.  Mehrere  Cooper'sche  und  Kniescheren. 

3.  6  chirurgische  (Haken)  Pinzetten. 

4.  2  Anatomische  Pinzetten. 

5.  24  Arterienklemmen  nach  v.  Bergmann. 

6.  12  Arterienklemmen  nach  üoser. 

7.  12  Arterienklemmen  nach  König.     (Fig.  11.) 

8.  12  Arterienklemmen  nach  Pöan. 

9.  2  Hohlsonden. 

10.  Mehrere  kleine  und  grosse  (Uterus-)  Sonden. 

11.  6  Peritonealklemmen  nach  v.  Mikulicz.    (Fig.  12.) 

12.  2  Pravaz'sche  Spritzen. 

13.  1  Dieulafoy  mit  2  starken  Kanülen. 

14.  2  grosse  Haken.     (Fig.  13.) 

15.  2  kleine  Haken. 

16.  2  Vierzinker-Haken. 

17.  2  scharfe  Haken. 

18.  Löffel  in  verschiedener  Grösse  nach  Körte.    (Fig.  14.) 

19.  Gallensteinfänger  nach  Riedel.    (Fig.  15.) 

20.  Mehrere  Kornzangen  (gerade  und  gebogene). 

21.  2  Kropfsonden  nach  Kocher. 

22.  2  Aneurysma-Nadeln. 

23.  Magen-  und  Darmklemmen  nach  Doyen.    (Fig.  16.) 

24.  2  Klemmen  zum  Hervorziehen   des   ßruchsackes    nach 

Kocher. 

25.  Klemmen  zum  Hervorziehen  der  entleerten  Gallenblase. 

26.  2  rundgebogene  Klemmen  zum  Abklemmen  des  ductus 

cysticus.    (Fig.  17.) 

27.  2  Zangen  nach  Muzeux. 


—     42     — 

28.  2  amerik,  Kug-elzangen. 

29.  Nadeln,  1,  4,  9  (Fig-.  19);  daneben  mehrere  mittelgrosse, 

stark  gebogene  Nadeln  nach  Martin. 

30.  6  Nadelhalter.     (Fig.  21.) 

31.  2  Spülkatbeter  nach  Ultzmann.    (Fig.  20.-) 

32.  Diverse  Gummischläuche.     Nc^laton-Katheter. 

33.  Instrumente  zur  Rippenresektion. 

Die  Clichös  zu  den  weniger  bekannten  Instrumenten,  die 
ich  zu  meinen  Gallensteinoperationen  benutze,  hat  mir  in  liebens- 
würdiger Weise  die  Firma  Win  dl  er  in  Berlin  zur  Verfügung 
gestellt,  wofür  ich  derselben  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten 
Dank  ausspreche. 

Ich  komme  bei  den  einzelnen  Operationen  auf  die  Verwen- 
dung der  Instrumente  noch  zurück  und  will  liier  folgendes  nur 
noch  bemerken. 

Zwecks  Blutstillung  in  den  Bauchdecken  benutze  ich  aus- 
schliesslich die  V.  Bergmann'sche  Klemme,  die  von  P^an  und 
und  König  (Fig.  11)  angegebene  gebrauche  ich,  um  die  Wund- 
ränder der  aufgeschnittenen  Gallenblase,  des  Ductus  cysticus 
und  choledochus  zu  fassen,  wenn  ich  es  nicht  vorziehe,  hier 
Fadenschlingen  einzulegen. 

Zur  Aspiration  des  Gallenblaseninhaltes  genügt  vollkommen 
der  kleine  Dieulafoy  mit  ziemlich  starken  Nadeln. 

Sehr  empfehlenswert  ist  es,  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle 
an  das  Peritoneum  parietale  und  die  Fascie  Peritonealklemmen 
nach  V.  Mikulicz  (Fig.  12)  anzulegen. 

Bei  der  Äbklemmung  des  ductus  cysticus  benutze  ich  die 
vorn  rundgebogene  Klemme  nach  Pöan  (Fig.  17).  Die  Nadeln 
(Fig.  19)  kommen  in  3  Grössen  zur  Verwendung:  l,  4,  9,  ent- 
sprechend der  von  mir  gebrauchten  Seide.  Die  grossen  Nadeln 
führe  ich  mit  der  Hand,  die  kleinen  mit  dem  Nadelhalter. 
Gerne  verwende  ich  noch  die  stark  gebogenen,  sehr. starken, 
von  A.  Martin  angegebenen  .  Nadeln  bei  der  oberflächlichen 
VerSchliessung  der  Bauch  wunde. 

Die  unter  14  angegebenen  2  grossen  Haken  (Fig.  13)  kommen 
bei  der  Operation  selbst  kaum  in  Gebrauch.  Um  so  häufiger 
benutze  ich  dieselben  während  der  Nachbehandlung  nach  Ent- 
fernung der  Tamponade,  wenn  es  gilt,  das  Gallensystem  dem 
Auge  zugänglich  zu  machen  und  den  Ductus  hepaticus  auszu- 
spülen. 


Fig.  11 


Fifir.  U. 


—      44     — 

DieGallensteinlöffelnachKörte(Fig.  14)  und  Riedel  (Fig.  15) 
können  fast  immer  durch  den  einfachen  scharfen  Löffel  ersetzt 
werden,  jedenfalls  ist  es  mir  mit  dem  Gallensteinfänger  nach 
Riedel  nur  einmal  gelungen,  einen  Stein  zu  fangen. 

Magen-  und  Darmklemmen  nach  Doyen  (Fig.  16)  wird 
man  schon  deshalb  vorrätig  halten,  weil  man  nicht  selten  bei 
«iner  Gallensteinoperation  gleichzeitige  Eingriffe  am  Magen  und 
Darm  vornehmen  muss.  Im  übrigen  eignen  sich  diese  Darm- 
klemmen sehr  gut  dazu,  um  zwecks  Excision  der  Gallenblase 
diese  zu  fassen  und  kräftig  hervorzuziehen. 

Der  Spülkatheter  nach  Ultzmann  (Fig.  20)  findet  wie  die 
langen  Haken  fast  nur  bei  der  Nachbehandlung  ausgiebige  An- 
wendung. 

Ich  habe,  solange  ich  Gallensteine  operiere,  nie  das  Be- 
dürfnis in  mir  gefühlt,  ein  besonderes  Instrument  zu  kon- 
struieren, da  die  bereits  vorhandenen  völlig,  auch  für  die 
kompliziertesten  Fälle,  genügen.  Man  findet  unter  den  gynä- 
kologischen Instrumenten  und  denen,  die  der  Nasen-,  Ohren- 
und  Kehlkopfarzt  benützt,  so  viele  gute  Instrumente,  die  man 
auch  zur  Ausräumung  der  Gallenblase,  zur  Extraktion  von 
Steinen  benützen  kann,  dass  es  wirklich  unnütz  ist,  neue  In- 
strumente zu  erfinden.  Je  einfacher  das  Instrumentarium  ist, 
um  so  besser.  Doch  halte  ich  alle  möglichen  Instrumente  bei 
jeder  Gallensteinoperation  bereit,  wenn  ich  auch  kaum  die 
Hälfte  brauche,  so  z.  B.  Rippenscheren,  Raspatorien,  Gigli-Sägen 
zu  einer  eventl.  Lanne  Ion gue- Operation.  Übrigens  kam  ich 
unter  meinen  letzten  300  Fällen  niemals  in  die  Verlegenheit,  den 
Rippenbogen  resezieren  zu  müssen.  Nadelhalter  müssen  immer 
3—4  armiert  daliegen,  damit  keine  Zeitversäumnis  entsteht. 
Kornzangen  der  verschiedensten  Art,  Dicke  und  Länge  müssen 
vorhanden  sein,  an  Sonden  muss  man  einen  gehörigen  Vorrat 
besitzen.  Es  darf  nicht  vorkommen,  dass  mitten  während  der 
Operation  erst  ein  Instrument  ausgekocht  werden  muss,  weil 
sich  seine  Unentbehrlichkeit  herausstellt.  Wer  mit  Instrumen- 
ten spart,  spart  an  unrechter  Stelle.    — 

Man  sieht  aus  den  obigen  Auseinandersetzungen,  dass  gar 
mancherlei  dazu  gehört,  wenn  eine  Gallensteinoperation  gut  vor- 
bereitet sein  will.  Oft  macht  das  schon  in  einer  gut  einge- 
richteten Klinik  Schwierigkeiten,  falls  man  sich  nicht  in  allen 
Punkten    auf  das    Pej-sonal    verlassen    kann.     AVie  wichtig  ist 


—     45     — 

z.  B.  schon  das  Zählen  der  genähten  Tupfer !  In  meiner  Klinik 
besorgen  das,  wie  bereits  oben  erwähnt,  zwei  Personen :  die  eine 
legt  sie  in  Keihe  und  Glied  auf  den  Tisch,  der  mit  einer  reinen 
leinenen  Decke  bedeckt  ist,  und  die  andere  zählt  sie  in  die 
Tonne.  Kurz  ehe  die  Operation  beginnt,  wird  noch  einmal  ge- 
zählt. Die  bereits  sterilisierte  Instrumentenreicherin  fasst  jeden 
einzelneu  Tupfer  mit  einer  ausgekochten  Kornzange  und  zählt 
ihn  in  eine  sterilisierte  grosse  Emailleschüssel  hinein.  So  kann 
und  darf  ein  Irrtum  nicht  vorkommen,  und  ich  würde  es  für 
einen  groben  Fehler  betrachten,  wenn  einmal  bei  meinem  Ver- 
fahren ein  genähter  Tupfer  in  der  Bauchhöhle  zurückbliebe. 
Wer  die  Gazekompressen  nur  anklemmt  oder  eine  beliebige 
Anzahl  von  Perltüchern  bei  einer  Laparotomie  benutzt,  muss 
schon  eher  mit  einem  solchen  Missgeschick  rechnen.  Der  Patient^ 
welcher  sich  einer  Laparotomie  unterzieht,  begibt  sich  in  die 
Gefahr  der  Narkose  und  auch  in  die  Gefahr,  dass  einmal  ein 
Instrument  in  der  Bauchhöhle  zurückbleibt.  Jeder  gewissen- 
hafte Arzt  wird  danach  streben,  solche  Gefahren  möglichst  zu 
verhüten,  aber  sie  ganz  und  gar  aus  der  Welt  zu  schaffen,  wird 
wohl  Keinem  gelingen.  Menschliche  Arbeit  ist  nie  ganz  fehlerfrei, 
und  deshalb  sollte  ein  Chirurg,  dism  einmal  ein  Chloroformtod  oder 
das  Zurücklassen  eines  Instruments  in  der  Bauchhöhle  passiert  und 
von  dem  sonst  bekannt  ist,  dass  er  ein  höchst  gewissenhafter  Mensch 
ist,  wegen  eines  .solchen  Ereignisses  vor  Gericht  immer  frei- 
gesprochen werden.  Glücklicherweise  wird  dieser  Standpunkt 
auch  überall  vertreten. 

Ist  man  gezwungen  auswärts  zu  operieren  und  muss  man 
mit  fremdem  Personal  arbeiten,  so  ist  eine  gute  Vorbereitung 
oft  recht  misslich.  Nicht  als  ob  fremde  Personen  nicht  ebensa 
zuverlässig  wären  wie  eigene,  aber  Jeder  hat  seine  Eigentüm- 
lichkeiten, und  das  Zusammenarbeiten  von  Leuten,  die  sich  erst 
eine  Stunde  kennen,  ist  sehr  schwierig.  Ich  sehe  deshalb  zu,, 
wenn  die  Forderung  einer  auswärtigen  Operation  an  mich 
herantritt,  dass  ich  das  an  mich  gewöhnte  Personal  mitnehmen 
kann.  So  weiss  ich,  dass  Alles  gut  vorbereitet  und  eingerichtet 
wird  und  habe  die  Garantie,  dass  dadurch  der  Erfolg  der  Ope- 
ration wesentlich  sicherer  gestellt  wird. 

Ausserdem  muss  man  in  einem  Privathause  sehr  viel  Rücksicht 
nehmen,  die  in  der  eigenen  Klinik  so  gut  wie  wegfällt.  Kein  Patient 
lässt  sich  gern  den  Magen  ausspülen,  und  manche  empfinden  es- 


—     46     — 

als  eine  Härte,  wenn  sie  Tage  lang  hungern  müssen.  Noch  im 
letzten  Augenblick  stecken  besorgte  Angehörige  dem  Kranken 
etwas  zu,  in  guter  Absicht  und  überlegen  nicht,  dass  sie  da- 
durch die  ganzen  diätetischen  Vorbereitungen  über  den  Haufen 
werfen.  Man  selbst  vergisst  auch  leicht,  manche  Massnahme 
anzuordnen,  die,  weil  es  sich  um  eine  selbstverständliche 
Kleinigkeit  handelt,  ausser  Acht  bleibt. 

Es  kommt  eben  Alles  darauf  hinaus,  dass  ein  Gallenstein- 
kranker, wenn  er  sich  einer  Operation  unterziehen  niuss,  am 
besten  in  einem  Krankenhaus  oder  in  ei-ner  Klinik  unterge- 
bracht wird,  da  nirgends  die  Vorbereitungen  zur  Operation  so 
gut  getroffen  werden  können,  wie  in  solchen  Instituten. 


B)  Die  Technik  der  Gallensteinoperationen. 

I.  Die  allgemeine  Technik  der  Gallensteinoperationen. 

1.  Die  Anatomie   des  Gallen  Systems. 

Wer  an  einem  Körperteil  eine  Operation  vornehmen  will, 
wird  trotz  bester  Beherrschung-  der  Technik  und  Asepsis  sehr 
schaden,  wenn  er  nicht  genau  weiss,  welche  Gebilde  sein 
Messer  durchschneidet.  Eine  genaue  Kenntnis  der  anatomi- 
schen Verhältnisse  ist  die  Grundbedingung  für  eine  erfolg- 
reiche Operation. 

Und  deshalb  beginne  ich  diesen  Teil  der  allgemeinen  Tech- 
nik der  Gallensteinoperation  mit  einer  Darlegung  der  anatomi- 
schen Verhältnisse  des  Gallensystems. 

Ich  lege  bei  den  folgenden  Erörterungen  die  Beobach- 
tungen zu  Grunde,  die  ich  bei-  fast  1000  Autopsien  in  vivo 
machen  konnte  und  halte  mich  ausserdem  an  die  von  Langen  buch, 
Haasler  und  von  Büngner  gemachten  Erfahrungen. 

Das  Gallensystem  setzt  sich  zusammen  aus  der  Gallen- 
blase und  den  Gallengängen.  Eine  normale  Gallenblase  ist  be- 
festigt an  der  unteren  Fläche  des  rechten  Leberlappens  und 
hat  die  Form  einer  Birne;  sie  ist  ca.  10 — 14  cm.  lang  und 
3  cra.  breit.  Ihre  Capacität  dürfte  30—40  ccm.  betragen. 
Das  Bauchfell  der  Leber  zieht  über  die  Gallenblase  hinweg, 
so  dass  nur  ihre  der  freien  Bauchhöhle  zugewendete  Seite  einen 
peritonealen  Überzug  hat,  während  die  der  Leber  anliegende 
Fläche  desselben  entbehrt.  Wir  unterscheiden  an  dem  Organ 
einen  Fundus  und  einen  Hals.  Dieser  geht,  nach  hinten  und 
medianwärts  verlaufend,  in  den  Ductus  cysticus  über.  Dieser 
Gang  ist  3 — 4  cm.  lang  und  zeigt  fast  regelmässig  eine  scharfe 
S  förmige  Biegung.  In  spitzem  Winkel  fliesst  der  Ductus  cysti- 
cus mit  dem  Ductus  hepaticus  zum  Choledochus  zusammen. 

Die  Lage  der  Gallenblase  und  ihre  Beziehungen  zu  den 
Bauchdecken  sind  sehr  verschieden.  Durch  einen  Schnitt, 
welcher  am  unteren  *Rand  des  Rippenbogens  an  der  Spitze  der 


48 


Fig.  22. 
ductus  choledochus 


ductus 
cysticus 


rechten  10.  Rippe  beginnt  und  am  äusseren  Rand  oder  im 
äusseren  Drittel  des  rechten  Muse.  rect.  abd.  nach  unten  zieht^ 
stösst  man  unter  normalen  Verhältnissen  direkt  auf  die  Gallen- 
blase. Der  Chirurg  hat  es  aber  fast  immer  mit  pathologischen 
Veränderungen  an  der  Gallenblase  zu  tun,  und  deshalb  trifft  er 

auch  diese  in  ganz  ver- 
schiedenen Lagen.  Sie 
liegt  bald  mehr  nach 
rechts,  oft  hoch  oben  unter 
der  Leber  (Nr.  12),  voll- 
ständig bedeckt  von  der- 
selben, so  dass  man  Mühe 
hat,  sie  zu  fühlen,  ge- 
schweige denn  zu  sehen ; 
seltener  rückt  sie  nach  der 
Mittellinie  (Nr.  13.  Nr. 
118)  herüber,  doch  habe 
ich  sie  auch  schon  unter 
dem  linken  Muse.  rect.  abd. 
angetroffen.  Beck*)  hat 
einmalbeikompletemSitus^ 
transversus  eine  Cysto- 
stomie  ausgeführt.  Ich 
habe  vor  ca.  2  Jahren  die 
Gallenblase,  ohne  dass 
Situs  transversus  bestand, 
am  linken  Leberlappen, 
medial  vom  Lig.  teres^  im 
linken  Hypochondrium  an- 
getrofien.  Der  Cysticus 
mündete  in  einen  sehr 
engen  linken  Ductus  hepa- 
ticus,  der  rechte  Hepaticus 
war  von  normaler  Weite. 
Beide  Äste  vereinigten  sich  erst  dicht  am  Duodenum  zum  Chole- 
dochus. L  ö  h  l  e  i  n  **)  fand  einmal  bei  einer  Operation,  dass  sich  die 
Gallenblase  im  Sulcus  longitudinalis  sinister  der  Leber  inserierte. 


*)  Beck,  Transposed  viscera  with  cholelithiasis  relivied  by  a  left- 
sided  cholecystostomie.    Annais  of  surgery  1899.     May. 
**)  Vereinigung  der  Chir.  Berlins.     124.  Sitzung. 


12.  V.  1902. 


—     49     — 

Es  lag^  Hydrops  und  Cysticusverschluss  vor,  die  Gallenblase  wurde 
excidiert.  —  Oft  steigt  das  Organ  mehr  in  die  Bauchhöhle 
hinab,  so  dass  man  es  in  der  Cöcalgegend  tastet.  B,  o  b  s  o  n 
und  ich  haben  die  Gallenblase  ganz  nach  hinten  in  die  Lum- 
balgegend  verschoben  vorgefunden ;  ein  Schnitt  wie  zur  Nephro- 
tomie ist  in  der  Tat  auch  für  solch'  dislozierte  Gallenblasen 
empfohlen  worden.  Thiel  fand  die  steinhaltige  Gallenblase 
als  Inhalt  eines  Bauchwandbruches.  —  Der  Wechsel  der  Lage 
<Jer  Gallenblase  wird  bedingt  durch  Veränderungen  der  Form 
und  des  Volumens  der  Leber  (Schnürleber,  Leberschwellung) ; 
auch  Adhäsionen  zwischen  Gallenblase  und  Intestinis  tragen 
dazu  bei,  dass  die  Gallenblase  ihren  gewöhnlichen  Standort 
verlässt.  Wie  die  Lage,  so  wechselt  auch  die  Grösse  der 
Gallenblase  ausserordentlich ;  sie  kann  bei  Verschluss  des  Cy- 
sticus  durch  Stein  und  nachfolgender  Entstehung  eines  Hydrops 
kindskopfgross  werden  und  ist  schon  für  einen  Ovarialtumor 
gehalten  worden,  sie  kann  bei  häufigen  entzündlichen  Prozessen 
schrumpfen,  klein  werden  wie  eine  Kirsche,  so  dass  es  schwer 
hält,  sie  aufzufinden.  Über  den  Bau  der  Gallenblase,  die 
Zusammensetzung  ihrer  Wand  aus  Mucosa,  Muscularis  und 
Serosa  brauche  ich  in  diesem  Buche  keine  weiteren  Be- 
merkungen zu  machen,  ich  will  nur  hervorheben,  dass  ihre 
Wand  oft  papierdünn  ist,  so  dass  beim  Versuch  der  Cysto- 
stomie  jeder  Stich  durch  ihre  Wand  das  Lumen  der  Gallen- 
blase eröffnet.  Andererseits  kann  die  Wand  centimeterdick 
und  so  hart  werden,  dass  man  Mühe  hat,  mit  dem  Messer  vor- 
wärts zu  kommen.  Weiterhin  ist  zu  bemerken  —  und  das  ist 
für  die  Exstirpätion  wichtig  — ,  dass  die  Gallenblase  von  der 
Art.  cystica  versorgt  wird.  Dieselbe  ist  ein  Ast  der  Art.  hepa- 
tica,  teilt  sich  hoch  oben  am  Hals  in  zwei  Teile,  von  denen 
der  eine  an  der  freien  Seite  der  Blase,  der  andere  zwischen  ihr 
und  Leber  verläuft.  (Siehe  Taf.  I).  Wir  werden  noch  oft  genug 
(z.  B.  beim  Aneurysma  der  art.  hepatica)  Gelegenheit  haben,  die 
Gefäss Versorgung  der  Gallenblase  und  die  Gefässverteilung  im  lig. 
liepato-duodenale  zu  besprechen.  Ich  möchte  aber  schon  jetzt 
auf  eine  kleine  Arterie  aufmerksam  machen,  der  in  den  meisten 
anatomischen  Atlanten  nicht  die  genügende  Aufmerksamkeit 
geschenkt  wird.  Diese  kleine  Arterie  entspringt  entweder  aus 
der  Art.  hepatica  selbst  oder  aus  ihrem  Aste,  der  Art.  gastro- 
duodenalis,   und   zieht  quer  über  die  Vordertläche  des  Ductus 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    I.  4 


—     50     — 

choledochus  hin,  um  an  diesem,  dem  Duodenum  und  dem  Pan- 
kreas sich  zu  verbreiten;  oft  schickt  sie  einen  Zweig  nach 
oben  zur  Gallenblase,  der  als  Art.  cystica  accessoria  bezeichnet 
werden  kann.  (Siehe  unter  Nr.  122  im  II.  Teil  Fig.  10.)  Die  Gallen- 
blase ist  mehr  oder  weniger  fest  an  der  unteren  Fläche  der  Leber 
breit  angeheftet ;  je  weniger  die  Gallenblasenwandungen  durch  ent- 
zündliche Prozesse  verdickt  sind,  um  so  leichter  gelingt  die  Ab- 
lösung der  Gallenblase  von  der  Leber.  Manchmal  hängt  die  Gallen- 
blase ganz  locker  an  einer  Art  von  Mesenterium  an  der  Leber 
und  kann,  wenn  sie  mit  Steinen  und  Flüssigkeit  gefüllt  ist,  wie  ein 
beweglicher  Tumor  hin-  und  herpendeln;  sie  verdient  in  solchen 
Fällen  gleich  der  beweglichen  Niere  die  Bezeichnung:  beweg- 
liche Gallenblase.  Der  Ausführungsgang  der  Gallenblase  ist 
der  Ductus  cysticus,  in  seinem  Lumen  befinden  sich  die  Hei- 
ster'sehen  Falten;  ihre  Anordnung  macht  eine  Sondierung 
des  Cysticus  fast  immer  unmöglich.  Die  Sonde  gelangt  über- 
haupt fast  nie  in  den  Cysticus  hinein,  sondern  fängt  sich  schon 
in  dem  oft  divertikelartig  ausgebuchteten  Hals  der  Gallenblase. 
Die  Durchgängigkeit  des  Cysticus  für  die  Sonde  ist  ein  patho- 
logischer Zustand  (Brewer);  aber  selbst  in  den  Fällen,  wo 
grosse  Steine  den  Cysticus  passiert  haben,  gelingt  die  Son- 
dierung des  Cysticus  keineswegs  immer.  Der  häufig  scharf  ge- 
knickte Cysticus  mündet  in  den  Hepaticus  unter  einem  spitzen 
Winkel;  hier  liegt  gewöhnlich  eine  Drüse,  welche  indurieren 
kann  und  dann  durch  ihre  Härte  leicht  ein  Concrement  vor- 
täuscht. Auch  im  Verlauf  des  Choledochus  an  der  Pfortader 
liegen  verschiedene  Drüsen,  deren  Kenntnis  für  den  Chirurgen 
von  Wichtigkeit  ist.  (Siehe  Taf.  III.)  Bei  entzündlichen  Prozessen 
in  den  Gallenwegen  schwellen  diese  Drüsen  erheblich  an;  anfangs 
weich,  werden  sie  mit  der  Zeit  immer  härter  und  haben  oft 
genug  als  Concremente  imponiert  und  den  Chirurgen  zum  Ein- 
schneiden verleitet.  Cysticus  und  Choledochus  sind  bei  man- 
gelnden Adhäsionen  nicht  schwer  zu  erreichen ;  da  wir  es 
indessen  bei  unseren  Operationen  fast  immer  mit  Verwachsungen 
zu  tun  haben,  so  werden  die  normalen  anatomischen  Verhält- 
nisse so  verwischt,  dass  es  selbst  bei  der  genauesten  Kenntnis 
derselben  nicht  immer  gelingt,  einen  richtigen  Überblick  zu 
gewinnen.  Jedenfalls  bildet  den  Schlüssel  zum  Cysticus  und 
Choledochus  die  Gallenblase,  vorausgesetzt,  dass  man  sie  findet. 
An   der   Gallenblase  tastet  man  sich  zum  Cysticus  empor,    un\ 


—     51     — 

dann  den  quer  von  oben  aussen  nach  innen  unten  im  Liga- 
mentum hepato-duodenale  verlaufenden  Choledochus  zugänglich 
zu  machen.  Das  gelingt  bei  wenigen  Verwachsungen  verhält- 
nismässig leicht,  ohne  mit  der  ebenfalls  im  Ligament  verlaufen- 
den Art.  hepat.  und  Vena  port.  in  Berührung  zu  kommen. 
Dicht  am  Choledochus  verlaufen,  durch  quere  Anastomosen 
verbunden,  eine  Reihe  von  kleinen  Venen  und  Arterien,  deren 
Durchschneidung  bei  der  Choledochotomie  z*u  unangenehmen 
Blutungen  und  schwieriger  Stillung  derselben  führen  kann. 
Wir  werden  nachher  noch  Gelegenheit  nehmen,  die  Gefässver- 
hältnisse  des  Choledochus  ausführlich  zu  betrachten.  Bei  der 
Auffindung  des  Choledochus  spielt  neben  der  Gallenblase  als 
Führer  das  Foramen  Winslowii  eine  grosse  Rolle,  da  man 
durch  Einführung  eines  Fingers  in  dasselbe  den  Choledochus 
besser  zugängig  machen  kann.  Übrigens  ist  das  Loch  nicht 
selten  durch  entzündliche  Prozesse  verlegt,  sodass  die  Ein- 
führung des  Fingers  in  die  Bursa  omentalis  unmöglich  ist. 
Der  pylorische  Weg  Lange nbuchs  zum  Choledochus  führt 
nicht  so  sicher  zu  dem  gemeinsamen  Gallengang,  als  wenn 
man  an  der  Gallenblase  und  am  Cysticus  entlang  vorwärts 
dringt.  Doch  ist  er  zu  benützen,  wenn  die  Gallenblase,  in 
Verwachsungen  eingehüllt,  sich  schwer  oder  gar  nicht  auf- 
finden lässt. 

Über  den  Zweck  der  Gallenblase  für  den  Organismus  gehen 
die  Ansichten  noch  weit  auseinander.  Murphy  hält  die 
Gallenblase  für  einen  Stromregulator  für  die  Spannung  in  den 
Gallenwegen,  der  wie  der  Luftkessel  an  der  Feuerspritze  da- 
für sorgt,  dass  der  Abfluss  continuierlich  und  nicht  stossweise 
erfolgt.  Andere  halten  die  Gallenblase  für  ein  Reservoir. 
Obwohl  niemand  leugnen  wird,  dass  die  Gallenblase  von  der 
Natur  mit  bestimmten  Funktionen  betraut  ist,  so  hat  doch 
ihre  Entfernung  nicht  den  geringsten  Einfluss  auf  das  Allge- 
meinbefinden, Magen  oder  Darm.  Entfernt  man  sie  samt  dem 
Cysticus,  so  regeneriert  sie  sich  nicht  wieder.  Bleibt  der 
Cysticus  stehen,  so  kann  sich  dieser  zu  einer  Art  Gallenblase  aus- 
dehnen (Voogt).  Nasse,  Calot,  Rosenberg,  Oddi  u.  A. 
haben  die  Folgen  der  Gallenblasenexcision  experimentell  geprüft. 
Über  die  Funktionen  der  Leberzellen,  die  Art  und  Weise  der 
Gallenabsonderung,  die  durchschnittliche  Tagesmenge  der  abge- 
sonderten Galle  Betrachtungen  anzustellen,  würde  zu  weit  führen. 


—     52     — 


Fig.  23. 


.Steine  Inden  Ducti 
HepaticL 


St.  im  Cjsficus 

St.im  supraduod 
'  Teil  d  ei 
C//oledoc^Ui 


Missbildungen  an  der  Galleiiblase  gehören  zu  den  Selten- 
heiten ;  es  kommen  angeborene  Verschlüsse  der  Gallengänge  vor, 
die  Gallenblase  kann  fehlen  oder  sich  verdoppeln,  Abnormitäten, 
mit  denen  man  kaum  zu  rechnen  braucht.  Bei  Courvoisier 
findet  man   diesbezügliche  Angaben.     Auf   zwei   Abnormitäten, 

die  ich  bei  mei- 
nen Gallensteinope- 
rationen vorfand, 
möchte  ich  noch  be- 
sonders aufmerksam 
machen.  Einmal  traf 
ich  die  Gallenblase 
nicht  am  rechten 
Leberlappen ,  son- 
dern am  linken ;  bei 
der  Besprechung  der 

Schnittführung 
durch  die  Bauch- 
decken komme  ich 
auf  diesen  Fall  noch 
zurück.  Ein  zweites 
Mal  stiess  ich  bei 
einer  begonnenen 
Ectomie  auf  dicke 
Gallengänge,  welche 
direkt  in  den  Fun- 
dus der  Gallenblase 
einmündeten  und  accessorische  Gallengänge  darstellten,  deren 
Schonung  gerade  in  diesem  Fall  von  grosser  Wichtigkeit  war. 
Ich  habe  im  zweiten  Teil  diesen  Fall  (Ar.  17)  genauer  be- 
schrieben. — 

Gallensteine  werden  im  ganzen  Gallensystem  angetroffen, 
in  der  Gallenblase  (Fundus  und  Hals),  im  Ductus  cysticus,  im 
Choledochus  (supraduodenal,  retroduodenal),  in  den  weiten  und 
engen  Ästen  des  Hepaticus.  (Siehe  Fig.  23.)  Die  Hauptbildungs- 
stätte der  Cholelithen  ist  die  Gallenblase,  primäre  Steinbildung  in 
den  Lebergängen  kommt  vor,  ist  aber  relativ  selten.  Die  Gallen- 
steinkrankheit wird  hervorgerufen  durch  lokale  Schädigungen  der 
Gallengänge,  besonders  der  Gallenblase,  sie  ist  die  Folge  einer 
Stauung  und  Infektion,  eines  steinbildenden  Katarrhs.  Glas  er 's 


Schema  über  den  Sitz  der  Steine. 


—     53     — 

Ansicht,  dass  eine  Nervenkrankheit  vorliegt,  ist  absurd;  ich 
glaube  noch  nicht  einmal  an  eine  Stoffwechselerkrankung,  doch 
ist  in  diesem  Buche  kein  Eaum,  auf  die  Aetiologie  der  Choleli- 
thiasis  näher  einzugehen.  — 

So  einfach  die  anatomischen  Verhältnisse  an  der  Gallen- 
blase und  am  Ductus  cysticus  sind,  so  kompliziert  sind  diese 
am  Ductus  choledochus. 

Nach  Langenbuch,  Haeckel  und  v.  Bardeleben  be- 
sitzt der  Choledochus  beim  Erwachsenen  im  Durchschnitt  eine 
Länge  von  8 — 9  cm.  „Der  Gang  verläuft  in  seiner  ersten  Hälfte 
zwischen  den  Platten  des  Lig.  hepato-duodenale,  also  intra- 
peritoneal, einige  Centimeter  von  dem  freien  Rande  desselben 
nach  links  entfernt,  in  der  Richtung  des  Hepaticus,  aber 
schliesslich  in  einer  flachen,  bogenförmigen  Wendung  nach  rechts 
zum  inneren  Rande  der  Pars  descendens  des  Duodenum.  Auf 
diesem  Wege  läuft  er,  nunmehr  retroperitoneal  werdend,  und 
nachdem  er  die  Pars  horizontalis  superior  des  Duodenum  an 
der  Hinterseite  gekreuzt  hat,  entweder  hinter  dem  Pankreas- 
kopf  längs,  oder  durchbohrt  denselben  in  verschieden  langer 
Strecke."  Die  pars  retroduodenalis  ist  2^/2  cm.  lang,  die  pars 
pankreatica  3  cm.  Die  Strecke  hart  vor  der  Papille  wird  auch 
noch  als'  pars  papillaris  unterschieden.  Der  letzte  Teil  des 
Choledochus  durchsetzt  schräg  die  Wand  des  Duodenum  und 
mündet  an  der  linken  Seite  der  pars  descendens  duodeni  im 
Diverticulum  Vateri  dicht  neben  (0,2  cm.)  der  Mündung  des 
ductus  pankreaticus,  selten  mit  derselben  gemeinsam.  „Hinter 
dem  Choledochus,  jedoch  etwas  mehr  nach  links,  zieht  in 
ziemlich  gleicher  Richtung  die  Pfortader  zum  Hilus,  und  etwa 
in  gleicher  Höhe,  weiter  von  links  herkommend,  verläuft  die 
Art.  hepatica,  den  Hepaticus  spitzwinkelig  auf  dessen  Vorder- 
seite kreuzend,  zwischen  diesem  und  dem  Cysticus  zur  Leber- 
pforte. Ihre  Lage  ist  oberflächlicher  als  die  der  Pfortader. 
Ungefähr  in  der  Höhe  des  hepatischen  Anfangsteiles  des  Chole- 
dochus, jedoch  circa  in  mittlerer  Fingerbreite  nach  innen  ent- 
fernt, zweigt  sich  die  Art.  gastro-epiploica  dextra  von  der  Art. 
hepatica  ab  und  verläuft  nach  aussen  vom  Pylorus  hinter  dem 
Anfangsteile  des  Duodenum  herum  und  divergierend  vom  Chole- 
dochus nach  unten  und  innen  der  Wirbelsäule  zu.  Das  Lumen 
des  normalen  Choledochus  ist  bald  etwas  weiter,  bald  auch 
enger  als  das  des  Hepaticus.     Bei   Steinen  im  Choledochus  er- 


—     54     — 

weitert  sich  der  Gang-  oft  erheblich,  und  manchmal  ist  bei  ober- 
flächlicher Untersuchung  eine  Unterscheidung  der  Vena  portarum 
vom  Choledochus  recht  schwierig  (Nr.  59).  Man  sei  deshalb 
mit  der  Incision  des  vermeintlichen  Choledochus  recht  vor- 
sichtig. Die  Lymphdrüsen  an  den  Gängen  finden  sich  ziemlich 
regelmässig  folgendermassen  verteilt:  eine  Drüse  sitzt  am  Über- 
gang von  der  Blase  zum  Cysticus,  eine  andere  am  Zusammen- 
fluss  der  drei  Gänge,  und  eine  dritte  am  Eingange  des  Chole- 
dochus in  den  Darm.  Dies  zu  beachten,  ist  nötig,  da  Indura- 
tionen dieser  Drüsen  bei  der  Digitaluntersuchung  als  Steine 
imponieren  können. 

Im  allgemeinen  kann  man  wohl  sagen,  dass  der  Chole- 
dochus mehr  oder  weniger  schräg  von  oben  aussen  nach  unten 
innen  mit  einer  flach  konvexen  Krümmung  nach  links  verläuft, 
und  dass  sein  Anfangsteil  tiefer  liegt  als  sein  Darmende.  Der 
Anfangsteil,  etwa  3  cm.  lang  gerechnet,  würde  am  zugäng- 
lichsten sein,  da  er,  nur  vom  Bauchfell  bedeckt,  frei  verläuft, 
aber  die  Natur  hat  leider  schlecht  gesorgt,  denn  er  liegt  oft 
bis  zur  Unerreichbarkeit  tief  versenkt.  Der  nächstfolgende, 
aus  der  Tiefe  ansteigende  Teil  verkriecht  sich  wieder  hinter 
Duodenum  und  Pankreas,  das  letztere  nicht  selten  durchbohrend, 
so  dass  seine  Betastung  durch  diese  Organe  hindurch  erfolgen 
muss.  Nur  ein  kleiner  Teil  desselben  verläuft  nach  Qu^nu 
schräg  abwärts  von  innen  nach  aussen  in  dem  von  den  drei 
Duodenumteilen  und  der  V.  mesaraica  sup.  gebildeten  Kreise, 
natürlich  auch  hier  vom  Pankreas  gedeckt  und  nicht  selten  mit 
dem  Ductus  pankreaticus  oder  einem  seiner  accessorischen  Gänge 
vergesellschaftet. 

Leider  können  pathologische  Zustände  und  insbesondere  die 
häufiger  zu  beobachtenden  kolossalen  Dilatationen  des  Chole- 
dochus sowie  der  anderen  grosseij  Ducten  im  Verein  mit  den 
ebenso  häufigen  peritonealen  Verwachsungen  und  Schwielen- 
bildungen, sowie  den  ebenfalls  nicht  seltenen  soliden  oder  fistu- 
lösen Adhärenzen  mit  den  benachbarten  Hohlorganen  das  uns 
geläufige  topographische  Bild  vollständig  zunichte  machen,  und 
zwar  in  dem  Grade,  dass  man,  zur  Eröffnung  des  Gallensystems 
bereit,  zuweilen  nicht  einmal  erkennen  kann,  ob  man  den  Chole- 
dochus oder  die  Gallenblase  vor  sich  hat,  und  noch  im  Zweifel 
darüber  in  Wahrheit  den  Cysticus  oder  den  Hepaticus,  wenn 
nicht  gar  ein  grösseres  Divertikel  irgend  eines   Ganges,   oder 


—     55     — 

im  schlimmsten  Falle  selbst  das  Duodenum  mit  dem  Messer  er- 
öffnet. Bei  solcher  Sachlage  hat  man  sich  natürlich  vor  allem 
die  Nähe  der  grossen  Blutgefässe,  von  denen  auch  die  untere 
Hohlader  nicht  ausgeschlossen  ist,  gegenwärtig  zu  halten.  Zu 
erwähnen  ist  noch,  dass  der  Choledochus  in  seiner  oberen,  der 
Leber  zugewandten  Hälfte  nicht  selten  von  einem  oder  mehreren 
Nebenästen  der  Art.  hepatica  und  Pfortader  gekreuzt  sein  kann, 
denn  gerade  auf  dieser  Partie  spielen  sich  die  meisten  Inci- 
sionen  des  Ganges  ab."     (Langenbuch.) 

Die  Verteilung  der  Arterien  am  Choledochus  hat  besonders 
Haasler  studiert,  und  ich  halte  es  für  wichtig,  seine  Erfah- 
rungen hier  ausführlich  mitzuteilen  und  die  von  ihm  angefertigten 
Zeichnungen  auf  Taf.  IV  am  Schlüsse  des  I.  Teils  dieses  Buches 
wiederzugeben.     Haasler  führt  folgendes  aus: 

„Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  das  Verhalten  der  Arterien, 
und  wenn  es  auch  hauptsächlich  bei  der  Choledochotomie  hinter 
oder  nahe  dem  Duodenum  in  Frage  kommt,  so  kann  man  ge- 
legentlich auch  beim  Operieren  am  frei  verlaufenden  Teile  des 
Ganges  mit  kleinen,  jedoch  nicht  belanglosen  Arterienästen  in 
Kollision  geraten. 

Die  Art.  hepatica  selbst. kommt  hierbei,  da  die  Hepatico- 
tomie  hier  nicht  besprochen  werden  soll,  kaum  in  Betracht,  da 
man  ja  beim  Operieren  von  der  dem  Gefäss  entgegengesetzten 
Seite  an  dem  Gang  herangeht;  auch  ihre  häufigsten  Varietäten 
erfordern  in  der  uns  zunächst  interessierenden  Region  keine 
Berücksichtigung.  Anders  steht  es  mit  den  Aesten  der  Hepa- 
tica. Schneidet  man  das  vordere  Blatt  des  Lig.  hepato-duo- 
denale  nahe  dem  Duodenum  und  parallel  zu  dessen  Verlauf  ein, 
so  lässt  sich  der  Darm  nach  links  verziehen,  und  man  legt 
durch  stumpfes  Präparieren  den  Choledochus  an  seiner  Ein- 
trittsstelle ins  Pankreasgewebe'  frei,  welches  zuweilen  mit  einem 
zungenförraigen  Fortsatzeden  Gang  schon  weiter  oberhalb  umlagert 
hat.  Hier  verläuft  nun  für  gewöhnlich  ein  etwa  rechtwinklig  von 
der  Hepatica  wenige  Centimeter  nach  Abgabe  der  Art.  gastroduo- 
denalis  sich  abzweigender  Arterienast,  welcher  sich  zumeist  vor 
der  Vorderwand  des  Choledochus  teilt,  indem  ein  Aestchen 
nach  links  hin  zur  Vorderfläche  des  Ganges  verläuft,  ein  zwei- 
tes ebenfalls  nach  links  zu  dessen  unterem  Rande  hinzieht. 
Ihre  Verzweigungen  gehen  zum  Pankreaskopf,  zur  Wandung 
des  Choledochus  (und  des  Duodenum).     Die  oben  erwähnte,  sehr 


—     56     — 

häufig  vorhandene  Lymphdrüse  im  unteren  Winkel  zwischen 
Choledochus  und  Duodenum  bleibt  zumeist  lateral  von  der 
kleinen  Arterie  (Taf.  IV,  Fig.  1). 

Zuweilen  ziehen  die  kleinen  Arterien  nach  Teilung  des 
Hauptstämmchens  zu  beiden  Seiten  des  Ganges  hin  (Taf.  IV, 
Fig.  2).  Ausserdem  kann  man  zumal  durch  Injektion  noch 
einige  feinere  Aestchen  gelegentlich  darstellen,  die  "sich  teils 
ins  Pankreasgewebe  einsenken,  teils  nach  rechts  abbiegend  in 
der  Längsrichtung  des  Choledochus  in  dessen  Wand  verlaufen 
(Taf.  IV,  Fig.  3  und  5). 

Bekanntlich  kann  die  Art.  gastroduodenalis  in  ihrer  Stärke 
sehr  verschieden  sein,  und  auch  ihr  Abgang  von  der  Hepatica 
unterliegt  erheblichen  Schwankungen.  In  einigen  meiner  Prä- 
pai-ate  fand  ich  bei  stark  entwickelter  Gastroduodenalis  und 
weit  gegen  die  Porta  hin  gelegenem  Abgang  der  Arterie  von 
ihr  abgehend  einen  dem  oben  beschriebenen  Gefässchen  ent- 
spiechenden  Arterienast,  der  am  Ausläufer  des  Pankreaskopfes 
und  an  der  vorderen  Wandfläche  des  Choledochus  sich  in  ganz 
analoger  Weise  verzweigte  (Taf.  IV,  Fig.  4).  Dieses  Verhalten 
der  Arterie  ist  bei  Quönu  erwähnt.  Bei  einem  Präparate  fand 
sich  bei  besonders  stark  ausgebildeter  Art.  gastroduodenalis 
ausser  dem  genannten  Gefässchen  (Ramus  pankreaticus)  noch 
ein  weiter  lateral  abgehender  Ast,  der  bald  sich  teilend  einen 
Zweig  nach  links  längs  der  Vorderwand  des  Ganges,  einen 
zweiten  in  entgegengesetzter  Richtung  schräg  den  Gang  kreu- 
zend zur  Gallenblase  schickte.  Man  kaixi  letzteren  als  Art. 
cystica  accessoria  bezeichnen;  Henle  erw^ähnt  ihr  Vorkommen 
(Taf.  IV,  Fig.  5)." 

Das  Verhalten  der  Venen  am  lig.  hepato-duodenale  ist  so 
inconstant  und  besonders  bei  entzündlichen  und  Verwachsungs- 
prozessen so  variabel,  dass  es  unmöglich  ist,  hier  irgend  eine 
Gesetzmässigkeit  herauszufinden.  Man  kann  in  dieser  Hinsicht 
nur  dem  Chirurgen  raten,  die  Augen  recht  offen  zu  halten,  bei 
der  Freilegung  des  Ductus  choledochus  mehr  stumpf  als  scharf 
vorzugehen  und  sichtbare  Venen  bei  Seite  zu  schieben,  damit  nicht 
eine  oft  recht  unangenehme  und  schwer  stillbare  Venenblutung 
den  Gang  der  Operation  unliebsam  unterbricht. 

V.  Büngner  verdanken  wir  eine  genauere  Untersuchung 
der  Pars  duodenalis  des  Choledochus;  wir  werden  dadurch  über 
die  Beziehungen  des  Choledochus  zum  Pankreaskopf  aufgeklärt. 


—     57     — 

Auch  die  Untersuchungen  v.  Büngner's  sind  so  wichtig, 
dass  ich  nicht  umhin  kann,  dieselben  ausführlich  mitzuteilen. 

„Der  Choledochus  geht  vor  seinem  Eintritt  in  das  Duo- 
denum fast  stets  (in  95  °/o  der  Fälle)  durch  die  Substanz  des 
Pankreas  hindurch  und  nur  selten  (in  5  °/o  der  Fälle)  am  Kopfe 
desselben  vorbei.  Choledochus  und  Wirsungianus  vereinigen 
sich  fast  nie  (nur  in  1 — 2  "/o  der  Fälle),  sondern  münden  fast 
ausnahmslos  (in  98 — 99  °/o  der  Fälle)  getrennt  von  einander  am 
Boden  des  Divertikulum  der  Papille. 

Der  Wirsungianus  verläuft  in  der  Eegel  ungeteilt.  Nur 
selten  (in  etwa  10  °/o  der  Fälle)  gibt  er  einen  Nebengang  ab, 
der  an  anderer  Stelle  in  das  Duodenum  einmündet.  Für  die 
klinische  Beurteilung  der  Krankheiten  der  Gallenwege  und  des  Pan- 
kreas haben  diese  Untersuchungsergebnisse  folgende  Bedeutung: 

1.  Die  Tatsache,  dass  das^ Endstück  des  Hauptgallenganges 
in  die  Substanz  der  Bauchspeicheldrüse  eingebettet  ist  und  auf 
stumpfem  Wege  nicht  aus  derselben  herauspräpariert  werden 
kann,  lehrt 

a)  die  operative  Freilegung  des  Choledochus  ist  in  der 
Regel  nur  bis  zu  dessen  Eintritt  in  das  Pankreas ,  nicht  aber 
bis  zu  dessen  Eintritt  in  das  Duodenum  möglich ,  es  sei  denn, 
dass  das  Pankreas  auf  blutigem  Wege  gespalten  wird. 

b)  Alle  Affektionen  des  Pankreas,  welche  zu  einer 
Schrumpfung  oder  pathologischen  Vergrösserung  des  Pankreas- 
kopfes  führen,  müssen  eine  Konstriktion  nicht  nur  des  Wir- 
sungianus, sondern  auch  des  Choledochus  bedingen.  Aus  diesem 
Grunde  begreift  es  sich,  weshalb  im  klinischen  Bilde  nicht  nur 
die  Firscheinungen  einer  Eetention  des  Pankreassaftes  (Fett- 
stühle, Melliturie),  sondern  auch  diejenigen  einer  Retention  der 
Galle  (acholische  Stühle,  Gallenfarbstoff  im  Urin,  Ikterus)  her- 
vortreten. 

2.  Die  Tatsache,  dass  Choledochus  und  Wirsungianus  sich 
fast  nie,  wie  wir  früher  als  Regel  annahmen,  vereinigen,  sondern 
fast  ausnahmslos  getrennt  von  einander  in  das  Divertikulum 
der  Papille  münden,  lehrt  Folgendes: 

a)  Die  Verlegung  des  einen  Ganges  muss  nicht  naturnot- 
wendig diejenige  des  anderen  nach  sich  ziehen,  vielmehr  werden 
Krankheitsprozesse,  welche  sich  isoliert  im  Choledochus  ab- 
spielen, nur  Symptome  vonseiten  dieses  Ganges  (Retention  der 
Galle),  Prozesse,    welche   isolirt  im  Wirsungianus  spielen,  nur 


—     58     — 

solche   vonseiten    des  letzteren    (Retention  des  Pankreassaftes) 
herbeiführen. 

b)  Erst  wenn  pathologische  Prozesse  vorliegen,  welche  das 
Divertikuluin  der  Papille  und  damit  die  an  sich  getrennten 
Ausmündungen  beider  Gänge  verlegen  (katarrhalische  Zu- 
schwellung,  Steinobturation  oder  Carcinom  der  Papille),  werden 
wir  Ausfallserscheinungen  der  Gallen-  und  Pankreassaftsekretion 
beobachten,  und  zwar  wird  unter  solchen  Umständen  eine  voll- 
ständige Retention  auch  des  Pankreassaftes  um  so  eher  zu  er- 
warten sein,  als  die  Abzweigung  eines  Nebenganges  vom  Wir- 
sungianus  und  die  Ausmündung  desselben  an  anderer  Stelle  des 
Duodenum  zu  den  Ausnahmen  gehört." 

Auf  die  Verteilung  der  Lymphdrüsen  am  Lig.  hepato-duodenale 
habe  ich  bereits  oben  wiederholt  hingewiesen.    (Siehe  Taf.  III.) 

Auf  den  Nervenplexus,  der  in  zahlreichen  feinen  Strängen 
die  Gebilde  des  lig.  hepato-duodenale  umspinnt,  braucht  mau 
bei  seinen  Operationen  wenig  zu  achten,  da  hier  kein  wichtiger, 
unter  allen  Umständen  zu  schonender  Nerv  liegt,  vielmehr  die 
Durchschneidung  sämtlicher  zur  Leber  ziehenden  Nervenbahnen, 
wie  Kaufmann  nachwies,  auf  die  Funktionen  der  Leber  und 
auf  das  Allgemeinbefinden  des  Pat.  ohne  jedwede  Störung  bleibt. 

Nur  die  wichtigsten  Punkte  aus  der  Anatomie  der  Gallen- 
wege, deren  Kenntnis  für  den  Chirurgen  unbedingt  notwendig 
ist,  haben  wir  angeführt.  Aus  den  beigefügten  Tafeln  (I — IV),  die 
teils  dem  trefflichen  Atlas  Sobotta's  entnommen,  teils  von  mir 
selbst  entworfen  und  von  einem  Münchner  Zeichner  ausgeführt 
worden  sind,  lernen  wir  die  Anatomie  des  Gallensystems  besser 
kennen,  als  wie  durch  langschweifige  Beschreibungen. 

2.   Die   Narkose   bei   einer  Gallensteinoperation. 

Die  Frage,  welche  Art  der  Narkose  bei  einer  Gallenstein- 
operation die  beste  ist,  ist  nicht  leicht  zu  beantworten.  Ich 
persönlich  wende  zurzeit  die  Sauerstoff- Chloroform -Narkose 
an,  und  ich  habe  seit  meiner  792.  Gallensteinoperation*)  mit 
dieser  Narkose  sehr  gute  Erfolge  gehabt. 

In  einigen  Fällen  habe  ich  auf  Wunsch  der  Kranken,  die 
sich  vor  allgemeiner  Narkose  zu  sehr  fürchteten,  die  lokale  Anä- 
sthesie nach  Schleich  vorgenommen  (Nr.  15,  Nr.  31).  Unkom- 

*)  Ich  habe  bisher  oa.  160  Gallensteinlaparotomien  unter  der 
Sauerstoff-Chloroform-Narkose   ausgeführt.     (Anm.  während  der  Korr.) 


—     59     — 

plizierte  Cystostomien,  bei  denen  man  keine  weitgehenden  Ver- 
wachsungen zu  lösen  braucht,  sind  gut  durchführbar,  denn 
man  kann  den  Bauchdeckenschnitt  fast  schmerzlos  ausführen, 
während  das  Hochziehen  des  Peritoneum  und  der  Gallenblase 
schon  recht  unangenehm  empfunden  wird.  Eine  solche  Operation 
ist  aber  recht  langweilig  und  für  den  Arzt  sehr  ermüdend  und 
abspannend ;  man  operiert  meist  nicht  gründlich  genug,  und 
deshalb  sollte  man  so  wenig  wie  möglich  von  der  Schleich'schen 
Anästhesie  bei  Gallensteinoi)erationen  Gebrauch  machen. 

Die  Äthernarkose  habe  ich  Anfang  der  90er  Jahre  sehr  viel 
angewandt,  doch  relativ  oft  postoperative  Pneumonien  gesehen. 
Vielleicht  lassen  sich  dieselben  bei  Anwendung  der  Tropf- 
methode nach  Witzel  vermeiden.  In  Amerika,  wo  ich  18 
Kranke  operierte,  wurde  fast  stets  ätherisiert.  Die  Narkosen 
verliefen  ausgezeichnet,  und  es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel, 
dass  auch  hier  Übung  und  Erfahrung  eine  grosse  Eolle  spielen. 
Eine  schlechteÄthernarkose  isteben  mehr  auf  die  mangelhafte  "Tech- 
nik desNarkotiseurs  als  auf  das  Narkoticum  selbst  zurückzuführen. 

Die  gewöhnliche  Chloroform- Tropfmethode  hat  mich  beson- 
ders bei  Männern  oft  in  Stich  gelassen.  Gab  man  diesen  vor- 
her Morphium,  so  wurde  die  Narkose  auch  nicht  viel  besser: 
das  Respirationsbedürfnis  scheint  nach  Morphium  herabgesetzt 
zu  sein,  die  Patienten  werden  leicht  cyanotisch  und  vergessen 
gewissermassen  zu  atmen.  Überhaupt  war  fast  jede  Chloroform- 
narkose  bei  Männern,  an  denen  ich  im  Oberbauchraum  ope- 
rierte, schlecht.  Sobald  man  an  der  Leber  oder  an  der  Gallen- 
blase zog,  fingen  sie  an  zu  würgen  und  zu  pressen,  so  dass  man 
nicht  selten  die  Operation  unterbrechen  musste.  Fast  bei 
jedem  musste  man  die  Zunge  vorziehen,  und  gewöhnlich  klagten 
dann  die  Operierten  mehr  über  ihre  Zunge,  „auf  die  sie  sich  wohl 
gebissen  hätten",  also  über  die  Bauch  wunde. 

Seitdem  wir  mit  dem  Roth-Dräger'schen  Apparat  Sauer- 
stoff-Chloroform-Narkosen machen,  verlaufen  diese  ungleich  bes- 
ser: die  Zunge  braucht  nur  selten  hervorgezogen  zu  werden 
und  die  Cyanose,  das  Würgen  und  Pressen  gehören  zu  den  Aus- 
nahmen. Ich  kann  den  Roth'schen  Apparat*)  zur  Narkose  bei 
Gallensteinoperationen  nur  angelegentlich  empfehlen.  — 

*)  Vergl.  Oertel,  Über  Narkose  mit  dem  Roth-Dräger'schen 
Sauerstoff- Chloroform -Narkosenapparat.  Deutsehe  Zeitschrift  f.  Chir. 
Bd.  74.  p.  320. 


—     60     — 

Kein  Chirurg  wird  sich  von  vornherein  auf  den  Standpunkt 
stellen,  in  allen  Fällen  mit  einem  Narkoticum  auskommen  zu 
wollen.  Bei  schlechtem  Herzen  wird  man  zum  Äther  greifen,  der 
bei  Bronchitis  verpönt  ist,  und  jeder  Augenblick  der  Narkose 
kann  den  Arzt  veranlassen,  das  Narkoticum  zu  wechseln.  Des- 
halb halte  man  auch  bei  jeder  Gallensteinoperation  Chloroform 
und  Aether  vorrätig  und  verfolge  nicht  den  falschen  Grund- 
satz, mit  einem  Mittel  unter  allen  Umständen  die  Narkose  zu 
Ende  zu  führen. 

3.  Die  Verteilung   der   bei   einer   Gallensteinoperation 
nötigen   Personen. 

Die  richtige  Yerteilung  der  bei  einer  Operation  beschäf- 
tigten Personen  trägt  viel  zu  einer  glatten  Durchführung  der- 
selben bei.  Als  oberstes  Prinzip  mag  gelten,  dass  man  nicht  mehr 
Menschen  im  Operationszimmer  leidet,  als  absolut  nötig  sind.  Die 
Zahl  der  zusehenden  Kollegen  ist  auf  ein  Minimum  zu  beschränken, 
wo  an  und  für  sich  wenig  Platz  ist  und  die  Asepsis  irgend- 
wie gefährdet  werden  kann.  In  einer  öffentlichen  Klinik  mit 
amphitheatralischem  Zuschauerraum,  der  sich  gegen  den  eigent- 
lichen Operationsraum  gut  abgrenzen  lässt,  mögen  so  viele  Zu- 
schauer anwesend  sein,  als  Sitze  vorhanden  sind :  in  einem 
kleinen  Operationszimmer  kann  man  gewöhnlich  nur  wenige 
Hospitanten  unterbringen.  Mehr  als  3  Kollegen  können  bei 
meinen  Operationen  nicht  zugegen  sein,  sonst  werden  meine  asep- 
tischen Vorsichtsmassregeln  in  Frage  gestellt.  Ich  habe  oft  Be- 
such von  Ärzten  und  Chirurgen  und  freue  mich,  wenn  ich  einem 
Gast  die  Hepaticusdrainage  zeigen  kann.  Aber  ich  setze  vor- 
aus, dass  meine  Asepsis  nicht  gestört  wird.  Mancher  ist 
aber  von  einem  solchen  Wissensdrange  geplagt,  dass  er  sich 
über  die  sterilen  Tücher  beugt  und  selbst  dem  Operationsterrain 
zu  nahe  kommt  oder  gar  mit  dem  Finger  auf  irgend  etwas 
in  der  Wunde  hinweist.  Die  kollegiale  Liebenswürdigkeit,  der 
ich  mich  stets  befleissigt  habe,  wird  dann  im  Interesse  der 
Kranken  leicht  zur  „Grobheit".  Ich  habe  mit  der  Zeit  die 
Einrichtung  getroffen,  dass  hospitierende  Kollegen,  damit  sie 
nicht  in  Verlegenheit  kommen,  die  Zirkel  meiner  Asepsis  zu 
stören,  auf  ein  Podium  (Fig.  24)  gestellt  worden,  von  dem  aus 
sie  vortrefflich  sehen,  ohne  doch  mich  in  meiner  Arbeit  zu  stören. 


—     61     — 

Selbstverständlich  gestatte  ich  niemals,  dass  irgend  ein  An- 
gehöriger bei  der  Operation  zusieht.  Laien  gehören  in  kein 
Operationszimmer,  und  ist  der  Mann  oder  der  Sohn  der  Patientin 
selbst  Arzt,  so  tut  er  gut,  wenn  er  auf  das  Zusehen  verzichtet. 
Ich  bin  im  allgemeinen  ein  sehr  ruhiger  Operateur  und  mich 
bringt  so  leicht  nichts  aus  der  Fassung,  aber  es  ist  stets  un- 
angenehm, wenn  bei  der  Narkose  eine  Asphyxie  eintritt, 
während  der  nächste  Angehörige  anwesend  ist.  Auch  der  ob- 
jektivste Operateur  kann  in  solchen  Fällen  unruhig  werden. 
Und  wenn  gar  einmal  eine  starke  Blutung  eintritt,  so  teilt  sich 
leicht  die  begreifliche  Angst  des  Sohnes  oder  Gatten  dem  Ope- 
rateur mit.  Ein  Angehöriger  kann  doch  bei  einer  Operation 
nicht  mithelfen,  er  mag  bis  zum  Eintritt  der  Narkose  als  Tröster 
zugegen  bleiben,  dann  soll  er  den  Operationsraum  verlassen. 

Ausser  dem  Operateur  ist  nur  der  Narkotiseur,  der  Assi- 
Stent  an  der  Wunde,  die  Instrumentenreicherin  und  der  Wärter, 
der  die  AVaschung  besorgt  und  sonstige  Handreichungen  macht, 
im  Operationszimmer  anwesend. 

Ich  lege  besonderes  Gewicht  darauf,  dass  die  Zahl  der 
Assistenten  möglichst  beschränkt  wird.  Wie  oft  sehe  ich  an 
grossen  Krankenhäusern  oder  chirurgischen  Kliniken,  dass  statt 
des  einen  notwendigen  Assistenten  drei  beschäftigt  sind,  und 
dass  statt  der  einen  notwendigen  Instrumentenreicherin  gar  vier 
sich  gegenseitig  im  Wege  stehen.  Da  hat  die  eine  die  Instru- 
mente unter  sich,  die  zweite  Seide  und  Nadeln,  die  dritte 
Tupfer  und  Watte,  und  die  vierte  hat  die  Oberaufsicht. 
Der  eine  Assistent  reicht  die  Instrumente  zu,  der  zweite  tupft 
und  der  dritte  besorgt  die  eigentliche  Assistenz,  d.  h.  er  tut 
so  gut  wie  nichts.  Diese  Herbeiziehung  von  so  vielen  Per- 
sonen zu  einer  Operation  ist  nicht  günstig  zur  Durchführung 
der  Asepsis;  es  fehlt  jede  Kontrolle,  und  je  mehr  Personen 
bei  einer  Operation  beschäftigt  sind,  um  so  eher  können  Infek- 
tionen vorkommen.  Ich  komme  bei  den  schwierigsten  Hepa- 
ticusdrainagen  mit  einem  Assistenten  und  einer  die  Instrumente, 
Tupfer  und  Ligaturen  reichenden  Person  aus  und  empfehle  diese 
Einschränkung  jedem  Fachkollegen.  Sind  mehr  als  zwei  Assi- 
stenten an  einer  Klinik,  so  mögen  diese  bei  der  Assistenz  ab- 
abwechseln: jeder  will  lernen,  aber  auf  Kosten  der  Gesundheit 
der  Kranken  darf  das  nicht  geschehen. 

Wenn  die  Instrumentenreicherin  zugleich  Tupfer  und  Liga- 


62 


turen  reichen  soll,  muss  dieselbe  eine  geweckte,  flinke  und  um- 
sichtige Person  sein,  und  vor  allen  Dingen  muss  alles  so  auf- 
gestellt sein,  dass  sie  die  verschiedenen  Gegenstände  gut 
erreichen  kann.  Neben  dem  Apparat  mit  physiol.  Kochsalz- 
lösung (6)  steht  der  Instruraentenauskocher  (8),  daneben  auf 
einem  Tisch  mit  Glas-,  Schiefer-  oder  Marmorplatte  das  Gefäss 

Fig.  24. 

Mein    aseptisches   Operationszimmer. 


1.  2.  3.  PorzeUanwasohbecken. 

4.  PenBter. 

5.  Oberlicht. 

6.  Apparat  für  phys.  Kochsalzlösung. 

7.  Gas-  und  Wasserrohre. 

8.  Instrumentenkocher. 

9.  Gas-  und  Wassorrohre. 

0.  Niokeltopf  zum  Auskochen    der 
Schüsseln. 

11.  Schlissein  auf  Schieferplattentisch 

stehend. 

12.  Gas-  und  Wasserrohre. 

13.  Instrumentenschrank. 


U.  Braatz's  asopt.  Waschtisch. 

15-  Türe  (Holz  mit  Linoleum  bedeckt). 

16.  Hoizungskürper. 

17.  Narkosentisch. 

18.  Eoth'scher  Sauerstoff-Chloroform- 

Apparat. 

19.  Operationstisch. 

20.  Operateur. 

21.  Assistent. 

22.  Narkotiseur. 

23.  Instrumentenreicherin. 

24.  Zuschauer-Podium. 


mit  der  Seide,  die  Tonnen  mit  den  Tupfern,  die  Schüsseln,  in 
die  die  genähten  Kompressen  gelegt  werden  (11).  Die  Instru- 
mentenreicherin (23)  muss  sich  so  postieren,  dass  sie  den  Ope- 
rateur (20)  nicht  stört  und  ungehindert  auf  die  sterile  Decke,  die 
den  Pat.  einhüllt,  Instrumente  legen  kann.  Der  Operateur  (20) 
steht   auf   der  rechten  Seite   des   Kranken,    der  Assistent  (21) 


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—     63     — 

auf  der  linken,  der  Narkotiseur  (22)  am  Kopfe.  Zwischen 
Operations-  und  Instrumententisch  haben  bloss  der  Operateur 
und  die  Instrumentenreicherin  etwas  zu  suchen,  etwaige  Zu- 
schauer verharren  auf  ihrem  Podium  (24).  Auf  nebenstehender 
Skizze  meines  kleinen  aber  völlig  ausreichenden  Operations- 
zimmers ersieht  man  die  Stellung  der  verschiedenen  bei  der 
Operation  tätigen  Personen  zu  einander  und  erkennt  auch  die 
weiteren  Einrichtungen  meines  Operationszimmers. 

Das  Operieren  im  Sitzen  bei  einer  Gallensteinoperation  ist 
kaum  durchführbar. 

Die  primäre  Stellung,  die  der  Operateur  einnimmt  —  an 
der  rechten  Seite  des  Patienten  —  muss  der  Arzt  dann  und 
wann  wechseln,  wenn  es  gilt,  die  Gallengänge  auf  Steine  zu 
revidieren. 

In  solchen  Fällen  ist  es  gut,  wenn  er  sich  herumdreht,  das 
Gesicht  vom  Kopf  des  Patienten  abwendet,  eine  bückende  Stellung 
einnimmt  und  nun  mit  der  nach  rückwärts  geführten  linken  Hand 
die  Gallengänge  abtastet  (Fig.  25.)  Auch  Lauenstein  erwähnt 
diese  Stellung,  die  besonders  beim  Cysticusstein  gute  Dienste 
leistet.  Mit  der  rechten  Hand  kommt  man  lange  nicht  gut  vorwärts, 
während  die  linke  Hand  von  unten  her  viel  besser  in  der  Tiefe 
sich  orientieren  kann.  Wer  diesen  Handgriff  einmal  versucht 
hat,  wird  ihn  immer  wieder  gern  anwenden. 

Sehr  selten  ist  es  notwendig,  dass  der  Operateur  auf  die 
andere  Seite  des  Tisches  an  die  Stelle  des  Assistenten  treten 
muss;  einige  Male  hielt  ich  das  bei  genauer  Abtastung  des 
Pankreas  für  angebracht.  Im  allgemeinen  kann  der  Operateur 
von  Anfang  bis  Ende  der  Operation  an  seinem  Platze  beharren. 

Der  Operationstisch  muss  natürlich  so  stehen,  dass  das 
volle  Tageslicht  in  den  Bauch  hineinfällt;  wo  kein  Oberlicht 
vorhanden  ist,  wird  ein  grosses  Fenster  ausreichendes  Licht 
spenden.  Aber  bei  den  Eingriffen  am  Choledochus  ist  Oberlicht 
recht  zu  empfehlen.  Bei  Operationen  im  Privathause  vermisst 
man,  und  wenn  das  zum  Operationsraum  eingerichtete  Zimmer 
noch   so  viele  Fenster  besitzt,  das  Oberlicht  gewöhnlich   sehr. 

4.  Die  Lagerung  des  Kranken  bei  einer  Gallenstein- 
operation. 
Die   richtige  Lagerung   des  Kranken    ist   für  die  glatte 
Durchführung   der  Operation   ein   sehr  wichtiger  Punkt.     Mein 


—     64     - 

Operationstisch  ist  so  eing-ericlitet,  dass  ich  ihn  mittelst  Kurbel- 
drehung durch  den  Wärter  in  jede  beliebige  Höhe  bringen  kann; 
ich  lasse  mir  den  Tisch  anders  einstellen,  wenn  es  sich  um  eine 
fettleibige  alte  Dame,  als  wenn  es  sich  um  einen  zum  Skelett 
abgemagerten  Carcinomkranken  handelt.  Der  Operateur  muss 
bequem  arbeiten  können  und  darf  sich  nicht  unnütz  anstrengen. 
Das  Kopfende  steht  um  einige  Centimeter  tiefer  wie  das  Fass- 
ende, und  jederzeit  kann  ich  an  dem  Tisch  (bei  CoUaps)  mit 
wenigen  Umdrehungen  der  Kurbel  das  Kopfende  noch  tiefer 
bringen  lassen.  Ist  man  gezwungen,  einmal  in  einer  fremden  Klinik 
an  einem  andern,  nicht  verste-Ubaren  Operationstisch  arbeiten  zu 
müssen,  so  wird  man  sich  erst  der  Vorteile  des  eigenen  Tisches 
bewusst.  Ich  möchte  ihn  nicht  mehr  entbehren.  Seit  Jahren 
benutze  ich,  um  die  Gallengänge  möglichst  in  das  Niveau  der 
Bauchhaut  zi^bringen,  Leder-Rollen,  die  ich  unter  den  Rücken  des 
Patienten  unterschiebe.  Davon  habe  ich  schon  bei  den  Vor- 
bereitungen zur  Operation  gesprochen.  Ich  benutze  Rollen  von  ver- 
schiedener Dicke  ;  man  erleichtert  sich  auf  diese  Weise  die  Arbeit  an 
der  Gallenblase  und  besonders  am  Lig.  hepato-diiodenale  ganz 
ausserordentlich.  Die  von  Kellin  g*)  u.  a.  angegebene  Lagerung 
des  Kranken  bei  einer  Gallensteinoperation  ist  im  Prinzip  dieselbe 
wie  die  meinig-e,  nur  dürfte  Patient  den  Druck  der  schmalen  Holz- 
leiste noch  Tage  lang  spüren.  Der  Kranke  muss  ferner  während 
der  ganzen  Operation  warm  gehalten  werden,  er  darf  sich  nicht 
abkühlen.  Ich  kann  bequem  unter  meinem  Tisch  eine  Wärme- 
vorrichtung anbringen  lassen  und  sorge  stets  dafür,  dass  die 
Beine  des  Kranken  in  warme  Decken  eingewickelt  sind. 

5.  Die  Schnittführung  durch  die  Bauchdecken  bei 
einer  Gallensteinoperation. 
Die  Schnittführiing  durch  die  Bauchdecken  bei  einer  Gallen- 
steinoperation hat  in  meiner  Klinik  Behr  grosse  Wandlungen 
durchgemacht.  Ich  habe  den  kleinen  Längsschnitt  am  äusseren 
Rand  des  rechten  musc.  rect.  abd.  nach  LawsonTait,  den  Schnitt 
nach  Riedel  im  äusseren  Drittel  des  Muskels,  den  Haken- 
schnitt nach  Czerny  und  den  Leberrandschnitt  nach  Cour- 
voisier  geübt  und  halte  jetzt  für  die  beste  Schnittführung  den  von 
mir  angegebenen  Wellenschiiitt.  Derselbe  beginnt  in  der  Höhe  oder 
dicht  oberhalb  des  Processus  xiphoides,  durchtrennt    die  Bauch- 

*)  Centralblatt  für  Chirurgie  1904.    No.  4. 


—     65     — 

wantl  in  der  Mittellinie  bis  ungefähr  zur  Mitte,  zwischen 
Schwertfortsatz  und  Nabel,  geht  dann  schräg  unter  möglich- 
ster Schonung  der  Inscriptiones  tendineae  und  der  darin  ver- 
laufenden Getässe  und  Nerven  durch  den  Muse.  rect.  abd.  dext. 
nach  aussen  und  unten,  macht  im  äusseren  Drittel  des  Muskels  halt 
und  endet  als  Längsschnitt  im  Muskel  wenige  cm.  unterhalb 
des  Nabels.  Während  die  schräge  Durchtrennung  des  Muskels 
natürlich  mit  dem  Messer  vorgenommen  werden  muss,  kann 
man  beim  Längsschnitt  stumpf  arbeiten  und  quer  verlaufende 
Nerven  ganz  gut  schonen. 

Die  Blutung  bei  diesem  Schnitt  ist  oft  minimal,  oft  recht 
reichlich  und  störend.  Ich  lege  an  jedes  blutende  Gefäss  eine 
v.  Bergmann 'sehe  Klemme  und  unterbinde  die  spritzenden  Ge- 
fässe  sofort  mit  dünner  Seide ;  die  an  die  wenig  blutenden 
Gefässe  angelegten  Klemmen  bleiben  bis  zum  Ende  der  Operation 
liegen.  Die  Durchschneidung  der  äusseren  Fascie  und  des  Mus- 
kels bietet  keine  Schwierigkeiten,  die  Durchschneidung  der 
inneren  Fascie,  der  Fascia  transversa  nebst  Peritoneum  beginne 
ich  ungefähr  in  der  Mitte  des  Schnitts  und  vollende  sie  nach 
oben  zu  mit  der  Cooper'schen  Schere,  nach  unten  unter  dem 
Schutz  zweier  Finger  mit  dem  Messer.  Wer  geschickt  ist, 
braucht  kein  Knopfmesser.  Nach  oben  zu  liegt  unter  der  Fas- 
cie reichlich  subperitoneales  Fett  und  das  Lig.  teres.  Diesem 
parallel  durchtrenne  ich  nach  aussen  (d.  h.  nach  rechts) 
das  subperitoneale  Fett  und  das  Peritoneum.  Ganz  oben  dicht 
unter  dem  Proc.  xiph.  macht  oft  eine  in  der  Tiefe  blutende 
Arterie  Schwierigkeiten  bei  der  Unterbindung.  Mit  dem  Muse, 
transversus  komme  ich  bei  meiner  Schnittführung  kaum  in  Be- 
rührung, da  der  Schnitt  nur  bis  zum  äusseren  Drittel  des 
Muse.  rect.  abd.  geführt  wird,  wo,  wie  aus  Figur  26  ersicht- 
lich, die  Muskelfasern  des  Transversus  in  die  hintere  Rectus- 
scheide  übergehen. 

Bei  grossen  hydropischen  Gallenblasen  habe  ich  oft  den 
Schnitt  am  Rippenbogen  begonnen  und  nach  unten  im  äusseren 
Drittel  des  Rectus  beliebig  lang  weiter  geführt.  Bei  Patienten 
mit  straifen  Bauchdecken  genügt  aber  dieser  Schnitt  nicht,  um 
Choledochus  und  Cysticus  gehörig  frei  zu  legen,  und  so  be- 
diene ich  mich  jetzt  in  allen  Fällen  meines  Wellenschnittes^ 
wenigstens  was  die  Haut  und  das  Fettgewebe  anbelangt. 
]\Ierkt  man,   dass  man  auch  ohne  Durchschneidung  der  Fascie 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationoo.    I.  " 


in  der  Mittellinie  gut  an  die 
Gallengänge  herankommt,  so 
kann  der  Pascienschnitt  in 
der  Linea  alba  wegfallen, 
und  dann  setzt  sich  der 
Schnitt  zusammen  aus  dem 
Schrägschnitt  durch  den 
Muskel  und  aus  dem  Längs- 
schnitt im  äusseren  Drittel 
desselben.  Sehr  selten  ist 
es  bei  weit  nach  rechts  ver- 
lagerter Gallenblase  not- 
wendig, den  ganzen  musc. 
rect.  schräg  zu  durchtrennen. 
(Nr.  18,  Nr.  29.) 

um  die  Vorteile  meiner 
Schnittführung  in  das  rechte 
Licht  zu  setzen,  will  ich  die 
von  anderen  Chirurgen  be- 
nutzten Schnitte  einer  Durch- 
musterung unterwerfen. 

Der  Schnitt  in  der  Mittel- 
linie allein  wird  wohl  am 
wenigsten  benutzt.  Löbker 
erwähnte  in  einem  Vortrag 
auf  der  Naturforscherver- 
sammlung in  Düsseldorf, 
resp.  auf  dem  Kongress  der" 
deutschen  Gesellschaft  für 
Chirurgie,  dass  er  in  der 
Mittellinie  eingehe.  Ich 
glaube  nicht,  dass  viele 
Chirurgen  den  Medianschnitt 
allein  üben.  Zur  Excision  der 
Gallenblase    und    vielleicht 


*)  Die  Fig.  26,  dem  Atlas  Sobotta's  entnommen,  lässt  deutlich 
erkennen,  dass  die  Muskelfasern  des  Transversus  nur  bis  unter  das 
äussere  Viertel  des  Musc.  rect.  abd.  reichen  und  daher  bei  meiner 
Schnittführung  nicht  getroffen  werden. 


67 


Fig.  27.») 

Musculus  rectus 
dexter    sinister 


a,uch  für  eine  Reihe  von  Oholedochotomien  genügt  es  sicherlich, 
wenn  man  die  Bauchhöhle  vom  Schwertfortsatz  bis  zum 
Nabel  eröffnet,  aber  man  arbeitet  bequemer,  wenn  man 
noch  einen  Schräg'schnitt  hinzufügt.  Ist  man  gezwungen, 
die  Gallenblase  zu  erhalten  und  am  Peritoneum  parie- 
tale zu  fixieren,  so  dürfte  eine  solche  Fixation  in  der  Mittel- 
linie zu  Zerrungen  Veranlassung  geben.  Beim  Schrägschnitt 
fixiert  man  die  Gallenblase  an  richtiger  Stelle  und  kann  solchen 
Zerrungen  vorbeugen. 

Langenbuch  und  Tait  bedienten  sich  des  Vertikal- 
schnittes am  äusseren  Rand  des  rechten  Muse.  rect.  abd.  an  der 

von  Arterien  fast  freien  Stelle. 
(F  ^  1  i  c  e  t  's  ligne  blanche  latörale. ) 
Pöan  scheint  dieselbe  Schnitt- 
führung geübt  zu  haben.  Weil 
diese  lange  Zeit  einzig  allein 
angewendet  wurde,  ist  sie  von 
Vincent  die  „klassische"  genannt 
worden.  Es  unterliegt  keinem 
.  Zweifel,  dass  mit  dieser  Schnitt- 
führung eine  Cystostomie  leicht 
durchführbar  ist,  vorausgesetzt, 
dass  der  Cysticus  frei  ist  und 
der  Operateur  auf  eine  genauere 
Freilegung  des  Lig.  hepato-duod. 
verzichtet.  Eine  gründliche  Pal- 
pation des  Cysticus  und  Chole- 
dochus  ist  aber  bei  fast  jeder 
Gallensteinoperation  dringend  ge- 
boten ;  da  bei  der  Schnittführung 
am  äusseren  Rand  des  Rectus  eine 
solche  nicht  leicht  durchführbar 
ist,  erfüllt  der  Schnitt  nicht  die  Forderungen,  die  ich  an  ihn 
stellen  muss. 

Ich  habe  das  oft  genug  nach  Operationen  anderer  Chirur- 
gen beobachtet,  die  einen  kleinen  Schnitt  gemacht  und  ohne 
genaue  Revision  des  Cysticus  und  Choledochus  eine  Cystostomie 

*)  Die  Figur  ist  etwas  undeutlich  geworden,  doch  wird  es  nicht 
schwer  fallen,  an  der  Hand  des  Textes  sich  über  die  einzelnen  Schnitte 
zu  orientieren. 


Der  Schnitt  begiont  am  Proc. 
xiph.  und  kann  oberhalb  der 
loscriptio  tend.2  enden.  Bekommt 
man  niciit  genug  Platz,  so  wird 
er  bis  an  die  Inscriptio  tend.  3 
geführt.  XXX  Längsschnitt 
nach  Riedel  im  äusseren  Drittel 
des  rechten  M.  rect.  abd. 

Czerny's  Hakenschnitt. 

Schnitt  am  äussern 

Rand  des  Muse.  rect.  abd.  dext. 


—     68     - 

oder  gar  eine  Cystenterostomie  ausgeführt  hatten.  Das  Resul- 
tat solcher  Operationen  war,  dass  Schleiinfisteln  entstanden  und 
die  angelegte  Anastomose  nicht  funktionierte.  Die  Ausbesse- 
rung solcher  Fälle  ist  aber  recht  schwierig.  Ein  einmal  ver- 
schnittener Rock  ist  auch  schwer  passend  zu  machen,  und  ein 
bereits  einmal  nicht  richtig  operierter  Fall  lässt  sich  ebenfalls 
schwer  ausbessern.  Deshalb  mache  man  von  vornherein  einen 
genügend  langen  Schnitt,  der  eine  ausgiebige  Palpation  erlaubt.^ 

Riedel  teilt  in  seinem  Buche:  „Die  Pathogenese,  Diagnose 
und  Behandlung  des  Gallensteinleidens"  mit,  dass  er  bei  der  Ex- 
cision  der  Gallenblase  und  Choledochotomien  denselben  Schnitt 
benutzt,  wie  ich,  und  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress  zeich- 
nete er  sogar  diesen  Schnitt  an  die  Wandtafel.  Aus  der  Art 
und  Weise  seiner  Mitteilung  müsste  man  annehmen,  dass  Riedel 
diese  Schnittführung  erfunden  und  ganz  allein  eingeführt  habe. 
Demgegenüber  betone  ich,  dass  ich  schon  seit  vielen  Jahren 
mich  der  „Riedel'schen  Schniltführung"  bediene,  doch  lege  ich 
gar  keinen  Wert  auf  sogen.  Prioritätsrechte  bei  einer  solchen 
Kleinigkeit.  Ich  freue  mich  aber,  däss  Riedel  genau  so  vor- 
geht wie  ich  und  darauf  aufmerksam  macht,  dass  alles  darauf 
ankommt,  in  der  Mittellinie  vom  proc.  xiphoideus  an  Platz  zu 
schaffen.  Nur  ist  es  übertrieben,  wenn  man  den  Schnitt  bis  in 
die  Mitte  der  Sternum  nach  oben  verlängert :  es  genügt  in  allen 
Fällen,  wenn  man  am  proc.  xiphoideus  oder  ein  bis  zwei  Cen- 
timeter  oberhalb  desselben  beginnt. 

Bei  der  Cystostomie  bedient  sich  Riedel  seines  einfachen 
Längsschnittes ;  da  man  vorher  aber  nie  wissen  kann,  ob  man 
ectomiert  oder  cystostomiert,  möchte  ich  auch  für  die  Cysto- 
stomie den  Wellenschnitt  empfehlen. 

Dem  vertikalen  Schnitt  gegenüber  steht  der  horizontale, 
der  von  Keen  und  Musser  parallel  dem  Rippenbogen  geführt 
wurde.  Parkes,  Böckel,  Willet  haben  ähnliche  Schnitte 
wie  den  von  de  Roubaix  angegebenen  benutzt.  Nach  de  Rou- 
baix  beginnt  der  Schnitt  in  der  Lineaalba,  1  Zoll  unter  dem  proc. 
xiphoideus,  geht  dann  schräg  3—4  Zoll  lang  aus-  und  abwärts 
durch  den  rechten  Muse.  rect.  und  verläuft  zuletzt  horizontal  aus- 
und  rückwärts.  „So  wird  ein  grosser,  nach  unten  innen 
konvexer  Lappen  gebildet.  Man  bekommt  durch  Aufhebung 
des  letzteren  vortrefflichen  Einblick  in  die  Verhältnisse  der 
G allen wege.'^    (Oourvoisier.) 


—     69     — 

Kocher  g-ibt  dem  Schrägschnitt  vor  den  Vertikalschnitten 
■den  Vorzug.  Bei  der  Cholecystostomie  macht  er  einen  schrägen 
•Querschnitt  4—6  cm.  unterhalb  des  Rippenrandes.  „Derselbe 
beginnt  auf  der  Wölbung  des  Rect.  abdominis,  trennt  Haut, 
Fascia'  superficialis  und  die  Fascie  des  Obliquus  abdominis  ex- 
ternus;  diese  ist  vor  dem  Rectus  mit  derjenigen  des  Obliquus 
internus  vereinigt.  Darunter  erscheint  der  Rectus,  dessen  Rand 
durchschnitten  wird  unter  event.  Ligatur  der  Art.  epigastrica 
superior  unter  dessen  lateralem  Rande  und  verschiedener  Mus- 
kelgefässe.  Im  seitlichen  Winkel  wird  der  M.  obliquus  abdominis 
externus,  darunter  und  medianwärts  der  Obliquus  internus  ein- 
geschnitten. Unter  ihm  streben  die  Ausläufer  der  Intercostal- 
Nerven  schräg  einwärts  gegen  den  Rectus  zu.  „Dieselben  sollen 
nicht  durchschnitten  werden,  weil  sonst  beschränkte  Lähmung 
des  Rectus  eintritt,  sondern  sie  können  —  da  sie  sehr  dehnbar 
sind  —  nach  oben  und  unten  verschoben  werden.  Schwächere 
Rami  perforantes  dieiser  Nerven  liegen  schon  auf  der  ersten 
Fascie.  Der  M.  transversus  geht  mit  seinen  Fasern  bis  unter 
<len  Rectusrand,  und  seine  Fascie  geht  mit  der  tiefen  des  Ob- 
liquus int.  vereinigt  hinter  dem  Rectus  zur  Linea  alba.  Unter 
den  Muskeln  erscheint  die  Fascja  transversa  mit  querer  Faserung 
und  nach  ihrer  Trennung  das  Peritoneum." 

Kocher  legt  also  Gewicht  auf  die  Schonung  der  Nerven, 
die  in  der  Inscript.  tend.  verlaufen;  sein  Schnitt  gibt  eine  gute 
Übersicht  über  das  Gallensystem,  doch  trage  ich  Bedenken,  den 
starken  Muse.  rect.  abd.  in  seiner  ganzen  Quere  zu  durch- 
schneiden. Bei  gestörter  Asepsis  kann  durch  ein  weites  Klaffen 
der  Muskelränder  eine  Hernie  entstehen^  die  recht  unangenehme 
Erscheinungen  nach  sich  ziehen  wird.  An  der  Breslauer  Klinik 
übt  man,  wie  Kausch  auf  dem  Chirurgenkongress  1904  mit- 
teilte, ebenfalls  den  Schrägschnitt. 

Courvoisier  hat  seinen  Schnitt  den  „Leberrandschnilt" 
genannt.  Er  übt  eine  Schnittführung,  welche  mehr  oder  weniger 
genau  dem  Leberrand  folgt.  „Parallelismus  mit  der  Leber  ist 
in  den  Fällen,  um  welche  es  sich  handelt,  durchaus  nicht  immer 
das  gleiche,  wie  Parallelismus  mit  dem  Rippenrand.  Beide 
Teile  beschreiben  oft  ganz  verschiedene  Linien.  Ginge  das 
Messer  dem  Rippenbogen  nach,  so  würde  es  also  nicht  selten 
zum  Teil  auf  die  Leber  stossen."  —  Der  Schnitt  längs  des  Leber- 
rands wird  je  nach  der  Grösse  des  Organs  bald    sehr  nahe  an 


—     70     — 

den  Rippen,  bald  sehr  viel  tiefer,  ja  unter  der  Nabelhorizontale- 
verlaufen ;  er  wird  zuweilen  ziemlich  genau  quer,  gewöhnlich 
allerdings  nach  unten  und  innen  convex  sein.  Dabei  setzt 
Courvoisier,  um  das  Umklappen  der  Leber  zu  erleichtern, 
etwas  oberhalb  des  Leberrands  ein.  Ich  habe  eine  Zeit  lang 
den  Courvoisier' sehen  Leberrandschnitt  geübt  und  konnte  seine 
•l^or-  und  Nachteile  genau  studieren.  Czerny  hat  früher  eine 
Schnittführung  benutzt,  die  er  Hakenschnitt  genannt  hat.  Der 
Schnitt  beginnt  am  Processus  xiph.  und  zieht  in  der  Linea  alba 
bis  zum  Nabel.  Auf  diesen  Schnitt  setzt  er  einen  rechtwinkligen; 
Schnitt,  der  also  den  Muse.  rect.  abd.  völlig  quer  und  auch  noch 
einen  Teil  der  übrigen  Bauchmuskeln  (M.  obl.  abd.  ext.  u.  int^ 
u.  transversus)  durchschneidet.  Das  ist  ein  gewaltiger  Schnitt, 
der  einen  sehr  guten  Ueberblick  über  das  Gallensystem  ge- 
währt, aber  für  viele  Fälle  überflüssig  gross  erscheint.  Für 
die  Cystostomie  liegt  der  Querschnitt  zu  tief,  er  gibt  zu 
Zerrungen  Veranlassung,  bei  der  Ectoraie  ist  die  nachträgliche 
Herausleitung  der  Tamponade  sowohl  durch  den  Querschnitt 
wie  durch  den  Längsschnitt  recht  schwierig.  Die  Durch- 
schneidung der  ganzen  Quere  des  Muse.  rect.  abd.  kann  zur 
Entstehung  von  recht  unangenehmen  Hernien  Veranlassung 
geben.  So  möchte  ich  für  primäre  Operation  den  Czerny 'sehen 
Schnitt  nicht  empfehlen ;  für  sekundäre  Eingriffe,  besonders  für 
die  sec.  Ectomie  und  Choledochotomie  hat  er  nicht  wegzuleug- 
nende Vorteile.     (Nr.  68,  Nr.  95.) 

Ich  hatte  schon  lange  meinen  Wellenschnitt  —  eine  Kom- 
bination beider  Vertikalschnitte  (des  medialen  und  des  lateralen) 
mit  dem  Querschnitt  —  eingeführt,  als  ich  von  dem  Schnitt 
ArthurDean  Bev  an's  (Chicago)  in  dem  ausgezeichneten  Buch 
von  Pantaloni  „Chirurgie  du  toie  et  des  voies  biliaires"    las. 

Doch  fehlt  auch  diesem  Schnitt  die  Spaltung  der  Fascie 
zwischen  den  Muse,  recti  in  der  Mittellinie  bis  weit  oben  hinauf  zum 
Proc.  xiphoideus.  Darin  liegt  das  Geheimnis  meines  Schnittes, 
welcher  einen  so  ausgezeichneten  Zugang  zum  Gallensystem  spez. 
zum  Cysticus  und  Choledochus  ermöglicht,  dass  ich  weit  oben, 
oft  oberhalb  des  Proc.  xiph.  auf  dem  Sternum  den  Schnitt  be- 
ginne. Nur  auf  diese  Weise  schafft  man  sich  genügenden 
Platz.  Man  kann  bei  der  Benutzung  des  Wellenschnitts  zumal 
bei  Frauen,  die  geboren  haben  und  bei  denen  die  Leber  gesenkt 
ist,   die  Leber  so  hervorziehen   und   umkippen,   dass  man  Jiier 


—     71      — 

z.  B.  die  Ectoniieim  Niveau  der  Bauchwand  gewissermassen  extra- 
peritoneal vornehmen  kann.  (Nr.  33,  Nr.  44,  Nr.  50, Nr.  112,  Nr.  123.) 

Ich  will  nicht  unerwähnt  lassen,  dass,  je  fettleibiger  der 
Patient  ist,  um  so  grösser  der  Schnitt  sein  muss.  Frauen  mit 
schlaffen  Bauchdecken,  mit  Hepatoptose,  kann  man  ganz  gut 
mit  einem  kleinen  Vertical-Schnitt  im  Eectus  operieren,  und 
wenn  der  Gallenblasentumor  wie  eine  Kugel  die  Bauchwand 
hervordrängt,  ist  oft  ein  5 — 6  cm.  langer  Schnitt  genügend, 
den  Tumor  heraustreten  zu  lassen.  Ja  es  kann  in  solchen 
Fällen  sogar  gelingen,  mit  dem  Zeige-  und  Mittelfinger  der 
linken  Hand  den  Stein  im  Cysticus  zu  lockern  und  so  ohne 
Erweiterung  der  Bauchwunde  die  Operation  zu  Ende  zu  führen. 
Aber  ich  ziehe  es  vor,  die  Gegend  des  Cysticus  und  Chole- 
dochus  nicht  nur  2  Fingern,  sondern  der  ganzen  Hand  und,  was 
die  Hauptsache  ist,  dem  Auge  zugänglich  zu  machen,  und  des- 
halb empfehle  ich  für  alle  Fälle  den  Wellenschnitt.  Was 'ich 
zerschneiden  musste,  wird  ja  wieder  genau  zusammengenäht, 
und  da  in  99''/o  der  Fälle  eine  prima  intentio  eintritt,  brauche 
ich  mich  vor  einer  Infektion,  die  bei  grösseren  Schnitten  ge- 
wöhnlich mehr  Unheil  anrichtet  wie  bei  kleinen,  nicht  zu  fürchten. 
In  Amerika  liebt  man  die  kleine  Incision,  z.  B.  1 — 1^2  cm.  lang 
zum  Aufsuchen  der  Appendix ;  man  war  erstaunt  über  die 
kräftigen  Schnitte  des  „Germanen",  aber  ich  bin  überzeugt,  dass 
die  meisten  Zuschauer  ihre  Vorteile,  ja  ihre  Notwendigkeit  bei 
Gallensteinoperationen  eingesehen  haben. 

Zwei  Organe  treffen  wir  bei  unseren  Gallensteinoperationen 
häufig  krank  an:  den  Magen  und  die  Appendix.  Appendicectomien 
und  Gastroenterostomien  sind  oft  nötige  Operationen.  Ich  habe 
stets  von  dem  Wellenschnitt  aus  diese  Eingriffe  ausführen 
können  und  nie  einen  besonderen  Bauchdeckenschnitt  gebraucht. 
Das  ist  gewiss  auch  ein  Vorteil  meiner  Schnittführung.  Hatte  ich 
Grund,  die  Appendix  zu  resecieren,  so  brauchte  ich  nur  in 
wenigen  Fällen  den  Schnitt  nach  unten  zu  verlängern ;  ich  habe 
das  meist  unter  Schonung  der  Nerven  in  den  Inscript.  tend.  getan 
und  bin  entweder  im  Kectus  geblieben  oder  habe  nach  aussen  zu 
—  nach  der  Spina  ant.  sup.  ossis  ilei  hin  —  den  Schnitt  verlängert. 

Die  Lannelongue'sche  Eippen-Resektion  ohne  Eröffnung 
der  Pleurahöhle  habe  ich,  ehe  ich  den  Wellenschnitt  übte,  einige 
Male  vorgenommen  (Nr.  22,  Nr.  70),  in  der  letzten  Zeit  gar 
nicht  mehr,  denn  die  Rippen-Resektion  wird  durch  den  Wellen- 


—     72     — 

schnitt  absolut  entbehrlich  gemacht.  Die  Rippenresektion  ist 
kein  ganz  gleichgiltiger  Eingrifi ;  dass  der  Wellenschnitt  sie 
überflüssig  macht,  ist  mir  eine  besondere  Genugtuung. 

Ich  habe  deshalb  auch  keinen  Grund,  die  Technik  der 
Lannelongue'schen  Rippenresektion  näher  zu  beschreiben. 

Ebenso  verzichte  ich  auf  die  Schilderung  der  Technik  des 
lumbalen  Schnittes  (Mears  1890,  Tuffier  1895).  In  verein- 
zelten Fällen  hat  man  durch  den  lumbalen  Schnitt,  der  dem 
Nephrectomie-Schnitt  gleicht,  den  Hydrops  der  Gallenblase  an- 
gegriffen;  so  fand  R.  Frank*)  bei  einem  Retrolumbalschnitt 
wegen  Nephropexie  einen  grossen  Stein  im  Ductus  cysticus,  um- 
säumte erst  den  Gang  mit  dem  Peritoneum  parietale  durch  eine 
Naht,  eröffnete  den  Ductus,  entfernte  den  Stein  und  vernähte 
dann  die  Incisionswunde,  welche  tamponiert  wurde.  Bei 
diesem  Verfahren  ist  die  Drainagerichtung  sehr  günstig,  Hernien 
fallen  fort.  Aber  durch  die  Fixation  des  Cysticus  kann  es  zu 
Zerrungen  und  Abknickungen  kommen.  Der  Hauptfehler  aber 
ist  der,  dass  man  bei  dem  hinteren  Schnitt  keinen  Überblick 
über  die  Verwachsungen  an  der  Gallenblase  gewinnt,  ohne  deren 
Lösung  man  selten  eine  vollkommene  Heilung  erzielt. 

Das  gilt  in  noch  erhöhterem  Masse  von  dem  Vorgehen 
Tuffier's,  welcher  bei  Choledochussteinen  die  lumbale  Methode 
übt.  Nach  meiner  Ansicht  sind  solche  Operationen  zu  verwerfen. 
Bei  jeder  Choledochotomie  muss  man  auf  die  Gallenblase  und 
auf  die  Verwachsungen  Rücksicht  nehmen,  beim  lumbalen  Schnitt 
ist  man  meist  nicht  in  der  Lage,  diese  Forderungen  zu  erfüllen. 

Eine  Kombination  des  vorderen  Schnittes  mit  dem  lumbalen 
haben  Bogajewski  1891,  Reboul,  Tischendorf  1895  benutzt; 
ich  für  meine  Person  habe  stets  mit  dem  vorderen  Schnitt  mein 
Ziel  erreicht. 

So  viel  von  der  Schnittführung  bei  primären  Operationen 
am  Gallensystem.  Ist  man  gezwungen,  eine  sekundäre  Ope- 
ration vorzunehmen,  z.  B.  zur  Beseitigung  von  Gallen-  und 
und  Schleimfisteln,  so  ist  die  Schnittführung  ganz  nach  dem 
betreffenden  Fall  einzurichten.  Bald  ist  ein  einziger  Schnitt  in 
der  Mittellinie  zwischen  Schwertfortsatz  und  Nabel  ausreichend 
(\r.  83,  Nr.  94);  bald  muss  ich  den  Hakenschnitt  nach  Ozerny 

*J  Entfernung  eines  grossen  im  Ductus  cysticus  eingekeilten  Gallen- 
steins durch  Simon 'sehen  Retrolumbalschnitt,  Wiener  klin.  Wochen- 
schrift 1901  Nr.  18. 


—     73 


Pifir.  28. 


iin  wenden,  oft  fällt  der  Schnitt  auch  so  aus  wie  der  primäre  Wellen- 
schnitt, d.  h.  ich  spalte  die  alte  Narbe,  so  dass  die  Gallen-  resp. 
Schleimfisteln  direkt  vom  Schnitt  getroffen  resp.  umkreist  werden. 
Wir  werden  bei  der  Beschreibung  der  verschiedenen  sekundären 

Operationen  im  speziellen 
Teil  der  Technik  noch 
näher  auf  die  Schnittführ- 
ung einzugehen  haben. 
Im  allgemeinen  muss  ich 
aber  bemerken,  dass  ich  bei 
sekundären  Operationen 
gern  ausserhalb  der  Ver- 
wachsungen und  Narben 
bleibe,  damit  ich  mich 
von  der  freien  Bauchhöhle  aus  leichter  über  die  Verhältnisse 
am  Gallensystem  orientieren  kann.  Dabei  geniesse  ich  zugleich 
den  Vorteil,  dass  ich  die  Asepsis  besser  -durchführen  kann,  als 
wenn  ich  mit  dem  Messer  die  Gallen-  oder  Schleimfisteln  in 
mein  Bereich  ziehe.  Eine  Abtastung  des  Ductus  cysticus  und 
Oholedochus  vom  Hakenschnitt  Czerny's  aus  ist  jedenfalls 
leichter  und  ungefährlicher,  als,  wenn  der  Schnitt  dicht  an  der 
Gallenblase  vorbeigeführt  wird.     (Siehe  Fig.  28.) 

Es  gehört  —  schon  bei  der  Betrachtung  der  Anatomie  des 
Gallensystems  wurde  darauf  hingewiesen  —  zu  den  grössten 
Seltenheiten,  dass  man  die  Gallenblase  nicht  im  rechten  Hy- 
pochondrium,  sondern  im  linken  antrifft.  Bei  Situs  transversus 
tritt  das  ein.  Eine  Gallensteinoperation  bei  dieser  Anomalie  hat  z.  B. 
Beck  vorgenommen,  ich  habe  einen  solchen  Befund  noch  nicht  er- 
hoben. Einmal  traf  ich  die  Gallenblase  nicht  am  rechten  Leber- 
lappen, sondern  am  linken.  Leider  ist  mir  die  ausführliche  Kranken- 
geschichte verloren  gegangen,  doch  habe  ich  .über  den  Fall  in 
der  „Münch.  med.  Wochenschrift  1902,  Nr.  6"  kurz  berichtet; 
€s  handelte  sich  um  meine  655.   Gallensteinoperation. 

„Die  Gallenblase  sass  nicht  ara  rechten  Leberlappen  an  ge- 
wöhnlicher Stelle,  sondern  am  linken,  medial  vom  Lig.  teres, 
ca.  6  cm.  von  diesem  entfernt.  Der  Cysticus  führte  in  einen 
engen  linken  Hepaticus,  welcher  auf  der  stark  ausgedehnten 
Vena  portarum  schräg  von  oben  nach  unten  verlief.  Dicht  vor 
dem    Duodenum    vereinigte    sich    der  linke  Hepaticus  mit  dem 


74 


noch  einmal  so  starken,  normal  am  unteren  Rand  des  Lig^, 
hepato- duodenale  verlaufenden  rechten  Hepaticus  zum  Chole- 
dochus. 

Ich  musste  bei  der  Pat.  die  mit  dem  Magen  verwachsene, 

mit    Eiter    und    Steinen    gefüllte   Gallenblase  exstirpieren  und 

Pig.  29.  konnte  vom  Cysticusquer- 

schnitt  aus  den  linken 
Hepaticus  mit  feinen  Son- 
den sondieren  und  mich 
auf  diese  Weise  genau 
über  die  seltene  Anomalie 
orieiltieren." 


Bei  Situs  transversus 
wird  man  den  Schnitt  ent- 
weder in  der  Mittellinie 
machen  oder  direkt  über 
dem  Tumor,  also  im  lin- 
ken Muse.  rect.  abd.  oder 
an  seinem  äusseren  Rande. 
Bei  genauer  Berücksich- 
tigung der  Anamnese  und 
gründlicher  Aufnahme  des^ 
Befundes  wird  es  gelingeur 
die  Gallenstein-Krankheit 
bei  Situs  transversus  vorher  zu  diagnostizieren  und  sonstige 
Tumoren,  die  im  linken  Hypochondrium  sich  entwickeln,  aus- 
zuschliessen. 


1.  Rechter  Leberlappen. 

2.  Linker  Leberlappen. 

3.  Lig.  teres. 

4.  Gallenl)lase. 

5.  Linker  D.  hepaticus. 

6.  Rechter  I).  hepaticus. 

7.  Choledoohus. 

8.  Duodenum. 

9.  Vena  portarum. 


6.  lieber  die  Asepsis  während  einer  Gallenstein- 
operation. 

Wer  offene  Augen  zum  Sehen  hat,  wird  in  vielen  Kliniken 
die  Bemerkung  machen  können,  dass  zwar  vor  der  Operation 
die  Asepsis  ganz  gut  ist,  während  der  Operation  selber  aber 
häufig  gegen  die  Prinzipien  der  Asepsis  Verstössen  wird.  Ich 
will  nicht  von  den  groben  Fehlern  reden,  dass  eine  Schwester, 
nachdem  sie  sich  10  Minuten  lang  gewaschen  hat,  im  letzten 
Augenblick  nach  dem  Instrumentenschrank  eilt,  diesen  auf- 
schliesst  und  nun  nachträglich  noch  einen  Löffel  herausholt,  um 


iO        — 

«liesen  in  die  kochende  Sodalösung-  zu  werfen.  Mit  einem  se- 
kundenlangen Eintauchen  ihrer  Händen  in  eine  recht  schöne,  rote 
Subliraatlösung  glaubt  sie  den  Fehler  der  Asepsis  gutgemacht 
zu  haben'.  Wie  oft  habe  ich  gesehen,  dass  ein  Operateur  mitten 
in  der  Operation  den  Kneifer  auf  die  Nase  setzte,  an  der  Brille 
rückte  etc.  Das  sind  wie  gesagt  grobe  Fehler,  die  überhaupt 
nicht  vorkommen  sollten,  aber  öfters  vorkommen,  als  man  glaubt. 
Aber  auch  die  kleineren  Fehler  müssen  vermieden  werden,  vvenn 
der  Erfolg  der  Operation  gesichert  sein  soll.  —  Gerade  bei 
einer  Gallensteinoperation  kann  der  Chirurg  zeigen,  ob  er  vom 
Geiste  der  Asepsis  auch  wirklich  durchdrungen  ist.  Das  er- 
kennt man  sofort,  wenn  die  Gallenblase  eröffnet  ist,  wie  der 
Operateur  die  Instrumente,  mit  denen  er  nach  Steinen  suchte, 
weiterhin  behandelt,  ob  er  unnütz  seine  Finger  in  die  Gallen- 
blase einführt,  und  wie  er  sich,  wenn  wirklich  einmal  eine 
solche  Notwendigkeit  an  ihn  herantritt,  hinterher  verhält. 

König  hat  bereits  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass,  je 
weniger  wir  unsere  Finger  mit  der  Wunde  in  Berührung  bringen, 
um  so  günstiger  der  Wundverlauf  sich  gestaltet.  Denn  auch- 
bei  der  gründlichsten  mechanischen  Reinigung  der  Hände  bleiben 
immer  noch  genug  Mikroorganismen  an  der  Epidermis  haften^ 
die  auf  die  Wunde  übertragen  entzündliche  und  eitrige  Pro- 
zesse hervorrufen  können.  Es  muss  deshalb  unser  Grundsatz 
sein,  die  Wunde  so  viel  wie  möglich  vor  der  Berührung  der 
Finger  und  Hände  zu  schützen. 

Bei  vielen  Operationen,  z.  B.  bei  Eröffnung  des  Knie- 
gelenkes, Entfernung  seiner  Kapsel,  können  wir  das  von  Anfang 
bis  zu  Ende  durchführen,  wir  brauchen  in  der  Tat  nicht  zu 
fingern,  während  bei  einer  Gallensteinoperation  das  fingerlose 
Operieren  sich  nur  teilweise  durchführen  lässt.  Die  Bauch- 
decken können  wir  durchtrennen  und  brauchen  dabei  die  Wunde 
mit  der  Hand  nicht  zu  berühren,  wir  können  sie  auch  weiter- 
hin vor  Kontakt  und  Luftinfektion  dadurch  schützen,  dass  wir 
dieselbe  mit  genähten  Kompressen  bedecken  Aber  nunmehr 
muss  das  fingerlose  Operieren  aufhören,  denn  ohne  Palpation 
vermögen  wir  kaum  uns  ein  Bild  von  der  Beschaffenheit  der 
Gallenblase  und  dem  Sitz  der  Steine  zu  machen.  Sollen  wir 
nun  die  von  Mikulicz  eingeführten  sterilisierten  Zwirnhand- 
schuhe   anziehen  ?   Wir    würden    dann    aus    dem  An-  und  Aus- 


—     76     — 

ziehen  gar  nicht  herauskommen.  Zwirnhandschuhe  werden  schon 
von  der  Hand  aus  infiziert,  und  da  wir  bei  Gailensteinoperationen 
fast  immer  in  einem  infizierten  Gebiete  hantieren,  so  werden 
sie  auch  von  aussen  her  mit  so  viel  Keimen  beladen,  dass  sie  mehr 
schaden  als  nützen.  Die  von  Zoege- Man  teuf  fei  und  von 
Friedrich  empfohlenen  Gummihandschuhe  passen  nach  meiner 
Meinung-,  ganz  abgesehen  davon,  dass  sie  das  feine  Gefühl 
wesentlich  abstumpfen,  ebenfalls  nicht  zu  einer  Gallenstein- 
operation, und  somit  sind  wir  schon  gezwungen  die  Hände  un- 
behandschuht zu  lassen,  müssen  aber  das  Hantieren  in  der 
Bauchhöhle  auf  das  Mindestmass  herabsetzen  und  unser  Ope- 
rationsterrain durch  die  Absperrungstamponade  von  der  übrigen 
Bauchhöhle  abschliessen.  In  der  Tat  ist  der  reichliche  Ge- 
brauch von  genähten  Tupfern,  welche  die  Äbsperrungstampo- 
nade  besorgen  und  das  Gallensystem  vom  Magen,  Duodenum, 
Colon  und  auch  nach  oben  hin  (Ligamentum  hepato-gastricum) 
isolieren,  das  beste  Mittel,  einer  Wundinfektion,  d.  h.  der 
Entstehung  einer  Peritonitis  vorzubeugen.  Die  Kompressen 
werden  in  steriler  heisser  Kochsalzlösung  gut  ausgedrückt  und 
feucht  verwandt.  Ich  halte  bei  jeder  Laparotomie  30  grosse 
viereckige  und  10  lange  Tupfer  vorrätig.  Über  ihre  Herstel- 
lung habe  ich  bei  den  Vorbereitungen  zur  Operation  die  nötigen 
Angaben  gemacht.  Durch  die  aufgelegten  Tupfer  wird  der 
Darm  und  das  Netz  unsichtbar  gemacht  und  vor  Berührung 
mit  den  Fingern  geschützt.  Auch  legt  man,  wenn  der  Opera- 
teur die  Leber  nach  oben  drückt,  unter  die  Hand  einen  schützen- 
den Tupfer,  damit  man  nicht  direkt  mit  den  Fingern  die  Leber 
berührt.  Ist  es  möglich,  extraperitoneal  zu  operieren,  d.  h. 
die  Leber  umzukippen  und  auf  die  Bauch  wand  zu  lagern,  so 
wird  man  ebenfalls  erst  unter  die  Leber  d.  h.  auf  die  Bauch- 
wand eine  Keihe  von  genähten  Tupfern  legen,  um  eine  In- 
fektion möglichst  zu  verhüten. 

Viel  wichtiger  und  auch  schwerer  ist  es,  bei  der  Eröffnung 
der  Gallenblase  und  der  Gallengänge  einer  Infizierung  des  Peri- 
toneums und  der  Hände  des  Operateurs  und  seiner  Assistenten 
zu  entgehen.     Ich  verhalte  mich  dabei  folgendermassen : 

Die  Punktion  der  Gallenblase  erfolgt  so,  dass  ich  die  mit 
einem  Gummischlauch  versehene  ausgekochte  Nadel  in  die  Gal- 
lenblase hinein  stosse,  den  Schlauch  mit  der  Aspirationsspritze 


—     77     — 

in  Verbindung-  bringe  und  durcli  die  Instrunientenreicherin  die 
Aspiration  vornehmen  lasse.  Der  Assistent  hat  sein  Augen- 
merk darauf  zu  richten,  dass  neben  der  Nadel  aus  der  Gallen- 
blase etwa  austretender  Inhalt  sofort  weggetupft  wird.  Die 
Tupfer,  aus  etwas  KrüU-Gaze  bestehend,  werden  mit  einer  Pin- 
zette gefasst,  der  Operateur  fixiert  mit  irgend  einem  Instru- 
ment (Hakenpinzette,  Roser'scher  Klemme)  mit  der  linken 
Hand  die  Gallenblase,  während  die  rechte  Hand  die  in  der 
Gallenblase  befindliche  Nadel  dirigiert.  Die  Dieulafoy-Spritze 
ist  so  eingerichtet,  dass.  man  durch  einen  Hahn  den  Schlauch 
auf-  und  zusperren  kann.  Ist  die  Spritze  mit  Gallenblaseninhalt 
vollgefüllt,  so  dreht  man  den  Hahn  um,  sperrt  den  Schlauch 
ab  und  kann  nun  die  Spritze  in  ein  vom  Wärter  untergehal- 
tenes ausgekochtes  Becken  entleeren.  Dabei  sieht  man  sich 
vor,  dass  nicht  durch  zu  rasches  Ausspritzen  infektiöser  Inhalt 
über  das  Becken  hinausgeschleudert  wird.  Ist  die  Aspiration 
beendet,  so  ziehe  ich  die  Nadel  aus  der  Gallenblase  heraus,  die 
Punktion>;öfinung  wird  vom  Assistenten  mit  steriler  Gaze  zuge- 
drückt. Absolute  Schonung  der  Hände  und  der  Finger  vor  in- 
fektiösem Material  ist  während  .dieser  Aspirationsprozedur  an- 
zustreben und  auch  durchführbar.  Ich  werde  noch  genug  Ge- 
legenheit haben,  bei  der  Cystostomie  und  Cystectomie  die  nähe- 
ren Einzelheiten  dieser  Prophylaxe  zu  schildern.  Lässt  sich 
der  Ausfluss  von  Sekret  aus  Gallenblase  und  Choledochus  nicht 
vermeiden,  so  muss  dieses  durch  untergeschobene  Tupfer  auf- 
gefangen werden.  Ehe  man  den  Choledochus  eröffnet  —  eine 
Aspiration  der  Galle  hat  hier  wenig  Zweck  —  werden  unter 
die  vorzunehmende  Choledochusincision,  also  unterhalb  des 
Ligamentum  hepato- duodenale  in  das  Foramen  Winslowii, 
mehrere  genähte  Tupfer  eingeführt,  dabei  wird  aber  auch  nicht 
vergessen,  oberhalb  des  Ligaments  einen  Tupfer  zum  Abschluss 
anzubringen.  Haben  sich  diese  mit  Galle  vollgesaugt,  so  wird 
man  sie  nicht  mit  den  Fingern,  sondern  mit  der  Kornzange  ent- 
fernen, wie  es  überhaupt  empfehlenswert  ist,  die  Finger  nur 
da  anzuwenden,  wo  sie  durch  instrumenteile  Eingriffe  nicht  zu 
ersetzen  sind.  Ist  wirklich  einmal  infektiöses  Material  mit  der 
Hand  des  Chirurgen  in  Berührung  gekommen,  so  tut  er  gut, 
die  Operation  einige  Minuten  zu  unterbrechen,  am  aseptischen 
Waschtisch  die  Hände  abzuspülen  und  diese  von  neuem  mit 
Alkohol   zu    sterilisieren.     Der   geübte   Chirurg   wird  aber  eine 


—     78     — 

Berührung  mit  infektiösem  Material  überhaupt  vermeiden  lernen. 
Man  glaubt  gar  nicht,  wie  sehr  man  in  dieser  Hinsicht  sich 
und  seine  Assistenten  erziehen  kann,  und  wie  man  es  mit  der 
Zeit  zu  Wege  bringt,  den  höchsten  Anforderungen  einer  Asepsis 
Genüge  zu  leisten. 

In  der  Tat  ist  eine  infektiöse  Peritonitis  nach  einer  Gallen- 
steinoperation heut  zu  Tage  ein  höchst  seltenes  Ereignis.  Ich 
kann  bei  fast  1000  von  mir  ausgeführten  Gallensteinlaparotomien 
höchstens  3  Fälle  herausfinden,  die  an  einer  Infektion,  die 
sich  vom  Operationsgebiet  aus  auf  die  übrige  Bauchhöhle  ver- 
breitete, zu  Grunde  gegangen  sind. 

Die  zwecks  Absperrungstamponade  der  übrigen  Bauchhöhle 
eingelegten  Tupfer  werden  erst  dann  entfernt,  wenn  das  eigent- 
liche Operationsterrain  gründlich  gesäubert  ist.  Das  geschieht 
mit  feuchter  Krüllgaze,  die  durch  eine  Kornzange  festgehalten 
wird.  Sind  alle  Blutgerinnsel,  etwaige  Steinkrümel  oder  gar 
Eiterflocken  entfernt,  so  werden  neue  genähte  Tupfer  auf  das 
Operationsterrain  gebracht,  und  dann  erst  werden  die  absperren- 
den Tampons  beseitigt  und  durch  neue  ersetzt.  Die  das  Ope- 
rationsterrain bedeckenden  Tampons  werden  nun  endgültig  ent- 
fernt und  die  zur  Tamponade  dienenden  Gazestreifen  mit  noch 
nicht  gebrauchter,  völlig  reiner  Kornzange  eingeführt.  Man 
muss  bei  der  Wundversorgung  nach  einer  ganz  bestimmten 
Methode  vorgehen  und  dabei  nicht  vergessen,  dass  man  noch 
am  Schluss  der  Operation  durch  einen  Fehlgriff  den  Erfolg  der- 
selben vereiteln  kann. 

Die  bei  einer  Gallensteinoperation  nicht  selten  notwendigen 
Eingrifl:e  am  Magen  (Gastroenterostomie  bei  Pylorusstenose),  Darm 
(Fisteln),  Appendix  verlangen  in  Bezug  auf  die  Asepsis  die 
grösste  Aufmerksamkeit.  Man  wird  die  Operation,  bei  der  man 
Gelegenheit  hat,  seine  Hände  zu  infizieren,  bis  zum  Schluss 
aufheben,  und  sich  hüten,  eine  Infektion  von  einem  Operations- 
terrain auf  das  andere  zu  übertragen.  Bei  jedem  Griff,  den 
man  tut,  soll  man  sich  kontrollieren,  ob  man  auch  nicht  gegen 
die  Regeln  der  Asepsis  sündigt.  Verstösst  der  Assistent  gegen 
die  Asepsis,  so  macht  man  ihn  darauf  aufmerksam;  auch  soll 
der  „Herr  Chef"  es  sich  ruhig  gefallen  lassen,  wenn  der  Assi- 
stent ihm  eine  Übertretung  der  aseptischen  Gesetze  nachweist. 
Ja,  ich   verlange   das   von   meinem   Assistenten    und    würde  es 


—     79     — 

ihm  übel  nehmen,  wenn  er  so  wenig  das  Interesse  der  ihm  mit- 
anvertrauten Patienten  im  Auge  hätte. 

Die  Asepsis  während  einer  Operation  wird  aucJi  dadurch 
gewahrt,  dass  man  die  Instrumente,  die  man  in  der  Gallen- 
blase und  in  den  Gallengängen  verwandt  hat  (Sonden,  Löffel), 
beiseite  legt  und  in  der  Bauchhöhle  nicht  weiter  benutzt.  Auf 
der  Schieferplatte,  auf  der  die  Tonnen  mit  dem  Verbandzeuge, 
<iie  Schalen  etc.  sich  befinden,  steht  ganz  abseits  ein  grosses 
viereckiges  Becken  mit  5"/o  iger  Carbolsäurelösung.  Hier  hinein 
kommen  die  in  der  Gallenblase  und  in  den  Gallengängen  ge- 
brauchten Instrumente,  die  Sonden,  die  Löffel,  die  Kornzangen. 
Noch  besser  wäre  es,  man  würfe  sie  in  kochendes  Wasser,  aber 
es  ist  nicht  nur  umständlich,  dieselben  wieder  zum  Gebrauch 
lierauszuholen,  sondern  es  ist  auch  gefährlich,  während  der  Narkose 
im  Operationszimmer  eine  brennende  Flamme  zu  haben,  da 
sich  dabei  Chloroformdämpfe  entwickeln,  welche  in  Phosgen- 
gas, Salzsäure,  Chlor  und  andere  Körper  zersetzt  werden, 
die  für  den  Patienten  verhängnisvoll  werden  können.  Am 
zweckmässigsten  ist  es,  wenn  man  die  einmal  gebrauchten  und 
inficierten  Instrumente  überhaupt  nicht  wieder  benutzt,  sondern 
neue  in  Anwendung  zieht.  — 

Auch  die  von  manchem  Chirurgen  beliebte  Ausspülung 
der  Gallenblase  während  der  Operation  halte  ich  für  einen 
Fehler  in  der  Asepsis,  da  bei  dieser  Manipulation  trotz  ge- 
höriger Absperrungstamponade  die  Keime  in  die  übrige  Bauch- 
höhle fortgeschwemmt  werden  können.  Es  ist  viel  richtiger, 
wenn  man  nicht  spült,  sondern  die  Gallenblase  mit  Gaze  und 
Pinzette  austrocknet  und  dann  das  betr.  Instrument  bei- 
seite legt. 

Die  häufige  Reinigung  der  Hände  von  Blut  halte  ich  während 
der  Operation  für  zweckmässig.  Mein  Braatz'scher  steriler 
Waschtisch  steht  so,  dass  ich  ihn  mit  zwei  Schritten  erreiche:  er 
enthält  in  der  einen  Flasche  Alkohol,  in  der  andern  phys.  Kochsalz- 
lösung, und  ich  unterbreche  bisweilen  die  Operation,  um  eine  Reini- 
gung meiner  Hände  vorzunehmen.  Mit  steriler  Gaze  werden 
sie  dann  abgetrocknet.  Wessen  Hände  Sublimatlösung  ver- 
tragen, der  tut  natürlich  am  besten,  wenn  er  sich  während  der 
Operation  möglichst  oft  damit  wäscht  und  hinterher  die  Hände 
mit  Kochsalzlösung  abspült. 


—     80     - 

Habe  ich  die  Steinentfernung  beendigt,  so  wasche  ich  mich,, 
ehe  ich  die  Tamponade  vornehme,  noch  einmal  gründlich.  Die^ 
Tampons  fasst  die  Schwester  mit  einer  bis  dahin  nicht  ge- 
brauchten Kornzange  an,  ebenso  nehme  ich  sie  nicht  in  die 
Hand,  sondern  führe  sie  mit  Instrumenten  in  die  Tiefe. 

Von  der  Beobachtung  dieser  scheinbar  nebensächlichei) 
Dinge  hängt  der  aseptische  Verlauf  nach  der  Operation  sehr 
viel  ab. 

Ich  brauche  kaum  darauf  hinzuweisen,  dass  in  meiner  Klinik 
auch  die  Möglichkeit  der  Luftinfektion  berücksichtigt  wird. 

Ich  operiere  rasch,  damit  eine  Luftinfektion  so  wenig  wie 
möglich  stattfinden  kann.  Dabei  habe  ich  allerdings  mehr  die 
Tatsache  im  Auge,  dass  durch  langsames  Operieren  auch  die 
Narkose  verlängert,  ihre  Gefahren  erhöht  werden,  und  dass  es 
gewiss  nicht  gleichgültig  ist,  ob  ein  Patient  1  oder  2  Stunden 
lang  mit  geöfi'neter  Bauchhöhle  daliegt  resp.  so  lange  Zeit 
mehrere  Tupfer  den  Darm  und  Magen  bedecken.  Eine  Schädigung 
des  serösen  Überzugs  des  Darms  tritt  mit  der  Zeit  doch  ein, 
auch  wenn  die  Tupfer  noch  so  steril  sind  und  immer  durch 
heisse  Kochsalzlösung  von  neuem  erwärmt  werden.  Wenn  ich 
eine  Choledochotomie  in  30—40  Minuten  beenden  kann,  sehe 
ich  nicht  ein,  v/arum  ich  mich  dabei  2  oder  3  Stunden  auf- 
halten soll.  Natürlich  verabscheue  ich  das  „Konzertoperieren" 
und  werde  niemals  auf  Kosten  der  Asepsis  und  der  Gründlich- 
keit mich  beeilen,  um  einen  Rekord  zu  erzielen.  Aber  anent- 
schlosseno,  langsame  Operateure  werden  in  der  Gallenstein- 
chirurgie nie  etwas  Vollkommenes  leisten! 

Die  Luftinfektion  ist  wenig  zu  fürchten,  wenn  das  Operations- 
zimmer recht  sauber  gehalten  wird  und  Arzt  und  Assistent 
wenig  mit  einander  zu  reden  brauchen.  Deshalb  sollen  auch 
nur  Ärzte  mit  einander  operieren ,  die  gegenseitig  aufeinander 
eingearbeitet  sind.  Es  ist  geradezu  nervenaufreibend,  wenn 
man  einmal  gezwungen  ist,  mit  einem  fremden  Arzt  eine  schwie- 
rige Operation  vorzunehmen.  Da  muss  man  fortwährend  reden  I 
„Bitte  das  Duodenum  zurückhalten,  bitte  tupfen,  etc.!"  Noch 
schlimmer  ist  es,  wenn  die  Instrumentenreicherin  die  gewohnten 
Instrumente  nicht  kennt  oder  falsch  behandelt,  da  verliert  auch 
der  geduldigste  Operateur  die  Geduld ;  er  muss  fortwährend 
reden,  und  dass  auf  diese  Weise  auch  einmal  eine  Luftinfektion 
zu  Wege  kommen  kann,  liegt  auf  der  Hand. 


—     81     — 

Bei  einer  komplizierten  Gallensteinoperation  halte  ich  es 
für  unmöglich,  völlig  „schweigend''  zu  operieren,  man  müsste 
denn,  wie  Kümmell  es  vorzieht,  sich  sämtliche  Instrumente 
selbst  nehmen ,  was  er  mir  aber  z.  B.  bei  einer  Ectomie  und 
Hepaticusdrainage  erst  vormachen  muss,  ehe  ich  an  die  Durch- 
führbarkeit seiner  Methode  glaube. 

Ich  beschränke  das  Reden  bei  einer  Operation  so  viel  wie 
möglich;  habe  ich  etwas  zu  sagen,  so  wende  ich  mich  ab  und 
vermeide  dadurch,  dass  meine  Exspirationsluft  direkt  über  die 
Wunde  hinstreicht. 

Aber  gänzlich  Mund  und  Nase  mit  Gazeschleiern  zu  verhüllen, 
das  bringe  ich  nicht  fertig;  es  ist  an  und  für  sich  für  einen 
korpulenten  Menschen,  wie  ich  nun  einmal  bin,  schon  an- 
strengend genug,  eine  schwere  Gallensteinoperation  zu  Ende  zu 
führen,  und  wenn  man  dabei  auch  noch  seine  Lungentätigkeit 
herabsetzen  soll,  dann  will  ich  lieber  auf  die  ganze  Gallenstein- 
chirurgie verzichten  und  mich  beschränken,  Gallensteinkranke 
mit  Thermophor  und  Karlsbader  Salz  zu  behandeln;  dann 
habe  ich  ja  auch  noch  in  80  "/o  gute  Erfolge. 

7.  Die  Lösung  der  Verwachsungen  am  Gallensystem. 

Auf  Verwachsungen  stossen  wir  fast  bei  jeder  Oallenstein- 
operation.  Wie  der  Chirurg  sich  den  Adhäsionen  gegenüber 
verhalten  soll,  darüber  will  ich  in  diesem  Abschnitt  reden. 

Ist  die  Bauchhöhle  eröffnet  —  die  Fälle,  bei  denen  die 
Gallenblase  mit  der  Bauchwand  verwachsen  ist,  werde  ich 
besonders  besprechen  — ,  so  lassen  wir  zuerst  das  Auge 
über  die  am  Gallensystem  vorliegenden  Verhältnisse  sich  orien- 
tieren. Hier  genügt  ein  kurzer  Blick  auf  Leber,  Gallenblase, 
Pylorus,  Netz.  Oft  sehen  wir  überhaupt  erst  etwas  Genaues, 
wenn  wir  mit  den  Händen  die  einzelnen  Organe  nach  einander 
freilegen.  Wie  sieht  die  Leber  aus?  Wie  die  Gallenblase? 
Sieht  man  Adhäsionen?  Und  während  das  Auge  spähend  prüft, 
hat  bereits  die  palpierende  Hand  die  Konsistenz  der  Leber,  die 
Form  der  Gallenblase,  die  Art  ihrer  Füllung,  die  Härte  -imd 
Ausdehnung  der  Adhäsionen  festgestellt,  und  der  erfahrene 
Chirurg  weiss  bereits  schon  ziemlich  genau,  welche  Operation, 
ob  Cystostomie,  Ectomie  oder  Choledochotomie  in  Betracht 
kommt.   Durch  die  Fingerspitzen  wurde  dem  Chirurgen  bereits 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.    I.  6 


—     82     — 

der  Plan  der  weiteren  Operation  übermittelt.  Vor  allen  Dingen 
ist  festzustellen,  was  mit  den  x4.dhäsionen  geschehen  soll.  Da- 
bei kann  der  Assistent  recht  viel  helfen.  Während  der  Ope- 
rateur sich  an  der  unteren  Fläche  der  Gallenblase  hintastet  und  die 
Leber  nach  oben  und  aussen  drängt,  schiebt  der  Assistent  vor- 
sichtig Netz,  Pylorus,  Duodenum  und  Magen  zur  Seite.  Einige 
grosse  genähte  Kompressen,  in  heisser  Kochsalzlösung  ausge- 
drückt, schützen  die  empfindlichen  Eingeweide  vor  dem  Druck 
der  Hand.  Ich  bemerke  hier  noch  einmal,  dass  alle  Kompressen, 
die  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  an  der  Oberfläche  oder  in 
der  Tiefe  verwandt  werden  und  liegen  bleiben,  genäht  sein 
müssen.  Man  kann  z.  B.  eine  blutende  Stelle  am  Netz  mit 
nicht  genähter  KrüUgaze  betupfen,  muss  sich  aber  daran  ge- 
wöhnen, diesen  Tupfer  sofort  fortzuwerfen  und  nicht  in  der 
Hand  zu  behalten  oder  gar  liegen  zu  lassen.  Lose  Gaze  ver- 
schwindet zu  leicht  in  der  Tiefe  und  kann  dann  auch,  wenn  sie 
völlig  steril  war,  später  doch  recht  unangenehme  Folgen  nach 
sich  ziehen. 

Inspektion  und  Palpation  des  Gallensystems  vereinigt  ein 
umsichtiger  Chirurg  mit  einander.  Je  mehr  er  Übung  be- 
kommt, je  schneller  wird  sich  der  Chirurg  orientieren  können, 
und  während  der  Anfänger  seine  liebe  Not  hat,  zum  Choledochus 
vorzudringen,  und  sich  ängstlich  scheut,  die  bestehenden  Adhä- 
sionen zu  lösen,  ist  der  erfahrene  Chirurg  in  wenigen  Augen- 
blicken mit  der  Freimachung  des  Lig.  hepato-duodenale  fertig. 

Man  kann  es  gewiss  als  ein  Prinzip  aufstellen,  dass  man 
fast  bei  jeder  Gallensteinoperation  sämtliche  Verwachsungen 
lösen  soll.  Doch  soll  man  kein  Prinzipienreiter  sein,  der  rück- 
sichtslos durch  die  Adhäsionen  hindurchgaloppiert,  und  der  sich 
nicht  fürchtet,  über  die  Hürden  und  Gräben  der  Fistelbildungen 
zwischen  Gallensystem  und  Darmtraktus  hinwegzusetzen.  Man 
reisst  sonst  leicht  die  Barrieren  um  oder  fällt  in  den  Graben 
und  bricht  das  Genick.  Fast  jeder  Vergleich  hat  bekanntlich 
die  Eigentümlichkeit,  dass  er  hinkt;  auch  in  unserem  Fall  trifft 
das  zu,  denn  den  geringsten  Schaden  nimmt  der  Chirurg,  am 
meisten  wird  der  Patient  durch  den  schlechten  Operateur  ge- 
schädigt, wenn  dieser  mit  den  Verwachsungen  nicht  umzugehen 
versteht:  es  entstehen  Löcher  im  Darmtractus,  die  auch  bei 
guter  Verschliessung  mit  allerlei  Gefahren  für  den  Kranken  ver- 
knüpft sind. 


—     83     — 

Die  Verwachsungen,  die  als  Folge  der  Entzündungen  der 
(jrallenwege  entstehen,  sind  sehr  mannigfaltiger  Natur.  Folgende 
Formen  kommen  am  meisten  zur  Bobachtung: 

a)  Verwachsungen  zwischen  dem  Fundus  der  Gallenblase, 
unterem  Eand  des  rechten  Leberlappens  und  Peritoneum 
parietale   der  vorderen  Bauchwand. 

b)  Verwachsungen  zwischen  Fundus  der  Gallenblase  und 
Netz  resp.  Colon. 

c)  Verwachsungen  zwischen  medialer  Fläche  der  Gallen- 
blase und   Duodenum. 

d)  Verwachsungen  zwischen  Ductus  cysticus  und  Duodenum 
resp.  Pylorus. 

e)  Verwachsungen  zwischen  Ductus  choledochus  und  Duo- 
denum. 

f)  Verwachsungen  zwischen  Gallenblase,  Ductus  cysticus  und 
Choledochus  unter  einander. 

Die  Verwachsungen  sind  entweder  fest  oder  weich,  breit 
oder  schmal,  dünn  oder  dick,  gefässarm  oder  gefässreich;  sie 
umgeben  oft  die  ganze  Gallenblase  wie  Spinngewebe  oder  mauern 
das  Organ  so  fest  ein,  dass  der  Chirurg  alle  Mühe  aufwenden 
muss,  um  das  Gewölbe  zu  sprengen.  Bei  den  Krankengeschichten 
im  zweiten  Teil  dieses  Buches  wird  der  Leser  genug  Beispiele 
über  das  verschiedene  Verhalten  der  Verwachsungen  finden. 
Hier  interessiert  uns  lediglich  die  prinzipielle  Frage,  in 
welchen  Fällen  der  Chirurg  die  Adhäsionen  lösen  muss  und 
wann  er  sie  schonen  kann. 

Bei  akuten  Entzündungen  der  Gallenblase  und  bei  Ver- 
w^achsungen  des  Halses  mit  dem  Duodenum,  wobei  gewöhnlich 
ein  Stein  im  Cysticus  gefunden  wird,  soll  man  sich  wohl  über- 
legen, ob  es  nicht  besser  ist,  die  Verwachsungen  in  jRuhe  zu 
lassen.  (Nr.  9.)  Gelingt  es  nämlich,  durch  die  Adhäsionen  hin- 
durch den  Stein  im  Hals  der  Gallenblase  funduswärts  zu  drücken, 
so  kann  man  die  Adhäsionen  ungelöst  lassen.  Löst  man  sie 
doch,  so  sei  man  überzeugt,  dass  sie  in  erheblicherem  Umfang 
wie  vorher  sich  wieder  bilden.  Hals  der  Gallenblase  und  Duo- 
denum liegen  so  dicht  neben  einander,  dass  es  ganz  bestimmt 
zu  einer  neuen  Verwachsung  kommen  muss,  und  wenn  man  noch 
so  sorgfältig  durch  Übernähen  die  wunden  Flächen  beseitigt. 
Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  ich  z.  B.  eine  straffe 
kurze   Adhäsion    zwischen    unterem    Rand  des  rechten  Leber- 

6* 


—     84     — 

lappens  und  Duodenum  beseitige.  Durch  die  Verwachsung- 
waren beide  Organe  bis  auf  2  cm.  einander  genähert;  nach 
ihrer  Durchschneidung  schnellte  die  Leber  förmlich  in  die 
Höhe,  das  Duodenum  lagerte  sich  an  seine  normale  Stelle  in 
die  Gegend  der  Linea  alba,  und  es  entstand  nun  ein  Zwischen- 
raum von  mehr  als  10  cm.  In  einem  solchen  Falle  kann  man 
durch  die  Operation  ein  Wiedereintreten  der  Verwachsungen 
verhüten,  man  wird  das  aber  nimmermehr  erreichen,  wenn  die 
zusammengewachsenen  Organe  ganz  dicht  nebeneinander  liegen. 
So  beobachtet  man  nicht  selten,  dass  beim  Stein  im  supra-duo- 
denalen  Teil  des  Choledochus  das  Duodenum  nach  dem  Hilus 
der  Leber  zu  hochgezogen  wird  und  sich  geradezu  über  das 
Lig.  hepato-duodenale  hinweglegt.  Um  bequem  und  ohne  Ver- 
letzung grösserer  Gefässe  und  des  Duodenum  selbst  zum  Stein 
zu  gelangen,  lösen  wir  das  Duodenum  vom  Lig.  hepato-duodenale 
ab  und  verschieben  es  medial wärts  resp.  nach  links.  So  ge- 
lingt uns  gut  die  Excision  des  Steines.  Aber  man  soll  sich 
nicht  einbilden,  dass  das  Duodenum  immer  da  liegen  bleibt,  wo 
man  es  hingeschoben  hat,  ganz  im  Gegenteil,  in  den  meisten 
Fällen  werden  dieselben  Verwachsungen  eintreten  wie  vorher. 
Ich  entferne  also  die  Verwachsungen  in  den  allermeiste» 
Fällen  nur  deshalb,  um  einen  Ueberblick  über  das  Oallen- 
system  zn  bekommen,  um  dahinter  versteckten  Steinen  nach- 
gehen zu  können  und  mir  die  Möglichkeit  ihrer  Entfernung 
zu  sichern,  aber  ich  löse  selten  die  Adhäsionen  ihrer  selbst 
willen,  um  sie  dauernd  zu  beseitigen,  denn  ich  weiss,  dass 
sie  doch  wieder  wachsen.  Wenn  ich  glaube,  dass  Adhäsionen 
die  Ursache  der  Beschwerden  sind  —  und  oft  genug  ist  das 
der  Fall  — ,  so  entferne  ich  nicht  nur  die  Adhäsionen,  sondern 
ich  schalte  das  Organ  aus,  an  dem  sie  zerren,  ich  mache  also 
z.  B.  bei  Peripyloritis  eine  Gastroenterostomie.  Zerren  sie  an 
der  Gallenblase  resp.  dem  Cysticus,  so  entferne  ich  nicht  nur 
die  Adhäsionen,  sondern  auch  die  Gallenblase  selbst.  Denn 
nicht  die  Adhäsionen  als  solche  machen  Beschwerden,  sondern 
die  wechselnde  Füllung  der  Gallenblase,  die  Abknickung  des 
Halses  der  Gallenblase  und  die  dadurch  bedingte  übermässige 
Spannung  im  Innern  des  leicht  zu  Entzündungen  neigenden 
Hohlorgans  rufen  die  Beschwerden  hervor.  Hat  man  das  Glück^ 
dass  nach  einer  einfachen  Lösung  der  Adhäsionen  diese  sich 
nicht    wieder   bilden,    so    ist    das  ja  sehr  schön  und  gut,  aber 


—     85     — 

man  soll  sich  doch  von  vornherein  darüber  klar  sein,  dass  in 
sicher  90°/o  der  Fälle  eine  Neubildung  der  Verwachsungen  vor 
sich  geht,  und  dass  die  einfache  Lösung  in  ebenso  vielen  Fällen 
mithin  einen  unnützen  Eingriff  darstellt. 

Wir  sehen  also,  dass  man  sich  die  Lösung  der  Ver- 
wachsungen bei  der  C)'stosiomie  sparen  kann,  wenn  es  gelingt, 
den  Stein  im  Hals  der  Gallenblase  funduswärts  zu  drücken.  Da 
aber  eine  sichere  Entscheidung,  ob  der  Cysticus  auch  wirklich 
frei  von  sämtlichen  Steinen  ist,  erst  nach  Freilegung  des  Gangs, 
oft  erst  nach  Inzision  desselben  resp.  nach  vorgenommener 
Ectomie  erfolgen  kann,  so  spielt  die  Frage  der  Lösung  der  Ver- 
wachsungen gegenüber  der  viel  wichtigeren  Frage :  Cystostomie 
oder  Cystectomie?  eine  verhältnismässig  untergeordnete  fiolle. 
Ich  erwähne  im  II.  Teil  unter  Nr.  32  einen  Fall,  bei  dem  ich 
die  Lösung  der  Verwachsungen  unterliess,  weil  ich  hinter  diesen 
eine  Cysticus-Duodenalfistel  vermutete.  Ich  schloss  die  Bauch- 
höhle, da  ich  nirgends  einen  Stein  fühlte  und  den  Kranken  durch 
rücksichtsloses  Vorgehen  nicht  in  Gefahr  bringen  wollte. 

Bei  der  £ctomie  muss  bis  zum  Cysticus  heran  jede  Ver- 
wachsung gelöst  werden,  und  besonders  die  Choledochotomie 
fordert  die  Beseitigung  der  Adhäsionen  gebieterisch.  Hier  ist 
rücksichtsloses  Vordringen  allerdings  am  Platze,  da  man  sonst 
den  Endzweck  der  Operation  —  Entfernung  sämtlicher  Steine 
—  kaum  erreichen  dürfte. 

Die  Lösung  der  Adhäsionen  kann  auf  verschiedene  Weise 
vorgenommen  werden:  mit  dem  Druck  der  Finger  durch  ein- 
faches Zurückstreifen,  durch  Zerschneiden  mit  der  Schere,  mit 
dem  Messer  nach  vorheriger  einfacher  oder  doppelter  Unter- 
bindung oder  mit  dem  Paquelin. 

Den  letzteren  habe  ich  niemals  bei  der  Beseitigung  der 
Verwachsungen  benutzt,  auch  nicht  zur  Blutstillung,  weil  ich 
auf  andere  Weise  auskam,  und  der  Gebrauch  des  Paquelins 
immer  umständlich  ist  und  leicht  die  Asepsis  stören  kann.  Nur 
einmal  habe  ich,  um  einen  tiefen  Tunnel  in  die  Leber  zu  brennen 
(siehe  den  Fall  von  Hepato-Cholangio-Enterostomie),  mich  des 
Paquelins  bedient. 

Bei  leichten  und  frischen  Verwachsungen  genügt  die  Trennung 
mit  den  Fingern,  und  selten  wird  man  eine  nachträgliche  Unter- 
bindung nötig  haben.  Trotzdem  rate  ich,  den  getrennten  Teil 
recht  genau  zu  besichtigen,  da  nachträglich  doch  noch  recht  unan- 


—     86     — 

genehme  Blutungen  aus  dem  Netz  sich  ereignen  können.  Netz, 
welches  verdächtig  aussieht,  verfärbt  und  eitrig  infiltriert  ist, 
bindet  man  am  besten  ab  und  entfernt  es  im  Gesunden  (Nr.  7). 
Nicht  selten  stecken  hinter  den  Adhäsionen  Fisteln  zwischen 
Gallenblase  und  Darm  resp.  Magen,  die  natürlich  einer  recht  ein- 
gehenden Behandlung  bedürfen.  Gewöhnlich  fühlt  man  es  schon, 
ob  der  Strang,  der  sich  zwischen  Gallenblase  und  Darm  aus- 
breitet, eine  Fistel  enthält.  Meistenteils  ist  der  Darm  resp. 
Magen  dicht  heran  an  die  Gallenblase  gezogen,  die  Verbindung 
ist  kurz  und  hart,  während  die  gewöhnlichen  Verwachsungen 
breit,  weich  und  dehnbar  sind.  Glaubt  man  auf  eine  Fistel 
gestossen  zu  sein,  so  muss  man  natürlich  mit  der  Lösung  auf 
manuellem  Weg  aufhören ;  man  muss  gehörige  Vorsichtsmassregeln 
treffen,  um  ein  Einlaufen  von  Sekret,  welches  bei  Durchtren- 
nung der  Fisteln  natürlich  stattfinden  wird,  in  die  Bauchhöhle 
zu  vermeiden.  Die  Vorsichtsmassregeln  sind  schon  teils  bei  der 
Vorbereitung  zur  Operation  getroffen  worden,  indem  wir  den 
Magen  spülten  und  den  Darm  gründlich  entleerten.  Aber  auf 
die  Gallenblase  hatten  diese  Massregeln  keinen  Einfluss,  es 
gilt  jetzt  bei  der  Operation  den  Sekretausfluss  aus  der  Gallen- 
blase zu  verhüten.  Am  besten  erreicht  man  das  dadurch,  dass 
man  die  Gallenblase  durch  Aspiration  ihres  Inhaltes  mit  einem 
Dieulafoy  entleert.  Ist  das  geschehen,  so  spaltet  man  am 
besten  die  Gallenblase  am  Fundus,  legt  sie  trocken  und  stopft 
sie  mit  steriler  Gaze  aus.  Eine  angelegte  Klemme  verschliesst 
dann  die  Incisionsöffnung.  Manchmal  gelingt  es,  die  Gallen- 
blase an  der  Stelle,  wo  die  Fistel  einmündet,  abzuklemmen, 
aber  ebenso  oft  lässt  die  Klemme  nach  Durchtrennung  der  Fistel 
nach  und  ein  Austritt  von  Inhalt  ist  dann  möglich.  Gleich- 
gültig, wie  man  verfährt,  immer  wird  man  unter  die  Stelle,  wo 
die  Fistel  sich  befindet,  eine  genähte  grosse  Gazecompresse  legen, 
um  austretendes  Sekret  aufzufangen.  Denn  so  sicher  man  dem 
Austritt  von  Flüssigkeit  aus  der  Gallenblase  sonst  vorbeugen  kann, 
bei  Fisteln  zwischen  Choledochus  und  Duodenum  oder  Magen  ist  das 
nicht  immer  möglich,  und  wenn  man  auch  die  darmwärts  liegende 
Seite  der  Fistel  prophylaktisch  abklemmt,  stets  muss  man  sich 
auf  ein  Hervortreten  wenn  auch  nur  von  minimaler  Menge  von 
Flüssigkeit  gefasst  machen.  In  die  freie  Bauchhöhle  darf  unter 
keinen  Umständen  etwas  einfliessen,  da  wir  ja  wissen,  dass  schon 
wenige  Tropfen  genügen,  um  eine  foudroyante  Peritonitis  zu  er- 
zeugen. 


—      b7      — 

Die  Versorgung  der  durch  Zerstörung  der  Gallen wege- 
Darmfisteln  entstehenden  Löcher  ist  eine  ganz  verschiedene. 
Selten  wird  mau  eine  Fistel  in  der  Gallenblase  wieder  ver- 
nähen, meist  verfällt  das  an  und  für  sich  pathologische  Organ 
der  Exzision.  Event,  verwendet  man  das  Loch  zu  einer  neuen 
Anastomose.  Die  Foramina  im  Magen  und  Darm  werden  sorg- 
fältig vernäht,  die  ulcerierten  Stellen  exzidiert,  der  Wundrand 
geglättet,  worauf  die  Mucosa  für  sich  genäht  wird.  Dann  folgt 
eine  recht  sichere  Serosa-Muscularis-Naht.  (Nr.  55.)  Bereit- 
liegendes Netz  wird  ohne  Zerrung  auf  die  Naht  gelegt  und  mit 
einigen  Suturen  fixiert.  Und  dann  ist  es  gut,  was  ich  jetzt 
gleich  bemerken  will,  wenn  man  ^ie  Naht  am  Darm  nicht 
in  die  event.  notwendige  Tamponade  (Ectomie,  Hepaticus- 
drainage)  hineinbezieht.  Man  macht  sonst  leicht  die  üble  Er- 
fahrung, dass  die  Nähte  nachgeben  und  sich  eine  Fistel  ent- 
wickelt, die  je  nach  der  Grösse  des  entstandenen  Defekts  und 
nach  der  Höhe  des  Darmabschnittes  (Duodenum,  Jejunum,  Ileum, 
Colon)  mehr  oder  weniger  unangenehm  werden  kann.  Bildet 
sich  eine  solche  Fistel  durch  Nachgeben  der  Nähte  während 
der  ersten  12 — 36  Stunden,  wo  noch  kein  sicherer  Abschluss 
der  übrigen  Bauchhöhle  eingetreten  ist,  so  kann  leicht  eine 
allgemeine  Peritonitis  die  Folge  sein.  Gibt  die  Naht  später 
nach,  wo  bereits  genügende  Verklebungen  da  sind,  so  kann 
doch  der  Patient  besonders  bei  Duodenalfisteln  durch  Ausfluss 
des  Darminhalts  recht  schwer  geschädigt  werden. 

In  einem  Fall  von  Gallenblasenfundus-Colonfistel  konnte 
ich  das  entstandene  ziemlich  grosse  Loch  nicht  exakt  nähen, 
da  die  Ränder  der  Fistel  morsch  waren  und  die  Fäden  durch 
die  Darm  wand  immer  wieder  durchschnitten.  Ich  bin  deshalb 
so  vorgegangen,  dass  ich  in  das  Colon  coecalwärts  ein  dickes 
Gummirohr  einführte  und  um  dieses  herum  den  übrigen  Darm- 
defekt so  gut  wie  möglich  durch  die  Naht  verschloss.  Dann 
wurde  durch  Vernähung  des  Netzes  mit  dem  Perit.  parietale 
resp.  mit  der  tiefen  Fascie  die  übrige  Bauchhöhle  möglichst  abge- 
schlossen. Ich  möchte  für  ähnliche  Fälle  diese  Art  der  Colo- 
stomie  empfehlen.  Der  Fall  kam  erst  zur  Beobachtung,  als 
bereits  die  Krankengeschichten  im  IL  Teil  fertig  gedruckt 
waren.  Bei  der  Wichtigkeit  des  auch  sonst  interessanten  Falles 
möchte  ich  ihn  aber  nicht  unerwähnt  lassen  und  gebe  ihn 
deshalb  an  dieser  Stelle  wieder: 


W.  St.,  61  j.  (xutsbesitzersfrau  aus  Schnierchow. 

Aufgen.:  29.  8.  1904. 

Operiert:  1.9. 1904.  Ectomie.  Hepaticusdrainage.  Colostomie. 

Noch  in  Behandlung. 

Anamnese:  Pat.  ist  Witwe,  hat  neunmal  geboren.  -^  Kinder 
leben.  Pat.  ist  immer  gesund  gewesen.  Ihre  Mutter  war  leberkrank. 
Vor  ca.  25  Jahren  begann  Pat.  an  Magenkrämpfen  zu  leiden,  die  später 
als  Gallensteinkoliken  erkannt  wurden  und  in  kolikartigen  Schmerzen 
in  der  Oberbauchgegend  und  im  Rücken  sich  äusserten.  Pat.  musste 
meist  einige  Tage  liegen.  Ikterus  soll  damals  nie  vorhanden 
gewesen  sein.  Die  Anfälle  traten  in  verschiedenen  Zwischenräumen, 
manchmal  alle  paar  Wochen  bis  Monate  auf;  zuweilen  blieb  Pat. 
jahrelang  von  stärkereu  Anfällen  frei. 

Herr  Dr.  Rohr  sehn  ei  der- Brandenburg  schreibt  uns  über  den 
weiteren  Verlauf  Folgendes: 

„Pat.  leidet  seit  Jahrzehnten  an  Gallensteinen,  hat  überaus 
häufige  Kolikanfälle  mit  und  ohne  Ikterus  gehabt.  Steine  sind  nur  in 
einigen  Anfällen  gefunden  worden.  Seit  dieselbe  in  meiner  Behandlung 
steht,  hat  sie  vor  ca.  5  Jahren  einen  Anfall  von  Cholecystitis  gehabt, 
der  nach  einigen  Wochen  zurückging;  Ostern  d.  J.  nach  einigen  sehr 
heftigen  Kolikanfällen  mit  kompletem  Ikterus  schwere  Cholangitis, 
die  sich  ca.  8  Wochen  mit  abendlichen  Temperatursteigerungen  bis 
39,5  und  leichten  Frösten  hinzog.  Nach  dieser  Zeit  machte  Pat.  ohne 
mein  Wissen  eine  Kur  mit  innerer  Medikation  durch  und  sollen 
danach  ca.  30  kleinere  Steine  und  Gries  abgegangen  sein.  Ikterus 
ist  nie  ganz  geschwunden,  Fäces  noch  immer  entfärbt;  in  den  letzten 
Tagen  wieder  einige  leichtere  Kolikanfälle  mit  zunehmender  Gelbsucht. 
Pat.  wird  augenblicklich  vor  allen  Dingen  durch  unerträgliches  Haut- 
jucken geplagt,  infolgedessen  sie  körperlich  sehr  heruntergekommen 
ist.  Von  einem  Aufenthalte  in  Karlsbad,  der  von  den  Angehörigen 
sehr  gewünscht  wird,  kann  ich  mir  unter  Berücksichtigung  aller 
Verhältnisse  einen  wesentlichen  Nutzen  nicht  versprechen,  zumal 
Pat.  vor  Jahren  nach  einer  erfolglosen  Kur  daselbst  sehr  geschwächt 
zurückgekehrt  sein  soll." 

Befund:  Stark  ikterische,  elende  Frau.  Harter  Tumor  der 
Gallenblase.  Leber  gross ,  gesenkt.  Druckempfindlichkeit  in  der 
Mittellinie.  Urin  enthält  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss  oder  Zucker. 
Pat.  verträgt  das  Chlorcalcium  nicht,  da  es  sehr  im  Rectum  brennt. 

Diagnose:  Stein  im  Ductus  choledochus  (Carcinom  der  Gallen- 
blase ?). 

Operation:  1.  9.  04  in  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Rohr- 
schneider-Brandenburg. Dr.  Kern  er- Russland,  Dr.  Hochsinger- 
Wien.  Wellenschnitt.  Leber  gross,  Gallenblase  mit  Netz  verwachsen, 
Trennung.  Galleublasenfuiidiis-Coloiiflslel.  In  der  Gallenblase  walnuss- 
grosser  Stein.  Ectomie.  Im  Hepaticus  ein  haselnussgrosser  Stein, 
wird  in  den  supraduodenalen  Teil  geschoben  und  hier  nach  Incision 
entfernt.    Im  retroduodenalen  Teil  noch  ein  kleiner  Stein     Entfernung. 


—     89     — 

Hepaticusdrainage  nach  Ectomie.  Gallenblase  sehr  wandverdickt  (auf 
Carcinom  verdächtig).  Schleimhaut  ulceriert.  3  Tampons  auf  das 
Leberbett  und  um  das  Rohr  herum.  Colonflstel  wird  genäht,  doch 
schneiden  die  Fäden  immer  durch.  Deshalb  Rohr  in  das  Colon  coecal* 
wärt»  und  zirltnlüre  Einnähuug  des  Colon  (Colostouiie).  Tamponade. 
Obere  Wundhöhle  und  untere  werden  durch  Naht  von  einander  abge- 
schlossen. Dauer  der  Operation  */<  Stunden.  Gute  Sauerstoff-Chloro- 
formnarkose. 

Die  exstirpierte  Gallenblase  ergibt  folgenden  Befund: 
Die  Gallenblasenwand  zeigt  sich  ziemlich  derb  und  fest.  Die 
Schleimhaut  weist  verschiedene  narbige  Veränderungen  auf.  An  einer 
Stelle  nun  zeigt  sich  eine  ungefähr  pfennigstückgrosse  Vorwulstung, 
welche  sich  auch  noch  bei  dem  in  Formol  liegenden  Präparate  weich 
anfühlt.  Beim  Durchschneiden  ist  sie  von  teils  markigem,  teils  gallert- 
artigem Aussehen.  Diese  Massen  durchsetzen  die  ganze  Wand  und 
bilden  ausserhalb  noch  einen  flachen  Bezirk  von  rein  gallertigem 
Aussehen. 

Zur  mikr.  Untersuchung  wurde  von  dieser  Stelle  ein  Stück  heraus- 
geschnitten. Das  mikr.  Bild  war  folgendes:  Nach  dem  Gallenblasen- 
lumen zu  sieht  man  unregelmässig  angeordnete  drüsenartige  Gebilde, 
welche  mit  einem  hohen  Zylinderepithel  ausgekleidet  sind.  Hie  und 
da  treten  in  diesen  Gebilden  epitheliale  Pseudopapillen  auf.  Derartige 
Drüsenbildungen  durchsetzen  nun  den  grössten  Teil  der  Wand  und 
linden  sich  besonders  in  den  Lymphspalten.  An  einigen  Stellen  ver- 
schwindet der  drüsenartige  Bau,  man  sieht  hier  schmale  solide  Zell- 
züge. Und  wieder  an  anderen  Stellen  treten  grosse  mit  Zylinderepithol 
ausgekleidete  Hohlräume  auf,  welche  mit  schleimigen  Massen  voll- 
kommen erfüllt  sind.  Diese  Bildungen  herrschen  besonders  in  den 
äusseren  Schichten  vor. 

Verlauf:  Normal. 

8.  9.  04.  Entfernung  beider  Rohre  und  sämtlicher  Tampons, 
sowie  der  Hautnähte.  Wunde  sieht  gut  aus.  Galle  läuft  reichlich. 
Aus  der  Colonflstel  hat  sich  bis  jetzt  kein  Kot  entleert. 

10.  9.  Entfernung  der  Tampons.  Viel  Kot  in  der  unteren  Wunde. 
Herausspülung  mit  Kochsalzlösung.  Obere  Wunde  sieht  sehr  gut  aus. 
Spülung  des  Choledochus  und  Hepaticus  sehr  leicht.  Galle  klar.  Neue 
Tamponade.     Fat.  fängt  an  Appetit  zu  bekommen. 

16.  9.  Da  fast  sämtliche  Galle  nach  aussen  fliesst,  wird  der 
Choledochus  sondiert  und  durch  die  Papille  hindurch  eine  Bougie  ein- 
gelegt. Dieses  Kflrd  nach  24  Stuuden  entfernt.  Die  Papille  ist  nun- 
mehr für  eine  Uternssonde  passierbar. 

Epicrise:  Die  Gallenblasenfundus-Colonflstel  musste  zer- 
stört werden,  wenn  man  bis  zum  Choledochus  vordringen  wollte. 
Da  wegen  Morschheit  der  Colonwand  ein  völliger  Verschluss 
nicht  möglich  war,    wurde    eine  Colostoraie    vorgenommen. 


—     90     — 

In  einem  Falle  von  Gallenblasen-Duodenalfistel  (Nr.  146) 
habe  ich  mich  nicht  begnügt,  den  entstandenen  Defekt  im  Duodenum 
einfach  durch  die  Naht  zu  schliessen,  sondern  ich  habe  ein 
radikaleres  Verfahren  vorgezogen.  Es  stellte  sich  nämlich  heraus, 
dass  der  Abschnitt  des  Duodenum,  welcher  mit  der  Gallenblase 
fistulös  verbunden  war,  viele  Ulcerationen  aufwies.  Diese 
mussten  unter  allen  Umständen  exzidiert  werden,  wenn  man 
auf  eine  glatte  Heilung  der  Darmnaht  rechnen  wollte.  Es  ist 
nämlich  kein  seltenes  Ereignis,  dass  die  beste  Darmnaht  in 
solchen  Fällen  insufiizient  wird,  und  das  mag  besonders  daran 
liegen,  dass  die  Darmwand,  die  man  zur  Naht  benutzt,  nicht 
immer  ganz  gesund  ist.  Ich  schnitt  also,  um  sicher  eine  ge- 
sunde Darmwand  bei  der  Naht  vor  mir  zu  haben,  die  Ulcerationen 
fort,  hatte  aber  schliesslich  fast  ^/s  der  Circumferenz  des  Darms 
entfernt  und  sah  nun  ein,  dass  eine  circuläre  Naht  recht 
schwierig  sein  würde.  Ich  entschloss  mich  deshalb,  das  Duo- 
denum ganz  zu  durchtrennen,  vernähte  dann  jedes  Darmlumen 
für  sich  und  fügte  eine  Gastroenterostomie  hinzu.  Die  Heilung 
erfolgte  glatt.  (Nr.  146.)  Berg  in  New- York  hat  im  Central- 
blatt  für  Chir,  1903  Nr.  21  für  solche  Fälle  die  einseitige  Aus- 
schaltung des  Duodenum  empfohlen,  doch  möchte  ich  mein 
gründlicheres  Verfahren  für  besser  halten.  (Siehe  Fig.  19  und  20 
im  IL  Teil  p.  305.) 

Die  Fisteln,  die  zwischen  Gallensystem  und  Darm  resp. 
Magen  in  Betracht  kommen,  sind  folgende: 

1.  Fisteln  zwischen  Gallenblasenfundus  einerseits  und  Colon 
oder  Duodenum  oder  Dünndarm  oder  Magen  andererseits. 
(Nr.  55,  Nr.  133,  Nr.  134,  Nr.  141,  Nr.  146,  Nr.  150, 
Nr.  159.)     (Die  Colonfisteln   sind  wohl   die   häufigsten.) 

2.  Gallenblasenhals- Duodenal-  oder  Magenfisteln.  (Nr.  4, 
Nr.  8,  Nr.  129,  Nr.  132,  Nr.  135,  Nr.  137.) 

3.  Cysticus-Choledochusfisteln. 

4.  Choledochus-Duodenal-  und  Magenfisteln.     (Nr.  106.) 
Die  übrigen  Fisteln  mit  dem  Nierenbecken,  Uterus,  Pleura- 
raum   etc.   haben    bei  ihrer  Seltenheit  kein  gr(5feses   klinisches 
resp.  operatives  Interesse. 

Alle  diese  Fisteln  sind  auf  ulcerative  Vorgänge  zurück- 
zuführen. Meistenteils  spielen  Steine  dabei  eine  Rolle ;  bei  den 
Magen-  und  Duodenalfisteln  muss  man  aber  auch  daran  denken, 
dass  ein  Ulcus  im  Darmtraktus  die  primäre  Ursache  der  Fistel- 


-     91     — 

bildung    sein    kann.       Für    die    Behandlung   hat   natürlich  die 
Aetiologie  dieser  Fisteln  keine  grosse  Bedeutung. 

8)  Die  Wundversorgung  und  die  Naht  der  Bauchwand. 

Wenn  ich  auch  im  speziellen  Teil  bei  der  Beschreibung 
der  verschiedenen  Operationen  am  Gallensystera  über  die  Art 
der  Tamponade  und  die  Versorgung  der  Bauchwunde  genaue 
Vorschriften  geben  werde,  so  halte  ich  es  doch  für  angebracht, 
hier  die  allgemeinen  Grundsätze,  nach  denen  ich  bei  der  Wund- 
versorgung und  der  Ausführung  der  Bauchwandnaht  vorgehe, 
aufzustellen. 

Bei  der  Probeincision  ist  ein  völliger  Verschluss  der  Bauch- 
wunde die  Regel;  da  meistenteils  diese  Operation  ausgeführt 
wird,  um  sich  von  der  Operabilität  eines  Carcinoms  zu  über- 
zeugen, so  hat  es  nicht  viel  Zweck,  sich  mit  der  umständlichen 
und  zeitraubenden  Etagennaht  abzugeben,  sondern  man  schliesst 
das  Abdomen  durch  Durchstichknopfnähte  nach  Spencer-Wells. 

Meistenteils  schliesst  man  nach  einer  Gallensteinoperation 
die  Bauchwunde  nicht  vollständig,  sondern  tamponiert  das  Ope- 
rationsterrain oder  drainiert  das  eröffnete  Gallensysteni.  Die 
ideale  Cystendyse  mit  völligem  Verschluss  der  Bauchhöhle  wird 
ein  zielbewusster  Gallensteinoperateur  nicht  vornehmen. 

Im  Anfang  meiner  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Abdo- 
minalchirurgie benutzte  ich  zwecks  Tamponade  gern  Jodoform- 
gaze. Da  ich  mit  der  Zeit  einsah,  dass  die  Tamponade  sehr 
reichlich  sein  muss,  habe  ich  bald  aus  Furcht  vor  einer  Jodo- 
formintoxikation die  Jodoformgaze  fortgelassen  und  bin  zur 
Tamponade  mit  steriler  Gaze  übergegangen,  an  der  ich  auch 
jetzt  noch  festhalte.  Zwischendurch  habe  ich  die  Silbergaze 
und  Xeroformgaze  benutzt,  ohne  mich  von  den  Vorteilen  dieser 
Gazearten  überzeugen  zu  können.  Sterile  Gaze  hat  den  Nach- 
teil, dass  bei  ganz  aseptischem  Verlauf  ihre  Entfernung  leicht 
Schwierigkeiten  macht,  dass  die  Gaze  in  dem  umgebenden  Ge- 
webe verfilzt  und  zu  fest  einheilt.  Das  ist  aber  sehr  selten, 
da  wir  ja  meist  in  einem  inficierten  Terrain  operieren.  Die 
Tampons  müssen  so  hergerichtet  sein,  dass  sie  keine  freien, 
abgeschnittenen  Enden  zeigen,  wodurch  dem  Zurückbleiben  von 
„Fusseln"  Vorschub  geleistet  wird.  Die  freien  Enden  der  Gaze 
werden  nach  innen  umgeschlagen,  wie  ich  das  bei  den  Vorberei- 
tungen beschrieben  habe. 


—     92     — 

Ob  man  nach  der  Ectomie  zur  Tamponade  nur  Gaze  oder 
ein  mit  Gaze  umwickeltes  Rohr  oder  Glasdrain  einführt,  das 
ist  wohl  ziemlich  gleichgültig.  Auf  die  Öffnung  der  Rohre  legt 
sich  sofort  Gewebe  und  verschliesst  diese ;  von  Abfluss  ist  dann 
keine  Rede  mehr,  die  Hauptsache  übernimmt  die  saugende  Gaze. 

Aus  welchem  Grunde  ich  die  Ligaturen  und  die  Nähte  am 
Ductus  cysticus  und  choledochus  lang  lasse,  darauf  werde  ich 
noch    im  speziellen  Teile  zurückkommen. 

Die  Notwendigkeit,  dass  wir  nach  einer  Gallensteinope- 
ration fast  in  jedem  Falle  die  Bauchhöhle  zwecks  Herausleitung 
der  Drainage  und  Tamponade  an  einer  Stelle  offen  lassen,  ver- 
bietet die  prinzipielle  Durchführung  der  Etagennähte,  weil  diese 
sonst  leicht  infiziert  werden  und  herauseitern.  Es  kommt 
noch  hinzu,  dass  das  Peritoneum  der  Oberbauchgegend  samt  der 
Fascia  transversa  und  dem  Muse,  transversus  Neigung  zeigt, 
sich  nach  seiner  Durchschneidung  zurückzuziehen,  so  dass  eine 
isolierte  Naht  der  Fascie  und  des  Peritoneums  fast  stets  miss- 
lingt.  Deshalb  bediene  ich  mich  der  Durchstichknopfnaht  mit 
doppelt  armiertem  langen  Faden,  den  ich  von  innen  nach  aus- 
sen mit  einer  dicken  Nadel  durchführe. 

Ich  steche  ca.  einen  Centimeter  entfernt  vom  Wundrand 
in  das  Perit.  parietale  ein,  gehe  durch  tiefe  Fascie,  Muskel, 
äussere  Fascie  und  Haut  hindurch  und  lege  die  Fäden  nicht 
allzunahe  aneinander,  um  keine  Nekrose  im  Bereich  der  Naht 
hervorzurufen.  Bei  diesem  von  Innen-  nach  Aussennähen  ver- 
meide ich  eine  Infektion  der  Stichkanäle  und  habe  ausgedehnte 
Eiterungen  zwischen  Peritoneum  parietale  und  Därmen,  wie 
Riedel  sie  fürchtet,  nie  erlebt  und  nicht  ein  einziges  Mal  nötig 
gehabt,  „Querschnitte  durch  Haut  und  Muskel  machen  zu  müssen, 
um  den  Eiter  zu  entleeren".  Erlebte  ich  einmal  eine  Stich- 
kanaleiterung, dann  wurde  der  Faden  entfernt  und  mit  feiner 
Sonde  der  Stichkanal  erweitert.  Dann  war  nach  wenigen 
Tagen  die  Eiterung  beseitigt. 

Eine  Zeitlang  habe  ich  Haut  und  Fettgewebe  nicht 
mitgenäht,  sondern  nur  Perit.  parietale,  tiefe  Fascie,  Muskel, 
äussere  Fascie  durchstochen  und  die  äussere  Wunde  offen  ge- 
lassen. Wenn  man  auf  diese  Weise  auch  eine  Eiterung,  die  leicht 
bei  fetten  Personen  durch  Nekrose  von  Unterhautfettgewebe  be- 
obachtet wird,  verhütet,  so  wird  doch  die  Heilung  der  äusseren 
Wunde  meist    sehr    in    die   Länge    gezogen.    Nur  in   wenigen 


—     93 


Fig.  30. 


Fällen  erlebte  ich  es,  dass  nach  Entfernung  der  Nähte  die  mit 
Heftpflaster  zusammengezogene  äussere  tiefe  Wunde  sich  so 
rasch  aneinanderlegte,   dass  eine  prima  Intentio  erzielt  wurde. 

Bei  sehr  fetten  Personen  ist  aber  eine  Vereinigung  der 
ganzen  Dicke  der  Bauchwand  durch  durchgreifende  Nähte 
schwierig,  so  dass  für  diese  Fälle  die  Naht  der  Bauchwand 
excl.  Panniculus  adiposus  und  Haut  in  Anwendung  gebracht 
werden  muss.  (Nr.  11,  Nr.  33,  Nr.  101).  Ich  möchte  aber  raten, 
die  Fäden  nicht  zu  versenken,  son- 
dern lang  zu  lassen,  damit  man  sie 
bequem  nachträglich  entfernen  kann. 
Denn  kommt  es  bei  völliger  Ver- 
senkung zu  einer  eitrigen  Aus- 
stossung  der  Fäden,  so  dauert  das 
gewöhnlich  sehr  lang  und  stellt  die 
Geduld  des  Arztes  und  des  Patienten 
auf  eine  harte  Probe. 

Es  ist  gewiss  ein  anerkennens- 
wertes Bestreben,  eine  Hernie  nach 
einer  Gallensteinoperation  zu  ver- 
meiden, aber  ich  glaube  nicht,  dass 
eine  Etagennaht  in  dieser  Beziehung 
grössere  Vorteile  bietet,  wie  eine 
Durchstichknopfnaht.  Die  Haupt- 
sache wird  sein,  dass  man  die  Stelle 
der  Bauchwand,  durch  welche  die 
Tampons  durchgeleitet  werden,  an 
einen  möglichst  günstigen  Platz  legt 
und  das  Loch  zum  Durchtritt  nicht 
allzusehr  klaffen  lässt.  Andererseits 
ist  es  aber  grundfalsch,  wenn  man  nur 

die  mögliche  Hernie  im  Auge  hält  und  dabei  die  gehörige  Ver- 
sorgung der  Wunde  durch  Tampons  vernachlässigt.  Richtige 
Hernien,  d.  h.  solche,  bei  denen  beim  Pressen  und  Husten  Netz 
und  Darm  in  einen  Bruchsack  in  der  Narbe  sich  vorpressen, 
sind  grosse  Seltenheiten.  „Weiche"  Stellen  in  der  Narbe  ent- 
stehen häufig,  aber  diese  schützt  eine  Bauchbincje,  die  eine 
richtige  Hernie  so  leicht  nicht  entstehen  lässt. 

Bei  dem  von  mir  geübten  Wellenschnitt  habe  ich  bis  vor 
kurzem  die  Bauchwunde  im  Längsschnitt  in  der  Linea  alba  und 


—     94     — 

im  äusseren  Teil  des  Rectus  fast  stets  völlig  geschlossen  und  die 
Tampons  an  der  Stelle  herausgeleitet,  wo  der  Muskel  schräg 
durchschnitten  wurde.  (Fig.  30.)  Man  kann  auch  —  wie  ich  jüngst 
öfters  vorging  (Nr.  27)  — ,  den  Muskel  ganz  vernähen  und  die 
Tampons  in  der  Mittellinie  herausleiten.  Welche  Art  der  Bauch- 
wandnaht in  Bezug  auf  eine  Hernienbildung  bessere  Resultate 
gibt,  ist  abzuwarten.  Ich  glaube,  dass  der  zweite  Modus  fast 
stets  kleine  Hernien  erzeugt,  die  aber  den  Kranken  kaum  oder 
gar   nicht  belästigen  werden. 

Einige  Chirurgen  haben  die  vordere  Bauch  wunde  ganz 
genäht  und  die  nötige  Tamponade  durch  einen  Lumbaischnitt 
nach  aussen  und  hinten  geleitet.  Sie  haben  dabei  den  Vorteil  aus- 
genutzt, dass  die  Wundsekrete  nicht  „den  Ber^  hinauf"  zu  laufen 
brauchen,  sondern  an  tiefster  Stelle  abgeleitet  werden.  Das  ist 
gewiss  von  Vorteil.  Aber  man  muss  einen  neuen  Schnitt  machen, 
und  was  besonders  gegen  diese  Art  der  Tamponade  spricht : 
man  unterbindet  sich  die  Möglichkeit,  während  der  Nachbe- 
handlung irgendwelche  sekundäre  Eingriffe  z.  B.  am  Choledochus 
vornehmen  zu  können.  Ich  bin  mit  meiner  Art  der  Tamponade 
völlig  zufrieden  und  habe  nie  das  Bedürfnis  gefühlt,  die  Ab- 
leitung der  Sekrete,  wie  Kelling*)  will,  durch  „Aspirations- 
drainage"  zu  besorgen.  Wozu  diese  komplizierten  Massnahmen, 
wenn  es  gelingt,  auf  einfacherem  Weg  dasselbe  Ziel  sicher  zu 
erreichen  ? 

9)  Die  Indikationen  und  Contraindikationen  bei 
Gallensteinoperationen. 

Ohne  strenge  und  strikte  Iiidikationsstelluiig'  verliert  auch 
die  beste  Operationstechnik  ihren  Wert;  der  Arzt  sinkt  zum 
Handwerker  herab,  dessen  Fingerfertigkeit  wir  zwar  bewun- 
dern können,  der  aber  nicht  verlangen  kann,  dass  man  ihm  die 
Achtung  entgegenbringt,  die  ein  wissenschaftlicher  Arzt  for- 
dern kann.  Auch  der  „Gallensteinschneider"  soll  ein  wissen- 
schaftlicher Arzt  sein,  tüchtig  und  angesehen  in  der  Diagnose 
und  in  der  Indikationsstellung. 

Von  der  Gallensteinchirurgie  gilt  dasselbe  wie  von  der 
Hirnchirurgie,  von  welcher  der  excellente  deutsche  Meister, 
Ernst  von  Bergmann  die  beherzigenswerten  Worte 
in  seinem  klassischen  Werke  „Die  chirurgische  Behandlung  der 

*j  Centralbl.  für  Chir.  1904  Nr.  4. 


—     95     - 

Hirnkrankheiten"  niedergelegt  hat:  „Man  ist  heut  zu  Tage 
leicht  geneigt,  indem  man  den  blutigen  Eingriff  für  gefahrlos 
und  irrelevant  hält,  aufzumeiseln  und  einzuschneiden,  um  nach- 
zusehen, ob  man  nicht  trotz  aller  Bedenken  und  Unsicherheit 
der  Diagnose  doch  noch  ein  zu  entfernendes  Krankheitsprodukt 
findet,  mit  anderen  Worten,  man  ist  geneigt  zu  wagen,  ohne 
zu  erwägen,  was  des  Wagnisses  Lohn  und  Endzweck  sein  soll. 
Ich  glaube  den  Inhalt  der  Chirurgie  nicht  zu  kürzen,  wenn  ich 
in  den  nachstehenden  klinischen  Studien  zunächst  die  Beding- 
ungen aufsuche,  unter  welchen  der  chirurgische  Eingriff  gute, 
ja  die  besten  Chancen  des  Gelingens  besitzt,  und  mich  dann 
darauf  beschränke,  nur  für  diese  Fälle  die  Opeiation  zu  era- 
pfehh^n.  Gewiss  lasse  ich  dabei  viele  Fälle  zur  Seite,  die 
durch  einen  glücklichen  Griff  noch  hätten  operiert  werden  können. 
Aber  ich  möchte  dem  Würfeln  um  das  Glück,  dem  blinden  Zu- 
lall nicht  überlassen,  was  der  ausschliessliche  Erwerb  einer 
kritisch  gesicherten  Erfahrung  und  strengen  wissenschaftlichen 
Prüfung  sein  sollte.  Wenn  das  Sichbesinnen  zunächst  nur  auf 
ein  Sichbeschränken  führt,  so  ist  es  doch  sicher,  dass  eine 
kluge  Einschränkung  das  beste  Mittel  zum  Eeichtume  ist,  und 
dass  Verständnis,  Vorsicht  und  planmässiger  Erwerb  allein  den 
bleibenden  Gewinn  verbürgen.  Ich  hoffe  auch  für  die  Hirn- 
chirurgie Vieles  und  Grosses,  wenn  ich  zunächst  nur  wenige 
und  ausgewählte  Fälle  ihrer  Tätigkeit  empfehle.  Der  Erfolg, 
dessen  sie  sich  im  engeren  Kreise  versichert,  wird  ihres  Reiches 
Mehrer  sein." 

Gewiss  ist  die  Möglichkeit  durch  operative  Eingriffe  zu 
helfen  auf  dem  Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  viel  grösser 
wie  auf  dem  der  Hirnchirurgie;  aber  in  Bezug  auf  die  Indi- 
kationsstellung ist  auch  hier  eine  weise  Beschränkung  nur  da- 
zu angetan,  die  Zahl  der  Erfolge  zu  vermehren  und  statt 
zweifelhafter  „Besserungen"  volle  und  unangreifbare  Erfolge 
zu  erzielen.  — 

Schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  werden  die  Indikationen 
zu  einer  Gallensteinoperation  sehr  verschieden  gestellt.  Im  all- 
gemeinen kann  man  sagen,  dass  die  inneren  Ärzte  meist  sehr 
zurückhaltend  sind,  die  Chirurgen  sich  aber  gerade  umgekehrt 
verhalten,  d.  h.  für  häufigeres  Operieren  stimmen.  Ein  bos- 
hafter Mensch  hat  einmal  die  ebenso  boshafte  Bemerkung  ge^ 
macht,  manche  Chirurgen  richteten  sich  bei   ihrer  Indikations- 


—  Ge- 
stellung nach  der  Beschaffenheit  des  Geldbeutels  ihrer  Patienten. 
Arme  werden  mit  Karlsbader  Salz,  Reiche  mit  dem  Messer  be- 
handelt. Solche  „Finanzoperationen*^  kann  nur  ein  gewissenloser 
Mensch  vornehmen  ,  der  gewissenhafte  Arzt  wird  gerade  um- 
gekehrt verfahren.  Bei  Reichen,  die  sich  alle  möglichen  Kuren 
in  Sanatorien,  Badeorten  etc.  wählen  können,  ist  eine  Operation 
nicht  so  notwendig  wie  bei  Armen,  bei  denen  die  Operation  am 
schnellsten  die  nötige  Gesundheit  und  Arbeitskraft  wieder  her- 
stellt. Es  dürfte  also  die  in  den  letzten  Jahren  sich  geltend 
machende  Häufigkeit  der  Operation  bei  der  Cholelithiasis  wohl 
kaum  darauf  zurückzuführen  sein,  dass  die  chirurgische  Be- 
handlung der  .Gallensteinkrankheit  ein  „einträglicheres"  Geschäft 
ist,  wie  die  medikamentöse.  Ein  Chirurg,  der  lediglich  das 
Wohlergehen  seiner  Patienten  im  Auge  hat,  hat  gewiss  andere 
Gründe,  warum  er  so  oft  eine  Operation  empfiehlt  und  von  den 
Ansichten  der  inneren  Kollegen  abweicht. 

Ich  habe  mir  oft  die  Frage  vorgelegt,  woher  es  kömmt,  dass 
so  viele  innere  Ärzte  sjch  dem  Chirurgen  gegenüber  geradezu  feind- 
lich verhalten,  und  wenn  ich  auch  keine  volle  Antwort  auf  diese 
Frage  geben  kann,  so  glaube  ich  doch,  dass  die  Gründe  zu  dem  ab- 
weichenden Verhalten  besonders  im  Folgenden  zu  suchen  sind : 

Der  praktische  Arzt  und  der  Chirurg  betrachten  sich  von 
vornherein  oft  als  Konkurrenten  bei  der  Behandlung  einer  Krank- 
heit. Der  innere  Arzt  beneidet  den  Chirurgen  wegen  der  Er- 
folge, die,  weil  sie  offenkundig  zu  Tage  treten,  vom  Publikum 
viel  leichter  verstanden  werden,  wie  die  mühsamen  und  oft  nur 
langsam  von  Erfolg  gekrönten  Bemühungen  des  Internen.  Eine 
Art  von  Eifersucht  stellt  sich  ein,  die  die  kollegialen  Be- 
ziehungen untereinander  untergräbt  und  zerstört.  Der  Chirurg 
ist  dabei  oft  daran  schuld,  dass  ihn  sein  innerer  Kollege  nur 
in  ganz  dringender  Not  zitiert. 

Es  kommt  dazu,  dass  der  innere  Arzt  auf  Grund  seiner 
Kenntnisse,  Erfahrungen  und  seines  Naturells  eine  ganz  andere 
Indikationsstellung  verfolgt,  wie  der  Chirurg.  Was  der  prak- 
tische Arzt  gelernt  hat,  verdankt  er  dem  Studium  der  Bücher, 
der  Beobachtung  am  Krankenbett,  dem  Ergebnis  der  von  ihm 
vorgenommenen  Sektionen.  Die  Autopsie  in  vivo  kommt  ihm 
selten  zu  gute,  und  gerade  bei  der  Cholelithiasis  und  Appen- 
dicitis  ist  der  Wert  derselben  ausserordentlich  gross.  Wer  Ge- 
legenheit  hatte,    100  Gallensteinoperationen   beizuwohnen,  be- 


—     97     — 

kommt  von  der  Krankheit  einen  ganz  andern  Begriff,  er  erlernt 
eine  ganz  andere  Indikationsstellung,  und  so  erklären  sich  die 
häufig  widersprechenden  Ansichten  über  die  Art  der  Behand- 
lung bei  den  Vertretern  der  Medizin  und  Chirurgie.  Ich  will 
damit  keineswegs  behaupten,  dass  der  Chirurg  in  allen  Fällen 
Recht  haben  und  bekommen  muss.  Ganz  im  Gegenteil:  wir  er- 
leben es  ja  noch  heute,  wie  bei  der  Appendicitis  und  Chole- 
lithiasis  Chirurgen  in  Extreme  verfallen  können,  die  nicht  dazu 
angetan  sind,  die  Kluft  zwischen  Medizin  und  Chirurgie  zu 
überbrücken  und  auszufüllen,  vielmehr  manchen  inneren  Arzt 
verleiten,  auf  die  „extremen  Chirurgen"  die  volle  Schale  ihres 
Zorns  auszugiessen. 

Es  ist  auch  gar  nicht  zu  verlangen,  dass  die  praktischen 
Ärzte  zur  Chirurgie  Vertrauen  fassen  sollen,  wenn  die  Opera- 
teure selbst  im  eigenen  Lager  uneinig  sind  und  sich  über  die 
Indikationen  z.  B.  bei  der  Appendicitis  nicht  einigen  können. 
Kann  man  es  ihnen  verargen,  wenn  sie  grundsätzlich  keinen 
frischen  Fall  von  Appendicitis  operieren  lassen  und  die  Operation 
so  lange  wie  möglich  hinausschieben  ?  In  Amerika,  wo  die 
Frühoperation  bereits  festen  Fuss  gefasst  hat,  ist  es  gewiss 
Vor  wenigen  Jahren  nicht  viel,  anders  gewesen. 

Übrigens  mehrt  sich  bei  uns  die  Zahl  derjenigen,  die  die- 
selbe Indikationsstellung  wie  jenseits  des  atlantischen  Ozeans 
vertreten.  Ja,  Karewski  fordert  die  Operation  womöglich 
vor  dem  Anfall,  Körte,  Israel,  Rotter,  die  früher  alle  kon- 
servativ sich  verhielten,  haben  sich  den  Anschauungen  Reh  n 's, 
Riedel's  und  Sprenge l's,  sobald  wie  möglich  zu  operieren,  an- 
geschlossen. 

Die  genannten  Chirurgen  sind  auf  Grund  ihres  Materials  An- 
hänger der  Frühoperation  geworden;  aber  wenn  man  Kümmell, 
dem  das  grosse  innere  und  chirurgische  Material  des  Ham- 
burger Krankenhauses  zur  Verfügung  steht,  nach  seinen  Indi- 
kationen fragt,  so  wird  man  erfahren,  dass  er  ziemlich  kon- 
servativ ist.  Und  fragt  man  die  praktizierenden  inneren  Arzte 
nach  der  Operation  bei  der  Appendicitis,  so  wird  man  die  Ant- 
wort erhalten:  Ich  habe  von  100  Appendicitiskranken  nur  in  ein 
oder  zwei  Fällen  die  Operation  nötig  gehabt,  alle  übrigen  sind 
ohne  Operation  geheilt.  Ich  habe  kürzlich  mit  zwei  Kollegen 
Rücksprache  genommen,  von  denen  der  eine  eine  grosse  Stadt- 
praxis  und   der   andere   eine   grosse   Landpraxis   hat,  und  die 

Kehr,  Technik  der  Galleusteinoperationen.    I.  ' 


■^     98     — 

beide  tüchtige  Diagnostiker  sind,  so  dass  eine  Fehldiagnose  so 
gut  wie  ausgeschlossen  ist.  Beide  haben  ca.  90  Fälle  von 
Appendicitis  gesehen,  und  während  der  eine,  der  Landarzt 
keinen  einzigen  Fall  für  operationsreif  hielt,  hat  der  andere 
einmal  operieren  lassen,  in  allen  übrigen  Fällen  trat  Heilung 
ein.  Es  ist  bedauerlich,  dass  solche  Kollegen  mit  ihren  Er- 
fahrungen nicht  hervortreten :  Chirurgen  publizieren  genug  auf 
dem  Gebiete  der  Appendicitis,  auch  die  Direktoren  innerer 
Abteilungen  von  Krankenhäusern  beteiligen  sich  lebhaft  an  der 
Diskussion.  Beide  sehen  in  der  Mehrzahl  nur  die  schweren 
Fälle.  Die  Patienten  der  Privatpraxis  lassen  sich  von  ihren 
Hausärzten  behandeln  —  das  sind  meist  leichte  Fälle.  Aber 
diese  muss  man  doch  auch  mitrechnen,  wenn  man  ein  richtiges 
Bild  von  der  Krankheit  bekommen  will. 

Auch  bei  der  Cholelithiasis  ist  es  nicht  angängig^  wenn 
der  praktische  Arzt  allein  auf  Grund  der  Erfahrungen,  die  er 
an  vorwiegend  leicht  verlaufenen  Fällen  gesammelt  hat,  seine 
Indikationen  aufstellt,  und  ebenso  ist  es  verkehrt,  wenn  der 
Chirurg,  der  vorwiegend  nur  schwere  Fälle  in  die  Hände  be- 
kommt, immer  für  operative  Behandlung  stimmt.  Wir  müssen 
die  leichten,  die  mittelschweren  und  die  schweren  Fälle  zu- 
sammen im  Auge  haben,  wenn  wir  die  Gefährlichkeit  der 
Krankheit  richtig  beurteilen  und  eine  richtige  Behandlung  ein- 
leiten wollen. 

Man  kann  nicht  behaupten,  dass  bei  der  Aufstellung  der 
Indikationen  zur  Behandlung  der  Cholelithiasis  die  Ärzte  immer 
nach  diesen  Grundsätzen  handeln.  So  möchte  z.  B.  Riedel 
am  liebsten  jeden  Stein  entfernen,  ehe  er  in  die  tiefen  Gallengänge 
gerät.  Nach  seiner  Meinung  ist  die  Beseitigung  der  Gallen- 
blasensteine leicht,  die  der  Choledocbussteine  schwer;  man  soll 
aus  dem  lokalen  Leiden,  der  Entzündung  der  Gallenblase,  kein 
allgemeines,  die  Cholangitis,  werden  lassen.  Auch  wegen  der 
Möglichkeit  einer  Carcinombildung  in  der  durch  die  Steine  ge- 
reizten Gallenblase  ist  Riedel  ein  Anhänger  der  Frühoperation. 
Ganz  rechts  stehen  solche  Ärzte,  die  nur  aus  vitaler  In- 
dikation eingegriffen  haben  wollen,  also  bei  Perforation  der 
Gallenblase,  bei  akuter  Cholecystitis  schwersten  Grades,  bei 
septischer  Cholangitis.  Sie  schieben  die  Operation  so  lange 
hinaus,  bis  es  klar  ist,  dass  bei  längerem  Zuwarten  der  tödliche 
Ausgang  unausbleiblich  ist.  — 


—     99     — 

Zwischen  diesen  Extremen  bewegt  sich  auf  der  goldenen 
Mittelstrasse  jetzt  wohl  die  Mehrheit  der  Ärzte.  Sie  verwerfen 
nicht  die  medikamentöse  Behandlung  und  die  Kur  in  Karlsbad 
und  Neuenahr  und  raten  zur  Operation,  wenn  innere  Kuren 
erfolglos  waren,  die  Krankheit  von  vornherein  so  auftritt, 
<lass  nur  eine  Operation  helfen  kann  (z.  B.  beim  Empyem 
der  Gallenblase),  Erwerbsfähigkeit  und  Lebensfreude  in 
höchstem  Masse  gestört  sind. 

Es  ist  verwunderlich,  welche  Unklarheit  noch  auf  dem  Ge- 
biete der  Indikationsstellung  zum  operativen  Eingriff  bei  der 
Gallensteinkrankheit  herrscht,  und  wie  leicht  manche  Chirurgen 
diese  wichtige  Angelegenheit  erledigen.  So  stand  v.  Wini- 
warter  früher  auf  dem  Standpunkt,  dass  man  die  Gallensteine 
operativ  angreifen  sollte,  sobald  die  Diagnose  gesichert  sei 
(ich  glaube,  dass  der  vortreffliche  Chirurg  jetzt  anderer  Meinung 
ist),  und  „Mayo  Robson  operiert  stets  dann  bei  Gallensteinen, 
wenn  ihre  Gegenwart  sich  unangenehm  bemerkbar  macht". 
So  wenigstens  lautet  das  Referat  in  der  Münchener  med. 
Wochenschrift  1903,  Nr.  12,  die  Originalarbeit  Mayo  Robson's 
habe  ich  nicht  eingesehen.  Kocher  sagt  über  die  Indikationen 
zur  Gallensteinoperation  folgendes:  „Die  Indikationen  zu  Opera- 
tionen an  der  Gallenblase  werden  sehr  verschieden  gefasst. 
Die  Hauptindikation  bildet  die  Cholelithiasis,  und  diejenigen 
Chirurgen  fahren  weitaus  am  besten,  welche  bei  jeder  Choleli- 
thiasis ohne  weiteres  die  Operation  für  indiziert  halten.  So 
erhält  man  schöne  Resultate,  und  es  ist  zweifellos,  dass  eine 
Beseitigung  der  Steine  in  der  Gallenblase  wie  in  anderen  Or- 
ganen nur  auf  diese  Weise  rasch  und  sicher  zu  bewerkstelligen 
ist.  Wir  würden  aber  doch  nicht  so  weit  gehen,  zu  sagen,  die 
Gallensteine  gehören  dem  Chirurgen.  Sie  gehören  zunächst  dem 
Patienten,  und  wenn  er  es  vorzieht,  sie  zu  behalten  und  Karls- 
bader Wasser  dazu  zu  trinken,  so  ist  das  sein  Recht,  das  be- 
kanntlich auch  von  sehr  operationslustigen  Chirurgen  in  Anspruch 
genommen  wird,  wenn  sie  selber  Gallensteine  bekommen.  Und 
wenn  es  ein  Patient  darauf  ankommen  lässt,  die  Steine  per  vias 
naturales  sich  unter  Qual  und  Schmerz  durcharbeiten  zu  lassen, 
so  ist  das  ebenfalls  sein  Privatvergnügen.  Aber  dazu  hat  der 
Chirurg  gegenwärtig  sicherlich  das  Recht,  einem  Patienten  mit 
Gallensteinen  zu  sagen,  dass  er  durch  Operation  rasch  und 
sicher  von  seinem  Leiden  geheilt    und  rascher  und  sicherer  vor 

7' 


—     100     — 

späteren  Gefahren  bewahrt  werden  könne,  als  mit  jeder  andern 
Behandlung." 

Ich  habe  mich  sehr  gewundert,  als  ich  diese  Bemerkungen 
über  die  Indikationen  zu  Gallensteinoperationen  in  der  Operations- 
lehre von  Kocher  las.  Mit  demselben  Rechte  könnten  wir 
doch  auch  sagen :  auch  der  Kropf,  der  kranke  Wurmfortsatz,  die 
Blasen-  und  Nierensteine  gehören  zunächst  dem  Patienten,  und 
wenn  er  es  vorzieht,  beim  Kropf  Jodkali  einzunehmen,  bei  der 
Appendicitis  Massage  des  Abdomens  zu  verwenden ,  bei  Nieren- 
steinen Urotropin  zu  schlucken  und  bei  Magenkrebs  Condurango- 
wein  zu  trinken,  so  ist  das  sein  Recht.  Ich  glaube  nicht,  dass 
Kocher  solche  Ansichten  des  Kranken  billigt,  jedenfalls  kommen 
wir  auf  diese  Weise  nicht  weiter.  Es  ist  ja  richtig,  dass  ge- 
rade bei  der  Cholelithiasis  sehr  oft  der  Patient  selbst  die  In- 
dikation zur  Operation  stellt  und  diese  besonders  von  der  Art 
der  Schmerzen  abhängig  macht.  Auch  die  soziale  Stellung,  die 
Auffassung,  die  der  Mensch  vom  Wert  der  Gesundheit  und  des 
Lebens  überhaupt  hat,  kommen  dabei  in  Betracht.  Wer  gern 
arbeitet  und  sein  Brot  durch  seiner  Hände  Arbeit  verdienen 
muss,  will  gern  gesund  werden :  ein  solcher  entschliesst  sich 
eher  zur  Operation  wie  die  reiche  Frau,  die  den  ganzen  Tag 
auf  der  Chaiselongue  liegt,  sich  schonen  und  von  Karls- 
bad nach  Neuenahr,  von  Tarasp  nach  Vichy  reisen  kann.  Der 
eine  sagt:  „Lieber  sterben,  als  ewig  diese  Koliken  aushalten!", 
der  andere  lässt  sich  Morphium  einspritzen  und  entschliesst 
sich  erst  dann  zur  Operation,  wenn  das  Leben  in  die  höchste 
Gefahr  gerät.  Die  menschlichen  Naturen  sind  so  verschieden 
geartet,  dass  man  Leute  findet,  die  wegen  einer  Kolik  von  einer 
Operationsfreudigkeit  ergriffen  werden,  die  jeden  in  Erstaunen 
setzen  muss ,  während  andere  wieder  in  ihrer  Angst  vor 
Narkose  und  Messer  sich  überhaupt  nicht  entschliessen  können, 
zum  Chirurgen  zu  gehen.  Ich  habe  stets  die  Erfahrung  ge- 
macht, dass  sich  das  schwache  Geschlecht  in  dem  Entschluss 
zur  Operation  stärker  zeigte,  wie  der  starke  Mann !  Über 
die  Gründe  dieses  verschiedenen  Verhaltens  mag  der  Leser 
selbst  nachdenken.  Mit  allen  diesen  Eigentümlichkeiten  der 
Patienten  müssen  wir  Ärzte  natürlich  rechnen;  in  erster 
Linie  stellen  wir  aber  die  Indikationen  zur  Operation 
auf  Grund  der  pathologisch-anatomischen  Veränderungen, 
die  sich    am    Gallensystem    abspielen;    wir  sollen  durch   die 


—     101     — 

Anamnese  und  durch  unsere  diagnostischen  Fähigkeiten  er- 
gründen, ob  Hydrops  oder  Empyem,  Cholecystitis  oder  Cho- 
langitis vorliegt,  ob  die  Steine  in  der  Gallenblase,  im  Cysticus 
oder  Choledochus  stecken,  und  wir  werden  in  dem  einen  Falle 
operieren,  in  dem  andern  medikamentös  behandeln.  Wer  also 
die  Indikationen,  nach  denen  Gallensteine  Objekt  chirurgischen 
Eingreifens  werden,  festsetzen  will,  muss  vor  allen  Dingen 
wissen,  wie  die  Cholelithiasis  verläuft,  er  muss  die  pathol. 
Anatomie  der  Krankheit  genau  kennen.  Wem  solche  Kennt- 
nisse fehlen,  der  kann  in  dieser  Frage  nicht  mit  diskutieren  und 
sollte  sich  über  die  Indikationen  zur  Operation  kein  Urteil  er- 
lauben. Viele  Ärzte  sind,  w^orauf  ich  schon  oben  hinwies,  in 
dieser  Beziehung  nicht  genau  unterrichtet,  weil  sie  nie  Gelegen- 
heit hatten,  die  pathol.  Anatomie  an  der  Leiche  zu  studieren ; 
der  Chirurg  hat  den  Vorteil,  dass  er  seine  Kenntnisse,  die  er 
am  Sektionstisch  erworben  hat,  am  Operationstisch  erweitern 
kann.  Er  ist  heutzutage  ein  besserer  Kenner  der  pathol. 
Anatomie  der  Cholelithiasis  wie  sein  innerer  Kollege.  Und  doch 
sehen  wir  oft  genug,  dass  gerade  Ärzte,  die  nie  in  ihrem  Leben 
eine  Gallensteinoperation  gesehen  und  sehr  selten  zu  einer  Sektion 
Gelegenheit  haben,  in  der  Indikationsstellung  das  grosse  Wort 
haben  und  sich  ein  Urteil  erlauben,  über  welches  der  Chirurg 
als  Kenner  der  pathol.  Anatomie  der  Cholelithiasis  sich  gar  nicht 
genug  wundern  kann.  Es  ist  ganz  unglaublich,  wie  selten  die 
richtige  Diagnose  in  den  einzelnen  Fällen  von  Gallensteinen 
gestellt  und  wie  selten  deshalb  auch  die  richtige  Entscheidung, 
ob  Operation  oder  nicht,  getroffen  wird. 

Es  würde  den  Rahmen  dieses  Buches  weit  überschreiten, 
wenn  ich  eine  ausführliche  und  spezielle  pathol.  Anatomie  der 
Gallensteinkrankheit  schreiben  wollte.  Nur  was  wir,  um 
meine  Tndikationsstellung  zu  verstehen,  absolut  wissen 
müssen,  sei  hier  vorgebracht.  Ich  werde,  um  Wiederholungen 
zu  vermeiden,  gleich  bei  der  Besprechung  der  Indikationen  das, 
was  wir  über  die  pathol.  Anatomie  wissen  müssen,  vorbringen. 

Der  Stein  in  der  Gallenblase  ist  an  und  für  sich  ein  ziemlich 
harmloses  Gebilde.  Einen  grossen  Stein  findet  man  gelegentlich 
bei  einer  aus  anderen  Gründen  indizierten  Laparotomie,  ohne  dass 
jemals  der  Fat.  irgend  etwas  von  seinem  Fremdkörper  gefühlt 
hätte:  er  hatte  weder  Schmerzen  noch  Gallenblasenschwellung.  Mit 
einem  Wort,  der  Stein  verhält  sich  ruhig,  er  verharrt  im  Stadium 


—     102     — 

der  Latenz.  Die  Galle  fliesst  durch  den  offenen  Cysticus  ruhig- 
ein,  umspült  den  Stein  und  fliesst  wieder  ab.  So  lange  also 
der  Ductus  cysticus  resp.  der  Hals  der  Grallenblase  durchgängig- 
ist,  fehlen  irgend  welche  Symptome.  Erst  wenn  diese  sich 
verlegen,  kommt  es  zu  Erscheinungen.  Durch  meine  zahlreichen 
Operationen  habe  ich  feststellen  können,  dass  bei  der  Chole- 
lithiasis,  die  sich  in  der  Gallenblase  abspielt,  der  Hals  des 
Organs  in  pathologisch-anatomischer  Beziehung  am  meisten  be- 
troffen wird.  Hier  liegt  sehr  oft  bei  seröser  oder  eitriger  Ent- 
zündung der  Gallenblase  ein  grösserer  Stein  (Riedels'  Schluss- 
stein), verursacht  Oedem  und  Verdickung  der  Schleimhaut, 
Muskularis  und  Serosa  und  verhindert  den  Abfluss  des  in  der 
Gallenblase  sich  stauenden  Sekrets.  Auch  Törnquist  wid- 
met dem  Hals  der  Gallenblase  in  seiner  ausgezeichneten  Arbeit, 
die  besonders  die  pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis 
neben  bakteriologischen  und  histologischen  Fragen  berücksich- 
tigt, volle  Aufmerksamkeit  Es  würde  zu  weit  führen,  wenn 
ich  so  ausführlich  wie  Törnquist  die  pathologische  Anatomie 
der  Gallensteinkrankheit  besprechen  wollte,  deshalb  verweise 
ich  den  Leser  auf  dessen  vortreffliche  Arbeit  und  begnüge  mich 
im  Folgenden  mit  den  wichtigsten  Angaben.  Es  steht  fest, 
dass  VerSchliessung  des  Cysticus,  wenn  sie  allmählich  vor  sich 
geht,  keine  Schmerzen  zu  machen  braucht  (z.  B.  beim  Carci- 
nom  des  Ductus  cysticus),  und  ebenso  steht  fest,  dass  eine  In- 
fizierung des  Gallenblaseninhalts  ohne  Verschliessung  des  Cysti- 
cus vom  Organismus  fast  ohne  Reaktion  vertragen  wird.  Plötz- 
licher Verschluss  des  Cysticus  aber  bei  gleichzeitiger  In- 
fektion des  Gallenblaseninnern  führt  zur  Cholecystitis  leich- 
ten oder  schweren  Grades  je  nach  Art  der  Infektion  und 
der  Menge  der  Infektionskeime.  Bei  Verschluss  des  Cysticus 
staut  sich  der  Gallenblaseninhalt  und  zersetzt  sich  unter  der 
Einwirkung  der  Mikroorganismen,  die  Gallenblasenwände  werden 
gedehnt  und  dadurch  bekommt   der  Patient  Schmerzen.*)     Auf 


*)  Der  Schmerz  bei  der  Cholelithiasis  beruht  sieher  nicht  darauf, 
dass  der  Stein  direkt  die  Schleimhaut  lädiert.  Die  Wandung  der  Gal- 
lenblase besitzt  keine  sensiblen  Nerven.  Auch  die  akute  Dehnung 
der  Gallenblase  durch  sich  stauendes  Sekret  kann  aus  demselben  Grunde 
keine  Schmerzen  machen.  Nach  Wilms  (Münchn.  med.  Wochen- 
schrift 1904,  No.  31)  werden  die  Schmerzen  hervorgerufen  durch  Zug 
und  Zerrung  der  gedehnten  Gallengänge  au  ihrer  Fixationsstelle,  wo- 


—     103     — 

welche  Weise  die  Infektion  erfolgt  (durch  den  Choledochus  und 
Cysticus,  auf  dem  Weg  der  Blutbahn)  zu  untersuchen,  würde  zu 
weit  führen,  der  Stein  als  solcher  bildet  jedenfalls  nur  die  Ge- 
legenheitsursache. Eine  Cholecystitis  ohne  Infektion  (Riedel) 
kann  ich  nicht  anerkennen.  Fand  man  in  Fällen  von  Cholecystitis 
calculosa  keine  Bakterien,  so  dürften  ungenügende  Untersuch- 
ungsmethoden daran  Schuld  sein,  oder  der  Infekt  war  bereits 
erloschen,  als  der  Operateur  den  Eingriff  vornahm.  Die  Chole- 
cystitis ist  entweder  serös  oder  eitrig,  selten  hämorrhagisch; 
sie  kann  jauchig  werden  oder  diphtherischen,  nekrotisierenden 
und  gangränösen  Charakter  annehmen.  Die  Cholecystitis  wird 
zur  Peri Cholecystitis,  wenn  der  Entzündungsprozess  aus  dem 
Innern  der  Gallenblase  auf  die  Serosa  der  Gallenblase 
übergreift.  Es  entsteht  eine  lokale  Peritonitis  bald  seröser,  bald 
eitriger  Natur.  Das  Exsudat  kann  resorbiert  wei'den  oder  sich 
abkapseln,  als  Reste  der  Entzündung  bleiben  ringsum  Ver- 
wachsungen, die  die  Gallenblase  mit  den  Nachbarorganen  in 
Verbindung  bringen.  Die  Gallenblasenentzündung  heilt  aus, 
wenn  der  Cysticus  wieder  wegsam  wird,  oder  wenn  die  Gallen- 
blase in  den  Darm,  Magen  etc.  durchbricht.  Die  Entstehung 
intraperitonealer  Abscesse  und  allgemeiner  Perforations-Perito- 
nitis  bedarf  keiner  besonderen  Erklärung;  ich  will  nur  erwäh- 
nen, dass  auch  ohne  Perforation  eine  eitrige  Pericholecystitis, 
ja  sogar  eine  allgemeine  eitrige  Peritonitis  entstehen  kann.  Fast 
immer  verschliesst  bei  der  Cholecystitis  ein  Stein  den  Cysticus 
resp.  den  Hals  der  Gallenblase,  hier  kommt  es  zur  ülceration  mit 
zuweilen  nachfolgender  Obliteration.  Aber  auch  ohne  Stein  kann 
lediglich  durch  die  Einwirkungen  der  Mikroorganismen  (Typhus) 
eine  Cholecystitis  zu  Stande  kommen.  Nicht  selten  ist  die 
Cholecystitis  die  erste  Äusserung  der  Cholelithiasis.  War  der 
Stein,  der  im  Hals  der  Gallenblase  sass,  klein,  so  kann  er  von 
dem  in  der  Gallenblase  sich  ansammelnden  Exsudat  weiter  in 
den  Choledochus  gepresst  werden.  Ob  ohne  Entzündung  ledig- 
lich durch  die  Muskelkräfte  der  Gallenblasenwand  eine  Aus- 
treibung der  Steine  zu  Stande  kommen  kann,  ist  fraglich.  Man 
tut  gut,   auch   für  diese  Fälle  eine  Entzündung  ganz  geringen 


mit  eine  Zerrung  der  dort  verlaufenden  sensiblen  Nerven  verbunden 
ist.  In  einer  Technik  der  Gallensteinoperationen  ist  kein  Platz,  die 
interessante  Frage  der  Entstehung  der  Gallensteinkolik  weiter  zu 
erörtern. 


_     104     — 

Grades  anzunehmen.  Doch  lasse  ich  diese  Frage  offen.  War 
der  Stein  gross,  so  wird,  er  nicht  in  den  Choledochus  gelangen. 
Die  Cholecystitis  kann  aber  trotzdem  ausheilen,  wenn  die  Schleim- 
haut im  Cysticus  resp.  Hals  der  Gallenblase  abschwillt,  der 
Stein  sich  lockert  und  daneben  der  Inhalt  der  Gallenblase  ab- 
fliessen  kann,  oder  wenn  die  Gallenblase  eine  fistulöse  Verbin- 
dung mit  Magen,  Darm  etc.  eingeht. 

Es  fragt  sich  nun,  in  welchen  Fällen  von  Cholecystitis  man 
operieren  'soll  ? 

Eine  Cholecystitis  kann  leicht  beginnen  und  schnell  ver- 
schwinden, sie  kann  aber  schwer  endigen,  d.  h.  der  Gallenblasen- 
inhalt kann  eitrig  werden,  und  auch  ohne  Perforation  kann  all- 
gemeine Peritonitis  (Potain),  Toxicämie  und  Septicämie  eintreten. 
Da  man  nun  in  keinem  Fall  vorher  wissen  kann,  wie  die  Chole- 
cystitis verlaufen  wird,  so  hat  Riedel  genau  wie  bei  der 
Appendicitis  die  frühe  Operation  empfohlen.  Gegen  diese  In- 
dikation lässt  sich  einwenden,  dass  die  allermeisten  Cholecys- 
titisanfälle  leicht  verlaufen  und  nur  wenige  einen  schweren 
Charakter  annehmen.  Die  Regel  ist  Zurückgehen  der  entzünd- 
lichen Erscheinungen,  und  deshalb  kann  man  in  der  Regel  bei 
Cholecystitis  auch  abwarten.  Operiert  man  wie  bei  der  Appen- 
dicitis alle  Fälle,  so  wird  man  sehr  viele  operieren,  die  spontan 
zurückgegangen  wären.  Das  wäre  ja  nun  kein  grosses  Un- 
glück, wenn  die  Cystostomie  resp.  Ectomie  eine  völlig  unge- 
fährliche Operation  wäre.  Aber  sie  ist  das  nicht,  mit  2 — 3% 
Sterblichkeit  muss  man  immer  rechnen,  und  dann  hat  man  auch 
nicht  die  Garantie,  dass  man  bei  akuter  Cholecystitis  sofort  alle 
Steine  entfernen  kann.  Ja  man  wird  oft  einen  Stein  im  Ductus 
choledochus  übersehen  und  durch  eine  Cystostomie  eine  com- 
plete  Gallenfistel  schaffen,  deren  Beseitigung  oft  erst  durch  eine 
zweite  sehr  schwierige  Operation  (secund.  Choledochotomie)  mög- 
lich wird.  Das  ausnahmslose  Operieren  bei  leichter  Cholecystitis 
wird  schliesslich  schlechtere  Dauerresultate  geben,  als  wenn  man 
den  Anfall  vorübergehen  lässt  und  erst  dann  zum  Messer  greift, 
wenn  die  Cholecystitis  chronisch  wird  und  neue  Anfälle  den 
Patienten  bestimmen,  chirurgische  Hilfe  aufzusuchen.  Die  Fälle 
von  eitriger  Cholecystitis  sind  ausgenommen:  hier  wird  man 
operieren. 

Ich  rate  zu  folgendem  Vorgehen :  Jeder  Fall  von  (Cholecys- 
titis   gehört     ins     Bett,    bekommt    bei    intensiven    Schmerzen 


—     105     — 

Morphium  und  erhält  heisse  oder  kalte  Umschläge,  wie- 
er  sie  am  besten  verträgt.  Lassen  die  Schmerzen  nach,  tritt 
kein  Fieber  ein,  bleibt  der  Puls  langsam,  geht  die  Geschwulst 
der  Gallenblase,  die  infolge  der  excessiven  Anfüllung  derselben 
entsteht,  nach  4  —  6  —  8  Tagen  zurück,  so  ist  kein  Grund  zur 
Operation  vorhanden.  Patient  kann  warten,  bis  weitere  An- 
fälle kommen.  Von  ihrer  Häufigkeit  und  von  ihrer  Dauer  wird 
es  dann  abhängen,  ob  man  operiert  oder  noch  weiter  wartet. 
Bleibt  eines  der  Symptome  der  Cholecystitis  nach  8  Tagen 
noch  bestehen  (Fieber,  Schmerz,  Gallenblasentumor),  so  ope- 
riere man. 

Bei  schwerer  Infektion,  die  sich  durch  Kräfteverfall,  Fieber, 
Pulsbeschleunigung,  grossen  Tumor,  peritoneale  Reizung  (Ikterus, 
Erbrechen)  kundgibt,  operiere  man  möglichst  früh. 

Man  wird  also  bei  akuter  seröser  Cholecystitis  nur  aus- 
nahmsweise, bei  eitriger  und  gangränöser  immer  operieren 
müssen. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  wnr  diese  verschiedenen  Formen  der 
Cholecystitis  unterscheiden  können.  Die  Antwort  lautet  ja  und 
nein.  Wer  viele  Gallensteinpatienten  beobachtet  und  besonders 
wer  viele  solche  Patienten  operiert  hat,  lernt  diese  Unterscheidung, 
ein  Arzt,  der  selten  dazu  Gelegenheit  hat,  wird  sich  bei  dieser 
Krankheit  sehr  schwer  zurecht  finden.  Bei  der  Appendicitis  ist 
das  schliesslich  ebenso.  Ich  glaube,  dass  Sonnen  bürg  in  der 
Tat  in  den  allermeisten  Fällen  die  seröse  Appendicitis  von  der 
perforativen  und  diese  wieder  von  der  gangränösen  trennen 
kann,  der  Landarzt  auf  einem  kleinen  Dorf  lernt  das  nicht, 
weil  ihm  die  Übung  und  Erfahrung  fehlt.  Man  konnte  also 
Indikationen  für  gute  Kenner  und  für  Ärzte  von  geringer  Er- 
fahrung aufstellen.  Jedenfalls  ist  es  sehr  schwer,  einen  Arzt 
die  richtige  Indikation  zu  lehren,  wenn  er  selbst  nicht  oft  Ge- 
legenheit hat,  an  praktischen  Beispielen  die  Wahrheit  dieser 
Lehren  zu  erproben.  Schliesslich  kann  der  äusserlich  leicht 
verlaufende  Fall  pathol.  anatomisch  recht  schwer  sein,  und  um- 
gekehrt macht  die  einfache  seröse  Cholecystitis  bei  einem  gegen 
Schmerzen  weniger  toleranten  Individuum  die  schwersten  Er- 
scheinungen. Die  Regel  aber  ist,  dass  die  seröse  Form  we- 
niger heftig  auftritt,  wie  die  eitrige  resp.  gangränöse  Chole- 
cystitis, und  dass  man  durch  Puls,  Temperatur,  Allgemeinbefinden, 
peritoneale  Reizung  und  Befund  sehr  wohl  mit  der  Zeit  eine  Unter- 


—     106     — 

Scheidung  der  verschiedenen  Formen  herauszufinden  lernt.  Der 
Chirurg,  welcher  die  frühzeitige  Operation  in  den  ersten  Tagen 
nach  Beginn  der  Cholecystitis  empfiehlt,  muss  natürlich  auch  darauf 
gefasstsein,  bei  seinen  Patienten  und  der  Mehrzahl  der  Innern  Ärzte 
auf  grossen  Widerstand  zu  stossen.  Doch  gebe  ich  zu,  dass 
deshalb  ein  wissenschaftlicher  Arzt  sich  nicht  abhalten  lassen 
kann,  alles  zu  versuchen ,  um  die  nach  seiner  Meinung 
richtige  Indikationsstellung  durchzusetzen.  Schliesslich  hören 
ja  die  Kranken  auch  nicht  auf  uns,  und  wenn  wir  noch  so  sehr 
die  von  allen  Ärzten  gebilligte  frühzeitige  Operation  des  Uterus-, 
Mamma-  und  Rectumcarcinoms  empfehlen;  denn  die  Zahl  derer, 
die  erst  dann  einen  Arzt  um  Rat  fragen,  wenn  das  Carcinom 
bereits  nicht  mehr  operabel  ist,  ist  ganz  enorm  gross.  Bei  der 
Cholecystitis  wird  sich  mancher  vielleicht  eher  zur  Operation 
entschliessen,  weil  die  Schmerzen  so  heftig  sind,  dass  jeder 
sich  nach  Erlösung  sehnt.  Es  tritt  aber  gewöhnlich  besonders 
nach  einer  Morphiuminjektion  so  rasch  Besserung  ein,  dass  der 
Vorsatz  des  Patienten,  sich  sofort  operieren  zu  lassen,  meist 
schwindet  und  der  Arzt  womöglich  mitten  in  seinen  Rüstungen 
zum  blutigen  Eingriff  abbrechen  muss.  Morphium  aber  deshalb 
zu  verweigern,  um  eine  Operation  durchzusetzen,  ist  etwas  hart 
und  inhuman.  Der  Patient  wird  einfach  einen  andern  Arzt 
holen,  der  mit  der  Morphiumspritze  bereitwilliger  ist,  wie  sein 
operationsfreudiger  Kollege!  Der  andere  Arzt  kommt  gern 
und  rasch,  das  Morphium  wirkt,  der  Anfall  geht  vorüber,  und 
der  erste  Arzt  ist  seine  Praxis  los.  Das  wird  schon  mancher, 
der  nach  strenger  Indikationsstellung  gehandelt  hat,  erlebt 
haben!  Das  Publikum  richtet  sich  —  das  wissen  wir  alle  —  - 
bei  der  Auswahl  des  Arztes  nicht  immer  nach  dessen  Wissen 
und  Können:  nicht  immer  ist  der  wissenschaftlich  denkende 
und  handelnde  Arzt  der  am  meisten  angesehene;  der  Kur- 
pfuscher, der  es  versteht,  dem  Publikum  recht  viel  Konzessionen 
zu  machen,  und  der  durch  freundliches,  liebevolles  Wesen  den 
Mangel  seines  Wissens  und  Könnens  zu  verstecken  trachtet,  steht 
oft  in  einem  grösseren  Ruf  als  der  Arzt,  der  mit  kurzen  und  deut- 
lichen Worten  seine  wissenschaftliche  Ueberzeugung  kund  tut. 
Der  Doktor  mit  der  Morphiumspritze  ist  lieber  gesehen  als  der 
mit  dem  Messer,  und  ein  Gallensteinkranker  legt  lieber  einen 
Thermophor  auf  den  Bauch,  als  dass  er  sich  diesen  in  einer 
Klinik  aufschneiden  lässt. 


—     107     — 

Selbst  bei  ganz  dringlicher  Indikation,  z.  B.  bei  perfora- 
tiver  Peritonitis  nach  Gallenblasenruptur  habe  ich  es  er- 
lebt, dass  die  Angehörigen  und  der  Patient  die  Operation  ver- 
weigerten, weil  ein  anderer  Arzt  Beseitigung  der  Schmerzen 
durch  Morphium  versprach  und  herbeiführte.  Mit  den  Schmer- 
zen schwand  aber  aucli  auf  immer  das  Leben. 

.  Erlischt  der  Infekt  in  der  Gallenblase,  und  bildet  sich  ein 
steriler  Hydrops  aus,  der  als  Tumor  imponiert,  sonst  aber 
keine  Schmerzen  oder  Beschwerden  macht,  so  wird  man  die 
Operation  bei  einem  Arbeiter  vornehmen,  bei  einem  Menschen, 
der  sich  schonen  kann,  so  lange  aufschieben,  bis  sich  Be- 
schwerden geltend  machen. 

Ich  würde  auch  einen  keine  Beschwerden  machenden  Hydrops, 
der  meistens  auf  lithogenera  Cysticusverschluss  beruht,  bei  einem 
Menschen  operieren,  in  dessen  Familie  nicht  selten  Krebs 
zu  Hause  ist,  da  durch  den  Keiz  der  Steine  Ulcerationen  und 
auf  deren  Boden  Carcinome  entstehen  können. 

Eine  akute  Cholecystitis  kann  nach  Ausstossung  sämtlicher 
Steine  zu  pericholecystitischen  Verwachsungen  führen,  die  die 
Gallenblase  in  ihrer  Entleerungsfähigkeit  beeinträchtigen.  Die 
Residualgalle  neigt  meist  zu  Infektionen  und  besonders  bei 
Adhäsionen  am  Gallenblasenhals  resp.  Cysticus  ist  eine  Stauung  im 
Gallenblaseninnern  und  Neigung  zu  chronischer  Cholecystitis 
an  der  Tagesordnung.  Derartige  Kranke  leiden  dauernd  unter 
Schmerzen,  die  zwar  nicht  heftig  zu  sein  brauchen,  den  Kran- 
ken aber  das  Leben  im  höchsten  Masse  verbittern.  In  diesen 
Fällen  ist  eine  Operation  am  Platze ;  am  besten  nimmt  man 
hier  die  Ectomie  vor,  die  Cystostomie  kann  zwar  selbst  eine 
chronische  Cholecystitis  zur  Ausheilung  bringen,  die  Ectomie 
ist  aber  das  sicherere  Verfahren. 

Geht  die  akute  Cholecystitis  in  das  chronische  Stadium 
über,  so  werden  wir  von  der  Häufigkeit  der  Koliken,  von  der 
Dauer  und  Intensität  der  Anfälle  und  von  der  Erfolglosigkeit 
innerer  Kuren  die  EntSchliessung  zur  Operation  abhängig 
machen.  So  gut  wie  eine  chronische  Appendicitis  selten  aus- 
heilt, so  gut  wird  eine  chronische  Cholecystitis  immer  wieder 
Beschwerden  machen.  Die  Anfälle  dabei  sind  weiter  nichts 
als  akute  Verschlimmerungen  des  bestehenden  chronischen  Ent- 
zündungsprozesses.    Nur   unter  ganz   bestimmten   Bedingungen 


—  los- 
wird auch  einmal  eine  chronische  Entzündung  aufhören,  wenn 
schliesslich  die  Schleimhaut  jede  Tendenz  zur  Reaktion  ver- 
loren hat,  oder  aber  der  Gallenblaseninhalt  durch  eine  gute 
Kommunikation  sich  in  den  Darm  entleeren  kann.  Das  ist 
aber  nicht  allzu  häufig.  Ganz  im  Gegenteil.  Durch  die  Kom- 
munikation wird  erst  recht  der  entzündliche  Prozess  in  der  Gallen- 
blase unterhalten  und  kann  sich  sogar,  wenn  nicht  der  Cysticus 
dauernd  und  fest  verschlossen  ist,  auf  das  Gallensystem  resp. 
die  Leber  ausbreiten.  Man  stosst  bei  seinen  Operationen  nicht 
selten  auf  Gallenblasen-Darmfisteln,  die  man  daher  zerstören 
muss,  wenn  mau  den  entzündlichen  Prozess  ausheilen  will. 

Ich  habe  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dass  es  nicht 
meine  Aufgabe  sein  kann,  zu  untersuchen,  durch  welche  Kräfte 
der  Stein  aus  der  Gallenblase  in  den  Cysticus  und  von  da  aus 
in  den  Choledochus  getrieben  wird. 

Der  Stein,  der  in  den  Choledochus  gelangt,  bringt  aus  der 
Gallenblase  eine  Menge  Mikroorganismen  mit,  die  eine  Chole- 
dochitis  hervorrufen ,  wenn  nicht  die  Papille  gut  durchgängig 
bleibt  und  der  Stein  rasch  in  das  Duodenum  abgeht.  Auch 
hier,  genau  wie  in  der  Gallenblase,  kommt  es  zu  serösen  und 
eitrigen  Entzündungen,  und  wie  man  die  akute  Cholecystitis 
selten  operiert,  so  wird  man  auch  die  akute  Choledochitis  nicht 
sofort  operieren  oder  nur  dann,  wenn  die  Infektion  sehr  schwer 
ist  und  auf  den  Organismus  einen  sehr  ungünstigen  Einfluss 
hat.  Zieht  sich  der  Ikterus  in  die  Länge,  hören  die  Schmerzen 
nicht  auf,  tritt  völlige  Appetitlosigkeit  und  Erbrechen  ein ,  so 
wird  man  genau  wie  bei  akuter  Cholecystitis,  die  nicht  schwinden 
will,  operieren  müssen.  Auch  in  solchen  Fällen  besteht  die 
Operation  im  Prinzip  in  der  Ableitung  des  infektiösen  Materials, 
in  der  Fistelbildung:  der  Hepaticusdrainage. 

Wird  der  Prozess  im  Choledochus  chronisch,  so  handelt 
man  ebenso  wie  bei  chronischer  Cholecystitis,  d.  h.  man  richtet 
sich  im  allgemeinen  nach  den  Beschwerden  des  Pat.,  muss  aber 
dabei  berücksichtigen,  dass  die  Entzündung  im  Choledochus  ein 
viel  gefährlicherer  Zustand  ist  wie  die  Entzündung  in  der  Gallen- 
blase, weil  die  Leber  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird,  und  durch 
Ikterus  und  Cholämie  das  Leben  in  grosse  Gefahr  kommt. 
Häufig  wiederkehrende  Koliken  mit  Ikterus  und  Schüttelfrösten 
ohne  Abgang  von  Steinen  weisen  darauf  hin,  dass  der  Stein  keine 
Lust  hat,  die  Wanderung  aus  dem  Choledochus  in  den  Darm  anzu- 


—     109     — 

treten:  er  wird  eben  zu  ^ross  sein.  Man  warte  nicht  zu  lange  mit  seiner 
Entfernung.  Ich  will  es  unterlassen,  einen  Zeitpunkt  fest- 
zusetzen, wann  man  beim  Choledochusverschluss  spätestens  ope- 
rieren soll.  Das  kann  nach  Eintritt  des  Steines  in  den  gemein- 
samen Gallengang  schon  nach  8  bis  14  Tagen  nötig  sein,  man  kann 
damit  2  oder  3  Monate  warten,  und  selbst  bei  12jährigem  Auf- 
enthalt von  Steinen  im  Choledochus  bin  ich  einmal  mit  der  Opera- 
tion nicht  zu  spät  gekommen.  Im  allgemeinen  wird  aber  zu  lange 
gewartet.  Und  daran  ist  nicht  ganz  unschuldig  ein  Vorgang  der 
Natur,  den- diese  lieber  unterlassen  sollte:  Die  Bildung  der  Chole- 
dochus-Duodenalfistel.  Steckt  ein  Stein  längere  Zeit  im  retroduo- 
denalen  Teil  dicht  vor  der  Papille,  so  arbeitet  er  sich  dann  und  wann 
durch  Usurierung  des  Choledochus  und  des  Darmes  in  das  Duo- 
denum hindurch,  und  wird  das  Loch  gross  genug,  so  kann  der 
Stein  abgehen  und  andere  dahinter  steckende  Konkremente 
können  denselben  Weg  einschlagen.  Naunyn  setzt  grosse  Hoff- 
nungen auf  dieses  Vorkommnis.  Man  kann  zwar  dem  Gallen- 
steinkranken, der  eine  solche  Naturheilung  durchmacht,  gra- 
tulieren, aber  sie  ist  verhältnismässig  so  selten,  dass  man  nicht 
mit  ihr  rechnen  soll.  Wartet  man  darauf,  so  versäumt  man 
die  beste  Zeit,  denn  die  Operation  ist,  solange  die  Gallengänge 
noch  nicht  allgemein  inficiert  sind,  recht  ungefährlich  und  gibt 
keine  grössere  Mortalität  wie  3  Proz.  So  gut  aber  der  Stein  in 
das  Duodenum  durchbrechen  kann,  so  gut  kann  er  in  die  Bauch- 
höhle, die  Pfortader  perforieren;  das  Abwarten  ist  beim 
Choledochusstein  wegen  Eintretens  schwerer  Komplikationen 
(Thrombophlebitis  purulenta,  Cholangitis)  sicher  gefährlicher 
wie  cHe  Operation. 

Ich  stehe  also  im  allgemeinen  auf  dem  Standpunkt,  dass 
die  akute  Cholecystitis  nur  in  Ausnahmefällen  zu  operieren 
ist,  wenn  sie  ganz  besonders  heftig  auftritt.  Beim  Choledochus- 
stein, der  seine  Gegenwart  durch  lokale  Cholangitis  (Chole- 
dochitis)  kundgibt,  soll  man  aber  frühzeitig  operieren,  und  wenn 
man  diese  Vorschrift  befolgt,  wird  man  kaum  mehr  Todesfälle 
haben,  als  wenn  man  bei  Gallenblasensteinen  frühzeitig  operiert. 
Hier  wie  dort  beträgt  die  Sterblichkeit  der  Operation  ca.  3°/o. 
Immer  richte  ich  mich  bei  der  Indikationsstellung  nach  den 
pathologisch -anatomischen  Veränderungen,  unter  der  die  Krank- 
heit verläuft;  ich  richte  mich  nicht  nach  den  Schmerzen  (diese 
sind    z.  B.  bei  akutem  Choledochusverschluss,  der  zunächst  in- 


—     110     — 

tern  behandelt  werden  soll,  sehr  arg),  ich  trenne  auch  nicht  wie 
Kuhn  die  leichten  von  den  schweren  Fällen,  da  oft  der  leichte 
Fall  (chron.  Choledochusverschluss)  sofort  operiert  werden  muss, 
während  der  schwere  (Perforation  mit  Abkapselung)  besser  ex- 
spektativ  behandelt  werden  soll.  Ich  richte  mich  also  nach 
der  Form,  unter  welcher  die  Krankheit  verläuft,  ob  seröse 
oder  serös-eitrige  Cholecystitis,  ob  Cholangitis  circumscripta 
oder  diffusa  vorliegt,  und  bemühe  mich,  pathologisch-anatomische 
Diagnosen  zu  stellen,  soweit  das  überhaupt  möglich  ist. 

In  meinem  Buch,  in  dem  besonders  die  Technik  der  Ope- 
rationen beschrieben  werden  soll,  ist  leider  kein  Raum,  alle  diese 
Fragen  ausführlich  zu  behandeln;  ich  fasse  deshalb  meine  Indika- 
tionen in  folgende  Thesen  zusammen,  wobei  ich  zugleich  auf  einige 
Punkte,   die  ich  oben  nicht  berücksichtigt  habe,  zurückkomme: 

1)  Ich  erkenne  an,  dass  in  vielen  Fällen  von  Cholelithiasis 
eine  Herbeiführung  des  latenten  Stadiums  durch  Ruhekuren, 
Alkalien  etc.  gelingt  und  in  einer  Reihe  von  Fällen  dauernden 
Erfolg  hat.  Besonders  bei  der  sogenannten  chronisch  recidi- 
vierenden  Cholecystitis  vermag  eine  regelmässig  in  Karlsbad 
oder  Neuenahr,  auch  zuhause  vorgenommene  Ruhekur  die  Koliken 
derart  zu  mindern,  dass  kein  Grund  zu  einer  Operation  vor- 
liegt. Aber  ich  bezweifle,  dass  häufig  eine  wirkliche  Heilung 
d.  h.  eine  Ausstossung  sämtlicher  Steine  durch  innere  Kuren 
erzielt  wird.  Nach  meiner  Meinung  darf  es  auch  gar  nicht 
unser  Bestreben  sein,  die  Steine  abzutreiben,  es  ist  viel  rich- 
tiger, wenn  wir  dafür  sorgen,  dass  sie  sich  in  der  Gallenblase 
ruhig  verhalten,  und  dass  die  entzündlichen  Prozesse  beseitigt 
werden.  Der  wochenlang  fortgesetzte  Gebrauch  von  heissen 
Umschlägen  (am  besten  in  Form  der  Thermophore)  leistet  neben 
Bettruhe  und  einer  Trinkkur  von  Karlsbader  Wasser  in  dieser 
Beziehung  die  besten  Dienste. 

2)  Die  Frühoperatioii  im  Sinne  Riedels,  die  Steine  zu 
entfernen,  so  lange  sie  noch  in  der  Grallenblase  stecken,  ist 
undurchführbar  und  auch  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  un- 
nötig. Die  akute  Cholecystitis  bedarf  nur  dann  der  Operation, 
wenn  sie  von  vornherein  sehr  schwer  auftritt,  oder  wenn  der  » 
Fall  sich  in  die  Länge  zieht  und  nicht  alle  Symptome  (Gallen- 
blasentumor,   Schmerz,    Fieber    etc.)  zurückgehen. 

3)  ^Vönn  die  Anfülle  leicht  verlaufen,  zwischen  denselben 
immer   wieder    völlige    Latenz   (absolute    Unempfindlichkeit 


—    111    — 

der    Gallenblasengegend)    eintritt,    verzichte    ich    auf  eine 
Operation. 

4)  Der  akute  Choledochusverschluss  ist  bis  auf  wenige 
Ausnahmen  intern  zu  behandeln.  Treten  die  cholangitischen 
Erscheinungen  in  den  Vordergrund,  und  zieht  sich  der  Ikterus 
unter  Verfall  der  Kräfte  und  absoluter  Appetitlosigkeit  in  die 
Länge,  so  ist  eine  Operation  zu  erwägen. 

5)  Häufige  Koliken  ohne  Ikterus  und  ohne  Steinabgang 
verlangen  bei  Schädigung  des  Allgemeinbefindens  und  Beein- 
trächtigung der  Erwerbsfähigkeit  und  des  Lebensgenusses  die 
Operation. 

6)  Fälle  mit  Ikterus  und  jedesmaligem  Abgang  von 
Steinen  gehören  den  Internen;  häufen  sich  die  Anfälle,  kommt 
der  Patient  sehr  herunter,  und  ist  keine  Hoffnung  auf  völlige 
Ausstossung  der  Steine  vorhanden,  so  ist  die  Operation  am  Platze. 

7)  Der  Hydrops  und  das  Empyem  der  Gallenblase  und  peri- 
choiecystitische  Eiterungen  gehören  dem  Chirurgen.  In  den 
wenigen  Ausnahmefällen,  bei  welchen  ein  steriler  Hydrops  gar 
keine  Erscheinungen  macht,  mag  der  Patient  seine  geschwol- 
lene Gallenblase  so  lange  mit  sich  herum  tragen,  bis  Beschwer- 
den sich  einstellen  und  sich  häufen. 

8)  Der  chronische  Choledochusverschluss  soll  bei  Versagen 
einer  gründlichen  inneren  Kur  nicht  zu  'spät  chirurgisch  behan- 
delt werden. 

9)  Gallensteinkranke,  die  dem  Morphium  verfallen  sind^ 
müssen  unter  allen  Umständen  operiert  werden.  Während  der 
Nachbehandlung  bietet  sich  die  beste  Gelegenheit  zur  Morphium- 
entziehung. 

10)  Die  Behandlung  des  Gallenblasencarcinoms  kann  nur 
bei  ganz  frühzeitiger  Operation  einen  dauernden  Erfolg  haben. 
Da  aber  jeder  Mensch  eine  Frühoperation  scheut  und  Spätope- 
rationen keinen  grossen  Zweck  haben,  dürfte  es  nur  selten  ge- 
lingen, das  Übel  vollständig  zu  heilen. 

11)  Kranke  mit  chronischem  Ikterus,  der  nicht  auf  Stein 
im  Choledochus  und  unheilbaren  Lebererkrankungen  beruht, 
müssen  spätestens  3  Monate  nach  Beginn  des  Ikterus  operiert 
werden,  da  nicht  selten  statt  des  vermuteten  Carcinoms  des 
Pankreaskopfes  die  heilbare  Pankreatitis  chronica  interstitialis 
gefunden  wird. 


—     112     — 

12)  Der  Entschluss  zu  einer  Operation  wird  sowohl  dem 
Arzt  als  auch  dem  Patienten  leicht  gemacht  durch  den 
Nachweis  eines  Gallenblasentumors,  der  geschwollenen  Leber, 
durch  Auftreten  von  Ikterus  und  Fieber.  Aber  auch  ohne 
lokalen  Befund  an  Leber  und  Gallenblase  dürfen  wir  bei  hoch- 
gradigen andauernden,  einer  inneren  Medikation  unzugänglichen 
Beschwerden  operieren.  Man  findet  in  solchen  Fällen^  beson- 
ders bei  Männern,  häufig  Adhäsionen  traumatischen  Ursprungs 
ohne  Steine. 

13)  Die  Folgezustände  der  Cholelithiasis,  die  eitrige  Chol- 
angitis, der  Leberabscess,  die  Perforationsperitonitis,  der  sub- 
phrenische  Abscess,  hochgradige  Pylorus-  und  Duodenalstenosen, 
oft  auch  der  Gallenstein-Ileus  müssen  chirurgisch  behandelt  werden . 

14)  Der  Schlussparagraph  endlich  heisst:  Allgemeine  Indi- 
kationen zu  einer  Gallensteinoperation  aufzustellen  ist  nicht 
gut  möglich.  Man  muss  von  Fall  zu  Fall  entscheiden.  Männer, 
besonders  fette,  vertragen  eine  Operation  schlecht.  Frauen, 
die  geboren  haben,  eignen  sich  gut  zu  einem  chirurgischen 
Eingriif.  Bei  reichen  Leuten  ist  die  Indikation  anders  zu 
stellen  als  bei  armen,  aber  dieser  Satz  ist  nicht  so  zu  ver- 
stehen, dass  der  Chirurg  lieber  die  reichen  Leute  operiert,  die 
ihm  hohe  Honorare  zahlen,  nein  umgekehrt,  die  Armen  müssen 
häufiger  operiert  werden,  weil  sie  nicht  in  der  Lage  sind,  die 
Wohltaten  einer  Karlsbader  Kur  geniessen  und  streng  nach  den 
diätetischen  Vorschriften  des  Arztes  leben  zu  können.  Auf 
diese  soziale  Indikation  und  auf  die  Forderung  einer  streng 
individualisierenden  Behandlung  habe  ich  schon  in  früheren 
Arbeiten  hingewiesen  und  mich  dahin  ausgesprochen,  dass  man 
bei  Diabetes,  Arteriosklerose,  chronischer  Nephritis,  Lungen- 
und  ilerzerkrankungen  möjsrlichst  von  einer  Operation  ab- 
stehen soll.  — 

Ich  habe  in  diesem  Abschnitt,  in  welchem  ich  die  Indi- 
kation zur  Operation  auf  Grund  der  pathologischen  Anatomie 
der  Gallensteinkrankheit  besprochen  habe,  nur  die  wichtigsten 
Punkte  hervorgehoben,  soweit  sie  für  die  von  mir  geübte  Ope- 
rationstechnik von  Belang  waren.  Die  pathologische  Anatomie 
und  die  Indikationen  ausführlich  abzuhandeln,  dazu  war  in  die- 
sem Buche  kein  Raum.  Wer  aber  die  Krankengeschichten  im 
IL  Teil  mit  Aufmerksamkeit  liest,  wird  sich  ein  genaues  Bild 
von    den    pathologisch -anatomischen    Veränderungen     machen 


—     113     — 

können,  die  beim  Gallensteinleiden  beobachtet  werden.  Alles 
läuft  darauf  hinaus,  dass  die  Steine  nur  die  Gelegenheitsur- 
sache zur  Entzündung  abgeben,  und  dass  die  Infektion  sowohl 
beim  Entstehen  der  Koliken  als  auch  des  Ikterus  eine  Hauptrolle 
spielt.  Die  Gallensteinkrankheit  ist  in  diesem  Sinne  betrachtet, 
«ine  richtige  Infektionskrankheit.  Ein  Serum  gegen  sie  anzu- 
wenden, würde  deshalb  ohne  Erfolg  sein,  weil  die  verschieden- 
sten Kokken  und  Bakterien  sich  bei  der  Entzündung  beteiligen.  Ge- 
lingt es  nicht,  die  Entzündung  zu  beseitigen  und  die  Krankheit 
in  das  Stadium  der  Latenz  zu  bringen,  so  hat  der  Chirurg  ein- 
zugreifen, der  durch  Drainage  die  Infektionsgefahr  aufhebt ;  kann 
er  zugleich  durch  Ectomie  der  Gallenblase  und  durch  die  Entfernung 
sämtlicher  Steine  weiteren  Entzündungen  vorbeugen,  so  ist  das 
um  so  besser.  Aber  vergessen  wir  nicht,  dass  bei  allen  akuten 
Entzündungen  die  erste  Sorge  die  Beseitigung  der  Infektion  ist; 
bei  chronischen  Entzündungen  ist  die  Gelegenheit,  zugleich 
die  letzte  Ursache,  die  Steine  zu  entfernen,  günstig,  und  jeder 
Chirurg,  dessen  Bestreben  es  ist,  nicht  nur  augenblickliche, 
sondern  auch  Dauererfolge  zu  erzielen,  wird  im  chroni- 
schen Stadium  der  Cholelithiasis  möglichst  die  Gallenblase 
entfernen  und  dem  Choledochus  seine  ganze  Aufmerksamkeit 
widmen.  Im  akuten  Stadium  muss  man  der  Fistelbildung  häufig 
<len  Vorzug  geben.  — 

Clemm  bespricht  meine  Indikationsstellung  und  ist  mit 
ihr  im  allgemeinen  einverstanden ;  nur  gegen  These  9  wendet 
er  sich  scharf  und  sagt:  „In  einem  gut  geleiteten  Sanatorium 
muss  bei  innerer  Behandlung  in  dieser  Beziehung  der  gleiche 
Erfolg  zu  erzielen  sein,  und  es  mutet  eigenartig  an,  eine  Ver- 
stümmelung am  Menschen  vorzunehmen,  um  ihn  der  Giftent- 
ziehung gefügig  ZU'  machen."  Clemm  scheint  unter  der  Ver- 
stümmelung die  Exstirpation  der  Gallenblase  zu  verstehen ; 
aber  diese  hat  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  schon  die  Natur 
verstümmelt,  indem  sie  den  Cysticus  verschloss  und  so  das  Organ 
funktionsunfähig  machte.  Und  dann  soll  mir  mal  Clemm 
ein  Sanatorium  nennen,  in  dem  es  gelingt,  einem  Menschen, 
der  alle  2  oder  3  Tage  einen  Gallensteinkolikanfall  hat,  das  Mor- 
phium zu  entziehen.  Das  ist  ganz  unmöglich.  Gibt  man  einem  sol- 
chen Menschen  kein  Morphium,  so  rast  und  schreit  er  so  lange,  bis 
er  doch  ein  Narkoticum  bekommt.  Das  erlebe  ich  immer, 
sobald   ich   einen   an   Morphium  gewöhnten    Kranken   operiere. 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.    I.  8 


—     114     — 

Aber  ich  halte  diese  Kranken  im  Bett,  ihre  Laparotomie  wunde 
verhindert  sie  am  Aufstehen,  ich  kann  ihnen  Spritze  und  Mor- 
phium fortnehmen  und  sie  genau  überwachen  lassen.  Da  ge- 
lingt mir  die  allmähliche  Morphiumentziehung  immer.  Ich  halte 
die  in  These  9  ausgesprochene  Indikationsstellung  für  eine 
sehr  wichtige,  und  besonders  bei  Leuten,  die  sich  leicht  in  den 
Besitz  des  schmerzstillenden  Mittels  setzen  können  (Ärzte, 
Krankenwärter,  Schwestern,  Apotheker),  kommt  diese  Indikations- 
stellung recht  in  Betracht. 

Die  Fälle,  bei  denen  die  Steine  eine  rein  mechanische 
ßolle  spielen,  gehören  zu  den  Seltenheiten.  Der  Stein  im 
Ductus  cysticus  ist,  sofern  der  Lifekt  in  der  Gallenblase  er- 
losch, ein  ziemlich  harmloses  Gebilde,  wenn  er  auch  ganz  fest 
den  Gang  verschliesst.  Der  in  solchen  Fällen  sich  ausbildende 
Hydrops  der  Gallenblase  ist  oft  völlig  steril  und  bildet  keine 
Indikation  zur  Operation,  wenn  der  Tumor  dem  Kranken  keine 
Beschwerden  macht  und  dauernd  unempfindlich  bleibt.  Ganz 
anders  liegt  es  mit  dem  Stein  in  der  Papille.  Auch  dieser 
kann  festsitzen,  wird  aber,  auch  wenn  die  entzündlichen  Er- 
scheinungen erloschen  sind,  sehr  oft  einen  Stauungsikterus  hervor- 
rufen, der  mit  der  Zeit  doch  den  Kranken  in  Gefahr  bringt.  Steine 
im  Cysticus  wie  Steine  in  der  Papille  sind  aber  meist  erst 
durch  entzündliche  Schübe  dorthin  gebracht,  und  somit  ist  der 
mechanische  Verschluss  fast  immer  das  Endresultat  der 
Entzündung.  Während  der  Stein  im  Cysticus  sitzen  bleiben 
kann,  wenn  der  Infekt  in  der  Gallenblase  völlig  erlischt,  wird 
der  Stein  in  der  Papille  mit  der  Zeit  doch  durch  die  sich 
hinter  ihm  stauende  Galle  das  Lebergewebe  so  alterieren,  dass 
man  ihn  entfernen  muss.  So  beugt  man  am  besten  der  Ent- 
stehung der  biliären  Cirrhose  vor. 

Ich  will  hier  noch  einmal  betonen,  dass  ich  die  Möglichkeit 
mechanischer  Vorgänge  bei  der  Cholelithiasis,  die  Vorwärts- 
bewegung der  Steine  durch  die  Kräfte  der  Gallenblasen- 
muskulatur, ihre  Einklemmung  im  Cysticus  und  in  der  Papille 
keineswegs  gänzlich  leugne,  aber  sie  lassen  sich  viel  ein- 
facher durch  geringe  Infektion  erklären,  und  wenn  wir  sämt- 
liche Vorgänge  bei  der  Cholelithiasis  durch  eine  Ursache  er- 
klären können,  haben  wir  es  nicht  nötig,  nach  mehreren 
Ursachen  zu  suchen.  Je  einfacher  wir  ein  Krankheitsbild  er- 
klären, um  so  verständlicher  wird  es  uns. 


—     115     — 

Aus  den  obigen  Auseinandersetzungen  erhellt,  dass  es  gar 
nicht  nötig  ist,  die  Indikation  zur  Operation  so  weit  aus- 
zudehnen, wie  einige  Chirurgen,  besonders  Riedel  es  tun. 
Operieren  wir  die  absolut  nötigen  Fälle,  d.  h.  das  akute  und 
chronische  Empyem  der  Gallenblase,  die  häufig  wieder- 
kehrenden Anfälle  von  chronischer  Cholecystitis,  die  jeder 
Therapie  trotzten,  den  chronischen  mit  Ikterus  und  Schüttel- 
frösten Terbundenen  Choledochusverschluss,  so  bietet  sich 
für  jeden  Chirurgen  ein  so  grosses  und  dankbares  Arbeitsfeld, 
dass  er  ganz  allein  auf  die  Forderung  der  Frühoperation  ver- 
zichtet. Dass  verhältnismässig  so  wenig  Gallensteinoperationen 
geniacht  werden,  liegt  einfach  daran,  dass  die  Fälle  nicht 
richtig  diagnostiziert  werden.  Das  erfahre  ich  fast  täglich. 
Man  ist  erstaunt,  wie  Leuchten  der  inneren  Medizin  mit  Be- 
stimmtheit Gallensteine  ausschliessen,  wo  ein  Empyem  vorliegt, 
und  oft  genug  kommt  es  vor,  dass  der  typische  chronische 
Choledochusverschluss  mit  Fieber,  Schüttelfrösten  und  Ikterus 
falsch  gedeutet  wird.  Wird  die  Diagnostik  der  Cholelithiasis 
mehr  gepflegt  wie  bisher,  so  wird  der  Wunsch  nach  frühzeitiger 
Operation  auch  bei  den  „extremen"  Chirurgen  verstummen,  weil 
sie  genug  mit  den  Fällen  zu  tun  haben,  die  eine  Operation 
unter  allen  Umständen  nötig  haben. 

Die  meisten  ('hirurgen  werden  —  des  bin  ich  gewiss  — 
den  von  mir  aufgestellten  Indikationen  beipflichten  ;  nur  Riedel 
steht  auf  einem  entgegengesetzten  Standpunkt.  Ich  habe  in 
einer  Arbeit  in  der  „Münch.  med.  Wochenschrift"  1903,  Nr.  16 
und  17:  „In  welchen  Punkten  ich  von  Riedel's  Ansichten 
über  Gallensteinchirurgie  abweiche?"  mir  Mühe  gegeben,  meine 
Ansichten  Riedel  gegenüber  geltend  zu  machen,  und  wenn  ich 
auch  bereits  oben  die  Hauptpunkte  in  der  Verschiedenheit 
unserer  Ansichten  hervorgehoben  habe,  so  halte  ich  es  doch 
hei  der  Wichtigkeit  der  Angelegenheit  für  geboten,  in  diesem 
Buche  einiges  aus  jener  Arbeit  zu  wiederholen,  damit  auch  die, 
welche  den  damaligen  Artikel  nicht  gelesen  haben,  sich  selbst 
über  die  Verschiedenheit  unserer  Indikationsstellung  ein  Urteil 
bilden  können.  Riedel  und  ich  haben  von  den  deutschen  Chirur- 
gen wohl  die  meisten  Gallensteinoperationen  ausgeführt,  und  des- 
halb ist  es  gewiss  von  Interesse  festzustellen,  nach  welchen 
Indikationen  die  Hauptvertreter  der  deutschen  Gallenstein- 
chirurgie zu  operieren  gewohnt  sind.    Wenn  von  den  Anhängern 


—     116     — 

der  Frühoperation  gesprochen  wird,  so  nennt  man  meinen  Namen 
immer  neben  dem  Riedels.  ErstKuttner  wieder  (Zeitschrift 
f.  ärztl.  Fortbildung  Nr.  8)  scheint  anzunehmen ,  dass  ich  die- 
selben Indikationen  vertrete  wie  Ei  ed  el,  wenn  er  sagt:  ,,Nach 
seinen  günstigen  Erfahrungen  kann  Fink  die  von  Ei  edel  und 
Kehr  aufgestellten  Indikationen  zur  operativen  Behandlung  des 
Gallensteinleidens  in  ihrem  grossen  Umfange  nicht  anerkennen.'' 
Welch'    Unterschied   zwischen  den  Indikationen  Eiedels  und 
den  meinigen  herrscht,  das  möchte  ich  noch  einmal  dem  Leser 
recht  eindringlich  vorstellen.     Ich  sagte  schon  in  der  „Münch. 
med.  Wochenschrift  1903"   Nr.  16  und  17  folgendes:     „Riedel 
legt  —  wenn  auch  nur  in  der  Theorie  —  viel  zu  viel  Gewicht 
auf  die   Grösse   der  Steine,   wenn  er  sagt :  „Kleine  Steine  be- 
dürfen der  Operation  nicht,  weil  sie  von  selbst  abgehen  können, 
grössere  und  grosse  passieren  die  Gallengänge   nicht   oder  nur 
unter  grosser  Gefahr  für  den  Kranken ,   sie  müssen  rechtzeitig 
aus    der    Gallenblase  .  entfernt  werden,    damit  sie   nicht  in  die 
tiefen  Gänge  hineingeraten  oder  die   Gallenblasen  wand   durch- 
brechen."    Ei  edel  nimmt  nur  in  10  Proz.  kleine,  in  90  Proz. 
grosse  Steine  an,  also  müssten  90  Proz.  operiert  werden,  wenn 
man    die   Kranken   wirklich  heilen  will.     Ich  stand  früher  auf 
einem  ähnlichen,  wenn  auch  nicht  so  weitgehenden  Standpunkt 
wie  Riedel,  und  noch  heute,  wenn  über  Gallensteine  debattiert 
wird,  werden  Riedel  und  ich  als  Vertreter  der  „Frühoperation" 
genannt.      Aber    nur   bis  in  die  Mitte  der  90er  Jahre  stimmte 
ich   mit    Riedel   überein,    ich   habe   mit  der  Zeit  auf  Grund 
eines  eigenen  grossen  Materials  meine  Ansichten  wesentlich  ge'- 
ändert,    ich    bin   jetzt   in    vielen  Fällen   mit   einer  Latenz  der 
Steine    zufrieden    und   verlange  nur  für  bestimmte  Formen  der 
Cholelithiasis  die  Operation.      Die    Grösse  der  Steine  spielt  in 
der  Indikationsstellung  gewiss  eine  gewichtige  Rolle  (z.  B.  beim 
akuten  und  chronischen  Choledochusverschluss) ;  aber  operieren 
wir  nicht  auch  oft  genug  bei  kleinen  Steinen,  wenn  die  Infektion 
hochgradiger    Natur    ist    und    eine  Beseitigung    derselben    mit 
inneren  Mitteln  nicht  gelingt?     Bei  meiner  letzten  Gallenstein- 
operation —  der  178.  Choledocholomie  resp.  Hepaticusdrainage 
—  fand  ich  nur  ganz  kleine,  erbsengrosse  Steine  im  Choledochus. 
Der   Ikterus    bestand  schon  seit  Monaten,   die  Appetitlosigkeit 
war  so  gross,   dass  in   kurzer  Zeit  das  Körpergewicht  um  40 
Pfund    zurückging   und   man    bei  der  grossen  Elendigkeit  und 


—      117     — 

Mattigkeit  der  Patientin  recht  gut  an  einen  Leberkrebs  denken 
konnte.  Fürwahr,  die  Grösse  resp.  Kleinheit  der  Steine  und 
ihre  Durch gangsfähigkeit  durch  den  Cysticus  oder  Choledochus, 
selbst  nicht  einmal  die  .  Anwesenheit  der  Steine  (kann  doch 
das  Empyem  der  Gallenblase,  ohne  dass  dabei  Steine  eine  Rolle 
spielen,  entstehen !)  wird  für  uns  Ärzte  nicht  immer  massgebend 
sein,  ob  wir  operieren  oder  nicht,  und  Riedel  selbst  bekennt 
sich  zu  dieser  Anschauung,  indem  er  sagt:  „Genau  ebenso  (er 
hat  dabei  die  Appendicitiskranken*)  im  Auge)  muss  der  Kranke 
mit  akuter  Cholecystitis  in  chirurgische  Behandlung  kommen, 
damit  er,  nicht  dem  Spiele  des  Zufalles  ausgesetzt,  sofort  auf 
ungefährliche  Weise  von  dem  in  seinen  Folgen  unberechenbaren 
Leiden  befreit  wird,  gleichgültig,  ob  der  Stein  gross  oder  klein 
ist."  Man  sieht  also,  dass  Riedel  in  praxi  auf  grosse  oder 
kleine  Steine  keine  Rücksicht  nimmt:  Die  Entzündung  der 
Gallenblase  drückt  ihm  das  Messer  in  die  Hand,  und  diese  In- 
dikation lasse  ich  gern  gelten.  Nun  ist  aber  nach  Riedel 
der  erste  Anfall  „immer  eine  Attacke  von  Cholecystitis*';  also 
muss  Riedel,  wenn  er  in  seinen  Schlussfolgerungen  kon- 
sequent ist,  bei  jedem  Gallensteinkranken,  der  einmal  eine 
Attacke  durchgemacht  hat,  die  Operation  empfehlen.  In  der 
Tat  tut  er  das  auch ;  nicht  nur  bei  der  Cholecystitis  schwerer 
Art,  sondern  auch  ,,bei  den  leichteren  Fällen  von  Cholecystitis 
würde    er    operieren,    wenn   er    sähe,    dass   er  eine  glänzende 


*)  Riedel  weist  verschiedene  Male  auf  die  Appendicitis  hin  und 
vergleicht  diese  mit  der  Cholecystitis ;  gibt  er  auch  zu,  dass  die  Ge- 
fahr der  Cholecystitis  nicht  so  gross  ist,  wie  bei  der  Appendicitis .  so 
ist  eine  solche  Gegenüberstellung  von  geringer  Beweiskraft.  Wie 
selten  perforiert  doch  die  Gallenblase  (2  Proz.  nach  Riedel)  und  wie 
oft  die  Appendix?  Fast  immer  spielt  die  Appendicitis  sich  nicht  nur 
in  der  Höhle  des  Organs  ab,  sondern  auch  in  der  Wand ,  in  der  Um- 
gebung, die  Cholecystitis  hat  dagegen  nur  in  wenigen  Fällen  einen 
so  ausgesprochen  progredienten  Charakter.  Wie  selten  finden  wir 
bei  der  Cholecystitis  den  Eiterherd  in  der  Peritonealhöhle,  der 
bei  der  perforativen  Form  der  Appendicitis  kaum  fehlt?  Die 
Appendicitis  ist  gegen  die  Cholecystitis  «ine  höchst  gefährliche  Er- 
krankung, während  die  letztere  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  einen  harm- 
losen Charakter  hat.  Wenn  Riedel  ein  Anhänger  der  Frühoperation 
bei  Appendicitis  ist,  so  steht  er  zwar  auch  bei  dieser  Krankheit  nicht 
ganz  auf  meinem  Standpunkt,  aber  er  steht  doch  nicht  vereinzelt  da; 
bei  der  Cholecystiiis  dürfte  er  völlig  isoliert  die  Forderung  der  Früh- 
operation vertreten. 


—     118     ~ 

Statistik  bekäme".  Die  erste  Forderung  finde  ich  noch  einiger- 
niassen  gerechtfertigt,  denn  man  soll  bedenken,  dass  bei  der 
Cholecystitis  acutissima  auch  ohne  Perforation  eine  Allgemein- 
infektion eintreten  kann.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich  von  je- 
her die  Operation  bei  der  akuten,  serös  -  eitrigen  Cholecystitis 
empfohlen,  aber  ich  habe  das  im  Hinblick  auf  die  Bekämpfung 
der  Infektion  getan;  die  Steinentfernung,  so  angenehm  sie  für 
den  Patienten  auch  sein  mag,  kommt  erst  in  zweiter  Linie  in 
Betiacht.  Ob  grosse  oder  kleine  Steine  vorliegen  oder  gar 
keine,  ist  höchst  gleichgültig*);  Riedel  aber  greift  zum  Messer, 
indem  er  immer  betont,  man  soll  ein  Tiefertreten  der  Steine  in 
den  Choledochus  verhüten.  Gelingt  es  ihm  nicht,  die  Operation 
im  ersten  Anfall  auszuführen,  dann  empfiehlt  er  diese  nach  dem- 
selben. Einen  zweiten  und  dritten  Anfall  will  er  gar  nicht  ab- 
warten. Der  wesentliche  Unterschied  zwischen  der  Indikations- 
stellung von  Riedel  und  von  mir  ist  also  der,  dass  ich  bei 
akuter  Cholecystitis  besonders  auf  den  Grad  der  Entzündung, 
wie  er  sich  durch  die  Schmerzhaftigkeit  und  Grösse  des  Gallen- 
blasentumors, Beteiligung  des  Peritoneum  und  andere  Momente 
kundgibt,  Rücksicht  nehme,  während  Riedel,  der  überhaupt 
die  Infektion  in  den  meisten  Fällen  leugnet  und  dafür  seine 
Fremdkörperentzündung  (Perixenitis)  substituiert,  ein  Tiefer- 
treten der  Steine  verhüten  will,  damit  nicht  aus  einem  lokalen 
ein  Allgemeinleiden  werde. 

Ob  die  Entzündung  in  der  steinhaltigen  Gallenblase  in- 
fektiöser Natur  ist  oder  nicht,  ist  noch  nicht  sicher  entschieden, 
nach  meiner  Erfahrung  ist  aber  keineswegs  jede  Kolik  eine 
Attacke  von  Cholecystitis,  obgleich  ich  der  Entzündung,  wie 
jeder  weiss,  der  meine  Publikationen  gelesen  hat,  bei  der  Ent- 
stehung der  Koliken  die  Hauptrolle  zuerkenne.  Auch  andere 
Momente,  deren  Erörterung  ich  mir  hier  ersparen  muss,  können  bei 
Abwesenheit  von  Steinen  Koliken  herbeiführen.  Wie  dem  auch  sei , 
ich  stimme  mit  Riedel  ganz  darin  überein,  dass  viel  zu  wenig  Gallen- 


•j  Wenn  ich  auf  den  Tafeln  am  Ende  des  I.  Teils  der  Technik 
Abbildungen  bringe  von  den  grossen  Steinen,  die  ich  excidiert  habe, 
so  geschieht  das  deshalb,  um  zu  zeigen,  dass  ich  nicht  nur  Gries  ge- 
funden habe  —  eine  sehr  häufige  Diagnose  — ,  sondern  dass  die 
Steine  viel  grösser  sind,  als  man  allgemein  annimmt.  Für  diese 
Ungläubigen  sind  die  Tafeln  angefertigt;  bei  der  Herstellung  konnlo  auf 
die  Strukturverhältuisse  der  Steine  keine  Rücksicht  genommen  werden. 


—     119     — 

Steinoperationen  überhaupt  ausgeführt  werden,  dass  die  einfache 
Cystostomie  oder  Cystectomie,  ,, frühzeitig*'  ausgeführt,  technisch 
leichter  ist  wie  eine  Choledochotomie  und  Hepaticusdrainage, 
und  bin  ganz  seiner  Meinung,  dass  die  Gefahren  der  Krankheit 
im  allgemeinen  und  speziell  die  des  chronischen  Choledochus- 
verschlusses  viel  zu  wenig  gewürdigt  werden.  Aber  weil  dieser 
in  so  und  sovielen  Fällen  einmal  eintreten  könnte  —  und  der 
Choledochusverschluss  chronischer  Natur  ist  im  Verhältnis  zu 
den  vielen  Gallensteinkranken  (nach  Riedel  2  000000  im 
Deutschen  Reich)  ein  relativ  seltenes  Ereignis  — ,  ist  es  gewiss 
nicht  gerechtfertigt,  jeden  Fall  von  Cholecystitis  zu  operieren, 
um  einer  eventuellen  Verlegung  des  Choledochus  vorzubeugen. 
Die  Cholecystitis  ist  die  Vorläuferin  des  akuten  Choledochus- 
verschlusses  gewiss  in  den  meisten  Fällen,  sie  kann  Heilung 
herbeiführen,  indem  das  entzündliche  Sekret  die  Steine  durch 
Cysticus  und  Choledochus  in  den  Darm  treibt.  Schon  aus  diesem 
Grunde  wäre  es  falsch,  in  jedem  Fall  von  Cholecystitis  zu  ope- 
rieren und  eine  Spontanheilung  zu  verhindern.  Und  dann,  so  unbe- 
rechenbar das  Gallensteinleiden  auch  ist,  weder  eine  Cystostomie 
noch  eine  Cystectomie  ist  eine  so  absolut  ungefährliche  Operation, 
dass  diese  Anspruch  erheben,  kann,  eine  prophylaktische  Ope- 
ration genannt  zu  werden.  Können  wir  auch  eine  Infektion 
intra  operationem  durch  tadellose  Asepsis  und  Technik  fern- 
halten, an  Pneumonien,  Embolien  und  an  den  Einwirkungen  des 
Narkoticums  werden  wir  immer  ca.  2 — 3  Proz.  der  Operierten 
verlieren.  Auch  bei  Riedel  würden,  wenn  er  die  leichten 
Fälle  von  Cholecystitis  operiert,  nicht  nur  die  Karzinosen  zu 
Grunde  gehen ,  sondern  auch  dann  und  wann  einmal  ein  nicht 
Karzinöser  an  einfacher  Ectomie  und  Cystostomie.  Zudem 
wollen  wir  nicht  vergessen,  dass  in  sehr  vielen  Fällen  —  sicher 
der  Majorität  —  die  Steine  jahrzehntelang  sich  in  der  Gallen- 
blase völlig  ruhig  verhalten  können ,  dass  kein  zweiter  oder 
dritter  Anfall  zu  Stande  kommt,  und  dass  der  Eintritt  der 
Steine  in  den  Choledochus,  wie  schon  oben  bemerkt,  ein  relativ 
seltenes  Ereignis  ist.  Ueberall  in  der  Medizin  und  Chirurgie 
sind  wir  gewohnt,  mit  der  Kegel  und  nicht  mit  der  Ausnahme 
zu  rechnen,  und  dementsprechend  richten  wir  auch  unsere 
Massnahmen  ein.  Riedel  sagt  ja  selbst,  dass  nur  18  Proz. 
chronischen  Choledochusverschluss  bekommen,  bei  70  Proz.  die 
Gallensteine    in    der   Blase   sich  latent  verhalten  können.     Ich 


—     120     -- 

möchte  übrigens  hinter  die.  Zahlen,  mit  denen  Riedel  so  gern 
seine  Ansichten  beweist,  ein  dickes  Fragezeichen  machen. 
Riedel  kann  ihre  Gültigkeit  durch  nichts  erhärten,  und  ich 
glaube,  dass  die  18  Proz.  chronischen  Choledochusverschlusses 
viel  zu  hoch  gegriffen  sind.  Sind  die  Zahlen  aber  richtig,  so 
ist  nur  in  18  Proz.  der  Fälle  eine  Operation  indiziert,  und  von 
den  70  Proz.,  die  Steine  in  der  Gallenblase  haben,  nur  bei 
denen,  die  nicht  latent  werden  wollen,  die  Eiter  in  der  Gallen- 
blase beherbergen  und  sonstiges  infektiöses  Material.  Wie  viel 
das  sind,  weiss  ich  nicht,  auf  Schätzungen  lasse  ich  mich 
nicht  ein.  Operieren  wir  bei  akuter  Cholecystitis,  so  müssen 
wir,  wenn  wir  mit  Riedel  die  sofortige  Entfernung  der 
Steine  im  Auge  haben,  auch  auf  die  tiefen  Gallengänge 
Rücksicht  nehmen,  obwohl  Riedel  das  nicht  für  nötig  hält. 
Nicht  immer  aber  liegt,  wie  Riedel*)  meint,  ein  „lokales 
Leiden"  vor.  Ich  habe  oft  genug  bei  akuter  Cholecystitis  mit 
Schlussstein  operiert  und  dabei  Steine  im  Choledochus  an- 
getroffen, ohne  dass  Ikterus  darauf  hindeutete.  Es  ist  nichts 
ganz  seltenes  —  auch  Riedel  führt  solche  Fälle  an  — ,  dass 
die  erste  Attacke  von  Cholecystitis  einen  kleinen  Stein  in  den 
Choledochus  w^irft.  Operiert  man  in  einem  solchen  Fall  sofort, 
und  nimmt  man  keine  Rücksicht  auf  den  tiefen  Gang,  so  macht 
man  eine  unvollkommene  Operation.  Hat  man  cystostomiert,  so 
wird  später  eventuell  eine  Choledochotomie  nötig,  und  hat  man 
ectomiert^  so  kann  die  Cysticusligatur  nachgeben  und  grosses 
Unheil  entstehen,  wenn  man,  wie  Riedel  das  gern  tut,  nicht 
tamponiert  hat.  Nimmt  man  aber  Rücksicht  auf  den  Chole- 
dochus und  findet  man  den  Stein,  so  wird  man  ihn  nicht  stecken 
lassen,  sondern  ihn  herausschneiden.  War  er  klein,  und  das  ist 
meistenteils  der  Fall,  so  wäre  er  wahrscheinlich  spontan  ab- 
gegangen :  man  hat  dann  eine  unnnütze  Operation  vorgenom- 
men. Aber  diese  wird  in  der  Hand  des  erfahrenen  Gallenstein- 
operateurs selten  schaden,  während  sie  von  einem  Arzt  ausge- 
führt, der  im  Jahr  nur  2  oder  3  Gallensteinoperationen  macht, 
den  Kranken  in  grosse  Gefahr  bringen  wird.  Das  gibt  auch 
Riedel  zu,  und  deshalb  möchte  ich  vorschlagen,  die  Indikation 

*)  Auf  die  Anschauungen,  die  Riedel  über  die  pathologische 
Anatomie  und  Pathogenese  des  Gallensteinleidens  hat,  will  ich  nicht 
näher  eingehen,  obgleich  ich  auch  in  dieser  Beziehung  in  manchen 
Punkten  von  seinen  Ansichten  erheblich  abweiche. 


—     121     — 

zur  Operation  bei  der  akuten  Cholecystitis  auf  die  Fälle  zu  be- 
schränken, die  mit  peritonealer  Reizung  einhergehen  und  eine 
deutliche  und  schmerzhafte  Vergrösserung  der  Gallenblase  auf- 
weisen. Temperaturerhöhungen  und  Ikterus  sind  wenig  mass- 
gebend. Auch  bei  schwerer  Infektion  kann  Fieber  fehlen,  und 
Ikterus  ist  nicht  immer  ein  Zeichen  des  Choledochusverschlusses, 
ja  er  kann  vermisst  werden,  obgleich  Steine  in  den  Choledochus 
übergetreten  sind.  Die  Operation  soll  man  sofort,  d.  h.  gleich 
nach  gestellter  Diagnose*)  vornehmen,  wenn  Patient  einen 
schwerkranken  Eindruck  macht.  Ist  der  Tumor  der  Gallenblase 
nicht  sehr  schmerzhaft  und  gross,  das  subjektive  Befinden  des 
Kranken  leidlich  gut,  so  mag  man  abwarten  und  wird  in  den 
allermeisten  Fällen  erleben,  dass,  wie  Naunyn  sagt,  der  Tumor 
sich  rasch  „jerspurlost''.  Verschwindet  er  nicht  im  Verlaufe 
von  8 — 14  Tagen,  lassen  die  Schmerzen  nicht  gänzlich  nach, 
leidet  das  Allgemeinbefinden  unter  der  Appetitlosigkeit  und  dem 
Fieber,  so  ist  der  operative  Eingriff  ungefährlicher  wie  das  Ab- 
warten, man  greife  also  zum  Messer. 

Will  man  bei  akuter  Cholecystitis  sofort  operieren,  so  muss 
man  sich  darüber  klar  sein ,  was  man  mit  der  Operation  be- 
zwecken will :  Entfernung  sämtlicher  Steine  aus  Gallenblase 
und  Hals  derselben,  damit  sie  nicht  in  die  tiefen  Gänge  ge- 
raten, oder  nur  Beseitigung  des  meist  infektiösen  Inhalts  der 
Gallenblase  ?  Das  erstere  kann  nur  der  erfahrene  Chirurg,  das 
letztere  dürfte  auch  in  den  Händen  des  weniger  in  chirurgicis 
bewanderten  Arztes  gelingen.  Im  ersteren  Fall  wird  die  Ec- 
tomie  mehr  leisten  wie  die  Cystostomie,  im  letzteren  Fall  wird 
die  einfachere  Fistelanlegung  genügen. 

Gleichgültig  nun,  ob  man  ectomiert  oder  cystostomiert^ 
immer  ist  es  zweckmässiger,  wenn  ein  Patient,  bei  dem  sich 
die  Zeichen  schwerer  Cholecystitis  geltend  machen ,  in  ein 
Krankenhaus  transportiert  wird,  als  dass  er  zu  Hause  bleibt, 
wo  die  Nachbehandlung,  falls  eine  Operation  nötig  wird,  auf 
die  grössten  Schwierigkeiten  stösst.  Konnte  aber  ein  Trans- 
port nicht  stattfinden  —  und  meistenteils  liegt  das  am  Kranken, 
nicht  am  Arzt !  — ,  so  sei  man  darauf  bedacht,  die  entzünd- 
lichen Erscheinungen  zum  Rückgang  zu  bringen,  was  in  der 
Tat   in   der    allergrössten  Zahl    der  Fälle    gelingt,    nicht   nur 

*)  Nach  meiner  Erfahrung  wird  diese  selten  gestellt  und  deshalb 
ist  die  Operation  auch  eine  Seltenheit. 


—      122     — 

bei  den  leichteren  Formen,  sondern  auch  bei  den  mittelschweren. 
Man  lasse  den  Kranken  so  lange  liegen,  bis  völlige  Ruhe  im 
Gallensystem  eingetreten  ist.  Ist  das  der  Fall  —  und  nun 
kommt  der  Hauptpunkt,  in  dem  ich  erheblich  von  Riedel  ab- 
weiche — ,  ist  auch  nicht  mehr  die  geringste  Druckempfindlich- 
keit an  der  Gallenblase  vorhanden,  ist  gar  nichts  mehr  von 
einem  Tumor  zu  fühlen,  mit  einem  Wort  fühlt  sich  Patient 
wieder  völlig  gesund,  dann  befindet  er  sich  eben  im  Stadium 
der  Latenz,  wie  tausende  und  abertausende  von  Menschen  mit 
Gallensteinen  im  Deutschen  Reich,  es  ist  gar  keine  Indikation 
zur  Operation  vorhanden,  und  Patient  mag  abwarten,  bis  neue 
Anfälle  kommen.  Von  ihrer  Häufigkeit,  ihrer  Art  und  Dauer 
sind  dann  die  weiteren  Massnahmen  abhängig.  Kommt  es  zu  der 
rezidivierenden  chronischen  Cholecystitis,  so  handle  ich  nach 
Indikationen,  bei  denen  ich  mit  Riedel  so  ziemlich  überein- 
stimme. Aber  für  die  akute  Cholecystitis  kann  ich  das  nicht 
behaupten,  besonders  der  praktische  Arzt  vom  Lande  oder  aus 
einer  kleinen  Stadt  kann  Riedels  Indikationsstellung  über- 
haupt nicht  durchführen.  Und  darauf  müssen  wir  doch  Rück- 
sicht nehmen,  ob  eine  in  der  Theorie  ganz  plausible  Indikations- 
stellung sich  auch  in  die  allgemeine  Praxis  übersetzen  lässt. 
Riedel  ist  deshalb  selbst  der  Meinung,  dass  die  „Früh- 
operation" nur  in  grösseren  Orten  möglich  ist,  denn  sie  ver- 
langt einen  erfahrenen  Gallensteinoperateur.  Die  Dirigenten 
kleiner  Hospitäler,  für  die  das  Riedel' sehe  Buch  mitbestimmt 
ist,  werden  aber  gewiss  nicht  eine  solche  Bezeichnung  für  sich 
in  Anspruch  nehmen  wollen,  und  nur  erfahrenen  Gallenstein- 
operateuren sämtliche  Kranke  mit  akuter  Cholecystitis  zu  über- 
lassen, geht  auch  nicht  an;  dann  hätten  diese  bei  der  grossen 
Fülle  des  Materials  gar  keine  Zeit,  andere  Operationen  aus- 
zuführen. Soll  aber  der  Indikationsstellung  Riedels  völlig 
Genüge  geleistet  werden,  dann  müsste  schon  jeder  Arzt  eine 
Gallensteinoperation  ausführen  können.  Da  dieses  Verlangen 
aus  mehreren  Gründen  undurchführbar  ist  und  bleiben  wird, 
bleibt  auch  Riedels  Indikationsstellung  ein  frommer  Wunsch, 
ganz  abgesehen  davon,  dass  fast  kein  Patient  sich  gleich  bei 
der  ersten  Kolik  den  Bauch  aufschneiden  lässt. 

Wenn  ich  Riedels  Vorschlag  der  sofortigen  Operation 
bei  akuter  Cholecystitis  nur  auf  die  schwereren  Fälle  beschränkt 
wissen   möchte,   so   soll   man  daraus  nicht  den  Schluss  ziehen. 


—     123     — 

ich  wäre  der  Ansicht,  dass  heutzutage  vielleicht  zu  viel  bei 
akuter  Cholecystitis  operiert  werde.  Gerade  das  Gegenteil  ist 
der  Fall,  und  ich  habe  oft  in  dieser  Hinsicht  selbst  mit  be- 
freundeten Kollegen  recht  lebhafte  Diskussionen  gehabt:  Ich 
stimmte  für  die  Operation,  und  die  anderen  wollten  nichts  von 
derselben  wissen.  Auch  bei  akuter,  serös-eitriger  Cholecystitis 
wird  wie  bei  allen  anderen  Formen  der  Cholelithiasis  viel  zu 
selten  vom  Messer  des  Chirurgen  Gebrauch  gemacht.  Das  ist 
aber  ebenso  unrichtig,  als  wenn  in  jedem  Falle  operiert 
würde.  Denn  fast  möchte  ich  glauben,  dass  man  durch  ein  unter- 
schiedloses Operieren  sämtlicher  Fälle  von  Cholecystitis  mehr 
schaden  wird,  als  wenn  man  sich  nur  die  operationsbedürftigen 
aussucht.  Auch  wenn  man  wie  Riedel  ein  erfahrener  Gallen- 
steinoperateur ist  und  über  alle  Einrichtungen  einer  modernen 
Klinik  verfügt,  halte  ich  das  unterschiedslose  Operieren  aller 
Cholecystitisfälle  noch  lange  nicht  für  gerechtfertigt.  Ich  habe 
doch  nun  auch  genug  Erfahrung  in  der  Gallensteinchirurgie 
bekommen  und  die  Mortalität  auf  die  niedrigste  Stufe  gebracht; 
ich  verfüge  auch  über  ein  Operationszimmer  „mit  Oberlicht" 
und  kann  mich  trotzdem  nicht  zu  einer  prophylaktischen  Ope- 
ration im  Sinne  Riedels  entschliessen,  aus  Gründen,  die  ich 
bereits  oben  angeführt  habe  und  weiter  unten  noch  ausführlicher 
erörtern  werde.  Ich  mache  vielmehr  bei  der  akuten  und  —  da- 
mit ich  auch  die  chronische  Cholecystitis  und  Cholangitis  gleich 
erledige  —  bei  den  chronischen  Formen  der  Cholelithiasis 
meine  Indikationsstellung  abhängig  von  dem  Grade  der  Entzün- 
dung, von  ihrer  Daner  und  Häufigkeit,  vom  Standort  der  Steine 
(Cysticus  und  Choledochus),  von  der  Intensität  und  Art  des 
Ikterus,  von  dem  Geschlecht  und  der  Konstitution  des  Patienten, 
von  seinem  Beruf,  vom  Untersuchungsbefund  und  von  dem  bis- 
herigen Verlauf  der  Krankheit  (Fieber,  Abmagerung,  Erbrechen, 
Schmerzen,  Morphiumgebrauch)  und  von  vielen  anderen  Mo- 
menten. Meine  Indikationsstellung  ist,  das  gebe  ich  zu,  ziem- 
lich schwer  zu  erlernen,  denn  sie  setzt  voraus,  dass  der  Arzt 
spezielle  Diagnosen  der  einzelnen  Formen  der  Cholelithiasis 
stellen  kann.  Riedels  Indikationsstellung  hat  den  Vorzug, 
dass  sie  sehr  einfach  ist.  Befolgt  sie  der  Kranke,  so  braucht 
er  gar  nicht  erst  zum  innern  Arzt  zu  gehen,  er  kann  gleich  den 
Chirurgen  aufsuchen.  Und  der  Chirurg  braucht  sich  den  Kopf 
auch  nicht  lange  zu  zerbrechen,  er  operiert,  sobald  eine  Attacke 


—      124     — 

von  Cholecystitis  dagewesen  ist  und  nicht  gerade  Ikterus  und 
Abgang  kleiner  Steine  beobachtet  wurde.  Und  auch  die  Stu- 
denten haben  es  gut,  wenn  sie  eine  solche  einfache  Indi- 
kationsstellung gelehrt  w  ird,  sie  brauchen  nicht  viel  zu  lernen. 
Werden  sie  im  Examen  gefragt,  wann  bei  Gallensteinen  zu  ope- 
rieren ist,  so  antworten  sie :  Immer,  sobald  eine  Attacke  von 
Cholecystitis  da  war;  nicht  „wenn  unter  Ikterus  kleine  Steine 
abgegangen  waren  und  Ruhe  eingetreten  ist,  oder  wenn  ein 
grosser  Stein  per  vias  naturales  abgegangen  war,  Patient  sich 
dennoch    nicht    frei  von  Beschwerden  fühlt".*)- 

Obgleich  mit  der  Besprechung  der  Ried  eischen  Indika- 
tionsstellung bei  Cholecystitis  die  Frage  der  prophylaktisciien 
Operation  so  gut  wie  erledigt  ist,  muss  ich  doch  über  dieselbe 
noch  einige  Bemerkungen  hinzufügen.  Riedel  stellt,  wie  wir 
schon  oben  sahen,  die  Forderung  auf,  man  solle  die  Steine  aus 
der  Gallenblase  entfernen,  ehe  sie  in  die  tiefen  Gänge  geraten  ; 
er  gründet  diese  Forderung  auf  die  Harmlosigkeit  der  Gallen- 
blasen- und  Cysticussteine,  ihre  ungefährliche  Entfernung  einer- 
seits und  auf  die  Gefahren  des  chronischen  Choledochusver- 
schlusses  und  der  grösseren  technischen  Schwierigkeit  und 
höheren  Sterblichkeit  der  Choledochotomie  andererseits. 

Gewiss  ist  der  Aufenthalt  der  Steine  im  Choledochus  mit 
grossen  Gefahren  verbunden,  mit  Gefahren,  die  auch  die  Opera- 
tion nicht  immer  beseitigen  kann.  Ich  erinnere  nur  an  die 
Cholangitis  diffusa,  die  Thrombophlebitis  purulenta,  den  Leber- 
abszess  und  die  Pankreatitis.  Diese  Gefahren  können  bei  jedem 
Menschen  eintreten,  der  Galleusteine  in  seiner  Blase  beher- 
bergt, denn  bei  jedem  können  die  Steine  in  den  Choledochus 
gelangen  und  sich  dort  dauernd  niederlassen.  Man  müsste  also, 
wie  dies  ja  auch  Riedel  will,  jeden  Gallensteinkranken  ope- 
rieren, man  operiert  dann  auch  solche,  bei  denen  es  nicht  zum 
chronischen  Choledochusverschluss  gekommen  wäre  (nach  Rie- 
del 82  Proz.).  Dagegen  wäre  ja  nun  nicht  viel  einzuwenden, 
wenn  die  Cystostomie  resp.  Cystektomie  eine  völlig  ungefähr- 
liche Operation  wäre.  Dass  sie  dies  nicht  ist,  habe  ich  be- 
reits oben  auseinandergesetzt.  Wenn  ich  aber  2 — 3  Proz. 
Mortalität  habe,  finde  ich  nicht  den  Mut,  eine  prophylaktische 
Operation   zu   empfehlen.     Denn   die  3,   die  vom  Hundert  ster- 

*)  Die  Begründung  dieser  Contraindikation  Riedels  ist  auf 
p.  100  seines  Buches  nachzulesen. 


—     125     — 

ben,  hätten  vielleicht  niemals  einen  Choledochusverschluss  be- 
kommen. ^Aber  dafür  schützt  man  die  übrigen  97  vor  wei- 
teren Gefahren",  höre  ich  Riedel  einwenden.  Das  gebe  ich 
zwar  zu,  wenn  ich  auch  auf  die  nachträglichen  Störungen  durch 
Adhäsions-  und  Hernienbildung  als  nicht  zu  leugnende  unange- 
nehme Beigaben  unserer  Laparotomien  hinweisen  muss,  und 
ich  würde  gewiss  für  die  Frühoperation  Riedels  stimmen, 
wenn  es  nicht  Mittel  und  Wege  gäbe,  die  Gefahren  des  Chole- 
dochusverschlusses  ganz  erheblich  zu  mildern.  Ein  solches 
Mittel  ist  in  der  Tat  vorhanden  und  dieses  heisst:  Rechtzeitige 
operative  Beseitigung  des  chronischen  Choledochusverschlusses. 
Sobald  der  Stein  in  den  Choledochus  gelangt  ist,  —  und  wir 
können  das  fast  in  jedem  Fall  auf  den  Tag  bestimmen  !  — 
dürfen  wir  den  Patienten  nicht  aus  dem  Auge  lassen,  sondern 
müssen  ihn  auf  die  ernsten  Gefahren  hinweisen,  in  die  er  sich 
begibt,  wenn  er  nicht  zur  richtigen  Zeit  sich  den  Stein  heraus- 
schneiden lässt.  Die  Gefahren  des  Choledochusverschlusses 
sind  wesentlich  durch  das  lange  Abwarten  bedingt,  es  ist  doch 
sehr  selten,  dass  einmal  ein  akuter  Verschluss  zum  Tode  führt. 
Wartet  der  Chirurg  nicht  allzulange  mit  der  Operation  (mehr 
als  3  Monate  sollten,  vom .  Eintritt  der  ersten  Erscheinungen 
gerechnet,  nicht  vergehen,  oft  ist  sogar  noch  früher  eine  Ope- 
ration notwendig!),  so  ist  diese,  vorausgesetzt,  dass  man  Hepa- 
ticusdrainage  ausführt  und  tamponiert,  nicht  gefährlicher  als 
3  Proz.,  also  ebenso  ungefährlich  wie  die  Ectomie,  die  Ope- 
ration, die  Riedel  zur  Verhütung  des  Choledochusverschlusses 
bei  dem  ersten  Anfall  akuter  Cholecystitis  empfiehlt.  Dabei 
hat  sie  den  Vorzug,  dass  ihre  Dauerresultate  besser  sind  wie 
die  nach  einfacher  Ectomie  und  Cystostomie,  bei  denen  man 
leicht  Steine  im  Choledochus  übersieht.  Ob  Riedel  bei  ein- 
facher Cystostomie  oder  Ectomie  bessere  Resultate  hat  wie 
ich,  weiss  ich  nicht,  da  er  in  dieser  Beziehung  in  seinem  Buche 
keine  näheren  Angaben  macht.  Ich  kann  mir  es  aber  kaum 
denken;  denn  jede  Laparotomie  ^—  selbst  die  Probeinzision  — 
hat  gewisse  Gefahren,  die  wir  auch  dann  nicht  ganz  aus  der 
Welt  schaffen,  wenn  wir  ein  völlig  ungefährliches  Narkotikum 
entdeckt  haben  werden.  Wenn  ich  die  Erfolge  meiner  letzten 
100  Gallensteinlaparotomien  betrachte,  so  möchte  ich  beinahe 
sagen:  Mir  ist  es  jetzt  fast  lieber,  wenn  ein  Mensch  kommt 
mit  chronischem    Choledochusverschluss,    der   noch   nicht  allzu- 


—     126     — 

lange  besteht,  als  mit  akuter  Cholecystitis.  Die  Gallenblasen- 
und  Cysticussteine  machen  mir  oft  mehr  Sorgen  und  Arbeit 
wie  die  Choledochussteine,  und  die  Mortalität  war  unter  den 
letzten  110  Gallensteinoperationen  bei  meinen  Hepaticusdrai- 
nagen  inkl.  Ektomie  nicht  grösser  wie  nach  einfachen  Cysto- 
stomien  und  Ectomien,  im  Gegenteil,  sie  war  sogar  geringer. 
Das  mag  allerdings  nur  ein  Zufall  sein.  Jedenfalls  haben  mich 
meine  Erfolge  derartig  ermutigt,  dass  ich  den  Übertritt  von  Steinen 
in  den  Choledochus  für  kein  grosses  Unglück  mehr  halte.  Das 
Unglück  beginnt  erst  dann,  wenn  die  Krankheit  nicht  richtig 
erkannt  und  falsch  behandelt  wird.  Dann  ist  die  Operation  mit 
erheblichen  Gefahren  verbunden.  Wir  müssen  also  alle  Hebel 
in  Bewegung  setzen,  besonders  beim  chronischen  Choledochus- 
verschluss  durch  Stein,  Aerzte  und  Kranke  von  der  Notwen- 
digkeit der  operativen  Behandlung  zu  überzeugen,  und  dürfen 
nicht  nachlassen,  gerade  bei  der  Choledocholithiasis  auf  die 
Zwecklosigkeit  und  Gefährlichkeit  lang  fortgesetzter  innerer 
Kuren,  auch  der  Karlsbader  Kur,  hinzuweisen.  Die  Frühope- 
ration beim  chronischen  Choledochusverschluss,  nicht  die  Früh- 
operation der  Gallenblasensteine  durchzusetzen,  sei  unser  aller 
Bestreben.  Von  der  Notwendigkeit  der  Frühoperation  bei  Gal- 
lenblasensteinen lässt  sich  trotz  der  besten  „Gallenrede"  und 
trotz  der  Demonstration  der  grössten  Steine  selten  ein  Patient 
überzeugen,  während  die  Dringlichkeit  der  Entfernung  der 
Choledochussteine  man  Jedem  klar  machen  kann.  Dafür  kann 
ich  unzählige  Beweise  aus  meiner  Praxis  beibringen.  Der  Stein 
im  Choledochus  kommt,  wie  ja  Ei  edel  selbst  zugibt,  selten  zur 
Ruhe,  während  die  Latenz  der  Gallenblasensteine,  man  kann 
sagen,  fast  die  Kegel  bildet.  Ikterus,  Fieber  und  Körperge- 
wichtsabnahme sind  aber  so  regelmässig  wiederkehrende  und 
auch  für  den  Patienten  so  auffällige  Erscheinungen  des  Chole- 
dochusverschlusses,  dass  der  Arzt  mit  dem  Vorschlag  der 
Operation  selten  abgewiesen  wird,  während  der  Patient  mit 
Oallenblasensteinen  sich  deshalb  so  schwer  zur  Operation  ent- 
schliesst,  weil  immer  wieder  Zeiten  kommen,  in  denen  er  sich 
völlig  wohl  fühlt,  was  beim  chronischen  Choledochusverschluss 
weit  seltener  beobachtet  wird.  Riedel  wird  mir  in  dieser  Be- 
ziehung völlig  Recht  geben,  und  ich  freue  mich,  feststellen  zu 
können,  dass  ich  mit  ihm  in  der  Indikation  zur  Operation  beim 
chronischen  Choledochusverschluss  ganz  und  gar  übereinstimme." 


—     127      — 

Ehe  ich  meine  Ansichten  über  die  innere  Behandlung  der 
Cholelithiasis  klarlege,  will  ich  mit  einigen  Worten  auf  einen 
Punkt  eingehen,  der  mir  nicht  ganz  unwichtig  erscheint.  Es 
handelt  sich  um  die  Frage:  Wie  soll  sich  der  Operateur  ver- 
halten, der  bei  einer  aus  anderen  Gründen  vorgenommenen  Laparo- 
tomie auf  Gallensteine  als  zufälligen  Befund  stösst :  soll  er 
die  Steine  entfernen  oder  nicht?  Diese  Frage  ist  nicht  ganz 
leicht  zu  beantworten.  Wer  langsam  operiert,  keine  Erfahrung 
in  der  Gallensteinchirurgie  besitzt,  lässt  am  besten  die  Gallen- 
steine an  Ort  und  Stelle  und  unberührt.  War  die  ursprüngliche 
Operation  sehr  eingreifend,  hatte  man  es  mit  einer  Eiterung 
zu  tun,  so  verbietet  es  sich  ganz  von  selbst,  dass  man  zu 
einer  Gallensteinoperation  übergeht.  Man  denke  immer  daran, 
dass  latente  Steine  weder  eine  innere  noch  eine  operative 
Behandlung  erheischen,  und  nur  ein  Chirurg,  der  weiss,  dass  es 
ihm  gelingen  wird,  das  Gallensteinnest  gründlich  auszunehmen, 
und  der  die  Technik  dieser  Operation  beherrscht,  sollte  solche 
Nebenoperationen  vornehmen.  Viel  hängt  auch  davon  ab,  ob 
der  Bauchwandschnitt  den  Zugang  zur  Gallenblase  gestattet 
oder  ob  eine  besondere  Incision  nötig  ist.  Wenn  z.  B.  ein 
Gynäkologe  einen  rechtsseitigen  Ovarialtumor  in  wenigen  Mi- 
nuten entfernen  kann  und  dabei  die  Appendix  coeci  krank  fin- 
det, oder  wenn  dieses  Organ  gerade  in  den  Schnitt  sich  ein- 
stellt, so  würde  ich  nichts  dagegen  einwenden,  wenn  der  Ope- 
teur  zugleich  das  nichtswürdige  Anhängsel  entfernt.  Fasst 
er  weiter  nach  oben  die  vergrösserte  mit  Steinen  angefüllte 
Gallenblase  und  braucht  er  den  Bauch  wandschnitt  nur  ein  wenig 
zu  erweitern,  so  mag  er  eine  Cystostomie  machen,  zu  einer 
Ectomie  wäre  schon  ein  weit  nach  oben  gehender  Bauchschnitt 
notwendig,  und  man  sollte  sich  in  einem  solchen  Fall  doch  sehr 
überlegen,  ob  man  zur  Gallenblasenexcision  übergeht  oder  diese 
besser  unterlässt.  Die  Operation  ist  für  den,  der  im  Jahre 
hundert  macht,  leicht;  für  den  Gynäkologen,  und  wenn  er  hun- 
dert Myomotomien  im  Jahre  ausführt  event.  schwer.  Alles  ist 
Übungssache!  Ich  würde  also  bei  Steinen  in  der  Gallenblase 
resp.  Cysticus,  die  als  Nebenbefund  bei  einer  sonstigen  Laparo- 
tomie angetroffen  werden,  die  Cystostomie  gestatten,  wenn 
die  primäre  Operation  rasch  und  aseptisch  verlief,  kein  beson- 
derer Bauchdeckenschnitt  nötig  ist,  und  der  Operateur  über 
die  genügende  Technik  in  der  Gallensteinchirurgie  verfügt.  Jeden- 


-     128     — 

falls  ist  es  recht  verfehlt,  eine  Gallensteinoperation  z.  B.  einer 
Ovariotomie  gegenüber  als  das  Untergeordnete  hinzustellen. 
Einen  gestielten  Ovarialtumor  zu  entfernen  ist  sicher  leichter, 
als  eine  eröffnete  Gallenblase  regelrecht  an  das  Peritoneum 
parietale  anzunähen  und  die  Operation  so  auszuführen,  dass  die 
gefürchteten  Folgezustände  —  Gallen-  und  Schleimfistel  —  fort- 
bleiben. Eine  Patientin,  die  nie  von  ihren  Steinen  etwas  fühlte 
und  dafür  eine  Schleim-  oder  Gallenfistel  bekommt,  würde  den\ 
Operateur  wenig  Dank  wissen,  wenn  er  so  „freundlich"  war, 
bei  Gelegenheit  einer  Ovariotomie  zugleich  die  zufällig  gefun- 
denen Gallensteine  zu  entfernen  resp.  eine  permanente  Schleim- 
oder Gallenfistel  zu  etablieren.  — 

Ich  habe  im  Obigen  die  Indikationen  zur  Operation  bei  der 
Cholelithiasis  in  grossen  Umrissen  besprochen  und  dabei  in  den 
„Thesen"  auch  die  Indikationen  zur  inneren  Behandlung  ge- 
streift. Es  sei  mir  gestattet,  etwas  ausführlicher  auf  diesen  Punkt 
einzugehen.  Ich  glaube  mich  zu  einem  Urteil  über  die  Art  und 
Weise,  wie  innere  Kuren  und  Medikamente  bei  der  Cholelithiasis 
nützen  und  helfen  können,  berechtigt,  da  ich  auf  Grund  meiner 
Studien  der  pathologischen  Anatomie  am  Lebenden  genügend  Er- 
fahrungen über  diese  Frage  sammeln  konnte.  Wenn  man  nahezu 
1000  Mal  die  Bauchhöhle  wegen  Gallensteinleidens  eröffnet  und 
sich  genau  umgeschaut  hat,  wie  es  an  und  in  den  Gallengängen  aus- 
sieht, so  lernt  man  vor  allen  Dingen  die  pathol.  Anatomie  und  wird 
sich  immer  wieder  in  jedem  Falle  die  Frage  vorlegen,  wie  eine 
innere  Kur  die  pathologischen  Veränderungen  hätte  beeinflussen 
resp.  beseitigen  können.  Ich  habe  weder  die  Absicht,  für  die 
chirurgische  Behandlung  der  Cholelithiasis  Reklame  zu  machen, 
noch  auch  im  besonderen  für  meine  Klinik  Freunde  und  Patienten 
zu  werben,  aber  meiner  Überzeugung  muss  ich  doch  Aus- 
druck geben  und  sagen  :  Eine  Heilung  im  Sinne  der  völligen 
Steinentfernung  gelingt  der  Natur  nur  selten,  sie  bleibt  dem 
Messer  des  Chirurgen  vorbehalten ;  denn  ich  habe  trotz 
Glaser,  Clemm,  Schürmayer  u.  a.  die  Überzeugung,  dass 
wir  bisher  kein  Mittel  besitzen,  welches  dem  Magen  oder  dem 
Rectum  oder  der  ßlutbahn  einverleibt  die  Steine  auflöst.  Alle 
unsere  Bestrebungen  auf  medizinischem  Gebiete  waren  bisher  nach 
dieser  Richtung  hin  erfolglos.  Auch  glaube  ich  sehr  wenig  an 
die  gallentreibende  Wirkung  gewisser  Medikamente.  Bestände 
eine  solche  Wirkung,  so  könnte  dieselbe  nur  bei  kleinen  Steinen 


—     129     — 

5m  Choledochus  Erfolg  haben,  bei  grossen  würde  sie  versagen. 
Steine  aus  der  Gallenblase  in  den  Choledochus  abtreiben  zu 
AvoUen,  müsste  ich  als  „Unfug"  bezeichnen,  man  macht  aus 
«inera  lokalen,  ungefährlichen  Leiden  ein  allgemeines,  gefähr- 
liches. Wir  können  nach  meiner  Auffassung  —  und  diese  be- 
ruht auf  Erfahrungen,  die  ich  bei  meinen  Autopsien  in  vivo  ge- 
wonnen habe  —  nur  eins  durch  medikamentöse  Kuren  erreichen : 
-die  Beseitiguiig  der  Entzündung  und  der  Infektion  im  Gallen- 
ssystera. 

Wenn  es  gelingt,  die  Entzündung  zu  beseitigen,  dann  führen 
wir  die  Cholelithiasis  in  das  Stadium  der  Latenz  zurück,  in 
dem  sich  tausende  und  abertausende  von  Menschen  mit  Gallen- 
steinen befinden.  Deshalb  ist  auch  die  leichte  akute  Cholecystitis, 
4ie  zur  Latenz  neigt,  nicht  Behandlungsobjekt  des  Chirurgen, 
«ondern  des  inneren  Arztes.  Wir  heilen  aber  die  Krankheit 
nicht,  sondern  entfernen  nur  das  wichtigste  Symptom:  die 
Entzündung. 

Wir  erreichen  das  auf  verschiedene  Weise: 

1.  Die  meisten  Entzündungen  in  der  Bauchhöhle  gehen 
unter  Ruhe  zurück.  Ein  Patient  mit  akuter  Cholecystitis  ge- 
hört ins  Bett ;  durch  heisse  oder  kalte  Umschläge  (das  ist  ziem- 
lich gleich)  wird  die  Entzündung  günstig  beeinflusst  und  unter 
Einhaltung  einer  strengen  Diät  der  entzündliche  Prozess  zur 
Ruhe  gebracht.  Es  ist  also  nicht  richtig,  wenn  Patienten  mit 
■Gallenblasenentzündungen  viel  laufen,  wie  das  in  Karlsbad  Mode 
ist.  Auch  der  Schmerz  bei  chronischer  Entzündung  ist  schliesslich 
weiter  nichts  als  ein  akutes  Aufflackern  einer  chronischen  Ent- 
zündung, und  deshalb  ist  auch  bei  diesen  alten  Formen  Ruhe 
von  grossem  Vorteil.  Solche  Patienten  jage  man  nicht  morgens 
6  Uhr  aus  dem  Bett,  damit  sie  Sprudel  trinken,  sondern  lasse 
ihnen  das  Wasser  an  das  Bett  bringen  und  sorge  in  jeder  Be- 
ziehung für  Ruhe  und  Schonung. 

2.  Durch  den  Gebrauch  der  Karlsbader  Thermen  wirken  wir 
günstig  auf  die  Zirkulationsverliältnisse  des  Magens,  Darms  und 
<ler  Leber  ein,  aber  ich  glaube  nicht,  dass  die  Thermen  chola- 
:gog  wirken.  Durch  ihren  Einfluss  auf  die  Schleimhaut  des 
Darms  bessern  sie  die  Zirkulation  im  Pfortadersystem,  wirken  ent- 
lastend und  schliesslich  entzündungswidrig.  Die  eigentliche  Wirk- 
ung Karlsbads  ist  uns  unbekannt;  dass  es  das  Gallensteinleiden 
günstig  beeinflusst,  scheint  erwiesen.    Aber  man  soll  dabei  nicht 

Kehr,  Technik  dor  Gallensteinoperationen.    I.  9 


—     130     — 

vergessen,  dass  die  Cholelithiasis  überhaupt  eine  grosse  Tendenz; 
zur  Latenz  (in  ca.  70  °/o)  zeigt.  Am  besten  erreicht  man  diese- 
allerdings  bei  Gelegenheit  einer  Kur  in  einem  Kurort,  wo  der 
Kranke  kurgemäss  leben  kann  und  den  gewöhnlichen  Sorgen 
des  Hauses  und  Berufs  entzogen  ist, 

3.  Die  Beseitigung  der  entzündlichen  Prozesse  in  der  Gallen- 
blase und  in  den  Gängen  durch  Präparate  von  Salicylsäure 
zu  erreichen,  habe  ich  oft  versucht.  Mein  Urteil  soll  nach- 
dieser  Eichtung  nicht  massgebend  sein,  doch  kann  ich  mir  eine^ 
Desinfektion  der  Gallengänge  auf  dem  Wege  der  Blutbahu 
schwer  vorstellen.  Dass  ich  beim  akuten  Choledochusverschluss 
Morphium  event.  mit  Atropin  gebe,  versteht  sich  von  selbst. 
Die  Arzneibehandlung  der  Cholelithiasis  halte  ich  gegenüber 
den  anderen  Massnahmen  (Kuhekur,  Thermophor)  nicht  für  etwas 
Nebensächliches,  doch  sollten  wir  Ärzte  nicht,  wie  der  Laie 
das  gewöhnlich  tut,  das  Hauptgewicht  auf  die  Arznei  legen. 
Diät,  Regelung  der  Verdauung  sind  wichtigere  Faktoren  als 
alles  Pillenschlucken. 

Sehr  zur  richtigen  Zeit  hat  Professor  Klemperer  sein& 
Meinung  über  neue  Mittel  gegen  die  Gallensteinkrankheit  in 
der  Therapie  der  Gegenwart  1904,  Nr.  9  geäussert. 

Die  Arbeit  erschien,  als  gerade  dieses  Kapitel  meines 
Buches  unter  Druck  war,  und  ich  freue  mich,  in  KJemperer 
einen  Kollegen  gefunden  zu  haben,  der  völlig  meine  Ansichten 
vertritt.     Klemperer  sagt  Folgendes: 

„Bekanntlich  sind  alle  Mittel  und  Methoden,  die  wir  gegen 
die  Gallensteinkrankheit  anwenden,  von  sehr  unsicherem  Erfolge. 
Wir  vermögen  zwar  mit  einiger  Sicherheit  Patienten,  die  ihre 
Gallensteine  gänzlich  losgeworden  sind,  vor  Rezidiven  zu  be- 
wahren, indem  wir  ihnen  durch  rüstigen  und  frugalen  Lebens- 
wandel, durch  Enthaltsamkeit  und  Bewegung  einen  gesunden 
Zustand  der  Magendarmschleimhaut  und  eine  normale  Schnellig- 
keit der  Blut-  und  Gallenströmung  verschaffen.  Aber  wir  sind 
niemals  in  der  Lage,  jemand  zu  versprechen,  dass  er  durch 
unsere  Hilfe  einen  oder  mehrere  Gallensteine  los  werden  wird. 
Oft  genug  wird  dies  durch  Karlsbader  Kuren,  oft  auch  ohne 
Karlsbad  durch  vieles  Wassertrinken  und  viele  Bewegung 
erreicht ,  oft  scheint  Ölschlucken  oder  Olklystier,  oft  auch  ein 
Medikament  (Podophyllin,  Jodkalium,  gallensaures  oder  ölsaures 
Natron)  wirksam,  —  aber  jedem  sind  Fälle  von  Gallensteinkolik 


-     131     — 

bekannt,  die  aller  innern  Therapie  zum  Trotz  sich  wiederholen 
und  schliesslich  doch  nur  operativ  geheilt  werden  können.  Sehr 
treffend  nennt  E  wald  in  einer  eben  erschienenen  Abhandlung*) 
die  innere  Behandlung  der  Gallensteinkoliken  eine  „Lotterie", 
in  welche  die  Patienten  einsetzen.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge 
ist  die  Geneigtheit  der  Ärzte  verständlich,  neu  empfohlene 
Mittel  gegen  Gallensteinkolik  in  Anwendung  zu  hingen ;  aber 
diese  Geneigtheit  sollte  stets  in  der  notwendigen  Kritik  ihre 
Grenze  finden.  Vor  einiger  Zeit  hat  ein  schweizerischer  Arzt 
Dr.  Glaser  eine  Komposition  verschiedener  Substanzen  unter 
dem  klangvollen  Namen  „Chologen"  gegen  Gallenstein  empfohlen. 
Es  sind  mir  nun  nicht  weniger  als  fünf  Manuskripte  zugegangen, 
in  welchen  dies  Mittel  zur  Anwendung  empfohlen  wird  und 
zwar  auf  Grund  von  Erfolgen,  die  in  je  3 — 8  Fällen  erzielt 
worden  sind.  Ich  denke  aber  der  Zustimmung  meiner  Leser 
sicher  zu  sein,  wenn  ich  auf  den  Abdruck  dieser  Arbeiten  ver- 
zichte und  statt  dessen  einige  Worte  über  das  neue  Mittel  sage, 
dessen  Einführung  und  Lancierung  durchaus  zu  verurteilen  ist. 
Nach  der  Angabe  des  Erfinders  besteht  das  Chologen  aus 
Kalomel,  Podophyllin,  Melisse,  Kampher  und  Kümmel.  Nun  ist 
Kalomel  namentlich  von  englischen  Ärzten,  später  auch  von  dem 
russischen  Kliniker  Sacharjin  gegen  Gallensteine  empfohlen 
worden,  aber  schliesslich  haben  häufige  Misserfolge  von  der 
weiteren  Anwendung  abgehalten.  Auch  Podophyllin  hat  um 
seiner  gallentreibendeu  Wirksamkeit  willen  bereits  eine  kurze 
Blütezeit  als  Gallensteinrnittel  hinter  sich.  Schliesslich  mag 
jeder  Kollege,  der  auf  Kalomel  oder  Podophyllin  baut,  diese 
Mittel  in  unschädlichen  Gaben  verschreiben;  die  Erfolge  werden 
nicht  besser  und  nicht  schlechter  sein,  als  bei  andern  innern 
Medikationen  gegen  Gallenstein.  Man  braucht  doch  nur  daran 
zu  denken,  dass  70—80  "/o  aller  Gallensteinkoliken  bei  magen- 
schonender Diät  und  reichlichem  Trinken  auch  ohne  Medikament 
heilen,  um  die  nötige  Kritik  sich  zu  wahren.  Aber  mit  welchem 
Recht  wird  eine  Zusammenstellung  der  beiden  Substanzen  mit 
einem  Namen  bezeichnet,  der  unwillkürlich  die  Vorstellung  einer 
besonderen  Wirksamkeit  erweckt  ?  Wenn  sich  die  Gewohnheit 
einbürgern  sollte,  beliebige  Medikamente  zweifelhafter  Wirksam- 
keit  in  neuen   Zusammenstellungen   unter  lockenden  Etiketten 


*)  Erkrankungen  der  Gallenblase  und  Gallengänge  in  Karewski'a 
,Moderne  ärztliche  Bibliothek"  H.  9. 

9* 


—     132     — 

geg'en  bestimmte  Krankheiten  anzupreisen,  so  wäre  der  Kur- 
pfuscherei und  dem  Geheimmittelschwindel  Tür  und  Tor  ge- 
öffnet. Es  scheint  mir,  als  ob  ein  Arzt,  der  „Chologen"  gegen 
Gallenstein  verordnet,  sich  zum  Mitschuldigen  eines  sonst  ge- 
wiss perhorreszierten  Verfahrens  machte.  Ich  zweifle  natürlich 
nicht  an  der  bona  fides  der  Herren  Einsender,  die  ihre  Cho- 
logenerfolge  rühmen,  aber  ich  glaube,  dass  sie  nun  selbst  bereit 
sein  werden,  lieber  Kalomel  und  Podophyllin  an  Stelle  der 
„Patentmedizin"  zu  verschreiben.  Ich  habe  übrigens  im  Lauf 
des  letzten  Jahres  schon  fünf  Gallensteinkranke  gesehen,  die 
die  Chologenkur  genau  nach  den  Vorschriften  des  wunderbaren 
Prospektes  ohne  jeden  anderen  Erfolg  als  den  sehr  starker 
Diarrhöen  angewendet  hatten. 

Ein  zweites  Mittel  ist  das  von  Dr.  Clemm  in  Darmstadt 
zusammengesetzte  Cholelysin.  Es  besteht  aus  10 — 15  gr. 
Eunatrol,  30  Tropfen  Ananasessenz,  5  Validol,  10  Tinct. 
Valeriana  auf  200  aq.  Menth,  pip.  Alles,  was  sich  gegen  die 
Verordnung  von  Chologen  sagen  lässt,  spricht  auch  gegen  die 
Anwendung  des  durch  nichts  gerechtfertigten  Locknamens  Chole- 
lysin. Eunatrol  ist  der  Fabrikname  für  ölsaures  Natron ;  von 
diesem  ist  festgestellt,  dass  es  gallentreibend  wirkt.  So  er- 
klären wir  die  nicht  selten  zu  beobachtende  Wirkung  der  Öl- 
kur, bei  der  ein  Teil  des  Öls  als  ölsaures  Alkali  resorbiert 
wird.  Es  ist  nun  weiter  nachgewiesen ,  dass  Cholesterin  sich 
in  gesättigten  Seifenlösungen  zu  lösen  vermag.  Aber  darf  man 
annehmen,  dass  nennenswerte  Mengen  des  Ölsäuren  Natrons  als 
solches  in  die  Galle  gelangen  ?  Und  wie  steht  es  mit  der 
Wirkung  bei  den  viel  häufigeren  Bilirubinsteinen?  Wenn  man 
auf  die  auflösende  Wirkung  rechnet,  so  mag  man  nur  ruhig  zu 
dem  alten  Durand e'schen  Mittel  zurückkehren,  welches  aus 
Äther  und  Terpentin  besteht,  da  in  diesen  Substanzen  sowohl 
Bilirubin  wie  Cholesterin  löslich  ist.  Man  sollte  doch  glauben, 
dass  ein  moderner  Arzt  so  kindlichen  Vorstellungen  nicht  mehr 
zugänglich  ist.  Übrigens  ist  Eunatrol  schon  vor  fünf  Jahren 
von  Gerhardt  in  dieser  Zeitschrift  als  Ersatz  der  Ölkuren 
gegen  Gallenstein  empfohlen  worden ;  ich  habe  es  seither  oft 
nehmen  lassen,  aber  ich  habe  neben  manchem  Erfolge  auch 
mehrere  Misserfolge  gesehen.  Auch  Ewald  berichtet,  dass  er 
nach  dem  Gebrauch  von  Eunatrolpillen  bei  gleichzeitig  kräftiger 
und   fettreicher   Diät  oft  wiederholte  Gallensteinkoliken  völlig 


—     133     — 

und  dauernd  hat  schwinden  sehen,  dass  ihm  aber  auch  bei 
dieser  Behandlungsmethode  Fehlschläge  nicht  ausgeblieben  sind. 

Nach  dem  Gesagten  sind  auch  die  Kuren  zu  beurteilen, 
die  neuerdings  in  sogenannten  „Gallenstein -Sanatorien"  vor- 
genommen werden.  Was  daran  gut  ist,  kann  jeder  Arzt  bequem 
bei  seinen  Patienten  durchführen,  wenn  sie  nur  einigermassen 
willig  und  verständig  sind.  Was  aber  an  „neuen"  und  „in- 
dividualisierenden" Methoden  in  manchen^  Sanatorien  zur  An- 
wendung gebracht  wird,  ist  so  wenig  wissenschaftlich  zu  be- 
gründen und  praktisch  so  wertlos,  dass  wir  unsere  Patienten 
vor  dem  Besuch  derselben  nur  warnen  können."  — 

Klemperer  hat  besonders  die  Wirkungsweise  der  ,, Arznei- 
mittel" besprochen;  über  die  Karlsbader  Kur  möchte  ich  noch 
eine  kurze  Bemerkung  einschalten.  Man  begegnet  über  die 
Wirkung  Karlsbader  Kuren  den  verschiedensten  Ansichten, 
von  denen  einige  geradezu  naiv -kindlicher  Natur  sind.  Da 
soll  der  Sprudel  die  Galle  dünnflüssiger  machen  und  die  Steine 
im  Cysticus  lockern ;  einmal  soll  er  beruhigend,  das  andere  mal 
cholagog  wirken,  und  selbst  die  Ansicht  wird  noch  vertreten, 
dass  er  die  Steine  löst.  Eine  Entzündung  beseitigende  Kraft 
hat  der  Sprudel  vielleicht,,  vom  Auflösen  der  Steine  kann  keine 
ßede  sein.  Bekommt  ein  Gallensteinkranker,  der  zur  Kur 
nach  Karlsbad  geht,  dort  Ikterus  und  Koliken,  so  schiebt  man 
das  auf  die  Kur  und  sagt:  Seht,  wie  das  Wasser  wirkt  1  und 
hören  die  Koliken  auf,  so  ist  auch  daran  die  Kur  schuld.  Ich 
bin  ein  grosser  Verehrer  von  Karlsbad,  aber  nur  für  eine  be- 
schränkte Anzahl  und  für  bestimmte  Formen  der  Gallenstein- 
krankheit. Es  für  alle  Fälle  zu  empfehlen  ist  ebenso  falsch, 
als  wenn  man  in  allen  Fällen  operieren  wollte. 

Ich  habe  in  den  letzten  Jahren  von  den  Gallensteinkranken, 
die  mich  aufsuchten,  meist  in  der  Absicht  sich  operieren  zu 
lassen,  kaum  die  Hälfte  operiert*)  und  manchen  Kranken  zurück- 
gestellt, bei  dem  der  Arzt  eine  dringende  Operation  für  nötig 
hielt.  Ich  glaube  am  besten  durch  Beispiele  zeigen  zu  können, 
wann  ich  nicht  operiere,  und  führe  deshalb  hier  einige  Kran- 
kengeschichten an ;  natürlich  kann  ich  nicht  alle  meine  Contra- 
indikationen herzählen.  Ich  operiere  vor  allen  Dingen  nicht 
während   des   akuten   Choledochusverschlusses,    wenn  er  nor- 

*)  Von  300  Gallensteinkranken,  die  im  Jahre  1903  meine  Klinik 
aufsuchten,  habe  ich  137  operiert,  also  noch  nicht  die  Hälfte! 


-      134     — 

mal  d.  h.  ohne  hohes  Fieber  und  ohne  grosse  Beeinträchtigung 
des  Allgemeinbefindens  verläuft. 
Dafür  einige  Beispiele! 

M.  B.,  33 j.  Ladenmeistersfrau  aus  Halberstadt. 

Anamnese:  September  1900  hatte  Pat.  3  Tage  lang  Gallenstein- 
koliken mit  Ikterus  und  Erbrechen,  im  Stuhlgang  wurden  Steine  ge- 
funden.   Danach  war  sie  gesund  bis  jetzt. 

Am  20.  Juli  1908  hatte  sie,  nachdem  einige  Tage  Appetitlosig- 
keit und  Druck  im  Epigastrium  vorangegangen  waren,  eine  heftige 
Kolik,  Schmerzen,  die  von  beiden  Seiten  zum  Rücken  herumzogen, 
Druckgefühl  in  der  Magengrube  und  Beängstigung,  Übelkeit,  wenig 
Erbrechen,  Hitze  und  Schweiss.  Der  Anfall  dauerte  etwa  3  Stunden. 
Am  27.  7.  und  3.  8.  03  traten  noch  einmal  heftige  Anfälle  auf,  derent- 
wegen Pat.  Morphium  bekam,  in  der  Zwischenzeit  hatte  sie  bisweilen 
leichte  Schmerzen,  aber  keine  ausgesprochenen  Koliken.  Einige  Tage 
nach  dem  ersten  Anfall  wurde  sie  etwas  gelb,  die  Färbung  erneuerte 
sich  nach  den  weiteren  Koliken.  Der  Stuhlgang  ist  hart,  aber  angeb- 
lich normal  gefärbt,  der  Urin  dunkel.  Herr  Dr.  Max  Müller-Halber- 
stadt schickt  die  Pat.  zur  Klinik. 

Befund:  Ausgesprochener  Ikterus,  besonders  der  Konjunktiven. 
Im  Urin  Gallenfarbstotf,  sonst  keine  pathol.  Bestandteile.  Gallenblasen- 
gegend sehr  druckempfindlich,  resistent,  Gallenblase  undeutlich  als 
Tumor  durchzufühlen.  Stuhl  ganz  grau. 

7.  8.  03.  Ikterus  bedeutend  geringer,  im  Stuhl  ist  bisher  nichts 
gefunden  worden.  Schmerzen  und  Druckempfindlickheit  der  Gallen- 
blasengegeiid  sind  geschwunden,  der  Tumor  ist  nicht  mehr  tastbar. 
Stuhl  etwas  gefärbt. 

9.  8.  03.  Im  Stuhl  ist  gestern  Abend  ein  fast  haselnussgrosser 
Stein  gefunden  worden.  Pat.  hat,  da  sie  völlig  beschwerdefrei  ist  und 
der  Ikterus  schwindet,  keine  Lust  mehr  zur  Operation.  Wir  hatten 
auch  keinen  Grund,  zu  derselben  zu  raten. 

Der  Stein  ist  weiss,  stark  fazettiert,  so  dass  man  mit  Sicherheit 
auf  die  Wiederkehr  der  Koliken  rechnen  kann. 

Ein  typischer  Fall  von  regulärer  Cholelithiasis,  wie  Naunyn 
dieses  Krankheitsbild  nennt.  Unter  solchen  Verhältnissen  liegt  eine 
Indikation  zur  Operation  nicht  vor.  Pat.  hat  nach  unseren  Angaben 
zu  Hause  eine  Ruhekur  durchgemacht  und  fühlt  sich  seitdem  völ- 
lig wohl. 

W.  A.,  41  j.  Hauptlehrer  aus  Langenstein. 

Anamnese:  Vor  7  Jahren  bekam  Pat.  plötzlich  einen  Anfall 
von  krampfartigen  Schmerzen,  die  von  der  Magengrube  aus  beider- 
seits nach  dem  Rücken  hin  ausstrahlten  und  eine  Nacht  lang  anhielten 
Nachher  fühlte  sich  Pat.  wieder  völlig  wohl.  Seit  4—5  Jahren  bekam 
er  dann  einhalb-  bis  dreivierteljährlich  immer  wieder  die  gleichen, 
bald  vorübergehenden  und  keine  Folgen  hinterlassenden  Anfälle;  der 
längste  vor  einem  halben  Jahre  dauerte  20  Stunden. 


—     135     — 

Vor  8  Wochen  stellte  sich  wiederum  ein  solcher,  diesmal  sehr 
lieftiger  Anfall,  der  ca.  einen  Tag  dauerte,  ein;  es  trat  zugleich  allge- 
meine Gelbsucht  auf,  die  5—6  Tage  anhielt,  dabei  war  der  Stuhl 
-völlig  grau,  der  Urin  braun  mit  gelblichem  Schaum.  Herr  Dr.  König- 
Derenburg  sandte  den  Fat.  uns  zu. 

Es  wurde  zunächst  eine  Operation  widerraten,  Karlsbader  Wasser 
«nd  morgens  und  abends  1  Stunde  Thermophorauflegung  verordnet. 
Fat.  befand  sich  stellenweise  besser,  doch  fühlt  er  sich  seit  dem 
Anfall  vor  8  Wochen  nicht  mehr  wohl,  hat  eigentlich  dauernd  leichte 
■dumpfe  Schmerzen,  die  von  der  Magengrube  beiderseits  nach  dem  Rücken 
•hin  ausstrahlen.  Zugleich  hat  er  keinen  Appetit,  fürchtet  sich  vor  dem 
Essen,  nach  welchem  meist  Übelkeit  und  stärkere  Schmerzen  auftreten. 

In  den  8  Wochen  haben  sich  häufigere,  aber  nur  leichte,  ^J2—l 
Stunde  dauernde  eigentliche  Kolikanfälle  eingestellt.  Erbrechen  und 
Fieber  hat  angeblich  nie  bestanden.  Es  besteht  Neigung  zur  Ver- 
-stopfung.     Steine  im  Stuhl  wurden  nicht  gefunden. 

Da  Fat.  dauernde  Beschwerden  hat,  nicht  ordentlich  essen  kann 
und  seines  Lebens  nicht  froh  wird,  sucht  er  uns  wieder  auf. 

Befund:  Leichter  gelblicher  Schimmer  der  Konjunktiven.  Leib 
<^twas  gespannt.  In  der  Lebergegend  undeutliche  Resistenz,  jedoch 
keine  typische  Druckempfindlichkeit.  Kein  Tumor  der  Gallenblase 
fühlbar.    Im  Urin  kein  Gallenfarbstofl. 

Verlauf:  6.  3.  03.  Nach  dem  Essen  Magendrücken  und  Übel- 
keit. Abends  beim  Magenspülen  Erbrechen  reichlicher  Speisereste,  da- 
nach Erleichterung.  Magen  sehr  weit,  Nahrung  wird  jedoch  ziemlich 
gut  verdaut.  Morgens  und  abends  Magenspülung  und  abends  1  Stunde 
Thermophor.     Stuhl  ziemlich  grau. 

7.  3.  03.  Morgens  Magenspülung.  Befinden  heute,  auch  nach 
-dem  Mittagessen,  besser. 

8.  3.  03.  Gestern  Abend  beginnen  leichte  Kolikschmerzen  im 
Rücken  und  in  der  Gegend  der  Magengrube,  die  allmählich  bis  Mitter- 
nacht sehr  heftig  werden,  zugleich  Hautjucken.  Nach  0,01  Morphium 
subkutan  sofort  Erleichterung,  Kein  Erbrechen.  Heute  früh  Konjunk- 
tiven leicht  gelblich  gefärbt.  Hautjucken  gering.  Allgemeinbefinden 
gut.    Magenspülung.    Frühstück  gut  verdaut. 

9.  3.  03.  Stuhl  heute  einmal,  ziemlich  grau.  Kein  Stein  darin. 
Nacht  war  gut.  Heute  Abend  wieder  etwas  Rückenschmerzen,  ÜbeU 
keit  und  Aufstossen.  Schmerzen  allmählich  heftiger  bis  zu  leichter 
Kolik  ohne  Erbrechen.    Nach  Morphiuminjektion  Linderung. 

10.  3.  03.  Fat.  fühlt  sich  heute  wieder  wohl,  soll  sich  weiter 
schonen,  weiter  Thermophor,  Magenspülung,  Karlsbader  Wasser  an- 
^^enden,  wird  entlassen,  soll  sich  aber  wieder  vorstellen. 

Fat.  ist  zu  Hause  noch  14  Tage  krank,  dann  plötzliches  Wohl- 
befinden, Ikterus  nimmt  rasch  ab.  Ein  Stein  wird  trotz  eifrigen 
Suchens  in  den  Faeces  nicht  gefunden.  (Er  ist  entweder  in  den  Chole- 
dochus  zurückgewichen  oder  abgegangen,  event.  im  Darm  zerfallen  1) 
Seitdem  (Anfang  April)  bis  heute  (Anfang  August)  völlig  wohl  — 
ohne  Chologen,  Karlsbad  oder  sonstige  Mittel. 


—     136    — 

L.  8.,  39j»  Lehrer  aus  Stettin. 

Anamnese:  Im  Juli  1897  plötzlich  Anfall  von  heftigen  Kolik- 
schmerzen in  der  Oberbauchgegend  von  6  Stunden  Dauer.  Kein  Er- 
brechen, kein  Fieber,  keine  Gelbsucht.  In  den  folgenden  Monaten  ab- 
und  zu  Druckgefühl  in  der  Magengrubengegend.  Dezember  1897  sehr 
heftige,  12  Stunden  dauernde  Kolik,  gleich  der  früheren.  Dann  völliges 
Wohlbefinden.  Mai  1898  leichte  Kolik.  Danach  Karlsbader  Kur. 
Darauf  völliges  Wohlbefinden  bis  Ostern  1903  (im  Jahre  1900  noch- 
mals Kur  in  Karlsbad), 

Ostern  1903  drei  leichte  Koliken,  einige  Wochen  später  nochmals^ 
einige  leichte  Koliken  gleich  den  früheren. 

Im  Juni  Kur  in  Karlsbad.  Eine  Woche  nach  der  Karlsbader  Kur 
wiederum  eine  leichte  Kolik,  Diesmal  Spur  Gelbsucht,  Urin  dunkel,. 
Stuhl  verstopft,  ziemlich  grau.  Kein  Fieber  oder  Schüttelfrost,  Da- 
nach wieder  Wohlbefinden.  Am  16,  August  sehr  heftige  Kolik,  be- 
sonders auch  mit  Rückenschmerzen,  weitere  neue,  meist  6—7  Stunden 
dauernde  Koliken  am  17,,  19-,  20.  und  heute  nach  der  Bahnfahrt.  Da- 
bei kein  Fieber,  kein  Schüttelfrost,  einmal  Erbrechen.  Seit  dem  19. 
August  allgemeine  Gelbsucht,  die  immer  intensiver  wurde.  Stuhl 
grau,  starke  Verstopfung.  Urin  dunkel.  Appetit  schlecht.  Erhebliche 
Abmagerung  in  der  letzten  Woche. 

Pat.  wurde  in  den  Anfällen  mit  heissen  Umschlägen,  Morphium 
(Tropfen  und  subkutan)  und  Karlsbader  Wasser  behandelt. 

Bef  un  d  :  Starker  Ikterus.  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasen- 
gegend und  der  Mittellinie.     Im  Urin  viel   Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Akuter  Choledochusverschluss. 

Verlauf:  24.  8.  03.  Pat.  führt  ab.  Sehr  reichlich  Stuhl.  Dabei 
geht  ein  etwa  erbsengrosser  Cholestearinstein  in  einzelnen  Trümmern 
ab,    Ikterus  ist  deutlich  geringer. 

25.  8.  03.  Abends  1—2  Stunden  dauernde  Kolik  mit  Schmerzen  in^ 
der  Gegend  der  Gallenblase.  Morphiuminjektion.  Danach  Linderung, 
Temp.  normal. 

27.  8.  03..  Pat.  führt  nochmals  ab  (Ol.  Ricini).  Sehr  reichlich 
Stuhl,  darin  ein  etwa  erbsengrosser  Stein  in  einzelnen  Trümmern. 
Ikterus  deutlich  zurückgegangen.    Stuhl  noch  grau.     Urin  heller. 

29.  8.  03.  Pat.  ist  ausser  Bett,  fühlt  sich  noch  matt.  Ikterus 
wesentlich  geringer.    Hautjucken  geringer,    Stuhl  etwas  gefärbt, 

1,  9,  03,  Nur  noch  Spur  Ikterus.  Stuhl  etwas  gefärbt.  Pat.  fühlt 
sich  wohl.  Da  der  akute  Choledochusverschluss  behoben  ist,  liegt  eine». 
Indikation  zur  Operation  nicht  vor.  Pat.  wird  entlassen,  mit  der 
Weisung,  zu  Hause  den  Thermophor  aufzulegen  und  Karlsbader  Wasser 
zu  trinken. 

Pat.  berichtet  6  Wochen  später,  dass  ihm  die  vorgeschriebene  Kur 
ausgezeichnete  Dienste  geleistet  habe,  der  Ikterus  und  die  Schmerzen 
völlig  geschwunden  seien. 


—     137     — 

L.  F.,  41  j.  Tostinspektor  aus  Breslau. 

Anamnese:  Vater  des  Fat.  hat  in  höherem  Alter  an  Gallen- 
steinen gelitten,  eine  Tante  ist  an  einem  akuten  ^eberleiden  gestorben. 
Vor  10  Jahren  hatte  Fat.  den  ersten  Kolikanfall  mit  Ikterus,  von 
etwa  3-stündiger  Dauer.  November  1893  wöchentlich  ein  Anfall, 
jedesmal  mit  Ikterus  und  Dunkelfärbung  des  Urins;  die  Anfälle 
waren  typische  Gallensteinkolikeu.  Mai  1894  4-wöchentliche  Kur  in 
Neuenahr ;  daselbst  ein  Anfall,  nach  welchem  12—15  über  erbsen- 
grosse  Steine  im  Stuhle  gefunden  wurden.  Fat.  will  damals  deut- 
lich gefühlt  haben,  wie  die  Steine  allmählich  in  den  Zwölffinger- 
darm rutschten.  6  Wochen  nach  der  Kur  in  Neuenahr  erneuter  An- 
fall, ebenso  '/*  Jahr  später.  Dann  war  Fat.  frei,  bis  1897  nach  Genuss 
von  Filzen  ein  Anfall  von  Magenkrampf  auftrat  (anders  wie  die  Gallen- 
steinkoliken, ohne  Ikterus);  im  Anschluss  daran  Erbrechen,  worauf 
der  Magenkrampf  aufhörte.  Seitdem  etwa  alle  2  Jahre  Magenkrampf,^ 
angeblich  durch  Bandwurm  bedingt,  welcher  1902  abgetrieben  wurde. 
Vor  3  Tagen  nach  grösserer  körperlicher  und  seelischer  Anstrengung 
(schwere  Erkrankung  des  Vaters)  Schmerzen  in  der  Magengrube;  nach 
dem  Frühkaffee  trat  plötzlich  starker  Kolikanfall  auf  mit  Brechreiz. 
Fat.  bekam  vom  Arzt,  Herrn  Dr.  H  ar  t  ma  n  n-Blankenburg,  eine 
Morphiuminjektion ;  danach  Erbrechen.  Der  Anfall  dauerte  etwa  bis 
Mittag,  _  der  Leib  war  schmerzhaft  und  etwas  aufgetrieben.  Der 
Arzt  Hess  Einlaufe  machen,  doch  kam  kein  Stuhl,  vielmehr  trat 
nochmals  Erbrechen  auf,  welches  etwas  fäculent  roch.  Da  bis  abends 
kein  , Stuhlgang  kam.  wollte  .  der  Arzt  den  Fat,  bereits  nach 
Halberstadt  zur  Operation  wegen  Darmverschluss  überführen  lassen,, 
da  erfolgte  abends  auf  einen  neuen  Einlauf  doch  etwas  Stuhl. 
Nachts  und  am  andern  Morgen  hatte  Fat.  dann  noch  je  eine  reich- 
liche Stuhlentleerung.  Am  Tage  des  Anfalls  bestand  kein  Fieber,  am 
andern  Morgen  war  die  Temp.  38,3°,  und  es  bestand  deutliche  Gelb- 
sucht; der  Urin  war  dunkel  gefärbt.  Fat.  hat  in  der  Nacht  nach 
dem  Anfall  ganz  gut  geschlafen.  Heute  sucht  er  auf  den  Rat 
des  Herrn  Dr.  Hartmann  unsere  Klinik  auf,  um  sich  untersuchen 
zu  lassen. 

Befund:  Massiger  Ikterus,  gerioge  Druokempfindlichkeit  der 
Gallenblasengegend.  Urin  enthält  Gallenfarbstoff.  Therapie :  Morphium,. 
Thermophor,  Sprudel. 

Wird  am  31.  1.  1904  nach  Breslau  entlassen. 

Fat.  stellt  sich  nach  6  Wochen  wieder  vor  und  bringt  mehrere 
Steine  mit,  die  ihm  abgegangen  sind.  Er  fühlt  sich  zur  Zeit 
völlig  wohl. 

In  den  Fällen  von  akutem  Choledochusverschluss  handelt 
es  sich  pathologisch  -  anatomisch  um  eine  mit  Steinentleerung- 
einhergehende  Entzündung  des  x:!holedochus,  der  trübe  Galle 
enthält,  häufig  um  gleichzeitige  Entzündung  des  Pankreaskopfes. 
Geht  die  Entzündung  (durch  Abführmittel,  heisse  Umschläge  etc.) 


—     138     — 

zurück,  so  schwillt  die  Schleimhaut  ab,  der  Stein  kann  dann, 
wenn  er  nicht  zu  gross  ist,  auf  natürlichem  Wege  abgehen. 
Dass  hierbei  irgendwelche  Arzneien  (Olivenöl ,  Eunatrol  etc.) 
mithelfen  können,  wäre  denkbar;  aber  zu  oft  wird  der  Stein- 
abgang auf  Medikamente  zurückgeführt,  bei  deren  Weglassung 
dasselbe  Ereignis  eingetreten  wäre.  Ich  glaube,  dass  auch 
Bauerraeister  auf  seine  Probilinpillen  (Therap.  Monatshefte 
1904,  Mai)  allzu  sanguinische  Hoffnungen  setzt.  Wenigstens 
seheich  sehr  oft  Steinabgang  —  ohne  irgendwelches  Medikament! 
Das  post  hoc,  ergo  propter  hoc  spielt  doch  in  der  Medizin  immer 
noch  eine  gewaltige  Rolle! 

Ganz  genau  wie  beim  akuten  Choledochusverschluss  sollen 
wir  uns  bei  jeder  Cholecystitis,  die  ohne  stärkere  peritoneale 
Reizung,  ohne  Fieber  und  Pulsbeschleunigung  auftritt,  zunächst 
exspektativ  verhalten.  Fälle  mit  schwerem  Allgemeinbefinden, 
rapid  wachsendem  Tumor  der  Gallenblase,  hohem  Fieber,  circum- 
skripter  Peritonitis  sind  gewiss  Objekt  des  chirurgischen  Ein- 
greifens, aber  die  leichte  seröse  Cholecystitis,  die  „wie  ein 
Strohfeuer  aufflackert  und  rasch  erlischt",  geht  oft  so  rasch 
vorüber,  dass  wirklich  eine  Operation  zwecklos  wäre.  Der 
Tumor  der  Gallenblase  verspurlost  sich,  wie  Naunyn  sich 
ausdrückt,  und  zwar  trägt  dazu  eine  tüchtige  Dose  Rizinusöl 
das  Meiste  bei.  Auch  Riedel  meint,  dass  eine  Flasche  Bitter- 
wasser ausgezeichnet  wirke.  Diese  Beobachtung  kann  ich  nur 
bestätigen.  Auch  in  den  folgenden  Fällen  hatte  ich  auf  diese 
Weise  einen  vollen  Erfolg.  Es  handelte  sich  hier  um  akute 
Exacerbation  der  chronischen  Cholecystitis  und  wenn  auch 
niemand  mit  Bestimmtheit  einen  Dauererfolg  versprechen 
kann,  so  beweisen  doch  die  Beobachtungen,  dass  man 
akute  Entzündungen  mit  einfachen  Mitteln  leicht  rückgängig 
machen  kann. 

A.  H.,  55j,  Steinmetzmeister  aus  Nebra. 

Anamnese:  Herr  Dr.  H  ä  s  e  1  e  r-Nebra  schreibt  uns  über  den 
Pat.  folgendes: 

„Pat.  erkrankte  plötzlich  im  Jahre  1897  Nachts  mit  Magen- 
beschwerden, von  einem  Kollegen  als  Magenkrampf  gedeutet. 
1898  der  gleiche  Anfall,  auch  Nachts.  Von  demselben  Kollegen 
Cocain  innerlich  zur  Schmerzlinderung.  Diagnose  nicht  gestellt. 
Wegen  bald  danach  erneuter  Beschwerden  wird  ein  anderer  Kollege 
konsultiert,    der  aus    massiger    Gelbsucht    auf    „Leberkrankheit*    ge- 


—     139     — 

schlössen  haben  soll.  Verbot  von  fetten  Speisen.  Darauf  völlige 
Beseitigung  der  Beschwerden.  1900  erneute  Attacke.  Ein  3.  Arzt 
konsultiert:  Leberleiden.  Besserung.  1902  wurde  ich  zugezogen,  dia- 
gnostizierte Gallensteinleiden.  Entsprechende  Diät  mit  milder  Karls- 
bader Kur.  Besserung,  abgesehen  von  leichteren  Anfällen,  die  ohne 
Hilfe  vorbeigingen.  Dezember  1903  starke  Gallensteinkolik.  Morphium. 
Nachher  Ruhe  vmd  beschwerdefrei.  Karlsbader  Kur.  Seit  Teilnahme 
an  einem  Essen  am  4.  2.  d.  J.  leichtere  Beschwerden :  Drücken,  Un- 
behagen. Gallensteinabgang  ist  nie  bemerkt.  Häufig  aschgraue  Stühle 
und  Ikterus,  teils  schwächer,  teils  stärker  als  augenblicklich. 

Objektiv  konnte  ich  jetzt  keine  Druckschmerzhaftigkeit  fest- 
stellen. Gallenblase  nicht  fühlbar.  Leber  vielleicht  etwas  deutlicher 
als  normal.  Ich  möchte  meine  allgemeine  Diagnose  eines  Gallen- 
steinleidens dahin  präzisieren :  Cholecystitis  chronica  recidiva,  geringe 
Verwachsungen.  Fat.  gibt  noch  an,  im  ganzen  seit  Beginn  der  Krank- 
heit etwa  10  Pfund  abgenommen  zu  haben;  ist  durch  seine  Krankheit 
ziemlich  gestört,  aber  doch  nicht  an  der  Ausübung  seines  Berufes 
gehindert." 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Schwacher  Ikterus,  Leberschwel- 
lung, starke  Druckemptindlichkeit,  Gallenblasentumor.  Im  Urin 
Spuren  von  Gallenfarbstoff. 

22.  8.  Nach  Ricinus  sehr  reichliche  braune  Stuhlentleerungen, 
danach  grosse  Erleichterung.  Jetzt  Gallenblase  und  Leberrand  schon 
für  die  Inspektion  deutlich  sich  durch  die  Bauchdecken  abhebend. 
Gallenblase  nur  auf  stärkeren  Druck  etwas  empfindlich,  nur  wenig 
gespannt.  Man  kann  noch  am  Abend  feststellen,  dass  die  Gallenblase 
an  Umfang  abgenommen  hat. 

28.  3.  Gallenblase  ist  noch  kleiner  geworden,  fast  gar  nicht 
mehr  druckempfindlich.  Pat.,  der  übrigens  in  seinem  Beruf  nicht 
wesentlich  gestört  ist,  soll  erst  eine  Karlsbader  Kur  zu  Hause  mit 
Thermophor,  Öleinläufen,  Ruhe,  Diät  etc.  gebrauchen.  Stellt  sich  in 
6  Wochen  wieder  vor  und  zeigt  gar  keine  Veränderungen  an  der  Gal- 
lenblase mehr. 

Epicrise:  Hier  zeigte  sich  wie  in  so  vielen  Fällen  so- 
fort deutliche  Erleichterung,  als  Patient  gründlich  abgeführt 
hatte.  Auf  diese  Entleerung  des  Darmes  sind  die  vielen  Bes- 
serungen durch  Geheimmittel  (Kräutertee  etc.)  zurückzuführen. 
Ich  beobachte  das  sehr  oft  bei  den  Vorbereitungen  zur  Operation, 
dass  die  Kranken  nach  einer  gründlichen  Dosis  Ricinusöl  sich 
^wie  neugeboren"  fühlen  und  dann  in  ihrem  Entschluss  zur  Ope- 
ration sehr  wankend  werden.  — 

H.  M.,  68j.  Privatmann  aus  Rohrsheim. 

Anamnese:  Vor  2  Jahren  Lungenentzündung.  Vor  1'/« 
Jahren     zum    ersten    Male    typischer    Anfall     von     Gallensteinkolik, 


—     140     — 

der  Abends  begann  und  etwa  5—6  Stunden  dauerte.  Der  Arzt  ver- 
ordnete heisse  Umschläge.  Ein  gleicher  Anfall  trat  -November  1905 
auf,  dabei  bestand  etv^^as  Fieber.  Pat.  erholte  sich  aber  schnell 
wieder.  Vor  14  Tagen  abends  begann  wieder  ein  Kolikanfall, 
der  die  ganze  Nacht  dauerte;  der  Arzt  machte  eine  Morphium- 
injektion. Es  bestand  wieder  etwas  Fieber.  Einige  Tage  danach 
trat  etwas  Gelbsucht  auf.  Herr  Dr.  Bartels  in  Rohrsheim 
schickt  uns  den  Pat.  zur  weiteren  Behandlung  zu.  Zur  Zeit  hat  Pat. 
noch  andauernd  Stiche  in  der  Gallenblasengegend,  die  sich  besonders 
bei  Drehbewegungen  steigern.  Seit  14  Tagen  liegt  der  Appetit  da- 
nieder; Erbrechen  hat  Pat.  nie  gehabt. 

Befund:  Gallenblase  als  stark  druckempfindlicher  biinförmiger  Tu- 
mor palpabel;  Leber  anscheinend  nicht  geschwollen.  Im  Urin  geringe 
Mengen  Gallenfarbstoff,  Ikterus  nur  angedeutet ;  Bettruhe.  Flüssige 
Diät,  Ol.  Ricini.    Temp.  87,9«  C. 

12.    2.    Schmerzen    haben    nachgelassen.    Tumor    der    Gallenblase 
kleiner. 

13.  2.  Appetit  besser.  Tumor  wesentlich  kleiner,  nicht  mehr 
druckempfindlich  auf  leichten  Druck.  Pat.  bekommt  Thermophor  früh 
und  abends  1  Stunde,  Karlsbader  Wasser. 

15.  2.  Temperatur  vollkommen  normal.  Guter  Appetit.  Ikterus 
gänzlich  abgeblasst,  Urin  fast  ganz  hell.  Stuhlgang  fast  ganz  braun 
gefärbt. 

20,  2.  Pat.  fühlt  sich  wieder  ganz  gesund.  Kein  Ikterus  mehr,^ 
keine  Schmerzen.  Stuhlgang  braun,  im  Urin  kein  Gallenfarbstoff. 
Wird  entlassen  mit  der  Weisung,  den  Thermophor  weiter  zu  gebrauchen 
imd  eine  Karlsbader  Kur  im  Hause  zu  machen.  Bei  dem  Alter  des  Pat. 
schien  mir  das  richtiger  wie  eine  Operation.  Pat.  ist  Anfang  Mai  1904 
an  einer  Pneunomie  gestorben,  ohne  wieder  von  seinen  Gallensteinen 
etwas  gespürt  zu  haben. 

Wenn  es  geling't  das  latente  Stadium  herbeizuführen,  so  ist 
auch  in  chronischen  Fällen  von  Cholecystitis  und  Cholang^itis 
von  einer  Operation  so  lange  abzusehen,  bis  neue  Anfälle  kom- 
men und  die  Hoffnung  auf  völlige  Latenz  vernichten. 

A.  K.,  51  j.  Creneralsfrau  aus  Erfurt. 

Anamnese:  Pat.  hat  2  Kinder,  1  Kind  ist  gestorben. 

Schon  als  Mädchen  Schmerzanfälle,  bei  denen  Pat.  hinfiel.  Vor 
25  Jahren  wurde  zum  erstenmal  eine  Gallensteinkolik  festgestellt. 
Heftige  krampfartig©  Schmerzen  in  der  Magengrube,  nach  rechts  bis 
ins  Kreuz  ausstrahlend,  kein  Erbrechen,  kein  Fieber.  Dauer  damals 
ca.  1  Stunde.  Keine  Gelbsucht.  Anfälle  traten  mehrmals  im  Jahre 
auf.  1882  und  1883  zweimal  Kur  in  Karlsbad,  danach  8  Jahre  keine 
Anfälle.  1893  dann  neuer  Anfall.  1894  Hautausschlag  am  ganzen 
Körper;  als  derselbe  verschwand,  wiederum  ein  Anfall,  nach  welchem 


—     141      — 

permanente  Schmerzen  in  der  Magengrube  zurüekblieben,  dabei  fast 
tcägliche  Anfälle.  Ölkur  und  Karlsbader  Kur,  wobei  ein  etwa  erbsen- 
grosser,  kantiger  Gallenstein  abging  und  allgemeine  Besserung  eintrat. 
Später  noch  zweimal  Kur  in  Karlsbad,  seitdem  Wohlbefinden,  nur  etwa 
alle  1—2  Jahre  einmal  Kolikanfall,  darunter  3  schwere,  2  mit  Fieber, 
niemals  Gelbsucht.  Fieber  dauerte  höchstens  3  Tage.  Letzter  dieser 
schweren  Anfälle  am  1.  Februar  d.  J.,  nachdem  im  Vorjahre  (1903)  im 
Juni,  September,  Dezember  je  ein  ganz  leichter  Anfall  aufgetreten  war. 
Bei  dem  letzten  schweren  Anfall  am  1.  Februar  3  Tage  lang  Fieber 
(38,8—39,2").  Danach  schnelle  Erholung.  Auch  die  bei  den  schweren 
Anfällen  stets  vorhandene  Leber-  und  Gallenblasenschwellung  ging 
völlig  zurück.  Jedoch  nach  4  Wochen  wieder  Beschwerden.  Vor  10 
Tagen  dann  wieder  ein  ganz  leichter  Anfall,  seitdem  in  7  Tagen 
4  Anfälle  (leicht),  da  Pat.  Bettruhe  nicht  innehielt.  Zur  Zeit  fühlt 
sich  Pat.  wieder  völlig  wohl. 

Herr  Geh.-Rat  Prof.  Seidel-Jena  riet  entweder  nochmals  Karls- 
bader Kur  oder  besser  unter  den  jetzigen  günstigen  Umständen  Ope- 
ration und  sandte  die  Pat.  uns  zu.  Auch  Herr  Sanitätsrat  Dr. 
Schwenkenbecher  stellte  anheim,  über  die  Notwendigkeit  der 
Operation  zu  entscheiden. 

Der  Befund  ist  bis  auf  geringe  Druckempfindlichkeit  der 
Gallenb.lasengegend  negativ.  Die  Gallenblase  ist  als  undeut- 
licher Tumor  zu  tasten.  Pat.  hatte  sich  auf  eine  sofortige 
Operation  eingerichtet,  aber  ich  zog  es  vor,  eine  richtige  Euhe- 
und  Thermophorkur  einzuleiten  und  hatte  die  Freude ,  dass 
völlige  Latenz  eintrat  und  Pat.  sich  einen  Monat  später  in  bester 
Verfassung  vorstellen  konnte.  Sollten  die  Anfälle  trotzdem 
wieder  kommen,  ist  zur  Operation  immer  noch  Zeit.  Pat.  trägt 
ihre  Steine  schon  25  Jahre  bei  sich  und  machte  trotzdem  nicht 
den  Eindruck,  dass  ihr  Allgemeinbefinden  wesentlich  alteriert 
war,  ia  sie  kann  ganz  gut  die  vielen  Repräsentationspflichten, 
die  der  Beruf  ihres  Gatten  ihr  auferlegt,  erfüllen.   — 

Man  wird  in  den  angeführten  Fällen  annehmen,  dass  unter  dem 
Gebrauch  der  heissen  Umschläge  und  der  Abführmittel  der  Infekt 
in  der  Gallenblase  erlosch ;  ob  der  Cysticus  wieder  wegsam 
wurde,  das  kann  man  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen.  In  manchen 
Fällen  kommt  das  gewiss  vor;  danff  entleert  sich  der  flüssige 
Inhalt  der  Gallenblase  in  den  Choledochus  resp.  in  den  Darm. 
In  anderen  Fällen  —  und  das  werden  die  häufigeren  sein  — 
bleibt  der  Stein  im  Halse  der  Gallenblase  oder  im  Cysticus  an 
Ort  und  Stelle  liegen,  und  nur  der  Infekt  in  der  Gallenblase 
erlischt :  es  bildet  sich  ein  steriler  oder  wenig  infizierter 
Hydrops  der  Gallenblase  aus. 


—     142     — 

Dieses  Zurückgehen  der  entzündlichen  Erscheinungen  iit 
der  Gallenblase  ist,  so  lange  das  Organ  selbst  nicht  hoch- 
gradig verändert  ist,  ein  sehr  häufiger  Prozess  bei  der  Chole- 
lithiasis,  und  deshalb  ist  es  natürlich,  dass  so  oft  Heilungen 
durch  alle  jene  Mittel,  die  ableitend  auf  den  Darm  einwirken,, 
erzielt   werden. 

Aber  auch  die  Cholangitis  ist  der  Rückbildung  fähig.  Ja 
es  gibt  selbst  Fälle  des  chronischen  Choledochusverschlusses, 
die  so  schwer  verlaufen,  dass  man  glaubt,  um  eine  Operation 
nicht  herumzukommen,  und  doch  erlebt  man,  dass  schliesslich 
eine  Latenz  eintritt,  die  die  Operation  unnütz  macht. 

Wenn  auch  die  Latenz  der  Gallenblasensteine  einer  Heilung 
näher  kommt,  als  eine  Latenz  der  Choledochussteine  —  denn 
in  dem  Gang,  in  dem  fortwährend  Leben  ist,  der  beständig  von 
Galle  durchflössen  wird,  ist  eine  erneute  Verlegung  durch  den  tiefer 
rückenden  Stein  die  Hegel  — ,  so  wird  man  doch  auch  bei 
latent  werdenden  Choledochussteinen  zunächst  auf  eine  Operation 
verzichten.  Vielleicht  ist  sogar  der  Stein  abgegangen  und  im 
Darm  zerfallen.  Eine  Untersuchung  d^r  Faeces  ergibt  dann 
einen  negativen  Befund.  Auch  ist  an  die  Ausbildung  einer 
Choledochus-Duodenalfistel  zu  denken.  Aber  dieses  Ereignis  ist 
ein  solcher  Zufall,  dass  man  besser  tut,  keine  zu  grosse  Hoft- 
nung  auf  diese  Naturheilung  zu  setzen.  Man  dürfte  sonst  reclit 
häufig  den  richtigen  Zeitpunkt  zur  Operation  versäumen. 

E.  0.,  60 j.  Oberstleutnant  aus  Braunschweig. 

Herr  Dr.  Bauermeister  gibt  uns  über  den  Patienten  einen  sehr 
ausführlichen  Bericht,  der  auch  in  therapeutischer  Beziehung  von 
Interesse  ist: 

„0.,  Oberstl.  a.  D.,  als  Soldat  und  auch  noch  später  in  Zivilanstellung- 
ein  reichlich  korpulenter  Herr  von  kleiner  Statur,  niuss  aiifang  1903^ 
seine  Amtmannsstellung  in  einem  Orte  Westfalens  aufgeben  und  be- 
gibt sich  Februar  1903  für  8  Wochen  in  ein  Krankenhaus.  Hier  bringt 
er  den  grössten  Teil  seiner  Zeit  mit  Appetitlosigkeit,  Übelbefindou, 
Unlust  und  namentlich  wochenlang  anhaltendem  Fieber  zu,  das  zeit- 
weise von  Schüttelfrösten  und  Anfällen  von  Gelbsucht  unterbrochen 
wird.  Bei  mangelndem  Erfolge  der  rein  abwartenden  Krankenhaus- 
behandlung wird  er  zu  Beginn  der  Saison  1903  nach  Neuenahr  ge- 
schickt. Auch  hier  findet  er  keinen  wesentlichen  Krfolg  und  tritt 
nach  seiner  Rückkehr  im  Juni  1908  in  meine  Behandlung. 

Befund  vom  Juni  1903:  Kleiner,  untersetzt  gebauter,  anämisch 
aussehender  Mann  mit  geringem  foetor  ex  ore,  Konjunktiven  leicht 
chronisch   ikterisch  gefärbt  und   etwas  injiziert.     Pulmo,  cor:  nihil. 


—     143     — 

Abdomen:  Haut  ziemlich  spröde,  abschilfernd,  fettarm  und  lalten- 
reich.  Bauch  selbst  überall  gleichmässig  weich  und  überall  ohne  ge- 
ringste Schmerzempfindung  eindrückbar.  Insbesonders  Leber  nicht 
vergrössert,  eher  etwas  klein,  weder  in  der  Gegend  der  Gallenblasenin- 
zision  noch  an  der  ünterfläche  ist  irgendwie  Resistenzgefühl  oder  Druck- 
schmerz hervorzurufen.  Eine  Untersuchung  im  Wasserbade  ergibt  den- 
selben Befund;  bei  tiefer  Inspiration  ist  der  «ntere  Leberrand  in  con- 
tinuitate  sehr  scharf  und  etwas  hart  durchzufühlen,  er  steht  in  In- 
spirationsstellung ca.  1  fingerbreit  innerhalb  der  Rippenapertur 
(Atrophie?);  nirgends  eine  Prominenz  im  Verlauf  oder  unterhalb  des 
Rippenrandes  zu  fühlen.  Milz  nicht  vergrössert.  Urin  ziemlich  stark 
hydrobilirubinhaltig  und  ziemlich  satt  gefärbt;  klar  ohne  Sacch.  oder 
Albumen.  Kot  wird  regelmässig  durch  morgendliche  und  abendliche  Ein- 
giessungen  entleert,  ziemlich  hart  und  normal  gefärbt.  Gewicht  116  Pfd. 
Kein  Fieber.  Blutserum  nicht  ikterisch.  Pat.  gibt  an,  nach  seiner 
Rückkehr  von  Neuenahr  wiederholt,  so  auch  einige  Tage  vor  obiger 
Untersuchung  Schüttelfrost  gehabt  zu  haben;  er  fühlt  sich  immer  sehr 
voll  im  Magen,  hat  keinen  Appetit  und  ist  in  sehr  deprimierter  Ge- 
mütsverfassung. Im  Verlauf  meiner  ca.  10  wöchentlichen  Bemühungen 
ändert  sich  der  Gesamtzustand  sehr  zugunsten  des  Patienten :  Zu- 
nahme der  Stimmung,  des  Appetits,  des  Gewichts  von  116  aufl28Pfd» 
bei  ambulatorischer  Behandlung.  Anfänglich  war  auch,  vielleicht  noch 
alle  10—12  Tage,  ein  mehrere  Stunden  anhaltender  Schüttelfrost  vor- 
handen gewesen  mit  folgender  Temperatursteigerung,  die  aber  ni& 
über  24  Stunden  anhielt;  der  Urin  war  nie  ausgesprochen  ikterisch,^ 
wohl  aber  ziemlich  dunkel  gefärbt.  (Pat.  kehrte  häufig  durch  Schweiss- 
ausbruch  von  fieberhafter  zu  normaler  Temperatur  zurück.)  Im  Blut- 
serum konnte  ich  aber  wiederholt  Bilirubin  nachweisen.  Kotfärbung 
ungleichmässig,  oft  auch  in  derselben  Entleerung.  Schmerzen  sind 
während  dieser  ganzen  Periode  weder  spontan  noch  auf  Druck  in  Er- 
scheinung getreten.  Ich  hatte  die  Diagnose  derzeit  auf  chronische 
Cholangitis  gestellt,  deren  akute  Exacerbationen  resp.  Neuinfektionen 
in  Gestalt  von  Fieberfrösl  en  (Fieber  mit  Schweissausbruch,  Serum- 
ikterus)  in  Erscheinung  traten  und  als  deren  Grundursache  trotz  Mangel 
jeder  Schmerzhaftigkeit  und  jeden  Druckpunktes  einen  Stein  in  den 
Lebergängen  oder  im  Choledochus  anzunehmen  ich  nicht  abgeneigt 
war.  Die  Behandlung  bestand  in  systematischer  Desinfektion  der 
Gallenwege  durch  Probilinpillen  und  lokalen  hydrotherapeutischen 
Massnahmen  neben  entsprechender  Diät.  In  relativem  Wohlbefinden 
und  guten  Mutes  wird  er  September  1903  noch  in  eine  Spät- 
sommerfrische geschickt;  allein  die  Verpflegung  war  so  mangel- 
haft und  ihm  individuell  so  wenig  angepasst,  dass  er  statt  der  er- 
warteten weiteren  Zunahme  mit  2  Pfd.  Gewichtsabnahme  und  dem- 
entsprechend gesunkenem  Mute  nach  4  Wochen  zurückkehrt.  Sein 
Appetit  frischt  sich  bei  häuslicher  Pflege  wieder  auf,  und  da  auch 
keine  Schüttelfröste  und  keine  Fieber  mehr  aufgetreten  sind,  geht  e& 
ihm  bis  Weihnachten  1903  im  ganzen  zufriedenstellend.  Nur  seine 
Obstipation    macht   ihm,   im  Verlauf  der  Zeit  habituell  geworden,  in- 


—     144     — 

sofern  Umstände,  als  sie  ihn  zu  täglich  zwei  Wasserklystieren  (morgens 
imd  abends  je  eins)  veranlasst.  Dieses  im  ganzen  befriedigende  Be- 
finden ändert  sich  im  Januar  1904;  bei  Fortbestehen  der  Obstipation 
stellt  sich  auch  wieder  Unlust  zum  Essen  und  damit  allgemeine  Un- 
lust ein.  Gegen  Mitte  Januar  tritt  auch  eines  Nachmittags  einmal 
wieder  Frösteln  ein;  eine  Temperaturerhebung  folgt  aber  nicht 
darauf,  nur  nimmt  die  Anorexie  stark  zu,  es  tritt  massiger  Foetor  ex  are 
wieder  ein  und  unter  abermaligem  Sinken  der  Gemütsstimmung  tritt 
im  Laufe  des  Januar  bis  Anfang  Februar  eine  Gewichtsabnahme  auf 
114  Pfd.  ein.  Da  ein  Bruder  von  ihm  1902  24  Stunden  nach  einer 
Gallenblasenoperation  in  Berlin  zu  Grunde  gegangen  war,  hatte  ich 
ihm  meine  Diagnose  als  einfache  catarrh.  ('holangitis  mitgeteilt;  da 
«s  mir  aber  doch  nach  dem  Krankenverlauf  der  letzten  6  Wochen  klar 
war,  dass  trotz  der  üblen  Erfahrungen  in  der  Familie  der  Pat.  doch 
event.  eines  Tages  das  Objekt  einer  notwendigen  Gallenblasenoperation 
werden  könnte,  nahm  ich  ihn  Anfang  Februar  in  meine  Privatklinik 
auf,  einmal  in  der  ausgesprochenen  Absicht,  ihn  für  die  Eventualität 
einer  notwendigen  Operation  erst  wieder  ein  wenig  herauszufüttern 
und  dann,  um  so  einen  genauen  Einblick  in  die  Krankheitssjmptome 
zu  gewinnen.  Der  ca.  8-wöchentliche  Aufenthalt  in  meiner  Privat- 
klinik lässt  sich  ungefähr  in  folgende  Abschnitte  teilen : 

1.— 3.  Woche:  Zeit  des  schwankenden  Befindens,  Dyspepsie  wechselt 
mit  Eupepsie;  es  wechselt  die  Farbe  des  Stuhles  wie  des  Urins;  alle 
5—6  Tage  nachmittags  ein  kleiner  Fieberfrost,  dessentwegen  er  mit 
grossem  durch  Wärmflaschen  bedeckten  Priessnitz  ins  Bett  gepackt 
wird  ;  er  kommt  dann  bald  in  Schweiss  und  steht  den  nächsten  Morgen 
wenn  auch  etwas  matter  wie  gewöhnlich,  doch  in  leidlichem  Wohl- 
befinden wieder  auf.  In  den  Stuhlgängen  wird  immer  Hydrobilirubin 
nachgewiesen ,  der  Harn  zeigt  nie  eine  zweifellose  Gallenfarbstoff- 
reaktion,  dagegen  ist  das  Blutserum  wechselnd  ikterisch.  Gewicht 
steigt  dabei  auf  119  Pfd. 

4.-5.  Woche :  Zeit  der  Verschlechterung,  zum  Teil  bedingt  durch 
therapeutische  Provokationen.  Pflichtgetreu  aber  ohne  Lust  und  Ge- 
schmack verzehrt  Pat.  seine  Essportionen  unter  Verachtung  ze 
weiser  stärkerer  dyspeptischer  Beschwerden.  Der  Urin  wird  zeit- 
weilig ikterisch,  der  Stuhlgang  immer  acholischer.  Die  Fieber- 
bewegungen sind  aber  ausgeblieben,  bis  am  8.  März  ein  starker  Frost 
morgens  auftritt,  nach  dem  Frühstück  sehr  reichliches  Erbrechen ; 
nachmittags  Fieber  38,8°;  gegen  9  Uhr  abends  zum  ersten  Male  das 
(jefühl  einer  schmerzhaften  Spannung  in  der  Magengrube;  stärkere 
Palpation  daselbst  (über  dem  etwas  geschwollenen  fühlbaren  linken 
Leberlappen?)  sehr  empfindlich,  stärkerer  Druck  direkt  Schraerz- 
äusserungcn  hervorrufend.  Abends  Einpackung  des  Leibes  fortgesetzt ; 
Morphium-Atropinjektion.  Gegen  1  Uhr  nachts  ist  das  Gefühl  der 
Spannung  im  Epigastrium  vollständig  geschwunden.  Pat.  fühlt  sich 
nach  den  ausgestandenen  Qualen  förmlich  leicht  und  wohl.  Gewicht 
12Ö-122  Pfd. 


—     145     — 

6.  Woche.  Der  inzwischen  aufgetretene  totale  und  sehr  Aus- 
gesprochene Ikterus  tritt  allmählich  zurück,  sodass  gegen  den 
13.  März  der  vorher  immer  brauabierfarbene,  stark  sedimentierende 
Urin  nahezu  klar  und  wie  dunkles  Lagerbier  aussieht.  Der  Stuhl,  der 
anfänglich  sehr  massig,  weichbreiig,  fettglänzend  war,  bekommt  gegen 
Ende  dieser  Periode  wieder  annähernd  normale  Farbe.  Der  regel- 
mässig durchgesiebte  Stuhl  dieser  Periode  hat  nie  die  geringsten 
Spuren  von  Gallensteinkonkrementen  enthalten  (ganz  wider  unser  Er- 
warten), und  auch  in  der  Folgezeit  ist,  allerdings  bei  nicht  ganz  lücken- 
losem Suchen,  nicht  das  geringste  gefunden  worden.  Gewicht  ge- 
sunken wieder  auf  ll8  Pfd. 

6 — 8.  Woche.  Zeit  der  ungestörten  Rekonvaleszenz.  Keine  Fieber 
mehr,  vorzüglicher  Appetit,  vorzügliche  Stimmung  ;  vorzüglich  er  spon- 
taner Stuhlgang;  Urin  immer  hell  und  blank.  Pat.  hat  nie  wieder  die 
geringsten  Schraerzempfindungen  gehabt,  weder  spontan  noch  auf 
Druck;  sein  Gewicht  steigt  auf  125  Pfd.  Auch  der  Ikterus  der  Haut 
macht  einer  gesunden  Farbe  Platz,  und  Pat.  wird  atn  17.  März  zur 
ambulatorischen  Behandlu::g  entlassen.  Die  Behandlung  hat  in  den 
letzten  2  Wochen  bestanden  in: 

1)  Morgens  nüchtern  4  Probilinpillen  mit  V*  1-  heissem  Wasser, 
heissem  Umschlag; 

2)  mittags:  Faradisation  des    Bauches; 

8)  nachmittags:  Massage  des  Bauches  und  der  Lebergegend  unter 
strahlender  Hitze  und  mit  Jodichthyolschmier  seife ; 
4)  abends:  Priessnitz,  ev.  Wärmflasche. 

Die  ambulatorische  Behandlung  bestand  in  Fortsetzung  von 
1  und  3  und  der  in  der  Klinik  gewolmten  Diät,  in  welcher  Sahne  eine 
grosse  Rolle  spielt.  Die  letzten  6  Wochen  nach  seiner  Entlassung  hat 
Pat.  weiter  an  Wohlbefinden  und  Gewicht  zugenommen,  sodass  er 
heute  140  Pfd.  wiegt  gegen  114  am  2.  Februar." 

Die  von  mir  in  meiner  Klinik  in  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Bauer- 
meister  vorgenommene    Untersuchung  des  Pat.    ergibt    Folgendes: 

Befund  völlig  negativ;  nicht  die  geringste  Druckempfindlichkeit 
der  Gallenblasengegend  vorhanden.    Urin  frei. 

Diagnose:  Entweder  ist  beim  letzten  Anfall  der  Stein  ab- 
gegangen oder  es  liegt  Latenz  vor. 

Therapie:  Operation  unnötig,  gegen  eine  Karlsbader  Kur  ist 
nichts  einzuwenden. 

Epicrise:  Ich  habe  mit  Herrn  Dr.  Neubiirger  sen.  in 
Frankfurt  a.  M.  einen  ganz  ähnlichen  Fall  beobachtet,  bei  dem 
schliesslich  auch  die  Cholangitis  erlosch  und  Latenz  eintrat. 
Aber  das  sind  —  das  soll  man  nicht  vergessen  —  Ausnahme- 
fälle, die  Eegel  ist,  dass  die  Latenz  nicht  eintritt,  und  dann 
soll  man  operieren!  — 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    I.  10 


—      146     — 

Auch  in  den  beiden  folgenden  Fällen  war  das  Stadium  der 
Latenz  bereits  eingetreten,  als  die  Patienten  in  meine  Klinik 
eintraten;  ich  sah  von  einer  Operation  ab;  die  erste  Patientin 
war  zudem  sehr  korpulent,  litt  an  Arthritis  und  gab  mit  Be- 
stimmtheit an,  in  der  Zeit  zwischen  den  Anfällen  g;ar  nicht  in 
ihrem  Haushalt  gestört  zu  sein. 

J.  T.  S.,  49j.  Ingenieursfrau  aus  Libat  (Russland). 

Die  Krankengeschichte  stammt  vom  Arzt  der  Patientin,  Herrn 
Dr.  Vogel,  und  lautet: 

„Fat.  mittelgross,  recht  korpulent,  brünett  von  leicht  gelblicher 
Gesichtsfarbe,  etwas  nervös  veranlagt,  von  gichtischer  Diathese.  In  der 
Anamnese  der  Blutsverv^^andten  spielt  das  Lebercarcinom  als  Todes- 
ursache eine  ausgedehnte  Rolle,  Grossmutter  Lebercarcinom,  Vater 
Zungencarcinom.  Eine  Schwester  vom  Vater,  74  Jahre  alt,  stirbt  an 
Lebercarcinom,  desgleichen  ein  Bruder  desselben  62  Jähre  alt.  Eine 
Tochter  der  Letzteren  litt  an  Cholehtbiasis  und  wurde  im  Herbst  vorigen 
Jahres  von  Prof.  Zoege-Manteuffelin  Dorpat  operiert  ( walnussgrosser 
Stein  im  Choledochus).  Ein  Bruder  der  Pat.  stirbt  an  Leberkrebs 
48  Jahre  alt.  Die  Mutter  der  Pat.  seit  vielen  Jahren  gichtisch. 
Pat.  bis  vor  ca.  9  Jahren  gesunde  Frau,  als  Kind  Masern,  Conjunctivitis 
phlyctaenulosa,  wahrscheinlich  skrophulösen  Ursprungs,  da  Pat.  damals 
viel  Leberthran  gebrauchte.  Im  10.  Lebensjahr  Ikterus  catarrbalis,  der 
ca.  1  Woche  dauerte.  4  normale  Wochenbetten,  Menses  normal,  noch 
regelmässig  einsetzend  und  verlaufend.  Vor  ca.  9  Jahren  traten  kolik- 
artige Schmerzen  auf,  die  Pat.  in  die  Umgebung  des  Nabeis  verlegte. 
Sie  gibt  sie  an  als  kurzdauernd,  langsam  bis  zu  einer  Acme 
ansteigend  und  dann  ebenso  abfallend,  um  Wohlbefinden  Platz  zu 
machen.  Diese  Aniälle  wiederholten  sich  häufig,  Hessen  dann 
wieder  Wochen  und  Monate  zv^ischen  sich.  Aber  auch  in  der  anfalls- 
freien Zeit  klagt  Pat.  über  ein  gw^isses  Druckgefühl  in  der  Oberbauch- 
gegend, v^^elches  durch  die  Nahrungsaufnahme  jodoch  nicht  deutlich 
beeinflusst  wird.  Leber  dabei  nicht  vergrössert,  kein  Druckschmerz, 
kein  Erbrechen,  kein  Ikterus,  keine  Temperatur,  Urin  frei,  kein  Ab- 
gang von  Steinen  beobachtet,  so  dass  ich  geneigt  war,  Darmkoliken 
anzunehmen  oder  auch  die  Schmerzen  mit  dem  Nabelbruch,  welcher 
hier  vorliegt,  in  Zusammenbang  zu  bringen.  Häufig  jedoch  gab  Pat.  an, 
noch  nach  den  Anfällen  einen  bittern  Geschmack  im  Munde  zu 
spüren,  so  dass  ich  die  Leber  mit  ihren  Adnexen  als  schuldigen  Teil 
nicht  ganz  ausschliessen  mochte.  Im  Sommer  1897  besuchte  Pat. 
Karlsbad.  Danach  blieben  die  Anfälle  aus,  bis  im  Dezember  1901  ein 
kräftiger  Kolikanfall  mit  deutlich  ausgesprochenen  Schmerzen  in  der 
Gallenblasengegend,  die  in  den  Rücken  ausstrahlten,  auftrat.  Tempe- 
raturen bis  38  "  ein  paar  Tage  dauernd.  Deutliche  Empfindlichkeit, 
Gallenblase  nicht  deutlich  palpabel  (starke  Bauchdecken),  Leber  normal, 
geringer  Ikterus,  Urin  dunkel,  enthält  deutlich  Gallenfarbstoff,  Faeces 


—     147     — 

nicht  entfärbt,  kein  Abgang  von  Steinen,  früher  auch  nie  beobachtet 
worden.  Es  musste  bei  diesem  Anfall  zur  Morphiumspritze  ge- 
griffen werden,  was  bisher  nie  nötig  war.  Wir  kamen  mit  heissen 
Kompressen  und  Extr.  Belladonn.  0,015  aus.  Jetzt  trinkt  Fat.  in 
regelmässigen  Abständen  Karlsbader  Mühlbrunnen  und  bleibt  von 
Anfällen  frei,  gibt  aber  an,  häufig  unter  dorn  rechten  Rippenbogen  eine 
gewisse  „Sensation"  zu  spüren,  die  ihr  sagt,  dass  dort  nicht  alles  in 
Ordnung  sei. 

Im  Sommer  1902  zweite  Kur  in  Karlsbad  6  Wochen,  wo  mit  dem 
Harn  kolossale  Mengen  Harnsäure  ausgeschieden  werden.  Es  muss 
noch  betont  werden,  dass  Fat.  dazwischen  an  akut  auftretenden  katarrhal. 
Affektionen  der  Harnblase  leidet  mit  Tenesmus  und  Abgang  von  hämor- 
rhagischem, etwas  Harnsäure  enthaltenden  Urin  (Varicen?),  welcher 
aber  nach  1 — 2tägigem  Gebrauch  von  Inf.  fol.  uvae  ursi  stets  zur 
Norm  zurückgeht. 

Am  7.  und  20.  März  dieses  Jahres,  nachdem  Fat.  schon  mehrere 
Wochen  vorher  über  stetes  Frösteln,  gegen  das  auch  die  wärmste  Be- 
deckung nichts  half,  klagte  (Temperatur  normal),  annoncierte  mir 
Fat.  einen  Anfall,  der  auch  in  der  Nacht  richtig  eintrat.  Derselbe 
war  nicht  so  stark  wie  der  im  Jahre  1900  und  ging  auf  heisse  Kom- 
pressen und  Morphium  0,01  innerlich  bald  zurück.  Dabei  starke  Druck- 
empfindlichkeit in  der  Gallenblasengegend.  Leber  nicht  vergrössert, 
Galleublase  nicht  palpabel,  kein  Ikterus,  Urin  frei,  Stuhl  war  normal 
gefärbt,  keine  Steine  enthaltend.  Die  Druckempfindlichkeit  dauert 
unter  stetiger  Abnahme  der  Intensität  bis  zum  23.  März,  von  da  ab 
fast  normale  Temperaturen  und  Wohlbefinden.  Am  1.  April  ist  die 
Lebergegend  auch  auf  tiefen  Druck  hin  nicht  mehr  empfindlich. 
Appetit  gut,  dazwischen  bitterer  Geschmack  im  Munde. 

Wenn  ich  mir  nun  bei  Berücksichtigung  all  dieser  Symptome  das 
pathologisch-anatomische  Bild  zu  konstruieren  suche,  so  möchte  ich 
annehmen,  dass  es  sich  um  anfangs  seröse,  später  vielleicht  um  serös- 
eitrige Cholecystitis  handeln  dürfte,  die  zu  Adhäsionen  mit  der  Um- 
gebung geführt  haben  mag.  Sind  Steine  vorhanden,  so  dürfte  es  sich 
wohl  um  solche  im  Fundus  der  Blase  handeln,  da  das  Stadium  der 
Latenz  so  häufig  beobachtet  wurde.  Wenn  meine  Diagnose  richtig 
ist,  so  würde  ich  der  Fatientin  zu  noch  weiterem  Gebrauch  der  Karls- 
bader Heilquellen  raten.  Aber  ein  Moment  macht  mich  stutzig,  d.  i. 
die  Häufigkeit  des  Lebercarcinoms  in  der  Familie  meiner  Fatientin. 
Da  doch  zum  mindesten  ein  entzündlicher  Frozess  der  Gallenblase 
vorliegt,  so  ist  bei  dieser  Anamnese  damit  auch  die  Gelegenheitsursache 
für  eine  carcinomatöse    Erkrankung  gegeben." 

Befund:  Ziemlich  korpulente  Fat.;  kein  Ikterus,  Leber  und 
Gallenblasengegend  normal,  nicht  im  geringsten  druckempfindlich. 

Diagnose:  Stadium  der  Latenz  der  Cholelithiasis.  Für  die  An- 
nahme eines  Carcinoms  gibt  die  Untersuchung  keinen  Anhaltspunkt. 

Therapie:  Weder  Operation  noch  Karlsbad  notwendig;  wegen 
Adipositas  und  Arthritis  ist  gegen  eine  Karlsbader  Kur  nichts  ein- 
zuwenden. 

10* 


—     148     — 

W.  F.,  56 j.  Privatier  aus  Fürth. 

Anamnese:  Mutter  litt  an  Gallensteinen,  Bruder  an  Nieren- 
steinen. Pat.  machte  1880  eine  leichte  Rippenfellentzündung  durch, 
sonst  war  er  stets  gesund.  Sein  Stuhlgang  war  meist  regelmässig, 
zeitweise  litt  er  etwas  an  Darmkatarrh.  Er  ist  in  der  letzten  Zeit 
sehr  nervös  geworden. 

Seit  ca.  4  Jahren  litt  er  dauernd  an  einem  gleichmässigen  Druck- 
gefühl in  der  Magengrube.  Er  hat  deshalb  seit  lange  strenge  Diät  ge- 
halten und  alle  fetten  und  sauren  Speisen  vermieden. 

Januar- Februar  1898  hatte  er  den  ersten  Kolikanfall,  heftige 
Schmerzen  in  der  Magengrube  und  besonders  nach  rechts  hin,  zum 
Rücken  ausstrahlend  mit  Erbrechen  und  Fieber.  Morphium.  In  ab- 
nehmender Stärke  hielten  sie  8  Tage  an,  am  3.  Tage  trat  leichte  Gelb- 
sucht auf,  die  bald  schwand.  Im  Mai  98  besuchte  er  Karlsbad  und 
kam  sehr  wohl  zurück,  ausser  dem  Druckgefühl  in  der  Magengrube 
hatte  er  keine  Beschwerden,  bis  er  Januar-Februar  1899  wieder  einen 
Anfall  hatte.  Die  sich  allmählich  steigernden  Schmerzen  zogen  von 
der  Magengrube  und  Gallenblasengegend  zur  Brust  hinauf,  kein  Er- 
brechen und  Fieber.  Morphium.  Nach  8  Tagen  wieder  Wohlbefinden. 
Im  Mai  1899  zum  zweitenmale  Karlsbad,  das  ihm  diesmal  nicht  so  gut 
bekam,  er  kehrte  appetitlos  und  missgestimmt  zurück.  Im  September 
1899  ein  sehr  heftiger  Anfall  von  Schmerzen  in  der  Gallenblasen- 
gegend, die  sich  bei  Bewegungen  sowie  ausgiebigen  Atembewegungen 
(Husten,  Niesen)  noch  steigerten.  Dabei  Erbrechen  und  Fieber,  danach 
leichte  Gelbsucht.  Morphium.  Der  Anfall  dauerte  8—9  Tage.  Der 
Arzt  diagnostizierte  Gallenblasenentzündung  und  Leberschwellung.  Im 
Dezember  1899  ein  leichter  Anfall,  im  Januar  1900  ein  schwererer.  Im 
Mai  d.  J.  zum  drittenmale  Karlsbad.  Dort  ein  Anfall  ohne  Erbrechen 
und  Fieber,  danach  leichter  Ikterus.  Herr  Dr.  R  i  t  te  r- Karlsbad 
konnte  ausser  letzterem  keinen  Befund  erheben. 

Auf  einer  Reise  in  der  Schweiz,  die  Pat.  nach  grösseren  Gemüts- 
erregungen unternahm,  kam  am  6.  September  d.  J.  ein  leichter  An- 
fall von  Druckgefühl,  das  auf  Umschläge  rasch  vorüberging.  Am 
10.  September  ein  schwerer  Anfall,  Pat.  reiste  nach  Hause,  3  Tage 
danach  wieder  ein  leichterer  Anfall.  Seitdem  hat  er  Erleichterung. 
Der  dauernde  Druck  in  der  Magengrube,  der  seit  4  Jahren  bestand, 
ist  geschwunden,  er  fühlt  sich  völlig  wohl. 

Pat.  ist  in  den  letzten  Jahren  etwas  abgemagert.  Er  hat  sehr 
streng  Diät  gehalten.    Steine  sind  im  Stuhl  nie  gefunden  worden. 

Herr  Dr.  Ritt  e  r- Karlsbad  hatte  ihm  geraten,  sich  bei  Wieder- 
kehr der  Anfälle  hierher  zu  wenden,  deshalb  sucht  Herr  F.  jetzt  die 
Klinik  auf,  ohne  zur  Zeit  irgend  welche  Beschwerden  zu  haben. 

Der  Befund  ist  völlig  negativ,  keine  Leberschwellung,  kein  Tumor 
der  Gallenblase,  kein  Ikterus,  keine  Schmerzen.  Merkwürdigerweise 
ist  der  4  Jahre  lang  anhaltende  Druck  in  der  Magengrube  kurz  vor 
Ankunft  hier  verschwunden. 


—     149     — 

Die  Cholelithiasis  ist  also  jetzt  vollständig  latent,  so  dass 
eine  Operation  unnötig  ist.  Die  Latenz  kann  ja  rasch  durch 
neue  Beschwerden  unterbrochen  werden,  sie  kann  aber  auch  an- 
dauern. Im  ersteren  Fall  habe  ich  dem  Pat.  vorgeschlagen, 
wiederzukommen,  bei  weiterer  Latenz  soll  er  womöglich  Karls- 
bad weiter  besuchen.  Ob  in  diesem  Fall  eine  Nachwirkung  der 
Karlsbader  Kur  vorliegt,  lässt  sich  nicht  sagen :  jedenfalls  steht 
für  mich  fest,  dass  bei  dem  Kurgebrauch  in  Karlsbad  in  einer 
Reihe  von  Fällen  die  endzündlichen  Beschwerden  sich  zurück- 
bilden ,  der  Choledochus  durch  Abschwellung  der  Schleimhaut 
wieder  wegsam  wird,  die  Abflussverhältnisse  in  den  Gallen- 
gängen sich  bessern  —  mit  einem  Wort ,  die  Krankheit  latent 
werden  kann.  Aber  in  vielen  Fällen  wird  diese  Latenz  nicht 
eintreten,  so  dass  in  den  Fällen,  die  immer  wieder  rezidivieren, 
eine  Operation  angezeigt  ist.  — 

Weiterhin  bildet  steriler  Hydrops  der  Gallenblase  für  mich 
keine  Indikation  zur  Operation:  ich  sehe  jährlich  10— 20 Kranke 
mit  sterilem  Hydrops  der  Gallenblase  und  verweigere  oft  die 
von  mir  gewünschte  Operation.  Einen  Fall  von  sterilem  Hydrops 
zeigt  die  folgende  Krankengeschichte: 

E.  A.,  60j.  Justizrats-Witwe  aus  Fürth. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet  und  Mutter  von  4  gesunden 
Kindern.  Vater  und  ein  Bruder  starb  an  Brightscher  Krankheit, 
Mutter  und  ein  Bruder  an  Gelenkrheumatismus  mit  Herzkomplikationen. 
Pat.  selbst  war  gesund  bis  vor  15  Jahren,  wo  sie  kurze  Zeit  an  Lungen- 
spitzenkatarrh litt.  Vor  12  Jahren  heftige  typische  Gallensteinkolik, 
dieselbe  hielt  etwa  6—7  Stunden  lang  an,  die  Schmerzen  strahlten 
gürtelförmig  nach  beiden  Seiten  und  zum  Rücken  hin  aus.  Nach  dem 
Anfall  etwa  8—10  Stunden  Ruhe,  dann  wieder  ein  neuer  gleicher.  In 
den  nächsten  Tagen  noch  4 — 5  solcher  Anfälle.  Bettruhe,  kein 
Morphium.  Pat.  wurde  ganz  leicht  ikterisch,  Stuhlgang  grau  und  Urin 
schwarzbraun;  zu  Beginn  der  Kolik  Erbrechen  und  Diarrhoe.  Dann 
4  Jahre  lang  ganz  gesund.  Danach  nach  Erkältung  ein  ähnlicher, 
aber  leichterer  Anfall,  der  für  Magenkrampf  gehalten  wurde,  ohne 
Änderung  von  Stuhl  und  Urin.  Seitdem  (8  Jahren)  fühlt  sich  Pat. 
ganz  gesund;  zeitweise  isst  sie  alles,  zeitweise  hält  sie  Diät.  Ab  und 
zu  nach  schwereren  Speisen  etwas  Aufstossen,  zuweilen  Magendruck 
und  Gase.  In  letzter  Zeit  zuweilen  Schlaflosigkeit  und  Nervosität. 
Der  deswegen  konsultierte  Arzt  entdeckte  eine  Schwellung  der  Gallen- 
blasengegend. Daher  kommt  die  Pat.  hierher,  um  über  ihren  Zustand 
ins  Klare  zu  kommen.  —  Seit  2  Jahren  hat  Pat.  an  einigen  Fingern 
eine    wenig  schmerzende  Auftreibung  der  Diaphyse  der  Mittelphalanx. 

Befund:   Gutgenährte    Pat.    ohne     Ikterus.     Leber   nicht   ver- 


—     150     — 

grössert.  Gallenblase  als  gurkenförmiger,  hydropischer,  gar  nicht 
druckempfindlicher  Tumor  deutlich  tastbar.    Nirgends  eine  Härte. 

Diagnose:  Hydrops  der  Gallenblase, 

E  p  i  c  r  i  s  e  :  Steriler  Hydrops  ohne  Beschwerden  bildet 
für  mich  keine  Indikation  zur  Operation.  Die  Pat.  hatte  Sorge, 
dass  ihre  Geschwulst,  die  sie  selbst  fühlt,  krebsiger  Natur  sei ; 
dafür  liegt  aber  nicht  der  geringste  Anhaltspunkt  vor.  Läge 
aber  wirklich  Carcinom  vor,  so  wäre  eine  Radikaloperation  bei 
dieser  Lokalisation  kaum  durchführbar.  Das  Carcinom  am  Hals 
ist  prognostisch  viel  ungünstiger  als  das  am  Fundus.  — 

Wenn  die  Anfälle  von  Cholecystitis  so  verlaufen,  dass 
Patient  in  seinem  Beruf  nicht  gestört  ist,  und  wenn  es  ge- 
lingt, durch  heisse  Umschläge  den  Anfall  rasch  zu  coupieren, 
unterlasse  ich  ebenfalls  die  Operation. 

M.  B.,  40  j.  Kaufmann  aus  Werden  a.  d.  Ruhr. 

Anamnese:  Vor  '/4  Jahren  tat  Pat.  einen  schweren  Fall  mit 
dem  ganzen  Körper  auf  Steinpflaster  infolge  Verfehlens  eines  Wagen- 
trittes. 

Vor  Vji  Jahren  bekam  Pat.  einen  leichten,  etwa  V«  Stunde  dauern- 
den Anfall  von  krampfartigen  Schmerzen  in  der  Magengrube,  den  er 
auf  Magenerkrankung  zurückführte. 

Nachher  völliges  Wohlbefinden. 

Vor  Vä  Jahr  zweiter,  gleicher  Anfall. 

Dann  am  29.  Juni  1903  dritter,  sehr  heftiger  Anfall,  der  eine  ganze 
Nacht  hindurch  anhielt.  Nachher  einen  Tag  lang  leichte  Gelbsucht 
der  Augen.    Pat.  zog  einen  Arzt  zu  Rate,  der  Gallensteine  feststellte. 

Pat.  fühlte  sich  nach  dem  Anfall  wieder  völlig  wohl. 

Am  8.  Juli  letzter,  etwas  weniger  heftiger,  einige  Stunden  dauern- 
der Anfall.  Nachher  wieder  einen  Tag  lang  leichte  Gelbsucht  der 
Augen. 

Pat.  fühlt  sich  seit  dem  letzten  Anfall  wieder  völlig  wohl,  hat 
keine  Beschwerden,  Appetit  ist  gut.  Nur  der  Schlaf  ist  jetzt  infolge 
Nervosität  angeblich  schlecht. 

Stuhl  ist  regelmässig,  war  immer  gut  gefärbt.  Steine  darin  wurden 
nicht  gefunden. 

Pat.  ist  in  den  Anfällen  mit  heissen  Umschlägen,  Thermophor, 
Morphiumtropfen  behandelt  worden,  seit  dem  29.  Juni  1903  trinkt  Pat. 
Karlsbader  Wasser,  lebt  diät,  geht  viel  spazieren,  hat  infolgedessen 
8  Pfund  abgenommen. 

Herr  Dr.  Spelten  aus  Werden-Ruhr  sendet  uns  den  Pat.  zu. 

Pat.  hätte  sich  sofort  operieren  lassen,  wenn  ich  die  Operation 
für  nötig  gehalten  hätte.  Aber  da  Pat.  in  seinem  Beruf  nicht  gestört 
war,  die  Anfälle  nicht  schwer  verliefen,  dazwischen  immer  wieder 
Ruhe  eintrat,  hielt  ich  eine  Operation  einstweilen  für  unnötig  und 
empfahl  Thermophor,  Ruhe,  Diät,  Kur  in  Neuenahr. 


—     151      — 

H.  F.,  75  j.  Apotheker  aus  Oldenburg. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet  gewesen,  hat  5  gesunde  Kinder, 
2  Kinder  sind  gestorben,  eins  davon  an  Lungentuberkulose. 

Die  Mutter  des  Pat.  starb  an  Gelbsucht. 

Pat.  ist  immer  gesund  gewesen. 

Seit  5—6  Jahren  hat  Pat.  etwa  alljährlich  einmal  einen  Anfall 
von  plötzlich  auftretenden  Kolikschmerzen  in  der  Gegend  der  Magen- 
grube gehabt,  der  stets  des  Nachts  auftrat  und  nach  einigen  Stunden, 
meist  nachdem  Pat.  erbrochen,  wieder  vorüberging.  Diese  Anfälle 
wurden  für  Magenkrämpfe  gehalten.  Gelbsucht  hatte  sich  nie  gezeigt. 
Der  letzte  derartige  Anfall  war  im  Mai  1903  aufgetreten. 

Im  .Januar  1904  bekam  Pat.  einen  neuen  Kolikanfall.  Diesmal 
war  der  Leib  stark  aufgetrieben,  die  Leber  und  Milz  angeschwollen. 
Zugleich  trat  nach  etwa  2  Tagen  Ikterus  auf,  der  Stuhl  war  tonfarben, 
der  Urin  braun.  Fieber  stellte  sich  nicht  ein.  Nach  einigen  Tagen 
wiederholte  sich  der  Kolikanfall,  weiterhin  traten  dann  alle  paar  Tage, 
zum  Teil  selbst  täglich  neue  Anfälle  auf,  die  durch  Morphium  (sub- 
kutan) gehoben  bezw.  abgekürzt  wurden.  Nach  3  Monaten,  Ende 
März  1904,  wurden  die  Anfälle  allmählich  leichter  und  hörten  ganz  auf. 
Ebenso  schwand  zu  dieser  Zeit  der  Ikterus  völlig,  welcher  au  Intensi- 
tät gewechselt  hatte  und  nach  einzelnen  Anfällen  jeweilig  wieder 
stärker  geworden  war.  Der  Appetit  war  während  der  ganzen  Zeit 
äusserst  schlecht. 

Bis  vor  3  Wochen  fühlte  sich  Pat.  dann  völlig  wohl,  nahm  an 
Gewicht  zu,  der  Appetit  besserte  sich. 

Vor  3  Wochen  trat  dann  wieder  ein  ganz  leichter  Kolikanfall  auf. 
Ein  heftigerer  dann  vor  10  Tagen,  diesmal  wieder  mit  Gelbsucht,  die 
jetzt  noch  in  ganz  leichtem  Grade  besteht.  Seit  vorgestern  sind  die 
in  der  Magengrube  und  im  Rücken  bestehenden  Schmerzen  wieder 
völlig  geschwunden,  Pat.  lühlt  sich  daher  jetzt  wieder  wohl.  Der 
Appetit  ist  besser.    Stuhlgang  ist  regelmässig. 

Befund  :  Magerer  Pat.  mit  deutlichem,  aber  kaum  empfindlichem 
Tumor  der  Gallenblase  (Hydrops,  event.  Carcinom?)  Im  Urin  etwas 
Zucker.    Kein  Ikterus. 

E  p  i  c  r  i  s  e  :  Bei  dem  Alter  des  Pat.,  den  relativ  geringen 
Beschwerden  —  Pat.  sagt  selbst,  dass  er  in  seinem  Beruf 
wenig  gestört  sei  —  soll  erst  eine  4  Wochen  lang  dauernde 
Thermophor-  und  Kuhekur  eingeleitet  werden,  ehe  die  Operation 
in  Erwägung  gezogen  wird.   — 

Patienten,  deren  Konstitution  auf  mich  keinen  günstigen 
Eindruck  macht,  die  anämisch  aussehen,  schwaches  Herz 
haben,  deren  Leber  hypertrophisch  ist,  stelle  ich  von  der  Ope- 
ration zurück.  Besonders  Männer  vertragen  das  Hantieren 
in  der  Bauchhöhle  schlecht  und  sollten  nur  bei  ganz  strenger 
Indikation  operiert  werden. 


—     152     — 

R.  A.,  42j.  Oberlehrer  aus  Görlitz. 

Anamnese:  Vor  ca.  20  Jahren  Gelenkrheumatismus,  ein  Jahr 
darauf  leichtes  Recidiv.  Vor  ca,  10  Jahren  Pleuritis.  Stuhlgang  immer 
träge. 

Um  Ostern  d.  J.  hatte  Pat.  nach  Diätfehlern  einen  Anfall  von 
Schmerzen  in  der  Magengrube,  aufsteigend  in  die  Brust,  kein  Er- 
brechen oder  Übelkeit.  Die  Anfälle  kamen  alle  2—3  Wochen,  meist 
nach  Diätfehlern  oder  Aufregungen.  Er  wurde  auf  nervösen  Magen- 
katarrh behandelt,  sein  Arzt,  Herr  Dr.  Skal  1  er-  Görlitz,  diagnostizierte 
schon  damals  ein  Gallensteinleiden. 

Im  September  d.  J.  kam  ein  sehr  heftiger  Anfall.  Die  Schmelzen 
Sassen  im  rechten  Oberbauch,  strahlten  nach  Brust  und  Rücken  aus,  da- 
bei Übelkeit  und  Erbrechen,  Schweissausbruch,  kein  Ikterus^  kein  Fieber. 
Pat.  erhielt  Morphium.  Im  Stuhl  fanden  sich  steinartige  Gebilde  un- 
klaren Charakters.  8  Tage  danach  suchte  er  das  Sanatorium  des  Herrn 
Dr.  Oeder  in  Nieder-Lössnitz  bei  Dresden  auf.  Hier  erholte  er  sich 
anfangs  recht  gut,  als  er  aber  wieder  nach  Hause  fahren  wollte,  kam 
ein  zweiter  sehr  schwerer  Anfall  mit  folgendem  leichten  Ikterus.  In 
seinem  Stuhl  fanden  sich  häufig  gelatinöse,  weiche  grüne  Massen, 
wahrscheinlich  Residuen  des  reichlich  gegebenen  (*/4  1.  pro  die)  Öles. 
Eine  Zeit  lang  war  sein  Stuhl  dunkel,  schwarz-grün.  Vor  5  Tagen 
ein  leichter  Anfall.  Pat.  ist  im  allgemeinen  matt  und  schwach  ge- 
worden. Er  wünscht,  da  er  seine  Stellung  so  nicht  ausfüllen  kann, 
dringend  die  Operation. 

Befund:  Ziemlich  korpulenter  Mann  von  blassem,  anämischem 
Aussehen.     Urin  frei. 

In  der  Gallenblasengegend  fühlt  man  eine  umschriebene  Härte, 
die  sich  nicht  umgreifen  lässt.    Druck  auf  den  Tumor  ist  schmerzhaft. 

Diagnose:  Cholecystitis  calculosa  subacuta. 

Von  einer  Operation  wird  abgesehen,  da  dieselbe  bei  dem  kor- 
pulenten, dabei  aber  anämischen  Manne  zu  viel  Gefahren  bietet.  Er 
erhält  den  Rat,  4  Wochen  lang  eine  strenge  Karlsbader  Kur  zu  Hause 
mit  Thermophor  zu  machen.  Hilft  sie  nicht  und  behält  Pat.  seine 
Beschwerden,  so  wäre  die  Operation  in  Erwägung  zu  ziehen. 

Pat.  meldet  6  Wochen  nach  der  Entlassung,  dass  ihm  die  an- 
geordnete Kur  ausserordentlich  gute  Dienste  geleistet  habe :  er  fühle 
sich  völlig  wohl. 

G.  0.,  51  j.  Getreidehändler  aus  Posen. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  hat  4  Kinder.  Pat.  ist  sonst 
immer  gesund  gewesen.  Vor  10  Jahren  zuerst  Kolikanfälle.  Kolik- 
schmerzen in  der  Nabelgegend  von  mehrstündiger  Dauer,  ab  und  zu 
dabei  Erbrechen,  kein  Fieber,  keine  Gelbsucht.  Diese  Kolikanfälle 
3— 4mal  im  Jahr,  wurden  anfangs  für  Darmkoliken,  später  für  Gallen- 
steinkoliken (besonders  auch  wegen  der  Leberschwellung)  gehalten. 
8  mal  Kur  in  Karlsbad,  Ölkur,  Kur  nach  der  Naturheilmethode. 

Seit  3  Jahren  keine  Koliken  mehr.  Seitdem  aber  fast  dauernd 
drückende    Schmerzen    in   der   Lebergegend,   besonders   auch   an    der 


—     153     — 

Stelle  der  Gallenblase.  Ab  und  zu  noch  ein  leichter  Magenkrampf. 
Dabei  oft  Blutandrang  nach  dem  Kopf.  Appetit  gut,  doch  fühlt  sich 
Fat.  seit  3  Monaten,  wo  auch  die  Schmerzen  stärker  wurden,  sehr 
schwach.  Seit  5  Monaten  hat  Fat.  8  Ffund  abgenommen.  Niemals 
Gelbsucht,  Steine  im  Stuhl  wurden  nicht  gefunden.  Früher  ziemlich 
reichlicher  Alkoholgenuss.  Herr  Frofessor  Senator  konstatierte  vor 
1  Jahre  Gallensteine  und  riet  zur  Operation. 

Befund:  Grosse,  massige  Leber,  kein  Gallenblasentumor.  Aus- 
gesprochene Druckempfhidlichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  Kein 
Ikterus.    Urin  normal. 

Neben  der  Cholelithiasis  besteht  Leberhypertrophie,  die  die  Chancen 
der  operativen  Behandlung  ungünstig  beeinflusst.  Dem  Fat.  wird  ge- 
raten, zu  Hause  unter  Kontrolle  seines  Hausarztes  eine  Thermophor- 
und  Ruhekur  durchzumachen,  6  Wochen  lang  Karlsbader  Wasser  zu 
trinken. 

Nach  6  Wochen  berichtet  Fat.  über  guten  Erfolg  der  Kur:  Die 
Leberschwellung  ist   zurückgegangen,    er  hat  keine  Schmerzen   mehr. 

J.  0.,  57j.  Ziegeleibesitzer  aus  Rotthausen. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  12  gesunde  Kinder.  Die 
Mutter  des  Fat.  und  zwei  Brüder  haben  viel  an  Magenkrämpfen 
gelitten. 

Fat,  ist  immer  gesund  gewesen,  leidet  nur  seit  einigen  Jahren 
an  Rheumatismus.  Vor  2—3  Jahren  hat  auch  einige  Zeit  lang  eine 
ödematöse  Anschwellung  an  beiden  Fussgelenken  bestanden.  Vor 
5  Jahren  angeblich  Blinddarmentzündung,  doch  scheint  es,  als  ob 
damals  nur  ein  ähnlicher  Anfall  sich  eingestellt  hatte,  wie  Fat.  sie 
häutiger  gehabt.  Es  bestand  Verstopfung,  Aufgetriebensein  des  Leibes 
und  heftige  Schmerzen  in  der  Oberbauchgegend.  Fat.  hat  seit  15  bis 
16  Jahren  an  Magenkrämpfen  gelitten ,  die  vor  ca.  15  Jahren  sehr 
häufig,  oft  jede  Woche  mehrmals,  auftraten  und  anfangs  nur  einige 
Minuten,  später  bis  stundenlang  andauerten.  Es  stellten  sich  dabei 
heftige  Druckschmerzen  in  der  Magengrube  und  beiderseits  davon 
(rechts  etwas  stärker)  und  im  Rücken  ein.  Der  Leib  war  dabei  meist 
gespannt  „wie  eine  Trommel"  und  aufgetrieben.  Wenn  Erbrechen 
oder  Aufstossen  eintrat,  besserte  sich  der  Zustand  schnell.  Diese 
Anfälle  traten  seit  7—8  Jahren  weniger  häufig  auf,  im  Jahre  1903 
etwa  alle  2  Monate,  und  dauern  ungefähr  eine  Stunde.  Bei  den  Anfällen 
soll  stets  leichte  Gelbsucht  in  den  Augen  und  im  Gesicht  einige  Tage 
lang  vorhanden  sein.  (Fat.  hat  als  junger  Mensch  von  ca.  19  Jahren 
einmal  4  Wochen  lang  an  Gelbsucht  gelitten.)  Im  Jahre  1904  traten 
nur  einige  leichte  Anfälle  auf.  Doch  leidet  Fat.  Jetzt  angeblich  an 
sehr  häufiger  Auftreibung  des  Leibes,  verbunden  mit  Atemnot  und 
gleichzeitiger  Verstopfung  ohne  nennenswerte  Schmerzen.  Dabei  ist 
der  Appetit  gut,  Fat.  hat  an  Gewicht  nicht  abgenommen.  Stuhl  ist 
sonst  regelmässig,  Gallensteine  wurden  in  demselben  nicht  gefunden. 

Befund:  Sehr  beleibter  Herr  mit  einem  Gewicht  von  270  Ffund. 
Leber  vergrössert,  aber  weich,  nicht  schmerzhaft.    Galienblasengegend 


—     154     ~ 

massig  druckempfindlich.  Kein  Tumor,  kein  Ikterus.  Pat.  gibt  selbst 
an,  durch  die  Krankheit  in  seiner  Erwerbstähigkeit  nicht  wesentlich 
behindert  zu  sein.    Urin  enthält  geringe  Mengen  Eiweiss. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis. 

Therapie:  Bei  dem  starken  Panniculus  adiposus  des  Fat.,  der 
nicht  erheblich  unter  seinen  Steinen  zu  leiden  hat,  wird  eine  Kur  in 
Neuenahr  verordnet;  zugleich  soll  Pat.  darauf  bedacht  sein,  dass  er 
einige  Pfund  an  Körpergewicht  abnimmt.  — 

Ich  operiere  weiterhin  nicht,  wenn  ich  eine  Naturheilung 
—  innere  Fistelbildung  —  annehmen  kann  und  die  anfäng- 
lichen Beschwerden  durch  eine  Trinkkur  gänzlich  schwinden. 
Eine  sichere  Diagnose  einer  inneren  Fistel  dürfte  sehr  schwer 
und  nur  auf  Grand  einer  genauen  Anamnese  möglich  sein. 
Dafür  2  Beispiele : 

A.  S.,  41  j.  Kaufmann  aus  Barkley-east  (Südafrika). 

Anamnese:  Vater  starb  mit  48  Jahren  an  Magenkrebs,  Mutter 
51  Jahre  alt  an  unbekannter  Krankheit.  Die  Geschwister  des  Pat.  (4) 
sind  gesund. 

Pat.  war  bis  zu  seinem  36.  Jahre  niemals  krank,  litt  dann  etwa 
P/jJahr  lang  an  einem  Bandwurm,  der  jedoch  nach  mehrfachen  Kuren 
abging.  Vom  38.— 40.  Jahre  wieder  Wohlbefinden  und  starke  Gewichts- 
zunahme. Anfang  November  1900  heftiger  Gichtanfall  im  linken  Fusse, 
der  3  Wochen  anhielt.  Mitte  November  1900  plötzlich  heftiger  Anfall 
von  Koliken  in  der  rechten  oberen  Bauchhälfte,  viel  Aufstossen  und 
Erbrechen,  die  Schmerzen  hielten  3  Tage  lang  an,  Gelbsucht  war  nicht 
vorhanden.  Im  Stuhlgang  fand  Herr  Dr.  M oszeik  in  Barkley-east 
(Südafrika)  angeblich  Gallengries.  Nach  dem  Anfalle  8  Tage  lang 
Wohlbefinden,  dann  traten  bei  der  Atmung  leichte  Schmerzen  in  der 
Lebergegend  auf,  die  bald  heftiger  wurden.  In  der  Neujahrsnacht 
1901  entleerte  Pat.  dann  plötzlich  mit  dem  Stuhlgange  eine  grosse 
Menge  (V«  Liter)  blutigen  Eiters,  die  Schmerzen  in  der  Gallenblasen- 
gegend hörten  danach  langsam  auf.  Bis  zum  Februar  d.  J.  konnte 
Pat.  dann  seinem  Berufe  wieder  nachgehen,  seit  März  hat  er  aber 
wieder  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  die  bei  ruhigem  Verhalten  nur 
gering  sind,  bei  Bewegungen  aber  oft  sehr  heftig  werden.  Der  be- 
handelnde Arzt  nimmt  an,  dass  diese  Schmerzen  durch  Schrumpfungs- 
vorgänge und  Adhaesionsbildung  infolge  des  entleerten  Abscesses  ent- 
standen seien.  Pat.  ist  in  Südafrika  geboren  und  wohnt  auch  dort, 
z.  Z.  hält  er  sich  zum  Besuche  seiner  Familie  in  Deutschland  auf. 
Sein  Schwager  (Herr  Dr.  Schade  in  Weissenseej  schickt  ihn  zur 
Untersuchung. 

Befund:  Kräftiger  Mann  von  mittlerer  Grösse.  Herz  und  Lungen 
gesund,  Urin  frei.  In  der  Gallenblasengegend  Druckempfindlichkeit 
und  undeutliche  Resistenz. 

Diagnose:  Adhaesionen  an  der  Gallenblase.  Fistel  zwischen 
Gallenblase  und  Darm  nicht  unwahrscheinlich. 


—     155     — 

Therapie:  Zunächst  Kur  in  Neuenahr.  Pat.  erholt  sich  dort 
ausserordentlich  und  stellt  sich  Anfang  August  in  der  Klinik  wieder 
vor.  Gallenblasengegend  jetzt  gänzlich  unempfindlich.  Deshalb  wird 
von  einer  Operation  Abstand  genommen. 

A.  W.,  60  j.  Arzt  aus  Tiflis. 

Anamnese:  Pat.  ist  unverheiratet.  Der  Vater  des  Pat.  hat 
vermutlich  an  Gallensteinen  gelitten,  ebenso  auch  an  Nierensteinen. 
Pat.  selbst  ist  immer  gesund  gewesen.  Vor  12  Jahren  ist  bei  Pat. 
einmal  ein  Nierenstein  aus  der  rechten  Niere  nach  etwa  3-stündigen 
starken  Kolikschmerzen  abgegangen.  Ende  November  1903  erkrankte 
Pat.  plötzlich  eines  Tages  mit  sofort  hoch  ansteigendem  Fieber 
(bis  40"),  wobei  zwar  Frostgefühl,  aber  kein  eigentlicher  Schüttelfrost 
sich  einstellte.  Zugleich  traten  sehr  starke  Druckschmerzen  in  der 
Gegend  der  Gallenblase  und  der  entsprechenden  Stelle  des  Rückens 
auf.  Das  Fieber  hielt  in  gleicher  Intensität  mit  leichten  morgendlichen 
Remissionen  etwa  3-4  Wochen  an.  Kein  Erbrechen,  keine  Übelkeit, 
dagegen  starke  Stuhlverstopfung.'  Leichter  Ikterus.  Nach  etwa  vier 
Wochen  fiel  das  Fieber  allmählich  ab.  In  der  5.-6.  Woche  bekam 
Pat.  plötzlich  einen  sehr  heftigen  Anfall  von  Druckschmerzen  in  der 
Gallenblasengegend.  Nach  mehrmaliger  Einnahme  von  Ol.  oliv, 
gingen  60—70  kleine,  von  einigen  Ärzten  für  Steine  gehaltene  Kügel- 
chen  ab,  die  aber  vermutlich  keine  Steine  waren;  sonst  wurden  nie- 
mals Steine  gefunden.  Während  der  ganzen  Zeit  war  die  Gallenblase 
stark  geschwollen.  Da  man  ein  Platzen  derselben  befürchtete,  Hess 
sich  Pat.  zur  Operation  ins  Hospital  aufnehmen,  wobei  er  im  Wagen 
sich  dorthin  fahren  Hess.  Am  Tage  nach  der  Hospitalaufnahme  fühlte 
Pat.  plötzlich  eine  starke  Erleichterung,  fühlte  sich  „wie  neugeboren". 
Zugleich  wurde  im  Stuhlgang  mikroskopisch  Eiter  nachgewiesen.  Von 
den  Ärzten  wurde  daher  ein  Durchbruch  der  Gallenblase,  vermutlich 
ins  Duodenum,  als  wahrscheinlich  angenommen,  vielleicht  begünstigt 
durch  die  Erschütterung  auf  der  Fahrt  ins  Hospita'.  Die  Besserung 
hielt  an,  und  nach  weiteren  IV2  Monaten  (Pat.  hatte  im  ganzen  drei 
Monate  zu  Bett  gelegen)  fühlte  sich  Pat.  w^ieder  wohl.  Der  Zustand 
blieb  dann  bis  jetzt  unverändert  ein  gleich  guter.  Zur  Zeit  klagt  Pat. 
noch  über  ab  und  zu  vorhandenes  Gefühl  von  Vollsein  im  Leib.  Wenn 
der  Stuhl  etwas  verstopft  ist,  stellen  sich  noch  le'chte  Druckschinerzen 
in  der  Gegend  der  Gallenblase  ein.  Appetit  gut,  Körpergewicht  hat 
nicht  abgenommen.  Stuhlgang  ist  noch  häufig  verstopft.  Ab  und  zu 
hat  Pat.  noch  über  ein  leichtes  Frösteln  zu  klagen.  Im  übrigen  fühlt 
er  sich  ganz  wohl. 

Befund:  Etwas  ikterisch  aussehender  Pat.  Gallenblasengegend 
etwas  resistent,  sehr  wenig  schmerzhaft.    Kein  Fieber.    Urin  frei. 

Diagnose:  Wahrscheinlich  hat  ein  Durchbruch  der  Gallenblase 
in  den  Darm  stattgefunden,  doch  ist  es  möglich,  dass  noch  ein  Stein 
im  Choledochus  steckt.  Eine  Indikation  zur  Operation  Hegt  jetzt  nicht 
vor,  Pat.  soll  in  Karlsbad  eine  Kur  durchmachen  und  bei  neu  auf- 
tretenden Beschwerden  sich  wieder  vorstellen. 


—     156     — 

Eine  wichtige  Frage  ist  die :  „Soll  man  den  Kranken  sehr  zur 
Operation  zuraten?"  Gewiss  tue  ich  das,  wenn  ich  mit  Be- 
stimmtheit ein  Empyem  der  Gallenblase,  eine  Perforation  fest- 
stelle oder  die  Anamnese  die  untrüglichen  Zeichen  des  chronischen 
Choledochusverschlusses  ergab.  Einen  Menschen,  der  ins 
Wasser  gefallen  ist,  fragt  man  auch  nicht  erst,  ob  man  ihn 
retten  soll :  man  rettet  ihn  eben.  Einem  Gallensteinkranken,  bei 
dem  vitale  Indikation  zur  Operation  vorliegt,  rede  ich  so  zu, 
dass  er  sich  auch  entschliesst. 

Aber  es  gibt  Fälle,  bei  denen  nur  eine  relative  Indikation 
vorliegt,  da  überlasse  ich  oft  dem  Patienten  die  Entscheidung. 

Ein  solcher  Fall  war  der  folgende : 

Professor  X.,  49  j.  Arzt  aus  München. 

Anamnese:  Familienananmese  ohne  Besonderheiten,  ebenso 
Vorleben.  1887  erkrankte  Pat.  zum  ersten  Male  mit  typischen  Koliken 
von  zirka  halbstündiger  Dauer  ohne  Ikterus,  Fieber  und  Erbrechen. 
Die  Schmerzen,  von  der  Gallenblasengegend  nach  dem  Rücken  hin 
ausstrahlend,  setzten  Monate  lang  aus.  1893  Ikterus,  sehr  stark,  ohne 
Schmerzen,  dabei  aber  Erbrechen.  Gastroduodenalkatarrh.  In  der 
Folge  wieder  stärkere  und  heftigere  Koliken,  zumal  August  1894  ein 
12stündiger  Anfall  ohne  Ikterus;  Morphiuminjektion.  14  Tage  danach 
Karlsbader  Kur.  (Herr  Dr.  Herrmann.)  Resistenz  und  Druckemptind- 
lichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  (Anfälle  zumeist  nach  Diners  oder 
zur  Nacht  oder  nach  Aufenthalt  in  schlechter  Luft,  auffallend  war 
Besserung  bei  frischer  Luft.)  Nach  der  Kur  Anfälle  nicht  so  intensiv, 
aber  ebenso  häufig.  Im  folgenden  Herbst  (95)  erneute  Kur;  vorher 
im  Juli  desselben  Jahres  starker  Anfall,  der  Morphiuminjektion  er- 
forderte. Nach  der  zweiten  Karlsbader  Kur  Anfälle  seltener  und  be- 
deutend schwächer  (ruhigere  Lebensstellung).  Dritte  Kur  Herbst  1896. 
Danach  völliges  Wohlbefinden.  5.  10.  1897  ein  Anfall  von  2stündiger 
Dauer  nach  starkem  Magenkatarrh  und  psychischer  Aufregung.  Zu 
Hause  3  Wochen  Sprudel.  Danach  bis  zum  18.  1.  1899  völlige  Ruhe, 
höchstens  ab  und  an  mal  leichtes  Völlegefühl  nach  Diners.  Im  letzten 
Winter  reichlich  seelische  Aufregungen.  19.  1.  1899  erneuter  Anfall 
mittlerer  Intensität  von  3  Stunden  Dauer,  Beginn  im  Rücken, 
Schmerzen  mehr  rechts  in  der  Lebergegend,  kein  Ikterus,  aber  Er- 
brechen. Danach  8  Tage  Sprudel.  Wohlbefinden.  Vom  3.-4.  März 
fieberhafter  Katarrh.  Am  8.  3.  Anfall,  Erbrechen,  kein  Morphium,  kein 
Fieber,  kein  Ikterus.  Vom  10.— 14.  3.  täglich  1  Löffel  Sprudelsalz.  Am 
12.  3.  Untersuchung  durch  Herrn  Prof.  Moritz,  starke  Palpation  der 
Gallenblasengegend.  Seitdem  nachts  häufig  unangenehme  Sensationen 
in  der  Gallenblasengegend,  die  stundenlang  am  Schlafen  hinderten. 

17.  3.  abends  ^jAO  Uhr  schwerer  Anfall,  52  stündige  Dauer,  Er- 
brechen,  2  mal  Morphium,   Schmerzen  begannen   in  der  Gallenblasen- 


—     157     — 

gegend,  zogen  nach  dem  Magen  hin,  hörten  ganz  plötzlich  in  der 
Pylorusgegend  auf.  Kein  Fieber.  Am  18.  3.  —  12  Stunden  nach  Be- 
ginn des  Anfalls  Ikterus.  Temp.  37,6.  Puls  52.  Stuhl  während  des 
Anfalls  braun.  Am  19.  deutlicher  Ikterus.  Am  20.  2  Uhr  früh  Auf- 
hören der  Schmerzen.  Öleinlauf,  danach  2  acholische  Stühle.  Am 
20.  neuer  Anfall,  der  Morphium  erfordert,  kein  Fieber,  kein  Schüttel- 
frost. Ikterus  geht  langsam  zurück  bis  26.  3.  1899.  An  diesem  Tage 
mittags  neuer  Anfall,  abends  Morphium,  äussert  schmerzhaftes  Er- 
brechen. Am  27.  3.  abends  Fieber,  exquisite  Schmerzhaftigkeit  der 
Magen-  und  Gallenblasengegend  (Schmerzen  bei  leisester  Berührung, 
beim  Atmen  und  Husten).  Fieber  und  Schmerzen  gehen  in  den  näch- 
sten Tagen  langsam  zurück  bis  31.  3.  Vom  1.  4.  an  fieberfrei.  In  der 
Folgezeit  starker  Magenkatarrh,  es  werden  nur  geringste  Mengen 
flüssiger  Nahrung  genommen. 

Vom  17.  3. — 8.  4.  Bettruhe.  Konkremente  nicht  gefunden.  Stuhl 
wurde  am  25.  3.  1899  zum  ersten  Male  wieder  braun.  Vom  15.  4, 
wieder  Karlsbader  Kur.    Seit  1887  meist  diarrhoischer  Stuhlgang. 

Pat.  klagt  zur  Zeit  über  leichte  Druckempfindlichkeit  der  Gallen- 
blasengegend, Appetit  und  Stuhlgang  sind  jetzt  gut. 

Diagnose:  Chronische  Entzündung  der  Gallenblase.  Steine  in 
der  Blase.  Verwachsungen  (alte  Pericholecystitis).  Im  März  akuter 
Choledochusverschluss,  Stein  wahrscheinlich  abgegangen.  Augenblick- 
lich liegt  zur  Operation  keine  zwingende  Indikation  vor.  Pat.  will 
die  Nachwirkung  der  Kur  abwarten,  womit  man  sich  nur  einverstanden 
erklären  kann.  Im  Oktober  1899-  bekam  ich  von  ihtn  Nachricht,  dass 
er  sich  vorzüglich  befinde  und  nur  dann  und  wann  leise  Mahnungen 
an  sein  Leiden  verspüre. 

Im  Jahre  1900  macht  Pat.  wieder  2  Koliken  durch,  aber  nicht 
sehr  heftig.  Er  geht  im  Sommer  ins  Gebirge  und  kann  Bergtouren 
machen. 

Neue  Untersuchung  12.  9.  1900.  Resistenz  in  der  Gallenblasen- 
gegend, Druckschmerzen  an  einem  bestimmten  Punkte.  Augenblick- 
lich wieder  relative  Ruhe  im  Gallensystem. 

Epicrise:  Eine  zwingende  Indikation  zur  Operation  liegt 
wiederum  nicht  vor. 

Der  Kollege,  selbst  Ciiirurg,  kennt  genau  die  Gefahren 
der  Cholelithiasis,  die  mögliche  Cholangitis  und  Carcinombildung. 
Ich  habe  ihm  gesagt,  dass  bei  ihm  wahrscheinlich  die  Ectomie 
incl.  Hepaticusdrainage  zur  Anwendung  komme  und  dass  bei 
dieser  Operation  eine  Mortalität  von  3  °/o  in  Frage  käme. 

Da  der  Befund  fast  negativ  ist  un  bei  der  chron.  recid.  Form 
nicht  der  Arzt,  sondern  der  Pat.  die  Indikation  stellt,  da  die 
Notwendigkeit  der  Operation  von  der  Häufigkeit  und  Dauer  der 
Koliken  und  ihrer  Art,  von  dem  Gebrauch  des  Morphiums,  von 
dem  Befinden  in  dem  freien  Intervall   abhängt,    musste  ich   es 


—     158     — 

ihm  ganz  und  gar  überlassen, .  ob  er  exspektativ  oder  operativ 
behandelt  sein  wollte.  In  einem  solchen  Fall  zuzureden,  halte 
ich  für  falsch,  ich  rede  keinem  Laien  zu,  geschweige  denn 
einem  Arzt.  Ich  mache  jeden  auf  die  Gefahren  der  Chole- 
lithiasis  aufmerksam,  stelle  ihm  die  geringe  Mortalität  der 
operativen  Behandlung  vor  Augen,  setze  ihm  auseinander,  dass 
in  Karlsbad  keine  Heilung  der  Cholelithiasis,  d.  h.  keine  Auf- 
lösung der  Steine,  keine  Abtreibung  derselben,  sondern  nur 
eine  Beseitigung  der  entzündlichen  Vorgänge  erfolge  und  dass 
nur  durch  das  Messer  eine  Eadikalheilung  möglich  sei,  ich 
mache  ihm  weiterhin  klar,  dass  je  länger  man  wartet,  um  so 
mehr  die  Schwierigkeiten  der  Operation  wachsen;  kann  sich 
Patient  dann  noch  nicht  entschliessen,  so  mag  er  getrost  nach 
Karlsbad  gehen,  um  noch  einmal  die  Heilkraft  des  Sprudels  zu 
erproben. 

Pat.  will  von  weiteren  Koliken  den  Entschluss  zur 
Operation  abhängig  machen. 

Pat.  hat  sich  dann  anderweitig  operieren  lassen,  weil  „ich 
ihm  nicht  genug  zugeredet  hätte."  Warum  ich  das  nicht 
tat,  habe  ich  oben  auseinandergesetzt.  —  Ich  werde  nach 
wie  vor  nach  den  Grundsätzen  verfahren,  die  ich  für  die 
richtigen  halte.  — 

Aus  diesen  wenigen  Beispielen,  die  ich  leicht  um  eine 
grosse  Anzahl  vermehren  könnte,  mag  der  Leser  ersehen,  dass 
ich  nicht  zu  den  Chirurgen  gehöre,  „die  sofort  das  Messer  in 
die  kochende  Sodalösung  werfen ,  wenn  ein  Gallensteinkranker 
die  Schwelle  des  Wartezimmers  überschreitet". 

Es  kann  jemand  im  Jahr  40  und  mehr  Koliken  haben 
wenn  es  gelingt,  dieselben  schnell  ohne  Morphium  durch  heisse 
Umschläge  zu  beseitigen,  und  wenn  Patient  dadurch  in  seinem 
Berufe  wenig  gestört  ist,  so  fällt  es  mir  gar  nicht  ein,  zu  ope- 
rieren. Und  selbst  bei  chronischer  Cholecj'^stitis,  die  Jahrzehnte 
besteht,  operiere  ich  nicht ,  wenn  der  Pat.  in  seinem  All- 
gemeinzustand verhältnismässig  wenig  leidet,  in  seiner  Arbeits- 
fähigkeit nicht  gestört  wird  und  die  Anfälle  einen  Verlauf 
nehmen,  dass  man  doch  auf  eine  schliessliche  Latenz  hoffen 
kann.  Diese  Entscheidung  ist  natürlich  schwer  zu  bringen,  und 
nur  bei  grosser  Erfahrung  wird  man  das  Richtige  treffen ;  aber 
irren  kann  sich  jeder  in  der  Prognose.  Dessen  bin  ich  mir 
vollkommen  bewusst. 


—     159     — 

Jedenfalls  gibt  es  eine  ganze  Keihe  von  Contraindikationen, 
die  mich  bestimmen,  von  der  Operation  abzustehen  und  den 
Pat.  nach  Karlsbad,  Neuenahr,  Kissingen,  Homburg,  Vichy, 
Tarasp  zu  schicken.  Bei  richtiger  Behandlung  können  in 
jedem  dieser  Badeorte  bestimmte  Formen  der  Cholelithiasis 
latent  werden.  Können  oder  wollen  die  Kranken  nicht  eine  Kur 
in  einem  Badeorte  durchmachen,  so  verordne  ich  ihnen  für  zu 
Hause  folgende  Kur: 

1.  Morgens  und  abends  wird  je  1  Stunde  lang  ein  grosser 
Thermophor  auf  Leber-  und  Magengegend  aufgelegt.  , 

2.  Nüchtern  trinkt  Patient  V2 — 1  Liter  Karlsbader  Wasser, 
so  heiss  wie  möglich.  Das  Wasser  muss  wie  ein  heisser  Um- 
schlag von  innen  her  wirken. 

3.  Sind  die  Magenfunktionen  normal,  Appetit  gut,  dann 
lasse  ich  alles  essen ;  fortlassen  soll  der  Patient  das,  was  ihm 
erfahrungsgemäss  nicht  bekommt. 

4.  Nur  bei  Störung  des  Appetits  und  der  Verdauung  ver- 
ordne ich  eine  besondere  Diät. 

5.  Alkohol  ist  unnötig;  wer  denselben  entbehren  kann,  tut 
am  besten,  gar  nichts  zu  trinken.  Wer  daran  gewöhnt  ist,  dem 
schaden  2  Glas  Pilsener  oder  sonstiges  gutes  Bier  oder  Wein 
nichts. 

6.  Bewegung  ist  nur  in  massigen  Grenzen  gestattet,  Massage 
des  Bauchs  ist  verboten. 

7.  Stuhlgang  muss  regelmässig  erfolgen  (Ölklystier). 

8.  Nicht  selten  lasse  ich  täglich  den  Magen  zweimal  aus- 
spülen, wenn  Atonie  vorhanden  ist  und  Appetitlosigkeit  im 
Vordergrund  steht, 

9.  Ein  Haupterfordernis  ist  Kühe  in  psychischer  und  phy- 
sischer Hinsicht. 

10.  Diese    Kur   soll  nicht  nur   4    Wochen,    sondern  8 — 10 
AVochen  fortgesetzt  werden. 

Ein  Patient  mit  Gallensteinen  soll  —  darin  bin  ich  mit 
Fink  ganz  einverstanden  —  nicht  nur  4  Wochen  die  Kur  ge- 
brauchen, sondern  8 — 10  Wochen;  er  soll  immer  kurgemäss 
leben,  wenn  er  die  Erfahrung  gemacht  hat,  dass  gewisse  Speisen 
ihm  nicht  bekommen.  Jedes  Frühjahr  und  jeden  Herbst  soll  er 
eine  Ruhekur  mit  Thermophorapplikation  durchführen,  damit  wo- 
möglich entzündliche  Vorgänge  in  der  Gallenblase  gar  nicht  zum 
Ausbruch  kommen. 


—     160    — 

Ich  bin  ein  absoluter  Feind  des  Schematisierens  bei  Gallen- 
steinkranken, und  das  bezieht  sich  besonders  auf  die  Diät.  Es 
gibt  Ärzte,  die  alles  Fett  verbieten ,  nur  weiches  Fleisch  ge- 
statten, Pilsener  Bier  für  Gift  halten,  und  es  gibt  Patienten, 
die  vor  Angst,  Kolik  zu  bekommen,  lieber  verhungern.  Oft  ist 
aber  eine  kräftige,  aus  gemischter  Kost  bestehende  Mahlzeit 
das  beste  Mittel,  die  vorhandene  Kolik  zu  beseitigen,  und  mit 
der  Einschränkung  der  Diät  bringt  man  die  abgemagerten 
Kranken  oft  noch  mehr  herunter.  Ich  lasse  tüchtig  Butter 
essen,  wenn  der  Patient  in  seinem  Ernährungszustand  arg  herunter- 
gekommen ist,  und  halte  die  alte  Karlsbader  Diät  für  einen 
längst  überwundenen  Standpunkt,  den  die  einsichtsvollen  Kollegen 
Karlsbads  schon  lange  nicht  mehr  teilen.  Erholt  sich  der 
Kranke  bei  ausreichender  Ernährung,  wird  der  Stoffwechsel 
besser,  dann  beobachtet  man  oft,  dass  das  lokale  Leiden  sich 
hebt  und  die  Schmerzen  bei  allgemeiner  körperlicher  Erholung 
sich  bessern.  Ich  freue  mich,  dass  jüngst  C.  Dapper  in 
Kissingen  diesen  meinen  Standpunkt  durch  eigene  Beobachtungen 
und  Experimente  als  den  richtigen  anerkannt  hat. 

Die  Massage  bei  der  Cholelithiasis  verwerfe  ich,  da  man 
über  den  Grtid  der  Entzündung  niemals  genau  unterrichtet  sein 
kann  und  jede  Entzündung  in  der  Bauchhöhle  diese  für  viele 
andere  Leiden  recht  günstige  Behandlungsweise  verbietet.  Wie 
oft  findet  man  Ulcerationen  im  Hals  der  Gallenblase,  die  bei 
einer  Massage  zur  Perforation  gebracht  werden  können.  Wer 
bei  Cholelithiasis  massiert,  beweist  mir  nur,  dass  er  die 
pathol.  Anatomie  der  Krankheit  nicht  kennt.  Die  Massage 
bezweckt  doch  vor  allen  Dingen  die  Austreibung  der  Galle  und 
der  in  der  Gallenblase  liegenden  Konkremente  in  den  Chole- 
dochus.  Man  sollte  froh  sein,  wenn  die  Krankheit  sich  auf  die 
Gallenblase  lokalisiert,  und  wird  sich  nicht  noch  Mühe  geben, 
den  infektiösen  Inhalt  in  die  Gallengänge  hineinzupressen.  Der 
Stein,  der  in  den  Choledochus  gedrückt  wurde,  kann  dort  liegen 
bleiben,  wachsen  und  zum  Verschluss  mit  chronischem  Ikterus  und 
Cholangitis  führen.  Die  innere  Medizin  muss  das  Bestreben 
haben,  die  Steinkrankheit  auf  die  Gallenblase  zn  beschränken 
und  die  hier  sich  abspielenden  Entzündungen  zn  beseitigen. 
Alle  übrigen  Massnahmen  muss  ich  als  unrichtig  verwerfen. 
Bei  der  Prophylaxe  der  Cholelithiasis  wäre  Massage,  Gymnastik^ 
Rudersport  etc.  eine  richtige  Behandlung,  —  aber  wer  hat  bei 


—     161     — 

gesunden  Personen  im  Auge,  die  Ansiedlung  von  Gallensteinen 
zu  verhüten?  —  Erst  wenn  sie  da  sind,  d.  h.  durch  Koliken 
ihre  Anwesenheit  verraten,  lässt  sich  der  Patient  behandeln, 
und  dann  ist  Massage  geradezu  falsch.  Ist  Latenz  eingetreten, 
dann  kann  Massage  und  Gymnastik  nur  die  Ruhe  wieder 
stören;  ein  Mensch,  der  Gallensteine  in  sich  trägt,  muss  ein 
beschauliches  Leben  führen  und  muss  jede  allzu  brüske  Be- 
wegung vermeiden;  wer  im  Stadium  der  Latenz  sich  befindet, 
soll  dafür  sorgen,  dass  diese  Latenz  erhalten  wird;  Vermeidung 
Ton  Diätfehlern,  Regelung  des  Stuhlgangs,  häufige  Mahlzeiten  (die 
einfachste  Art,  den  Gallenfluss  in  Gang  zu  halten),  viel  Spazieren- 
gehen (aber  keine  Gletschertouren !),  das  sind  die  besten  Mittel, 
um  den  Gallensteinkranken  das  Vorhandensein  ihrer  Steine  nicht 
zum  Bewusstsein  kommen  zu  lassen. 

Wenn  ich  —  und  das  ist  sehr  häufig  der  Fall  —  bei  einem 
Patienten  eine  Operation  für  unnötig  halte,  so  richte  ich  mich 
bei  der  Anordnung  einer  inneren  Behandlung  in  erster  Linie 
nach  den  sozialen  und  häuslichen  Verhältnissen  des  Kranken. 

1.  Ein  Kranker,  der  keine  häuslichen  Sorgen  hat  und  sich 
zu  Hause  alles  nach  Wunsch  einrichten  kann,  kann  zu  Hause 
die  nötige  Kur  vielleicht  besser  durchmachen  wie  in  einem 
Badeort. 

2.  Ein  Beamter,  ein  Arzt,  ein  Kaufmann  gehört  in  einen 
Badeort  oder  in  ein  Sanatorium. 

a)  Nervöse  und  Neurastheniker  gehen  nach  Neuenahr,  nicht 
nach  Karlsbad,  wenigstens  nicht  in  der  Hochsaison. 

b)  Kompliziert  sich  die  Cholelithiasis  mit  einem  Magen-, 
resp.  Darmleiden,  so  ziehe  ich  die  Behandlung  in  einem  Sana- 
torium für  Magenkranke  vor. 

3.  Der  Arbeiter,  der  weder  nach  Karlsbad  gehen,  noch  zu 
Hause  eine  rationelle  Kur  durchmachen  kann,  gehört  in  ein 
Krankenhaus. 

Oft  mache  ich  die  Erfahrung,  dass  die  Kranken  von  Karls- 
bad schlechter  zurückkommen,  als  wie  sie  hingegangen  waren. 
Das  gilt  besonders  von  den  „nervösen"  Menschen.  Sie  hatten 
dort  keine  Ruhe,  waren  zu  viel  gelaufen,  hatten  versäumt,  die 
heissen  Umschläge  in  dem  nötigen  Umfange  anzuwenden.  So- 
bald sie  meinen  Ratschlägen  Folge  leisteten  und  zu  Hause  eine 
genau  angeordnete  Ruhekur  befolgten,  trat  ein  Umschwung  in 
ihrem  Befinden  ein.     Ohne  den  Karlsbader  Kollegen  Vorschriften 

Kehr,  Technik  der  Qallensteinoperationen.    I.  11 


—     162     — 

machen  zu  wollen,  möchte  ich  doch  auf  die  Notwendigkeit  der 
Durchführung  grösserer  Ruhe  bei  ihren  Anordnungen  hinweisen. 
Das  Prinzip  der  Ruhe  ist  die  erste  Bedingung  für  eine  erfolg- 
reich durchzuführende  Kur.  Darauf  weist  u.  a.  auch  Pariser- 
Homburg  V.  d.  H.   hin. 

Den  Karlsbader  Kollegen  weise  ich  im  Jahre  eine  ganz  be- 
trächtliche Zahl  von  Kranken  zu,  nicht  in  der  Hoffnung,  dass 
sie  in  Karlsbad  dauernd  geheilt  werden,  sondern  nur  in  der 
Absicht,  die  Krankheit  in  das  Stadium  der  Latenz  überzuführen. 
Ich  weiss,  dass  in  Karlsbad  dieser  Zweck  recht  oft  erreicht 
wird  und  glaube,  dass  dies  in  72  "/o  (Fink)  der  Fälle  gelingt. 
Bei  den  Erfolgen  der  Karlsbader  Kur  darf  man  aber  nicht  ver- 
gessen, dass,  wie  Fink  selbst  ausrechnet,  schon  91  "/o  im 
Stadium  der  Latenz  nach  Karlsbad  kommen;  diese  in  ihrem 
Ruhestadium  zu  erhalten,  ist  bei  richtiger  Diät  und  Innehaltung 
einer  strengen  Kur  keine  besondere  Leistung. 

Nach  seiner  letzten  Mitteilung  erreichte  Fink  sogar  in 
87  °/o  der  Fälle  durch  die  Karlsbader  Kur  einen  guten  Erfolg. 
Schürmayer  hatte  in  80  *'/o  dasselbe  Resultat  und  behandelt 
die  Gallensteinkranken  fast  entgegengesetzt.  Man  muss  sich 
also  hüten ,  die  Wirkung  einer  bestimmten  inneren  Kur  zu 
überschätzen.  In  einer  benachbarten  Stadt  trinkt  man  einen 
Tee  gegen  Gallensteine,  der  in  90  "/o  helfen  soll.  Immer  das 
alte  Lied! 

Über  die  Glaser 'sehe  Chologen-Kur  fehlt  mir  jede  Er- 
fahrung. Ich  würde  sie  gelegentlich  anwenden,  doch  bin  ich 
schon  deshalb  etwas  misstrauisch,  weil  Glaser  Ansichten  ent- 
wickelt, die  in  meinen  chirurgischen  Kopf  schlecht  hineinpassen. 
Nach  Glaser  ist  die  Cholelithiasis  eine  Nervenkrankheit.  Ich 
ärgere  mich  schon  genug  über  die  vielen  Diagnosen  „nervöse 
Dyspepsie,  nervöse  Leberkolik",  und  nun  soll  die  Cholelithiasis 
selbst  eine  Nervenkrankheit  sein.  Glaser  mag  das  glauben, 
ich  nicht;  aber  da  ich  ihm  den  positiven  Beweis,  dass  die 
Gallensteinkrankheit  keine  Nervenkrankheit  ist,  nicht  erbringen 
kann,  so  schweige  ich  lieber  zu  seinen  Theorien.  Seine  Cho- 
logenkur  zu  verordnen,  dazu  fehlte  mir  der  Mut.  Ich  bin  tiber- 
zeugt, dass  sein  Mittel  auch  nicht  anders  hilft ,  wie  jede  Ab- 
führkur, umsomehr,  als  er  noch  andere  Heilfaktoren  in  An- 
wendung bringt,  durch  die  er  wahrscheinlich  mehr  nützt,  als 
durch   sein   Chologen.     Ich  verfolge  doch  meine  intern  ßehan- 


—     163     — 

(leiten  in  ihrem  Befinden  ganz  genau  und  habe  mit  Thermophor, 
Ruhe  und  fast  ohne  jede  Medikation  dieselben  guten  Erfolge.  Die 
Natur  hilft  sich  oft  selbst,  beim  Gallensteinleiden  in  ca  70°/o 
der  Fälle.  Jedenfalls  ist  nicht  erwiesen,  dass  man  die  Steine 
auflösen  kann.  Nur  sehr  schwere  Infektion  der  Gallenblase 
und  Gallengänge  macht  die  Steine  morsch  und  bringt  sie  zum 
Zerfall.  Eine  therapeutische  Ausnutzung  dieser  Beobachtung 
dürfte  recht  schwierig  sein.  Von  meinen  Patienten  hatten  eine 
ganze  Reihe  die  Chologen-  und  Schürmayer'sche  Kur  durch- 
gemacht; sie  hatten  auch  anfänglich  einen  Erfolg  verspürt. 
Als  ich  sie  aber  operierte,  weil  keine  Latenz  eingetreten  war, 
bargen  sie  sämtlich  grosse  Steine  in  ihren  Gallengängen  und 
von  einer  Auflösung  war  gar  nichts  zu  entdecken.  Und  wenn 
ich  die  sämtlichen  S  chürmay  er 'sehen  und  Glaser' sehen 
angeblich  geheilten  Gallensteinkranken  operieren  könnte,  ich 
würde  —  des  bin  ich  gewiss  —  in  allen  Fällen  noch  die  Steine 
antreffen,  wenn  auch  zur  Zeit  die  entzündliehen  Prozesse  ver- 
schwunden sein  mögen. 

So  bin  ich  der  Ansieht,  dass  alle  internen  Mittel,  wie 
sie  auch  heissen  mögen,  nur  die  augenblicklichen  Äusserungen 
der  Cholelithiasis  —  die  Entzündung,  die  Kolik,  den  Schmerz  — 
beseitigen  können,  dass  aber  eine  Heilung  im  Sinne  der  Ope- 
ration, Beseitigung  der  vorhandenen  Steine,  weder  Olivenöl 
noch  Eunatrol,  w^eder  Clemm,  Glaser  noch  Sehürmayer 
erreichen.  Eine  Heilung  ist  möglich  nur  bei  kleinen  Steinen, 
die  die  Papilla  duodeni  passieren  können,  oder  bei  grossen 
Steinen  durch  Ausbildung  von  Fisteln  zwischen  Gallensystem 
und  Darm.  Beide  Heilungsvorgänge  sind  aber  nicht  immer 
vollständig  und  nicht  ungefährlich. 

Dagegen  ist  der  Eintritt  der  Latenz,  die  einer  Heilung 
gleich  kommen  kann,  bei  der  Cholelithiasis  ein  sehr  hänflges 
Ereignis ;  dieses  kann  eintreten  trotz  jeder  Behandlung  mitten 
in  den  fürchterlichsten  Koliken  und  Schüttelfrösten.  Der  wissen- 
schaftliche Arzt  wird  nicht  immer  den  Erfolg  seiner  Kur  einer 
Arznei  zuschreiben. 

Wie  wenig  die  innere  Medizin  auf  dem  Gebiete  der  Gallen- 
steinbehandlung leistet,  wenn  sie  das  Ziel  verfolgt,  wirkliche 
Heilung  d.  h.  Beseitigung  der  Steine  herbeizuführen,  das  be- 
weisen doch  am  besten  die  unzähligen  Mittel,  die  immer  wieder 
gegen  dieses  Leiden  empfohlen  werden ;  das  beweisen  die  guten 

11* 


—     164     — 

Erfolge  so  vieler  Kurpfuscher,  die  sich  rühmen,  so  manchen 
Kranken  von  der  Operation  gerettet  zu  haben.  Auf  diesem 
Felde  lässt  sich  noch  „ein  gutes  Geschäft"  machen,  da  bei  der 
relativen  Harmlosigkeit  der  Cholelithiasis  in  vielen  Fällen  die 
gute  Mutter  Natur  so  freundlich  die  törichten  Bemühungen  kur- 
pfuschender Leute  unterstützt.  Leider  gibt  es  selbst  Ärzte, 
die  eine  Behandlung  einschlagen,  vor  der  der  wissenschaftlich 
Denkende  geradezu  erschaudern  muss.  Ich  denke  hier  besonders 
an  Schürmayer.  Ich  würde  es  nicht  der  Mühe  für  wert 
halten,  in  einem  besonderen  Artikel  auf  seine  Kur  einzugehen, 
aber  gerade  in  dem  Moment,  wo  ich  dieses  Kapitel  über  die 
Indikationen  zur  Gallensteinoperation  niederschreibe,  lese  ich 
unter  „Wissenschaftliche  Mitteilungen"  in  der  Allgem,  med. 
Zentralzeitung  1904  Nr.  19  einen  Vortrag:  „Schürmayer, 
Neue  Gesichtspunkte  in  der  Diagnose  und  Therapie  der  Chole- 
lithiasis", den  der  Autor  auf  der  25.  Versammlung  der  balneol. 
Gesellschaft  in  Aachen  gehalten  hat.  Wie  eine  medizinische 
Zeitung  einen  solchen  Wust  von  Phantastereien  und  kritiklosen 
Anschauungen  aufnehmen  kann,  und  wie  eine  wissenschaftliche 
Gesellschaft  es  dulden  kann,  dass  ein  solcher  Vortrag  überhaupt 
gehalten  wird,  das  verstehe  ich  nicht!  Man  lese  nur,  was  er 
zur  Diagnose  der  Cholelithiasis  sagt,  wie  er  es  versteht,  die 
sonst  so  segensreichen  Strahlen  Eöntgens  für  seine  wunderliche 
Kur  auszunutzen.  Schürmayer  tischt  uns  hier  vom  Cavum 
des  Zwerchfells,  von  den  Adhäsionen  zwischen  Leberoberfläche 
und  Zwerchfell  Geschichten  auf,  dass  man  sich  in  die  Zeiten  von 
Don  Quixote  versetzt  glaubt.  Ich  habe  die  feste  Ueberzeugung, 
das§  Schürmayer  die  Röntgentechnik,  die  seiner  Meinung 
nach  zur  Diagnose  der  die  Cholelithiasis  begleitenden,  patho- 
logisch-physiologischen Zwerchfellbewegungen  von  höchster  Be- 
deutung ist,  nur  „insceniert"  hat,  um  den  Patienten  durch  die 
geheimnisvollen  Strahlen  zu  imponieren.  Vielleicht  weiss  der 
Leser  noch  einen  andern  Grund?  —  Adhäsionen  zwischen  Zwerch- 
fell und  Leberoberfläche  kommen  natürlich  vor,  wenn  die 
Cholangitis  in  der  Leber  bis  zur  Leberoberfläche  vorgedrungen 
ist,  —  aber  in  ca.  80  °/o  der  Fälle  ist  das  Gallensteinleiden  auf 
die  Gallenblase  beschränkt  und  sehr  selten  greift  der  Ent- 
zündungsprozess  vom  Choledochus  auf  die  feinen  Gänge  über. 
Für  solche  Fälle  haben  natürlich  die  diagnostischen  Spitzfindig- 
keiten Schürmayers  gar  keinen  Wert.  Ich  bin  kein  grosser 


—     165     — 

Kenner  der  Röntgentechnik,  aber  soviel  weiss  ich,  dass  nur 
Schürmayer  im  Röntgenbild  das  sieht,  was  er  auf  pag.  355 
schildert  — ,  ein  Anderer  würde  von  alledem  nichts  sehen.  Es 
ist  schade  um  die  Druckerschwärze,  die  nötig  wäre,  um  die 
Schlussfolgerungen  Sc hürmayers  hier  wiederzugeben.  Deshalb 
mag  Jeder,  der  die  Lust  verspürt,  den  Vortrag  Schürmayers 
nachzulesen,  die  Nr.  19  der  Allgem.  med.  Centralzeitung  sich 
verschaffen;  er  wird  nach  der  Lektüre  der  Ansichten  Schür- 
mayer's  über  diese  ebenso  verwundert  den  Kopf  schütteln, 
wie  ich.  — 

Bei  der  Unkenntnis,  die  Schürmayer  im  Hinblick  auf  die 
pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis  an  den  Tag  legt, 
kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  dass  seine  kombinierte  Methode 
der  Behandlung  Gallensteinkranker  nach  jeder  Richtung  hin 
der  nur  bei  Naturheilkundigen  üblichen  Therapie  gleicht.  Es 
gibt  nichts,  was  Schürmayer  nicht  anwendet:  Elektrizität, 
Massage  mit  Hand  und  Apparat,  Vibrationsmassage,  Oscillations- 
therapie,  körperliche  Gymnastik  mit  und  ohne  Apparate,  Atem- 
gymnastik mit  und  ohne  Apparate,  Bewegungstherapie  dito, 
Balneotherapie,  Hydrotherapie,  Thermotherapie,  elektrische 
Wärmekissen,  Elektrothermophore,  Sandbäder,  lokale  Glüh- 
lampenbäder etc.  Dazu  gibt  er  Arzneimittel ;  denn  w^elcher  Fat. 
wäre  wohl  zufrieden,  wenn  er  keinen  Tee  oder  keine  Arznei  be- 
kommt? Er  sagt  zwar,  dass  es  bei  ihm  keine  Geheimnisse  gäbe, 
doch  gibt  er  die  Zusammensetzung  seiner  Arznei  nicht  an.  Doch 
damit  nicht  genug:  er  empfiehlt  noch  eine  typische  Lage,  Taxis 
genannt  (nicht  zu  verwechseln  mit  der  Taxis  eingeklemmter 
Bruchei),  welche  Eigenschaften  haben  soll,  deren  Schilderung 
jeden  ins  höchste  Erstaunen  setzen  muss.  Selbst  zur  Beseitig- 
ung von  Adhäsionen  wird  eine  symptomatische  Behandlung  ein- 
geleitet. Zuletzt  kommt  die  Nachkur  mit  der  „allbewährten  Trink- 
kur." Ich  gehe  nicht  weiter  auf  die  märchenhaft  klingenden  Aus- 
einandersetzungen ein,  in  denen  er  natürlich  immer  vor  den  ex- 
tremen Chirurgen  warnt,  die  „von  ihrem  vermeintlichen  Alles- 
können  zu  sehr  beeinflusst  sind."  Es  wäre  allerdings  traurig 
und  schlecht  um  uns  bestellt,  wenn  wir  so  lückenhafte  Kennt- 
nisse von  dem  Wesen  der  Cholelithiasis  hätten,  wie  Schür- 
mayer. Die  Seh  ürmay  er'sche  Kur  wirkt  durch  die  Mittel, 
die  auch  anderweitig  erprobt  sind :  durch  die  Atmungsgymnastik, 
die   Laxantien,    die   Ruhe-,    Thermophor-     und    Trinkkur    und 


—     166     — 

was  er  sonst  noch  hinzufügt,  das  geschieht  nur  deshalb,  um 
den  Patienten  die  Macht  der  zahlreich  zu  Gebote  stehenden 
Mittel  zu  zeigen  und  sie  durch  eine  Polypragmasie,  die  gerade 
dem  Nichtkönner  eigen  ist,  recht  zu  verblüffen. 

Ich  habe  es  bisher  unter  meiner  Würde  gehalten,  über  die 
Therapie  Schürmayer's  in  Diskussion  zu  treten,  da  er  es  nie- 
mals für  nötig  hielt,  in  einer  Fachzeitung  über  seine  Kur  zu 
berichten;  natürlich  „wollte  er  seine  neuen  Gedanken  erst  auf 
ihre  Leistungskraft  prüfen!"  Aber  das  hielt  ihn  nicht  ab, 
schon  seit  Jahren  bei  den  Gallensteinkranken  selbst  durch  Ver- 
senden von  Prospekten  und  Zirkulären  für  seine  Kur  Reklame 
zu  machen.  Erst  in  jüngster  Zeit  ist  er  mit  seiner  sog.  „wissen- 
schaftlichen" Mitteilung  hervorgetreten;  nun  halte  ich  es  für 
angezeigt,  die  Schürmayer'sche  Kur  einer  Kritik  zu  unter- 
werfen, und  ich  komme  zu  dem  Schluss  :  Sie  bringt  absolut  nichts 
neues,  Schürmayer  schlägt  im  Gegenteil  eine  Behandlung  ein, 
die  für  viele  Fälle  schadet,  —  und  schafft  er  Nutzen,  so  ist 
nicht  er  daran  Schuld,  sondern  die  Krankheit  selbst,  die  eme 
ungeniein  grosse  Neigung  zur  Latenz  hat,  auch  bei  ver- 
kehrtester Behandlung.  Und  solch  ein  Mann  wagt  ^ie  For- 
derung an  uns  zu  stellen,  die  extreme  Chirurgie  müsse  physio- 
logischer denken  lernen  !  Wer  eine  Krankheit  behandeln  will, 
muss  vor  allen  Dingen  ihr  Wesen  kennen.  Ich  behaupte,  dass 
die  meisten  Vertreter  der  operationslosen  Behandlung  kaum 
eine  iVhnung  haben,  wie  es  bei  einem  Gallensteinkranken  im 
rechten  Oberbauch  aussieht.  Sie  können  daher  gar  nicht  wissen, 
welche  Fälle  sich  für  die  innere  Behandlung  und  welche  sich 
für  die  operative  eignen.  Und  deshalb  sollten  sie  die  Behand- 
lung Leuten  überlassen,  die  von  der  Sache  etwas  verstehen. 
Ich  bin  vielleicht  etwas  scharf  in  meinem  Urteil.  Aber  den 
ehrlich  denkenden  und  wissenschaftlich  strebenden  Arzt  muss 
es  empören,  wenn  den  Laien  solche  Märchen  aufgetischt 
und  Kranke  der  Operation  entzogen  werden,  denen  man  leicht 
hätte  helfen  können.  Ich  habe  kein  Verlangen  nach  mehr  Ar- 
beit, denn  trotz  der  reklamehaften  Anpreisungen  „operations- 
loser Gallensteinbehandlung"  nimmt  die  Zahl  der  Operations- 
bedürftigen in  meiner  Klinik  von  Monat  zu  Monat  zu.  Es  ist 
mir  demnach  auch  ganz  gleichgültig,  ob  Schür  mayer  400 
oder  4000  Gallensteinkranke  in  seiner  Anstalt  mit  seiner  Kur 
beglückt.  Aber  wenn  ich  bedenke,  welche  Arbeit  und  welcher  Fleiss 


—     167     — 

nötig  waren,  damit  ich  die  Cholelithiasis  in  ihrem  wahren 
Wesen  richtig  zu  erfassen  lernte,  und  wenn  man  sich  überlegt, 
auf  Grund  welcher  mangelhaften  Kenntnisse  und  Erfahrungen  oft 
die  operationslose  Therapie  betrieben  wird  und  wie  gern  die 
Patienten  sich  ihr  anvertrauen,  dann  möchte  man  alles  Kurieren 
am  liebsten  „an  den  Haken  hängen."  Mit  der  Zeit  bricht  sich 
das  Gute  aber  doch  Bahn,  und  so  wird  auch  die  Gallenstein- 
chirurgie in  einem  Glänze  erstrahlen,,  der  die  angeblichen  Hei- 
lungen und  rätselhaften  Erfolge  kurpfuschender  Personen  als 
Lüge  und  Betrug  hinstellen  wird.    — 

Wer  die  obigen  Ausführungen  über  die  Indikationen  zur 
Gallensteinoperation  mit  Aufmerksamkeit  durchgelesen  hat,  wird 
sich  bald  klar  werden,  welche  Zwecke  wir  mit  unseren  Gallen- 
steinoperationen verfolgen  müssen. 

Der  Zweck  der  Oallensteinoperation  ist  ein  dreifacher; 
1)  Beseitigung  der  durch  die  Anwesenheit  der  Steine  be- 
günstigten Entzündung  und  2)  Entfernung  der  Steine  selbst ; 
3)  Verhütung  einer  Neubildung  von  Steinen.  In  seltenen  Fällen 
gelingt  es,  durch  einfache  Entfernung  der  Steine  auch  die 
Forderung  unter  1)  zu  erfüllen.  Setzen  wir  den  günstigsten  Fall, 
dass  ein  einziger  grosser  •  Stein  im  Gallenblasenhals  steckt; 
schieben  wir  den  Stein  funduswärts  und  entfernen  ihn,  nachdem 
wir  die  Gallenblase  am  Fundus  geöffnet  haben,  von  hier  aus  durch 
eine  Kornzange,  so  würden  wir  bei  sofortigem  Verschluss  der 
Gallenblase  sehr  schlecht  für  die  Ausheilung  der  gleichzeitigen 
Gallenblasenentzündung  sorgen.  Zwar  kann,  nachdem  der  Stein 
beseitigt,  der  Cysticus  die  Drainage  der  Gallenblase  besorgen: 
aber  dieser  Gang  ist  so  eng,  dass  wir  uns  auf  seine  Hilfe  nicht 
verlassen  können.  Überall  in  der  Chirurgie  gilt  es  als  Grund- 
satz, eine  Entzündung  durch  ausgiebige  Drainage  zu  behandeln. 
Von  dieser  Forderung  sollen  wir  auch  in  der  Gallenblasenchirurgie 
nicht  abgehen,  und  deshalb  ist  es  verständlich,  dass  ich  von 
einer  Cyslendyse  nichts  wissen  will.  Ist  sie  durchführbar,  so 
kann  man  sagen,  dass  die  Operation  nicht  indiziert  war,  denn 
wie  wir  bereits  gesehen  haben,  nicht  der  Stein  als  solcher, 
sondern  die  Entzündung  gibt  die  Indikation  zur  Operation  ab. 

Wie  ich  jede  Gallenblase  drainiere,  so  drainiere  ich  auch 
jeden  Choledochus,  da  mir  die  Drainage  durch  die  enge  Papille 
nicht  sicher  genug  ist.  Die  Choledochotomie  mit  Naht  sollte 
wie   die   Cystotomie  mit  Naht  nicht  mehr   ausgeführt  werden. 


—     168     — 

Vollständig  verwerfe  ich  alle  Zertrümmerungen  der  Steine. 
Ich  verstehe  in  der  Tat  nicht,  wie  ein  so  tüchtiger  Chirurg, 
wie  Kocher,  eine  solche  Operation  als  ein  „vorzügliches  Ver- 
fahren* empfehlen  kann. 

Ganz  unverständlich  ist  es,  wie  man  Steine  in  der  Gallen- 
blase zertrümmern  kann,  aber  auch  für  die  Cysticus-  und  Chole- 
dochussteine  ist  das  Verfahren  zu  verlassen. 

Wer  garantiert  dafür,  dass  auch  alle  Steintrümmer  abgehen  ? 
Statt  eines  grossen  Steines,  der  leicht  herauszuschneiden  war, 
schaffe  ich  eine  Menge  Trümmer,  eine  Art  Schlamm,  der  erst 
recht  zu  einer  Verlegung  der  Papille  und  einer  Erhöhung  der 
Infektion  beitragen  kann.  Ich  würde  die  absichtliche  Zer- 
trümmerung eines  zur  Exzision  geeigneten  Steines  für  einen 
Kunstfehler  halten,  der  den  Patienten  berechtigte,  gegen  den 
Operateur  die  Anklage  zu  erheben.  Ich  weiss  sehr  wohl,  was 
ich  schreibe.  Aber  so  sehr  bin  ich  von  der  völligen  Unzweck- 
mässigkeit  und  grossen  Fehlerhaftigkeit  aller  absichtlichen  Zer- 
trümmerungen überzeugt,  dass  ich  diese  meine  Ansicht  vor 
Gericht  als  Sachverständiger  in  allen  Punkten  aufrecht  erhalten 
würde. 

Es  ist  schon  schlimm  genug,  wenn  einmal  ein  Chirurg 
unabsichtlich  einen  Stein  zerbricht;  aber  das  ist  oft  nicht  zu 
vermeiden.  Die  Konkremente  sind  oft  so  weich,  dass  sie  auch 
bei  vorsichtiger  Palpation  des  Cysticus  und  Choledochus  in  Trüm- 
mer gehen.  Aber  wie  man  an  eine  Gallensteino^ration  heran- 
treten kann  in  der  Absicht,  eine  Choledochotripsie  auszuführen, 
ist  mir  bei  dem  jetzigen  Stand  der  Gallensteinchirurgie  unfassbar. 

Wer  auf  meine  Erfahrungen,  die  ich  bei  fast  1000  Gallen- 
steinoperationen gesammelt  habe,  etwas  gibt,  der  unterlasse 
also  alle  Verschlüsse  der  Gallenblase  und  des  Choledochus  und 
zertrümmere  vor  allen  Dingen  mit  Absicht  keine  Steine.  Nach 
jeder  Operation,  gleichgültig,  ob  ich  sie  an  der  Gallenblase 
oder  am  Choledochus  vornehme,  muss  ich  Gelegenheit  haben, 
die  Gallenwege  ausspülen  zu  können,  um  zurückgelassene  Steine 
herauszubefördern ;  ich  drainiere  die  Gallenwege  und  erfülle  so- 
mit die  Hauptindikation  der  Operation,  die  Beseitigung  der  Ent- 
zündung. 

Die  dritte  Forderung  —  Verhütung  einer  Neubildung  von 
Steinen  —  ist  nicht  zu  erfüllen,  wenn  bei  dem  Patienten  die  Ten- 
denz zu  der  Bildung  von  Lebersteinen  besteht.  Es  ist  zwar  selten, 


—     169     — 

dass  die  Konkremente  primär  in  den  Gallengängen  sich  bilden, 
aber  es  kommt  doch  vor.  Die  Hauptbildungsstätte  der  Chole- 
lithen  ist  unbedingt  die  Gallenblase.  Wird  sie  entfernt,  so 
heilen  wir  auch  im  Sinne  der  inneren  Mediziner  die  Krankheit 
gründlich.  Doch  müssen  wir  die  Gallenblase  ganz  entfernen 
bis  zum  Cysticus.  Bleibt  von  diesem  Gang  viel  stehen,  so 
buchtet  sich  der  enge  Gang  allmählich  aus,  und  in  diesem 
Hohlorgan  kann  es  sehr  wohl  wieder  zu  einer  Neubildung  von 
Steinen  kommen.  Im  Choledochus  selbst  ist  eine  Neubildung 
bei  gutem  Gallenfluss  und  offener  Papille  kaum  denkbar. 

Erhalten  wir  die  Gallenblase,  so  ist  es  gewiss  möglich,  dass 
sich  wieder  neue  Steine  bilden,  doch  ist  ein  derartiges  Vor- 
kommnis noch  nicht  beobachtet  worden.  Ich  werde  in  dem 
Schlusskapitel,  in  dem  ich  die  Frage  der  Eezidive  ausführlich 
beleuchte,  diesen  Punkt  noch  weiter  erörtern. 

Die  Verhütung  der  Neubildung  von  Steinen  ist  insofern 
auch  Sache  des  Chirurgen,  als  derselbe  nach  der  Entlassung 
des  Operierten  demselben  Vorschriften  mit  auf  den  Weg  geben 
muss,  wie  er  am  besten  einem  Rezidiv  vorbeugt.  Im  übrigen 
tritt  nach  der  Operation  gewöhnlich  wieder  der  innere  Arzt 
in  Aktion  und  kann  viel  dazu  beitragen,  den  Erfolg,  den  sein 
chirurgischer  Kollege  erzielt  hat,  festzuhalten  und  zu  verbessern. 

Diese  Vorschriften  beziehen  sich  auf  die  Diät  (oft,  gut, 
aber  wenig  essen!),  auf  die  Körperbewegung  (Schwimmen, 
Turnen,  Massage,  soweit  es  die  Narbe  erlaubt) ;  sie  bezwecken  in 
erster  Linie,  die  Funktionen  der  Leber,  des  Magens  und  Darms 
zu  beleben,  den  Gallenfluss  anzuregen  und  die  Fortleitung  des 
Pfortaderblutes  zu  beschleunigen.  Nach  erfolgter  Operation  ist 
also  eine  Massagebehandlung  gewiss  am  Platze,  und  es  würden 
dann  überhaupt  alle  die  Massnahmen  in  Betracht  kommen,  die 
Schürmayer  fälschlich  gebraucht,  während  der  Patient  noch 
Steine  beherbergt:  Atmungstherapie,  Balneotherapie,  Hydro- 
therapie etc. 

AVer  meine  Publikationen  über  die  Gallensteinkrankheit 
kennt,  der  weiss,  dass  ich  gern  den  Gallensteinoperierten 
Karlsbader  Kuren  empfehle  und  mir  wohl  bewusst  bin,  dass 
mit  der  Operation  allein  die  Krankheit  nicht  behoben  wird, 
sondern  dass  ein  verständiges  Verhalten  der  Patienten  dazu 
gehört,  um  das,  was  wir  durch  den  Eingriff  erreicht  haben, 
dauernd  festzuhalten.  — 


—     170     — 

Ich  will  diesen  Abschnitt  ü|?er  die  Indikationen  und  Contra- 
indikationen zu  einer  Gallensteinoperation  nicht  schliessen,  ohne 
der  Indikationsstellung  Finks  gedacht  zu  haben. 

Fink  sagt  in  seiner  Arbeit:  Erfolge  einer  einmaligen  Kur  in 
Karlsbad  usw.  auf  p.  51:  „So  günstig  auf  der  einen  Seite  die 
durch  die  Karlsbader  Kur  erzielten  Erfolge  sind,  muss  ich  auf 
der  anderen  Seite  erklären,  dass  ihr  Grenzen  gesteckt  sind. 
Diese  Grenzen  sind  gegeben  durch  die  Fortdauer  der  Be- 
schwerden, durch  das  Hinzutreten  einer  Infektion  und  durch 
den  chronischen  Choledochusverschluss."  Im  Hinblick  auf  Punkt  1 
und  3  bin  ich  derselben  Meinung  wie  Fink,  Punkt  2  kann  ich 
nicht  billigen.  Die  Infektion  tritt  nach  meiner  Ansicht,  abge- 
sehen von  den  Adhäsionskoliken,  wohl  in  jedem  Fall  von  Chole- 
lithiasis  hinzu,  wenn  sie  aus  dem  latenten  Stadium  in  das 
aktuelle  hinübertritt.  Man  müsste  also  in  jedem  Falle  von 
Cholecystitis  operieren.  Würde  Fink  sagen:  Durch  das  Hin- 
zutreten einer  schweren  akuten  oder  einer  chronisch  werden- 
den Infektion,  so  würde  ich  gegen  seine  Indikationsstellung 
nichts  einwenden.  Fink  hat  über  die  Pathologie  der  Chole- 
lithiasis  ganz  andere  Ansichten  wie  z.  B.  Törnquist  und 
ich:  er  legt  den  mechanischen  Einwirkungen  der  Steine  einen 
viel  grösseren  Wert  bei.  Ich  bin  überzeugt,  dass  Fink,  wenn 
erst  seine  z.  Zt.  noch  spärlichen  operativen  Erfahrungen  zuge- 
nommen haben  und  er  einmal  Gelegenheit  hatte,  Fälle  von  akuter 
Cholecystitis  und  akutem  Choledochusverschluss  zu  operieren, 
sich  mehr  und  mehr  meinen  Anschauungen  über  die  Entstehung 
der  Koliken  etc.  anschliessen  wird. 


—     171     — 

II.  Die  spezieile  Technik  der  Gallensteinoperationen. 

Courvoisier  hat  in  seinem  vorzüglichen  Werke:  „Casui- 
stisch- statistische  Beiträge  zur  Pathologie  und  Chirurgie  der 
Gallen wege,  Basel  1890"  die  Betrachtung  der  Operationen  am 
Gallensystem  nach  folgendem  Plan  vorgenommen: 

1.  Operationen  an  schon  bestehenden  äusseren  Fisteln  der 
Gallen  wege. 

2.  Operationen  an  der  mit  der  Bauchwand  verwachsenen 
Gallenblase. 

3.  Operationen  an  der  freien,  nicht  mit  der  Bauchwand  ver- 
wachsenen Gallenblase  —  Laparotomische  Operation. 

Zwar  ist  es,  wie  Courvoisier  sagt,  richtig,  dass  diese 
Einteilung  historisch -genetisch  begründet  ist,  mir  scheint  es 
aber  praktischer,  wenn  ich  Nr.  3  vorw^eg  nehme,  dann  Nr.  2 
und  zuletzt  Nr.  1  folgen  lasse.  Denn  äussere  Fisteln  entstehen 
zwar  oft  spontan,  sind  aber  meistenteils  doch  die  Folge  von 
unseren  Operationen.  Ich  bespreche  also  zunächst  die  Operationen 
an  der  freien,  mit  der  Bauchwand  nicht  verwachsenen 
Oallenblase.  Die  Nomenclatur  der  Operationen  am  Gallensystem 
ist  durch  Courvoisier 's  Bemühungen  geordnet  worden.  Statt 
der  langen  Bezeichnung  Totalexstirpation  der  Gallenblase  ge- 
brauche ich  überall  das  Wort:  Ectomie.  Der  Unterschied  zwischen 
primärer  oder  sekundärer  Cysticotomie  bedarf  keiner  weiteren 
Erklärung.  Statt  Cystendyse  könnte  man  besser  sagen  Cys- 
totomie,  im  Gegensatz  zur  Cystostomie  (Fistelbildung),  doch  hat 
sich  die  Bezeichnung  Cystendyse  resp.  ideale  Operation  so  ein- 
gebürgert, dass  wir  bei  dieser  Bezeichnung  bleiben  wollen. 

Wer  sich  tür  die  Geschichte  der  Gallensteinoperationen 
interessiert,  den  verweise  ich  auf  die  Werke  von  Courvoisier 
und  Langenbuch;  in  meinem  Buche  ist  kein  Kaum,  sich  mit 
der  Geschichte  der  Gallensteinchirurgie  eingehend  zu  befassen, 
ich  werde  nur  bei  den  einzelnen  Operationen  einige  historische 
Daten  wiedergeben. 

1.  Die  Operationen  an  der  Gallenblase. 

Mein  Buch  ist  betitelt:  „Die  in  meiner  Klinik  geübte 
Technik  der  Gallensteinoperationen."  Es  muss  deshalb  den 
Leser  befremden,  dass  ich  in  den  folgenden  Kapiteln  zwei  Ope- 
rationen bespreche,  die  ich  nicht  übe;  ich  meine  die  Punktion 
der  Gallenblase  durch  die  Bauchwand  hindurch  und  die 
ideale  Operation  (die  Cystendyse).    Ich  hätte  allerdings  diese 


—     172     — 

beiden  Operationen  weglassen  können ,  da  sie  einfach  nichts 
wert  sind,  aber  ich  will  sie  doch  anführen,  erstens  der  Voll- 
ständigkeit halber,  zweitens,  weil  ich  es  für  angebracht  halte, 
Kritik  an  diesen  Methoden  zu  üben,  und  drittens,  weil  es 
immer  noch  Ärzte  gibt,  die  es  sich  nicht  versagen  können,  die 
Punktion  der  geschwollenen  Gallenblase  vorzunehmen.  Wenn 
auch  ein  erfahrener  Chirurg,  der  die  Gefahren  der  Punktion 
kennt,  kaum  noch  die  Punktionsnadel  in  die  Gallenblase  hinein- 
stösst,  so  ist  dagegen  die  Cystendyse  noch  nicht  völlig  aus  der 
Gallenblasenchirurgie  verbannt.  Vielleicht  gelingt  es  meinen  Be- 
mühungen, dieser  „jammervollen"  Methode  den  Todesstoss  zugeben 
und  sie  endgültig  in  die  chirurgische  Rumpelkammer  der  histo- 
rischen Operationen  zu  werfen,  in  der  sie  neben  so  vielen  schlech- 
ten Methoden  für  immer  liegen  bleiben  kann.  Ich  bespreche  zuerst 
a)  Die  Punktion  der  Gallenblase. 

Diese  häufig  zu  diagnostischen,  selten  zu  kurativen  Zwecken 
vorgenommene  kleine  Operation  wird  entweder  mit  feiner  Nadel 
oder  dünnem  Troicart  ausgeführt.  Dass  der  Arzt  bei  dieser 
Prozedur  streng  aseptisch  verfährt,  d.  h.  die  Nadel  auskocht 
und  seine  Hände  und  die  Bauchhaut  gehörig  desinfiziert,  ver- 
steht sich  von  selbst.  Aber  trotz  aller  Asepsis  haften  der 
Punktion  so  grosse  Gefahren  an,  dass  ich  eindringlich  vor  der- 
selben warnen  muss. 

Die  Gallenblase  steht  oft  unter  hohem  Druck,  enthält  in- 
fektiöses Sekret,  so  dass,  wenn  wirklich  die  Nadel  das  Hohl- 
organ trifi't,  gl»3ich  beim  Herausziehen  flüssiger  Inhalt  leicht  aus 
der  Punktionsstelle  nachsickern  kann,  wodurch  der  Patient  in 
grosse  Lebensgefahr  gebracht  wird.  Der  pralle  Tumor  der 
empyeraatösen  Gallenblase ,  der  oft  die  Grösse  eines  Kinds- 
kopfes erreicht,  mag  manchen  Arzt  verlocken ,  die  *  Punktions- 
nadel in  die  Hand  zu  nehmen,  um  den  ungläubigen  Angehörigen 
durch  Vorzeigung  von  Eiter  die  Notwendigkeit  der  Operation 
zu  beweisen.  Aber  ehe  der  Eingriff  stattfinden  konnte ,  hatte 
eine  rasch  eintretende  Peritonitis  die  Vorbereitung  zur  Operation 
und  den  Transport  in  eine  Klinik  unnötig  gemacht. 

Hat  sich  in  den  Bauchdecken  über  der  Gallenblasengegend 
ein  deutlicher  Abszess  ausgebildet,  der  fluktuiert,  so  wird 
man  gegen  die  Punktion  nichts  einwenden ,  wenn  es  darauf 
ankommt,  dem  Patienten,  der  sich  nicht  zur  Operation  ent- 
schliessen    kann,    durch    Vorzeigen   der   mit  Eiter  angefüllten 


—     173     — 

Spritze  die  Notwendigkeit  der  Operation  klar  zu  machen. 
Ebenso  ist  es  nach  gemachter  Bauchwandinzision  bei  einer 
Gallenblase,  die  mit  dem  Peritoneum  parietale  verwachsen  ist, 
oft  von  Vorteil,  eine  Stelle  aufzusuchen,  an  welcher  die  Er- 
öffnung der  Gallenblase  erfolgen  kann.  Einstiche  unter  genauer 
Kontrolle  des  Auges,  nicht  zu  tief  geführt,  werden  in  solchen 
Fällen  niemals  schaden.     (Nr,  55.) 

Wenn  ich  schon  von  der  Punktion  einer  palpablen  grösseren 
Gallenblase  gänzlich  abraten  muss,  so  brauche  ich  kaum  darauf 
hinzuweisen,  dass  ich  Harley's  Prozedur  mit  einer  spitzen 
Nadel,  die  er  durch  die  Bauchwand  durchstiess,  um  nach  Steinen 
zu  suchen,  geradezu  verdammen  muss.  Der  Autor  nennt  dieses 
Verfahren  „easy  and  safe"  (leicht  und  gefahrlos);  es  ist  mehr 
leichtsinnig  wie  leicht  und  dabei  höchst  gefahrvoll,  denn 
Harley's  Patient  starb,  wie  Courvoisier  angibt,  24  Stunden 
danach  an  Peritonitis. 

b)  Die  Cyste ndyse  (ideale  Operation)  und  ihre 
Modifikationen. 

Es  sind  gerade  20  Jahre  verflossen,  seit  diese  Operation 
zum  erstenmale  (Meredith)  ausgeführt  wurde.  Damals  war  die 
Operation  kein  Fehler,  im  Gegenteil  eine  grosse  Tat.  Heute, 
nachdem  wir  durch  unsere  Autopsien  in  vivo  ganz  genau  die 
pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis  studieren  und  erlernen 
konnten,  möchte  ich  die  Operation,  wenn  sie  wegen  Choleli- 
thiasis vorgenommen  wird,  geradezu  als  einen  Kunstfehler  hin- 
stellen. Ist  dieses  Urteil  nicht  allzu  hart?  Ich  werde  Ge- 
legenheit haben  in  einem  späteren  Kapitel,  in  dem  ich  von  der 
Wahl  der  Operationsmethoden  sprechen  will,  die  Gründe  an- 
zugeben ,  warum  man  keine  Cystendyse  mehr  machen  darf;  in 
diesem  Kapitel  interessiert  uns  vorerst  nur  die  Technik,  deren 
Einfachheit  vielleicht  gerade  daran  Schuld  war,  dass  sich  diese 
Operationsmethode  in  die  Chirurgie  einbürgern  konnte. 

Bei  der  Cystendyse  (^vouw,  ich  versenke)  wird  die  geöffnete 
und  entleerte  Gallenblase  wieder  vernäht  und  versenkt.  (Nr.  1  u.  2.) 
Man  hat  diese  Operation  auch  die  ideale  genannt,  und  in  der  Tat  ver- 
dient sie  diese  Bezeichnung,  denn  für  die  Praxis  ist  sie  nichts  wert. 

Bei  der  Cystendyse  eröffnet  man  wie  bei  der  Cystostomie 
die  Gallenblase  am  Fundus,  nachdem  man  den  flüssigen  Inhalt 
durch  Aspiration  möglichst  entleert  hat,  extrahiert  die  Steine 
mit  Zangen  oder  Löffeln,  reinigt  die  Höhle  und  näht  die  Gallen- 


174     — 


blaseninzision  wieder  zu.  Dabei  nimmt  man  Bedacht,  dass  die 
Fäden  nur  die  Serosa  und  Muscularis  und  nicht  die  Mucosa 
durchdringen,  damit  keine  Inkrustation  derselben  stattfinden  kann. 
Die  Naht  ist  ein-  oder  zweireihig,  jedenfalls  dicht  anzulegen. 
Ganz  kühne  (?)  Chirurgen  —  man  müsste  richtiger  sagen:  un- 
vorsichtige Chirurgen  —  versenkten  dann  die  Gallenblase  und 
vernähten  die  Bauchwunde  völlig.  (Fig.  81.)  Vorsichtigere  Leute 
brachten  die  Gallenblasennaht  extraperitoneal,  d.  h.  sie  nähten  den 
Gallenblasenfundus  rings  an  das  Peritoneum  parietale,  und  legten 
einen  Tampon  auf  die  Naht  (Fig.  32),  damit  bei  einem  etwaigen 


Fig.  31 


Fig.  32. 


Schema  für  Cystendyse  ohne  Tarn-  Schema  fUr  Cystopexie. 

ponade  mit  völligem  Verschluss  der 
Bauchhöhle. 

Autbruch  der  Naht  der  Gallenblaseninhalt  sich  nach  aussen  ent- 
leeren konnte.  Diese  extraperitoneale  ideale  Methode  (Parkes, 
Carmalt  1886)  haben  Czerny  und  Kümmell*)  öfters  ge- 
übt, ich  glaube  aber  kaum,  dass  sie  die  Operation  (Cystopexie) 
jetzt  noch  häufiger  anwenden. 

Lässt  sich  die  Gallenblase,  weil  sie  hoch  liegt  oder  ge- 
schrumpft ist,  nicht  ohne  Zerrungan  das  Peritoneum  parietale  heran- 
bringen und  hier  einnähen,  so  führt  man  auf  die  Gallenblasennaht 
in  die  Tiefe  einen  oder  mehrere  tamponierende  Gazestreifen  und 
sichert  so  die  Peritonealhöhle  vor  einem  Einfliessen  von  Gallen- 
blaseninhalt. (Fig.  33.)  Schon  nach  24 — 48  Stunden  stellen  sich  Ver- 

•)  Deutsche  med.  Wochenschrift  1897,  Nr.  35—37. 


175     — 


Fig.  33. 


klebungen  ein,  die  den  Operierten  vor  dem  grössten  Unglück,  das 
eintreten  kann,  der  Peritonitis,  schützen.  Wer  die  pathologische 
Anatomie  der  Cholelithiasis  kennt,  wer  weiss,  wie  absolut  un- 
sicher wir  bei  einfacher  Eröffnung  der  Gallenblase  in  der  Ent- 
fernung der  Steine  aus  dieser  und  aus  dem  Ductus  cysticus 
sind,  der  kann  und  darf 
die  Cystendyse  nicht 
gutheissen  und  aus- 
führen. Ich  will  hier 
auf  eine  nähere  Kritik 

dieser  Üperations- 
methode  nicht  weiter 
eingehen  und  verspare 
mir  das  auf  ein  späteres 
Kapitel,  aber  man  kann 
gar  nicht  genug  vor 
dieser  Operation  war- 
nen, die,  in  jeder  Be- 
ziehung unrationell, 
heutzutage  gar  nicht 
mehr  verdient,  erwähnt 

zu    werden.       Die    bei-  Schema  fUr  cystendyse  mit  Tamponade. 

gefügten  schematischen  Zeichnungen,  welche  die  ideale  Operation 
und  ihre  Modifikationen  erklären,  ersparen  mir  über  diese  Ope- 
rationsmethode weitere  Worte. 

Ich  erwähne  der  Vollständigkeit  halber  noch  einige  Methoden 
des  Gallenblasenschnitts,  doch  bemerke  ich  gleich  jetzt,  dass 
keine  derselben  in  meiner  Klinik  zur  Anwendung  kommt. 

Ein  umständliches  Verfahren  gibt  Bloch*)  an,  im  Be- 
streben, die  ideale  Methode  zu  vervollkommnen,  um  die  dabei 
bestehende  Gefahr  des  Aufgehens  der  Gallenblasennaht  zu 
vermeiden  und  der  Bildung  von  Verwachsungen,  wie  sie  bei 
der  zweizeitigen  Operation  angestrebt"  werden^  und  deren  event. 
Folgen  aus  dem  Wege  zu  gehen.  Bloch  ging  folgender- 
massen  vor:  Nach  Eröffnung  des  Bauches  in  der  Median- 
linie wurden  Verwachsungen  zwischen  Gallenblase  und  Netz 
resp.    Colon    gelöst.      Die    grosse     steingefüllte     Gallenblase 


•)  Oskar  Bloch,  Cholecystostomie  extra -abdominale  (extra- 
cntan^e).  Revue  de  Chirurgie.  Bd.  15,  p.  147,  1895,  referiert  von  Fleisch- 
haue r  im  Jahresbericht  für  Chirurgie  1895  von  Hildebrand. 


—     176     — 


zog  Bloch  aus  der  Bauchhöhle  hervor,  fixierte  sie  an  der 
Haut  und  schloss  um  sie  herum  die  Bauchwunde.  Drei  Tage 
später  wurde  die  Gallenblase  eröffnet,  die  Steine  entleert  und 
die  Bauchwunde  vernäht.  9  Tage  später  löste  der  Operateur 
nach  vorheriger  Desinfektion  die  Verwachsungen  zwischen  Blase 
und  Peritoneum  parietale,  reponierte  die  Blase  in  die  Bauch- 
höhle und  vernähte  die  Bauchhöhle.  Mit  dieser  Operation  hat 
grosse  Ähnlichkeit  eine  bereits  1890  von  Wolf  1er*)  und 
Senger**)  angegebene  Modifikation  der  Cystendyse. 

Ich  glaube  nicht,  dass  sich  die  Erfinder  noch  heute 
ihrer  Methoden  bedienen.  Sie  haben  den  Nachteil,  dass  man 
niemals  sicher  ist,  dass  alle  Steine  entfernt  sind.  Was  man 
in  einer  Sitzung  erreichen  kann,  soll  man  nicht  auf  drei 
Operationen  verteilen.  Nicht  viele  Patienten  würden  sich  zu 
solchen  Wiederholungen  verstehen ! 

c)  Die  zweizeitige  Cystostomie. 
Die  zweizeitige  Cystostomie  (Blodgett  und  Kocher  1878, 
König  1882)  ist  die  einfachste  uifd  leichteste  Operation  an  der 
Gallenblase.  (Nr.  3 — 5.)  Sie  stellt  eigentlich  nichts  weiter  vor  als 

eine  Probeincision 
mit  Herstellung  sol- 
cher Verhältnisse, 
dass  es  möglich  ist, 
in  8—14—21  Tagen 
die  freigelegte  Gal- 
lenblase zu  eröffnen. 
Früher  hat  man, 
wie  man  den  Leber- 
echinococcus  zwei- 
zeitig operierte, 
auch  grosse,  leicht 
einnähbare  Gallen- 
blasen der  zwei- 
zeitigen Cystostomie 
unterworfen ;  heut- 
zutage wird  kein 
Chirurg  mehr  —  wer  es  tut,  ist  eben  kein  Chirurg  1  — 
eine  grosse   mit  dem  Fundus   bis  an   das  Peritoneum  parietale 

*)  Wölfl'er,  Wiüner  klin.  Wochenschr.  1890.    Nr.  20  u.  21. 
**)  Senger,  Berliner  klin.  Wochenschr.  1890.  Nr.  22. 


Fig.  34. 


Schema  für  zweizeitige  Cystotsomie.    I.  Akt. 
(Bei  »erfolgt  im  II.  Akt  die  Incision  der  Gallenblase.) 


—      177     — 

reichende  Gallenblase  der  feigen  Methode  zweizeitiger  Cystostomie 
unterwerfen.  Für  solche  Fälle  ist  die  zweizeitige  Operation,  die 
vor  20  Jahren  bei  der  mangelnden  Ausbildung  der  Antiseptik 
gewiss  ihre  Berechtigung  hatte,  heute  geradezu  ein  Kunstfehler. 
Der  Schnitt  zur  zweizeitigen  Operation  kann  entsprechend 
dem  Zweck,  den  wir  bei  der  Operation  im  Auge  haben,  recht 
klein  sein,  so  klein,  dass  wir  gerade  den  Fundus  der  Gallenblase 
freilegen  und  einen  Tampon  bis  auf  die  Kuppe  der  Gallenblase 
leiten  können.  Mehr  wie  6—8  cm.  lang  braucht  der  Muse.  rect. 
abd.  im  äusseren  Drittel  nicht  inzidiert  zu  werden.  Die  Fasern  des 
Muse.  rect.  abd.  werden  stumpf  getrennt,  nur  die  spritzenden 
Gefässe  werden  ligiert,  und  man  sieht  auch  hier  zu,  dass  man 
die  Nerven  in  den  Inscript.  tend.  nach  Möglichkeit  schont.  Ist 
die  hintere  Muskelscheide  samt  dem  Peritoneum  in  einer  Aus- 
dehnung von  4  cm.  geöffnet,  dann  schiebt  man  etwa  hervor- 
quellendes Netz  und  Darm  bei  Seite  und  sucht  die  Gallenblase  auf. 
Ich  widerrate,  irgendwelche  Fäden  zwischen  Peritoneum  pariet. 
und  Gallenblase  anzulegen,  da  man  nie  wissen  kann,  wie  dick 
resp.  wie  dünn  die  Gallenblasenwand  ist,  und  ob  nicht  beim 
Anstechen  die  Nadel  zu  tief  dringt  und  das  Hohlorgan  eröffnet. 
Ebenso  ist  der  Kiedel'sche  schwarze  Faden  am  Fundus  der 
Gallenblase,  wo  man  die  spätere  Incision  vornimmt,  überflüssig; 
auch  bei  seiner  Anlegung  kann  man  die  Gallenblase  eröffnen, 
und  legt  man  ihn  zu  oberflächlich  an,  so  kann  man  sicher  sein, 
dass  er  beim  Verbandwechsel  nach  8  oder  14  Tagen  sich  bereits 
abgestossen  hat  und  den  erhofften  Zweck  nicht  mehr  erfüllt.  Ich 
für  meine  Person  verzichte  überhaupt  soviel  wie  möglich  auf 
zweizeitige  Cystostomien ;  wenn  ich  sie  ausführe,  so  fixiere 
ich  die  Gallenblase  aus  obigen  Gründen  nicht  durch  Fäden,  ich 
wende  aber  eine  reichliche  Tamponade  an,  damit  ich  die  Gallen- 
blase wieder  finde.  Wenn  es  möglich  ist,  so  möchte  ich  einzig  und 
allein  die  Fixation  des  genau  über  der  Gallenblase  liegenden 
Leberrandes  erlauben.  Mit  2  mittelstarken  Fäden,  denen  Draht 
untergelegt  wird,  wird  die  Leber  am  Perit.  pariet.  und  der  tiefen 
Fascie  fixiert  (über  den  Zweck  des  untergelegten  Drahtes  siehe 
weiter  unten);  dann  lege  ich  3  Tampons  um  die  Gallenblase,  einen 
lateral,  einen  medial,  einen  unterhalb  der  Gallenblase  und 
schiebe  diese  Tampons  ungefähr  bis  zur  Mitte  der  Gallenblase 
vor.  In  die  Mitte  dieser  Tampons,  also  genau  auf  den  Fundus 
der  Gallenblase,  kommt  ein  vierter  Tampon,  den  ich  beim  Ver- 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.    I.  12 


—     178     — 

bandwechsel  nach  12 — 14  Tagen  zuerst  entferne.  In  derselben 
Vertikallinie,  in  welcher  die  Leber  angenäht  ist,  muss  ich  auf 
die  Gallenblase  stossen,  und  genau  über  dem  unterhalb  der 
Gallenblase  eingelegten  Tampon  liegt  ihr  Fundus.  Die  Tamponade 
sei  ja  nicht  zu  gering,  man  soll  sich  den  Zugang  zur  Gallenblase 
nicht  noch  mehr  erschweren,  als  das  bei  der  zweizeitigen  Methode 
schon  an  und  für  sich  der  Fall  ist. 

An  der  äusseren  Wunde  ist  nach  der  zweizeitigen  Ope- 
ration nicht  viel  zu  nähen.  Der  Spalt  im  Peritoneum  ist  völlig 
von  Tampons  ausgefüllt ,  an  dem  Schnitt  im  Rectus  ist  auch 
weiter  nichts  zu  tun,  höchstens  kann  man  durch  ein  paar  Haut- 
nähte die  äussere  Wunde  verkleinern.  Patient  erhält  einen  Gaze- 
Watte  verband ,  kommt  zu  Bett  und  wird  die  nächsten  Tage 
wie  jeder  Laparotomierte  behandelt.  Meistenteils  tritt  über- 
haupt keine  Reaktion  ein,  wenn  nicht  der  Inhalt  in  der  Gallen- 
blase besondere  Veränderungen  eingeht.  Am  Peritoneum  selbst 
macht  sich  kaum  je  eine  Reaktion  bemerkbar. 

Nicht  zu  früh,  am  12.  oder  14.  Tage,  entfernt  man  zuerst 
den  mittleren  Tampon,  event.  unter  reichlichem  Spülen  mit 
40°  C.  warmer  Kochsalzlösung.  Mit  einer  feinen  langen  Hohlnadel 
sticht  man  die  Gallenblase  an ,  ehe  man  mit  spitzem  Messer 
oder  dem  Paquelin  die  eigentliche  Eröffnung  vornimmt.  Man 
kann  die  drei  abschliessenden  Tampons  event.  noch  einige  Tage 
liegen  lassen,  oder  auch,  wenn  sie  locker  sind  und  etwas  riechen, 
entfernen.  War  der  Cysticus  offen,  so  fliesst  Galle,  war  er 
verschlossen,  Schleim  oder  Eiter.  Mit  K^ornzange,  Löffeln  und 
durch  Spülung  mit  Kochsalzlösung  unter  leichtem  Druck  be- 
fördert man  die  Steine  heraus,  sondiert,  ob  noch  weitere  Steine 
vorhanden  sind,  legt  ein  Rohr  oder  etwas  Gaze  in  die  Gallenblase 
und  lässt  die  äussere  Wunde  so  weit  klaffen,  dass  man  noch  nach 
Wochen  einen  guten  Zugang  zur  Gallenblase  hat.  Ein  neuer  dicker 
Verband  —  Mooskissen  oder  Zellstoffwatte  —  folgt.  Pat.  kann  event. 
aufstehen  und  zur  ambulatorischen  Behandlung  entlassen  werden. 

Sowohl  die  primäre  zweizeitige  Operation  als  auch  den 
ersten  Verbandwechsel,  d.  h.  die  Eröffnung  der  Gallenblase,  kann 
man  ohne  allgemeine  Narkose  ausführen.  Die  Seh  le  ich 'sehe 
Anästhesie  genügt  bei  kouragierten  Kranken  völlig,  für  sensible 
Naturen  empfehle  ich.  wenigstens  für  die  Bauchdeckenincision^ 
die  Narkose,  allenfalls  den  Ätherrausch.  Ich  ziehe  die  Sauer- 
stoff-Chloroformnarkose vor. 


—     179     — 

Die  zweizeitige  Operation  verdankt  ihre  Entstehung  der  Furcht, 
dass  bei  sofortiger  Eröffnung  der  Gallenblase  infektiöses  Material 
in  die  Bauchhöhle  einfliessen  und  Peritonitis  verursachen  kann. 

In  den  Fällen,  wo  wir  diese  Gefahr  verhüten  können,  ist 
die  zweizeitige  Operation  absolut  unnötig,  —  also  bei  grosser, 
leicht  zugänglicher  Gallenblase,  die  sich  sogar  extraperitoneal 
punktieren  und  entleeren  lässt. 

Nur  bei  Gallenblasen,  deren  Scheitel  nicht  bis  an  das  Perit. 
parietale  gebracht  werden  kann,  bei  kleiner,  geschrumpfter 
Gallenblase,  die  hoch  unter  der  Leber  liegt,  wäre  das  Ver- 
fahren gerechtfertigt.  Aber  auch  in  diesem  Falle  können  wir 
die  Gallenblase  so  entleeren,  dass  die  übrige  Peritonealhöhle  ge- 
schützt wird,  und  wir  können  hinterher  durch  das  Schlauchver- 
fahren eine  spätere  Infektion  der  Peritonealhöhle,  wenn  auch 
nicht  in  allen,  so  doch  in  den  meisten  Fällen  vermeiden. 

Bei  geschrumpfter  Gallenblase  konkurrieren  drei  Methoden : 
die  zweizeitige  Cystostomie^  die  Ectomie  und  das  Schlauchver- 
fahren. Ist  eine  Ectomie  möglich,  so  ist  diese  Methode  die  beste, 
dann  folgt  an  zweiter  Stelle  das  Schlauchverfahren,  erst  in 
letzter  Linie  steht  die  zweizeitige  Operation. 

Aber  oft  war  die  Narkose  —  wenigstens  war  dies  früher  bei 
reiner  Chloroformnarkose  oft  der  Fall  —  so  schlecht,  dass  wir 
bei  dem  fortwährenden  Pressen  und  Würgen  des  Patienten 
keinen  Schritt  vorwärts  kommen  und  weder  die  Gallenblase 
exstirpieren  noch  eröffnen  konnten.  Für  solche  Fälle  empfehle 
ich  die  zweizeitige  Operation ;  die  Indikation  liegt  also  mehr 
in  einer  mangelhaften  Narkose,  als  in  der  schweren  Erreich- 
barkeit des  Organs.  Seitdem  wir  die  Sauerstoff-Chloroform- 
Narkose  (seit  Fall  792)  eingeführt  haben,  waren  alle  unsere 
Narkosen  so  gut,  dass  wir  keine  zweizeitigen  Operationen  mehr 
vorzunehmen  brauchten. 

Riedel  empfiehlt  die  zweizeitige  Operation  jedem  An- 
fänger, besonders  dem  Autodidakten,  der  nichts  gesehen  hat. 
Ich  möchte  solchen  Ärzten,  wie  ich  bereits  bei  den  Vorberei- 
tungen zur  Operation  auseinandersetzte,  empfehlen,  über- 
haupt nicht  zu  operieren.  Was  wird  schliesslich  erreicht? 
Glatte  Heilung  bei  offenem  Cysticus  —  in  diesen  Fällen  ist  eine 
Operation  gewöhnlich  contraindiziert  — ,  Schleim-  oder  Eiter- 
fisteln beim  Cysticusstein.  Der  betreffende  Arzt  blamiert  sich,  er 
bekommt  den  Stein  nicht  heraus,  ein  erfahrener  Chirurg  wird  ge- 

12* 


—     180     — 

holt,  dieser  bessert  den  Schaden  aus,  und  der  ganze  Zorn  der  Ange- 
hörigen und  des  Patienten  wird  über  den  ersten  Arzt  ausgegossen. 

Wenn  ich  den  Anfängern  einen  wohlgemeinten  Rat  geben 
soll,  so  ist  es  dieser:  Nehmt  Euch  Zeit,  einmal  6  Wochen 
in  eine  Klinik,  in  welcher  die  Gallensteinchirurgie  als  Speziali- 
tät getrieben  wird,  zu  gehen  und  die  Gallensteinchirurgie  zu 
studieren  1  Der  Anfänger  wird  einen  Schrecken  bekommen 
über  die  Schwierigkeiten  der  meisten  Gallensteinoperationen 
und  wird,  wenn  er  klug  ist,  die  Hand  davon  lassen.  Der  sonst 
chirurgisch  gebildete  Arzt  wird  sich  sagen:  In  den  6  Wochen 
habe  ich  noch  zu  wenig  gesehen,  ich  will  noch  6  Wochen 
anwenden,  ehe  ich  einen  Gallensteinkranken  der  Gefahr  der 
Operation  aussetze.  Manche  werden  ohne  viel  Überlegung 
darauf  losschneiden,  manche  werden  Alles  erst  genau  erwägen, 
—  die  Naturen  sind  eben  verschieden,  und  die  guten  Erfolge 
hat  nicht  immer  der  vorsichtige  Arzt,  oft  fallen  sie  dem  wag- 
lustigen Chirurgen  leichter  zu  wie  dem,  der  „allzu  viel  bedenkt." 

Die  Vorteile  der  zweizeitigen  Operation  —  die  sichere 
Bewahrung  der  Peritonealhöhle  vor  der  Infektion  —  werden  durch 
die  zahlreichen  Nachteile  vielfach  aufgewogen.  Wir  können 
uns  nicht  über  die  Verhältnisse  am  Cysticus  und  Choledochus 
orientieren;  die  spätere  Entfernung  des  Steins  im  Gallenblasen- 
hals und  Cysticus  macht  die  grössten  Schwierigeiten,  ja  ist 
oft  ganz  unmöglich  und  erfordert  schliesslich  ganz  besonders 
schwierige  Eingriffe. 

Diese  Unvollkommenheit  der  zweizeitigen  Operationsmethode 
hat  mitEecht  diese  von  Riedel  so  gepriesene  Operation  in  Miss- 
kredit gebracht,  und  wir  haben  allen  Grund,  dieselbe  auf  die 
allernotwendigsten  Fälle  einzuschränken. 

Für  mich  hat  wie  gesagt  in .  den  letzten  Jahren  nur  noch 
eine  Indikation  zur  zweizeitigen  Operation  bestanden:  das  war 
die  schlechte  Narkose.  Wenn  ein  Patient  nach  Eröffnung  der 
Bauchhöhle  fortwährend  presst  und  würgt  uud  bei  jeder  Manipu- 
lation am  Peritoneum  parietale  blau  wird,  dann  kann  man  nicht 
weiter  operieren.  Man  legt  Tampons  um  und  auf  die  Gallenblase 
und  verschiebt  die  Eröffnung  der  Gallenblase  auf  eine  spätere  Zeit. 
d)  Die   einzeitige   Cystostomie. 

Bei  der  einzeitigen  Cystostomie  (Bobs  1867,  Sims  1878) 
erfolgt  die  Freilegung  der  Gallenblase  und  ihre  Entleerungsofort; 
das  Organ  wird  nicht  geschlossen,  sondern  ein  Gallenblasenmund 


—     181     — 

(Stoma)  hergestellt,  der  die  Galle  nach  aussen  ableitet  und 
wochenlang  eine  Nachbehandlung  des  Gallenblaseninneren  ge- 
staltet. Die  Einzelheiten  des  Verfahrens  sind  verschieden,  je 
nachdem  die  Gallenblase  übergross,  gross  oder  klein  ist,  der 
Inhalt  aus  Galle,  Serum  oder  Eiter  besteht,  und  der  Ductus 
cysticus  durch  einen  Stein  verschlossen  ist  oder  nicht. 

Nehmen  wir  den  Fall  an,  dass  wir  es  mit  einer  grossen 
Gallenblase  zu  tun  haben ,  deren  Cysticus  resp.  Hals  frei  ist 
und  deren  Inhalt  aus  Steinen  und  Galle  besteht,  während 
Verwachsungen  fehlen. 

Die  Operation  wird  dann  folgendermassen  verlaufen: 

Über  die  Schnittführung  durch  die  Bauchwand  habe  ich 
bereits  im  allgemeinen  Teil  auf  p.  64  die  notwendigen  Angaben 
gemacht.  Ich  möchte  nur  wiederholen,  dass  ich  auch  für  die 
leichteren  Fälle  den  Wellenschnitt  empfehle,  da  man  vorher  nie- 
mals wissen  kann,  ob  es  nicht  doch  statt  der  geplanten  Cys- 
tostomie  zu  einer  Ectomie  kommen  wird. 

Ist  die  Bauchhöhle  eröffnet,  so  wird  die  Gallenblase  mit 
mehreren  genähten  Tupfern  so  umstopft,  dass  nur  ihr  Fundus 
hervorschaut;  sowohl  die  Bauchhöhle  ist  völlig  abgeschlossen, 
als  auch  die  äussere  Wunde  überall  von  Kompressen  bedeckt. 
Der  Operateur  fasst  nun  mit  einer  Hakenpinzette,  die  er  in  der 
linken  Hand  hält,  die  Gallenblase  am  Fundus,  ebenso  der  Assistent. 
Ist  die  Gallenblase  sehr  prall  gefüllt,  so  ist  das  unmöglich, 
man  verzichtet  auf  die  Benutzung  der  Instrumente  und  fixiert 
die  Gallenblase  mit  dem  Zeigefinger  und  Daumen  der  linken 
Hand,  damit  sie  beim  Einstechen  nicht  entweicht.  Eine  dicke 
mit  einem  Schlauch  versehene  Nadel  wird  in  die  Höhle  der 
Gallenblase  eingestochen,  die  Instrumentenreicherin  setzt  den 
Dieulafoy  an  und  zieht  den  Gallenblaseninhalt  heraus.  Der 
Wärter  hält  unter  die  Spritze  eine  ausgekochte  Schale,  in  welche 
der  aufgefangene  Inhalt  unter  langsamen  Druck  entleert  wird. 
Ist  die  Gallenblase  sehr  gross  und  sehr  prall  gefüllt,  so  kann 
man  auch  direkt  unter  den  Fundus  eine  kleine  Schale  z.  B.  eine 
ausgekochte  Untertasse  halten,  den  Fundus  der  Gallenblase  an- 
stechen und  so  ihren  Inhalt  entleeren.  Aber  die  Aspiration 
entfernt  sicherer  den  ganzen  Inhalt  der  Gallenblase.  In  einzelnen 
Fällen  ist  der  Gallenblaseninhalt  so  zähe  und  dick  (Nr.  S8),  dass 
eine  Aspiration  nichts  herausbefördert.  Ich  empfehle  dann  die 
Ectomie,  oder  man  muss  den  G^llenblaseninhalt  durch  Incision 


—     182     — 

entfernen.  Besonders  bei  schlaffen  Bauchdecken,  bei  Hepato- 
ptose  kann  man  die  Leber  samt  der  Gallenblase  extraperitoneal 
lagern,  durch  Incision  die  Gallenblase  direkt  entleeren  und 
den  Inhalt  in  eine  ausgekochte  Schale  auslaufen  lassen. 
Doch  kann  es  dabei  durch  plötzliche,  unvorhergesehene  Be- 
wegungen des  Kranken  passieren,  dass  doch  etwas  danebenläuft, 
so  dass  ich  dem  Arzte,  der  Vorsicht  über  alles  stellt,  die 
Aspirationsmetbode  als  die  sicherste  empfehlen  möchte.  Fällt 
die  Gallenblase  nach  erfolgter  Aspiration  zusammen,  so  kann 
man  sie  inzidieren,  etwa  1  cm.  lang.  Vorher  ist  es  zweck- 
mässig, mit  dem  Zeige-  und  Mittelfinger  der  linken  Hand  an 
der  medialen  Fläche  der  Gallenblase  in  die  Tiefe  bis  an  den 
Cysticus-  zu  gehen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  wirklich  die 
Gallenblase  völlig  entleert  ist.  Bei  Divertikelbildung  bleiben 
diese  Ausbuchtungen  oft  noch  gefüllt,  und  streicht  man  sie  fun- 
duswärts  aus,  so  fliesst  immer  noch  eine  oft  recht  bedeutende 
Menge  Flüssigkeit  durch  die  Nadel  ab.  Die  Inzisionsränder  der 
Gallenblase  werden  mit  2  Roser-  oder  2  P(?an-  oder  2  König- 
klemmen gefasst;  schliessen,  wie  das  häutig  der  Fall  ist,  diese 
Instrumente  nicht  gut,  so  ist  ein  Durchstechen  eines  Fadens  auf 
jeder  Seite  zu  empfehlen.  Man  schafft  sich  so  zwei  Haltezügel, 
die  uns  im  weiteren  Verlauf  der  Operation  gute  Dienste  leisten ! 
Nun  blickt  man  in  die  Gallenblase  hinein,  der  Finger  hat  aber 
in  dem  Organ  nichts  zu  suchen.  Sieht  man  noch  Flüssigkeit,  so 
wird  diese  mit  der  „Gallenpinzette",  (die  nur  für  diesen  Zweck 
gebraucht,  danach  sofort  in  eine  mit  3  °/o  Carbolsäurelösung  ge- 
füllte ausgekochte  Schüssel  geworfen  wird)  durch  feine  Gaze- 
streifen entfernt.  Man  achte  darauf,  dass  kein  Tropfen  daneben 
fliesst.  Sieht  man  Steine,  so  werden  sie  mit  Kornzange  oder 
Löffeln  entfernt.  Auch  diese  Instrumente  werden  als  infiziert  be- 
trachtet und  nur  im  Innern  der  Gallenblase  benutzt.  Für  die 
spätere  Tamponade  gebraucht  man  eine  besondere  Kornzange.  So 
räumt  man  allmählich  die  Gallenblase  aus,  bis  sie  anscheinend 
leer  ist  und  führt  in  sie  einen  Streifen  Gaze,  der  so  tief  wie 
möglich  bis  zum  Hals  der  Gallenblase  vorgeschoben  wird.  Es 
ist  zweckmässig,  diesen  Streifen  mit  einem  Faden  zu  versehen 
oder  etwas  aus  der  Gallenblase  heraushängen  zu  lassen,  da  es  bei 
grossen  Gallenblasen  nicht  immer  leicht  ist,  ihn  später  zu  entfernen. 
Eine  kleine  Ruhepause  benutzt  der  Operateur,  um  sich  frisch 
mit  Alkohol  und  Kochsalzlösung    zu  waschen.     Dann  revidiert 


—     183 


Fig.  35. 


er  den  Hals  der  Gallenblase  und  den  Cysticus.  Zu  diesem 
Zweck  drängt  der  Assistent  mit  leichtem  Druck  Pylorus  und 
Duodenum,  Netz  etc.  medial  und  abwärts,  während  der  Operateur 
die  Gallenblase  sanft  anhebt  und  die  Leber  nach  rechts  oben  schiebt. 
Ein  geübter  Chirurg  wird  bald  klar  sein,  ob  alle  Steine  aus  dem 
Cysticus  und  Hals  der  Gallenblase  entfernt  sind.  Zu  gleicher 
Zeit  benutzt  er  die  Gelegenheit,  um  den  Choledochus  und  das 
Pankreas  abzutasten;  er  zieht  den  Pylorus  und  den  Magen 
etwas  vor  und  überzeugt  sich  auch  von  ihrem  Gesundsein.  Die  in 
der  Gallenblase  befindliche  Gaze  wird  entfernt,  wobei  man 
darauf  achtet,  ob  frische  Galle  geflossen  ist;  eine  eingeführte 
dicke  Sonde  stellt  fest,  dass  weitere  Steine  nicht  mehr  vor- 
handen sind.  Dann 
wird  ein  langes  unge- 
fenstertes  Gummirohr 
von  0,5  cm.  Durchmes- 
ser eingeführt,  nicht 
zu  tief,  damit  es  sich 
nicht  abknickt,  auch 
nicht  zu  oberflächlich, 
damit  es  sich  nicht 
herausschiebt,  und  die- 
ses sofort  wasserdicht 
in  die  Gallenblase  ein- 
genäht. 2  Suturen  an 
jeder    Seite,    die    nur 

durch  Serosa  und  Mus-  Schema  fUr  voUständige  Cystostomie. 

cularis  (nicht  durch  die  Schleimhaut  der  Gallenblase)  hin- 
durchgehen, genügen,  um  den  wasserdichten  Verschluss  zu  er- 
zielen. Unter  jeden  Seidenfaden  kommt,  ehe  er  geknotet  wird, 
ein  30  cm.  langer  Aluminium -Broncedraht.  Dieser  hat  den 
Zweck,  die  spätere  Entfernung  der  Seidenfäden  samt  Knoten 
zu  erleichtern.  Bei  der  Beschreibung  der  Nachbehandlung 
komme  ich  auf  diese  Manipulation  noch  zu  sprechen.  Das  Rohr 
selbst  wird  mit  feiner  Nadel  angestochen  und  an  der  Gallen- 
blasenwand befestigt,  so  dass  ein  Hervorrutschen  bei  und  nach 
der  Operation  unmöglich  gemacht  wird. 

Es  ist  unnötig,  die  Gallenblasenincision  grösser  anzulegen, 
als  es  absolut  nötig  ist.  Von  vorneherein  mache  man  sie  recht 
klein,  stellt  sich  heraus,  dass  grosse  Steine  vorliegen,  so  muss 


—     184     — 

die  Öffnung  so  gross  sein,  dass  sie  sämtlich  unversehrt  extra- 
hiert werden  können.  Ich  bin  ein  Feind  der  Öteinzertrümmerung, 
weil  durch  die  Trümmer  die  Asepsis  gestört  wird  und  leicht 
Stücke  zurückbleiben  können,  die  dann  zu  Rezidiven  Veranlas- 
sung geben.  Der  Stein  muss  unversehrt  herausgeschnitten  werden, 
und  müsste  man  eine  ca.  4 — 5  cm.  lange  Incision  in  der  Gallen- 
blase anlegen.  Gallenblasenwunden  heilen  sehr  gut,  und  schliess- 
lich kann  man  in  solchen  Fällen  immer  noch  zur  Ectomie  schreiten. 
Aber  ja  keinen  Stein  mit  Gewalt  zertrümmern!  Unabsichtliche 
Cholelithotripsien  sind  nicht  immer  zu  vermeiden ,  aber  stets 
unangenehm. 

Fig.  36. 


Wasserdichte  Naht 


Pascio  und 
Perit.  pariet. 


Bauchwandnabt 


Circuläre  Naht 

zwischen 

GaUenblase, 

Serosa  u.Pascie 

resp.  Perit. 

pariet. 


Schema  der  Einnähung  der  Gallenblase. 


Der  eingeführte  Schlauch  muss  recht  lang  gewählt  sein,  er 
führt  über  den  Bauch  und  hängt  an  der  Seite  am  Operations- 
tisch herunter,  sodass  man  sofort  das  Heraustropfen  der  Galle 
kontrollieren  kann. 

Die  Incisionswunde  der  Gallenblase  muss  in  ganzer  Länge 
völlig  extraperitoneal  liegen;  die  Einnähung  muss  also  so  er- 
folgen, dass  alle  Fäden  von  der  Aussenwunde  zu  erreichen  sind. 

Ich  nähe  gewöhnlich  den  Fundus  der  Gallenblase  im  umfang 
eines  Markstückes  heraus  und  zwar  so,  dass  die  Nadel,  die 
recht  fein  gewählt  wird,  immer  nur  Serosa  und  Muscularis  fasst. 
Dringt  sie  durch  die  Mucosa,  so  entsteht  dadurch  auch  kein 
Schaden,  da  ich  ja  durch  das  Unterlegen  von  Aluminium-Bronze- 


—     185     — 

draht  die  spätere  Entfernung  sämtlicher  Nähte  leicht  bewerk- 
stelligen kann. 

Ich  habe  früher  mit  Catgut  genäht  (.Tuniperus-Catgut,  Catgut 
im  Saul' sehen  Apparat  und  nach  Hofmeister  sterilisiert), 
bin  aber  davon  abgekommen,  weil  in  einigen  Fällen  die  Naht 
nicht  hielt  und  die  Gallenblase  sich  von  der  Bauchwand  löste. 
In  einem  Fall  ist  der  betreffende  Patient  nur  mit  Mühe  und 
Not  dem  Tode  entronnen.  Ich  habe  dann  Seide  verwendet, 
aber  die  Fäden  abgeschnitten,  und  da  ist  es  passiert,  dass  die 
Knoten  in  die  Gallenblase  abgestossen  wurden  und  zu  erneuter 
Inkrustation  geführt  haben.  (Nr.  67.)  Ich  habe  dann  die  Seiden- 
fäden lang  gelassen,  ohne  Draht  unterzulegen.  Aber  die  Granu- 
lationen hüllten  die  Knoten  so  ein,  dass  ein  Durchschneiden 
der  Fäden  innerhalb  des  Knotens  grosse  Schwierigkeiten  machte. 
Alle  diese  Übelstände  fallen  bei  meiner  Drahtmethode  fort. 
Zwischen  Rohr  und  Fäden  resp.  Draht  lege  ich  einige  feine 
Streiten  Gaze  ein,  ebenso  zwischen  Fäden  und  Hautwunde.  So 
schaffe  ich  eine  trichterförmige  Wunde,  in  deren  Mitte  das 
Rohr  liegt,  umgeben  von  einem  Kranz  Gaze;  darum  liegen  die 
Fäden  mit  dem  Draht,  und  dann  kommt  wieder  ein  Kranz  Gaze, 
der  die  Ränder  der  Hautwunde  ordentlich  von  einander  drängt. 

Selbstverständlich  hatte  ich,  ehe  ich  die  Einnähung  der 
Gallenblase  begann,  die  Kompressen,  die  in  der  Bauchhöhle 
lagen,  entfernt  und  mich  durch  zweimaliges  Zählen  überzeugt, 
dass  ihre  Zahl  stimmte.  Der  Wärter  hat  bereits  während  der 
Operation  die  Aufgabe,  die  Kompressen  zu  sichten,  die  nicht- 
genähten  von  den  genähten  zu  isolieren,  damit  beim  Schlüsse 
der  Operation  kein  unnützer  Aufenthalt  geschieht.  Die  genähten 
Kompressen  liegen  in  Reih  und  Glied  geordnet  so  am  Boden  des 
Operationszimmers,  dass  ich  und  mein  Assistent  sie  zählen 
können.  Die  Instrumentenreicherin  gibt  an,  wieviel  noch 
vorhanden  sind  und  sofort  weiss  man,  ob  noch  weitere  Kom- 
pressen in  der  Bauchöhle  liegen  oder  nicht. 

Es  ist,  um  die  Einnähung  der  Gallenblase  sich  zu  er- 
leichtern, zweckmässig,  erst  die  Bauchwunde  zu  verkleinern,  was 
ich,  wie  ich  im  allgemeinen  Teil  auf  p.  92  auseinandersetzte,  nicht 
mit  der  Etagennaht,  sondern  mit  der  Durchstichnaht  besorge. 
Besonders  die  Zerrung,  die  von  der  medialen  Seite  her  der 
Gallenblasennaht  droht,  wird  durch  die  Bauchdeckennaht  er- 
heblich gemindert.     Ich  gehe  also  gewöhnlich  so  vor,  dass  ich 


—     186     — 

die  Gallenblase  erst  lateral  suspendiere  (vielleicht  mit  4  Nähten). 
Dann  beginne  ich,  vom  Proc.  xiph.  her  mit  Durchstichnähten, 
wobei  ich  doppelt  armierte  Nadeln  benütze,  die  Bauchwunde 
zu  schliessen,  sodass  dann  die  mediale  Annähung  der  Gallen- 
blase ohne  grosse  Spannung  gelingt.  Noch  leichter  gelingt  die 
Einnähung  der  medialen  Seite  der  Gallenblase,  wenn  man  auch 
den  unterhalb  der  Gallenblase  liegenden  Teil  der  Bauchwunde 
ebenfalls  durch  Durchstichnähte  schliesst,  ehe  man  die  Fixation 
der  Gallenblase  an  das  Perit.  parietale  beendet.  Auch  die  ein- 
gelegten genähten  Tupfer  entferne  ich  fast  alle  aus  der  Bauch- 
höhle vor  der  medialen  Fixation  der  Gallenblase;  hierdurch 
vermeidet  man  sehr  die  Zerrung  der  Nähte.  Es  genügt,  wenn 
man  einen  Tampon  auf  Magen  und  Netz  liegen  lässt  und  diesen 
erst  entfernt,  ehe  man  die  letzten  Nähte,  die  den  Verschluss 
der  Bauchhöhle  bewirken  sollen,  anlegt. 

Die  Gallenblase  wird  mit  dem  Perit.  pariet.  resp.  der  tiefen 
Fascie  in  Verbindung  gebracht,  nicht  mit  dem  Muse.  rect.  oder 
gar  mit  der  Haut.  Jede  Zerrung  muss  vermieden  werden, 
damit  keine  Abknickung  des  Choledochus  erfolgt  und  keine  Gallen- 
flsteln  entstehen. 

Dicke  Rohre  in  die  Gallenblase  einzuführen  und  die  Inci- 
sioD  weit  offen  zu  lassen,  ist  falsch.  Dadurch  entstehen  Pro- 
lapse der  Schleimhaut  und  Lippenfisteln,  die  zu  kompleten 
Gallenfisteln  führen  können.  Das  Loch  in  der  Gallenblase  muss 
nach  Möglichkeit  verkleinert  werden,  die  genähte  Incision  der 
Gallenblase  muss  möglichst  per  primam  heilen. 

Ist  die  Bauchwunde  völlig  geschlossen,  so  werden  die 
Gallenblasenfäden  und  Drähte  sorgsam  in  Gaze  eingewickelt, 
damit  sie  die  Bauchhaut  nicht  irritieren,  und  dann  wird  die 
Naht  mit  einem  grossen  Gaze- Watte-Verband  bedeckt.  Durch 
die  Mitte  der  den  Verband  haltenden  breiten  Cambric- Binde 
tritt  das  Rohr  hindurch,  welches  mit  einer  feinen  Sicherheits- 
nadel an  der  äusseren  Binde  befestigt  wird.  Der  Patient  wird 
in  das  Bett  gebracht  und  das  Rohr  in  eine  ausgekochte  Flasche 
gelegt,  der  Hals  der  Flasche  neben  dem  Rohr  mit  steriler 
Watte  locker  verschlossen. 

Gersuny  hat  die  Gallenblasenfistel  nach  dem  Prinzip  der 
W  i  t  z  e  1  'sehen  Gastrostomie  angelegt  ( 1 898) ;  ich  halte  solche  Proze- 
duren für  völlig  zwecklos,  denn  die  Fistel  soll  so  angelegt  sein,  dass 
man  Ausspülungen  der  Gallenblase  vornehmen  und  nachträglich 


—     187     — 

Steine  entfernen  kann.  Legt  man  Fisteln  ä  la  Witzel  an,  so  ist  das 
geradezu  unmöglich.  Die  definitive  Heilung  der  angelegten 
Gallenblasenfisteln  bleibt  übrigens,  wenn  man  meine  Vorschriften 
befolgt,  fast  niemals  aus.  Entsteht  doch  einmal  eine  komplete 
Gallenfistel,  so  verfügen  wir  über  eine  gänzlich  ungefährliche 
Methode,  um  die  Fistel  definitiv  zum  Verschluss  zu  bringen. 
Über  diese  Operation  des  Fistelverschlusses  werde  ich  weiter 
unten  die  nötigen  Angaben  machen. 

Ich  habe  soeben  die  Cystostomie  an  einer  Gallenblase  be- 
sprochen, deren  Cysticus  offen  ist  und  deren  Inhalt  neben  Steinen 
wenig  veränderte  Galle  bildet. 

Ich  möchte  schon  hier  bemerken,  dass  für  diese  Fälle  die 
Exstirpation  der  Gallenblase  besser  passt  wie  die  Cystostomie. 
Weil  die  Entzündung  fehlt,  ist  in  wenigen  Minuten  die  Gallen- 
blase von  der  Leber  abgelöst,  während  eine  regelrechte  Cysto- 
stomie unter  zwanzig  Minuten  nicht  gut  durchführbar  ist. 

In  den  Fällen,  in  denen  wir  es  mit  einer  entzündeten 
Gallenblase  zu  tun  haben,  deren  Inhalt  infektiös  ist,  erfordert 
die  Cystostomie  ganz  besondere  Vorsichtsmassregeln.  Die  In- 
fektion kommt  zu  stände  durch  Mikroorganismen  sehr  verschiedener 
Natur  und  wird  dadurch  unterhalten,  dass  ein  Stein  den  Cysticus 
resp.  den  Hals  der  Gallenblase  verlegt  und  einen  Abfluss  des 
Gallenblaseninhaltes  choledochuswärts  verhindert. 

Wie  haben  wir  uns  diesem  Verschluss  gegenüber  zu  verhalten? 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  wir  danach  streben,  nicht 
nur  die  Gallenblasensteine,  nicht  nur  den  infektiösen  Inhalt  in 
der  Gallenblase  zu  entfernen,  sondern  auch  den  verschliessenden 
Stein  an  das  Tageslicht  zu  fördern.  Bei  Patienten,  die  in  sehr 
geschwächtem  Zustand  in  die  Klinik  kommen,  muss  man  oft 
die  Operation  möglichst  beeilen  und  ist  zufrieden,  wenn  man 
die  Gallenblase  eröffnet  und  die  Verhältnisse  sich  so  zurecht- 
gelegt hat,  dass  die  Entfernung  des  Steines  während  der  Nach- 
behandlung sich  ermöglichen  lässt.  (Nr.  11.)  Natürlich  ist  es 
besser,  wenn  gleich  bei  der  primären  Operation  gründlich  auf- 
geräumt werden  und  Tabula  rasa  gemacht  werden  kann.  Zu 
diesem  Zweck  wird  der  Gallenblaseninhalt  wie  oben  beschrieben 
durch  Aspiration  entfernt,  und  da  er  oft  sehr  infektiös  ist,  werden 
wir  bei  der  Entleerung  der  Gallenblase  besonders  darauf  achten, 
dass  keine  Verunreinigung  der  Bauchhöhle  durch  ausfliessendes 
Sekret  stattfindet. 


—     188     — 

Behufs  Entfernung  des  verschliessenden  Steines  lege  ich 
Gewicht  darauf,  den  Hals  der  Gallenblase  resp.  den  Cysticus 
so  frei  zu  legen,  dass  eine  Freimachung  unter  der  Kontrolle  des 
Auges  möglich  ist.  Dazu  verhilft  uns  am  besten  der  Wellenschnitt. 
Bei  seiner  Anwendung  kann  man  durch  sanftes  Hinüberdrücken  des 
Magens  und  des  Netzes  nach  der  medialen  Seite  hin  und  durch 
Anziehen  der  Gallenblase  in  den  meisten  Fällen  den  Cysticus  nicht 
nur  der  Hand,  sondern  auch  dem  Auge  zugänglich  machen.  Das 
Hochstreichen  des  Steines  funduswärts  rauss  sanft  geschehen, 
alles  Quetschen  und  Drücken  ist  verpönt.  Während  man  mit 
der  linken  Hand  die  Gallenblase  an  einem  Pöan,  einer  König'- 
schen  Klemme  oder  an  einem  Haltezügel  sanft  anzieht,  führt 
man  die  rechte  Hand  an  der  medialen  Fläche  der  Gallenblase 
in  die  Tiefe  und  versucht,  den  Stein  zu  lockern.  Oft  rutscht 
der  Stein  mit  einem  sehr  charakteristischen  Schwapp  aus  seinem 
Lager  funduswärts  und  ist  dann  vom  Fundusschnitt  aus  leicht 
zu  entfernen.  (Nr.  7.)  Gelingt  die  Steinverschiebung  der  rechten 
Hand  nicht,  so  versucht  man  sie  mit  der  linken.  Zu  diesem 
Zweck  nimmt  man  den  Stein  zwischen  Zeigefinger  und  Daumen 
der  linken  Hand  und  versucht,  den  Stein  beweglich  zu  machen. 
Dabei  ist  es  angebracht,  eine  Stellung  einzunehmen^,  welche  die 
Manipulationen  der  linken  Hand  wesentlich  erleichtert;  ich  habe 
bereits  im  allgemeinen  Teil  dieses  Handgriffs  Erwähnung  getan, 
(p.  63.)  Man  dreht  sich  so,  dass  man  mit  dem  Gesicht  nach  den 
Füssen  des  Patienten  sieht,  nimmt  eine  bückende  Stellung  ein 
und  führt  die  linke  Hand  nach  hinten  in  die  Bauchhöhle. 
Dieser  Griff  ist  äussert  praktisch  und  erleichtert  die  Steinent- 
fernung ausserordentlich.     (Fig.  25.) 

Es  gibt  nun  Fälle,  bei  denen  man  darauf  verzichten  muss, 
sofort  den  Cysticus  wegsam  zu  machen.  Ist  Patient  sehr  schwach, 
reagiert  er  auf  jede  Manipulation  in  der  Tiefe  der  Bauchhöhle 
mit  Stillstand  der  Atmung,  mit  schlechtem  Puls,  so  tut  man 
gut,  den  Stein  sitzen  zu  lassen,  wo  er  sitzt,  und  seine  Ent- 
fernung für  eine  spätere  Zeit  aufzuheben.  Das  ist  zwar  für 
den  Patienten  nicht  gerade  angenehm,  aber  schliesslich  kommt 
es  in  erster  Linie  doch  darauf  an,  die  Operation  so  ungefährlich 
wie  möglich  zu  gestalten. 

Manchmal  reagiert  der  Patient  nur  auf  Druck  und  Quet- 
schen mit  bedrohlichen  Erscheinungen  von  selten  des  Herzens 
und  der  Lunge,    während  er  vielleicht  eine  Incision  direkt  auf 


—     189     — 

den  Stein  ganz  gut  verträgt.  Man  wird  also  gegebenen  Falles 
sofort  zur  Cysticotomie  schreiten,  deren  Technik  ich  bei  den 
Operationen  am  Ductus  cysticus  beschrejben  werde. 

Ist  man  im  Zweifel,  ob  das,  was  man  fühlt.  Stein,  Drüse 
oder  nur  verdickte  Gallenblasen  wand  ist,  so  kann  eine  Incisiou 
die  Entscheidung  bringen.  Fällt  sie  im  Hinblick  auf  den  Stein 
negativ  aus,  so  ist  der  Schaden  nicht  gross:  einige  Suturen 
verschliessen  rasch  die  Incision  wieder. 

In  solchen  Fällen  werden  sich  die  Chirurgen  immer  ver- 
schieden verhalten.  Der  eine  ist  eben  vorsichtig  und  ris- 
kiert eine  solche  Incision  nicht,  der  andere  wird  nicht  lange 
zaudern,  und  macht  im  Vertrauen  auf  seine  Technik  und  Asepsis 
den  aufklärenden  Schnitt. 

Ich  möchte  im  allgemeinen  zur  Vorsicht  raten  (Nr.  22) ; 
nur  ganz  geübte  Gallensteinchirurgen  sollten  die  Incision  vor- 
nehmen. 

Ist  es  gelungen,  den  Stein  aus  der  Tiefe  in  den  Fundus 
zu  schieben,  so  fasst  man  ihn  mit  der  Kornzange  oder  drückt 
ihn  einfach  durch  die  Öffnung  der  Gallenblase  in  das  unter- 
gehaltene Becken  oder  in  die  untergelegte  Gaze. 

Das  weitere  Verfahren,  die  Einlegung  des  Gummirohres 
und  die  Etablierung  der  Gallenblasenfistel  ist  bereits  oben  be- 
schrieben. 

Ich  habe  schon  sehr  bald  —  im  Jahre  1892  —  die  Not- 
wendigkeit der  Entfernung  des  Steines  im  Gallenblasenhals  be- 
tont, und  ich  stehe  auch  heute  noch  auf  dem  Standpunkt,  dass 
die  sofortige  Freimachung  des  Cysticus  bei  akuter  serös-eitriger 
Cholecystitis  möglichst  angestrebt  werden  muss.  Aber  unter  allen 
Umständen  diese  zu  forcieren,  halte  ich  nicht  für  richtig.  Die 
Beseitigung  des  infektiösen  Materials  in  der  Gallenblase,  die 
Verhütung  einer  sich  weiter  ausbreitenden  Infektion  ist  in  erster 
Linie  anzustreben.  So  falsch  es  ist,  sich  gar  nicht  um  den  ver- 
schliessenden  Stein  zu  kümmern,  so  wenig  ist  es  angebracht, 
denselben  ä  tout  prix  entfernen  zu  wollen. 

Ich  habe  früher  die  Cystostomie  als  Normalmethode  bei  der 
operativen  Behandlung  der  Gallenblasensteine  hingestellt  und 
bin  sogar  so  w^eit  gegangen,  ulcerative  Prozesse,  die  von  der 
Mucosa  aus  auf  Muscularis  und  Serosa  übergegriffen  und  hier 
Defekte  gesetzt  hatten,  durch  Excision  derselben   zu  beseitigen 


—     190     — 

und  nach  ihrer  Vernähung  eirie  Gallenblasenfistel  anzulegen. 
Ich  bin  von  diesem  Konservativismus  abgekommen  und  würde 
nur  dann  noch  so  vorgehen,  wenn  eine  Ectoniie  ganz  unmöglich 
ist.  Ulcerationen,  die  bis  zur  Serosa  vordringen,  lassen  darauf 
schliessen,  dass  die  Gallenblase  überhaupt  schwer  erkrankt  ist. 
Ein  solches  Organ  ist  für  seinen  Träger  nicht  nur  unnütz, 
sondern  auch  gefährlich:  es  muss  aus  dem  Abdomen  heraus. 
Ob  man  die  Ectomie  sofort  oder  später  vornimmt,  das  hängt 
allerdings  von  vielen  Umständen  ab,  besonders  von  dem  Grade 
der  Infektion,  von  dem  Allgemeinbefinden  des  Patienten  und 
dem  Verlauf  der  Narkose. 

Grosse  Gallenblasen  lassen  sich  natürlich  leichter  in  die 
Bauch  wunde  einnähen  wie  kleine ;  manchmal  sind  sie  sogar  zu  gross 
und  machen  bei  der  Naht  Schwierigkeiten,  indem  sie  sich  über 
das  Niveau  des  Peritoneums  hervordrängen.  Man  hat  für  solche 
Fälle  die  ßesektion  des  Gallenblasenfundus  empfohlen.  Ich 
möchte  darauf  hinweisen,  dass  solche  grosse  Gallenblasen  mit 
der  Zeit  der  Schrumpfung  verfallen  und  man  die  vorgenommene 
Amputation  des  Gallenblasenfundus  später  eventuell  bereuen 
muss.  Man  sei  also  nicht  zu  voreilig  mit  der  Fundus- 
resektion. 

Mittelgrosse  Gallenblasen  lassen  sich  leicht  lateral  am 
Peritoneum  suspendieren,  die  mediale  Vernähung  macht  aber 
nicht  selten  Schwierigkeit  und  ruft  eine  hochgradige  Spannung 
der  Fäden  hervor.  (Nr.  20—24:.)  In  solchen  Fällen  ist  es 
besser,  wenn  man  nur  die  Gallenblase  lateral  saspeiidlert> 
die  Bauchwunde  möglichst  schliesst  und  zwischen  der 
medialen  Fläche  der  Gallenblase  und  Netz  einige  feine 
Streifen  steriler  Gaze  vorschiebt.  Besonders  w^enn  man  in 
der  Tiefe  am  Cysticus  viel  hantieren  muss,  um  den  Cysticus- 
stein  hochzudrücken,  ist  es  angebracht,  die  mediale  Tamponade 
auszuführen,  um  dort  sich  ansammelnde  Sekrete  abzuleiten. 
Man  kann  diese  Art  der  Cystostomie  als  Cystostomie  mit 
lateraler  Suspension  der  Gallenblase  und  medialer  Tamponade 
bezeichnen.     (Fig.  37.) 

Ist  die  Gallenblase  geschrumpft,  oder  liegt  sie  von  vorne- 
herein so  tief,  dass  sie  unmöglich  an  das  Perit.  parietale  an- 
genäht werden  kann,  so  kommt  —  will  man  nicht  die  Ectomie 
ausführen    —    das     von     mir    eingeführte    Schlauchverfahren 


191      — 


(Nr.  26 — 31)  in  Betracht,    welches  später  Pop pert*)  zu  seiner 
wasserdichten  Drainage  umgetauft  hat.     (Fig.  38.) 

Auch  das  ßiedel'sche  Verfahren,  bei  welchem  das  parietale 
Pig.  37.  Bauchfell     zu     beiden 

Seiten  der  Bauchwunde 
abgelöst  und  trichter- 
förmig in  die  Tiefe  ge- 
schlagen wird,  kommt 
in  solchen  Fällen  in 
Betracht. 

Das  Schlauchver- 
fahren  hat  zweifellos 
seine  grossen  Schatten- 
seiten, doch  ist  es  für 
gewisse  Fälle  ein  recht 
angenehmes  Auskunfts- 
mittel. 

Mit  wenigen  Worten 
ist    es    zu    schildern. 

Schema  für  unvollständige  Cystostomie.  t-w       /-• 

Der  Tampon  liegt  an  der  unteren  Fläche  der  Gal-      Die    Gallenblase     Wird 
lenblase  und  bedeckt  die  langgelassenen  Päden.)  . 

eröffnet,  ihr  Inhalt  ent- 
leert, dann  näht  man  einen  feinen  Schlauch  ein,  umgibt  diesen 
mit  reichlicher  steriler  Gaze  und  leitet  diese  durch  die  nur 
teilweise    geschlos- 


sene Bauchwunde 
wieder  nach  aussen. 
Dass  das  Rohr 
möglichst  wasser- 
dicht liegen  muss, 
das  versteht  sich 
von  selbst,  auch  dass 
man  es  durch  Fest- 
nähen vor  dem  Her- 
vorrutschen schützt. 

Die  Tamponade 
scheint    von    Pop- 
pert     nicht     sehr 
reichlich  gebraucht 


Fig.  38. 


Schema  für  Schlauchverfahren. 


*)  Poppert,  Zur  Technik  der  Cholecystostomie.  Verb.  d.  27.  Chir. 
Congr.  1898. 


—     192     — 

zu  werden;  ich  möchte  sie,  da  zwar  ein  makroskopischer,  aber 
kein  mikroskopischer  wasserdichter  Verschluss  erzielt  wird, 
recht  ausgiebig  angewendet  wissen.  Der  Schlauch  muss  in 
der  Mitte  der  Tampons  liegen,  damit  die  freie  Bauchhöhle 
recht  sorgfältig  abgeschlossen  ist. 

Bei  Anwendung -der  Cystostoraie  mit  völliger  oder  nur 
teilweiser  Anheftung  der  Gallenblase  an  das  Perit.  parietale 
und  des  Schlauch  Verfahrens  kann  man  das  Trichterverfahren 
Eiedels  entbehren.  Auch  die  Benutzung  des  Netzes  zwecks 
Abschlusses  der  Bauchhöhle  nach  Lauenstein  *)  ist  so  gut  wie 
tiberflüssig.  Lauenstein  zog  das  grosse  Netz  über  das  Quer- 
colon  in  die  Höhe  und  nähte  es  mit  seinem  freien  Rande  an 
die  Gallenblasenkuppe  an.  Dann  verwendete  er  es  durch  weitere 
zweckmässige  Anheftung  an  die  Bauebdecken  zur  Bildung 
eines  bis  in  die  Bauchwunde  führenden  Kanals. 

Es  existieren  noch  eine  ganze  Reihe  von  unwesentlichen 
Modifikationen  der  Cystostomie.  So  bahnte  sich  Landerer**) 
den  Weg  zur  Gallenblase  durch  das  die  Gallenblase  bedeckende 
Lebergewebe,  welches  als  Riedel 'scher  Lappen  oft  so  aus- 
gezogen und  verdünnt  ist,  dass  es  weiter  nichts  als  eine  Binde- 
gewebsplatte  darstellt.  Ist  das  der  Fall,  so  ist  gegen  Land  er  er  s 
Vorgehen  nichts  einzuwenden,  doch  soll  man  nicht  zweizeitig 
operieren,  sondern  einzeitig,  damit  man  über  das  Verhalten 
des  Ductus  cysticus  sich  genau  orientieren  kann. 

Das  von  Delagöniere  angegebene  Verfahren  —  Voie 
endochol^cystique  —  besteht  in  einer  völligen  Spaltung  der 
Gallenblase  vom  Fundus  bis  zum  Hals,  wobei  auch  der  Cysticus 
bis  in  den  Choledochus  aufgeschnitten  wird.  Die  Methode 
bildet  den  Übergang  von  der  Cystostomie  zur  Ectomie  resp. 
Hepaticusdrainage,  und  wenn  ich  auch  sehr  für  eine  gründliche 
Freilegung  des  Cysticus  und  Choledochus  bin  und  hier  Incisionen 
nicht  scheue,  ja  gar  nicht  genug  empfehlen  kann,  so  hat  die 
völlige  Spaltung  der  Gallenblase  keinen  grossen  Zweck,  ja 
erhöht  sogar  die  Gefahr  der  Infektion.  Wenn  ich  die  ganze 
Gallenblase  spalten  muss,  so  kann  ich  sie  auch  gleich  ganz 
entfernen,  also  die  Operation  ausführen,  die  im  nächsten  Ab- 
schnitte zur  Besprechung  kommt. 

*)  Lauenstein,  Zentralblatt  für  Chirurgie.  1893' p.  6. 
**)  Ein  Fall  von  Cholecystostomie.     Müuch.  med.  Wochenschrift 
1886.    Nr.  17. 


—     193     — 

Einen  Übergang  von  der  Oystostomie  zur  Ectomie  bildet 
die  von  mir  in  einigen  Fällen  geübte  Cystostomie  nach  Ab- 
lösung der  Gallenblase  von  der  Leber  (Nr.  25).  Durch  diese 
Manipulation  kann  man  auch  tieferliegende  Gallenblasen  erheblich 
lockern  und  mit  dem  Peritoneum  parietale  in  Verbindung  bringen. 
In  Fällen,  in  denen  der  Operateur  die  Ectomie  plante^  wäh- 
rend er  aber  aus  irgendwelchen  Gründen  (schlechte  Narkose) 
von  der  weiteren  Operation  abstehen  musste,  ist  diese  Ope- 
rationsmethode gewiss  kein  übles  Auskunftsmittel.  Nur  wird 
man  keine  zirkuläre,  vollständige  Oystostomie  machen,  sondern 
das  wunde  Leberbett  etwas  tamponieren  und  den  Tampon  ober- 
halb der  angelegten  Gallenfistel  nach  aussen  leiten.  Das  Nähere 
geht  aus  der  Krankengeschichte  im  II.  Teil  (Nr.  25)  hervor, 
e)  Die   Ectomie    der   Gallenblase. 

Die  Ectomie  der  Gallenblase  (Langenbuch,  15.  Juli 
1882)  ist  heutzutage  diejenige  Operation,  die  am  meisten  zur 
Anwendung  kommt.  Die  Erfahrung,  dass  eine  wiederholt  ent- 
zündete Gallenblase  unfähig  wird,  ihre  Funktionen  zu  erfüllen, 
und  dass  das  Organ  die  Hauptbildungsstätte  der  Cholelithen 
ist,  hat  die  Exstirpation  der  Gallenblase  zu  der  augenblicklich 
beliebtesten  Operation  am  Gallensystera  gemacht. 

Die  Technik  der  Operation  ist  folgende:  Die  Bauchhöhle 
wird  durch  den  oben  beschriebenen  Wellenschnitt  (p.  64.)  eröffnet. 
Da  bei  der  Excision  der  Gallenblase  der  Cysticus  besonders  be- 
rücksichtigt werden  muss,  ist  gehöriger  Platz  nötig,  der  Schnitt 
also  besonders  in  der  Mittellinie  ausgiebig  vorzunehmen  und 
wenn  nötig  bis  oberhalb  des  Proc.  xiph.  zu  verlängern.  Nach 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  wird  das  Perit.  parietale  nebst  tiefer 
Fascie  beiderseits  mit  je  2  Mi kuli  cz- Klemmen  gefasst. 
Die  Inspektion  und  Palpation  der  Gallenblase  und  des  Cysti- 
cus, die  Behandlung  der  Adhäsionen  ist  ungefähr  dieselbe  wie 
bei  der  Oystostomie.  Von  vornherein  sei  man  sich  klar,  dass 
man  eventuell  bei  gleichzeitiger  Pankreatitis  das  Organ  nicht 
entfernen  darf,  sondern  zu  einer  Anastomose  benützen  soll; 
man  entschliesst  sich  also  erst  dann  zur  Excision,  wenn 
man  sich  überzeugt  hat,  dass  von  Seiten  des  Pankreas,  des 
Ciioledochus  etc.  keine  Contra-Indikationen  gegen  die  Ectomie 
bestehen.  Auch  denke  man  an  die  Möglichkeit,  dass  direkt  aus 
der  Leber  grosse  Gallengänge  in  die  Gallenblase  einmünden 
können.     (Nr.  17.) 

Kehr,  Technik  der  Gallonsteinoperationen.    I.  13 


—     194     — 

Ich  habe  noch  in  der  11.  Auflage  des  Handbuches  der  pract. 
Chirurgie  von  v.  Bergmann,  v.  ßruns,  v,  Mikulicz  ange- 
geben, dass  man  die  Excision  sowohl  am  Fundus  wie  am  Cysticus 
beginnen  könne.  Da  es  vorkommen  kann,  dass  man  bei  halber 
Ectomie  noch  Halt  macht  und  eine  modifizierte  Cystostomie 
ausführt,  so  möchte  ich  mich  jetzt  dahin  aussprechen,  dass 
jede  Ectomie  am  Fundus  beginnen  soU^  wenn  ich  auch  zugebe, 
dass  die  am  Cysticus  begonnene  Ectomie  manche  Vorteile  hat. 
In  dem  Fall  Nr.  17  des  IL  Teiles  hätte  eine  Excision  —  am 
Ductus  cysticus  begonnen  —  die  Heilung  unmöglich  gemacht, 
und  auch  in  anderen  Fällen,  z.  B.  bei  vergrössertem  Pankreas- 
kopf ,  sieht  man  oft  zu  spät  ein ,  dass  es  besser  gewesen 
wäre,  wenn  man  noch  über  die  Gallenblase  verfügen  könnte. 
Mayo  scheint  die  Gallenblase  vom  Ductus  cys^ticus  aus  zu 
exstirpieren;  ich  möchte,  wie  gesagt,  als  das  Normalverfahren 
die  Excision  vom  Fundus  aus  hinstellen.  Ist  man  gezwungen, 
die  Operation  z.  B.  bei  CoUaps  abzubrechen,  so  wird  man 
bei  der  Excision,  die  am  Cysticus  beginnt,  in  vieler  Richtung 
grosse  Schwierigkeiten  haben. 

Soll  man  vorher  die  Gallenblase  entleeren  oder  nicht? 
Entleert  man  sie  nicht,  so  hat  man  den  Vorteil,  dass  man 
jeder  Infektion  durch  eventuell  ausfliessende  Galle,  Serum 
oder  Eiter  vorbeugt;  man  hat  aber  auch  den  Nachteil,  dass 
eventuell  während  der  Excision  die  Gallenblase  verletzt  wird 
und  nun  auf  einmal  der  ganze  Inhalt  ausfl Jessen  kann.  Ent- 
leert man  sie,  so  erschwert  man  sich  oft  die  Ectomie,  die  an 
einer  vollgefüllten  Gallenblase  viel  leichter  vor  sich  geht. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  ein  vielgeübter  Gallenstein- 
chirurg den  richtigen  Weg  zwischen  Gallenblase  und  Leber 
viel  leichter  findet  wie  der  Anfänger,  und  dass  der  letztere 
leichter  einmal  eine  Gallenblase  anschneidet  und  ihren  Inhalt  in 
die  Bauchhöhle  oder  wenigstens  in  die  untergelegten  Tupfer  er- 
giessen  lässt.  Deshalb  rate  ich  dem  Operateur,  der  noch  keine 
grosse  Erfahrung  in  der  Gallensteinchirurgie  hat,  die  Gallen- 
blase möglichst  zu  entleeren  und  zwar  am  besten  durch  Punk- 
tion mit  nachfolgender  Aspiration.  Bei  grossen  Gallenblasen, 
die  sich  extraperitoneal  lagern  lassen,  ist  auch  die  Stichentleerung 
möglich,  doch  sei  man  wegen  Beschmutzung  der  Umgebung 
dabei  recht  vorsichtig.  (Nr.  64.)  Ist  der  Inhalt  derselben  sehr 
dickflüssig   —    oft   so   zäh.    wie  Leim  — ,  so  gelingt   die  Ent- 


—     195     — 

leerungf  nicht;  dann  klemmt  man  die  Stichstelle  der  Gallen- 
blase wieder  zu  und  beobachtet  nun  doppelte  Vorsicht  bei  der 
Excision.  War  der  Inhalt  Wasser  oder  dünner  Eiter,  so  gelingt 
die  Entleerung  fast  völlig,  und  bei  genügender  Vorsicht  wird 
man  eine  Beschmutzung  der  Umgebung  vermeiden  können. 

Gleichgültig,  ob  man  die  Gallenblase  entleert  oder  nicht,  immer 
soll  man  zwecks  Absperrung  so  viel  genähte  Tupfer  unterlegen, 
dass  ein  Einfliessen  keine  üblen  Folgen  nach  sich  zieht.  (Nr,  63.) 

Ich  möchte  Folgendes  raten :  Eine  wenig  veränderte  Gallen- 
blase, deren  Cysticus  offen  zu  sein  scheint,  kann  man  ohne 
vorherige  Punktion  exstirpieren ;  eine  morsche,  eitergefüllte 
Gallenblase  entleere  man,  da  bei  der  Operation,  d.  h.  bei  der 
Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Leber,  das  Gewebe  leicht  ein- 
reissen  kann.  Will  man  die  Gallenblase  ohne  vorherige  Eröff- 
nung excidieren ,  so  tut  man  gut,  den  Cysticus  mit  einer  vorn- 
gebogenen Klemme  (Fig.  17)  abzuklemmen,  damit  während 
der  Loslösung  der  Gallenblase  vom  Leberbett  keine  Steine  aus 
dem  Cysticus  in  den  Choledochus  gepresst  werden.  (Nr.  49.) 

In  die  geöfinete  und  geleerte  Gallenblase  (die  Technik  ist 
bei  der  Cystostomie  beschrieben)  stecke  ich,  ehe  ich  die  eigent- 
liche Excision  beginne,  soviel  Gaze,  als  die  Höhle  fasst,  und 
schliesse  dann  die  Öffnung  durch  einige  König' sehe  Klemmen 
oder  durch  die  Naht.  Stets  soll  man  sich  vor  Beginn  der  Ex- 
cision der  Verhältnisse  am  Cysticus  vergewissern.  Dicke  öde- 
matöse  Gallenblasenhälse  contraindicieren  im  allgemeinen  die 
Ectomie,  da  die  Stielung  der  Gallenblase  sehr  schwierig  ist. 
Wenn  es  gelingt,  am  Cysticus  eine  vorn  rundgebogene  Klemme 
anzulegen,  so  empfiehlt  sich  diese  Massnahme  sehr,  da  man  da- 
durch ein  Eintreten  von  Eiter  und  kleinen  Steinen  in  den  Chole- 
dochus verhütet.  (Nr.  49.)  Kleine,  in  den  Choledochus  übergetretene 
Steine  entgehen  aber  leicht  der  Palpation  und  können  später 
die  unangenehmsten  Erscheinungen  machen.  Die  Kunst  der 
Ectomie  besteht  darin,  dass  man  die  Ablösung  der  Gallenblase 
so  vornimmt,  dass  man  wieder  die  Gallenblase  noch  das  Leber- 
bett erheblich  verletzt.  Die  Serosa  der  Leber  geht  auf  die 
der  Gallenblase  über;  ritzt  man  den  Überzug  an  der  Grenze 
zwischen  Leber  und  Gallenblase  richtig  ein ,  so  gelingt  es  — 
vorausgesetzt  dass  die  Entzündung  keine  allzu  starke  Fixation 
der  Gallenblase  an  der  Leber  bewirkt  hat  —  verhältnismässig 
leicht,  das  Organ  auszuschälen.  (Fig.  39.)  Umgekehrt,  wenn  das 

13* 


—     196     — 


Leberbett  an  der  Entzündung  der  Gallenblase  teil  genonimen 
hat  und  diese  fest  auf  ihrer  Unterlage  fixiert  ist,  kann  es  sehr 
schwer  sein,  ohne  Verletzung  der  Leber  und  der  Gallenblase  die 
Operation  zu  beenden.  (Nr.  60.)  Die  Gallenblase  wird 
mit  einer  Kocher'schen  Klemme  oder  bei  starker  praller 
Füllung  durch  die  Hand  des  Assistenten  am  Fundus  gefasst 
und  so  gehalten,  dass  die  Grenze  zwischen  Gallenblase  und 
Leber  gut    übersichtlich  wird.      Ein   hufeisenförmiger    Schnitt 


Pig.  40. 


Fig.  39. 


M,  tiepdhcd 


C^sti'cus 


Cljoledocijus 


I    Schema  der  GaUenblasen-Excision  vor 
Ablösung  von  der  Labor. 


II  Schema  der  GaUenblasen-Excision  (nach  Ab- 
lösung von  der  Leber  und  Unterbindung  der 
beiden  Aeste  der  Art.  cystica). 


folgt  genau  der  Insertion  der  Gallenblase  an  der  Leber  und 
nun  dringt  man  mit  dem  Messer,  mit  der  Coo  per 'sehen 
Schere,  mit  dem  Finger  immer  mehr  in  die  Xiefe  und  be- 
seitigt die  Stränge,  welche  die  Gallenblase  in  der  Lebernische 
fixieren.  Das  sind  meist  Gefässe,  End Verzweigungen  der  Art. 
cystica,  die  am  besten  frei  durchschnitten  und,  wenn  sie  bluten, 
mit  Klemmen  versorgt  werden.  Vasa  aberrantia  der  Gallengänge, 
die  in  die  Gallenblase  übertreten ,  habe  ich  nur  einmal  ange- 
troffen, ihr  Vorkommen  erheischt  besondere  Massnahmen,  die 
ich  im  IL  Teil  an  einem  Fall    illustrieren  will.     (Nr.  17.) 

Je  tiefer  man  vorwärts  dringt,  um  so  stärker  werden  die 
Gefässe ;  durch  erneute  Palpation  und  Inspektion  auch  von  der 
medialen  Seite    des  Ductus   cysticus  her   orientiere   man   sich, 


—     197     — 

wieweit  die  Ablösung  vor  sich  gegangen  ist.  Schliesslich  hängt  die 
Gallenblase  noch  an  2  Gebilden,  an  der  Art.  cystica  und  am 
Ductus  cysticus.  (Fig.  40.)  Die  Art.  cystica  entspringt  aus  der 
Hepatica  und  teilt  sich  in  der  Höhe  des  Halses  in  2  Äste.  Der 
eine  verläuft  zwischen  Leber  und  Hals  der  Gallenblase,  der 
andere  tritt  an  die  mediale  Seite  des  Ductus  cysticus.  Zuerst 
gilt  es,  den  mehr  nach  aussen  im  Leberbett  gelegenen  Ast  der 
Art.  cystica  zu  versorgen.  Er  imponiert  gewöhnlich  als  ein  Strang 
an  der  der  Leber  zugewandten  Fläche  des  Gallenblasenhalses 
und  wird  besonders  deutlich,  wenn  man  die  Gallenblase  durch 
den  Assistenten  kräftig  nach  unten  und  innen  ziehen  lässt. 
Dass  man  nicht  allzu  strafi  zieht,  versteht  sich  von  selbst.  In 
einem  Fall  (Nr.  70)  wurde  durch  zu  starkes  Anziehen  der  Gallen- 
blase die  Arterie  abgerissen,  wodurch  eine  schwere  Blutung 
entstand.  Gelingt  es,  die  Gallenblase  bequem  nach  aussen 
zu  ziehen,  so  kann  die  Arterie  frei  durchschnitten,  die 
spritzende  Arterie  sofort  gefasst  und  mit  mittelstarker  Seide, 
die  lang  bleibt,  unterbunden  werden.  Oft  haben  entzündliche 
Prozesse  am  Gallenblasenhals  die  normalen  anatomischen  Ver- 
hältnisse der  Gefässverteilung  ausserordentlich  verändert.  Das 
an  und  für  sich  nicht  sehr  starke  Gefäss  hat  einen  bedeutenden 
Umfang  angenommen,  es  ist  in  starres  Gewebe  eingehüllt  und  zeigt 
bei  der  Durchschneidung  grosse  Tendenz  zum  Zurückschlüpfen. 
In  solchen  Fällen  ist  es  gut,  das  Gefäss  vor  der  Durchschnei- 
dung mit  einer  König'schen  oder  einer  v.  Bergmännischen 
Klemme  zu  fassen  und  zu  unterbinden.  Oft  sind  die  Verhält- 
nisse so  ungünstig,  dass  überhaupt  eine  Unterbindung  unmöglich 
ist.  (Nr.  60.)  Ist  die  Leber  starr,  liegt  sie  hoch  unter  dem 
Rippenbogen,  so  ist  trotz  ausgiebiger  Incision  in  der  Mittellinie 
der  Zugang  zum  lieberhilus  kaum  zu  bewerkstelligen.  In  diesen 
Fällen  dürfte  selbst  eine  Lann  elongue'sche  Eippenresektion 
den  Zugang  kaum  verbessern.  Unterbindet  man  das  gefasste  Ge- 
fäss, so  schneidet  die  Ligatur  in  dem  brüchigen  Gewebe  durch,  die 
Arterie  zieht  sich  zurück  und  kann  in  solcher  Tiefe  bluten,  dass 
es  nicht  gelingt,  den  Seidenfaden  zu  knoten.  Für  solche  Ausnahme- 
fälle empfehle  ich,  die  Klemme  liegen  zu  lassen  und  nicht  zu 
unterbinden.  (Nr.  60,  Nr.  70,  Nr.  99,  Nr.  124,  Nr.  134.) 
Manchmal  gelingt  es  später,  wenn  der  Ductus  cysticus  sicher 
und  fest  ligiert  ist,  noch  die  Art.  zu  unterbinden,  da  man  an 
der  Ligatur  des  Ductus   cysticus   viel   herzhafter  ziehen  kann 


—     198     - 

wie  an  der  der  Arterie.  Immerhin  sei  man  in  den  geschilderten 
Fällen  mit  der  Ligatur  vorsichtig  und  sei  zufrieden,  wenn  die 
Klemme  die  Blutung  prompt  gestillt  hat. 

In  einigen  Fällen  blutete  die  durchtrennte  Cystica  wenig  oder 
überhaupt  nicht.  (Nr.  36,  Nr.  119.)  Entweder  war  der  Blutdruck 
in  dem  Augenblick  der  Excision  sehr  minimal,  oder  die  Arterie 
zeigte  so  viele  Verzweigungen ,  dass  ein  eigentlicher  Hauptast 
überhaupt  nicht  existierte.  Man  sei  aber  vorsichtig  in  der  Be- 
urteilung solcher  Fälle,  da  naturgemäss  eine  Nachblutung  ein- 
treten und  den  Erfolg  der  Operation  sehr  in  Frage  stellen  kann. 
Es  ist  zu  empfehlen,  mit  der  völligen  Verschliessung  der  Bauch- 
wunde eine  Zeit  lang  zu  warten  und  einen  Tampon  in  die  Tiefe 
zu  legen,  an  dem  man  sehen  kann,  ob  nicht  doch  ein  Gefäss 
blutet.  Erst  wenn  man  sicher  ist,  dass  in  der  Tiefe  kein 
grösseres  Gefäss  blutet,  kann  man  die  Operation  beenden,  d.  h. 
die  definitive  Tamponade  anlegen  und  die  Bauchwunde  schliessen. 

Sobald  der  laterale  Ast  der  Art.  cystica  von  der  Gallen- 
blase abgetrennt  ist,  stielt  sich  diese  am  Ductus  cysticus. 
(Nr.  64.)  Der  Hals  der  Gallenblase  wird  besonders  medial  von 
Fett  umgeben ,  das  man  mit  der  Schere  gut  zurückschieben 
kann,  wobei  gewöhnlich  der  mediale  Ast  der  Art.  cystica  etwas 
blutet.  Auch  ihn  verschliesst  man  mit  mittelstarker  Seide. 
Den  Ductus  cysticus  stielt  man  nun  so,  dass  man  genau  seinen 
Eintritt  in  den  Ductus  choledochus  übersehen  kann.  Die  Ein- 
mündungssteile liegt  bald  mehr  an  der  unteren,  bald  an  der 
vorderen  Seite  des  Choledochus;  oft  zieht  der  Cysticus  eine 
Strecke  lang  parallel  zum  Choledochus  und  mündet  in  diesen 
dicht  neben  dem  Duodenum.  Die  Verhältnisse  sind  so  ver- 
schieden ,  dass  sich  bestimmte  Regeln  nicht  aufstellen  lassen. 
Nicht  selten  ist  der  Hals  der  Gallenblase  sehr  ausgebuchtet  und 
erstreckt  sich  nach  oben  bis  unterhalb  des  Choledochus.  In 
solchen  Fällen  muss  man  sich  vor  einer  Verletzung  des  Chole- 
dochus hüten.     (Nr.  38,   Nr.  164.) 

Ist  der  Ductus  cysticus  gut  isoliert,  so  empfiehlt  es  sich, 
die  anfangs  angelegte  vorn  gebogene  Klemme  noch  einmal  zu 
entfernen  und  neu  anzulegen,  damit  man  auch  sicher  ist,  dass 
man  keine  andern  Gebilde  (Choledochus)  mit  gefasst  hat.  Jetzt 
fasst  man  den  Cysticus  dicht  am  Choledochus  mit  einer  König- 
schen  Klemme  und  schneidet  nun  die  Gallenblase  zwischen  der 
Absperrungsklemme  und    der    König' sehen   Klemme   ab.     Es 


—     199     — 

ist  darauf  zu  achten,  dass  man  nicht  zu  sehr  an  der  gestielten 
Gallenblase  zieht,  da  bei  bestehenden  Ulcerationen  im  Cysticus 
es  vorkommen  kann,  dass  die  Gallenblase  vorzeitig,  d.  h.  ehe 
man  den  Seidenfaden  um  den  Cysticus  gelegt  hat,  abreissen 
kann.     Nr.  39  ist  hierfür  ein  Beispiel! 

Ehe  man  weitergeht,  revidiert  man  das  Leberbett,  das 
man  zwecks  Blutstillung  mit  einer  feuchten  genähten  Kompresse 
bedeckt  hat,  stillt  starke  Blutungen  aus  Venen  durch  Unter- 
bindung. Auch  überzeugt  man  sich,  dass  die  Ligaturen  an  der 
Art.  cystica  resp.  den  verschiedenen  Ästen  gut  sitzen,  beseitigt 
etwaiges  in  die  Tiefe  gelaufenes  geronnenes  Blut,  führt  in  das 
Foramen  Winslowii,  also  unterhalb  des  Lig.  hepato- duodenale 
einen  langen  genähten  Gazetupfer  und  bringt  nun  den  Cysticus 
mit  der  Klemme  möglichst  in  das  Niveau  der  Bauchwunde. 
Die  Palpation  des  Choledochus  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
überzeugt  uns,  ob  event.  Steine  in  diesem  Gang  stecken.  Darauf 
wird  die  König' sehe  Klemme  von  dem  Cysticus  entfernt,  so- 
dass austretende  Galle  in  den  untergeschobenen  Tampon  fliessen 
kann.  Mit  feiner  Sonde  überzeugt  man  sich,  dass  der  Cysticus 
und  Choledochus  wegsam  und  frei  von  Steinen  sind,  und  ist 
eine  Uterussonde  einführbar"  so  vergewissert  man  sich  durch 
diese  von  der  Durchgängigkeit  der  Gallengänge.  Floss  die 
Galle  aus  dem  Choledochus  klar  ab,  war  der  Cysticus  sehr  eng, 
so  kann  man  mit  einer  an  Gewissheit  grenzenden  Wahrsclrein- 
lichkeit  annehmen,  dass  weitere  Steine  in  den  tiefen  Gängen 
nicht  stecken,  und  kann  den  Cysticus  mit  mittelstarker  Seide 
(auch  diese  bleibt  lang)  abbinden.  Fliesst  trübe  Galle  ab, 
fühlt  man  Steine  im  Choledochus,  so  ist  die  Operation  noch  nicht 
vollendet,  man  muss  zur  Ectomie  noch  eine  Cysticotomie,  event. 
Choledochotomie  resp.  Hepaticusdrainage  hinzufügen.  Die  Drai- 
nage des  Ductus  cysticus,  die  ich  im  Fall  53  geübt  habe,  wende 
ich  nicht  mehr  an  ,  sondern  mache  dafür  nach  der  Cysticus- 
spaltung  die  Hepaticusdrainage. 

Wir  setzen  den  Fall,  dass  die  Gallenblase  völlig  exstirpiert 
ist  und,  da  weitere  Steine  nicht  gefühlt  werden,  der  Cysticus- 
stumpf  unterbunden  und  versenkt  werden  kann. 

Wie  behandeln  wir  das  Leberbett?  Riedel  unterbindet 
jedes  blutende  Gefäss,  verschorft  auch  das  Leberbett  mit  dem 
Paquelin  und  verschliesst  ohne  Tamponade  die  ganze  Bauch- 
wunde   in    Fällen,   bei  denen  er  nicht   entzündete  Gallenblasen 


—     200     — 

entfernt  hat.  Ich  gebe  zu,  dass  in  Fällen,  bei  denen  jede  In- 
fektion fehlt,  ein  solches  Vorgehen  von  gutem  Erfolg  begleitet 
sein  kann,  muss  aber  daraufhinweisen,  dass  es  im  Augenblick  der 
Operation  doch  sehr  schwer  ist,  den  Grad  der  Entzündung  fest- 
zustellen und  vor  allen  Dingen  das  Fehlen  jeder  Infektion  mit 
Bestimmtheit  auszusprechen.  „Klare  Galle  kann  schwer  in- 
fiziert sein"  —  sagt  Riedel  selbst.  Also  nach  der  Beschaffen- 
heit der  Galle  können  wir  uns  nicht  immer  richten.  Eine  Gallen- 
blase kann  noch  ganz  gut  aussehen  und  doch  entzündet 
sein.  Selbst  der  erfahrenste  Gallensteinchirurg  kann  sich  in 
diesem  Punkte  sehr  täuschen.  Deshalb  bin  ich  prinzipiell  in 
jedem  Fall  tou  Ectomie  für  Taniponade.  Man  mag  einige 
grössere  blutende  Gefässe  des  Leberbettes  besonders  versorgen 
(Nr.  33,  Nr.  52,  Nr.  63),  man  mag  auch  das  Leberbett  so  ver- 
nähen, dass  man  von  dem  einen  Rand  zum  andern  die  Nadel 
führt  und  zugleich  das  Leberbett  selbst  dabei  fasst.  (Nr.  61.) 
Immerhin  ist  die  Naht  keine  ganz  sichere  Versorgung  von  Leber- 
wunden, und  ich  möchte  zu  der  Naht  stets  die  Tamponade  hin- 
zufügen. Dazu  kommt,  dass  man  meist  bei  der  Excision  einige 
Gallengänge  eröffnet,  die  ihren  Inhalt  in  die  Bauchhöhle  ergiessen. 
Ob  die  Galle  immer  steril  ist,  wer  will  das  vorher  wissen? 
Auch  können  trotz  aller  Sorgfalt  die  Ligaturen  an  der  Art. 
cystica  und  am  Ductus  cysticus  einmal  nachgeben  und  Blutung 
un(i.  Gallenerguss  die  Folge  sein.  Ich  gehe  den  sicheren  Weg  der 
Tamponade  und  lege  einen  Tampon  in  das  Leberbett,  den  zweiten 
unterhalb  der  Ligaturen  in  das  Foramen  Winslowii,  den 
dritten  oberhalb  derselben  auf  das  Lig.  hepato- duodenale.  So 
beuge  ich  allen  möglichen  Unglücksfällen  vor  und  brauche  nicht  zu 
fürchten,  dass  eine  Blutung  oder  ein  Gallenerguss  in  dem  oberen 
Bauchraum  entsteht,  der  z.  B.  Riedel  zweimal  veranlasste, 
den  Bauch  wieder  zu  eröffnen.  Ich  habe  noch  nie  eine  solche 
Nachoperation  nötig  gehabt,  und  das  verdanke  ich  der  Vorsicht 
meiner  in  allen  Fällen  von  Ectomie  geübten   Tamponade. 

Hauptsache  bleibt  bei  jeder  Ectomie  immer,  dass  man  die  Ab- 
lösung der  Gallenblase  von  der  Leber  in  richtiger  Weise  vornimmt, 
dass  man  die  Arteria  cystica  und  den  Ductus  cysticus  —  jedes 
Gebilde  für  sich  —  gut  unterbindet,  und  dass  man  eine  recht  sorg- 
fältige Blutstillung  und  eine  nicht  zu  geringe  Tamponade  vornimmt. 

Sehr  zu  empfehlen  ist,  dass  man  nach  der  Ectomie  eine 
Hepatopexie   vornimmt.    Gewöhnlich  ist  der  Teil    der  Leber, 


—     201     — 

der  über  der  Gallenblase  liegt,  narbig  verändert.  2  Stiche 
(darunter  Draht)  durch  diese  Stelle  mit  recht  dicken  Nadeln  schaden 
nichts.  Man  fasst  breit  das  Perit.  parietale  incl.  Fascie  und  bringt 
so  die  Leber  an  das  Bauchfell  heran.  Natürlich  hüte  man  sich 
vor  jeder  Zerrung.  Aber  durch  die  Hepatopexie  schliesst  man 
den  subphrenischen  Raum  ab,  und  dann  erleichtert  man  sich 
ungemein  die  Tamponade.  Die  Leber  liegt  fest,  der  eingeführte 
Tampon  schiebt  sie  gut  nach  oben.  Ich  habe  unter  meinen 
letzten  300  Gallenblasenexcisionen  fast  niemals  die  Hepato- 
pexie vergessen.  Spätere  Störungen  habe  ich  nicht  beobachtet, 
da  ich  von  jeher  jede  Zerrung  und  allzu  straffe  Fixation  ver- 
meide. Mit  der  tamponierenden  Gaze  —  gewöhnlich  3  Streifen  — 
werden  die  Ligaturen  der  Art.  cystica  und  des  Ductus  cysticus 
herausgeleitet.  Durchgreifende  Knopfnähte,  genau  wie  bei  der 
Cystostomie,  verschliessen  die  Bauchwunde  so,  dass  nur  da,  wo 
die  Leber  angenäht  ist,  ein  ca.  4 — 6  cm.  langer  Schlitz  offen  bleibt, 
der  die  Tampons  heraustreten  lässt.  Um  daselbst  die  Wunde 
recht  zum  Klaffen  zu  bringen  und  jede  Sekretverhaltung  zu  ver- 
hindern, werden  zuletzt  mit  kleineren  Haken  die  Wundränder 
nach  innen  resp.  aussen  gezogen  und  zwischen  diese  und  die 
tamponierende  Gaze  noch  einige  Streifen  steriler  Gaze  lateral  bis 
auf  die  Hepatopexiedrähte,  medial  bis  an  das  Peritoneum  gestopft. 
Dann  folgt  ein  umfangreicher  Gaze- Watte-Verband.  Der  Patient 
wird  zu  Bett  gebracht.  Die  Nachbehandlung  erfolgt  nach 
Grundsätzen,  die  ich  in  einem  besonderen  Kapitel  erörtern  werde; 
hier  will  ich  nur  bemerken,  dass  der  erste  Verband  gewöhnlich 
erst  nach  14  Tagen  entfernt  wird.  Dabei  werden  die  Hepatopexie- 
Fäden  beseitigt  und  die  Tampons  erneuert.  Nach  3  Wochen 
steht  der  Patient  auf,  und  nach  5  Wochen  verlässt  er  die  Klinik. 
Die   völlige    Heilung  der  Wunde  erfolgt  in  der  4.-6.  Woche. 

Die  Hepatopexie  unterlasse  ich,  wenn  das  Lebergewebe 
sehr  morsch  ist  und  die  Fäden  durchschneiden  (Nr.  87)  und 
wenn  die  Tampons  die  Leber  genügend  hochdrücken  (Nr.  112.) 

Die  Excision  der  Gallenblase  kann  eine  sehr  leichte  und 
eine  sehr  schwere  Operation  sein.  Bei  Frauen  mit  Hepatoptose, 
deren  Leber  sich  herauskippen  lässt,  (Nr.  33,  Nr.  50,  Nr»  85, 
Nr.  112,  Nr.  123),  liegt  die  Gallenblase  bis  zum  Cysticus  ge- 
wissermassen  extraperitoneal,  und  wenn  die  Gallenblase  wenig 
entzündet  ist,  genügt  oft  ein  Einritzen  der  Serosa  an  der  Stelle, 
wo  die  Gallenblase  an   die  Leber  fixiert  ist,    um   mit  sanftem 


—     202-    — 

Zug-  die  Gallenblase  bis  an  deii  Ductus  cysticus  zu  isolieren. 
(Nr.  52.)  Da  jede  Entzündung  fehlt,  der  Gallenblasenhals  nicht 
verdickt  ist,  macht  die  Stielung  des  Cysticus  in  solchen  Fällen 
gar  keine  Schwierigkeiten. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  Frauen,  die  nicht 
geboren  haben  (Nr.  64),  am  ungünstigsten  aber  beim  Manne,  und 
wenn  in  solchen  Fällen  die  Gallenblase  noch  geschrumpft,  durch 
Fisteln  mit  Duodenum  oder  Magen  in  Kommunikation  getreten, 
der  Gallenblasenhals,  wie  Riedel  treffend  sagt,  in  eine  Art  von 
Dachsbau  verwandelt  ist,  dann  bedarf  es  hervorragender 
Technik,  um  eine  Ectoraie  zu  vollenden. 

Man  muss  in  grösster  Tiefe  arbeiten,  die  Isolierung  des  Gallen- 
blasenhalses  ist  wegen  der  dort  abgelaufenen  Entzündung  äusserst 
mühsam,  (Nr.  41.)  nicht  immer  gelingt  es,  die  Arteria  cystica 
zu  unterbinden,  und  man  ist  froh,  wenn  man  die  Blutung  durch 
eine  Klemme  stillen  und  diese  liegen  lassen  kann.  Dazu  kommt, 
dass  es  schwer  fällt,  den  richtigen  Weg  zwischen  Leber  und 
Gallenblase  zu  finden.  Ist  die  Leber  morsch  (Nr.  58),  so  reisst 
sie  oft  ein,  starke  Blutungen  stören  das  weitere  Vordringen, 
die  Gallenblase  selbst  reisst  ein  wie  Zunder,  und  nur  in  traurigen 
Fetzen  befördert  man  das  Organ  heraus.  Will  man  für  solche 
fetzenweise  Entfernung  der  Gallenblase  einen  Namen  haben, 
so  könnte  man  von  einem  Morcellement  der  Gallenblase  sprechen. 
Es  können  solche  Operationen  zu  den  schwierigsten  gehören, 
die  überhaupt  am  Gallensystem  denkbar  sind.  Gewöhnlich 
ist  in  solchen  Fällen  auch  die  Narkose  nicht  berühmt,  der 
Kranke  reagiert  auf  jeden  Handgriff  in  der  Tiefe,  er  presst,  wird 
cyanotisch,  und  man  weiss  oft  nicht,  ob  man  die  Operation  ab- 
brechen oder  schnell  zu  Ende  führen  soll.  Gleitet  nun  gar 
einmal  eine  Klemme  von  der  Art.  cystica  ab  und  wird  das 
Operationsfeld  von  Blut  überschwemmt,  dann  möchte  man 
schier  verzagen  und  muss  doch  gerade  durch  energisches  und 
kräftiges  Vorgehen  die  drohende  Gefahr  abwenden.  Trotzdem 
möchte  ich  auch  in  solchen  Fällen  raten,  seine  Finger  möglichst 
vor  einer  Berührung  mit  infektiösem  Gallenblaseninhalt  zu  hüten 
und  nicht  wie  Riedel  vorzugehen,  der  empfohlen  hat,  die  Finger 
in  die  Gallenblase  hineinzustecken,  damit  man  sich  besser  orien- 
tieren kann.  Die  eingeführte  Sonde  oder  Kornzange  leistet  die- 
selben Dienste,  und  nur  zur  sicheren  Feststellung,  ob  alle  Steine 
entfernt  sind  —  z.  B.  bei  Steinen  im  retroduodenalen  Teil  des 


—     203     — 

Choledochus  — ,  ist  die  Fingereinführung  allerdings  unerlässlich. 
In  eine  Gallenblase  habe  ich  niemals  einen  Finger  hineingesteckt. 

Es  scheint,  als  ob  viele  Chirurgen  bei  der  Durchtrennung 
des  Ductus  cysticus  sehr  für  die  aseptische  Durchführung  der 
Operation  fürchten.  Sie  benützen  dazu  den  Paquelin,  ver- 
schorfen  die  Schleimhaut  oder  excidieren  sie,  nähen  über  den 
Stumpf  Peritoneum  oder  vernähen  den  Cysticusstumpf  (Ste- 
wart 1895)  gar  mit  dem  Perit.  parietale.  Ich  habe  niemals 
derartige  Manöver  unternommen  und  kann  versichern,  dass  ich  bei 
meiner  Methode,  der  einfachen  Abbindung  des  Ductus  cysticus, 
nie.  eine  irgendwie  gefährlich  werdende  Infektion  beobachtet 
habe.  Ich  habe  fast  400  Mal  die  Gallenblase  exstirpiert,  ohne 
dass  eine  Infektion  von  grösserem  Umfange  zu  Stande  kam.  Die 
Einnähung  des  Cysticusstumpfes  in  die  Bauchwunde  wird  zu  er- 
heblichen Zerrungen  führen,  und  wenn  man  die  Tamponade  so  um 
den  Cysticusstumpf  lagert,  dass  er  in  diese  wie  eingehüllt  ist, 
dann  braucht  man  keine  Sorge  vor  Infektion  zu  haben. 

Die  Resektion  der  Gallenblase,  wie  sie  Langen  buch 
empfohlen  hat,  der  die  an  der  Leber  haftende  Partie  stehen  lässt 
und  nur  den  freien  Teil  der  Gallenblase  entfernt,  ist  mir  nicht 
sympathisch.  Man  könnte  die  stehengebliebene  Schleimhaut  mit 
dem  Paquelin  verschorfen,  man  könnte  sie  auch  durch  nach- 
trägliche Excision  unschädlich  machen,  aber  wozu  solche  Teil- 
operationen, wenn  man  immer  die  totale  Excision  machen  kann? 
Warum  soll  man  wie  Kottmann*)  einen  Teil  des  Cysticus  oder 
gar  des  Gallenblasenhalses  stehen  lassen?  Ich  will  ja  gar  nicht 
haben,  dass  die  Gallenblase  sich  wieder  formt  und  ersetzt,  sie 
soll  ganz  fort,  damit  keine  Divertikel  zurückbleiben  und  keine 
neuen  Steine  sich  bilden  können.  Kottmann  fixiert  ausser- 
dem den  Torso  der  Gallenblase  am  Perit.  parietale  und  ruft 
auf  diese  Weise  Zerrungen  und  Abknickungen  hervor,  die  den 
Operierten  recht  belästigen  können. 

Das  Verfahren  von  Majo,  welcher  die  Schleimhaut  der 
Gallenblase  von  einem  Fundusschnitt  aus  bis  zum  Cysticus  ent- 
fernt, während  er  Muscularis  und  Serosa  erhält,  habe  ich  nicht 
geübt.    Ich  enthalte  mich  deshalb  jeder  Kritik  dieser  Methode. 

Ich  erwähnte  soeben  die  Modifikation  der  Ectomie  nach 
Kottmann.    Schon  Lindner  hatte  vorgeschlagen,  einen  Teil 


*)  M artig.  Zur  Chirurgie  der  Gallenwege.  Inaug.-Dissert.    1893. 


—     204      --- 

der  Gallenblase  zu  erhalten,  aus  dem  sich  gewissermassen  eine 
neue  Gallenblase  formieren  kann.  K ottmann  führte  diese  Idee 
aus  und  entfernte  nicht  das  ganze  Organ,  sondern  liess  den 
C3'-sticus  und  den  Hals  der  Gallenblase  stehen,  vernähte  den 
Torso  und  fixierte  ihn  am  Perit,  parietale;  in  dieser  Beziehung 
deckt  sich  somit  das  Kottmann'sche  Verfahren  mit  der  Cysto- 
pexie.  Der  Operation  hängt  natürlich  auch  der  Mangel  der 
Cystopexie  und  zwar  im  vermehrten  Masse  an  (Zerrung  der 
Gallengänge  durch  Fixation  der  Gallenblase  an  die  Bauchwand). 

Nach  meiner  Meinung  soll  man  nicht  nur  die  Gallenblase 
völlig  entfernen,  sondern  auch  noch  den  Cysticus  (Cysticec- 
tomie),  damit  sich  eben  kein  neues  Gallenbläschen  bilden  kann. 
(Nr.  102.)  Ich  fürchte,  dass  ein  solch'  kleines  sich  neubildendes 
Anhängsel  ebenso  gut  wie  die  grosse  Gallenblase  zu  Entzündungs- 
Recidiven  Veranlassung  geben  kann.  Aus  diesem  Grunde  ist 
die  Operation  Kottmann's  zu  streichen. 

Ich  habe  in  einigen  Fällen  (Nr.  71 — 73)  notgedrungen  eine 
Fimdusresektion  der  sehr  morschen  Gallenblase  machen  müssen, 
weil  die  vollständige  Ectomie  wegen  schlechter  Narkose  nicht 
durchführbar  war.  Solche  Operationen  sind  wenig  empfehlens- 
wert, doch  nicht  ganz  zu  vermeiden.     (Nr.  128.) 

Die  Colecistorafla  Loreta's*)  hat  keine  Nachahmer  gefun- 
den. Der  Operateur  legte  die  Gallenblase  in  mehrere  Längsfalten 
und  vernähte  deren  Wände  bis  zum  Verschwinden  jeder  Lichtung 
fest  aneinander.  Die  Gallenblase  wurde  versenkt.  Der  Fall 
ging  in  Heilung  aus,  doch  wird  die  Verödung  der  Gallenblase 
durch  die  einfache  Ektomie  leichter  erreicht. 

Der  Kuriosität  halber  teile  ich  noch  mit,  dass  Shettle**) 
eine  Ectomie  zweizeitig  ausführte;  ich  unterlasse  es,  diese  Ope- 
ration zu  beschreiben,  da  sie  keine  Vorteile,  sondern  nur  Nach- 
teile gewährt. 

Schliesslich  will  ich  noch  erwähnen,  dass  man  bei  grosser 
Dünnheit  des  die  Gallenblase  bedeckenden  Lebergewebes,  be- 
sonders wenn  es  narbig  verändert  ist,  dieses  gleich  mit  ent- 
fernen kann.     (Nr.  62.) 

f)  Die  Ectomie  bei  Carcinom  der  Gallenblase. 

Ich  widme  dem  Carcinom  der  Crallenblase  ein  besonderes 
Kapitel,  nicht  weil  ich  es,   wie  Riedel,   für  den  schlimmsten 

*)  Riforma  medica  Koma  88,  Nr.  55,  56. 

**)   The  Lancet  1896,  Nr.  14.    British  m^dical  Journal  1896,  Nr.  12. 


—     205     — 

Feind  der  Gallensteinkranken  halte,  sondern  weil  die  Ectomie 
bei  dieser  Krankheit  nach  anderen  Prinzipien  ausgeführt  werden 
rauss,  wie  bei  der  Cholelithiasis. 

Riedel  sah  52  Krebskranke  bei  6 — 700  Gallenstein- 
kranken. Petersen  gibt  an,  dass  bei  168  wegen  Gallensteinen 
operierten  Fällen  34  Mal  Carcinom  gefunden  wurde.  Das  klingt 
schauerlich.  Aber  Riedel  bedenkt  dabei  nicht,  dass  fast  nur 
die  schwersten  Gallensteinkranken  den  Chirurgen  aufsuchen, 
dass  also  alle  Carcinomkranken  kommen,  die  leichten  und 
mittelschweren  Gallensteinkranken  aber  zu  Hause  bleiben. 

Wenn  man  die  unzähligen  Gallensteinkranken  im  Auge 
hat,  die  in  Deutschland  mit  und  ohne  Beschwerden  herum- 
laufen, so  ist  das  durch  Steine  bedingte  Carcinom  ein  sehr 
seltenes  Leiden;  ich  habe  wie  Riedel  und  Czerny  eben- 
falls in  10*^/0  meiner  Fälle  Gallenblasencarcinom  beobachtet, 
aber  ich  kann  deshalb  der  Schlussfolgerung  Riedels  nicht 
beitreten. 

Ein  richtiges  Bild  von  der  Häufigkeit  des  Carcinoms 
erhalten  wir  z.  B.  aus  den  Sektionsberichten  des  Baseler  path. 
Instituts  aus  den  Jahren  1882—1888.  Da  kamen  auf  2520  Sek- 
tionen 7  Gallenblasenkrebse  =  0,28®/o;  Peters  fand  für  Kiel 
unter  5894  Sektionen  6  Fälle  ==  0,1  "/o.  Im  pathol.  Institut  in 
Helsingfors  wurden  unter  3775  Sektionen  (1858 — 1888)  sechsmal 
Krebse  der  Gallenblase  =  0,16'^jo  beobachtet.  Von  den  2520 
Sezierten  (Baseler  Institut)  hatten  255  Gallensteine,  sieben  davon 
Gallenblasenkrebs  =  2,7  "/o.  Peters  (Kiel)  fand  bei  1818 
männlichen  Leichen  55  Mal  Gallensteine  =  3*'/o,  bei  1177  weib- 
lichen Leichen  106  Mal  Gallensteine  =  9°/o.  Dabei  6  Carcinome 
=  3,75 "/„  der  Gallensteine.  Das  ist  reines  Krankenhausmaterial. 
Wenn  man  aber  bedenkt,  wieviel  Gallensteinkranke  der  Privat- 
praxis nicht  seziert  werden,  welche  niemals  von  ihren  Steinen 
etwas  gespürt  haben,  so  dürfte  die  Schlussfolgerung,  dass  das 
wahre  Prozentverhältnis  noch  viel  niedriger  —  vielleicht  bei 
2  ^jo  —  liegt,  gerechtfertigt  sein.  Riedel  gibt  an,  dass  im 
deutschen  Reiche  ca.  2  Millionen  Menschen  Gallensteine  haben, 
also  müssten  an  Gallenblasenkrebs  40,000  Menschen  leiden 
und  daher  auch  jährlich  ebensoviele  sterben.  Ich  glaube 
deshalb,  dass  2^/0  noch  viel  zu  hoch  gegriffen  sind. 

Damit  ist  nicht  gesagt,  dass  das  Carcinom  der  Gallenblase 
nicht   unsere   volle   Beachtung   verdient.     Ganz   im  Gegenteil, 


206 


Fig.  41. 


Drüben 


wir  sollen   kein  Mittel   unversucht  lassen,   dasselbe   frühzeitig 
zu  erkennen  und  frühzeitig  zu  operieren. 

Wir  alle  wissen,  dass  die  frühzeitige  Diagnose  auf  grosse 
Hindernisse  stösst,  und  man  kann  sagen :  Sobald  das  Gallen- 
blasencarcinom  sicher  zu  diagnosticieren  ist,  ist  es  radikal  nicht 
mehr   heilbar!     Dazu    kommt,    dass  gerade  Gallensteinkranke, 

die  später  an  Carcinom 
erkranken,  gewöhnlich 
von  ihren  Steinen  nicht 
viel  fühlen.  Sie  kommen 
erst  zum  Arzt  mit 
dem  fertigen,  palpab- 
len  Carcinom,  oft  schon 
mit  Ascites  und  Ikterus. 
So  müssen  wir  uns 
bescheiden ,  in  den 
allerseltensten  Fällen 
einmal  eine  Eadikal- 
operation      vornehmen 

Schema  für  Ectomie  und  Resektion  der  Lober  bnnnon 

beim  GaUenblasen-Carcinom.  ZU    KOnnen. 


Fig.  42. 


tiiuU 


u     0 


i/orn 


■ 


Drusen 


irorn. 


Schoraa  fUr  Hosektion  der  Lobor  samt  oarcinösor  Gallenblase.  Die  Figuren  I  u.  III 
zeigen  die  resezit-rten  LeborüUchen.  Die  Fäden  worden  bei  a  rosp.  b  g«knotpt 
und  künnen  in  tote  14  Tage  post  op.  entfernt  werden.  Dio  Filden  a  c,  b  c  in 
Figur  II  und  III  vorlaufen  an  der  Untorfläche  der  Leber.  Natürlich  geht  man 
nicht  nur  6  Mal  durch  die  Leber,  sondern  viel  üfter,  je  nach  der  LSngo  des  zu 
resezierenden  Stücks. 


—     207     — 

Bei  derselben  ist  es  aber  nötig,  nicht  nur  die  Gallenblase 
zu  entfernen,  sondern  man  muss  auch  die  Drüsen  am  Cysticus 
und  Lig.  hepato-duodenale  ausrotten  und  das  die  Gallenblase 
bedeckende  Lebergewebe  resecieren,  da  das  Carcinom  der 
Gallenblase  grosse  Neigung  zeigt,  auf  die  Leber  überzugreifen. 
Die  Ectomie  der  krebsigen  Gallenblase  ist  also  als  eine 
Eesektion  der  Leber,  an  welcher  die  Gallenblase  hängen  bleibt, 
und  als  eine  höchst  schwierige  Excision  der  vielen  Drüsen  im 
Lig.  hepato-duodenale  zu  betrachten.  Die  Resektionsmethoden 
der  Leber  will  ich  nicht  weiter  besprechen ;  ich  verweise  auf  die 
Lehrbücher  der  Chirurgie  und  auf  die  Arbeit  von  An  schütz 
in  den  V.  Volkmann'schen  Vorträgen;  ich  will  nur  bemerken, 
dass  ich  durch  eine  fortlaufende  starke  Naht  mit  einem  langen 
Seidenfaden  weit  im  Gesunden  die  Leber  durchsteche  und  so  die 
Leberresektion  fast  blutlos  mache.  Der  Faden  wird  mit  einer 
stumpfen  Nadel  (Kader)  durch  das  Lebergewebe  geführt  und  fest 
angezogen ;  wo  es  trotzdem  noch  blutet,  kommen  besondere  Liga- 
turen oder  Umstechungen  zur  Anwendung.  Eine  ausgiebige 
Tamponade  beschliesst  die  Operation.  Nach  ca.  14  Tagen  wird 
der  Faden  in  toto  entfernt.  Besser  wie  durch  jede  Beschrei- 
bung wird  meine  Art  zu  operieren  durch  vorstehende  sche- 
matische Abbildungen  (Fig.  41  u.  42)  erklärt.  Doch  bemerke 
ich,  dass  nur  bei  dünnem  Lebergewebe  über  der  Gallenblase 
die  Resektion  der  Leber  leicht  gemacht  werden  kann,  während 
sie  bei  dicker,  massiger  Leber  grosse  Schwierigkeiten  bereitet 
und  auf  andere  Weise  zu  bewerkstelligen  ist. 

Ich  möchte  besonders  den  nicht  sehr  geübten  Laparotomisten 
recht  davor  warnen,  allzukühn  bei  der  Behandlung  der  Gallen- 
blasenkrebse vorzugehen.  Ich  gehöre  nicht  zu  den  Chirurgen, 
die  vor  notwendigen,  aber  schwierigen  Operationen  zurück- 
schrecken, aber  eine  Operation  zu  machen,  ohne  zu  wissen,  ob 
sie  radikal  beendet  werden  kann,  ist  verwerflich.  Deshalb  über- 
zeuge man  sich  erst,  wie  die  Drüsen  am  Lig.  hepato-duodenale 
beschaffen  sind.  Sind  sie  fest,  aber  beweglich  oder  wenigstens 
gut  zugänglich,  so  mag  man  die  Operation  beginnen.  Sind  sie 
aber  wie  festgelötet,  allenthalben  verw^achsen,  so  ist  es  richtiger, 
wenn  man  es  bei  der  Probeincision  belässt.  Auch  die  Aus- 
dehnung des  Carcinom  auf  die  Leber  spielt  eine  entscheidende 
Rolle,  weniger  nach  beiden  Seiten  hin  als  cysticus wärts.  Man 
muss  im  Gesunden  bleiben  und  alles  Krankhafte  herausbringen: 


—     208     — 

dann  hat  eine  Carcinomoperation  Zweck,  sonst  nicht.  Leider 
überzeugt  man  sich  oft  erst  während  der  Leberresektion,  dass 
man  krankes  Gewebe  durchtrennt  hat  und  eine  Radikaloperation 
unmöglich  ist.  Nach  meinen  Erfahrungen  geben  Funduscarcinome 
eine  bessere  Prognose  wie  CoUumcarcinome  —  genau  wie  beim 
Uteruscarcinom.  Bei  ersterem  bleiben  die  Drüsen  im  Lig.  hepato- 
duodenale  länger  frei  wie  beim  letzteren,  üauerheilungen  nach 
Ectomien  der  carcinomatösen  Gallenblase  haben  Körte  (5  Jahre),. 
Kümmell-ßingel,  Wörner  (3  Jahre)  erzielt.  Ein  Fall  von 
Hochenegg  war  2  Jahre  lang  ohne  Metastasen  und  starb 
3  Jahre  post.  op.  Ich  habe  bisher  eine  Dauerheilung  noch  nicht 
erzielt,  trotzdem  ich  stets  sehr  radikal  vorgegangen  bin.  In 
einem  Fall,  bei  dem  das  Carcinom  auf  den  Pylorus  übergegriffen 
hatte,  habe  ich  gleichzeitig  eine  Pylorusresektion  nach  Kocher 
ausgeführt,  da  ich  die  Drüsen  am  Lig.  hepato-duodenale  weich 
fand  und  das  Lebergewebe  vom  Carcinom  verschont  war.  (Nr.  66.) 
Das  sind  sehr  eingreifende  Operationen,  die  nur  ein  fixer  Ope- 
rateur unternehmen  sollte.  Mehr  wie  1^/2  Stunden  sollte  man 
zur  Leberresektion  und  gleichzeitigen  Pylorusresektion  nicht 
gebrauchen.  Wer  in  dieser  Zeit  nicht  fertig  wird,  unterlässt 
lieber  den  Eingriff,  weil  bei  längerer  Dauer  zu  viel  Chloroform 
gebraucht  wird  und  der  Collaps  nicht  ausbleibt. 

Dass  ich  in  Fällen,  die  auf  ein  Carcinom  verdächtig  sind 
(Appetitlosigkeit  bei  Druckbeschwerden  in  der  Gallenblasen- 
gegend, Abmagerung,  Gallenblasentumor),  einen  Probeschnitt 
vorschlage,  ist  selbstverständlich,  aber  fast  ebenso  selbstver- 
ständlich ist  es,  dass  fast  alle  Patienten  diesen  meinen  Vor- 
schlag dankend  ablehnen.  Oft  bewiesen  sie  mir  die  ünnötig- 
keit  der  vorgeschlagenen  Operation  dadurch,  dass  sie  auch  ohne 
Operation  gesund  wurden,  oft  wurde  mein  Verdacht,  dass  sich  ein 
Carcinom  entwickeln  würde,  durch  den  baldigen  Tod  bestätigt. 

Ich  will  hier  gleich  erwähnen,  dass  nicht  selten  zu  dem 
Carcinom  der  Gallenblase  eine  Eiterung  hinzukommt.  Kann 
man  hier  die  Gallenblase  in  toto  entfernen,  so  ist  das  gewiss 
das  Beste.  Eine  Fistel  anzulegen,  hat  wenig  Sinn,  wenn  auch 
die  Druckschmerzen  auf  einige  Zeit  schwinden.  Aber  bald  fängt 
das  Carcinom  zu  jauchen  an,  und  ein  baldiger  Tod  ist  der  beste 
Abschluss  dieses  entsetzlichen  Leidens. 

Seitdem  ich  häufiger  wie  ehedem  die  Ectomie  ausführe, 
habe  ich  oft  genug  Geschwulstbildungen  besonders  im  Hals  der 


—     209     — 

Gallenblase  gefunden  —  maligne  Adenome  — ,  die  dem  Carcinoni 
sehr  nahe  stehen  und  die  wohl  auf  dem  Boden  eines  durch 
Steindruck  entstandenen  Ulcus  sich  gebildet  haben.  Bei  aus- 
geführter Cystostomie  wären  einige  dieser  Patienten  wahrschein- 
lich dem  Carcinom  verfallen.  Diese  Beobachtung  spricht  sehr 
für  die  Ectomie,  doch  fällt  es  mir  nicht  ein,  diese  Fälle  — 
einige  liegen  4  und  5  Jahre  zurück  —  als  geheilte  Gallenblasen- 
carcinome  hinzustellen. 

2.  Die  Operationen  am  Ductus  cysticus. 
a)  Die  Cysticolithotripsie. 
Die  von  Lawson  Taii  (1884)  eingeführte  Zertrümmerung 
des  Cysticussteines  durch  den  Druck  des  Fingers  oder  durch 
die  mit  einem  Gummirohr  überzogenen  Branchen  einer  Zange 
hat  man  mit  Recht  verlassen.  Durch  den  ausgeübten  Druck 
kann  die  Wandung  des  Ganges  in  ihrer  Ernährung  leiden,  und 
was  ebenso  schlimm  ist,  es  können  Steintrümmer  in  den 
Choledochus  geraten,  um  dort  den  Grund  zur  Neubildung  von 
Steinen  resp.  von  Inkrustationen  zu  legen.  Ich  halte  es  des- 
halb nicht  für  gestattet,  mit  Absicht  eine  Cysticolithotripsie 
vorzunehmen,  ja  ich  möchte  sogar  vor  einer  unfreiwilligen 
Zertrümmerung  warnen.  Bei  der  Tiefe  des  Ganges  ist  die 
Fixierung  des  Steines  nicht  immer  leicht;  es  geschieht  dabei 
zuweilen,  dass  man  zu  derb  zufasst  und  dass  dann  der  Stein 
in  Stücke  geht.  (Xr.  77.)  Konnte  man  ein  solches  Ereignis 
nicht  verhüten,  so  hat  man  die  Pflicht,  für  die  möglichste  Ent- 
fernung sämtlicher  Steintrümmer  nach  aussen  hin  zu  sorgen. 
Am  besten  aber  ist  es,  wenn  man  auch  eine  unfreiwillige  Zer- 
trümmerung nach  Möglichkeit  vermeidet. 

b)   Die  primäre   Cysticotomie. 

Wir  haben  bei  der  Cystostomie  die  Entfernung  des  Cysti- 
cus- resp.  Gallenblasenhaissteines  besprochen  und  die  Handgriffe 
beschrieben,  die  eine  Lockerung  desselben  und'  seine  Ver- 
schiebung gallenblasenwärts  bewirken.  Ist  eine  solche  Stein- 
entfernung unmöglich,  so  kommt,  wenn  man  nicht  auf  die  so- 
fortige Beseitigung  der  Occlusion  verzichten  oder  die  radi- 
kale Ectomie  vornehmen  will,  die  Cysticotomie,  die  Incision 
des  Ductus  cysticus  in  Betracht.     (Nr.  78,  79.) 

Wir  können  eine  äussere  und  eine  innere  Cysticotomie 
unterscheiden.     Bei  der  inneren,  die  wohl  zuerst  Körte  geübt 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationeD.    I.  14 


—     210 


Fig.  43. 


hat,  wird  mit  einem  Knopfmesser  von  der  Gallenblasenfistel 
aus  die  Schleimhaut  eingeschnitten  (also  ähnlich  wie  bei  der 
früher  geübten  Erweiterung  des  Bruchsackhalses),  und  dann 
durch  kombinierte  Eingriffe  von  der  inneren  und  äusseren 
Fläche  der  Gallenblase  her  die  Einklemmung  beseitigt.  Wir 
arbeiten  mit  unserem  Knopfmesser  aber  im  Dunkeln,  und  nur 
sehr  geschickte  Operateure  werden  in  solchen  Fällen  nicht 
zu  viel  und  nicht  zu  wenig  einschneiden.  Mit  Eecht  haben 
wir  die  Beseitigung  der  Einklemmung  der  Hernien  von  innen 
her,   d.   h.    vom   Bruchsack   aus,    verlassen   und   arbeiten  jetzt 

unter  der  Kontrolle 
des  Auges  von  aussen 
unter  schichtweiser 
Incision  des  ein- 
schnürenden Ringes. 
Ich  glaube,  wir  tun 
gut,  wenn  wir  auch 
beim  Cysticusstein 
uns  so  verhalten  und 
der  äusseren  Cysti- 
cotomie  (Hochen- 
egg  1890,  Lindner 
1891,  Kehr  1892) 
den  Vorzug  geben. 
Es  versteht  sich  von 

Schema  für  Cysticotomie  mit  Tamponado.  Selbst         daSS       wir 

ehe  wir  zur  Incision  schreiten,  kein  Mittel  unversucht 
lassen,  um  den  Stein  zu  lockern.  Eiedel  hat  zu  diesem 
Zweck  einen  Löffel  angegeben,  den  ich  mir  sofort  anschaffte, 
als  ich  zum  erstenmal  mit  einem  Cysticussteine  Widerwärtig- 
keiten zu  bestehen  hatte.  Ich  habe  aber  nur  einmal  mit  diesem 
Instrument  einen  Erfolg  erzielt  und  glaube  nicht,  dass  dieses 
schlechte  Resultat  auf  persönliche  Ungeschicklichkeit  zurückzu- 
führen ist.  So  oft  die  Sonde  den  Cysticusstein  überhaupt  nicht 
tasten  kann,  ebenso  oft  kommt  man  auch  mit  dem  Löffel  nicht 
zwischen  Schleimhaut  und  Stein. 

In  den  meisten  Fällen  bleibt  eben  nichts  anderes  übrig, 
als  die  Incision,  die  äussere  Cysticotomie. 

Die  Technik  der  Cysticotomie  ist  mit  wenigen  Worten  er- 
ledigt.   Die  Schnittführung  ist  die  gleiche  wie  bei  der  Cysto- 


—     21]     — 

stomie;  vor  allen  Dingen  muss  der  Schnitt  bis  an  oder  über  den 
Proc.  xiph.  hinaus  gehen,  damit  man  gut  an  den  Ductus  cysticus 
herankommt.  Nachdem  dieser  von  Verwachsungen,  die  sich  be- 
sonders nach  dem  Duodenum  hin  erstrecken,  befreit  ist,  legt 
man  in  die  Tiefe  zunächst  Kompressen,  damit  etwa  bei  der  In- 
cision  ausfliessender  Inhalt  in  der  Peritonealhöhle  keinen  Schaden 
anrichten  kann.  Die  vorher  durch  Schnitt  eröffnete  Gallenblase 
(siehe  Cystostomie)  ist  durch  einen  Gazestreifen  trocken  gelegt, 
die  Incisionswunde  an  der  Gallenblase  wird  durch  einige  Klemmen 
provisorisch  verschlossen.  Die  Incision  im  Ductus  cysticus  oder 
im  Hals  der  Gallenblase  erfolgt  direkt  auf  den  unverschieb- 
lichen Stein.  Man  mache  sie  anfangs  klein  und  versuche  den 
Stein  durch  das  angelegte  Loch  hindurchzudrücken.  Grosse 
Gewalt  soll  man  nicht  anwenden,  damit  das  Gewebe  nicht  leidet. 
Folgt  der  Stein  nicht  dem  Druck,  so  erweitert  man  die  Oeff- 
nung  mit  dem  Messer.  Den  herausspringenden  Stein,  das  nach- 
fliessende  Sekret  fängt  man  mit  einer  untergeschobenen  Gaze- 
kompresse auf.  Manchmal  liegt  hinter  dem  obturierenden  Stein 
ein  zweiter  oder  noch  mehrere,  so  dassman  genau  nachsehen  und 
sondieren  muss  —  gallenblasen-  und  choledochuswärts.  Es 
folgt  eine  einfache  Naht  durch  Serosa  und  Muscularis  mit  dünner 
Seide.  Die  Fäden  habe  ich  in  der  letzten  Zeit  lang  gelassen 
und  die  Naht  mit  einem  einzigen  Tampon  versehen.     (Fig.  43.) 

Nicht  immer  kommt  man  leicht  an  den  Cysticus  heran.  Des- 
halb muss  der  Bauchdeckenschnitt,  wie  bereits  bemerkt,  nach 
oben  zu  recht  ausgiebig  sein.  Eine  am  Fundus  angelegte 
Klemme  zieht  die  Gallenblase  kräftig  nach  aussen  und  oben,  der 
Assistent  hält  Magen,  Duodenum  und  Netz  recht  nach  innen,  unten: 
dann  ist  der  Zugang  meist  leicht.  Die  Incision  auf  den  Stein 
legt  man,  wenn  man  die  Fäden  kurz  abschneiden  und  nicht  tam- 
ponieren will,  wenn  möglich  so  an,  dass  die  Naht  mit  der  unteren 
Fläche  der  Leber  rasch  verkleben  kann.  Event,  kann  man  einen 
Netzzipfel  aus  dem  Lig.  hepato-gastricum  zur  Plastik  verwenden. 

Die  Cysticotomie  kann  man  mit  der  Ectomie  verbinden; 
erhält  man  die  Gallenblase,  so  ist  stets  die  Cystostomie  nötig. 
Dabei  eine  Cystendyse  nach  dem  Vorgang  von  Greiffenhagen 
auszuführen  ist  ein  Wagnis,  das  ich  nicht  verantworten  würde. 

Die  primäre  Cysticotomie,  die  man  sofort  bei  der  ersten 
Operation  ausführt,  nimmt  man  von  dem  gewöhnlichen  Cysto- 
stomieschnitt  aus  vor,    sekundäre  Cysticotomien  lassen  sich  am 

14* 


—     212     — 

besten  durch  einen  Schnitt  in  der  Mittellinie  erledigen  Die 
Gallen-  resp.  Schleimfistel  bleibt  auf  diese  Art  unberührt.  Davon 
reden  wir  in  einem  späteren  Kapitel. 

c)  Die  Cysticectomie  (die  Excision  des  Ductus  cysticus). 

Die  Cysticectomie,  die  Excision  des  Ductus  cysticus, 
können  wir  nicht  gut  als  eine  besondere  Operationsmethode 
hinstellen.  Wer  eine  gründliche  Ectomie  macht,  nimmt  auch 
den  Cysticus  mit  fort,  und  stellt  sich  heraus,  dass  die  Ectomie 
nicht  ganz  vollkommen  war,  so  wird  man  den  stehengebliebenen 
Rest  des  Ductus  cysticus  noch  nachträglich  entfernen.  (Nr.  84 
bis  Nr.  87.)  Man  fasst  den  Gang  am  äussersten  Zipfel, 
d.  h.  gallenblasenwärts  mit  einer  kräftigen  Klemme  und  isoliert 
ihn  nun  so  bis  zum  Eintritt  in  den  Choledochus,  dass  er  dicht 
an  dieser  Stelle  abgebunden  werden  kann.  Ich  habe  sehr  oft 
an  die  Stelle  der  völligen  Cysticectomie  die  Auslösung  der 
Mucosa  des  Cysticus  gesetzt,  die  zwar  mit  etwas  Blutverlust 
verbunden  ist,  aber  meist  glatt  gelingt.  Der  stehengebliebene 
Rest  der  Serosa  und  Muscularis  wird  dann  in  sich  vernäht. 
Eine  besondere  Beachtung  verdient  diese  Modifikation  der  Cystic- 
ectomie nicht. 

Eine  Resektion  des  Ductus  cysticus  derart,  dass  man 
den  Cysticus  am  Choledochus  einerseits  und  am  Gallenblaseu- 
hals  andererseits  durchschneidet,  das  zwischenliegende  Stück 
entfernt  und  nun  die  erhaltene  Gallenblase  in  den  Chole- 
dochus einnäht,  dürfte  nur  ein  Chirurg  ausführen,  der  von 
allzugrossem  Konservativismus  geplagt  wird.  Bei  Oblitera- 
tionen  des  Ductus  cysticus,  bei  ganz  kleinen,  auf  den  Cysti- 
cus beschränkten  Neubildungen  dürfte  eine  solche  Operation 
ausführbar  sein,  doch  soll  man  bedenken,  dass  die  Naht, 
die  die  Gallenblase  an  den  (/holedochus  fixiert,  zur  narbigeu 
Schrumpfung  und  zu  erneuter  Obliteration  Veranlassung  geben 
kann.  Es  ist  daher  viel  richtiger,  wenn  man  zur  Cysticectomie 
die  Ectomie  der  Gallenblase  hinzufügt  und  am  Cysticus  keine 
Resektionen  vornimmt. 

3.   Die  Operationen   am  Ductus  choledochus. 

a)  Die  Choledocholithotripsie. 

Was  für  die  Cysticolithotripsiegilt,  gilt  auch  von  der  Chol«- 

(locliolithotripsie :  die  Steintrümmer  können  leicht  zurückbleiben, 

und  wenn  sie  wirklich  sämtlich  abgehen,  so  wird  Patient  nach  der 


—     213     — 

Operation  Schmerzen  aushalten,  die  man  ihm  ersparen  soll.  Bei 
unfreiwilliger  Choledocholithotripsie  (Nr.  89)  verlange  ich  sogar 
nachträglich  die  Eröffnung  des  Ganges  zwecks  Entfernung  aller 
Trümmer,  und  da  ich  weiss,  wie  schwierig  das  ist,  füge  ich  die 
Hepaticusdrainage  hinzu.  Die  aus  der  Choledochusincision 
heraustretenden  Trümmer  verschmieren  sich  leicht  auf  dem  Pe- 
ritoneum und  können  eine  Peritonitis  verursachen,  Gründe  ge- 
nug, um  möglichst  auch  eine  unfreiwillige  Choledochotripsie  zu 
vermeiden.  Höchstens  für  den  kleinen  Stein  in  der  Papilla 
duodeni,  dessen  Entfernung  grosse  Technik  verlangt,  wäre 
eine  Zertrümmerung  im  Notfall  erlaubt,  d.  h.  wenn  die  Frei- 
legung der  Papille  wegen  grosser  Tiefe  und  vieler  Ver- 
wachsungen auf  grosse  Schwierigkeiten  stossen  würde.  Aber 
auch  für  diese  Fälle  möchte  ich  in  erster  Linie  die  Incisions- 
methode  empfehlen, 
b)  Die  supraduodenale  Choledoch  otomie  mit  Naht 
und  die  Hepaticusdrainage. 
Unter  Choledochotomie  (Kümmell  6.  2.  1884,  Thornton 
9.  5.  1889)  versteht  man  die  Incision  des  Choledochus  zwecks 
Entfernung  von  Steinen,  sonstigen  Fremdkörpern  (Ascariden) 
und  zw^ecks  Drainage  bei  Choledochitis  resp.  Cholangitis.  Die 
am  Choledochus  vorgenommene  Incision  wird  entweder  durch 
die  Naht  geschlossen  oder  genäht  und  tamponiert  oder  durch 
Gummi-  oder  Glasrohr  drainiert.  Wir  unterscheiden  also 
1.  eine  Choledochotomie  mit  Naht  (ideale  Methode),  2.  eine 
Choledochotomie  mit  Naht  und  Tamponade,  3.  eine  Choledochus- 
resp.  Hepaticusdrainage.  Ich  nenne  prinzipiell  jede  Drainage 
des  Choledochus  leberwärts  —  Hepaticus- Drainage,  jede 
Drainage  des  Choledochus  duodenalwärts  —  Choledochus- 
Drainage.  Die  Choledochotomie  wird  meist  in  dem  zugäng- 
lichsten Teil  des  Gangs  —  dem  supraduodenalen  Teil  —  vor- 
genommen. Den  retroduodenalen  erreicht  man  entweder  durch 
das  Duodenum  hindurch  (transduodenal)  oder  durch  Beiseite- 
schiebung desselben  (retroduodenal). 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man  einen  Gang,  den 
man  incidieren  will,  so  freilegt,  dass  man  genau  sieht,  was  man 
tut;  man  wird  nicht  im  Dunkeln  derartige  Eingriffe  vornehmen. 
Und  doch  hat  ein  Chirurg  —  es  ist  besser  ich  nenne  seinen 
Namen  nicht  —  empfohlen,  bei  chronischer  Choledochusobliteration 
durch  Stein  durch  die    Bauchwand  hindurch    eine   dicke  Nadel 


—     214     — 

einziistossen,  nach  dem  Stein  im  Gang  zu  suchen  und  mit 
der  Spitze  der  Nadel  den  Stein  zu  zersprengen.  Es  ist  zweck- 
los, ein  solches  Verfahren  zu  kritisieren,  man  hüllt  sich  am 
besten  im  Schweigen.  Vorbedingung  zu  einer  Choledochotomie 
ist  die  gehörige  Freilegung  des  Gangs,  d.  h.  des  Lig.  hepato- 
duodenale.  In  ihm  verläuft  der  Choledochus,  die  Vena  por- 
tarum  und  die  Art.  hepatica,  und  wer  die  normalen  anato- 
mischen Verhältnisse,  die  hier  in  Betracht  kommen,  nicht  kennt, 
wird  die  pathologisch  -  anatomischen  Veränderungen  erst  recht 
nicht  begreifen.  Die  anatomischen  Verhältnisse  am  Lig.  hepato- 
duodenale  habe  ich  oben  in  einem  besonderen  Kapitel  beschrieben; 
es  ist  gut,  wenn  der  Leser  das  dort  Gesagte  noch  einmal  sich 
vergegenwärtigt,  ehe  er  an  das  weitere  Studium  der  Technik 
der  Choledochotomie  sich  begibt.  — 

Bei  keiner  Operation  am  Gallensystem  zeigt  sich  der  Nutzen 
meines  Wellenschnitts  so  sehr,  wie  bei  der  Choledochotomie. 
Unter  Zuhilfenahme  der  Rücken-Rolle,  die  das  Operationsterrain 
so  nach  vorn  drängt,  dass  es  oft  in  das  Niveau  der  Bauch  wunde 
zu  liegen  kommt,  gewährt  der  Schnitt  einen  so  ausgezeichneten 
Zugang  zum  Lig.  hepato-duodenale,  dass  man  in  einigen  Fällen 
fast  extraperitoneal  die  Eröffnung  des  Choledochus  vornehmen 
kann.  Ich  mache  von  vornherein  einen  grossen  Schnitt  und 
kann  die  Bestrebungen  anderer  Chirurgen  (z.  B.  Mannoury, 
Richardson),  von  einem  möglichst  kleinen  Schnitt  aus  die 
Steine  zu  entfernen,  nicht  gutheissen.  Alle  kleinen  Schnitte 
erschweren  die  Operation  und  halten  sie  ganz  unnötig  auf. 

Die  Freilegung  des  Lig.  hepato  -  duodenale  setzt  eine 
Beseitigung  sämtlicher  Verwachsungen  voraus,  die  zwischen 
Leber,  Gallenblase,  Cysticus  und  Choledochus  einerseits  und 
Magen,  Pylorus,  Duodenum  und  Bauchwand  andererseits  be- 
stehen. Ebenso  sind  sämtliche  Fisteln  zwischen  Gallensystem 
und  Intestinis  erbarmungslos  zu  beseitigen.  Sind  alle  Ver- 
wachsungen durchtrennt  —  wie  das  zu  geschehen  hat,  habe  ich 
im  allgemeinen  Teil  der  Technik  auseinandergesetzt  — ,  dann 
legt  der  Assistent  eine  oder  mehrere  Kompressen  auf  den  Magen,, 
die  Därme  und  das  Netz  und  drängt  mit  flach  ausgebreiteter 
Hand  die  Intestina  nach  unten  innen,  derart,  dass  das  Lig. 
hepato-duodenale  sich  anspannt.  Der  Operateur  drückt  mit  der 
linken  flachen  Hand  die  Leber  nach  oben  aussen.  Man  schafft 
sich  dadurch  einen  breiten  Raum,  der  den  Choledochus  vom  Ein- 


—     215     — 


Fig.  44. 


tritt  in  die  Leber  bis  zum  Duodenum  völlig:  freilässt.  Der  supra- 
duodenale Teil  des  Choledochus,  an  welchem  ca.  90  "/o  aller 
Incisionen  vorgenommen  werden,  ist  uns  so  ausgezeichnet  zu- 
gänglich. Die  Leber  hält  am  besten  der  Operateur  selbst  mit 
der  linken  flachen  Hand  nach  oben,  nachdem  ein  genähter  Tampon 
auf  die  Unterfläche  der  Leber  gelegt  ist.  Nach  dem  Vorgang 
von  Studsgaards  die  Leber  mit  einem  dicken  Seidenfaden 
als  Haltezügel  zu  versehen,  halte  ich  für  unnötig. 

Ehe  man  die  Licision  am  Choledochus  vornimmt,  muss  man 
sich  entscheiden,  was  mit  der  Gallenblase  geschehen  soll. 
L  Soll  sie  unberührt  bleiben?     (Fig.  44.) 

2.  Soll  sie  entfernt  werden?     (Ectomie.)    (Fig.  45.) 

3.  Soll  eine  Fistel  an  ihr  angelegt  werden?  (Cystostomie.) 
(Fig.  46.) 

Man  kann  sie  erhalten,  wenn  sie  völlig  leer  ist,  (Nr.  92), 
wenn  sie  obliteriert  ist  und  sozusagen  alle  Funktionen  abgelegt 
hat.  (Nr.  125.)  In 
manchen  Fällen  ist  beim 

chron.  Choledochus- 
verschluss  die  Gallen- 
^)lase  so  klein,  dass 
man  sie  kaum  findet, 
nicht  grösser  wie  ein 
Kirschkern,  und  wenn 
man  sie  aufsehneidet, 
findet  man  kaum  eine 
Höhle;  der  Cysticus 
kann  obliteriert  sein, 
und  es  hat  in  der  Tat 
keinen  Zweck,  sie  zu 
entfernen.  Man  bedenke 
aber,  dass  man  die 
Frage,  ob  man  die  Gallenblase  unberührt  lassen  soll,  eigentlich  erst 
beantworten  kann,  wenn  man  sie  entfernt  hat.  Da  sieht  man  bis- 
weilen ein,  dass  man  sie  ebenso  gut  hätte  unberührt  lassen  können. 

Im  allgemeinen  tut  man  gut,  wenn  man  die  Gallenblase 
in  diesen  Fällen  entfernt. 

Ob  man  die  Ectomie  vornimmt  oder  ob  man  cystostomiert, 
das  ist  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden.  Die  Konstitution  des 
Patienten,  seine  Toleranz  gegen  das  Narkoticum,  die  Beschaffen- 


Sclicma  für  Choledochotomio  mit  Naht  und  Tara- 
ponado  ohne  Eröflfnung  der  Gallenblase. 


—     216     — 


Fig.  45. 


heit  der  Gallenblase  selbst,  der  Grad  der  in  ihr  sich  abspielenden 
Entzündung  etc.  spielen  in  diesem  Falle  eine  grosse  Rolle, 
ebenso  wie  die  Freimachung  des  Lig.  hepato-duodenale  hier  von 
entscheidender  Bedeutung  ist.  Im  allgemeinen  kann  man  sagen, 
dass  man  geschrumpfte,  ulcerierte,  fistulöse  Gallenblasen  unter 
allen  Umständen  entfernt,  während  eine  gut  erhaltene,  wenig  ent- 
zündete, gut  einnähbare  Gallenblase  eventuell  erhalten  werden 

kann.  Da  aber  gerade 
diese  Gallenblasen  leicht 
zu  entfernen  sind ,  da 
weiterhin  die  Ectomie  der 
Cystostomie  gegenüber 
deshalb  den  Vorzug  ver- 
dient, weil  die  Ectomie 
die  Hauptbildungsstätte 
der  Steine  entfernt,  und 
da  drittens  die  Wund- 
versorgung nach  der  Chole- 
dochotomle  resp.  Hepa- 
ticusdrainage  bei  gleich- 
zeitiger Ectomie  sich  viel 
einfacher  gestaltet ,  so 
entferne  ich  fast  immer 
die  Gallenblase  und  lege 
nur  in  ganz  bestimmten  Fällen  zugleich  an  der  Gallenblase  eine 
Fistel  an. 

Ich  nehme  dabei  weniger  auf  die  Gallenblase  Rücksicht 
als  auf  das  Pankreas. 

Gleichzeitige  Pankreatitis  chronica,  welche  sich  durch 
grössere  Resistenz  der  Bauchspeicheldrüse  auszeichnet,  macht 
es  wünschenswert,  dass  man  die  Gallenblase  erhält.  Zwar 
habe  ich  oft  genug  gesehen,  dass  auch  nach  der  Ectomie 
unter  gleichzeitiger  Hepaticusdrainage  der  entzündliche  Prozess 
im  Pankreas  zurückgeht,  d.  h.  dass  die  angelegte  Choledochus- 
fistel  allmählich  zuheilt  (würde  die  Papille  durch  das  verdickte 
Pankreas  weiter  komprimiert,  so  würde  eine  dauernde  Gallen- 
Fistel  entstehen),  immerhin  kann  man  die  Gallenblase  zur 
Anlegung  einer  (jlallenblat^en-  Darm-  oder  Magenfistel  gut  ver- 
werten, wenn  der  Prozess  im  Pankreaskopf  chronisch  bleibt  und 
der  Abfluss  der  Galle  in  den  Darm  nicht  zustande  kommt. 


Schema  für  Choledochotomie  mit  Naht  und 
Taraponade  bei  gleichzeitiger  Ectomie. 


—     217     — 

Man  kann  demnach  die  Incision  im  Choledochus  verbinden 
mit  einer  Ectomie  (Fig.  45)  oder  mit  einer  Cystostomie.  (Fig.  46.) 

Da  die  mit  Ectomie  komplizierte  Choledochusincision  am 
häufigsten  von  mir  vorgenommen  wird,  will  ich  mit  der  Be- 
schreibung dieser  Operation  beginnen. 

Entweder  entfernt  man  zuerst  die  Gallenblase  und  in- 
cidiert  dann  den  Choledochus,  oder  man  verfährt  umgekehrt. 

Hat  man  durch  Palpation  festgestellt,  dass  die  Gallen- 
blase völlig  leer  ist,  so  wendet  man  sich  gleich  an  die  Incision 
des  Choledochus.  Denn  die  Steinentfernung  aus  dem  Chole- 
dochus ist  die  Hauptsache  ;  vielleicht  stellt  es  sich  während  der 
Operation  heraus,  dass  es  zweckmässig  ist,  die  Gallenblase  zu 
erhalten  oder  eine  Cystostomie  zu  machen.  Zudem  ist  die  Chole- 
dochotomie  der  schwierigere  Eingriff,  bei  dem  man  recht  frische 
Kräfte  braucht,  und  schliesslich  kann  man  nie  wissen,  ob  die 
Gallenblase  nicht  schwer  infiziert  ist.  Man  tut  im  allgemeinen 
gut,  das  Operieren  im  infizierten  Gebiet  bis  an  den  Schluss  der 
ganzen  Operation  zu  verlegen.  Es  ist  nicht  leicht,  hier 
bindende  Angaben  zu  machen,  man  wird  von  Fall  zu  Fall  ent- 
scheiden, und  wer  die  Krankengeschichten  im  IL  Teil  recht  genau 
studiert,  wird  in  dieser  Beziehung  genug  Anhaltspunkte  finden. 

Ich  unterscheide  vom  chirurgischen  Standpunkt  am  Chole- 
dochus zwei  Partien,  1.  die  supraduodenale  —  zwischen  Cysticus- 
eintritt  und  Duodenum  gelegen,  und  2.  die  retroduodenale,  hinter 
dem  Duodenum  gelegene  Partie. 

Die  supraduodenale  liegt  gewöhnlich  ca.  3 — 4  cm.  lang  frei 
vor  uns,  man  kann  sie  vergrössern  dadurch,  dass  man  das  Duo- 
denum stumpf  bei  Seite  d.  h.  medianwärts  schiebt.  Da  hier 
mehrere  Venen  und  kleinere  Arterien  (siehe  den  anatom.  Teil) 
liegen,  soll  man  bei  dieser  Prozedur  möglichst  stumpf  vorgehen 
und  soll  die  Freimachung  nicht  übertreiben,  um  nicht  unnütze 
und  schwer  zu  stillende  Blutungen  hervorzurufen  und  die 
Duodenalwand  zu  beschädigen.  Wie  bei  der  Ectomie  wird 
man  auch  bei  der  Choledochotomie  für  eine  sorgfältige  Blut- 
stillung sorgen  und  ist  nicht  selten  bei  der  grossen  Tiefe  des 
Operationsterrains  gezwungen,  statt  der  Unterbindung  mit  Seide 
eine  Klemme  liegen  zu  lassen.  (Nr.  100.)  Ein  gehörig  grosser 
Bauchwandschnitt  ist  das  beste  Mittel,  um  eine  exakte  Blutstillung 
in  der  Tiefe  durchzuführen.  Daran  wolle  man  sich  immer  er- 
innern ! 


218 


Fig.  46 


Nehmen  wir  den  Fall,  dass  wir  es  mit  einem  grossen,  im 
supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  liegenden  beweglichen 
Stein  zu  tun  haben,  so  ist  mein  Vorgehen  folgendes.  Ich  führe 
die  linke  Hand  in  die  Bauchhöhle  ein  und  zwar  so,  dass  der 
Handteller  nach  oben  —  zwerchfellwärts  sieht,  der  kleine  Finger 
medial  und  der  Daumen  lateral  liegt.  Es  handelt  sich  also  um 
denselben  Handgriif,  wie  ich  ihn  bei  der  Beseitigung  des  Cysti- 
cussteins  beschrieben   habe.     Mit   Zeigefinger  und  Daumen  der 

linken  Hand  fixiere  ich 
das  Konkrementim  Cho- 
ledochus. Der  Daumen 
liegt  dabei  oft  im 
Foramen  Winslowii, 
wenn  dieses  nicht,  wie 
ich  öfters  beobachten 
konnte,  durch  die  Ent- 
zündungsvorgänge 
resp.  Adhäsionen  ver- 
deckt und  geschlossen 
ist.  Man  kann  .auch 
die  Fixation  des  Steins 
der  rechten  Hand  des 
Assistenten  überlassen, 
doch  habe  ich  gefunden, 
dass  besser  der  Opera- 
Das   hat    auch    noch    den 


Schema  für  Cysfcostomle  und  grleichzoitige  Cholo- 
dochotomiü  mit  Naht  und  Taraponade. 


teur  selbst  die  Fixation  besorgt 
Vorteil,  dass  man  nach  Excision  des  Steins  mit  dem  Zeige- 
finger und  Daumen  der  linken  Hand  sofort  den  Choledochus  hepa- 
ticuswärts  komprimieren  kann  und  so  die  infizierte  Galle  nicht  auf 
einmal  das  Operationsterrain  überschwemmt.  Man  lässt  immer 
durch  Lüften  der  Finger  nur  soviel  heraustreten,  als  man  gerade 
wegtupfen  kann,  und  wenn  das  auch  etwas  langweilig  ist,  so  ist 
dieses  Verfahren  für  den  Patienten  doch  von  grosser  Sicherheit. 
Die  Excision  des  Steins  wird  so  vorgenommen,  dass  in 
einer  Ausdehnung,  die  ^Ja  der  Länge  des  Steins  entspricht,  die 
Serosa  über  dem  Choledochus  eingeschnitten  wird.  Die  Blutung 
dabei  ist  minimal,  da  durch  die  Kompression  des  Steins  von 
innen  nach  aussen  die  Gefässlumina  zusammengedrückt  werden. 
Die  Serosa  wird  ringsum  etwas  zurückgeschoben,  und  nun  durch- 
schneidet  das  Messer  Muscularis  und  Schleimhaut   des   Chol(?- 


—     219     — 

dochiis.  Herausüiessendes  Sekret  (oft  klare,  oft  trübe  und 
eitrige  Galle)  fliesst  in  die  unter  das  Lig.  hepato-duodenale  bis 
in  das  Foramen  Winslowii  vorgeschobene  Kompresse.  Durch 
Druck  lässt  man  den  Stein  aus  der  Oeffnung  hervorspringen ; 
war  die  Incision  zu  klein,  so  erweitert  man  sie  nach  einer  oder 
nach  beiden  Seiten  in  der  Längsrichtung  des  Choledochus. 
Mit  der  Extraktion  des  Steins  durch  Kornzangen  sei  man  vor- 
sichtig, da  man  leicht  den  Stein  zertrümmern  kann.  Dadurch 
erschwert  man  sich  aber  seine  Entfernung  und  stört  die  Asepsis. 

Nicht  immer  liegt  nur  ein  Stein  im  Choledochus,  häufig 
enthält  er  mehrere  Konkremente.  Um  das  festzustellen,  legt 
man  an  jeden  Wundrand  des  Choledochus  eine  König'sche 
Klemme  oder  ein  sonst  gut  fassendes  Instrument;  auch  kann 
man  zwei  Seidenfadenschiingen  durch  die  Wundrärder  hindurch- 
legen. Durch  Anheben  und  Anziehen  bringt  man  die  Öffnung 
zum  klaffen,  tupft  hervortretende  Galle  mit  Gaze  fort  und  führt 
nun  eine  dicke  Sonde  in  den  Gang,  um  sich  über  das  Vorhanden- 
sein von  weiteren  Steinen  zu  vergewissern.  Mit  Kornzangen, 
Löffeln  entfernt  man  die  Konkremente  und  kann  auch  durch 
Ausstreichen  des  Ganges  von  aussen  her  mit  den  Fingern  die 
Steine  in  die  Höhe  der  Incisionsöffnung  bringen,  wo  man  sie  leicht 
entfernen  kann.  Bei  genügend  grosser  Incision  kann  man  für 
gewöhnlich  mit  der  Kornzange  bis  zur  Bifurkation  des  He- 
paticus  vordringen ;  den  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus 
revidiert  man  am  besten  so,  dass  man  eine  dicke  Uterus- 
sonde duodenal wärts  einführt  und  an  dieser  entlang  von  aussen 
her  den  Gang  auf  Steine  abtastet.  Meistenteils  wird  es  gelingen, 
die  Sonde  durch  die  Papille  in  das  Duodenum  zu  tühren.  Alle 
Instrumente,  die  man  im  Innern  des  Choledochus  verwendet 
hat,  werden  bei  Seite  gelegt  und  in  der  freien  Bauchhöhle 
(z.  B.  zur  späteren  Tamponade)  nicht  weiter  benutzt. 

Schliesslich  führt  man  den  kleinen  oder  Zeigefinger  — 
bald  der  rechten  bald  der  linken  Hand  —  in  den  Choledochus 
leber-  und  duodenalwärts  ein  und  muss  oft  einsehen,  dass  die 
Sondierung  mit  Instrumenten  eine  doch  recht  unvollkommene 
und  unsichere  Massnahme  ist.  Mit  den  Fingern  entdeckt  man 
noch  manchen  Stein,   der  sich  der  Sondierung  entzogen   hatte. 

Die  Tatsache,  dass  wir  nach  keiner  Choledochotomie  mit 
Bestimmtheit  sagen  können,  ob  alle  Steine  auch  wirklich  ent- 
fernt sind ,   hat  mich  bewogen,   ganz  und  gar  auf  einen  Naht- 


—     220 


Pig.  47. 


verschluss  der  Incision  zu  verzichten.  Ich  könnte  somit  die 
Technik  der  Naht  am  Choledochus  ganz  übergehen,  will  ihr 
aber  doch  der  Vollständigkeit  halber  einige  Worte  widmen. 
Ich  benutze  bei  allen  Nähten  in  der  Tiefe  den  Nadelhalter, 
wie  ihn  Fig.  20  wiedergibt,  und  die  feine  Nadel  in  Fig.  19;  natür- 
lich kann  man  auch  den  Hage  dorn 'sehen  Halter  gut  ver- 
wenden. Den  Miniature-Hammer  (petit  marteau)  von  Halsted 
zu  gebrauchen,  fühlte  ich  mich  nicht  veranlasst. 

Bei  einer  Choledochusnaht  wird  die  Schleimhaut  nicht  mit- 
genommen ;  an  den  Fäden  könnten  Inkrustationen  entstehen,  die 

später  zu  Recidiven  führen 
würden.  Nur  die  Serosa  und 
Muscularis  durchdringt  die 
Nadel.  Durch  Auseinander- 
ziehen der  Wundränder  an 
den   Haltezügeln    resp.   den 

König'schen  Klemmen 
macht  man  sich  jeden  Wund- 
rand gut  zugängFich  und 
versorgt  die  Incision,  wie 
man  am  Darm  ein  Loch 
zunäht.  Eine  einfache  Naht 
mit  einigen  Verstärkungen 
genügt.      Es    ist  unzweck- 


a)  Tiefe  Einmilndung  des  Ductus  cystious  in 

den  Uuct   choledochus.     Zwecks  Hepaticus-    „^Kyssio.     Mii«l?nlfiric    nnH    «lo 
dramago  ist  eine  besondere  Incision  im  Hepa-    i"aöOig5   iJ'J-UöAuiaiiö    uuu    oe 
ticus  bei  b)  zu  empfehlen   und  die  Incision 
bei  c)  zu  schli  essen  oder  ohne  Naht  zu  tam- 
ponieren. 


rosa  für  sich  zu  nähen.  Die 
Naht  sei  nicht  zu  dicht,  damit 
keine  Gewebsnekrose  zu  Stande  kommt ;  alle  3  mm.  eine  Naht 
anzulegen  genügt.  Delag^n  iere*)  vernäht  den  Längsschnitt 
im  Ductus  choledochus  quer,  um  einer  Striktur  des  Ganges  vorzu- 
beugen. Diese  Vorsichtsmassregel  scheint  mir  etwas  übertrieben. 
Die  Naht  ist  leicht,  wenn  der  Choledochus  gut  zugänglich 
ist;  abgesehen  aber  davon,  dass  man  nicht  selten  durch  die 
Nadel  Venen  ansticht  und  damit  recht  unangenehme  und  nicht 
immer  leicht  zu  stillende  Blutungen  macht,  die  dann  die  Serosa 
weit  abheben  und  leicht  infizierbare  Hämatome  setzen  können, 
ist  nach  meiner  Anffassung  die  Naht  prinzipiell  falsch.  Der 
Choledochus  ist  immer  etwas  infiziert,  und  infizierte  Gänge 
sollte    man    nicht   zunähen,    sondern   offen  behandeln.     Ob  das 

*)  Arch.  provinciales  de  Chirurgie.    Nr.  8.  1  Aoüt  1898. 


—     221     — 

Sekret  leicht  durch  die  Papille  abfliesst,  wissen  wir  nicht; 
Schleim  und  Blutpfröpfe  können  den  Gallenabfluss  beschränken, 
und  schliesslich  sind  wir,  wie  schon  oben  bemerkt,  nie  sicher,  ob 
alle  Steine  entfernt  sind.  Wir  verwerfen  fast  alle  die  Cysten- 
dyse  und  lassen  die  Gallenblase  offen;  nicht  anders  sollten  wir 
den  Choledochus  behandeln. 

Deshalb  verzichte  man  auf  die  Naht  und  drainiere  den  Gang, 
führe  also  die  von  mir  sehr  häufig  vorgenommene  Hepaticus- 
drainage  aus.  Zu  diesem  Zwecke  wählt  man  ein  ca.  1  cm. 
starkes  recht  langes  Gummirohr  (die  v.  Dembowski'sche*) 
Kanüle  benutze  ich  nicht)  und  führt  es  durch  die  Incision  einige 
Centimeter  tief  in  den  Choledochus  resp.  Hepaticus  leberwärts 
ein.  Glaubt  man,  dass  das  Rohr  richtig  liegt,**)  so  wird  es  so- 
fort durch  eine  Naht,  die  den  untern  Wundrand  des  Chole- 
dochus in  allen  Schichten  fasst,  fixiert.  Dann  folgt  die  Ver- 
kleinerung der  Chöledochusincision  an  beiden  oder  auch  nur  an 
einer  Seite  der  Incision  derart,  dass  fast  sämtliche  Galle  ge- 
zwungen ist,  durch  das  Rohr  abzulaufen :  man  stellt  also  einen 
möglichst  wasserdichten  Verschluss  der  Chöledochusincision  her. 
loh  habe  früher  möglichst  dicke  Rohre  in  den  Hepaticus  ein- 
geführt, halte  es  aber  jetzt  für  richtiger,  wenn  man  zwischen  Rohr 
und  Hepaticusschleimhaut  etwas  Spielraum  lässt,  nicht  nur  um 
einem  Druck  aus  dem  Wege  zu  gehen,  sondern  auch  um  einem  Teil 
der  Galle  den  Übertritt  in  den  Choledochus  und  das  Duodenum 
zu  gestatten.  Leitet  man  alle  Galle  nach  aussen,  so  legt  man 
den  Choledochus  gänzlich  brach,  es  kann  dort  vielleicht  eher 
eine  Infektion  zu  Stande  kommen,  als  wenn  er  von  etwas  Galle 
durchspült  wird.  Auch  können  sich  kleine  Trümmer  und  schmie- 
rige Galle  ansammeln,  die  event.  später  zu  Verstopfungen  Ver- 
anlassung geben.  Man  benutze  deshalb  Rohre  von  1  cm.  Durch- 
messer oder  noch  dünner. 

Man  kann  auch  ausser  dem  Hepaticus  noch  den  Chole- 
dochus drainieren  (Fig.  48),  wenn  man  Steine  aus  dem  retro- 
duodenalen  Teil  des  Choledochus  entfernen  musste  und  nicht 
ganz    sicher    war,    alle    Konkremente    ausgeräumt    zu    haben. 


*)  Centralbl.  f.  Chir.  1899.    Nr.  40. 

**)  Mit  der  Scheere  schneidet  man  aus  der  Wand  des  Gummirohrs 
—  ca.  5  cm.  vom  Ende  entfernt  —  ein  Stückchen  fort,  ohne  das  Lumen 
des  Rchrs  zu  eröffnen.  An  dieser  Marke  erkennt  man  sofort,  wie  tief 
das  Rohr  eingefühlt  ist. 


—     222     — 

(Nr.  141—146.)  Wenn  auch  bei  einfacher  Hepaticusdrainage  der 
Choledochus  duodenalwärts  während  der  Nachbehandlung  meisten- 
teils gut  zugänglich   ist,   so   erleichtert   man    sich  doch    seine 
Fig.  JS.  Sondierung    und    Aus- 

spülung durch  die 
gleichzeitige  Choledo- 
chusdrainage  ausser- 
ordentlich. Das  Rohr 
soll  man  nur  bis  an  die 
Papille  heranführen;  es 
in  das  Duodenum  zu 
schieben  (Fig.  49)  ist 
unzweckmässig,  weil 
durch  das  Rohr  Duo- 
denal- und  Mageninhalt 
ausgehebert  wird  und 
der  Operierte  dadurch 
leicht  der  Inanition.ver- 
fällt.  Einmal  habe  ich 
die  Drainage  des  Cho- 
ledochus so  vorgenom- 
men (Fig.  50),  dass  ich  das  Rohr  nicht  in  den  Hepaticus,  sondern 
in  den  Choledochus  einführte.  (Nr.  144.)  Da,  wo  es  in  den  Chole- 

Fig.  49. 


Schema  für  Choledochus-  und  Hepaticusdrainage 

nacb  Bctoraie  (die  btiden  Aeste  der  Art.  cystica  sind 

unterbunden,  die  Gallenblase  exstirpiert,  Hepaticus 

und  Choledochus  drainiert.) 


Schema  fUr  Hepaticusdrainage  (c)  und  Choledochusdrainago  (b)  bis 
über  die  Papille  a  hinaus  in  das  Duodenum.    (Bei  o  und  f  Tampons.) 


223     — 


docbus  umbieget,  wurde  es  mit  einem  Loch  versehen,  so  dass  die 
Galle  sowohl  durch  das  Rohr  nach  aussen  als  auch  in  das  Duodenum 
ablaufen  konnte.  Doch  ist  es  schwer,  das  Rohr  so  zu  fixieren, 
dass  man  den  Gallenfluss  nach  beiden  Richtungen  hin  sichert. 
Die  Drainage  des  Ductus  hepaticus  ist  nur  in  seltenen 
Fällen  unmöglich.  (\r.  90.)  Wenn  z.  B.  der  Ductus  cysticus 
sehr  tief  in  den  Öho-  p.    rQ 

ledochus  einmündet, 
so  ist  es  schwierig, 
das  Gummirohr  ohne 
Knickung  in  den 
Gang  leberwärts  zu 
schieben.  Für  solche 
Fälle  empfiehlt  es 
sich,  eine  besondere 
Incision  weiter  ober- 
halb, also  eigent- 
lich eine  Hepatico- 
tomie  zu  machen 
(Fig.  47),  oder  man 
verzichtet  auf  die 
Drainage  und  tam- 
poniert ohne  Naht 
die  Choledochusinci- 
sion.    (Nr.  96.) 

Wir  haben  bis- 
her die  Gallenblase 
gar  nicht  berück- 
sichtigt, da  wir  den 
Fall  setzten,  dass  die 
Gallenblase  keine 
Steine  enthielt.  Ist 
dieses  der  Fall,  so  scheint  es  mir  zweckmässiger,  zuerst 
die  Gallenblase  zu  entfernen  und  dann  den  Choledochus 
in  Angriff  zu  nehmen.  Die  Technik  der  Ectomie  ist  bereits 
oben  eingehend  erörtert  worden,  so  dass  ich  erst  am  Cysticus- 
stumpf  mit  meiner  weiteren  Beschreibung  anzusetzen  brauche. 
Ist  der  Cysticus  quer  abgetrennt,  so  führe  ich  durch  den  Rest 
des  Cysticus  eine  Sonde  in  den  Choledochus  ein  und  spalte 
gleich  Cysticus  und  Choledochus  in  einem  Schnitt.  (Fig.  51.)  Wir 


Das  Rohr  ist  bei  bi,  wo  es  in  den  Choledochus  umbiegt, 
mit  einem  Loch  versehen,  sodass  die  Galle  sowohl  nach 
aussen  —  nach  b  —  als  durch  die  Papille  aai  hindurch 
nach  dem  Duodenum  hin  —  nach  bn  —  abfliesseu  kann. 


-     224     — 

haben  also  eine  Cysticus- und  eine  Choledocliusincision  vor  uns 
und  werden  nun  im  weiteren  genau  so  verfahren ,  wie  ich  das 
oben  auseinander   gesetzt  habe:   die  Wundränder    werden   mit 


Fig.  51. 


Schema  der  Hepaticusdrainage  1.     (Sonde  ist 
durch  den  Cysticus  in  den  Choledochus  ein- 
geführt; auf   ihr  wird   die   Strecke  von  1—2 
gespalten.) 


Schema  der  Hepaticusdrainage  II.  (Rohr  liegt  im 
Hepaticus,  die  Wunde  ist  tamponiert) 


je  einer  König'schen  Klemme  gefasst,  der  Stein  wird  entfernt 
und  der  Choledochus  dann  drainiert. 

Man  kann  natürlich  auch  so  verfahren ,  dass  man  den 
Cysticus  für  sich  unterbindet  und  eine  besondere  Choledochus- 
incision  hinzufügt.  Viel  einfacher  aber  ist  es,  wenn  man 
vom  Cysticusquerschnitt  aus  den  Choledochus  spaltet  und  dann 
den  stehengebliebenen  Stumpf  des  Cysticus  in  toto  bis  an 
den  Choledochus  excidiert  oder  nur  die  Schleimhaut  des 
Cysticus  entfernt  und  dann  Serosa  und  Muscularis  in  sich 
vernäht. 

Will  man  die  Gallenblase  erhalten,  so  empfiehlt  es  sich 
unter  allen  Umständen,  dieselbe  zu  drainieren  entweder  durch  die 
Cystostomie  oder  durch  das  Schlauchvertahren.  Auch  kann  es  not- 
wendig werden,  zur  Cystostomie  eine  Cysticotomie  hinzuzufügen. 


—     225     — 


Wir  können  also  folgende  Kombinationen  vornehmen: 

1.  Cystostomie  und  Choledochotomie  mit  Naht  ohne  Tam- 
ponade. 

2.  Cystostomie  und  Choledochotomie   mit  Naht   mit  Tam- 
ponade.    (Fig.  46.) 

3.  Cystostomie,  Cysticotomie  und  Choledochotomie  mit  Naht 
ohne  Tamponade. 

4.  Cystostomie,  Cysticotomie  und  Choledochotomie  mit  Naht 
mit  Tamponade. 

5.  Schlauchverfahren  und  Choledochotomie   mit  Naht  und 
Tamponade.     (Fig.  53.) 

6.  Schlauchverfahren  und 
Pi«r-53.                                 Cystico- Choledochoto- 
mie mit  Naht  und  Tam- 
ponade. 

7.  Cystectoraie  und  Cho- 
ledochotomie mit  Naht 
u.  Tamponade  (Fig.  45). 

8.  Cystectomie  mit  Cysti- 
cotomie und  Chole- 
dochotomie mit  Naht 
und  Tamponade. 

9.  Cystectomie    mit   He- 
paticusdrainage      und 
Tamponade.     (Fig.  51 
und  52.) 
Ich  bin  in  den  letzten 

Jahren  immer  mehr  und 
mehr  zu  der  Überzeugung 
gekommen,  dass  eine  ge- 
hörige Tamponade  zu  dem  Erfolg  einer  Gallensteinoperation 
wesentlich  beiträgt  und  tamponiere  jetzt  jede  Naht  am 
Cysticns  nnd  Choledochus.  Ich  muss  das  schon  deshalb  tun, 
weil  ich  sämtliche  Fäden,  die  einen  Gallengang  verschliessen, 
lang  lasse.  Ich  könnte  sie  ohne  Tamponade  schlecht  entfernen. 
Für  mich  fallen  also  die  Operationsmethoden  unter  1  und  3  von 
vorneherein  fort.  Auch  die  Gallenblase  nehme  ich  fast  stets 
weg,  sodass  1 — 6  selten  zur  Ausführung  kommen;  am  meisten 
bevorzuge  ich  die  Ectomie  in  Verbindung  mit  Cysticotomie 
und  Hepaticnsdrainage.    (Fig.  51  und  52.) 

Kehr,  Technik  der  QaUensteinoperationeD.    I.  15 


Schema  für  Choledochotomie  mit  Naht  und  Tam- 
ponade bei  gleichzeitigem  Schlauchverfahren  der 
geschrumpften  Galleublase. 


—     22G     — 


Fig.  54. 


Bei  der  chronischen  recid.  Cholecystitis  und  Cholangitis  ist 
diese  Operation  die  Normalmethode,  und  ich  glaube,  dass  sie 
die  Operation  der  Zukunft  ist. 

Ohne  eine  ausgiebige  Tamponade  ist  aber  diese  Operation 
geradezu  unmöglich !  Ich  gehe  nicht  zu  weit,  wenn  ich  be- 
haupte, dass  die  Tamponade  bei  der  Hepaticusdrainage  fast 
der  wichtigste  Akt  der  Operation  selbst  ist.  Wie  man  diese 
Tamponade  ausführt,  davon  hängt  sehr  viel  ab. 

Wir  nehmen  an,  dass  die  Gallenblase  entfernt  ist.  Auf 
dem   wunden  Leberbett   liegt  eine   Kompresse,   die  Fäden   der 

Art.  cystica  und  des  Nahtver- 
schlusses am  Choledochus  samt 
dem  Rohr  sind  nach  aussen  ge- 
leitet. 

Der  genähte  Tampon  vom  Leber- 
bett wird  entfernt,  die  Fäden  wer- 
den straff  angezogen,  und  nun  wird 
der  erste    lange  Gazetampon   auf 
die  Unterbindung  der  Art.  cystica 
und     des    Ductus   cysticus     und 
das  Leberbett   der   zweite    ober- 
halb   des   Rohres    auf    das   Lig. 
hepato-duodenale,  der  dritte  unter- 
halb des  Rohres  in  das  Foramen 
Winslowii     und      der     vierte 
zwischen    Choledocliusnähte    und 
Duodenum  gelegt.    (Fig.  54).    Die 
Bauchwunde   wird   durch   Durch- 
stichknopfnähte   so    verschlossen, 
dass  nur  ein  Spalt  für  den  Durch- 
tritt der  Tamponade  übrig  bleibt. 
Ich  füge  dem  Obengesagten  noch  einige  Bemerkungen  hinzu. 
Als  Wegweiser  zum  Choledochus  benutze  man  die  Gallen- 
blase,  die  Drüse  am  Cysticus  und   das  Foramen    Winslowii. 
Langenbuch*)    liebte    den  pylorischen  Weg,   d.  h.  er  legte 
das  Duodenum    und    den  Pylorus    frei  und  suchte  sich  so  das 
Lig.  hepato-duodenale  auf.     Es  ist  wohl  ziemlich  gleichgültig, 
welchen  Weg  man  einschlägt,  da  man  aber  stets  mit  der  Gegen- 


Schema  für  dio  Tamponade. 
Tampon    I:  Art.  cystica  a),  Ductus 
cysticus    b) ,    wundes 
l^eberbett  c). 
Tampon  II:  Oberhalb  des  Rohrs. 
Tampon  HI:  Unterhalb  des  Rohrs. 
Tampon  IV:  Choledochusnaht  (d)  u. 
zwischen     Rohr    und 
Duodenum. 


*)  Langenbuch:  Über  die  Technik  der  Choledochotomie.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1898,  Nr.  45. 


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wart  resp.  Versorgung  der  Gallenblase  (Ectomie,  Cystostomie) 
zu  rechnen  hat,  so  habe  ich  mich  daran  gewöhnt,  immer  an 
Gallenblase  und  Cysticus  entlang  den  Choledochus  aufzusuchen. 

Wenn  man  die  Incision  im  Choledochus  nach  dem  Duodenum 
hin  vergrössern  muss,  so  kann  man  mit  Asten  der  Arteria  gastro- 
duodenalis  resp.  der  Art.  cystica  accessoria  in  Konflikt  kommen. 
Auch  venöse  Blutungen  stören  oft  sehr.  Wichtig  ist,  dass  man 
den  Choledochus  durch  König'sche  Klemmen  hochzieht; 
entschlüpft  er  in  die  Tiefe,  so  können  diese  Blutungen  einen 
sehr  bedrohlichen  Charakter  annehmen;  besonders  bei  tiefliegendem 
Ligament,  bei  Männern  mit  straifen  Bauchdecken  können  solche 
Blutungen  recht  ungemütlich  werden. 

Die  Freilegung  des  Ductus  choledochus  durch  Lumbai- 
schnitt (Tuffier)  halte  ich  für  verfehlt.  Es  handelt  sich  doch 
nicht  allein  darum,  den  Choledochus  von  Steinen  zu  säubern, 
sondern  wir  müssen  auch  auf  die  Gallenblase  Rücksicht  nehmen. 
Wenn  auch  die  Gallenblase  von  hinten  her  zu  erreichen  ist 
(Whrigt,  Mears,  Eeboult),  so  ist  doch  der  Weg  von  vorne  her 
leichter  und  rationeller.  Tuffier  empfiehlt  eine  Schnittführung 
vom  Winkel  der  12.  Rippe  nach  aussen  vom  M.  erector  Spinae 
etwa  15  cm.  weit  nach  unten.  Durch  diesen  Schnitt  sollen 
der  zweite  Teil  des  Ganges  und  die  hintere  Fläche  des  mittleren 
Abschnittes  des  Duodenum  leicht  und  vor  allem  extraperitoneal 
freizulegen  sein,  während  sonst  gerade  dieser  Abschnitt  oft 
unerreichbar  sei. 

Poirier  weist  darauf  liin,  dass  bei  dieser  Art  der  Frei- 
legung die  Vena  cava  oder  portarum  angerissen  werden  kann. 
Da  man  in  grosser  Tiefe  arbeitet,  ist  in  der  Tat  eine  derartige 
Komplikation  zu  fürchten. 

Aber  ganz  abgesehen  davon  vereitelt  die  Schnittführung 
Tuffier's  die  Lösung  der  Adhäsionen  zwischen  Gallenblase  und 
Intestinis,  die  Beseitigung  etwaiger  Fisteln,  die  Entleerung  der 
Gallenblase  und  könnte  höchstens  dann  einmal  zur  Anwendung 
kommen,  wenn  es  von  vornher  absolut  nicht  gelingen  will,  den  Stein 
im  Choledochus  zu  erreichen.  Der  geübte  Operateur  biiiigt  das 
aber  immer  zu  Wege,  und  für  den  ungeübten  wäre  eine  Kom- 
bination der  vorderen  und  hinteren  Laparotomie  erst  recht  nichts. 

Der  Entfernung  des  retroduodenal  sitzenden  Steines  will 
ich  einen  besonderen  Abschnitt  widmen ,  indem  ich  die  retro- 
duodenale     und     transduodenale     Choledochotomie    ausführlich 

15* 


—     228     — 

beschreibe.  Ich  werde  dort  Gelegenheit  finden,  die  Entfernung 
des  retroduodenalen  Steins  durch  manuelle  und  instrumentelle 
Massnahmen  zu  erörtern. 

Der  Einschnitt  im  Choledochus  soll  immer  ein  Längsschnitt 
sein;  Hume  empfahl  mit  Rücksicht  auf  die  gute  Ausführbarkeit 
der  Drainage  den  Querschnitt. 

Eine  zweizeitige  Choledochotomie  ganz  analog  der  zwei- 
zeitigen Cystostomie  haben  Quönu  und  Arbuthnot  Lane 
ausgeführt.  Ich  habe  es  niemals  nötig  gehabt,  ihrem  Bei- 
spiel zu  folgen,  glaube  auch  nicht,  dass  ich  jemals  in  die  Ver- 
legenheit kommen  könnte,  zweizeitig  zu  operieren.  Ist  es  schon 
schwer,  die  Gallenblase  bei  zweizeitiger  Cystostomie  wieder- 
zufinden, so  kann  die  Orientierung  bei  einer  zweizeitigen  Chole- 
dochotomie geradezuunmöglich  werden.  EinegewaltigeTamponade 
wäre  nötig,  um  den  Gang  zugänglich  zu  machen;  der  Ductus 
müsste  durch  einen  Faden  für  die  spätere  Incision  kenntlich 
gemacht  werden.  In  der  Zeit  zwischen  den  beiden  Operationen 
kann  der  Stein  seine  Lage  so  verändern,  dass  seine  spätere 
Auffindung  nicht  gelingt,  wenn  nicht  gar  in  der  Zwischenzeit 
eine  Cholangitis  den  Patienten  auf  das  Höchste  geschwächt  hat. 
Die  zweizeitige  Choledochotomie  ist  wie  die  zweizeitige  Cysto- 
stomie aus  der  Furcht  entstanden,  dass  bei  sofortiger  Incision 
des  Choledochus  durch  Einlaufen  von  infektiöser  Galle  in  den 
Bauchraum  eine  Peritonitis  entstehen  könnte.  Diese  Furcht 
ist  aber  bei  richtiger  Technik  d.  h.  bei  genügender  Ab- 
sperrungstamponade keine  begründete,  so  dass  die  zwei- 
zeitige Choledochotomie  überhaupt  nur  in  Betracht  käme, 
wenn  man  wegen  absolut  schlechter  Narkose  die  Operation 
abbrechen  müsste. 

Einige  Chirurgen  wollen  die  Choledochotomie  einschränken, 
und  man  kann  in  der  Tat  die  Incision  des  Ganges  vermeiden, 
wenn  es  gelingt,  den  Stein  durch  den  erweiterten  Cysticus  in 
die  Gallenblase  zu  schieben  und  hier  nach  Cystostomie  zu  ent- 
fernen. Mir  ist  das  einige  Male  geglückt  (Nr.  139),  in  einem 
Fall  habe  ich  die  Incision  in  der  Gallenblase  dazu  benützt, 
um  eine  Anastomose  mit  dem  Magen  wegen  gleichzeitiger 
chronischer  Pankreatitis  herzustellen  (Nr.  165).  Aber  sehr 
selten  ist  der  Cysticus  so  erweitert,  dass  die  von  Rose*)  und 


*)  Rose,  deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  1898,  Bd.  49,  Heft  6. 


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Kuhn,  vorher  schon  von  Villard*)  und  Ricard**)  vorge- 
schlagene Ausräumung  des  Choledochus  von  der  Gallenblase 
aus  gelingt.  (Nr.  139, 140.)  Meist  zieht  sich  der  Ductus  cysticus, 
wenn  ein  Stein  diesen  Gang  passiert  hat,  wieder  zusammen,  und 
durch  enge  Gänge  grössere  Steine  mit  Gewalt  durchzupressen  halte 
ich  für  verfehlt.  Dazu  kommt,  dass  man  nur  nach  Incision 
des  Ductus  choledochus  selbst  ungefähr  wissen  kann,  ob  alle 
Steine  entfernt  sind  oder  nicht,  und  dass  selbst  die  Incision  in 
dieser  Beziehung  keine  sichere  Garantie  bietet,  wenn  man  nicht 
durch  Offenhaltung  des  Gangs  mittels  Hepaticusdralnage  die 
weitere  Sondierung  der  Gallengänge  und  ihre  Ausspülung  er- 
möglicht. Als  Methode  hat  die  Rose- Kuh n'sche  Operation 
keine  Geltung,  in  wenigen  Ausnahmefällen  mag  sie  uns  will- 
kommen sein. 

Die  Auffindung  des  Choledochus  resp.  der  darin  enthaltenen 
Steine  und  der  Nachweis  ihrer  sicheren  Entfernung  soll  nach 
Angabe  einiger  Chirurgen  dadurch  erleichtert  werden,  dass  man 
von  der  Gallenblase  aus  die  Gallen wege  mit  physiologischer  Koch- 
salzlösung oder  Luft  anfüllt.  Scharp  und  Smith  in  Chicago 
haben  einen  von  Weller  van  Hook  angegebenen  Apparat 
konstruiert,  um  Luft  in  die  Gallenwege  zu  pumpen.  Ich  besitze 
auch  einen  solchen  Apparat,  aber  er  liegt  in  einem  verborgenen 
Fach  meines  Schreibtisches  und  wird  niemals  verwendet. 

Ich  will  meine  Auseinandersetzungen  über  die  Entfernung 
des  Steins  aus  dem  supraduodenalen  Teil  nicht  schliessen,  ohne 
Riedels  Ideal:  Verschliessung  der  Choledochusincision  ohne 
Tamponade  mit  einigen  Worten  zu  berühren.  Ich  verstehe  ein- 
fach ein  solches  Vorgehen  nicht.  Ist  es  schon  falsch,  den  Gang 
zu  vernähen,  so  ist  es  geradezu  vermessen,  die  Bauchwunde 
gänzlich  zu  verschliessen ,  ohne  ein  Sicherheitsventil  zurück- 
zulassen. Gewiss  kann  man  einmal  mit  einem  vollständigen 
Bauchverschluss  Glück  haben,  und  ein  nichtgeübter  Hochtourist 
kommt  schliesslich  auch  einmal  ohne  sachverständigen  Führer 
auf  den  Grossglockner.  Aber  wer  sein  Leben  lieb  hat,  lässt 
sich  anseilen  und  macht  nicht  solche  gewagten  Kraxeleien.  Und 
wer  das  Leben  seiner  Gallensteinkranken  lieb  hat,  der  setzt  sie 
nicht  dem  Zufall  aus,  sondern  wählt  ein  Verfahren,  das,  wenn 


*)  Caleul  du  choledoque;    obstruction   duodenale   par   adherenoes 
peritoneales;  cholecystostomie.     Lyon  M^dical  1896.    No.  33. 
**)  La  semaine  m^dicale  1896,  No.  29—34. 


—     2'30     - 

es  auch  zur  Heilung  einige  Wochen  länger  in  Anspruch  nimmt, 
doch  den  Patienten  sicherer  zur  Gesundheit  verhilft.  Wenn 
mein  Buch  weiter  nichts  nützt,  als  dass  es  die  Fachgenossen 
von  der  Notwendigkeit  der  Tamponade  nach  der  Choledochotomie 
überzeugt,  so  bin  ich  schon  mit  diesem  Erfolge  zufrieden. 

Riedel  sucht  sich  zwar  die  nach  seiner  Meinung  für 
völligen  Nahtverschluss  ohne  Tamponade  geeigneten  Fälle 
aus  und  ist  selbst  der  Ansicht,  dass  nur  relativ  wenig  Fälle 
sich  für  eine  derartige  Behandlung  eignen.  Ich  empfehle  da- 
gegen, in  jedem  Fall  zu  tamponieren  und  warne  eindringlich 
vor  einem  völligen  Verschluss  der  Bauch  wunde.  Riedel  musste 
bei  2  Kranken  mit  Anhäufungen  von  500  resp.  1000  ccm.  Bac- 
terium  coli-haltiger  Galle  in  der  Oberbauchgegend  die  Naht 
wieder  öffnen  und  gibt  selbst  zu,  dass  es  besser  gewesen  wäre, 
wenn  er  von  vorneherein  drainiert  und  tamponiert  hätte.  Die 
Tamponade  ist  absolut  notwendig,  gleichgültig,  ob  eine  asep- 
tische oder  infizierte  Gallenblase  entfernt  wurde,  denn  wir  sind 
trotz  aller  Sorgfalt  in  der  Blutstillung  und  Ligaturanlegung  nie 
sicher,  ob  nicht  Nachblutung  oder  Gallenfluss  aus  dem  Leber- 
bett eintreten  oder  die  Cysticus-  resp.  die  Choledochusnaht 
nachgeben  kann.  Zugeben  will  ich,  dass  vielleicht  die  von  mir 
geübte  sehr  reichliche  Tamponade  nicht  immer  nötig  ist,  aber 
gänzlich  die  Bauchwunde  zu  verschliessen,  ist  ein  zu  grosses 
Wagnis. 

Riedel  sagt  ja  selbst:  „Ganz  klare  Galle  kann  schwer 
infiziert  sein",  und  da  ich  diesem  Ausspruch  vollkommen  bei- 
pflichte, tamponiere  ich  eben.  Ich  habe  nun  ca.  200  Choledocho- 
tomien  resp.  Hepaticusdrainagen  und  mehr  als  300  Exstirpationen 
der  Gallenblase  ausgeführt,  in  jedem  Fall  tamponiert  und  gar 
keinen  Schaden  von  meiner  reichlichen  Tamponade  gesehen,  oft 
aber  ihren  grossen  Nutzen  feststellen  können.  Verwachsungen 
entstehen,  ob  man  tamponiert  oder  nicht.  Sind  sie  in  ersterem 
Falle  auch  umfangreicher,  so  sind  sie  doch  flächenhaft;  und 
diese   braucht  man  nicht  so  zu  fürchten  wie  die  strangartigen. 

Riedel  verwirft  mit  mir  völlig  die  Cystendyse:  konse- 
quenterweise müsste  er  erst  recht  die  Versenkung  der  Chole- 
dochusnaht vermeiden.  Auch  im  Choledoclms  kann  es  wie  in 
der  Gallenblase  bei  völligem  Nahtverschluss  zu  Sekretanhäufungen 
kommen,  die,  wie  Riedel  selbst  sagt,  „keinen  Schaden  tun, 
falls  das  Sekret  aseptisch   ist;    ob   letzteres  der  Fall   ist,   ist 


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nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen,  jedenfalls  ist  es  chirurgisch 
richtiger,  Sekretanhäufungen  zu  verhindern,  als  sie  hervorzu- 
rufen, da  niemand  bestimmt  wissen  kann,  was  daraus  wird, 
abgesehen  davon,  dass  der  Kranke  durch  die  Anhäufung  von 
Sekreten  Schmerzen  erleidet".  Nun  also!  Auch  im  Chole- 
dochus,  dessen  Inhalt  wohl  immer  infiziert  ist,  kann  eine  Sekret- 
anhäufung eintreten,  deshalb  empfehleich  dieHepaticusdrainage; 
jedenfalls  muss  man,  w^enn  man  näht,  auf  ein  Platzen  der  Naht 
gefasst  sein  und  ein  Sicherheitsventil  anlegen,  damit  die  aus- 
tretende Galle  die  Peritonealhöhle  nicht  infiziert.  Dazu  kommt, 
dass  jeder  Chirurg  —  ich  komme  auf  diesen  Punkt  noch 
weiter  unten  zu  sprechen  —  Steine  im  Choledochus  übersehen 
kann;  die  enge  Papille  des  Choledochus  kann  versch wellen 
oder  durch  Blutgerinnsel  sich  verstopfen;  der  entzündete  Pan- 
kreaskopf  kann  den  Gallenabfluss  verhindern;  viele  Möglich- 
keiten liegen  vor,  welche  ein  Platzen  der  Choledochusnaht 
herbeiführen  können.  Wohl  immer  ist  eine  Infektion  im  Chole- 
dochus —  geringfügiger  oder  schwererer  Natur  —  vorhanden. 
Ei  edel  hat,  wie  er  besonders  hervorhebt,  sein  Buch  für  die  Diri- 
genten kleiner  Hospitäler  bestimmt.  Gerade  diesen  möchte 
ich,  wenn  sie  wirklich  an  solche  Operationen  herantreten 
wollen,  von  der  Naht  und  Versenkung  des  Choledochus  ohne 
Tamponade  abraten  und  auf  die  grössere  Sicherheit  der  Hepaticus- 
drainage  hinweisen,  Riedel  scheint  aber  noch  keine  grosse 
Erfahrung  über  diese  Operation  zu  haben,  sonst  würde  er  z.  B.  nicht 
sagen:  ,,Hepaticusdrainage  kann  ja  beim  Stein  im  intraduode- 
nalen Teil  des  Ductus  choledochus  überhaupt  nichts  nützen". 
Gerade  in  solchen  Fällen  nützt  sie  ungemein,  insofern,  als  wir 
imstande  sind,  hinterher  den  Choledochus  auszuspülen  und  den 
Stein  zu  entfernen,  wofür  ich  im  II.  Teil  mehrere  Beispiele  anführen 
werde.  Der  Nutzen  der  Hepaticusdrainage  beruht  eben  nicht  nur 
darauf,  dass  wir  die  infizierte  Galle  ableiten,  sondern  auch  darin, 
dass  wir  in  der  Lage  sind,  zurückgelassene  Steine  zu  entfernen. 
Natürlich  kommen  diese  nicht,  wie  Riedel  anzunehmen  scheint, 
durch  das  Rohr  hindurch  zum  Vorschein,  sondern  sie  müssen 
herausgespült  oder  mit  Kornzangen  entfernt  werden.  Die  Chole- 
dochusinzision  muss  noch  wochenlang  so  frei  liegen,  dass  wir 
den  Spülkatheter  sowohl  in  den  Hepaticus  als  in  den  Choledochus 
einführen  und  ausspülen  können.  Ich  habe  sogar  Larainariastifte 
in  den  Hepaticus  und  Bougies  durch  die  Papille  des  Duodenum 


—     232     — 

geschoben  und  den  engen  Gang  erweitert.  Auf  diese  Prozeduren 
hat  Berger  in  seiner  jüngsten  Arbeit:  „Die  Hepaticusdrainage" 
hingewiesen,  so  dass  ich  mir  weitere  Bemerkungen  ersparen 
kann;  aber  es  scheint,  dass  Riedel  die  nachträgliche  Aus- 
spülung der  Gallengänge  gar  nicht  übt,  sonst  hätte  er  wohl 
bei  der  Nachbehandlung  einige  Worte  darüber  gesagt. 

Riedel  gibt  weiterhin  an,  nur  in  4*^/0  der  Choledocho- 
_  tomien  Steine  zurückgelassen  zu  haben.  An  einer  Stelle  sagt 
er:  „Die  Steine  habe  ich  sicher  entfernt".  Ich  würde  einen 
solchen  Ausspruch  nicht  tun.  Nachdem  ich  nunmehr  noch  ein- 
mal soviel  Choledochotomien  und  Hepaticusdrainagen  ausgeführt 
habe  wie  Riedel,  behaupte  ich:  Nach  einer  Choledochotomie 
ist  kein  Chirurg  —  und  wenn  er  2  Stunden  lang  sondiert,  den 
Choledochus  noch  so  sehr  von  innen  und  aussen  palpiert  und 
selbst  den  Finger  in  den  Gallengang  wiederholt  leber-  und  duo- 
denalwärts  eingeführt  oder  sich  des  Zeller'schen  Verfahrens 
(Sondieren  der  Papille  von  einem  Duodenalschnitt  aus)  bedient 
hat  —  sicher,  alle  Steine  entfernt  zu  haben,  auch  Riedel  nicht. 
Wir  lassen  bestimmt  in  10 — 15  °/o  der  Fälle  Steine  zurück,  und 
wenn  Riedel  nur  4"/o  kennt,  so  liegt  das  eben  daran,  dass  er 
über  die  Zahl  der  zurückgelassenen  Steine  überhaupt  keine  rich- 
tige Vorstellung  haben  kann,  da  er  meistenteils  Choledochotomie 
mit  Naht  ausführt.  Er  rechnet  natürlich  nur  die  Steine,  die 
wieder  Beschwerden  machen,  die  Steine,  die  sich  Monate 
und  Jahre  lang  im  Choledochus  völlig  latent  verhalten  —  eine 
Tatsache,  auf  die  Riedel  selbst  hinweist  — ,  kann  er  nicht 
mitzählen,  weil  sie  eben  keine  Symptome  machen.  Erst  wenn 
sich  Riedel  häufiger,  der  Hepaticusdrainage  bedient,  wird  er 
von  der  Zahl  der  zurückgelassenen  Steine  eine  richtige  Vor- 
stellung bekommen.  Ich  habe  auch  erst,  seitdem  ich  fast  aus- 
nahmslos die  Hepaticusdrainage  übe,  über  diesen  Punkt  volle 
Aufklärung  erhalten  (siehe  die  Arbeit  von  Berger:  Die  He- 
paticusdrainage ;  Archiv  f.  klin.  Chir.  Bd.  69^  p.  299)  und  konnte 
erst  mit  der  Zeit  mich  von  den  grossen  Vorzügen  der  Hepaticus- 
drainage gegenüber  der  Choledochotomie  mit  Naht  überzeugen. 
Ich  bin  nicht  für  die  Hepaticusdrainage  so  begeistert,  weil  ich 
dieselbe  mit  zuerst  angewandt  und  methodisch  ausgebildet  habe. 
Ein  Vater  übersieht  zwar  die  Schwächen  seines  Kindes  und  freut 
sich  nur  seiner  Vorzüge.  Wäre  dieser  Erfahrungssatz  auf  mich 
anwendbar,  so  müsste  ich  auch  heute  noch  die  Cysticotomie  so 


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lieb  haben  wie  vor  6  Jahren.  Die  Hepaticusdrainage  übe  ich 
nun  auch  seit  dem  Jahre  1896  —  also  8  Jahre  lang  —  und 
ich  hätte  gewiss  an  ihr  Fehler  entdeckt,  wenn  sie  solche  hätte. 
Sie  ist  gewiss  keine  vollkommene  Methode  —  die  werden  wir 
niemals  finden!  — ,  aber  sie  ist  erheblich  besser  wie  die  Chole- 
dochotomie  mit  Naht.'  Auch  an  anderen  Kliniken,  z.  B.  in  Frei- 
burg i./B...  ist  man  zu  dieser  Ansicht  gelangt.  Es  unterliegt 
für  mich  gar  keinem  Zweifel,  dass  die  Hepaticusdrainage  un- 
gefährlicher ist,  wie  die  Choledochotomie  mit  Naht,  auch  bei 
wenig  infizierter  Galle,  denn  die  Operation  ist  rascher  zu  er- 
ledigen, ein  Punkt,  auf  den  Kiedel  weniger  Gewicht  legt  wie 
ich;  ich  muss  die  Prognose  einer  Choledochotomie  sehr  ab- 
hängig machen  von  der  Dauer  der  Operation.  Riedel  scheint 
anzunehmen,  dass  der  Umstand,  dass  ich  15  "/o  und  er  nur  4"/o 
Steine  zurückgelassen  hat,  darauf  zurückzuführen  ist,  dass  ich 
rasch  operiere,  er  „sorgfältig  und  entsprechend  langsam".  Er 
spricht  das  zwar  nicht  offen  aus,  aber  man  liest  es  zwischen 
den  Zeilen.  Nun,  an  Gründlichkeit  lasse  ich  es  nicht  fehlen. 
Das  wird  jeder  bezeugen,  der  mich  hat  operieren  sehen;  aber 
wenn  ich  eine  Operation  in  einer  halben  Stunde  bezwinge,  sehe 
ich  nicht  ein,  warum  ich  dazu  1  oder  2  Stunden  gebrauchen 
soll.  Ob  die  die  Bauchhöhle  abschliessenden  Tampons  eine  halbe 
oder  1  bis  2  Stunden  auf  den  Därmen  liegen,  ob  die  Narkose 
eine  halbe  oder  1  bis  2  Stunden  dauert,  das  ist  doch  gewiss 
nicht  gleichgültig.  Die  Erfolge  unserer  Operationen  sind  in 
dieser  Beziehung  massgebend,  und  Riedel  hätte  den  Wert 
seines  Buches  wesentlich  erhöht,  wenn  er  uns  einen  Einblick 
in  seine  Erfolge  gegönnt  hätte.  Hoffentlich  erfahren  wir  darüber 
Etwas  bei  der  nächsten  Gelegenheit. 

c)  Die  transduodenale  Choledochotomie. 
Der  Stein  in  der  Papilla  duodeni  und  im  retroduodenalen  Teil 
des  Choledochus  sitzt  bisweilen  so  fest,  dass  es  ganz  unmöglich  ist, 
ihn  von  einer  Incision  im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus 
aus  zu  entfernen.  Nicht  allein  ich  habe  diese  Beobachtung  oft 
genug  gemacht,  sondern  auch  M.  Burney,  Kocher,  Körte, 
Kraske  und  viele  andere,  nur  Riedel  allein  ist  auch  in  dieser 
Beziehung  anderer  Meinung:  für  ihn  gibt  es  keine  Schwierig- 
keiten. Auf  dem  Chirurgenkongress  1904  gab  der  Jenenser 
Chirurg  an,   dass  er  ca.  100  Choledochotomien  ausgeführt  und 


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nur  einmal  Schwierigkeiten  bei  der  Entfernung-  von  retroduo- 
denal  sitzenden  Steinen  erlebt  habe.  Riedel  leugnet  jede  Ein- 
klemmung und  zieht  einfach  von  der  supraduodenalen  Incision 
aus  mit  einer  passenden  Kornzange  den  Stein  hervor.  Als  ich 
diese  Mitteilungen  Riedels  hörte,  war  ich  „einfach  platf*. 
Ich  glaubte  klug  zu  handeln,  indem  ich  in  der  Diskussion  nicht 
weiter  auf  die  Sache  eingegangen  bin ;  ich  hätte  auch  in  den 
erlaubten  fünf  Minuten  meine  Einwendungen  nicht  sämtlich  an- 
bringen können.  Zudem  hat  ein  Provinzialchirurg  einem  Aka- 
demiker gegenüber  immer  einen  schweren  Stand.  Da  er  keine 
Übung  im  Diskutieren  hat,  ist  er  niemals  so  redegewandt  wie 
ein  üniversitätsprofessor,  der  täglich  vor  Studierenden  und 
Ärzten  doziert  und  operiert.  Am  Schreibtisch  stehe  ich  eher 
meinen  Mann,  und  deshalb  will  ich  jetzt  das  damals  Versäumte 
gründlich  nachholen. 

Riedel  leugnet  jede  Einklemmung  von  jeher  und  erklärte 
auch  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress,  dass  er  eine  Ein- 
klemmung nicht  kenne.  Es  gibt  aber  ganz  feste  Einklemmungen 
von  Steinen  im  Choledochus,  so  fest,  dass  fast  das  Messer  sie 
kaum  zu  lösen  vermag.  Die  Schleimhaut  ist  teilweise  ulceriert 
und  umgibt  so  innig  den  Stein,  dass  man  nicht  nur  von  einer 
Einklemmung,  sondern  von  einer  Einkeilung  reden  kann. 

Möglich  ist  es,  dass  Riedel  bei  seinen  100  Choledochotomien 
derartige  Einklemmungen  noch  nicht  gesehen  hat,  er  wird  schon 
bei  den  zweiten  100  Choledochotomien  auf  solche  Zustände 
stossen.  Ich  habe  jetzt  mehr  als  200  Choledochotomien  resp. 
Hepaticusdrainagen  ausgeführt  und  musste  in  ca.  20  Fällen  den 
Stein  aus  der  Papilla  duodeni  resp.  dem  retroduodenalen  Teil 
des  Choledochus  herausschneiden;  das  ist  gegen  Riedels  Er- 
fahrungen ein  gewaltiger  Unterschied.  Wie  soll  man  diesen 
erklären?  Entweder  übersieht  Riedel  die  Steine  in  der  Papille 
—  das  ist  bei  einem  so  geschickten  Chirurgen  nicht  anzu- 
nehmen! —  ,  oder  Riedels  Material  ist  anders  gestaltet  wie 
das  meinige:  man  sollte  aber  doch  denken,  dass  sich  in  Thü- 
ringen die  Steine  ebenso  gut  einklemmen  wie  in  der  Provinz 
Sachsen!  Oder  Riedel  ist  ein  geschickterer  Operateur  wie  ich 
und  entfernt  die  Steine  mit  Löffel  und  Zange,  die  ich  heraus- 
schneiden muss.  Ich  weiss  in  der  Tat  nicht,  worauf  diese  Ver- 
schiedenheit beruht,  jedenfalls  lege  ich  ebenso  gründlich  wie 
Riedel   das   Gallensystem   frei;    benutzen  wir  doch  denselben 


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Bauchdeckenschnitt,  den  von  mir  bereits  seit  5 — 6  Jahren  be- 
schriebenen Wellenschnitt,  den  Riedel  auf  dem  diesjährigen 
Chirurgenkongress  mit  grosser  Genauigkeit  beschrieb,  ohne  zu 
erwähnen,  wie  lange  er  denselben  benutzt.  Ich  möchte  an- 
nehmen, dass  ich  ihn  schon  viel  länger  übe  wie  er,  lege  aber 
auf  Prioritätsstreitigkeiten  gar  kein  Gewicht,  die  Hauptsache 
ist,  dass  dieser  Schnitt  recht  allgemein  zur  Geltung  kommt. 
Etwas  übertrieben  von  Riedel  ist  die  Forderung,  dass  man 
den  Schnitt  auf  der  Mitte  des  Sternura  beginnen  lassen  soll,  es 
genügt  vollständig,  wenn  man  ihn  am  Processus  xiphoideus  oder 
ein  wenig  oberhalb  desselben  anfängt. 

Ich  habe  oben  darauf  hingewiesen,  dass  der  Stein  in  der 
Papille  oft  so  festsitzt,  dass  eine  Entfernung  von  einer  Incision 
im  supraduodenalen  Teil  aus  ganz  unmöglich  ist.  Natürlich 
soll  man,  ehe  man  die  direkte  Incision  auf  den  verborgenen 
Stein  vornimmt,  jeden  Versuch  machen,  ihn  auf  unblutige  Weise 
zu  entfernen.  Das  geschieht  entweder  mit  Löffeln  und  Korn- 
zangen, die  man  in  den  duodenalen  Teil  des  Choledochus  ein- 
führt, oder  durch  Druck  von  aussen  her.  Mit  dem  Zeigefinger 
und  dem  Daumen  der  rechten  Hand  umfasst  man  den  Stein  und 
sticht  ihn  nun  hochzuschieben;  es  ist  nicht  leicht,  die  richtige 
Kraft  hierbei  anzuwenden,  im  allgemeinen  darf  man  nicht 
zu  kräftig  drücken,  sondern  soll  recht  vorsichtig  und  sanft 
vorgehen.  Erlahmt  die  rechte  Hand,  so  führt  man  die  linke 
in  die  Bauchhöhle  ein  und  stellt  sich  zu  dem  Patienten  so, 
wie  ich  dies  bereits  bei  der  Entfernung  des  Cysticussteines  be- 
schrieben habe,  d.  h.  der  Operateur  dreht  dem  Gesicht  des 
Kranken  den  Rücken  zu,  nimmt  eine  bückende  Stellung  ein  und 
umfasst  den  Stein  mit  dem  Zeigefinger  und  Daumen  der  linken 
nach  rückwärts  geführten  Hand.  Der  Handteller  sieht  dabei 
nach  oben.  Bei  diesem  Handgriff,  den  ich  schon  seit  einem 
Jahrzehnt  benutze,  gelingt  es  oft  besser,  den  Stein  zu  dis- 
locieren,  als  wenn  man  die  rechte  Hand  gebraucht.  Durch  das 
bimanuelle  Verfahren  (Nr.  92,  \r.  93,  Nr.  107),  d.  h.  durch 
die  Fixation  des  Steins  mit  einer  Hand  und  durch  sanftes 
Drücken  von  der  Bauchhöhle  oder  von  den  Bauchdecken  aus, 
ist  es  mir  oft  gelungen,  tief  steckende,  hinter  dem  Duodenum 
liegende  Steine  hochzudrücken  und  aus  der  Incision  im  supra- 
duodenalen Teil  zu  entfernen. 

Riedels   Bemerkung,   dass  man    fast  immer  die  Leber  so 


236 


umkippen  könnte,  dass  der  Choledocbus  ganz  oberflächlich 
2 — 3  cm.  vor  die  Bauchwand  zu  liegen  komme,  hat  mich  eben- 
falls in  Staunen  gesetzt.  Bewegliche  Lebern  kommen  bei  Weibern 
genug  vor,  aber  häufig  sind  die  Kranken  nicht  mager,  sondern 
recht  fett,  und  die  Angaben  Riedels  stimmen  —  wenigstens 
wenn  ich  mein  Material  daraufhin  ansehe  —  nur  bei  einem 
geringen  Prozentsatz  der  Operierten.  Die  Herauskippung  der 
Leber  gelingt  nur  bei  hochgradiger  Enteroptose,  bei  Männern 
aber  so  gut  wie  niemals,  und  wenn  die  Leber  vergrössert  oder  starr 
ist,  dann  ist  erst  recht  keine  Kede  davon.  Was  bei  Riedel 
Regel  ist,  ist  also  bei  mir  Ausnahme.  Er  hatte  nur  in  1  °/o 
Schwierigkeiten  in  der  Entfernung  der  Steine^  ich  in  10  ^jo, 
und  während  Riedel  gar  keine  Choledocho  -  Duodenostomie 
ausgeführt  hat,  musste  ich  diese  20mal  vornehmen, 

Fig.  55. 


I.  Schema  für  Choledocho-Duodenostomia  interna. 

Darin  aber  sind  wir  einig,  dass  der  Stein  entfernt  werden 
muss.  Denn  bleibt  der  Stein  in  der  Papille  stecken,  so  kann 
er  eine  Ulceration  hervorrufen,  die  carcinomatös  entarten  kann, 
und  durch  die  Gegenwart  der  Konkremente  kann  die  Cholangitis 
weiterbestehen*  trotz  gut  funktionierender  Gallenblasen  -  Darm- 
oder Magenflstel. 

Die  Blosslegung  der  Papille  kann  auf  2  Wegen  erreicht 
werden,  entweder  transduodenal  oder  retroduodenal. 

Der  transduodenale  Weg  führt  durch  das  Duodenum  hin- 
durch. Gerade  der  Papille  gegenüber  —  wir  fühlen  dort  den 
eingeklemmten  Stein  oder  den  Knopf  der  dicken  Sonde,  die  wir 
in  die  supraduodenale  Incision  einführten  —  wird  das  Duodenum 


—     237     — 

eröffnet  und  zwar  durch  einen  Querschnitt  (Fig.  55).  Läng-sschnitte 
treffen  zu  viel  Gefässe,  der  Querschnitt  verläuft  parallel  diesen 
Gefässen.  Die  Incision  im  Darm  sei  nicht  unnütz  gross,  aber 
auch  nicht  zu  klein,  damit  nicht  die  Arbeit  in  der  Tiefe  er- 
schwert w^erde.  Etwaigen  Ausfluss  von  Duodenalinhalt  macht 
man  unschädlich  durch  eine  ausgiebige  absperrende  Tamponade 
mit  genähten  Tupfern.  Durcli  das  Fassen  der  Duodenal wund- 
ränder  mit  geeigneten  Klemmen  vergrössern  wir  die  Wunde  und 
machen  uns  die  Hinterwand  des  Duodenum  gut  zugänglich. 
Wir  müssen  die  Papille  sehen  und  erfassen  die  Schleimhaut 
ringsum  mit  König'schen  Klemmen,  damit  nach  Entfernung  des 
Steins  die  Papille  uns  nicht  entwischt. 


Fig.  56. 


II.  Schema  für  Gholedocbo-Duodenostomia  interna. 


Sehr  zweckmässig  ist  es  auch,  mit  dem  linken  Zeigefinger 
unter  das  Duodenum  zu  gehen  und  den  Stein  in  der  Papille  so 
hochzuheben,  dass  man  gewissermassen  extraperitoneal  operieren 
kann.  Sobald  aber  der  Stein  in  der  Papille  beseitigt  ist,  hat 
der  Finger  keinen  Gegendruck  mehr,  und  dann  kann  sehr  rasch 
die  Papille  entschlüpfen.  Um  dieses  also  zu  verhüten,  ist  ein 
vorheriges  Fassen  derselben  mit  König'schen  Klemmen  sehr 
angebracht. 

Kleine  Steine  in  der  Papille  drückt  man  ohne  grosse  Gewalt 
durch,  grössere  schneidet  man  heraus.  Colins  erweitert  stumpf 
die  Papille,  Mc.  Burney  (1891)  schlitzt  sie  auf.  Oft  genügt 
ein  einfaches  Einkerben  der  Schleimhaut.  Man  könnte  diese 
Operation  Papillotomie  oder  Divertikulotomie  (Kraske)  nennen, 
doch    werden  sich  sprachkundig  verwöhnte    Ärzte    an    solchen 


—     238     — 

Worten  stossen.  Ist  der  Schnitt -ca.  1  cm,  lang,  so  empfehle 
ich  die  Schleimhaut  des  Choledochus  mit  der  des  Duodenum  durch 
4 — 6  Nähte  zu  vereinigen,  also  die  Operation  zu  machen,  die  zuerst 
Kocher  als  Choledocho-Duodenostomia  interna  im  Jahre  1894 
ausgeführt  hat.  Ich  habe,  ohne  von  Koch  er' s  Vorgehen  etwas 
zu  wissen ,  dieselbe  Operation  kurz  darauf  gemacht.  Die  Ver- 
nähung der  Schleimhaut  des  Duodenum  mit  der  des  Choledochus 
(Fig.  56)  ist  nötig,  weil  man  nie  wissen  kann,  ob  doch  nicht  irgendwo 
ein  freier  Spalt  zwischen  Duodenum  und  Choledochus  entstanden 
ist,  dessen  Übersehen  schwere  Folgen  nach  sich  ziehen  könnte. 
Mayo  Eobson  verzichtet  auf  eine  Naht,  doch  ist  die  Naht 
ausser  dem  angegebenen  Grunde  schon  deshalb  gut,  weil  dadurch 
ein  weiteres  Klaffen  der  angelegten  Fistelöffnung  erzielt  wird, 
als  wenn  man  die  Incision  der  Verklebung  überlässt. 

Eine  Sondierung  des  Choledochus  von  der  Papille  aus  wird 
man  nie  vergessen,  um  sich  vom  Freisein  des  Choledochus  zu 
überzeugen.  Da  die  Sondierung  kein  ganz  sicheres  Verfahren 
ist  und  nicht  völlig  dafür  garantiert,  dass  sämtliche  Steine  ent- 
fernt sind,  habe  ich  mich  bei  meiner  928.  Gallensteinlaparotomie 
einer  „Methode"  bedient,  die  man  als  ,,Clioledochiisfege"  be- 
zeichnen könnte.  Ich  hatte  in  diesem  Fall  nach  Excision  der 
Gallenblase  aus  dem  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus 
Steine  entfernt.  Nach  Mobilisierung  des  Duodenum  nach  Kocher 
fand  ich  noch  Steine  im  retroduodenalen  Teil,  konnte  sie  aber 
nicht  nach  dem  supraduodenalen  Teil  verschieben.  Die  retro- 
duodenale  Incision  schien  mir  zu  gefährlich,  ich  machte  also 
die  transduodenale  Choledochotomie.  Ein  fest  in  der  Papilla  duo- 
deni  eingekeilter  Stein  wurde  durch  Incision  der  Papille  ent- 
fernt, und  nun  holte  ich  mit  der  Kornzange  noch  viele  Steine 
aus  dem  retroduodenalen  Teil.  Sonden  und  Kornzangen  Hessen 
sich  jetzt  leicht  von  dem  Duodenum  aus  durch  die  mit  2  König'- 
schen  Klemmen  fixierte  Papille  in  den  Choledochus  bis  an 
und  durch  die  Incision  im  supraduodenalen  Teil  führen.  Ich 
glaubte,  der  Choledochus  sei  leer.  Aber  die  vorgenommene 
„Choledochusfege"  belehrte  mich  eines  andern.  Ich  führte  die 
Kocher 'sehe  Klemme  (zum  Durchziehen  des  Bruchsacks)  vom 
Duodenum  aus  so  in  den  Choledochus,  dass  ihre  Spitze  aus  dei* 
supraduodenalen  Incision  heraussah,  fasste  hier  einen  feuchten 
schmalen  Gazestreifen  und  zog  diesen  durch  den  Choledochus  und 
die  Papille  in  das  Duodenum  und  von  hier  nach  aussen.    Natürlich 


—     239     — 

war  durch  eine  sehr  ausgedehnte  Absperrungstaraponade  die 
Bauchhöhle  vor  Infektion  geschützt  worden.  Zu  meinem  Erstaunen 
kamen  noch  viele  Steinchen  und  Steintrümmer  zum  Vorschein, 
und  ich  musste  diese  Prozedur  viermal  wiederholen,  ehe  der 
Choledochus  rein  ausgefegt  war.  Darauf  folgte  Hepaticus-  und 
Choledochusdrainage  bis  zur  Papille,  Duodenalnaht  und  Netz- 
plastik. — 

Die  Darmnaht  erfolgt  nach  bekannten  Regeln.  Erst  Schleim- 
hautnaht, dann  Serosa-Muskularisnaht.  Da  diese  Nähte  leicht 
insuffizient  werden,  nähe  man  mit  besonderer  Sorgfalt  und  sehe 
zu,  dass  man  vom  kleinen  oder  grossen  Netz  einen  Zipfel  finde, 
den  man  auf  die  Naht  mit  einigen  Suturen  fixiert. 

Wenn  man  den  Duodenalschnitt  nicht  gallenblasenwärts, 
sondern  pankreaswärts  anlegt,  so  macht  es  keine  Schwierig- 
keiten, die  Naht  so  zu  legen,  dass  sie  nicht  in  die  Tamponade 
einbezogen  wird.  Das  ist  sehr  wichtig,  da  die  Tamponade,  wenn 
sie  anfangs  auch  steril  bleibt,  mit  der  Zeit  sich  doch  etwas 
infiziert  und  dann  einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Naht  ausübt. 

Konnte  man  die  Naht  ausserhalb  des  Operationsterrains 
bringen,  so  ist  eine  prima  Intentio  die  Regel;  liegt  sie  im  Be- 
reiche der  Tamponade,  so  ist  ein  teilweises  Aufgehen  leicht 
möglich,  und  dann  entstehen  grosse  und  kleine  Duodenalfisteln, 
auf  deren  Bedeutung  wir  bei  der  retroduodenalen  Choledocho- 
tomie  und  in  dem  späteren  Kapitel  der  Nachbehandlung  noch 
zurückkommen  werden. 

Ich  habe  mir  bei  der  Schwierigkeit,  die  Strecke  zwischen 
der  Incision  im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  und  der 
Papille  völlig  von  Steinen  zu  säubern,  oft  genug  die  Frage  vor- 
gelegt, ob  man  den  Vorschlag  Zeller's*),  auch  in  zweifelhaften 
Fällen  das  Duodenum  zu  öffnen  und  die  Papille  zu  sondieren,  nicht 
öfter  ausführen  sollte.  Mir  persönlich  ist  das  Verfahren  Zeller's 
sehr  sympathisch,  wenn  es  auch  natürlich  die  Gefahren  der 
Operation  wesentlich  erhöht.  Jedenfalls  sollte  man  in  jedem 
Falle  von  transduodenaler  Choledochotomie  die  oben  beschriebene 
Oholedochusfege  nicht  ausser  Acht  lassen. 

d)   Die   retroduodenale    Choledochotomie. 
Die  transduodenale  Choledochotomie  hat  den  Nachteil,  dass 
das  Duodenum  eröffnet    werden    muss,    wodurch  eine  Infektion 


*)  ßerl.  klin.  Wochensohr.  1902,  Nr.  25. 


—     240 


intra  operat.  zu  stände  kommen  kann.  Bei  richtiger  Technik, 
wobei  besonders  die  abschliessende  Tamponade  der  Peritoneal- 
höhle zu  berücksichtigen  ist,  ist  die  Gefahr  einer  postoperativen 
Peritonitis  so  gut  wie  ausgeschlossen.  Was  wir  am  meisten  nach 
einer  transduodenalen  Choledochotomie  fürchten  müssen,  das  ist, 
wie  wir  im  vorigen  Abschnitt  sahen,  die  Möglichkeit  der  nach- 
träglichen Insufficienz  der  Duodenalnaht.  Man  muss  bedenken, 
dass  die  Duodenalwand ,  die  gewöhnlich  durch  Ablösung  von 
Verwachsungen  geschädigt  ist,  wenig  Neigung  zu  einer  prima 
Intentio  zeigt,  und  deshalb  kann  es  uns  nicht  wundern,  wenn  viele 
Chirurgen  berichten,  dass  nach  einer  transduodenalen  Chole- 
dochotomie die  Naht  am  Duodenum  nachgegeben  und  sich  eine 
Darmfistel  ausgebildet  habe,  welche  in  vielen  Fällen  zum  Hunger- 
tod führte.  Gewiss  ist  das 
^^^-  ^'^-  Aufgehen  der  Naht  ein  sehr 

unangenehmes  Ereignis,  aber 
wir  haben  nicht  nur  Mittel, 
dasselbe  zu  vermeiden,  resp. 
zu  beschränken,  sondern 
auch,  wenn  es  eingetreten, 
den  durch  die  Duodenalfistel 
drohenden  Hungertod  zu  ver- 
hüten. 

Die  prophylaktischen  Mit- 
tel beginnen  mit  der  Art  der 
Schnittführung  durch  das 
Duodenum;  wir  sollen  Längs- 
schnitte möglichst  vermeiden, 
da  dadurch  das  Gefässsystem 
der  Darmwand  zu  sehr  beschädigt  wird  (Fig.  57).  Haben  wir  aber 
einen  Längsschnitt  benutzt,  so  ist  derselbe  quer  zu  vernähen,  damit 
das  Duodenum  nicht  zu  eng  wird.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
einer  Naht  in  einem  weiten  Darmabschnitt  mehr  zugemutet 
werden  kann,  wie  einer  Naht  in  einem  verengten  Darmlumen. 
Jede  Zerrung  lockert  die  Naht  und  bringt  sie  schliesslich  zum 
Aufbrechen.  Besser  wie  der  Längsschnitt  ist  der  Querschnitt, 
da  dabei  die  Gefässe  in  der  Darmwand  geschont  werden.  Dann 
ist  der  Schnitt  so  zu  legen,  —  und  das  ist  sehr  wesentlich!  — 
dass  er  ausserhalb  der  Tamponade  zu  liegen  kommt.  Jede 
Hepaticusdrainage  wird  mit  der  Zeit  etwas  inficiert;  der  Wunde 


Inoisionll— 1  (Längsschnitt)  ist  weniger  zu 
empfehlen  j^wieWnoision  2—2  (Querschnitt). 


—     241     — 

als  solcher  oder  gar  dem  Gesamtorganisinus  schadet  das  gar 
nichts,  aber  die  Infektion  lockert  doch  die  Darmnaht  und  macht 
sie  widerstandsunfähig.  Man  soll  also  den  Schnitt  am  Duodenum 
möglichst  medial  legen,  und  wenn  die  Naht,  auf  deren  Exaktheit 
nicht  genug  Gewicht  gelegt  werden  kann,  fertig  ist,  ist  es 
zweckmässig,  eine  Netzplastik  auf  dieselbe  vorzunehmen.  Ein 
Zipfel  Netz  —  ob  aus  dem  grossen  oder  kleinen  ist  gleich- 
gültig —  wird  ohne  Zerrung  auf  die  Naht  gelegt  und  durch 
ein  paar  Nähte  fixiert. 

Zu  einer  transduodenalen  Choledochotomie  wird  man  fast 
immer  eine  Choledochotomie  im  supraduodenalen  Teil  des  Chole- 
dochus  resp.  eine  Hepaticusdrainage  hinzufügen.  Denn  man  ver- 
sucht doch  immer  erst,  den  Stein  von  hier  aus  mit  Kornzange  resp. 
durch  Fingerdruck  zu  entfernen.  Ohne  Tamponade  kann  man 
aber  eine  Hepaticusdrainage  nicht  ausführen.  Ist  die  Duodenum- 
incision  gut  (d.  h.  zweireihig,  Schleimhautnaht,  Serosa-Musku- 
larisnaht)  vernäht  und  mit  Netz  bedeckt,  dann  bedarf  sie  keiner 
Taraponade,  und  die  für  die  Hepaticusdrainage  unentbehrlichen 
Tampons  werden  so  eingelegt,  dass  sie  mit  der  Duodenalnaht 
nicht  in  Berührung  kommen. 

Nicht  immer  ist  das  durchführbar,  und  wenn  die  Tampons 
doch  die  Naht  berühren,  so  kommt  es  trotzdem  vor,  dass  die 
Naht  an  einer  Stelle  nachgibt. 

Je  nachdem,  ob.  viel  oder  wenig  Fäden  nachlassen  resp. 
durchschneiden,  ob  das  Loch  im  Duodenum  klein  oder  gross  ist, 
bekommen  wir  eine  Duodenalfistel,  aus  der  viel  oder  wenig 
heraustritt.  Die  Fälle,  in  denen  der  ganze  Mageninhalt 
hervorquillt,  sind  von  sehr  übler  Prognose:  Die  Patienten 
schwimmen  fortwährend  und  müssen  oft  3  Mal  den  Tag  über 
verbunden  werden.  Wo  die  festeren  und  breiigen  Massen  zurück- 
gehalten werden  und  nur  Flüssigkeit  (Pankreassaft)  heraus- 
kommt, ist  die  Prognose  besser.  Wir  werden  weiter  unten  bei  der 
Nachbehandlung  auf  die  Therapie  der  Duodenalfisteln  noch  näher 
zurückkommen. 

Jedenfalls  haben  diese  Duodenalfisteln  die  transduodenale 
Choledochotomie  etwas  in  Misskredit  gebracht  und  den  Plan 
einer  retroduodeiialen  Choledochotomie  ohne  Eröffnung  des 
Duodenum  in  letzter  Zeit  bei   anderen  Chirurgen   wachgerufen. 

So  haben  im  Centralblatt  für  Chirurgie  im  Jahre  1903  mehrere 
Autoren  die  retroduodenale  Choledochotomie  empfohlen. 

Kehr,  Technik  der  GalJensteinoperationen.    I.  16 


—     242     — 

Schon  Langenbuch  hatte  vorgeschlag-en ,  zwecks  Frei- 
legung des  papillären  Teils  des  Choledochus  das  Colon  trans- 
versuni  samt  grossem  Netz  und  Pylorusteil  nach  oben  zu  drängen 
bezw.  zurückzuschlagen,  dann  den  unter  dem  Pankreas  hervor- 
tretenden pulsierenden  Stamm  der  Art.  mesaraica  superior  auf- 
zusuchen: nach  oben  und  rechts  von  diesem,  wo  der  Pankreas- 
kopf  sich  in  den  Duodenalring  begiebt,  sei  die  Auffindung  der 
Steine  möglich. 

Folgt  man  dieser  Empfehlung  Langenbu  chs,  so  schafft  man 
neben  dem  der  Gallensteinoperation  ein  zweites  Operationsterrain, 
dessen  definitive  Versorgung  Schwierigkeiten  macht.  Man  muss 
doch  Colon  und  Netz  wieder  zurückschlagen,  wie-  soll  man  dann 
aber  die  Wundverhältnisse  an  der  aufgeschnittenen  Papille 
günstig  herstellen?  Deshalb  wäre  es  richtiger,  den  retroduodenalen 
Schnitt  von  dem  Operationsterrain  aus,  welches  man  zur  ge- 
wöhnlichen Choledochotomie  benutzt,  auszuführen. 

Kocher*)  macht  über  die  zu  diesem  Zwecke  nötige  Mobil- 
machung des  Duodenums  folgende  Angaben:  „Es  bedarf  zur 
Mobilisierung  des  Duodenums  einer  Trennung  des  dünnen  und 
zarten  Parietalblattes  des  Peritoneums  auf  der  rechten  Seite  der 
Pars  descendens  duodeni.  Die  senkrechte  Trennungslinie  fällt  vor 
die  rechte  Niere  links  von  dem  zum  Colon  transversum  herab- 
steigenden Schenkel  der  Flexura  coli  dextra.  Das  Parietalblatt 
des  Peritoneums  hebt  sich  hier  von  der  Vorderfläche  der  Niere  ab 
zum  Colon  und  bildet  das  obere  Blatt  des  Mesocolon  transversum. 
Geht  man  neben  dem  vertikalen  Teil  des  Duodenums  über  das 
Parietalblatt  der  Niere  mit  dem  Finger  herauf,  so  kann  man  den- 
selben oberhalb  der  Flexura  duodeni  superior  in  das  Foramen 
Winslowii  einführen  und  das  die  Vorderwand  desselben  bildende 
Lig.  hepato  -  duodenale  emporheben,  welches  die  Vena  portae, 
die  Arteria  hepatica   und  den  Ductus  choledochus  einschliesst." 

Kocher  empfiehlt  „zwei  Finger  breit  entfernt  vom 
Rande  des  Duodenums  der  Pars  verticalis  parallel  dieses  dünne 
Peritonealblatt  mit  dem  Messer  zu  spalten,  damit  nicht,  wie 
es  bei  einfachem  Durchreissen  desselben  geschieht,  die  peri- 
toneale Bedeckung  der  Vorderfläche  des  Peritoneums  geschädigt 
werde.  Hebt  man  den  gegen  das  Duodenum  liegenden  Teil 
des  Peritoneums   nach  der  Spaltung  mit  2   Fingern   empor,   so 


*)  Centralbl.  für  Chir.  1903,  Nr.  2. 


—     248     — 

kann  man  mit  dem  andern  Finger  durch  sanften  Zug  mit  Leichtig- 
keit unter  das  Duodenum  gelangen  und  dasselbe  von  der  Vorder- 
tläche  der  Wirbelsäule,  der  Vena  cava  und  event.  der  Aorta 
abheben  mittels  einfacher  Abschiebung. 

Die  Rückfläche  des  Duodenums  wird  dabei  nicht,  wie  man 
glauben  könnte,  bis  auf  die  Muscularis  entblösst,  sondern  be- 
hält —  offenbar  als  Rest  des  früheren  Peritoneal  Überzuges  — 
eine  bindegewebige  Platte  aufgelagert,  welche  zum  Unterschied 
von  der  vorderen  Fläche  rauh  erscheint." 

Berg*)  erwähnt  diese  Ko  ch  er 'chen  Untersuchungen  und 
gibt  selbst  für  die  retroduodenale  Choledochotomie  folgende 
Vorschriften  : 

1.  Bauchschnitt; 

2.  Freilegung  des  absteigenden  Duodenalastes.  Längs- 
incision  des  hinteren  parietalen  Peritoneums  3—4  cm,  nach 
aussen  vom  rechten  Rande  des  Duodenums,  von  der  Duodenal- 
flexur  zum  Mesocolon  transversum  herabreichend.  Der  innere 
oder  linke  Teil  des  eingekerbten  Peritoneums  wird  mit  dem 
Finger  von  der  Wand  abgehoben,  und  zwar  bis  zum  rechten 
Rande  des  Duodenums;  sodann  schlüpft  der  Finger  hinter  das 
Duodenum  und  löst  dieses"  vorsichtig  bis  zum  inneren  Rande 
von  den  Wirbeln,  der  Vena  cava  inferior  und  Aorta  ab.  Nun- 
mehr ist  das  Duodenum  bloss  ganz  lose  angeheftet  und  zwar 
oben  an  der  Biegung ,  unten  am  Mesocolon  transversum  und 
medianwärts  entlang  dem  Innern  konkaven  Rande,  und  kann 
leicht  um  letzteren  als  Längsachse  nach  links  rotiert  werden. 
Durch  diese  Achsendrehung  gelangt  die  hintere  Fläche  sowie 
der  retroduodenale  und  papilläre  Abschnitt  des  Ductus  com- 
munis nach  vorn  und  wird  sonach  eine  ausgezeichnete  Frei- 
legung dieser  Teile  gestattet.  (Der  Ductus  verhält  sich  zu 
den  umliegenden  Teilen  wie  folgt:  Der  Duodenalzweig  der 
Pankreatico -duodenal- Arterie  liegt  vor  uns  ungefähr  ^/4  Zoll 
weit  ab  von  demselben ;  die  begleitende  Vene  liegt  genau  hinter 
dem  Leiter;  manchmal  kreuzt  ein  Ast  der  Vene  den  Chole- 
dochus  knapp  vor  seiner  Eintrittsstelle  ins  Duodenum.  Der 
Ramus  mesentericus  superior  der  Vena  portae  ist  weitab  nach 
innen  und  die  Vena  cava  nach  rückwärts  gelegen.)  Der  Leiter 
ist  leicht  zu  erkennen.  Man  kann  ihn  leicht  mit  den  Fingern 
fassen,  einkerben  und  daraus  einige  kleine  Steine  entfernen. 

*7Centralbl.  für  Cliir.  1903,  Nr.  27.  , 


—     244     — 

3.  Reinigung.  Die  Incisionsstelle  des  Ductus  wird  mit 
einem  schmalen  Gazestreifen  bedeckt,  und  nun  lässt  man  den 
absteigenden  Duodenalast  in  seine  Lage  zurückgleiten.  Ist  es 
nötig,  den  Ductus  communis  und  den  Hepaticus  zu  drainieren, 
so  wird  der  Ductus  choledoclius  in  seinem  freien  Verlaufe  im  Lig. 
gastro-hepaticum   eingekerbt    und  hier  ein  Drainrohr  eingelegt. 

Die  Incision  im  retroduodenalen  Teil  des  Ductus  kann  ver- 
näht werden,  obwohl  dieses  kaum  nötig  sein  dürfte. 

Schon  Haasler  hat  auf  dem  Chirurgen-Kongress  1898  die 
retrodiiodenale  Choledochotomie  besprochen.  ,,Das  vordere  Blatt 
des  Lig.  hepato-duodenale  wird  durch  einen  Längsschnitt  neben 
und  parallel  dem  Duodenum  durchtrennt  unter  Vermeidung  eines 
in  dieser  Richtung  verlaufenden  Astes  der  Art.  pankreatico- 
duodenalis.  Es  gelingt  dann  —  führt  Haas  1er  aus  —  das  Duo- 
denum 2 — 3  cm.  weit  stumpf  loszupräparieren  und  nach  links 
zu  verziehen,  so  dass  der  retroduodenale  Teil  des  Choledochus 
mehr  oder  weniger  überlagert  vom  Pankreasgewebe  zum  Vor- 
schein kommt."  Die  Ablösung  des  Duodenums  in  weiterer  Aus- 
dehnung ist  wohl  ausführbar  —  Vautrin  will  den  Gang  so 
weit  biossiegen,  dass  nur  1  cm.  seines  Anteils  nicht  freigelegt 
bleibt  —  .doch  muss  die  Warnung  Riedel's  vor  zu  weit- 
gehender Lösung  des  Duodenums  beobachtet  werden. 

Die  retroduodenale  Choledochotomie  macht  eine  gleichzeitige 
supraduodenale  Choledochotomie  resp.  Hepaticusdrainage  nicht 
entbehrlich  und  hat  den  Nachteil,  dass  sich  leicht  retroperi- 
toneale  resp.  retroduodenale  Entzündungen  ausbilden  können, 
deren  Propagation  wir  kaum  zu  verhüten  im  Stande  sind.  Ich 
bleibe  vor  der  Hand  noch  bei  der  transduodenalen  Choledocho- 
tomie, ehe  nicht  an  einem  grossen  Material  die  Erfolge  der  retro- 
duodenalen Operation  sicher  gestellt  sind. 

Ich  will  noch  bemerken,  dass  der  retroduodenale  Teil  des 
Choledochus  von  Lane,*)  Kocher,  Jourdan,  Monprofit, 
Czerny**)  u.  A.  freigelegt  worden  ist.  De  Quervain***)  teilt 
auch  einen  einschlägigen  Fall  mit;  de  Quervain  ist  der  Meinung, 
dass  die  retroduodenale  Methode  da  angezeigt  ist,  wo  das  Duo- 
denum   sich    sauber  ablösen    lässt.     Ist    dasselbe  dagegen  mit 

*)  Clinical  society's  transaotions  1894,  Nr.  149. 

**)  Über  die  Fälle  von  Kocher,  Jourdan,  Monprofit,  Czerny  siehe 
Payr,  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  Bd.  75,  p.  6. 

***)  Zur  Frage  der  retroduodenalen  Choledochotomie.  Centralbl. 
f.  Chir.  1903,  Nr.  40. 


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—     245     — 

Pankreas  und  Choledochus  zusammen  zu  einer  schwartigen  Masse 
verbacken,  und  läuft  man  bei  der  Ablösung  Gefahr,  trotz  aller 
Sorgfalt  die  Darmwand  zu  verletzen,  oder  wird  man  endlich 
der  Blutung  nicht  Herr,  so  wird  man  auf  weitere  Ablösung 
verzichten  und  den  transduodenalen  Weg  wählen. 

Ich  möchte  de  Quervain  in  dieser  Indikationsstellung 
der  trans-  und  retroduodenalen  Choledochotoraie  im  grossen  und 
ganzen  beistimmen.  Fest  in  der  Papille  eingeklemmte  Steine  werden 
durch  Duodenotomie  entfernt  und  solche  im  retroduodenalen 
Teil,  also  oberhalb  der  Papille  sitzende  Steine  wird  man  nach 
Ablösung  des  Duodenums  fast  immer  so  verschieben  können,  dass 
man  sie  aus  dem  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  heraus- 
schneiden kann.*) 

Herr  Prof.  Payr  in  Graz  war  so  liebenswürdig,  mir  jene 
Zeichnung,  die  er  auf  dem  Chirurgenkongress  1904  demonstrierte, 
zu  überlassen  (Fig.  58  und  59)  und  teilte  mir  über  den  Fall,  bei 
dem  er  unter  Zuhilfenahme  der  Kocher' sehen  Mobilisierung  des 
Duodenums  den  Stein  aus  der  Papille  entfernte,  Folgendes  mit: 

„Es  handelte  sich  bei  einem  68  jährigen  Mann  um  einen  seit  mehr 
als  einem  halben  Jahre  bestehenden  Choledochusverschluss,  wobei  vieles 
im  Krankheitsbilde  für  Stein  sprach. 

Operation:  Anfang  März  1904,  Kehr 'scher  Schnitt,  Leber 
ist  mächtig  vergrössert  und  macht  die  Empordrängung  derselben 
wegen  Enge  der  unteren  Thoraxapertur  grosse  Schwierigkeiten.  Gallen- 
blase vergrössert  und  verdickt ,  ödematös,  zeigt  zahlreiche  frische, 
hellrot  vaskularisierte  Adhäsionen.  Nach  Durchtrennung  zahlreicher, 
sehr  blutreicher  Verwachsungen  zwischen  Leber,  Gallenblase,  Colon, 
Duodenum  und  Magen  gelingt  es,  den  Ductus  cysticus  frei  zu  präpa- 
rieren und  das  Ligamentum  hepato-duodenale  freizulegen.  In  der  Um- 
gebung des  auf  über  Zeigefingerdicke  erweiterten  Choledochus  ein 
mächtiger  Venenplexus.  Cysticus,  Choledochus  und  Hepaticus  werden 
auf  eine  grössere  Strecke  freipräpariert  und  zeigt  auch  der  Hepaticus 
mächtige  Erweiterung.  In  den  grossen  Gallenwegen  sind  grössere 
Konkremente  nrcht  fühlbar.  Der  Ductus  choledochus  wird  nun  in  seinem 
supraduodenalen  Anteil  freigelegt,  was  durch  sehr  feste  Adhäsionen 
gegen  Vena  portae  und  Arteria  hepatica  sehr  erschwert  ist.  Diirch 
Palpierung  kann  man  ein  hartes  Konkrement  von  der  Grösse  einer 
kleinen  Haselnuss  etwa  in  der  Gegend  der  Papilla  Vateri,  wenn  auch 
nicht  mit  voller  Deutlichkeit,  fühlen.  Der  Ductus  choledochus  wird 
an  der  tiefsten  Stelle  seines  supraduodenalen  Anteils  eröffnet,  die  Wand 
mit  Fadenzügeln  gefasst,  es  entleeren  sich  grosse  Mengen  dunkelgrüner, 
kleine   lazettierte  Steine  enthaltender  Galle,    und    wird  nun  versucht, 

*)  Siehe  auch  die  ausführliche  Arbeit  von  Payr  in  der  deutschen 
Zeitschrift  für  Chirurgie  75.  Band  p.  1,    (Anm.  w.  d.  Korrektur.) 


—     24Ü     — 

duicli  verschiedene  Manöver  und  instrumentelle  Behelfe  den  wohl  an 
der  Vater'schen  Papille  sitzenden  Stein  heraus  zu  bekommen.  Nach- 
dem alle  diese  Versuche  misslangen,  beschloss  ich,  die  von  Kocher 
angegebene  Mobilisierung  des  Duodenums  vorzunehmen  und  wird  das  Pe- 
ritoneum 1  cm.  vom  lateralen  Rand  des  Duodenums  entfernt  in  etwa  12  cm. 
Länge  durchtrennt  und  der  Zwölffingerdarm  stumpf  mit  sterilen  Gaze- 
stücken medianwärts  geschoben.  Es  zeigt  sich  dabei,  dass  an  einer  etwa 
3  Markstückgrossen  Fläche  sich  ein  venöser  Plexus  befindet,  aus  dem 
beim  Ablösen  eine  massige,  leicht  zu  beherrschende  Blutung  erfolgt. 
Das  Duodenum  wird  um  seine  ideelle  Längsaxe  der  Pars  verticalis 
medianwärts  geschlagen,  dadurch  der  laterale  Teil  des  Pankreaskopfes 
freigelegt  und  der  Zwölffingerdarm  selbst  einer  bimanuellen  Palpation 
zugänglich  gemacht.  Jetzt  fühlt  man  im  untersten  Anteil  des  retroduo- 
deualen  Abschnittes  des  Ductus  choledochus  deutlich  ein  in  der  Papille 
festsitzendes,  hartes  Konkrement.  Ich  wollte  die  retroduodenale  Chole- 
dochotomie  ausführen.  Als  ich  aber  mit  dem  Zeigefinger  einen  stärkeren 
Druck  durch  die  Hinterwand  des  Duodenums  nach  vorn  und  oben  aus- 
übte, fühlte  ich  deutlich,  dass  der  Stein  sich  lockerte  und  plötzlich  in 
die  höher  gelegenen,  weiten  Abschnitte  des  Choledochus  glitt.  Jetzt 
war  es  ohne  Schwierigkeit  möghch,  mit  einer  Kornzange  desselben 
habhaft  zu  werden  und  ihn  zu  extrahieren.  Typische  Hepaticusdrainage 
nach  Kehr  und  Exstirpation  der  schwer  entzündlich  veränderten 
Gallenblase  mit  dem  Paquelin.*  — 

Es  g-enügte  also  auch  in  diesem  Fall  die  Mobilisierung  des 
Duodenum,  um  den  Stein  nach  oben  zu  schieben  und  von  der 
Incision  im  supraduodenalen  Teil  aus  zu  entfernen.  Ich  glaube, 
wir  tun  gut,  wenn  wir  in  Zukunft  so  wie  Payr  operieren, 
d.  h.  auf  die  Incision  des  retroduodenalen  Teils  möglichst  ver- 
zichten, weil  eben  die  Wund  Versorgung  und  die  Tamponade 
solcher  Incision  nach  meiner  Auffassung  schwierig  und  für  den 
Patienten  wegen  der  Möglichkeit  einer  entstehenden  retroduo- 
denalen Phlegmone  nicht  ganz  ungefährlich  sein  dürfte.  Auch 
muss  man  befürchten,  dass  der  Tampon,  der  hinter  das  Duodenum 
auf  die  Naht  gelegt  werden  müsste,  das  Darmlumen  verengern 
möchte.  Das  Duodenum  legt  sich  dann  über  den  Tampon,  wie  über 
einen  Hügel,  und  starkes  Erbrechen  würde  sich  sicher  einstellen. 
Die  Naht  aber  völlig  zu  versenken  und  auf  eine  prima  Intentio 
zu  hoffen,  das  würde  ich  nicht  riskieren. 

e)   Die  llesektion   des  Ductus  choledochus. 

Resektionen  des  Ductns  choledochus  sind  bisher  wegen 
Obliteration  (Kehr),  wegen  Stein  (Doyen)  und  wegen  Carcinom 
(Kehr)  gemacht  worden. 

Die  Resektion  ist  am  leichtesten  am  supraduodenalen  Teil 
des  Choledochus,  sehr  schwierig  an   der  Papilla  duodeni.    Die 


—     247     — 

näheren  Einzelheiten  sind  bei  den  Krankengeschichten  (Nr.  150 
und  151)  durchzulesen,  hier  will  ich  nur  die  Grundzüge  der 
Resektionstechnik  besprechen. 

1.  Der  Gang:  muss  gut  isoliert  werden.     Bei   einer  supra- 
duodenalen   Resektion    durchschneidet    man    dicht     über    dem 


Fig.  60. 


Fig.  61. 


I.  Nach  der  Hcsektion  dio  circuläro  Naht. 


Fig.  62. 


Fig.  63. 


II.  Verschluss  des  Choledouchs  leber- 
und duodenalwärts  mit 
Cystente  rostomie. 


III.  Naht  der  liinteren  Choledochus- 
wand  und  Hepaticusdrainage. 


Duodenum  (Vorsicht  wegen  der  Art.  gastro-duodenalis!)  den 
Choledochus,  bis  man  an  der  Vena  portarum  anlangt.  Der 
querdurchschnittene   Gang  wird   leberwärts  mit   einer   Klemme 


—     248     — 

g-efasst  und  nun  präparando  von  der  Vena  port.  soweit  ab- 
gelöst, bis  man  das  zu  resezierende  Stück  bis  in's  Gesunde 
isoliert  hat.  Auf  Anomalien  der  Art.  hepatica  ist  dabei 
ebenfalls  acht  zu  geben.  Man  kann  der  Resektion  eine  zir- 
kuläre Naht  oder  nur  eine  Naht  der  hinteren  Wand  mit 
Hepaticusdrainage  oder  eine  Hepatico  -  Duodenostomie  folgen 
lassen.  Es  kommt  ganz  darauf  an,  wie  weit  die  Resektion 
erfolgte  und  ob  die  Gallenblase  mit  entfernt  werden  musste. 
Konnte  man  die  Gallenblase  erhalten,  so  kommen  drei  Modifika- 
tionen in  Betracht,  die  auf  der  vorigen  Seite  figürlich  dar- 
gestellt sind.    (Fig.  60-63.) 

Resektionen  an  der  Papilla  duodeni  haben  Czerny, 
Halsted  und  Körte  wegen  bösartiger  Stenosen  ausgeführt. 
Halsteds  Fall  stammt  aus  dem  Jahre  1898.  Er  schrieb  über 
die  Operation  an  Körte:  „Es  handelte  sich  um  ein  sehr  kleines 
Carcinom  des  Diverticulum  Vateri.  Ich  entfernte  ein  Stück  vom 
gemeinsamen  Gallengang,  einen  Teil  vom  Duodenum  und  ein 
schmales  Stück  vom  Pankreaskopf.  Nach  Anlegung  einer  zirku- 
lären Naht  des  Duodenums  pflanzte  ich  den  Ductus  AVirsungianus 
und  den  Ductus  choledochus  getrennt  in  das  Duodenum  ein. 
Eine  Woche  hindurch  fand  sich  Galle  in  den  Faeces,  aber 
dann  schloss  sich  der  Choledochus,  und  daher  führte  ich  vor 
3  Wochen  eine  Anastomosierung  zwischen  dem  erweiterten 
Cysticus  und  dem  Duodenum  aus.  Sie  kamen  gut  zusammen 
und  so  weit  ist  die  Operation  erfolgreich  gewesen.  Es  findet 
sich  reichlich  Galle  in  den  Stühlen." 

Czerny 's*)  Fall  stammt  aus  dem  Jahre  1901.  Der  Patient 
starb  an  Insuffizienz  der  Nähte  und  bei  der  Sektion  fanden  sich 
Lebermetastasen.  In  Körte's**)  Fall,  bei  welchem  ebenfalls 
die  Radikaloperation  gemacht  wurde,  handelte  es  sich  um  ein 
Adenocarcinom.     Der  Fall  verlief  9  Tage  post  op.  letal  (1903). 

Wegen  einer  gutartigen  Stenose  hat  Körte  die  Spaltung  vom 
Darm  aus  vorgenommen.  Er  ging  folgendermassen  vor:  Er 
klemmte  das  Duodenum  peripher  und  zentral  ab  und  inzidierte  es. 
Die  Papilla  duodeni  wurde  mit  einer  Hakenzange  vorgezogen,  eine 
Sonde  eingeführt  und  auf  dieser  die  Striktur  gespalten.  Ein- 
führung eines  dünnen  NtMatonkatheters  in  den  Pankreasgang 
Das  Rohr  wurde  dann  durch  die  neugebildete  Choledocho-Duodenal 


*)  SchüUer,  Bruns  Beiträge  Bd.  31,  p.  683. 

♦♦)  Körte,  Verh.  der  d.  Ges.  für  Chir.  19a3,  II.  p.  619. 


—      249      -- 

fistel  geführt  und  durch  eine  Choledochusincision  weiter  leber- 
wärts  nach  aussen  geleitet.  Naht  des  Duodenum,  Eesektion 
und  Drainage  der  Gallenblase,  Hepaticusrohr.  Heilung.  Be- 
sonders interessant  sind  in  diesem  Falle  die  Beobachtungen 
über  den  austretenden  Pankreassaft.  Die  Einzelheiten  sind  in 
den  Verhandlungen  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  1903 
nachzulesen. 

In  einem  Fall  von  Carcinom  der  Papille  würde  ich  nicht 
anders  vorgehen  wie  Körte  angegeben  hat,  d.  li.  ich  würde 
zunächst  eine  Spaltung  des  Duodenum  vornehmen,  um  mich  zu 
überzeugen,  wie  weit  die  Schleimhaut  um  die  Papille  herum 
von  der  Neubildung  ergriffen  ist.  Von  innen  her,  also  nach 
Umschneidung  der  Mucosa  kann  man  die  Resektion  weit  im 
Gesunden  machen,  natürlich  unter  Berücksichtigung  des  Ductus 
Pankreaticus.  Greift  das  Carcinom  auf  das  Pankreasgewebe 
über,  so  lässt  man  am  besten  die  Operation  als  eine  Probe- 
incision  des  Duodenums  mit  nachfolgender  Gallenblasen  -  Darm- 
oder Magenanastomose  endigen.  Es  ist  immerhin  möglich,  dass 
man  auch  hier  durch  aktives  Vorgehen  gute  Resultate  erzielen 
wird,  jedenfalls  sind  derartige  Versuche  bei  einem  sonst  so 
traurigen  Leiden  nur  gerechtfertigt. 

4.  Die  Operationen  am  Ductus  hepaticus. 
(Hepaticotomie,  Hepaticostomie,  Cholangiostomie,  Hepato- 
Cholangio-Enterostomie.) 
Steine  im  Hauptast  und  in  den  grösseren  Ästen  des  Hepaticus 
kann  man  von  der  im  supraduodenalen  Teil  angelegten  Chole- 
dochusincision mit  Kornzangen,  Löffeln  entfernen.  (Nr.  116.) 
Besondere  Einschnitte  im  Hepaticus  (Hepaticotomie)  (Kocher, 
(Jabot,  Kehr)  sind  kaum  nötig,  doch  ist  es  nicht  verboten, 
den  Hepaticus  bis  an  seinen  Eintritt  in  das  Lebergewebe  zu 
spalten,  wobei  man  allerdings  auf  die  Art.  hepatica  resp. 
cystica  Rücksicht  nehmen  muss.  Die  Incision  des  Ductus 
hepaticus  kann  man  in  geeigneten  Fällen  auch  als  sog.  innere 
Hepaticotomie  so  vornehmen,  dass  man  die  Scheidewand  zwischen 
Cysticus  und  Hepaticus  einkerbt  und  auf  diese  Weise  den 
Ductus  hepaticus  für  die  Einführung  von  Kornzangen  etc.  zugäng- 
lich macht.  Hat  man  eine  äussere  Hepaticotomie  vorgenommen, 
so  wird  man  die  Incision  durch  die  Naht  schliessen,  wenn  man 
zugleich  den  Choledochus  im  supraduodenalen  Teil  geöffnet  und 


.—     250     — 

von  hier  aus  Hepaticusdrainage  eingeleitet  hatte.  Handelte  es  sich 
nur  um  Hepaticusincision,  so  ist  auch  hier  die  Hepaticusdrainage 
.der  Naht  vorzuziehen;  bei  sehr  tiefer  Lage  muss  man  oft  auf 
Naht  und  Drainage  verzichten  und  kann  nur  die  Tamponade 
anwenden.  Eventuell  kann  man  Hepaticus  und  Cysticus  resp. 
Gallenblasenhals  durch  eine  Anastomose  verbinden  und  entweder 
Cystostomie  oder  Cystenterostomie  hinzufügen.  Je  einfacher  man 
aber  das  Operationsverfahren  gestaltet,  um  so  mehr  nützen  wir 
unseren  Kranken!  Gelingt  es  nicht,  tiefsitzende  Steine  sofort 
zu  entfernen,  so  macht  man  Hepaticusdrainage  und  entfernt  die 
Steine  während  der  Nachbehandlung.  Gewöhnlich  beginnt  man 
damit  erst  14  Tage  nach  der  Operation.  Nach  Entfernung  der 
Tamponade  und  des  Schlauches  führt  man  einen  Spülkatheter 
in  den  Hepaticus  ein  und  spült  mit  physiol.  40 ^^  C.  warmer 
Kochsalzlösung  den  Hepaticus  aus.  Festsitzende  Steine  haben 
sich  in  der  Zwischenzeit  gelockert,  da  die  Entzündung  zurück- 
gegangen und  die  Schleimhaut  abgeschwollen  ist.  Auch  mit 
Kornzangen  und  Löäeln  kann  man  nachhelfen.  Führen  alle 
diese  Massnahmen  nicht  zum  Ziele,  so  bleibt  noch  die  Einlegung 
eines  Laminariastiftes  in  den  Hepaticus  übrig,  um  den  Gang  ge- 
hörig zu  erweitern.  Diese  Prozedur  ist  ziemlich  schmerzhaft 
doch  hat  sie  mir  gute  Dienste  getan.  Gegen  die  Steine  in  den 
feineren  Gallengängen  sind  wir  ziemlich  machtlos.  Es  ist  zwar 
möglich,  durch  die  Leber  hindurch  sich  einen  Weg  zu  den 
Steinen  zu  bahnen  und  sie  sämtlich  zu  entfernen,  wenn  sie  auf 
einem  kleinen  Bezirk,  der  durch  einen  entzündlichen  Wall  von 
der  Umgebung  abgegrenzt  ist,  beschränkt  sind.  Aber  bei  aus- 
gedehnter Verbreitung  der  Lebersteine  ist  eine  völlige  Heilung 
kaum  denkbar. 

Die  dabei  in  Betracht  kommenden  Operationen,  die  Hepati- 
costomie  (Thornton  1888  und  Nicolayson  1899),  die  Hepato- 
cholangiostomie  (Kocher  1882,  Bayer,  Baudouin,  .Tabou- 
lay),  schliesslich  die  Hepatocholaiigioenterostomie  (Marcel 
Baudouin,  Langenbuch,  ÜUmann,  Czerny,  Kehr)  sind 
so  seltene  Operationen,  dass  nur  der  beschäftigtste  Gallenstein- 
chirurg Gelegenheit  haben  wird,  sie  jemals  auszuführen. 

Während  es  sich  bei  der  Hepaticostomie  um  eine  temporäre 
Fistelbildung  am  Ductus  hepaticus  handelt,  versteht  man  unter 
Cholangiostomie  die  Eröffnung  eines  oder  mehrerer  Gallengänge, 
deren   Inhalt    durch    eine    Fistel    nach    aussen    geleitet   wird. 


Sonnenburg,  Tuffier,  Israel,  Körte  haben  solche  Ope- 
rationen aus<reführt  und  dabei  entweder  den  abdominalen  oder 
perpleuralen  Weg  eingeschlagen. 

Es  ist  oft  unvorsichtig,  wenn  man  über  die  Entwicklung 
eines  Zweiges  der  Chirurgie  etwas  voraussagt.  Die  besten 
Chirurgen  haben  sich  in  dieser  Hinsicht  schon  sehr  getäuscht 
und  über  eine  Operationsmethode  das  Todesurteil  gefällt,  welche 
sich  später  zu  einer  vielgebrauchten  entwickelte.  Ich  glaube 
aber  doch,  dass  man  von  den  soeben  erwähnten  Operations- 
niethoden keine  grosse  Zukunft  erwarten  kann  und  dass  wir 
mit  der  Hepaticusdrainage  zu  einem  gewissen  Abschluss  ge- 
kommen sind.  Die  grossen  Hepaticusäste  sind  unsern  Be- 
mühungen noch  zugänglich,  bei  den  feineren  müssen  wir,  es  sei 
denn,  dass  sich  zirkumskripte  zugängliche  Abszesse  entwickeln, 
unsere  Ohnmacht  eingestehen. 

Auch  von  jener  Operation,  die  Hirsch  berg  zur  Be- 
kämpfung der  Cholangitis  empfahl,  der  Anlegung  einer  Leber- 
gallengangsfistel,  verspreche  ich  mir  nicht  viel. 

Auf  meine  Veranlassung  hin  hat  Berger  in  einer  Arbeit: 
die  Hepaticusdrainage  (Archiv  für  klin.  Chir.  Band  69)  sich 
mit  dieser  Operationsmetho(]e  eingehend  beschäftigt.  Ich  gebe 
hier  wieder,  was  Berger  damals  über  die  Hirsch  berg'sche 
Operation  sagte: 

.,Die  Technik  des  Verfahrens*)  ist  sehr  einfach:  nach  Frei- 
legung der  Leber  per  Laparotomiam  wird  ein  Troikart  in  das 
Lebergewebe  eingestossen  und  der  so  entstandene,  eventuell 
stumpf  bis  auf  etwa  Fingerdicke  erweiterte  Kanal  durch  Ein- 
legen von  Gazestreifen  und  Drains  oflengehalten.  Der  Verfasser 
verspricht  sich 'auf  Grund  des  einzigen  von  ihm  operierten  Falles 
sehr  viel  von  seinem  Vorgehen :  nachdem  er  im  vorigen  Jahre 
auf  dem  19.  Kongress  für  innere  Medizin  (Wiesbaden  1901)  die 
Ansicht  vertreten  hatte,  dass  es  ihm  damit  gelungen  sei,  eine 
hypertrophische  Lebercirrhose  zur  Heilung  zu  bringen,  erblickt 
er  in  seinem  Verfahren  jetzt  ein  Mittel,  welches  die  bisher  ge- 
übten Verfahren  zur  Bekämpfung  der  Cholangitis,  die  Chole- 
cystostomie  und  die  Hepaticusdrainage,  nicht  nur  zu  ersetzen  im 
Stande  ist,    sondern    sie    sogar  übertrifft.     Seine  Ausführungen 

*)  Hirschberg,  Die  Behandlung  schwerer  Lebererkrankungen 
durch  die  Anlegung  einer  Leber -Gallengangsfistel.  Berliner  Klinik. 
Heft  172.    Okt.  1902. 


252     

dürfen  nicht  unwidersprochen  bleiben,  da  sie  geeignet  sind,  die 
Anschauung  zu  erwecken,  als  ob  es  nunmehr  ein  leichtes  sei, 
eine  Cholangitis,  selbst  wenn  sie  ganz  diffus  ausgebreitet  ist, 
durch  eine  relativ  einfache  Operation  zu  heilen. 

Was  zunächst  den  von  Hirschberg  operierten  und  seiner 
Arbeit  zu  Grunde  gelegten  Fall  anbetrifft,  so  bietet  er  nach 
der  mitgeteilten  Krankengeschichte  das  typische  Bild  des  chro- 
nischen Choledochusverschlusses  durch  Stein.  Der  wechselnde, 
wenn  auch  wenig  ausgesprochene  Ikterus,  der  zu-  und  abneh- 
mende Gallenfarbstoffgehalt  des  Stuhles  und  Urins,  die  Leber- 
schwellung, das  unregelmässige  Fieber  mit  Schüttelfrösten,  da- 
bei rasche  Abmagerung  und  schnelles  Sinken  der  Körperkräfte 
sind  so  ausgesprochene  Symptome  der  Choledocholithiasis,  dass 
die  Diagnose  eigentlich  keinen  Augenblick  zweifelhaft  sein  konnte. 
Und  wenn  Herr  Hirschberg  die  Annahme  eines  Choledochus- 
verschlusses —  bei  dem  Wechsel  der  Erscheinungen  konnte 
nur  ein  bewegliches  Hindernis,  also  Stein,  in  Frage  kommen  — 
fallen  Hess  aus- Gründen  wie:  „Beim  Verschluss  des  Ductus 
choledochus  steht  der  schwere,  stetig  zunehmende  Ikterus  im 
Vordergrund  der  Erscheinungen,  ....  es  fehlt  das  Fieber"  etc. 
(S.  17),  so  ist  das  nur  so  zu  erklären,  dass  er  noch  nicht  viel 
Fälle  von  chronischem  Choledochusverschluss  durch  Stein  zu  be- 
obachten Gelegenheit  gehabt  haben  niuss.  Wie  dem  auch  sei, 
die  Operation  verlief  glücklich,  die  Cholangitis  ging  zurück,  die 
Fistel  schloss  sich,  und  der  Operierte  blieb  etwa  P/2  Jahr 
von  grösseren  Anfällen  verschont.  Die  im  letzten  Halbjahre  auf- 
tretenden Anfälle  von  Gallenstauung  mögen  schon  mit  dem  Krebs- 
leiden, dem  der  Patient  2  Jahre  post  op.  erlag,  im  Zusammen- 
hang gestanden  haben. 

Aber  auch,  wenn  der  Patient  Jahrzehnte  lang  nach  der 
Operation  gesund  geblieben  wäre,  so  berechtigte  dieser  eine 
Fall  durchaus  noch  nicht  dazu,  so  allgemeine  Schlüsse  zu  ziehen 
und  die  Hirsch  berg' sehe  Methode  als  gradezu  ideales  Ver- 
fahren zur  Bekämpfung  der  Cholangitis  und  als  der  Hepaticus- 
drainage  überlegen  hinzustellen.  Der  Vorzug  des  Verfahrens 
ist  nach  Hirsch  berg  die  relative  Geringfügigkeit  des  Kin- 
griffes gegenüber  der  Aufsuchung,  Eröffnung  und  Drainage  der 
tiefen  Gallenwege;  dass  es  dasselbe  leistet,  wage  ich  zu  be- 
zweifeln. Indem  Hirsch  berg' sehen  Falle  handelte  es  sich  um 
eine  leichte  bis  höchstens    mittelschwere  Cholangitis,  aus  dem 


—     258     — 

erötfneten  Hepaticus  floss  „reichlich  klare,  dünne,  schleimige, 
nicht  riechende  Galle  von  grüngelber  Farbe"  (S.  7),  nicht  wie 
bei  schweren  Cholangitiden  trübes,  eitriges,  stinkendes,  kaum 
gallig  gefärbtes  Sekret.  Die  allerdings  erst  am  10.  Tage  post  op. 
vorgenommene  mikroskopische  Untersuchung  ergab  „eine  Sorte 
von  Bazillen,  welche  in  die  Klasse  des  Bacillus  lactjs  aerogenes 
gehörten,  eine  Klasse,  die  dem  Bact.  coli  commune  sehr  nahe 
steht,  aber  ebenso  häufig  im  normalen  Darme  vorkommt.  Be- 
züglich der  Pathogenität  fielen  die  Untersuchungen  negativ  aus" 
(S.  9).  Also  schon  in  einem  relativ  grossen  Hepaticusaste  klare, 
wenig  schleimige  Galle  ohne  Staphylo-  oder  Streptokokken: 
weder  lag  eine  schwere  Infektion  vor,  noch  war  dieselbe  auf 
die  feineren  und  feinsten  Gallengänge  übergegangen.  Dem  Be- 
funde entsprach  der  günstige  Verlauf.  Es  ist  mir  nach  dem 
Gesagten  unerfindlich,  wie  Hirschberg  auf  Grund  dieses 
Falles  von  der  Leber-Gallengangsfistel  sagen  kann:  „sie  kann 
ihre  Wirksamkeit  noch  entfalten,  wo  die  Hepaticusdrainage 
nicht  ausführbar  ist,  wie  .  .  bei  Infektion  und  Stauung  der  Galle 
in  den  feineren  Gallenwegen"  (S.  27).  Den  Beweis  für  diese 
Behauptung  bleibt  er  schuldig,  und  wer  die  schweren  diffusen 
Cholangitiden  aus  eigener  Anschauung  kennt,  wird  ohne  diesen 
Beweis  an  die  Wirksamkeit  seines  Verfahrens  nicht  glauben. 
Denn  nicht  weil  die  Hepaticusdrainage  die  infizierte  Galle  nicht 
genügend  abzuleiten  im  Stande  ist,  sterben  unsere  Operierten 
in  diesen  unglücklichen  Fällen,  sondern  weil  die  Leberzellen 
alteriert  sind,  die  Funktion  der  Leber  mehr  oder  weniger  gestört 
ist^  weil  der  g?inze  Organismus  von  den  Toxinen  des  cholan- 
gitischen  Prozesses  durchdrungen  ist  und  der  Eingriff  zu  spät 
kommt,  um  diese  Zustände  noch  zu  bessern.  Hier  wird  aber 
die  Anlegung  einer  Leber -Gallengangsfistel  ebensowenig  Hülfe 
zu  bringen  vermögen. 

In  den  übrigen,  noch  nicht  unrettbar  dem  Tode  verfallenen 
Fällen  halte  ich  im  Gegensatz  zu  Hirschberg's  Ausführungen 
die  Hepaticusdrainage  für  überlegen.  Die  ihr  vorangehende 
Choledochotomie  beseitigt  zunächst  den  Stein  —  in  der  weitaus 
grössten  Zahl  der  Fälle  die  Ursache  der  Cholangitis  — ,  sodann 
leitet  das  im  Hepaticus  liegende  Rohr  fast  alle  aus  der  Leber 
herabfliessende  Galle  nach  aussen;  die  Lebergallengangsfistel 
eröffnet  günstigenfalls  einen  Ast  des  Hepaticus,  ist  der  Operateur 
weniger  vom  Glück  begünstigt,   so  trifft  er  nur  Verästelungan 


—     254     — 

dritten,  vierten  oder  noch  höheren  Grades.  Allerdings  kann 
man  den  Eingriff  wiederholen  —  „wenn  nach  der  Anbohrung 
der  einen  Leberstelle  keine  Galle  ausfliesst,  stüsst  man  den 
Troicart  an  einer  anderen  Stelle  ein"  (S.  27)  — ,  aber  sollte 
mehrmaliges  Einstechen  eines  fingerdicken  Troicarts  in  das 
Lebergewebe  bis  auf  10  cm.  Tiefe  wirklich  ein  so  ganz  gleich- 
gültiger Eingriff  sein  ?  Auch  schätze  ich  die  Gefahr  der  Blutung 
höher  als  Hirschb  er g,  Leberarterie  und  Pfortadergefässe 
liegen  innerhalb  derselben  Bindegewebsscheide  wie  die  Gallen- 
gänge, und  die  Lebervenen  entbehren  jedes  Schutzes,  eine  Mög- 
lichkeit, die  Gefässe  zu  vermeiden,  haben  wir  aber  nicht,  da 
wir  blind  in  das  Organ  hineinstechen  müssen. 

Und  nun  weiter.  Angenommen,  der  Troicart  hat  einen 
grossen  Hepaticusast  getroffen,  so  soll  das  nach  Hirschberg 
zur  Drainage  des  ganzen  Gallensystems  genügen.  Wir  hatten 
Gelegenheit,  einen  Fall  zu  beobachten,  der  das  Gegenteil  bewies, 
Er  ist  von  mir  in  einer  Arbeit:  „Über  den  Gallenfluss  nach 
Kchinococcusoperationen"  *)  veröffentlicht  worden ,  ich  will  ihn 
hier  kurz  wiederholen: 

Bei  der  44jährigen  Frau  war  im  August  1899  ein  vereiterter 
Leberechinococcus  perpleural  eröffnet  worden.  Vier  Wochen 
lang  floss  reichlich  Galle,  im  Dezember  war  die  Fistel  völlig 
geschlossen.  Ein  volles  Jahr  danach  erkrankte  die  Patientin 
unter  den  Erscheinungen  der  Cholangitis,  die  Fistel  brach  wieder 
auf  und  es  floss  nunmehr  alle  oder  fast  alle  Galle  durch  diese 
ab.  Trotzdem  blieb  leichter  Ikterus  bestehen,  und  alle  2—3 
Wochen  trat  ein  Schüttelfrost  auf,  Patientin  befand  sich  aber 
sonst  nicht  schlecht.  Da  alle  Versuche,  die  Ilstel  zum  Ver- 
schluss zu  bringen,  fehlschlugen,  wurde  am  3.  7.  00  der  Chole- 
dochus  freigelegt,  ein  Stein  aus  ihm  entfernt  und  der  Hepaticus 
drainiert.     Völlige  Heilung. 

Der  Fall  hat  mit  dem  Hirschberg'schen  sehr  viel  Ähn- 
lichkeit. Hier  wie  dort  ein  Stein  im  Choledochus  und  als  Folge  da- 
von Cholangitis,  hier  wie  dort  eine  Gallenfistel ,  dort  künstlich 
angelegt,  hier  in  der  Narbe  der  alten  Echinococcusoperation 
spontan  entstanden.  Und  doch  kam  in  unserem  Falle  die 
Cholangitis  nicht  zur  Heilung,  leichter  Ikterus  und  regelmässige 
Schüttelfröste  bewiesen,  dass  sie  noch  nicht  erloschen  war,  keine 

*)  Kehr,  Berger  und  Welp,  Beiträge  zur  Bauchchirurgie. 
Neue  Folge.    Berlin  1902.'    Seite  217. 


—     255     — 

oder  doch  fast  keine  Galle  floss  in  den  Darm.  Wir  erklärten 
es  uns  so,  dass  die  in  dem  nicht  eröifneten  Hepaticusaste  lierab- 
strömende  Galle  sich  vor  dem  Hindernis  staue  und  dann  rück- 
läufig- in  den  anderen  Hepaticusast  und  durch  dessen  Fistel  nach 
aussen  fliesse  und  dass  in  der  zwischen  Hindernis  und  Hepaticus- 
ofabelung  stagnierenden  Galle  die  Infektion  unterhalten  werde. 
So,  glaube  ich,  werden  sich  die  Verhältnisse  auch  in  den  meisten 
nach  dem  Hirschberg' sehen  Verfahren  behandelten  Fällen 
gestalten.  Die  Fistel  verschafft  durch  Ableitung  der  cho- 
langitischen  Sekrete  Erleichterung  und  verhütet  da>!  Aeusserste, 
beseitigt  die  Infektion  des  Gallensystems  jedoch  nicht  und  muss 
deshalb  dauernd  offen  gehalten  werden.  Das  wird  sich  schlecht 
durchführen  lassen,  wenn  es  sich  um  einen  Gallengang  handelt, 
der  in  einer  Tiefe  von  8 — 10  cm.  nur  durch  einen  engen  Kanal 
zugänglich  im  Lebergewebe  verläuft.  Auch  Hirs  ch  b  erg  be- 
tont die  Neigung  seiner  Lebergallengangsfistel,  sich  rasch  zu 
schliessen,  sein  Eat,  mit  der  Entfernung  des  Drains  aus  diesem 
Grunde  nicht  zu  eilig  zu  sein  (S.  29),  dürfte  nicht  viel  helfen, 
da  er  mit  dem  Drain  wohl  den  Kanal  im  Lebergewebe,  nicht 
aber  das  Loch  in  der  Gallengangswandung  offen  halten  kann. 
Schliesst  es  sich  aber,  bevor  alle  Entzündungserscheinungen 
beseitigt  sind,  so  wird  sofort  die  Cholangitis  wieder  akut  und 
macht,  falls  die  Fistel  nicht  spontan  aufbricht,  einen  neuen 
Eingriff  notwendig.  Ist  aber  in  leichteren  Fällen  mit  dem 
Schwinden  der  cholangitischen  Symptome  der  Choledochus  wieder 
durchgängig  geworden  und  hat  sich  die  Fistel  geschlossen,  so 
ist  damit  doch  nur  eine  vorübergehende  Heilung  erzielt,  ein 
Rückfall  ist,  so  lange  der  Stein  im  Choledochus  steckt,  jeder- 
zeit zu  erwarten.  Ob  dieser  Rückfall  leicht  sein  wird,  wie  in 
dem  Hir  s  chberg'schen  Falle,  oder  schwer,  vielleicht  schwerer 
als  der  erste  Anfall,  ist  nicht  vorauszusehen,  jedenfalls  wird 
der  Patient  kaum  seines  Lebens  froh  werden.  Um  es  also  noch 
einmal  zusammenzufassen:  die  Anlegung  einer  Lebergallen- 
gangsfistel kann  bei  Cholangitis  Erleichterung  bringen,  sie  wird 
die  Infektion  aber  nur  in  leichten  Fällen  zum  Erlöschen  bringen 
und  bewahrt  nicht  vor  der  Gefahr  des  Recidivs.  In  schweren 
F'ällen  besteht  trotz  gut  funktionierender  Fistel  die  Infektion 
fort;  da  bei  Verschluss  der  Fistel  sofort  schwere  Erscheinungen 
von  Cholangitis  zu  erwarten  sind,  muss  die  Fistel  dauernd  offen 
gehalten  werden.     In  den  schwersten  Fällen,  bei  diffuser  Cho- 


—     256     — 

langitis,  versagt  die  Lebergallengangsfistel  ebenso  wie  andere 
Operationsmethoden. 

Dem  gegenüber  ist  die  Hepaticusdrainage  wohl  etwas 
gefährlicher,  verspricht  dafür  aber  völlige  und  dauernde 
Heilung.  — "  Ich  möchte  den  Berger'schen  Ausführungen  noch 
hinzufügen,  dass  die  Hirschberg 'sehe  Operation  erst  dann  zur 
Anwendung  kommen  sollte,  wenn  man  von  der  Porta  hepatis 
aus  die  Ableitung  der  infizierten  Galle  nicht  bewerkstelligen 
kann,  sei  es,  dass  der  Choledochus  durch  die  Adhäsionen  so  ver- 
schlossen ist,  dass  man  nicht  herankommt,  sei  es,  dass  die 
Hepaticusdrainage  —  was  ich  aber  noch  nicht  beobachtete  — 
zu  einer  völligen  Obliteration  des  Gangs  geführt  hat.  Dann 
mag  die  Inangriffnahme  der  Cholangitis  von  der  Leber  aus  er- 
laubt sein,  doch  werde  ich  in  solchen  Fällen  der  Cholangio- 
Enterostomie  den  Vorzug  geben,  da  die  Cholangiostomie  eine 
dauernde  Gallenfistel  hinterlässt.  Auf  die  Bedenken,  die 
Hirschberg  und  Enderlen  über  die  Hepato - Cholangio- 
Enterostomie  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress  äusserten, 
komme  ich  noch  zu  sprechen. 

Die  Langenbuch 'sehe  Hepato -Cholangio -Enterostomie 
ist  von  mir  erst  einmal  „probiert"  worden.  Diese  Operation 
—  eine  Anastomose  zwischen  intrahepatischen  Gallengängen  und 
einem  Darmabschnitt  —  ist,  wie  wir  weiter  unten  noch  näher 
erörtern  werden,  indiziert  bei  Cholangitis,  die  nicht  durch 
Hepaticusdrainage  angreifbar  ist  und  bei  Verschlüssen  des 
Choledochus  (Obliteration  etc.),  sobald  es  nicht  gelingt,  von 
der  Porta  hepatis  aus  das  Hindernis  zu  beheben.  Solche 
Patienten  sind  gewöhnlich  sehr  ikterisch  und  in  ihrem  Kräfte- 
zustand  sehr  reduziert,  und  dadurch  wird  die  Prognose  solcher 
Operationen  sehr  getrübt.  Die  Punktierung  der  Leber  kann 
eine  schwere  Nachblutung  herbeiführen.  Bei  Verschluss  des 
Choledochus  resp.  Hepaticus  durch  Carcinom  sollte  man  die 
Operation  nicht  ausführen,  da  der  Erfolg  doch  kein  dauern- 
der sein  kann  und  man  durch  Morphium  eine  bessere 
Euphorie  erreicht,  wie  durch  solch'  kunstvoll  ausgeführte 
Operation. 

In  meinem  Fall  sprach  der  Befund  zwar  für  ein  Pylorus- 
carcinom,  aber  die  mikroskopische  Untersuchung  (im  pathol. 
Institut  in  Marburg  ausgeführt)  konnte  keine  Krebselemente 
finden,     so    dass     man    hoffen     konnte,     der   Verschluss    des 


Pylorus  sei  ein  gutartiger.  Die  54  j.  Frau  wurde  wegen  Pylorus- 
stenose gastroenterostomiert,  wobei  sich  herausstellte,  dass  auch 
der  Ductus  cysticus  und  der  Ductus  choledochus  verschlossen 
waren.  Die  Gallenblase  wurde  exstirpiert,  aber  an  dem  durch  feste 
Massen  obliterierten  Ductus  cysticus  konnte  man  nichts  Carcino- 
raatöses  finden.  Es  war  also  immerhin  möglich,  dass  ein  Ulcus  pylori 
mit  starker  Entzündung  und  Narbenbildung  in  der  Umgebung  auf 
Cysticus  und  Choledochus  übergegriffen  hatte  und  der  Choledochus 
wieder  wegsam  werden  konnte.  Die  Gastroenterostomie  stellte 
die  motorischen  Funktionen  wieder  her.  Fat.  erholte  sich,  bekam 
guten  Appetit,  aber  der  anfänglich  massige  Ikterus  wurde  immer 
stärker.  Wie  die  erste  Operation  ergab,  war  von  der  Porta  hepatis 
aus  nichts  zur  Behebung  des  Hindernisses  zu  tun.  Deshalb  wurde 
die  ('holangio  -  Duodenostomie  ausgeführt.  Aus  dem  Rand  des 
rechten  Leberlappens  wurde  ein  Keil  excidiert,  der  Defekt  durch 
den  Paquelin  gehörig  vertieft  und  dann  das  naheliegende  Duo- 
denum daiaufgenäht.  Die  Bauchwunde  wurde  völlig  geschlossen. 
Fat.  überstand  den  Eingriff  ganz  gut,  verlor  ihren  Ikterus  und 
wurde  4  Wochen  post  op.  entlassen.  Der  behandelnde  Arzt  hat 
mir  nicht  wieder  über  den  Fall  berichtet,  doch  erfuhr  ich  durch 
Zufall,  dass  der  Exitus  an  fang  März  —  4  Wochen  nach  der 
Entlassung  —  eingetreten  sei.  Die  interessante  Operation  habe 
ich  bereits  im  Centralblatt  für  Chir.  1904,  Nr.  7  veröffentlicht 
und  damals  folgendes  ausgeführt: 

Bei  Cholangitis,  bedingt  durch  Steine  im  Ductus  chole- 
dochus und  hepaticus,  bedient  man  sich  heute  wohl  allgemein 
der  Hepaticusdrainage. 

Bei  sonstigen  Verschlüssen  des  Choledochus ,  unter  denen 
das  Carcinom  die  erste  Stelle  einnimmt,  kann  es,  wie  ich 
in  einem  Falle  gezeigt  habe,  gelingen,  durch  Resektion  des 
Choledochus  und  Hepaticus  mit  nachfolgender  zirkulärer  Naht 
oder  Hepatico -Duodenostomie  den  Gallenabfluss  wieder  herzu- 
stellen. 

Jedenfalls  gilt  es  für  mich  als  Regel,  bei  allen  Obstruktionen 
des  Choledochus  den  Versuch  zu  machen,  durch  direkte  Angriff- 
nahme  von  der  Porta  hepatis  aus  das  Hindernis  zu  beseitigen. 

Erst  wenn  es  sich  zeigt,  dass  man  auf  diese  Weise  nicht 
zum  Ziele  kommt,  sind  Anastomosen  zwischen  Gallensystem  und 
Darm  resp.  Magen  in  Erwägung  zu  ziehen. 

Leicht  ist  es,  eine  solche  zwischen  Gallenblase  und  Darm 

Kehr,  Teclinik  der  Gallensteinoperationi'ii.    I.  1' 


—     258     — 

resp.  Magen  herzustellen,  schwierig  ist  die  Technik  der  Chole- 
(locho-Duodenostoniie  und  der  Hepatico-Duodenostomie. 

Sind  Choledochus  und  Hepaticus  bis  dicht  an  die  Leber  heran 
verschlossen  und  ist  ausserdem  der  Ductus  cysticus  obliteriert, 
so  ist  es  überhaupt  unmöglich,  die  Gallenblase  und  die  grossen 
Gallengänge  zur  Anastomose  zu  benutzen.  Wir  können,  wenn 
wir  noch  etwas  tun  wollen,  nur  kleinere  Gallengänge -zur  Ana- 
stomose verwenden  und  müssen  durch  die  Lebersubstanz  hin- 
durch uns  zu  diesen  einen  Weg  bahnen. 

Diese  Operation  —  die  Freilegung  der  kleineren  Gallen- 
gänge — ,  die  Cholangiostomie,  haben  bereits  Kocher  (1882) 
und  Langenbuch  (1886)  u.  a.  ausgeführt,  und  auch  der  neuer- 
dings von  Hirschberg  publizierte  Fall  gehört  hierher. 

Die  einfache  Cholangiostomie  hat  aber  den  grossen  Nach- 
teil, dass  eine  komplete  Gallenfistel  mit  all'  ihren  Widerwärtig- 
keiten entsteht,  wenn  das  Hindernis  am  Choledochus  resp. 
Hepaticus  nicht  von  allein  schwindet. 

Deshalb  empfahlen  Marcel  Baudouin  (1896),  Langen- 
buch  (1897)  und  Uli  mann  (1897),  die  Gallengänge  mit  einem 
Abschnitt  des  Darmes  in  Verbindung  zu  bringen,  also  eine 
Hepato-Cholangio-Enterostomie  auszuführen. 

Soviel  ich  weiss,  ist  es  bisher  bei  dieser  Idee*)  geblieben; 
ich  hatte  im  Januar  d.  J.  Gelegenheit,  die  erste  Operation 
dieser  Art  zu  „probieren": 

Es  handelt  sich  um  eine  54  jährige  Witwe  aus  S.,  die  sonst  immer 
gesund  war.     Sie  hat  zweimal  geboren.     Menopause  seit  4  Jahren. 

Im  Frühling  1903  sehr  heftiger  ßronehialkatarrh  („Influenza"). 
Danach  begannen  sich  Magenbeschwerden  einzustellen,  sehr  viel  Aul- 
stossen  und  Sodbrennen  jedesmal  nach  dem  Essen.  DabeikeineSchmerzenl 
Appetit  nur  zeitweise  gering,  jetzt  sehr  gut.  Allmählich  starke  Ab- 
magerung. Stuhlgang  dauernd  verstopft.  Seit  Ende  Juni  ab  und  zu 
Erbrechen,  das  in  letzer  Zeit  häufiger  ist  und  oft  alte  Speisen  (vom 
Tage  vorher)  herausbefördert.  Abmagerung  wurde  immer  stärker,  die 
Magenbeschwerden  hielten  an.  Mehrere  Arzte  stellten  Magenerweite- 
rung und  Erschlaft'ung  infolge  Verengerung  des  Magenausganges  fest 
und  rieten,  falls  die  Abmagerung  forlschritte,  zur  Operation. 


*)  Petersen  (Heidelberg)  teilte  auf  dem  Chirurgenkongress  1904 
mit,  dass  bereits  Czerny  eine  Hepato-Cholangio-Enterostomie  aus- 
geführt hat.  Das  ist  richtig.  Wie  Merk  in  den  Mitteilungen  aus 
den  Grenzgebieten  berichtet,  wurde  die  Operation  am  11.  Nov.  1898 
ausgeführt.    (Siehe  auch  Brenner,  Virchow's  Arohiv  Bd.  158.) 


—     259     — 

Befund:  Grosser,  atonischer  Magen;  kein  Tumor  am  Pylorus 
tastbar,  da  die  Bauchdecken  sehr  gespannt  sind.  Motorische  Funktionen 
des  Magens  sehr  träge.     Dreimalige  Magenspülung. 

Pat.    ist    sehr  abgemagert  und  elend,   massig  ikterisch.     Im  Urin 
GallenfarbstoEF,  kein  Eiweiss. 


Schema  1  für  Hepato-Cholangio-Bnterostomie.    Boi  1  die  bis  an  die  Loberober- 
fläche reichenden  Qalleng'änge.  2.  Ualloiiblase.  3. Ductus  choledochus.  4.  Magen. 


Schema  11  fUr  Hopato-Cholangio-Enterostoraio.  Die  Gallongängo  bei  1  sind  mit 

dem  Duodenum  io  Anastomoso  gebracht.  Die  Gallenblase  ist  oxstirpiert,  boi  2 

ist  der  Ductus  cysticus  unterbunden.    3.  Ductus  choledochus.    i.  Magen. 


Diagnose:  Pylorusstenose,  wahrscheinlich  carcinomatös.  (Ad- 
häsionen ?) 

Operation:  2.  Dezember  1903.  Schnitt  in  der  Mittellinie  ober- 
halb des    Nabels,   Schrägschnitt    vom  Nabel    aus    nach    links    unten. 

17* 


—     260     — 

Magen  gross;  hydropische  Gallenblase  am  Duodenum  verwachsen.  Py- 
loruB  frei.  Beim  Einstechen  der  Gallenblase  spritzt  unter  gewaltigem 
Druck  im  Bogen  wasserhelle  Flüssigkeit  in  die  Schale.  Duodenum 
von  einer  harten  Infiltration  eingenommen,  die  den  Cysticus  ringförmig 
umschliesst.  Ectomie.  Gastroenterostomie  nach  v.  Hacker  (15  Minuten). 
Tamponade- des  Leberbettes.  Naht.  Dauer  der  Operation  1  Stunde. 
40  gr.  Chloroform.     Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose. 

Befund  der  Gallenblase  (pathologisches  Institut  Marburg):  Ver- 
dickung der  Blasenhalswandungen.  Übrige  Gallenblasenwandung  wenig 
verändert.     Leichte  Erweiterung  der  gesamten  Blase. 

An  mikroskopischen  Schnitten  durch  den  verdickten  Blasenhals 
fällt  auf,  dass  die  Veränderungen  hauptsächlich  die  äusseren  Wand- 
schichten betreffen.  Hier  besteht  eine  Sklerosierung  des  Bindegewebes 
vind  Einlagerung  lymphknötchenähnlicher  Zellanhäiifungen  in  dar  Um- 
gebung grösserer  Gefässe.  Die  sonst  so  stark  entwickelten  Drüsen 
fehlen  völlig.  Die  Schleimhaut  ist,  von  leichter  zelliger  Infiltration 
abgesehen,  völlig  normal,  hat  schönes,  hohes,  einfaches  Zylinderepithel. 
Von  krebsiger  Wucherung  ist  nichts  zu  finden.  Das  elastische  Gewel)e 
ist  nicht  vermehrt.  An  Schnitten  durch  den  Blasenfundus  fällt  das 
völlige  Fehlen  des  Oberflächenepithels,  der  Faltenbildungen  der  Schleim- 
haut, der  Drüsen  und  die  schlechte  Färbbarkeit  der  spärlich  erhaltenen 
Reste  der  Schleimhaut  und  des  Muskelgewebes  auf.  Soweit  erkennbar, 
fehlen  sonstige  bemerkenswerte  Veränderungen. 

Verlauf:  Vom  2.  Dezember  1903  bis  7.  Dezember  gut  und 
fieberfrei. 

Am  7.  Dezember  spontaner  Stuhlgang,  grau  verfärbt. 

Am  10.  Dezember  vermehrter  Ikterus,  besonders  der  Konjunktiven. 

16.  Dezember.    Verbandwechsel.     Entfernung    der  Tampons ,  die 

sehr  fest  sitzen,  der  langen  Fäden  bis  auf  einen  und  sämtlicher  Nähte. 

Wundtrichter  sehr  eng,  Wunde  sieht  gut  aus.   Ausspülung.  Tamponade. 

28.  Dezember.    Fat.  ist  stärker  ikterisch.    Appetit  nimmt  täglich 

zu,  gutes  Allgemeinbefinden. 

3.  Januar  1904.  Ikterus  ist  noch  stärker  geworden,  starkes  Haut- 
jucken. 

6.  Januar.  Sehr  starker  Ikterus.  Befinden  sonst  unverändert. 
Ein  langer  Faden  liegt  noch  sehr  fest  in  dem  bereits  stark  verengten 
Wundtrichter. 

Der  Fat.  wird  gesagt,  dass  man  in  leichter  Narkose  den  Faden 
entfernen  wolle,  den  Angehörigen  wird  auseinandergesetzt,  dass  wegen 
des  starken  Ikterus  ein, neuer  Eingriff  nötig  sei.  Befund  und  klinischer 
Verlauf  sprechen  zwar  für  ein  Carcinom,  doch  wurde  im  Marburger 
pathologischen  Institut  nichts  davon  entdeckt.  Liegt  Carcinom  vor, 
so  ist  allerdings  jede  Nachoperation  von  geringem  Wert,  ist  der  Prozess 
aber  ein  gutartiger,  rein  entzündlicher,  so  kann  man  durch  eine  neue 
Operation  sehr  wohl  nützen.  Von  der  Porta  hepatis  aus  ist  jedes  Vor- 
gehen zwecklos:  das  hatte  schon  die  erste  Operation  gezeigt.  Der 
Choledochus  war  in  harte  Schwielen  eingebettet,  und  diese  verhinderton 
eben  den  Abfiuss  der  Galle  nach  dem  Darm  hin.     Es  blieb    nur  übrig 


—     261     — 

eine  Cholangiostomie  oder  eine  Cholangio-Enterostomie.  Die  erstere 
Operation  musste  eine  komplete  Gallenfistel  ergeben,  da  ja  der  Chole- 
dochus  schon  jetzt  völlig  undurchgängig  war.  Eine  Cholangio-Entero- 
stomie war  das  bessere  Verfahren. 

Operation:  8.  Januar  1904.  Der  alte  Fistelgang  wird  gereinigt 
und  mit  steriler  Gaze  ausgestopft.  Längsschnitt  am  äusseren  Rande 
des  rechten  M.  rect.  abd.  Leber  massig  gross.  Ein  6  cm.  langes, 
2—3  cm.  breites  elliptisches  Stück  wird  aus  dem  unteren  Leberrand 
herausgeschnitten  und  das  Loch  mit  dem  Paquelin  gehörig  vertieft. 
Dadurch  steht  zugleich  die  Blutung  (zwei  Unterbindungen).  Einige 
grössere  Gallengänge  sind  eröffnet,  und  man  sieht  deutlich  Galle  aus- 
fliessen.  Das  naheliegende  Duodenum  wird  nach  6  cm.  langer  Er- 
öffnung auf  die  Ränder  der  Leberwunde  genäht.  Einige  Nähte  schneiden 
durch,  da  die  Leber  etwas  morsch  ist.  Ohne  Tamponade  wird  die 
Bauchhöhle  geschlossen.  Operation  dauerte  60,  die  Narkose  65  Minuten 
(15  gr.  Chloroform).  Sehr  gute  Chloroform-Sauerstoff-Narkose.  Im  Bei- 
sein des  Herrn  Dr.  Pagens  tech  er -Mexiko.     (Fig.  64  und  65.) 

Puls  nach  der  Operation  gut. 

Verlauf:  12.  Januar.  Verbandwechsel.  Aus  dem  alten  Fistel- 
gang läuft  etwas  Galle.  Heute  Stuhl  nach  Einlauf  braun.  Urin  viel 
heller.  Ikterus  hat  bereits  erheblich  nachgelassen.  Befinden  gut.  Pat. 
föngt  an  zu  essen. 

15.  Januar.  Pat.  erholt  sich  sehr,  Ikterus  gering,  Stuhl  braun, 
Urin  hell,  Hautjucken  beseitigt.  Die  angelegte  Anastomose  funktioniert 
also  gut. 

17.  Januar.  Fäden  entfernt.»  Wunde  per  primam  geheilt.  Ikterus 
noch  geringer,  Appetit  nimmt  sehr  zu. 

6.  Februar.  Pat.  wird  wesentlich  gebessert  entlassen.  Gewichts- 
zunahme. Pat.  ist,  wie  ich  durch  Zufall  erfuhr,  5  Wochen  nach  der 
Entlassung  gestorben,  eine  Sektion  hat  nicht  stattgefunden,  wenigstens 
hat  mir  der  behandelnde  Arzt  keine  weitere  Mitteilung  zukommen 
lassen,  was  sehr  bedauerlich  ist;  denn  ich  kann  über  die  Beschaffen- 
heit der  angelegten  Fistel,  über  das  Verhalten  des  Lebergewebes  dem 
vorbeiströmenden  Darminhalt  gegenüber  keine  näheren  Angaben  machen. 

Epicrise:  Ich  habe  der. Krankengeschichte  nur  wenige 
Bemerkungen  hinzuzufügen. 

Die  Technik  der  Operation  ist  sehr  einfach  und  bedarf 
keiner  besonderen  Erläuterung. 

Nach  dem  bisherigen  Verlauf  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
der  Verschluss  am  Choledochus  durch  entzündliche  Schwielen, 
liervorgerufen  durch  das  Ulcus  des  benachbarten  Duodenum, 
bedingt  ist.  Derartige  Choledochusobstruktionen  gehören  zu  den 
Seltenheiten ;  denn  am  häufigsten  wird  der  Verschluss  des  Chole- 
dochus und  Hepaticus  durch  Steine  bedingt ;  ich  bemerkte  schon 
oben,  dass  man  in  solchen  Fällen  auf  direktem  Wege  das  Hinder- 


-      262     — 

nis  beseitigen  wird.  Mir  ist  das  bei  mehr  als  200  Oholedocho- 
tomien  resp.  Hepaticusdrainagen  stets  gelungen,  und  ich  würde 
eine  Cholangiostomie  oder  Hepato- Cholangio -Enterostoraie  bei 
solchen  Zuständen  für  einen  Fehler  halten. 

Ebenso  würde  ich  nicht  zu  solchen  Operationen  raten,  wenn 
das  Hindernis  durch  ein  primäres  oder  sekundäres  Carcinom  der 
Leberpforte,  dessen  radikale  Entfernung  unmöglich  ist,  bedingt 
wird.  In  solchen  Fällen  nützen  wir  mit  einem  einfachen  In- 
strument —  der  Morphiumspritze  —  viel  mehr. 

Nur  in  zweifelhaften  Fällen,  wie  dem  nieinigen,  ist  die  Cho- 
langio-Enterostomie  gestattet.  Denn  ist  der  Verschluss  ein  rein 
entzündlicher  resp.  durch  entzündliche  Schwarten  bedingt,  dann 
kann  es  in  der  Tat  gelingen,  die  drohende  Cholämie  zu  be- 
seitigen und  das  Leben  der  Kranken  zu  erhalten.  Da  die  sichere 
Unterscheidung  der  carcinomatösen  von  den  fibrös-entzündlichen 
Schwarten  und  Verdickungen  nach  Freilegung  der  verlegten 
Gallengänge  nicht  immer  gelingt,  ist  es  geboten,  die  Idee 
Baudouin's  und  Langenbuch's  öfter,  als  es  bis  heute  ge- 
schah, zu  verwirklichen. 

Enderlen  hat  auf  dem  Chirurgenkongress  1904  Tier- 
experimente  mitgeteilt,  aus  denen  hervorgeht,  dass  Anastomosen 
zwischen  Lebergängen  und  Darm  sich  mit  der  Zeit  schliessen, 
auch  »wenn  der  Choledochus  unterbunden  ist.  Das  widerspricht 
meinen  an  Menschen  gemachten  Erfahrungen.  Oben  habe  ich 
einen  Fall  kurz  berührt,  welcher  ausführlich  mitgeteilt  zu  werden 
verdient,  um  den  von  Enderlen  aus  dem  Tierexperiment 
gezogenen  Schlüssen  entgegenzutreten.  Der  Fall  ist  von  Berger 
in  den  Beiträgen  zur  Bauchchirurgie  Neue  Folge  1902,  p.  218, 
beschrieben  worden. 

C.  J..  44 j.  Bahnwärtersfrau  aus  Crottorf. 

Subphrenischer  vereiterter  Leberechinococous.  Op.  22.  8.  1898. 
Kinzeitige  perpleurale  Incision  mit  Resektion  eines  Stückes  der  8.  Rippe. 
Vom  8.  Tage  an  profuser  Gallenfluss,  Stuhl  acholisch.  Der  Gallenfluss 
hcält  etwa  4  Wochen  in  gleicher  Stärke  an,  vermindert  sich  dann  und 
hört  anfang  Oktober  ganz  auf.  Ein  nachteiliger  Einfluss  des  Gallen- 
verlustes auf  dem  Organismus  ist  nicht  zu  bemerken.  P&t.  wird  am 
15.  10.  1899  in  gutem  Wohlbefinden  mit  einer  kleinen,  noch  wenig 
Eiter  absondernden  Fistel  entlassen.  Sie  kommt  noch  allwöchentlich 
zum  Verbinden  in  die  Klinik,  anfang  Dezember  Schluss  der  Fistel. 
Vorläufig  völlige  Heilung. 

Am  28.  12.  1900  erkrankte  sie  mit  Schüttelfrost,  Erbrechen,  dem- 
nächst Ikterus,  Schmerzen  im  Oberbauch  rechts  und  in  der  Mittellinie. 


-      263     — 

Sie  fühlte  sich  einige  Tage  sehr  schlecht.  Am  30.  12.  empfand  sie 
den  Schmerz  besonders  in  der  alten  Operationsnarbe,  und  plötzlich 
brach  diese  wieder  auf  und  entleerte  sehr  viel  Galle.  Die  Fistel  bat 
sich  seitdem  noch  nicht  wieder  geschlossen,  es  iloss  soviel  Galle  ab, 
dass  der  Verband  an  manchen  Tagen  mehrmals  gewechselt  werden 
musste.  In  den  Darm  gelangte  nur  selten  etwas  Galle,  die  Stühle 
waren  bisweilen  hellgelb,  meist  tonfarben,  der  Urin  wechselnd.  Alle 
2—3  Wochen  trat  ein  leichter  Schüttelfrost  ein.  Dabei  war  das  All- 
gemeinbefinden gut,  der  Appetit  vorzüglich,  die  Verdauung  leidlich. 
Pat.  hat  nicht  an  Gewicht  verloren,  fühlte  sich  auch  nicht  schwächer 
als  sonst. 

Am  22.  1.  1901  kam  Pat.  wieder  zur  Klinik.  Es  fand  sich  in  der 
lauteren  Axillarlinie  in  Höhe  der  8.  Rippe  eine  etwa  3  cm.  im  Durch- 
messer messende  Fistel,  aus  welcher  fortwährend  Gallo  floss.  Die 
Galle  quillt  ganz  in  der  Tiefe  der  Fistel  von  unten  her  hervor,  eine 
Kommunikation  mit  einem  offenen  Gallengang  ist  nicht  sichtbar  zu 
machen,  auch  durch  Sondierung  nicht  nachzuweisen.  Gründliche  Aus- 
kratzung. Entlassung  am  25.  1.  Die  Auskratzung  hatte  keinen  Erfolg. 
Der  Zustand  blieb  wie  vorher,  auf  das  körperliche  Befinden  der  Pat. 
hatte  der  Gallenfluss  keinen  Einfluss. 

Am  17.  6.  1901  kam  sie  wiederum  zur  Klinik,  sie  wollte  sich  jeder 
Operation   unterziehen,    um    von    ihrer  Gallenfistel  befreit   zu  werden. 

Befund:  Gutgenährte  Frau  mittlerer  Grösse.  Herz  und  Lungen 
gesund.  Im  Urin  GallenfarbstofF,  Stuhl  tonfarben,  leichter  Ikterus. 
In  der  rechten  hinteren  Axi-llarlinie  in  Höhe  der  8.  Rippe  liegt  inmitten 
einer  ca.  12  cm.  langen  Narbe  eine  kleine  Fistelöifnung,  durch  welche 
die  Sonde  etwa  10  cm.  tief  in  eine  Höhle  eindringt.  Aus  der  Fistel 
iliesst  ständig  klare  Galle. 

Energisches  Auskratzen  der  Höhle  mit  dem  scharfen  Löffel,  feste 
Tamponade,  Atzen  mit  Tinct.  Jodi  bleibt  erfolglos.  Es  wird  des- 
halb beschlossen,  die  extrahepatischen  Gallenwege  freizulegen  und 
nach  einem  eventuellen  Verschluss  derselben  zu  suchen,  und  wenn 
sich  dort  nichts  findet,  eine  Verbindung  zwischen  der  Höhle  und  dem 
Duodenum,  vielleicht  mit  Benutzung  der  Gallenblase  anzulegen. 

Operation:  8.  7.  1901.  Der  alte  Schnitt  wird  nach  vorne  zu 
fortgesetzt,  die  8.  Rippe  bis  zu  ihrem  Knorpel  entfernt.  Durchschuei- 
duDg  der  unteren  Knorpel,  Verlängerung  des  Schnittes  bis  in  die 
Mittellinie  resp.  bis  zum  Nabel.  Gallenblase  gross,  entzündet;  im 
Choledochus  fühlt  man  eine  Härte,  die  nicht  verschieblich  ist.  Nach 
Spaltung  des  Omentum  minus  kommt  man  auf  Pankreasgewebe,  nach 
Durchschneiduug  desselben  auf  einen  haselnussgrossen  Stein.  Weitere 
Steine  sind  nicht  nachweisbar.  Die  Blutung  aus  dem  Pankreasgewebe 
wird  durch  Umstechung  gestillt ;  die  Fäden  dienen  zugleich  als  Halte- 
zügel. Hepaticusdrainage.  Punktion  der  Gallenblase.  Aspiration  des 
Inhalts.  Die  Gallenblase  wird  mit  einem  Faden  versehen,  um  sie  event. 
spater  öffnen  zu  können.  Tamponade.  Naht  der  Rippenknorpel, 
Verband. 


—     264     — 

Verlauf:  Fieberfrei.  Durch  das  Rohr  fliessen  täglich  200  bis 
300  gr.  klarer  Galle  ab,  trotzdem  ist  an  der  Stelle  der  alten  Gallenlistel 
der  Verband  jeden  Tag  durchtränkt.  Am  14.  7.  werden  das  Rohr  und 
die  Tampons  entfernt,  die  Fäden,  auch  der  durch  die  Gallenblase  ge- 
legte, haben  sich  abgestossen,  die  Gallenblase  kann  deshalb  nicht  mehr 
gefunden  werden,  und  muss  man  darauf  verzichten,  sie  zu  öffnen.  Bis 
zum  10.  7.  muss  der  Verband  täglich  gewechselt  werden,  dann  in 
Pausen  von  2  —  3  Tagen,  der  Stuhl,  der  anfangs  acholisch  war,  färbt 
sich  dunkler.  Am  24.  8.  wird  Fat.,  nachdem  eine  Woche  lang  keine 
Galle  mehr  geflossen  ist,  nach  Hause  entlassen.  Es  besteht  noch  eine 
kleine,  wenig  Eiter  absondernde  Fistel,  kein  Ausfluss  von  Galle.  All- 
gemeinbefinden gut,  Stuhl  von  normaler  Färbung,  erhebliche  Gewichts- 
zunahme. 

In  diesem  Falle  hatte  also  die  äussere  Lebergallengang-sfistel 
nicht  zuheilen  können,  weil  ein  Stein  den  Choledochus  versperrte 
und  die  Galle  den  bequemeren  Weg  nach  aussen  nahm.  Bedenkt 
man  noch,  dass  ein  Stein  sehr  selten  vollständig  den  Gang  ver- 
schliesst,  so  dass  also  immer  noch  etwas  Galle  in  den  Darm 
übertreten  kann,  so  ist  sehr  zu  verwundern,  dass  bei  völliger 
Unterbindung  des  Choledochus  die  angelegte  Anastomose  zwischen 
Lebergängen  und  Darm  doch  obliterieren  sollte. 

Wie  dem  auch  sei,  meine  Erfahrungen  am  Menschen  decken 
sich  nicht  mit  denen  Enderlen's  am  Tier,  und  wir  müssen 
weitere  Beobachtungen  abwarten.  Aus  diesem  Grunde  hätte 
Hirsch  berg  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress  seine  Be- 
merkungen über  meinen  Fall  unterlassen  können.  Es  schien  mir, 
dass  er  lieber  gesehen  hätte,  wenn  ich  seine  Cholangiostomie  aus- 
geführt hätte.  Dass  ich  die  Anlegung  solch'  äusserer  Fisteln  verab- 
scheue^ habe  ich  bereits  oben  erwähnt.  H  irschberg  erging  sich 
in  allerlei  Vermutungen,  auf  die  zu  antworten  die  kostbare  Zeit  des 
Chirurgenkongresses  verbot.  Er  meinte,  der  Choledochus  hätte 
sich  in  meinem  Fall  wieder  geöffnet;  nun,  das  ist  mir  sehr  un- 
wahrscheinlich ,  aber  da  der  behandelnde  Arzt  eine  Sektion 
versäumte,  kann  ich  seine  Vermutungen  nicht  widerlegen  und 
schweige  auch  heute  zu  den  Hirschb  erg'schen  Auseinander- 
setzungen, wie  ich  damals  beim  Chirurgenkongress  nicht  näher 
auf  seine  Einwendungen  eingegangen  bin.  Bei  dem  vielen  Dis- 
kutieren kommt  oft  sehr  wenig  heraus:  da  wohl  die  meisten 
Leser  dieses  Buchs  die  Verhandlungen  der  deutschen  Gesellschaft 
für  Chirurgie  besitzen,  so  möge  es  genügen,  darauf  hinzuweisen, 
dass  auf  p.  77  (L  Teil)  die  Hirschberg'schen  Diskussions- 
bemerkungen abgedruckt  sind. 


-     265     — 

5.  Die  Anastomosen  zwischen  Gallensystem  und 
Intestinis. 
Die  Anlegung-  einer  Fistel  zwischen  Gallensystem  und  In- 
testinis (von  Wini warter  1881)  hat  den  Zweck,  die  Galle 
mit  Umgehung  des  normalen  Wegs  (Cysticus,  Choledochus, 
Duodenum)  auf  kürzestem  Weg  von  der  Gallenblase  oder  dem 
Gallengang  aus  in  den  Darm  zu  leiten. 

Wir  können  Anastomosen  herstellen  zwischen  Gallenblase 
und  Magen  oder  Darm : 

a)  Cysto-Gastrostomie, 

b)  Cysto-Enterostomie, 

zwischen  Cysticus  und  Darm  oder  Magen:  . 

c)  Cystico-Enterostomie, 

d)  Cystico-Gastrostomie, 

zwischen  Hepaticus  und  Darm  (meist  Duodenum): 

e)  Hepatico-Entero-  (resp.)  Duodenostomie, 
zwischen  Choledochus  und  Darm  (meist  Duodenum): 

f)  Choledocho-Entero-  (resp.)  Duodenostomie. 

Die  Anastomosenbildung  geschieht  immer  mittelst  der 
Naht;  der  Murphyknopf,  den  z.  B.  Kocher,  Thomson  *)  bei 
der  Cystenterostomie  warm  empfehlen,  kommt  in  meiner  Klinik 
nicht  zur  Anwendung;  denn 

1.  ist  die  Zeitersparnis  sehr  gering;  ein  geübter  Operateur 
legt  eine  Naht  in  ca.  10 — 15  Min.  an,  zum  Murphyknopf  mit 
event.  Verstärkungen  braucht  man  5  Min.  Der  Zeitunterschiexi 
ist  also  gering  und  fällt  nicht  ins  Gewicht; 

2.  ist  eine  gute,  exakte  Naht  sicherer  wie  der  Murphyknopf; 

3.  kann  der  Murphyknopf  statt  in  den  Darm  in  die  Gallen- 
blase zurückfallen  und  hier  recht  unangenehme  Folgen  nach 
sich  ziehen.  (Bei  zweckentsprechender  Konstruktion  des  Knopfes 
ist  das  Ereignis  meist  zu  vermeiden.) 

In  dem  Fall  von  R os  e  n  s  t  i  r  n  **)  war  trotz  guter  Technik 
eine  Vereinigung  bei  Anwendung  des  Murphyknopfes  nicht  zu- 
stande gekommen,  so  dass  es  noch  2  Wochen  post  op.  zum 
Exitus  kam. 


*)  Thomson,  Bemerkungen  zur  Anlegung  der  künstlichen  Gallen- 
blasen-Darmfistel.   Centralbl.  für  Chir.  1903,  Nr.  3. 

**)  Rosenstirn,  Cholecysto- Duodenostomie,  Pacific  med.  journ. 
Juni  1893. 


—     266     — 

Also  fort  mit  dem  Murphyknopf  in  der  Gallensteincliirurgie! 
Ich  habe  überliaupt  den  Eindruck,  dass  die  deutschen  Chirurgen 
sich  von  ihm  aucli  in  der  Magenchirurgie  immer  mehr  und  mehr 
abwenden.  Die  Idee  des  Erfinders  ist  zu  bewundern,  in  der 
Praxis  ist  der  Knopf  von  geringem  Vorteil.  —  Auch  in  England 
hat  der  Murphyknopf  sehr  an  Boden  verloren;  speziell  Mayo 
Robson*)  gibt  an,  dass  er  bei  einer  mittelst  Murphyknopfes 
angelegten  Cholecystenterostomie  3  Monate  später  die  Öffnung 
geschlossen  fand. 

Ob  man  die  Naht  mit  Catgut  oder  Seide  vornimmt,  ist  Ge- 
schmacksache; ich  verwende  feine  Seide  und  gehe  bei  der  Cysto- 
Oastrostomie  folgendermassen  vor.    (Nr.  155,  Nr.  156,  Nr.  157.) 

Die  meist  grosse  mit  Galle  gefüllte  Gallenblase  wird  durch 
Aspiration  ihres  Inhalts  entleert.  Dann  folgt  Incision  am 
Fundus  durch  einen  Schnitt  von  ca.  1  cra.  Länge  und  Austrocknung 
des  Inneren  der  Gallenblase  mit  sterilen  Gazestreifen.  Ist  der 
Cysticus  gut  zugänglich  und  frei,  so  lege  ich  eine  mit  2  Gummi- 
röhrchen  armierte  Klemmzange  so  an  den  Cysticus,  dass  zwar 
keine  Galle  in  die  Gallenblase  fliessen  kann,  das  Gewebe  aber 
nicht  gequetscht  wird.  Die  Branchen  der  Zange  werden  also 
nur  ein  wenig  geschlossen.  Ist  die  Anlegung  einer  Klemm- 
zange nicht  möglich  (grosse  Tiefe ,  starke  Hypertrophie  des 
Gallenblasenhalses),  so  begnüge  ich  mich,  in  das  Innere  der 
Gallenblase  einen  Streifen  Gaze  einzuführen,  um  das  lästige 
Herauslaufen  der  Galle  zu  verhüten.  Man  kann  zu  diesem 
Zweck  auch  ein  mit  einem  langen  Faden  versehenes,  ausgekochtes 
und  sorgfältig  ausgedrücktes  Schwämmchen  verwenden.  Unter 
allen  Umständen  ist  es  notwendig,  dass  man,  ehe  man  zur 
Anastomose  schreitet,  auch  sicher  ist,  dass  der  Cysticus  Galle 
durchtreten  lässt.  Ist  also  der  Gallenblaseninhalt  nicht  reine 
dünne  Galle,  sondern  Serum,  Schleim  oder  Eiter,  so  ist  eine 
Cystenterostomie  falsch.  Dann  käme  entweder  die  Cystostomie  in 
Betracht,  um  während  der  Nachbehandlung  den  Cysticus  durch 
Ausspülungen  etc.  frei  zu  machen.  Oder  man  muss,  da  natür- 
lich auch  der  Cysticus  obliteriert  sein  kann,  an  Stelle  der  Cyst- 
enterostomie die  Choledocho-Duodenostomie  setzen,  mit  oder  ohne 
h^ctomie.  Jedenfalls  orientiere  man  sich  genau  über  die  Beschaffen- 
heit des  Cysticus  und  Choledochus,  und  das  ist  von  einem  kleinen 
Schnitt  aus,  wie  ihn  noch  viele  Chirurgen  üben,  unmöglich. 

*)  Centralbl.  für  Chir.  1904.    Nr.  20. 


-      267 


Fig.  66. 


Die  Anastomose  zwischen  Gallenblase  und  Intestinis  (Nr.  155 
bis  159)  kann  mit  den  verschiedensten  Abschnitten  des  Darmkanals 
angelegt  werden.  Es  kommt  in  Betracht  Magen,  Duodenum, 
Jejunum  oder  Ileum,  Quercolon.  Die  Anastomose  mit  dem 
Quercolon,  die  Majo-Robson  bevorzugt,  ist  am  irrationellsten! 
Wir  wollen  doch  die  Galle  für  den  Haushalt  des  Organismus 
wieder  verwerten.  Dass  sie  nur  ein  Exkret  sei  und  garnichts 
bei  der  Verdauung  zu  tun  habe,  ist  gewiss  keine  richtige  An- 
sicht. Wäre  das  der  Fall, 
so  könnte  man  gegen  die 
Einnähung  in  das  Colon  nichts 
einwenden.  Aber  es  kommt 
dazu,  dass,  wie  in  einigen 
Fällen  bestimmt  nachgewie- 
sen ist,  durch  die  Etablier- 
ung einer  Fistel  zwischen 
Darm  und  Gallenblase  Keime 
(bes.  das  Bact.  coli)  Eintritt 
in  dasGallensystem  erhalten 
und  hier  Cholecystitis  und 
Cholangitis  hervorrufen  kön- 
nen. Bekanntlich  nimmt  die 
Zahl  der  Bakterien  Schritt 
für  Schritt  im  Darmkanal  zu; 
sie  ist  klein  im  Duodenum, 
grösser  im  Jejunum  und 
Ileum,  am  grössten  im  Colon. 
Wozu  also  eine  Kommuni- 
kation      anlegen       zwischen  Schema  mr  Cysto-Duodonostomio. 

Colon  und  Gallenblase,    da  hier  eine  nachträgliche  Cholangitis 
am  ehesten  zustande  kommen  kann? 

Ich  bevorzuge  das  Stück  Intestinum,  welches  sich  am  be- 
quemsten an  die  Gallenblase  anlegen  lässt,  und  das  ist  der 
Pylorusteil  des  Magens.  Der  Magen  hat  ausserdem  eine  viel 
dickere  Wand  wie  z.  B.  das  Duodenum ,  die  Nahtanlegung  ist 
viel  leichter.  Was  gegen  die  Anastomose  mit  dem  Magen 
spricht,  ist  der  Umstand,  dass  man  der  Galle  einen  Weg  an- 
weist, der  ganz  und  gar  gegen  die  Natur  ist.  Aber  die  zahl- 
reichen Fälle,  in  denen  ich  so  operierte,  haben  gezeigt,  dass 
die  Pat.  durch  die  Anwesenheit  von  Galle  im  Magen  gar  keine 


—     268     — 

Beschwerden  hatten,  dass  sie  niemals  Galle  erbrachen,  und  dass 
in  keinem  Fall  der  Appetit  gelitten  hat.  Galle  im  Magen 
iürchten  wir  bei  Circulus  vitiosus  nach  einer  Gastro  -  Entero- 
stomie  sehr,  ich  glaube  aber,  dass  es  dabei  nicht  die  Galle  ist, 
die  so  störend  wirkt,  sondern  das  Pankreassekret. 

Ich  lege  den  Schnitt  im  Magen  circa  2—3  cm.  oberhalb 
des  Pylorus  gerade  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Curvaturen 
an.  Jede  Zerrung  sowohl  an  der  Gallenblase  wie  am  Magen 
ist  zu  vermeiden;  es  ist  erstaunlich,  wie  gut  die  Organe 
gegenseitig  sich  ohne  jede  Spannung  fixieren  lassen.  Eine 
Schleimhautnaht  verwerfe  ich  wegen  möglicher  Inkrustation 
der  Fäden;  einige  Male  habe  ich  sie  doch  vorgenommen,  ohne 
dass  sich  bis  jetzt  ein  Nachteil  eingestellt  hätte.  Die  gut- 
Üiessende  Galle  lässt  die  Fäden,  wenn  sie  durchschneiden, 
nicht  so  leicht  in  der  Gallenblase  zur  Ruhe  kommen,  sondern 
schwemmt  sie  bald  heraus.  Die  Schleimhautnaht  hat  gewiss 
den  Vorteil,  dass  man  am  leichtesten  die  Blutung  aus  der 
Mucosa  stillt  und  einer  späteren  Narbenretraktion  vorbeugt. 
Schon  deshalb  soll  man  den  Schnitt  nicht  zu  klein  anlegen,  es 
genügen  P/2— 2  cm. 

Ob  man  den  Schnitt  in  die  Gallenblase  längs  oder  quer 
anlegt,  ist  ziemlich  gleichgültig;  im  Magen  ist  ein  Querschnitt 
besser,  um  das  Lumen  gehörig  zum  Klaffen  zu  bringen.  Jetzt 
näht  man  genau  wie  bei  der  Gastro-Enterostomie  erst  die  eine 
Hälfte  von  innen  und  bringt  Gallenblase  und  Magen  durch 
Serosa-  und  Muskularisnähte  zusammen.  Aus  dem  geöffneten 
Magen  war,  da  er  ja  vorher  gespült  wurde,  kein  Inhalt  hervor- 
getreten. Die  Gaze  aus  der  Gallenblase  wird  entfernt,  nach- 
tliessende  Galle  fortgetupft  resp.  von  einem  untergelegten  ge- 
nähten Gazetupfer  aufgefangen.  Dann  folgt  der  Nahtverschluss 
der  andern  Hälfte  von  vorne.  (Fig.  67.)  Verstärkungsnäbte  sind 
bei  guter  primärer  Nahtanlegung  unnötig,  eine  Tamponade  ist 
gänzlich  überflüssig,  ja  sogar  schädlich.  Tamponiert  man,  so 
können  die  Fäden  sich  infizieren  und  erst  recht  insuffizient  werden. 
Die  ganze  Bauchdeckenwunde  wird  nach  Reinigung  des  Ope- 
rationsterrains völlig  durch  Durchstichknopfnähte    geschlossen. 

Riedel  legt  nur  eine  bleistiftstarke  Kommunikation 
zwischen  Gallenblase  und  Darm  an.  Das  ist  zu  eng  und  kann 
zu  Obliterationen  Veranlassung  geben. 


—     269     — 

Eine  Ablösung  der  Gallenblase  bis  zum  Cysticus,  wie  sie 
"Riedel  übt,  ist  wegen  nachträglicher  Blutung  aus  dem  Leber- 
bett zu  vermeiden.  Anastomosen  zwischen  Gallenblase  und  Darm 
nehmen  wir  vor  besonders  bei  ikterischen  Leuten,  die  zu 
Blutungen  neigen.  Wozu  also  diese  Ablösung,  die  die  Gefahr 
der  Operation  wesentlich  erhöht? 

mg-  67. 


a)  Schema  für  hintere  Naht  bei  Cysto-DuodenoBtomio  (Schleimhaut  wird  nicht 
genaht!),    b)  Schema  für  vordere  Naht  bei  Cysto-Duodenostomie. 


Die  Bildung  des  Napfes,  in  den  nach  Riedel  die  Galle 
fliessen  soll,  ist  überflüssig.  Bei  meiner  Methode  wird  ein  Ein- 
fliessen  von  Galle  viel  sicherer  vermieden  ;  zudem  ist  das  auch 
wenig  gefährlich,  weil  die  Galle  in  den  in  Betracht  kommenden 
Fällen    (Carcinom,    Pankreatitis    chron.)  meistenteils  steril  ist. 

Riedel  hat  die  Vorteile  der  Cysto-Gastrostomie  selbst 
noch  nicht  erprobt;  er  „würde  niemals  eine  Anastomose  zwischen 
Gallenblase  und  Darm  anlegen,  weil  dieselbe  eine  via  contra 
naturam  darstellt."  Ich  glaube,  er  würde  bei  eigener  Erfahrung 
seine  Ansicht  bald  ändern. 

Die  Technik  der  Anastomose  mit  Duodenum,  Jejunum, 
Ileum,  Colon  ist  dieselbe.  Nur  muss  man  darauf  Rücksicht 
nehmen,  dass  kein  Darminhalt  während  der  Operation  abfliesst ; 
man  klemmt  also  die  Darmlumina  zu  oder  umsticht  sie  mit 
dicken  Seidenfäden.  Die  Incision  im  Darm  wird  man  gerade 
dem  Ansatz  des  Mesenterium  gegenüber  anlegen. 


—     270     — 

Die  Anastomose  stellt  man  heutzutage  immer  in  einer 
Sitzung  her.  v.  Wini  warter,  der  die  erste  Cholecysten- 
terostomie  ausführte,  kam  erst  nach  6  Sitzungen  zum  Ziel.  Die 
erste  einzeitige  Cholecystenterostomie  hat  Kapp el er*)  gemacht, 
die  erste  Cysto-Gastrostomie  stammt  von  Gersuny  und  wurde 
von  Wickhoff  und  An  gelb  er g er**)  mitgeteilt.  Die 
Technik  der  sekundären  Cystenterostomie  wird  bei  der  Be- 
handlung der  Gallenfistel  erörtert  werden. 

In  drei  Zeiten  operierte  Tillaux***):  er  heftete  in  der 
ersten  Sitzung  eine  Dünndarmschlinge  an  die  Gallenblase  und 
cystostomierte ;  9  Tage  später  eröflnete  er  den  Darm  dicht  an 
der  Gallenblase  und  applizierte  eine  Klemmpinzette  so,  dass 
ein  Arm  in  die  Gallenblase,  der  andere  im  Darm  lag,  um  das 
Zwischenstück  zur  Nekrose  zu  bringen  und  Kommunikation 
beider  Organe  zu  erhalten.  Endlich  am  18.  Tage  post  op.  I 
schien  das  Resultat  gesichert,  und  der  plastische  Verschluss  der 
Gallenblasenfistel  wurde  gewagt.  Leider  erlag  der  Patient  drei 
Wochen  später  einer  Pneumonie.  Nur  unter  ganz  besonderen 
Umständen  wird  man  zwei- und  mehrzeitig  operieren:  in  meiner 
Klinik  habe  ich  immer  nur  eine  Sitzung  nötig   gehabt. 

Die  übrigen  Anastomosen  zwischen  Gallensystem  und  In- 
testinis  unterscheiden  sich  in  der  Technik  so  wenig  von  der 
typischen  Cysto-Gastrostomie,  dass  es  unnötig  ist,  jede  einzelne 
Anastomose  besonders  zu  besprechen. 

Am  schwierigsten  ist  wohl  die  Cystico-Gastrostoniie  resp. 
Enterostomie  (Nr.  160),  da  der  Cysticus  gewöhnlich  sehr  eng 
ist  und  dadurch  die  Nahtanlegung  erschwert  wird.  Man  wird 
deshalb  zusehen,  dass  man  die  bequemere  Choledocho - Diio- 
deiiostomie  (Nr.  161 — 164)  vornehmen  kann.  Bei  dieser  Ope- 
ration eröffnet  man  den  Gholedochus  dicht  am  Duodenum  durch 
eine  Längsincision;  ist  der  Gang  sehr  erweitert,  könnte  auch 
eine  Querincision  (Nr.  161)  in  Betracht  kommen.  Am  Duodenum 
sucht  man  sich  eine  gefässfreie  Stelle  auf  und  bringt  nun  beide 
Organe  ohne  allzu  grosse  Spannung  in  Verbindung.  Die  Naht 
bedeckt  man  zweckmässig  mit  einem  Zipfel  des  kleinen  Netzes 
(Nr.  161,  Nr.  163)  oder  mit  der  Peritonealduplikatur  der  vor- 
deren Bauchwand. 


*)  Korrespondenzblait  für  Schweizer  Arzte.     1887.    Nr.   17. 
*•)  Wiener  klin.  Wochenschrift  1883.    Nr.  18  u.  19. 
***)  Bulletin  et  m6moire  de  la  ßociet6  de  chir.  T.  16.  p.  290. 


271     — 


Fig.  68. 


Die  Hepatico-Enterostomie  bedingt  gewöhnlich  eine  hoch- 
gradige Zerrung  am  Duodenum,  das  man  vielleicht  nach  den 
Vorschriften  von  Kocher  mobil  machen  kann,  um  eine  be- 
quemere und  sicherere  Nahtvereinigung  zu  erzielen.  Wir  hatten 
bereits  Gelegenheit,  bei  der  Resektion  des  Ductus  choledochus 
mit  nachfolgender  Hepatico-Duodenostomie  näher  auf  diese 
Anastomosenart  einzugehen  (Nr.  152). 

Der  Chirurg  hat  bei  all'  diesen  Operationen  grosse  Gelegen- 
heit, sein  Operationsgeschick  zu  verwerten;  so  könnte  man  bei 

Striktur  des  Choledochus  im 
supraduodenalen  Teil  und 
gleichzeitiger  Cysticusobli- 
teration  erst  eine  Cystico- 
Hepaticostomie  vornehmen 
und  dann  eine  Cysto-Gastro- 
stomie  oder  -Knterostomie 
machen,  um  auf  diese  Weise 
die  beiden  Hindernisse  zu 
umgehen. 

Fig.  68    möge    den  Vor- 
schlag erläutern. 

Dass   man    auch   gerade 
in  solchen  komplizierten  Fäl- 
len auf   den    Gebrauch    des 
Murphyknopfes,  Senn 'scher 
Platten,      Kautschukröhren 
nach  Duboury  (Bordeaux) 
etc.  verzichtet,  sondern  ledig- 
lich   die    Nahtraethode    an- 
wendet,   bedarf  keiner   be- 
sonderen Begründung. 
Im  allgemeinen  sind,    wie    ich    in    einem  späteren  Kapitel 
noch  auseinandersetzen  .werde,  die  augenblicklichen  Erfolge  der 
Anastomosen-Operation    sehr    günstig;    auch  Schott  berichtet 
aus  der  Heidelberger  Klinik  über  gute  Resultate. 

Radsiewsky*),  der  aus  der  Literatur  56  Fälle  von 
künstlichen  Gallenblasen  -  Darmfisteln  zusammengestellt  hat, 
kommt  auf  Grund  hiervon  zusammen  mit  den  Ergebnissen  von 
Tierversuchen  zu  folgenden  Resultaten: 

*)  Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  Band  IX,  p.  56. 


Schema   einer  Hepatico-Cysticostomie  mit 
nachfolgender  Cystu-Duodenostomie. 

a)  Tncision  des  Ductus  hepaticus. 

b)  „  „  „       cysticus. 

Beide  vereinigt  ergeben  eine  Hepatico- 
Cj'Sticostoraie. 

c)  Incisiun  in  der  (jallenblase  mit 

d)  Incision    im    Duodenum    ergeben    eine 

Cysto-Duodon  ostoraie 

e)  Obliterierter  Ductus  cysticus. 

f)  Verengter  Ductus  choledochus. 


272     

1.  Die  Todesfälle  nach  Anlegen  von  Gallendarmfisteln  waren 
nach  den  bisherigen  klinischen  Beobachtungen  hauptsäch- 
lich durch  Hämorrhagien  oder  durch  Kachexie  infolge  des 
Grundleidens  (Carcinom)  bedingt. 

2.  Die  Anlegung  von  Gallen-Darmfisteln  zieht  nach  sich 

a)  Dilatation  der  Gallengänge; 

b)  Hypertrophie  der  Gallengangswände,  welche  besonders 
deutlich  in  einer  Verdickung  der  Schleimhaut  infolge 
einer  kolossalen  Drüsenneubildung  ihren  Ausdruck  findet; 

c)  Neubildung  von  lymphatischen  Follikeln  in  der  hyper- 
trophischen Gallenblasenschleimhaut; 

d)  das  Eindringen  von  Mikroben  die  Gallen wege  entlang 
weit  bis  ins  Leberparenchym  hinein; 

e)  schwach  ausgeprägten  desquamativen  Katarrh  der  Leber- 
gallengänge. 

3.  Das  Epithel  der  mit  dem  Darm  vernähten  Gallenblase 
bewahrt  vollkommen  seine  Eigenschaften  und  "bleibt  scharf 
abgegrenzt  gegen  das  Darmepithel. 

4.  Die  Anlegung  einer  Gallen-Darmfistel  an  und  für  sich  be- 
deutet keine  Gefahr  im  Sinne  einer  Infektionsmöglichkeit 
der  Wandungen  der  Gallenwege  oder  der  Leber  u.  s.  w.; 
damit  letztere  eintritt,  sind  Nebenfaktoren  nötig,  unter 
ihnen  gebührt  der  erste  Platz  einer  Retention  des  Inhalts 
der  Gallenwege. 

In  früheren  Publikationen  habe  ich  in  Übereinstimmung- 
mit  Dujardin-Beaumetz,  Michaux  u.  A.  der  Aiiastomosen- 
bildung  eine  ganz  besondere  Gefahr  zugesprochen:  die  Mög- 
lichkeit, dass  durch  die  angelegte  Kommunikation  pathogene 
Keime  in  die  Gallengänge  hochwandern  und  eine  infektiöse 
Cholangitis  hervorrufen  können. 

Wie  oft  sehen  wir  bei  den  Gallenblasendarmfisteln,  die  die 
Natur  angelegt  hat,  dass  zwar  die  Steine  abgegangen  sind, 
im  Gallensystem  aber  eine  Entzündung  sich  ausbreitete,  die 
schliesslich  die  ganze  Leber  infizierte.  Derartige  P'älle  habe 
ich  genug  beobachtet. 

Radsiewsky  hat  jüngst  in  der  oben  erwähnten  Arbeit 
den  Beweis  erbracht,  dass  zwar  diese  Gefahr  sehr  gering  ist, 
doch  wird  sie  immerhin  bei  der  Ausführung  der  Cystentero- 
stomie  von  einigen  Chirurgen    berücksichtigt.    So    hat   Feder 


—     273     — 

Krause  *),  um  die  Infektionsgefahr  bei  der  Cystenterostomie 
zu  verringern,  die  in  die  Gallenblase  implantierte  Darm- 
schlinge durch  eine  18  cm.  darunter  angelegte  Enteroanasto- 
mose  ausgeschaltet,  so  dass  der  Darrainhalt  nicht  direkt  in 
die  Gallenblase  gelangen  konnte.  Auch  Krukenberg**)  hat 
bei  einer  solchen  Operation  durch  ein  besonderes  Verfahren  die 
Möglichkeit  der  sekundären  Infektion  zu  verhindern  sich  be- 
strebt. Ich  habe  über  diese  Methoden  keine  Erfahrungen,  doch 
möchte  ich  die  Drehung  der  Gallenblase  um  ihre  Längsachse, 
wie  sie  Krukenberg  ausgeführt  hat,  für  den  ungehinderten 
Abfluss  der  Galle  nicht  gerade  günstig  halten. 

In  den  letzten  Jahren  habe  ich  bis  auf  einen  Fall,  den  ich- 
gleich erwähnen  werde,  bei  meinen  zahlreichen  Anastomosen  keine 
sekundäre  Cholangitis  mehr  beobachtet,  und  ich  möchte  heute 
die  Infektionsgefahr  nur  noch  gering  anschlagen :  wenn  der  Gallen- 
strom kräftig  fliesst,  und  —  das  ist  die  Hauptsaclie  —  wenn 
der  Choledochus  frei  von  Fremdkörpern  ist,  d.  h.  wenn  man  die 
Anastomose  nicht  bei  Steinverschluss,  sondern  nur  bei  Tumor- 
obstruktion vornimmt,  dann  wird  auch  ohne  Vorsichtsmassregeln 
kaum  eine  hochsteigende  Infektion  zustande  kommen. 

Der  Fall,  bei  dem  ich  erst  kürzlich  wieder  den  Eintritt  einer 
Infektion  der  Leber  nach  einer  Cysto-Gastrostomie  beobachten 
konnte,  war  folgender:  Ich  hatte  bei  einem  ca.  60j.  Herrn, 
welcher  mit  schwerem  Ikterus  in  meine  Klinik  kam ,  wegen 
eines  Tumors  am  Pankreaskopf  im  August  1903  eine  C3''sto- 
Gastrostomie  gemacht.  Es  Hess  sich  wie  gewöhnlich  nicht 
feststellen,  ob  Scirrhus  oder  nur  Pankreatitis  chronica  vorlag. 
Pat.  erholte  sich  sehr  und  nahm  ca.  40  Pfund  an  Körper- 
gewicht zu.  Im  März  1904  erkrankte  er  an  Influenza,  und  von 
da  an  verschlimmerte  sich  sein  Zustand.  Er  bekam  Fieber, 
viel  Schmerzen  im  Rücken,  es  trat  Appetitlosigkeit  ein  und 
schliesslich  ging  Pat.  zu  Grunde.  Man  fand  bei  der  Sektion 
einen  kleinen  Scirrhus  am  Pankreaskopf,  den  linken  Leber- 
lappen sehr  matsch  und  eitrig  infiltriert,  und  es  ist  mir  doch 
das  Wahrscheinlichste,  dass  auf  dem  Wege  der  Fistel  eine  In- 
fektion der  Leber  erfolgte.  Natürlich  kommen  auch  andere 
Wege  in  Betracht.  —  Diese  Gefahr  der  Operation  kann  uns 
aber  .nicht  abhalten,  den  in  andern  Fällen   Heilung   bringenden 

♦)  Maragliano.     Centralbl.  für  Chir.  1903,  Nr.  35. 
**)  Centralbl.  für  Chir.  1904,  Nr.  5. 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    I.  18 


—     274     — 

Eingriff  iininer  auszuführen,  sobald  wir  überzeugt  sind,  dass  der 
Ikterus  durch  einen  Tumor  am  Pankreaskopf  bedingt  ist  und  dass 
keine  Aussichten  auf  eine  spontane  Rückbildung  vorhanden  sind. 
Ich  habe  durch  Mitteilung  eines  Falls  auf  dem  Chirurgen- 
Kongress  1904  den  Beweis  erbracht,  dass  man  selbst  Pankreas- 
cysten, deren  Exstirpation  unmöglich  ist,  und  deren  Verödung 
durch  einfache  Incision  aussichtslos  erscheint,  durch  eine  Ana- 
stomose mit  der  Gallenblase  in  Verbindung  bringen  kann,  damit 
das  Pankreassekret  der  Verdauung  wieder  dienstbar  gemacht 
wird.  Der  Fall  ist  unter  Nr.  177  im  zweiten  Teil  näiier 
beschrieben,  so  dass  ich  mich  hier  mit  der  Bemerkung  begnügen 
kann,  dass  die  Einpflanzung  des  Fistelgangs  in  das  Duodenum 
gewiss  den  Vorzug  verdient  hätte.  Aber  wegen  der  vielen  Ver- 
wachsungen war  es  ganz  unmöglich,  den  Darm  frei  zu  legen, 
so  dass  mir,  wenn  ich  die  lästige  Fistel  überhaupt  beseitigen 
wollte,  nur  die  Gallenblase  zur  Anastomosenbildung  übrig  blieb. 
Ich  habe  bei  Gelegenheit  der  Mitteilung  dieses  Falls  daraufhin- 
gewiesen, dass  mit  Recht  gegen  das  Spezialisieren  in  der  Chirurgie 
begründete  Einwendungen  erhoben  werden  können.  Wer  aber 
auf  einem  Gebiete  etwas  Ordentliches  leisten  will,  muss  sich 
ganz  intensiv  mit  diesem  beschäftigen,  und  ich  gab  damals 
meiner  Überzeugung  Ausdruck,  dass,  wenn  ich  nicht  von  vorne- 
herein mich  ganz  speziell  mit  der  Gallensteinchirurgie  beschäftigt 
hätte,  ich  niemals  Gelegenheit  gefunden  haben  würde,  eine  Arteria 
hepatica  zu  unterbinden  oder  einen  Choledochus  zu  resezieren. 
Vor  Einseitigkeit  kann  man  sich  schon  wahren,  auch  wenn  man 
ein  Gebiet  in  der  Chirurgie  ganz  besonders  bearbeitet. 

6.  Die  plastischen   Operationen  an  den  Gallenwegen. 

Plastische  Operationen  an  den  Gallenwegen  kamen  erst 
in  ganz  vereinzelten  Fällen  zur  Ausführung.  Zerreissungen,  Per- 
forationen oder  sonstige  Defekte  der  Gallenblase  durch  Plastik 
zu  schliessen,  ist  im  allgemeinen  zu  widerraten,  da  die  Excision 
der  Gallenblase  derartige  Bemühungen  unnötig  macht. 

Enderlen  und  Justi  *)  haben  an  Hunden  experimentell 
festgestellt,  dass  transplantiertes  Netz  bei  Defekten  der  Gallen- 
blase sehr  gut  aufheilt. 


*)  Über  die  Heilung  von  Wunden  der  Gallenblase  und  die  Deckung 
von  Defekten  der  Gallenblase  durch  transplantiertes  Netz.  Deutsche 
Zeitschr.  für  Cbir.    Bd.  61,  p.  235. 


—     275     — 

Baldassari  und  G a r d i n i  **)  haben  bei  Hunden  kleinere 
und  grössere  Stücke  der  Gallenblasen wandung-  reseziert  und 
das  Loch  mit  einem  Bauchfellmuskellappen,  welchen  sie  aus  der 
Nachbarschaft  der  Laparotomiewunde  exzidiert  hatten,  plastisch 
gedeckt.  Die  Muskulatur  kam  dabei  nach  dem  Blaseninneren 
zu  liegen.  Die  Lappen  heilten  stets  gut  ein  und  lieferten  auch 
bei  Deckung  grösserer  Lücken  und  bei  längerer  Beobachtungs- 
dauer eine  gut  geformte,  nach  dem  Fundus  hin  etwas  sackartig 
ausgebuchtete  Blase.  Die  Muskelfasern  der  plastischen  Lappen 
gingen  dabei,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte,  langsam 
zu  Grunde  und  wurden  durch  junges  Bindegewebe  ersetzt,  so- 
dass schliesslich  nur  ein  Narbenstreifen  übrig  blieb. 

Ich  habe  in  zahlreichen  Fällen  von  Cysto-Gastrostomie,  bei 
anderen  Anastomosen  zwischen  Gallenwegen  und  Darm,,  bei  der 
Clioledocho-Duodenostomie  das  immer  hilf  bereite  Netz  zur  Deckung 
und  Sicherung  der  Naht  benutzt,  besonders  dann,  wenn  gleich- 
zeitig eine  Hepaticusdrainage  oder  die  Drainage  eines  Pankreas- 
al)szesses  eine  ausgiebige  Tamponade  erforderten.  Jede  Tam- 
ponade wird  mit  der  Zeit  mehr  oder  weniger  infiziert;  hat  man 
eine  Darmnaht  (z.  B.  nach  .Choledocho-Duodenostomie)  in  die 
Tamponade  hineingezogen,  so  wird  in  vielen  Fällen  die  Naht 
insuffizient.  Durch  Netzplastik  kann  man  dem  vorbeugen.  Ich 
benutze  entweder  grosses  oder  kleines  Netz,  je  nach  der  Lage 
der  Anastomose,  und  sorge  immer  dafür,  dass  keine  Zerrung 
zustande  kommt.  Auch  das  am  Lig.  teres  wie  ein  Hahnenkanmi 
herabhängende  subseröse  Fett  ist  oft  gut  verwendbar.  (Nr.  157.) 

Ausser  diesen  kleinen  Netzplastiken  habe  ich  wohl  zum 
ersten  Male  am  Menschen  eine  grössere  plastische  Operation  an 
den  Gallenwegen  vorgenommen  und  über  diesen  „Versuch"  auf 
dem  33.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  (1002) 
Folgendes  berichtet: 

„Plastische  Operationen  zur  Deckung  von  Defekten  der 
Choledochuswand  sind  bisher  noch  nicht  ausgeführt  worden ; 
wenigstens  erwähnen  weder  Courvoisier,  Langenbuch 
noch  Pantaloni  etwas  von  derartigen  Eingriffen. 

In  der  Tat  wird  die  Indikation  zu  einer  solchen  Operation 
auch  nur  höchst  selten  einmal  vorliegen.  Bei  meinen  sämtlichen 
Gallensteinoperationen  habe  ich  erst  4  mal  grössere  Defekte  der 
Choledochuswand  anjretroffen. 


")  Riforma  med.  1903,  Nr.  31. 

18^ 


—     276     — 

In  dem  ersten  Fall  hatte  ein  anderer  Chirurg  eine  Ectomie 
ausgeführt  und,  wie  er  mir  später  selbst  erzählte,  bei  der  Li- 
gatur des  Ductus  cysticus  ein  Stück  des  Choledochus  mit  hinein- 
genommen. Dieser  Teil  der  Choledochus  wand  wurde  nekrotisch, 
und  es  entstand  eine  breite,  komplete  Gallenfistel,  die  ich  durch 
eine  Choledocho-Duodenostoraie  zu  beseitigen  versuchte.  Die 
Patientin  ging  indes  nach  der  langdauernden,  technisch  schwie- 
rigen Operation  schon  am  nächsten  Tag  im  Collaps  zu  Grunde. 
In  einem  zweiten  Fall  habe  ich  selbst  auf  eine  ganz  ähnliche 
Art  einen  Defekt  im  Choledochus  gesetzt,  zu  dessen  Beseitigung 
ich  eine  plastische  Operation  ausgeführt  habe.  Zwar  ist  die 
Patientin,  bei  der  ich  ein  Carcinom  der  Gallenblase  entfernt  habe, 
am  7.  Tage  post  op.  einer  Pneumonie  erlegen,  doch  zeigte  die 
Sektion,  dass  die  Idee  einer  Choledochoplastik  durch  gestielte 
Serosa-Muscularislappen  aus  Magen  resp.  Gallenblase  nicht  nur 
durchführbar  ist,  sondern,  wie  das  gewonnene  Präparat  zeigt, 
auch  dauernden  Erfolg  verspricht. 

In  einem  dritten  Fall  von  kompleter  Choledochusfistel  habe 
ich  in  der  Tat  mit  einer  solchen  Lappenplastik  einen  sehr  guten 
Erfolg  erzielt.  Seit  der  Operation  sind  bereits  vier  Monate 
verflossen,  und  es  sind  keine  Anzeichen  einer  Striktur  (Ikterus, 
Schmerzen)  vorhanden. 

In  einem  vierten  Falle  endlich  habe  ich  die  durch  einen  Chole- 
dochusdefekt  bedingte,  komplete  Gallenfistel  dadurch  beseitigt, 
dass  ich  nach  dem  Vorgang  von  Braun  ein  Netzstück  auf  das 
Loch  im  Choledochus  aufnähte.  Auch  hier  hatte  ein  kleiner 
technischer  Fehler  bei  einer  11  Wochen  vorher  ausgeführten 
Ectomie  den  Choledochusdefekt  hervorgerufen. 

Ich  hatte  bei  einer  37  jährigen  Frau  die  stein-  und  eiter- 
gefüllte Gallenblase  entfernt  und  den  Cysticus  sehr  dicht  am 
Choledochus  ligiert.  Der  gemeinsame  Gallengang  war  sehr  eng, 
kaum  bleistiftstark,  und  das  Loch,  welches  nach  Abstossung  der 
Cysticusligatur  im  Choledochus  entstand,  war  im  Verhältnis  zum 
engen  Lumen  des  Choledochus  relativ  gross.  Es  kam  nun  noch 
dazu,  dass  durch  Adhäsionsbildung  zwischen  Bauchwand  und 
Choledochus  eine  Abknickung  des  letzteren  eintrat,  welche  den 
Abfluss  der  Galle  nach  dem  Darm  hin  erschwerte.  Ich  habe 
in  diesem  Fall  die  Verwachsungen  gelöst,  den  Choledochus 
gewissermassen  reponiert  und  möchte  annehmen,  dass,  wie 
wir  das  auch  nach  Cystostomie-Gallenfisteln  beobachten,   schon 


—     277     — 

durch  diese  Beseitig'ung'  der  Knickung-  des  Choledochus  die 
Gallenfistel  verschwunden  wäre.  Aber  um  ganz  sicher  zu  gehen, 
verschloss  ich  den  Oholedochusdefekt  noch  durch  einen  Netz- 
zipfel, den  ich  mit  wenigen  Suturen  befestigte.  Es  trat  schnell 
vollständige  Heilung  ein. 

Was  die  Heilung  der  Choledochusincisionen  anlangt,  so  hängt 
diese  wesentlich  von  dem  Grade  der  Infektiosität  der  Hepaticus- 
galle  ab.  Ist  diese  steril,  so  habe  ich  schon  in  wenigen  Tagen 
Verklebung  der  Choledochus  -  Wundränder  beobachten  können. 
Bei  infizierter  Galle  kann  der  Verschluss  der  zum  Zweck  der 
Hepaticusdrainage  angelegten  Choledochusincision  lange  —  6  bis 
8  Wochen  —  auf  sich  warten  lassen,  aber  im  allgemeinen  kann 
man  doch  sagen,  dass  W^unden  des  Choledochus,  trotzdem 
fortwährend  Galle,  die  zudem  häufig  noch  schwer  infiziert  ist, 
vorbeifliesst,  eine  ungemein  grosse  Tendenz  zur  Heilung  zeigen. 
So  habe  ich  bei  meinen  sämtlichen  Hepaticusdrainagen  in  keinem 
einzigen  Fall  eine  Fistel  zurückbleiben  sehen.  Es  kommt  eben 
alles  darauf  an,  dass  das  duodenale  Ende  des  Choledochus  resp. 
das  Pankreas  und  Duodenum  selbst  frei  sind  von  Steinen,  Ent- 
zündung, Narben  oder  Tumor,  und  ist  das  der  Fall,  so  heilen 
selbst  3 — 4  cm.  lange  Choledochusincisionen  anstandslos  zu 
(Nr.  172),  auch  dann  noch,  wenn  im  supraduodenalen  erweiterten 
Teil  des  Choledochus  selbst  walnussgrosse  Konkremente  über- 
sehen worden  sind.  In  mehreren  Fällen  habe  ich  Hepaticus 
und  Choledochus  von  der  Leber  bis  zum  Duodenum  in  einer 
Ausdehnung  von  5 — 6  cm.  gespalten  und  doch  vollständige  Hei- 
lung und  zwar  ohne  Striktur  beobachtet.     (Nr.  131.) 

Bei  fast  sämtlichen  Choledochotomien ,  welche  ich  ausge- 
führt habe,  wurden  natürlich  Längsincisionen  angelegt,  wenige 
(Querschnitte  zeigten  eine  langsamere  Heilung,  doch  kam  auch 
hier  in  allen  Fällen  schliesslich  eine  Vernarbung  zustande.  Aber 
auch  selbst  da,  wo  der  ganze  Choledochus  bis  auf  eine  die 
hintere  Wand  einnehmende,  nur  1  oder  2  mm.  ausmachende 
Schleimhautbrücke  quer  durchtrennt  ist,  kommt  es,  wie  ich  in 
2  Fällen  feststellen  konnte,  nach  6 — 8  Wochen  zu  einer  de- 
finitiven Heilung. 

Eine  einfache  Incision  des  Choledochus  kann  einmal  zu 
einem  grösseren  Defekt  in  der  Choledochuswand  führen, 
nämlich  dann,  wenn  die  Wundränder  nekrotisch  werden,  was 
bei    der    fast    nie    fehlenden  Infektion    zuweilen   eintritt.     Ich 


—     278     — 

habe  den  Eindruck  gewonnen,  dass  bei  der  anderweitig-  noch 
sehr  beliebten  Nahtanlegung  diese  Nekrose  der  Wundränder 
hcäufiger  vorkommt  wie  bei  der  Hepaticusdrainage,  und  aus 
diesem  und  anderen  viel  wichtigeren  Gründen,  deren  Erörterung 
nicht  hierher  gehört,  habe  ich  in  den  letzten  Jahren  die  Chole- 
dochusincision  überhaupt  nicht  mehr  genäht,  sondern  ausschliess- 
lich die  Hepaticusdrainage  geübt  und  dabei  die  Mortalität  der 
Choledochotomie  von  10  pCt.  auf  3  pCt.  herabgesetzt.  Aber 
auch  dann,  wenn  nach  der  Choledochusincision  ein  grösseres 
Loch  im  Choledochus  entstand,  trat  immer  noch  Spontanheilung 
ein,  denn  die  Choledochi,  an  denen  ich  operierte,  waren  durch 
die  Entzündung  und  die  Steine  um  das  zwei-  und  dreifache 
ausgedehnt,  und  es  kam  nicht  darauf  an,  wenn  sie  ihr  lAimen 
etwas  einschränken  mussten. 

Ganz,  anders  liegt  die  Sache,  wenn  ein  enger,  durch  Steine 
und  Entzündung  nicht  erweiterter,  bleistiftstarker  Choledochus 
ein  Stück  seiner  Wandung  hergeben  muss,  dann  kommt  es  ent- 
weder zu  dauernder  Fistel  oder  zu  Strikturen. 

Wie  wir  alle  wissen,  entstehen  Defekte  der  Choledochus- 
wand  1.  durch  perforative  und  ulcerative  Prozesse,  wobei  Steine 
und  Geschwüre  die  Hauptrolle  spielen,  und  2.  durch  traumatische 
Vorgänge.  Doch  sind  beide  Entstehungsursachen  so  selten, 
dass  gewiss  nur  wenige  Chirurgen  etwas  derartiges  erlebt  und 
gesehen  haben  werden.  Die  dritte  und  heute  am  meisten  inter- 
essierende Entstehungsursache  von  Defekten  der  Choledocbus- 
wand  schaffen,  worauf  ich  bereits  oben  hinwies,  wir  Chi- 
rurgen selber  durch  eine  technisch  nicht  richtig  ausgeführte 
Ectomie. 

Wenn  man  nämlich  die  Gallenblase  von  der  Leber  abgelöst 
und  gestielt  hat  und  den  die  Arteria  cystica  und  den  Ductus 
cysticus  enthaltenden  Stiel  ligiert,  so  kann  es  vorkommen,  dass 
man  ein  Stück  des  Choledochus  mitfasst,  und  dass  dann  nach 
Abstossung  der  Ligatur  ein  Defekt  in  der  Choledochuswand 
entsteht,  der  wegen  seiner  bedeutenden  Grösse  eine  Heilung 
nicht  zulässt,  vielmehr  zu  einer  dauernden  Gallenfistel  führt. 
Man  kann  sich  nun  vor  diesem  fatalen  Ereignis  schützen,  wenn 
man  die  beiden  Arterienäste  der  Cystica  und  den  Ductus 
cysticus  für  sich  einzeln  ligiert.  Ob  man  zuerst  den  Ductus 
und  dann  die  Gefässe  unterbindet,  oder  ob  man  in  um- 
gekehrter  Reihenfolge   verfährt,   das  ist   ziemlich   gleichgültig. 


—     279     — 

Weiterliin  kann,  wie  aus  dem  oben  mitgeteilten  Fall  hervorgeht, 
eine  komplete  Choledochusgallenfistel  entstehen,  wenn  man  den 
('ysticus  gar  zu  dicht  am  Choledochus  ligiert,  und  das  um  so 
leichter,  wenn  der  gemeinsame  Gallengang  sehr  eng  ist  und 
\'erwachsungen  den  Choledochus  bauchdeckenwärts  verzerren 
und  abknicken.  Es  dürfte  also  zu  empfehlen  sein,  vom  Cysticus 
ca.  '/2  cm.  stehen  zu  lassen  und  seine  gründliche  Ausrottung 
nicht  zu  weit  zu  treiben. 

Der  Fall,  bei  dem  ich  einen  Defekt  des  Choledochus  ver- 
ursachte und  später  durch  eine  plastische  Operation  beseitigte, 
war  folgender: 

Die  64 j.  Patientin  zeigte  alle  Symptome  eines  typischen  Hydrops 
der  Gallenblase.  Bei  näherer  Untersuchung  fand  man  aber  das  über 
der  Gallenblase  liegende  Lebergewebe  sehr  hart,  so  dass  der  Verdacht 
eines  Carcinoms  in  mir  auftauchte.  In  der  Tat  lag  ein  solches  vor. 
Da  eine  Radikaloperation  durcliführbar  erschien  —  es  bestand  weder 
Ikterus  noch  Ascites  —  wurde  die  Excision  der  Gallenblase  beschlossen. 
Ihr  Hals  Hess  sieb  gut  isolieren,  ich  legte  hier  eine  am  äussersten 
Ende  gebogene  Klemmzange  an,  damit  kein  Gallenblaseninhalt  in  die 
Bauchhöhle  fliessen  konnte  und  durchschnitt  den  Cysticus.  Ich  musste 
aber  wohl  mit  der  Klemmzange  ein  Stück  Choledochus  mitgefasst 
iiaben,  denn  als  ich  nach  vollständiger  Herauslösung  der  Gallenblase 
das  Operationsterrain  näher  betrachtete,  stellte  sich  heraus,  dass  ich 
auch  vom  Choledochus  ein  ovales  Stück  herausgeschnitten  hatte, 
welches  ungefähr  der  halben  Circumferenz  des  Ganges  entsprach. 
Wahrscheinlich  war  durch  schrumpfende  Vorgänge  am  Carcinom  der 
Choledochus  gallenblasenwärts   verzerrt. 

Was  sollte  man  in  dieser  misslichen  Lage  tun  ?  Liesa  man  die 
Sache  auf  sich  herben,  so  war  eine  dauernde  Gallenfistel  mit  all' 
ihren  Schädlichkeiten,  re.^p.  eine  Striktur  unausbleiblich  :  eine  Chole- 
docho-Duodenostomie  vorzunehmen,  dazu  verspürte  ich  gar  keine  Lust, 
weil  ich,  wie  schon  oben  bemerkt,  mit  dieser  Operation  in  einem 
andern  Fall  üble  Erfahrungen  gemacht  hatte.  Eine  Resektion  des 
Choledochus,  die  ich  in  einem  Fall  von  spontaner  Striktur  des  Chole- 
dochus mit  Glück  ausgeführt  hatte,  ist  immerhin  eine  technisch 
schwierige,  bei  erweitertem  und  verdicktem  Choledochus  mögliebe, 
aber  bei  normalem  engen  Gang  recht  unsichere  Operation.  Das  Loch 
durch  eine  Längsnaht  zu  schliessen,  war  wegen  der  unausbleiblichen 
Entstehung  einer  Striktur  nicht  angebracht,  und  den  Defekt  nach  Art 
der  Pyloroplastik  durch  eine  Quernabt  zu  vereinigen,  wurde  versucht 
doch  stellte  sich  heraus,  dass  die  Spannung  in  der  Naht  zu  gross  war 
und  ein  Durchschneiden  der  Fäden  über  kurz  oder  lang  sicher  zu 
Stande.gekommen  wäre.  Ich  kam  also  auf  den  Einfall  einer  Deckung 
des  Defektes  auf  plastischem  Wege.  Das  einfachste  wäre  gewiss  ge- 
wesen, wenn  ich  nach  dem  Vorgang  von  Braun    ein   leicht    erreich- 


—     ?80     — 

bares  Stück  Netz  auf  das  Choledochusloch  aufgenäht  hätte.  Aber  ich 
fand  in  dem  spärlich  entwickelten  Omentum  nichts  Passendes.  Ich 
schnitt  mir  also  aus  der  Magenwand  einen  aus  Serosa  und  Muscularis 
bestehenden,  ca.  2'/»  cm.  breiten  und  10  cm.  langen  Lappen  zurecht, 
dessen  Stiel  in  der  Nähe  des  Pylorus  an  der  kleinen  Curvatur  lag, 
dessen  Ende  der  grossen  Curvatur  des  Magens  zugekehrt  war.  Der 
Lappen  Hess  sich,  ohne  das  die  Schleimhaut  verletzt  wurde,  sehr  leicht 
abpräparieren;  er  wurde  gedreht,  auf  den  Defekt  gelegt  und  allseitig 
durch  nicht  zu  dichte  Knopfseidennähte  befestigt.  Der  Defekt  am 
Magen  wurde  (sofort  durch  eine  Reihe  von  Nähten  vollständig  ge- 
schlossen. Eine  lockere  Tamponade  mit  steriler  Gaze  bildete  den 
Schluss  meines  Eingriffes. 

Ich  gehe  auf  die  Einzelheiten  der  Operation  nicht  näher  ein,  denn 
auch   ohne,   dass  ich    viel  Worte  mache,   kann  man  sich  an  der  Hand 


Fig. 


Fig.  70. 


Oh.  Choledochus.    G.  Gallenblase.    D.  Duodenum.    L.  Lappen.    M.  Magen. 


der  nebenstehenden    schematischen  Zeichnungen  (Fig.  69  und  70)  eine 
gute  Vorstellung  von  dem  Verlauf  der  Operation  machen. 

Die  Patientin  bekam  am  dritten  Tag  post  op.  eine  Pneumonie. 
Von  Seiten  des  Peritoneums  trat  keine  Reaktion  a^uf,  Blähungen  gingen 
spontan  ab,  Erbrechen  erfolgte  nicht  ein  einziges  Mal.  Am  siebenten 
Tage  trat  der  Exitus  ein.  Die  Sektion  zeigte  die  Peritonealhöhe  frei 
von  Entzündung,  und  was  die  Hauptsache  war,  der  transplan tierte 
Lappen  war  allseitig  fest  verklebt,  er  war  mit  Galle  und  Blut  etwas 
imbibiert,  zeigte  aber  keine  Spur  von  nekrotischer  Verfärbung;  keine 
einzige  Naht  hatte  nachgegeben,  und  es  war  auch  kein  Tropfen  Galle 
nach  aussen  in  den  Verband  getreten. 

Zur  Fixationsnaht  des  Lappens  am  Choledochusdefekt  be- 
nutzt man,  um  einer  Inkrustation  der  Fäden  vorzubeugen,  ent- 
weder Catgut,  oder  man  lässt  die  Seidenfäden  lang  und  wartet 
ihre  Abstossung  ruhig  ab.  Ferner  darf  nach  den  Grundregeln 
jeder  plastischen  Operation   der  Lappen  nicht   zu  schmal  sein. 


._     281     — 

weil  sonst  leicht  Nekrose  eintreten  kann,  er  darf  auch  nicht 
zu  kurz  sein,  damit  keine  Verzerrung  des  Lappens  und  des 
Pylorus  stattfindet.  Die  Sorge,  dass  die  vorbeifliessende 
Galle  den  Lappen  ablieben  würde,  erwies  sich  von  vorneherein 
als  unbegründet.  Es  genügt  nämlich  eine  ganz  lockere  Tampo- 
nade, um  der  Oholedochusgalle  den  normalen  Weg  nach  dem 
Darm  zu  weisen,  wenn  nur  die  schon  oben  aufgestellte  Bedingung 
erfüllt  ist:  die  Papille  muss  frei  von  Entzündung  und  Steinen 
sein.  Hat  man,  w^ie  ich  das  oft  genug  beobachtet  habe,  nach 
der  Hepaticusdrainage  das  Gummirohr  entfernt,  und  stopft  man 
nun  die  äussere  Fistel  d.  h.  den  Raum  zwischen  Bauch  wand 
und  Choledochusincision  mit  Gaze  einigermassen  fest  aus,  so 
fliesst,  wenn  die  Papilla  duodeni  gut  durchgängig  ist,  fast  sämt- 
liche Galle  in  den  Darm.  So  genügte  auch  in  diesem  Fall  der 
dünne  Serosa-Muskularislappen  und  eine  sehr  lockere  Tamponade, 
um  der  Galle  den  Weg  nach  aussen  zu  versperren.  —  Ich  habe 
in  meinem  Falle  den  Lappen  mit  seiner  wunden  Fläche  auf 
den  Choledochusdefekt  aufgelegt,  man  handelt  aber  vielleicht 
zweckmässiger,  wenn  man  die  Serosafläche  des  Lappens  nach 
innen  bringt,  den  Lappen  also  einfach  umklappt. 

Vermeiden  kann  man  Defekte  der  Choledochuswand  und 
danach  notwendige ,  auf  Verschliessung  derselben  hinzielende 
Operationen  durch  eine  technisch  richtig  ausgeführte  Ectomie; 
aber  da  es  doch  immerhin  einmal  jedem  Chirurgen  passieren 
kann,  dass  er  bei  Gelegenheit  einer  Gallenblasenexcision  mit 
dem  Choledochus  in  Konflikt  kommt  und  diesen  beschädigt, 
möchte  ich  meinen  Vorschlag  zur  Ausbesserung  des  angerichteten 
Schadens  der  Beachtung  empfehlen. 

Bei  Zerreissungen  des  Choledochus  durch  äussere  Gewalt 
dürfte  eine  sofortige  Anwendung  des  geschilderten  Verfahrens 
keinen  Zweck  haben;  man  wird  sich  vorerst  genau  wie  bei 
Gallensteinperforationen  mit  einer  Tamponade  begnügen  und 
erst  dann,  wenn  der  Gallenfluss  nicht  aufhört,  durch  eine  aus- 
giebige Laparotomie  die  Verhältnisse  am  Choledochus  klar  legen. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  man  dann  in  einem  geeigneten 
Fall  das  von  mir  angewandte  Verfahren  benutzen  kann. 

Bei  Neubildungen  des  Choledochus  hat  man  bisher  nur  in 
wenigen  Fällen  operiert.  Es  wäre  denkbar,  dass  einmal  nach 
einer  Neoplasmaresektion  mein  Vorschlag  zur  Anwendung  ge- 
bracht werden  könnte. 


—     282     — 

Zum  Schliiss  möchte  ich  noch  bemerken,  dass  in  den  Fällen, 
bei  denen  die  gesunde  Gallenblase  zur  Verfügung  steht,  man 
durch  Lappen,  die  der  Gallenblase  selbst  entnommen  werden, 
eine  Deckung  von  Oholedochuswanddefekteu  bewerkstelligen 
kann.  Man  wird  in  einem  solchen  Fall  den  Stiel  des  Lappens 
an  den  Gallenblasenhals,  das  Ende  an  den  Fundus  verlegen  und 
dafür  sorgen,  dass  der  mediale  Ast  der  Arteria  cystica  den 
Lappen  gehörig  ernährt.  Man  kann  dann  auch  die  ganze  Dicke 
der  Gallenblase  zum  Lappen  verwenden  und  hat  dabei  den  Vor- 
teil, dass  dieser  auf  der  inneren  Fläche  mit  Schleimhaut  be- 
deckt ist.  Natürlich  kann  man  das  bei  Lappen,  die  man  aus 
dem  Magen  oder  Duodenum  herausschneidet,  auch  erreichen; 
aber  der  Eingriff  wird  dann  wegen  der  erhöhten  Infektions- 
gefahr gefährlicher,  und  ich  habe  in  meinen  Fällen  eine  solche 
Operation  vorzunehmen  für  ein  zu  grosses  Wagnis  gehalten. 

Die  von  mir  beschriebene  Choledochoplastik  stellt  weiter 
nichts  dar,  als  eine  Plastik  gewöhnlichster  Art,  wie  wir  alle 
sie  oft  genug  an  der  Haut  vorzunehmen  gewohnt  sind,  und  es 
ist  auch  gar  nichts  Neues,  wenn  ich  auf  die  Möglichkeit  der 
Anheilung  solcher  gestielter  Serosa- Muskularislappen  hinweise. 
Die  ungemein  grosse  Heilungstendenz  der  serösen  Flächen  des 
Peritoneums  ist  schon  lange  bekannt,  aber  ich  wollte  doch  durch 
die  kurze  Mitteilung  meiner  Fälle  zeigen,  dass  sich  die  einfachsten 
Prinzipien  der  Plastik  auch  auf  den  Choledochus  übertragen 
lassen,  und  dass  dieser  Gang,  dessen  Chirurgie  erst  seit  einem 
Dezennium  in  Angriff  genommen  worden  ist,  sich  nicht  nur 
Tomien  und  Stomien,  Resektionen  und  Enterostomien,  die 
Einfülirung  von  Gummiröhren  und  Laminariastiften  gefallen 
lassen  muss,  sondern  dass  es  auch  gelingt,  Löcher  und  Defekte, 
die  für  die  Naht  sich  nicht  eignen,  durch  eine  plastische  Ope- 
ration zu  schliessen." 

Bisher  scheint  niemand  Gelegenheit  gefunden  zu  haben,  die 
von  mir  vor  2  Jahren  gemachten  Vorschläge  zu  verwerten,  und 
ich  hoife  selbst,  dass  wenigstens  nach  Ectomien  keine  Defekte 
des  Choledochus  und  Hepaticus  mehr  zur  Beobachtung  gelangen, 
wenn  man  die  Vorschriften  befolgt,  die  ich  bei  der  Beschreibung 
der  Technik  der  Ectomie  genauer  angegeben  habe. 


—      -^öli     — 

7.  Die   Unterbindung  der   Arteria  hepatica  propria 
wegen   Aneurysma. 

Die  Unterbindung  der  Art.  hepatica  ist  bisher  erst  einmal 
am  Menschen  —  und  zwar  von  mir  —  ausgeführt  worden,  in 
einem  Fall,  den  ich  in  der  Münch.  med.  Wochenschrift  1903, 
Nr.  43  bereits  ausführlich  veröffentlicht  habe.  Ich  berichtete 
damals  Folgendes : 

„Das  Aneurysma  der  Arteria  hepatica  ist  bisher  sehr  selten 
beobachtet  worden.  Die  letzte  Arbeit  über  diese  Krankheit 
ist  im  Jahre  1897  erschienen  und  stammt  aus  der  Feder 
A.  Hanssons,  welcher  22  derartige  Fälle  in  der  Literatur 
gesammelt  hat.  Nur  in  drei  Fällen  war  das  Aneurysma  Gegen- 
stand chirurgischer  Behandlung^  aber  in  keinem  wairde  der  Tod 
durch  die  Operation  aufgehalten,  weil  die  Operateure  nicht 
die  richtige  chirurgische  Behandlung  angewandt  hatten  resp. 
anwenden  konnten.  Eine  Unterbindung  der  Art.  hepatica,  die 
allein  imstande  wäre,  den  Kranken  vor  dem  Verblutungstod  zu 
bewahren,  ist  bisher  am  Menschen  noch  nicht  ausgeführt  worden. 
Ich  habe  jüngst  ein  Aneurysma  der  Art.  hepatica  operativ  mittels 
Unterbindung  des  Gefässes  behandelt  und  freue  mich,  dass 
gleich  dieser  erste  Fall  von  gutem  Erfolg  begleitet  gewesen  ist. 

In  diagnostischer  und  therapeutischer  Beziehung  bietet 
derselbe  nicht  nur  für  den  Fachchirurgen,  sondern  auch  für 
den  praktischen  Arzt  soviel  Interessantes,  dass  ich  eine  aus- 
führliche Mitteilung   für  zweckmässig  halte. 

Die  Krankengeschichte  ist  folgende : 

0.  Seh.,  29 jähr.  Militärinvalide  aus  Gaiiitz. 

Aufgen.:  10.  8.  1903. 

Operiert:    12.   8.  1903.     Ectomie.      Unterbindung    der 

Art.   hep.  wegen    Aneurysma.     Cysticotomie.  Chole- 

dochotomie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  18.  11.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  bis  zum  Jahr  lUOl  völlig  gesund  gewesen. 
In  der  Familie  des  Pat.  väterlinherseits  sind  Gallensteinkrankheiten 
vorgekommen. 

Mitte  März  1901  bekam  Pat.  eine  linksseitige  Brustfellentzündung 
und  lag  10  Wochen  krank.  Eine  Punktion  der  Brusthöhle  ergab  bei 
dem  P^.  kein  Exsudat. 

Pat.  erholte  sich  dann  völlig  wieder. 


~     284     — 

Dann  aber  begannen  November  1901  vereinzelte  Anfälle  von 
Magenkrämpfen  sich  einzustellen,  die  '/«  Stunde  und  länger  andauerten. 
Dabei  ab  und  zu  Erbrechen.  Nach  jedem  Anfall  Gelbsucht,  die  stets 
etwa  3—4  Tage  anhielt.  Angeblieh  damals  kein  Fieber,  keine 
Schüttelfröste.  Die  Anfälle  traten  anfangs  zweimal  im  Monat,  später 
öfter  auf.  Pat.  meldete  sich  schliesslich  Mitte  März  1902  krank,  und 
es  wurde  damals  Leberschwellung  und  Gelbsucht  festgestellt.  Pat. 
wurde  mit  heissen  Umschlägen  und  Karlsbader  Salz  behandelt. 

Nachdem  zuerst  eine  Besserung  eingetreten,  bekam  Pat.  Ende 
März  desselben  Jahres  sehr  heftiges  Bluterbrechen,  14  Tage  lang  fast 
täglich.  Dabei  starke  Schmerzen  in  der  Magengegend.  Magen- 
geschwüre wurden  angenommen.  Diese  Magenblutungon  traten  dann 
auch  weiterhin  zunächst  noch  häufiger,  dann  vereinzelt  bis  Weih- 
nachten 1902  auf,  im  Jahre  1903  dann  nochmals  zu  Pfingsten  und  zu- 
letzt im  Juli,  während  einer  Kur  in  Karlsbad. 

Die  Koliken  mit  Gelbsucht  traten  bis  Rnde  vorigen  Jahres,  vom 
Sommer  an,  nur  vereinzelt  auf,  im  letzten  Jahre  (1903)  etwa  monatlich 
zweimal  und  öfter.  Die  letzte  trat  in  sehr  schwerer  Form  (Pat.  lag 
4  Tage  zu  Bett)  im  Juli  in  Karlsbad  auf,  nachdem  Pat.  dort  auch  kurz 
vorher  wieder  eine  Magenblutung  gehabt  hatte.  Die  Koliken  sind 
immer  ziemlich  gleich :  heftige  Krämpfe  und  Schmerzen  in  der  Leber- 
gegend, ab  und  zu  Erbrechen.  Nach  den  Anfällen  einige  Tage  Gelb- 
sucht. Seit  März  1902  während  der  Anfälle  angeblich  auch  Fieber, 
keine  Schüttelfröste.  Gallensteine  konnten  durch  Röntgenaufnahmen 
nicht  nachgewiesen  werden,  im  Stuhle  wurden  keine  gefunden. 

Pat.  fühlt  sich  in  den  Zwischenzeiten  zwischen  den  Koliken  ziemlich 
wohl,  so  auch  jetzt,  hat  nur  etwas  Druckgefühl  in  der  Lebergegend. 
Appetit  gut.  Stuhl  regelmässig.  Auch  sein  früheres  Körpergewicht 
(vor  März  1902)  hat  Pat.  angeblich  fast  wieder  erreicht. 

Befun  d:  Sehr  anämischer,  elender  Mann.  Gallenblase  als  manns- 
faustgrosser,  absolut  unempfindlicher  Tumor  zu  tasten.  Leber  nicht 
vergrössert.  Kein  Ikterus.  Urin  frei.  Herz,  Lungen  gesund.  Auf 
die  Untersuchung  der  motorischen  Magenfunktionen  wird  wegen  der 
Magenblutungen  verzichtet. 

Diagnose:  1.  Hydrops  der  Gallenblase,  dabei  Ulcus  duodeni. 
2.  Ulcus  duodeni  an  der  Papille  (daher  grosse,  mit  Galle  gefüllte  Gallen- 
blase). Ikterus  müsste  dann  hochgradiger  sein.  3.  Aneurysma  der 
Art.  hepatica.    4.  Echinococcus  der  Gallenblase  (dabei  Ulcus  duodeni?). 

Operation  12.8.03.  Wellenschnitt.  Einijfe  Adhäsionen  zwischen 
Gallenblase,  Leber  und  Peritoneum  parietale  werden  gelöst.  Gallen- 
blase selbst  sehr  gross,  ist  allseitig  mit  Netz  verwachsen,  sehr 
prall  gefüllt.  Punktion  und  Aspiration  von  360  com.  kakaoähnlicher 
Flüssigkeit  (Blut).  Keine  Steine  nachweisbar.  Am  Hals  der  Gallenblase 
ist  ein  harter,  pulsierender  Tumor  von  der  Grösse  eines  Hühnereies  zu 
fühlen.  Diagnose:  Aneurysma  sehr  wahrscheinlich.  Spaltung  des 
Cysticus,  die  Drüse  ist  hier  etwas  erweicht.  Es  fliesst  noch  etwas 
kakaoähnliche  Flüssigkeit  in  die  Tampons.  Im  Cysticus  liegen  Fibrin- 
gerinnsel.   Nach  Entfernung  dieser  kolossale  Blutung.     Finger  darauf 


Fig.  72. 


Schemata  für  Operation  des  Aneurysma  der  art.  hepatica. 


—     286  ,~ 

und  feste  Tamponade.  Aneurysma  der  Art.  cystica,  wahrscheinlicher 
des  rechten  Leberarterienastes.  Ectomie  der  Gallenblase,  diese  innig 
mit  der  Leber  verwachsen,  so  dass  man  oft  in  das  Lebergewebe 
kommt.  Starker  Gallenfiuss,  starke  Blutung.  Tamponade.  Freilegung 
des  Lig.  hepato-duodenale.  Ductus  choledochus,  Vena  portarum,  Art- 
hepatica  werden  für  sich  freipräpariert  (einige  Venenunterbindungen). 
Dabei  liegt  der  linke  Zeigefinger  im  Forameu  Winslowii  und  hat 
das  Ligament  so  hoch  gehoben,  dass  seine  Spitze  oberhalb  desselben 
zum  Vorschein  kommt.  Die  Art.  hepatica  wurde  doppelt  unterbunden 
und  zwischen  beiden  Ligaturen  durchtrennt.  Bleistiftstarkes  Gefäss. 
Eine  in  die  nun  nicht  mehr  blutende,  gänseoigrosse  Aneurysmahöhle 
eingeführte  Sonde  stellt  fest,  dass  die  Ligatur  den  Eingang  zum 
Aneurysmasack  richtig  verschliesst.  Der  Sack  wird  breit  gespalten, 
die  Fibringerinnsel  werden  entfernt.  Dabei  massige  Blutung.  Feste 
Tamponade,  besonders  des  stark  blutenden  Leberbetts.  Hepatopexie 
mit  2  Fäden.  Der  Cysticus  wird  bis  in  den  Choledochus  hinein  ge- 
spalten; Gang  massig  weit,  frei.  Keine  Hepaticusdrainage,  keine  Mäht, 
sondern  Tamponade.  Magen  gesund.  Bauchwandnaht.  Die  Gallen- 
blase ist  sehr  gross,  wandverdickt.  Die  Untersuchung  im  pathologischen 
Institut  in  Marburg  ergibt  folgenden   Befund : 

„Die  stark  dilatierte  Gallenblase  hat  eine  sehr  derbe,  bis  8  mm 
dicke  Wandung,  deren  Innenfläche  ein  buntes  Aussehen  darbietet,  in- 
dem unregelmässige  weisslich- graue  Bezirke  abwechseln  mit  braun- 
roten Partien.  Im  allgemeinen  erscheint  die  Oberfläche  narbig  ge- 
glättet und  frei  von  Schleimhaut. 

Mikroskopisch  ist  in  der  Wand  von  Muscularis  und  Mucosa  nichts 
mehr  zu  finden,  vielmehr  zeigt  die  dicke  Wandung  stellenweise  einen 
keloidartigen  Bau,  an  anderen  Stellen  den  Charakter  eines  in  narbige 
Schrumpfung  übergehenden  chronisch  -  entzündlichen  Granulations- 
gewebes mit  reichlicher  Einlagerung  von  grobkörnigem  Blutpigment, 
an  wieder  anderen  Stellen  frischeres  entzündliches  Gewebe  von 
Blutungen  durchsetzt. 

Das  beigefügte  Gerinnsel  aus  dem  Aneurysma  besteht  zumeist 
aus  Fibrin  und  Blut,  und  lagert  sich  um  einen  kleineren,  in  Organi- 
sation begriffenen  Kern  derartigen  Gewebes  reichliches  frisches  Fibrin 
und  Blut  in  thrombotischer  Schichtung." 

Dauer  der  Operation  V\i  Stunde,  sehr  gute  Sauerstoff-Chloroform- 
Narkose  (50  gr.  Chloroform). 

Verlauf:  Puls  nach  der  Operation  100,  kräftig.  Pat.  ist  im- 
ruhig,  hat  viel  Schmerzen,  erhält  Morphium  0,01. 

Vom  12.  bis  17.  8.  Temperatur  zwischen  37,5  und  38,6 »  C. 
Puls  100— 110-  Kein  Blut  im  Verband.  Kein  Erbrechen.  Blähungen 
spontan  nacli  48  Stunden;  am  17.  8.  Stuhlgang  von  allein.  Der  Ver- 
band wird  täglich  erneuert,  weil  er  von  Galle  durchtränkt  ist.  Die 
Tampons  bleiben  liegen.  Aussehen  sehr  gut,  Leib  weich,  nicht 
schmerzhaft. 

Am  18.  und  19.  8.  dieselbe  Temperatur ;  38,2-38,8 «  C  Puls  100 
bis    110.    Verband    mit   Galle  durchtränkt.     Am    19.  8.  werden  einige 


—     287     — 

Tampons  entfernt.  Wunde  sieht  gut  aus,  Leber  ist  aber  völlig  blut- 
leer, von  speckigem  Aussehen,  eine  1  cm.  tiefe  Incision  in  den  durcli 
Hepatopexie  fixierten  rechten  Leberlappen  lässt  nicht  einen  Tropfen 
Blut  hervortreten  —  trockene  Nekrose.  Wie  weit  dieselbe  um  sich 
gegriffen  hat,  lässt  sich  natürlich  nicht  entscheiden.  Die  tiefen 
Tampons  bleiben  liegen.     Leib  weich.    Spontan  Stuhlgang. 

20.  8.  Dieselben  Temperaturen.  Etwas  Ikterus.  Allgemein- 
befinden gut. 

22.  8.  Entfernung  sämtlicher  Tampons.  Der  rechte  Leberrand 
nekrotisch,  sonst  Wunde  in  ausgezeichneter  Ordnung.  Gallenfluss  ge- 
ringer geworden.  Puls  96.  Abends  87,6 "  C.  Appetit  massig.  Ikterus 
hat  nicht  zugenommen.  Pat.  macht  im  allgemeinen  einen  sehr  guten 
Eindruck.  Neue  lockere  Tamponade.  Die  Fäden  bleiben  lang,  Art. 
hep.  pulsiert  kräftig. 

23.  8.  Wenig  Galle  im  Verband.  Man  sieht  jetzt  deutlich  ,  dass 
von  der  Leber  sich  nur  der  Rand  abstösst  und  die  Nekrose  ca.  2  cm. 
weit  geht.  In  der  Tiefe  alles  in  Ordnung.  Zwischen  gesunder  und  nekro- 
tischer Leber  kommt  ganz  klare  Galle  zum  Vorschein  (aus  der  Demarka- 
tionslinie). Temperatur  37.6-37,9»  C.  Puls  80— 90.  Stuhlgang  etwas 
gefärbt.  Neue  lockere  Tamponado.  Ikterus  geringer.  Pat.  sieht  frischer 
aus.  Verbandwechsel  in  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Offenbach- 
New-York. 

24.  bis  30.  8.  Keine  Temperaturerhöhung  mehr.  Puls  80—90. 
Guter  Appetit.  Alle  2  Tage  Verbandwechsel.  Geringer  Gallenfluss. 
Wunde  wird  immer  kleiner,  die  Fäden  haben  sich  abgestossen.  Die 
Nekrose  der  Leber  ist  scharf  markiert,  die  Lösung  ist  nahezu  voll- 
ständig. 

31.  8.  In  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  S  tone- Washington  Verband- 
wechsel. Die  beiden  Ligaturen  der  Hepatica  stossen  sieh  ab,  der 
nekrotische  Teil  des  unteren  Randes  des  rechten  Leberrandes  wird 
mit  der  Schere  entfernt.  Sonst  alles  in  Ordnung.  Kein  Gallenfluss 
mehr.  Lockere  TaiAponade.  Mit  Heftpflaster  werden  die  Wundränder 
einander  genähert. 

Von  da  an  hält  die  Besserung  an,  die  Wunde  wird  immer  kleiner. 
Pat.  steht  am 

2.  9.  zum  erstenmale  auf.  Die  Anämie  ist  bedeutend  zurück- 
gegangen, Appetit  vorzüglich. 

28.  9.  Wunde  ist  fast  ganz  geschlossen.  Die  Entlassung  des  Pat. 
erfolgte  am  18.  11.  Wunde  geschlossen,  keine  Hernie.  Pat.  hat  sich 
zu  Hause  noch  sehr  erholt,  ca.  30  Pfund  an  Körpergewicht  zugenom- 
men und  erfreut  sich  augenblicklich  der  besten  Gesundheit.  Zeichen 
von  Lebercirrhose  sind  nicht  vorhanden. 

Nach  der  Krankengeschichte  bat  Pat.  seit  November  19ÜI 
—  also  seit  Vji  Jahren  —  das  Aneurysma  hepaticum  bei  sich 
getragen.  Die  damaligen  Magenkrämpfe  sind  auf  Schwellungen 
und  Zerrungen,  durch  das  Aneurysma  bedingt,  zurückzuführen. 
Im  März  1902  platzte  das  Aneurysma  und  ergoss  seinen  blutigen 


—     288     — 

Inhalt  durch  den  Cysticus  in  die  Gallenblase  und  durch  den 
Choledochus  in  den  Magen  resp.  Darm.  DiQ  letzte  Blutung 
trat  im  Juli  in  Karlsbad  auf,  seitdem  blieb  der  Cysticus 
durch  einen  festen  Blutpfropf  verstopft,  und  die  Gallenblase, 
die  sich  nicht  entleeren  konnte,  wirkte  wie  ein  Tampon  auf 
das  Aneurysma.  Der  Sack  füllte  sich  mit  Fibrinmassen,  und  der 
gewaltige  Druck ,  der  von  der  Gallenblase  aus  auf  die  Innen- 
wandungen des  Aneurysmas  ausgeübt  wurde ,  mag  dazu  bei- 
getragen haben,  dass  sich  genügend  Kollateralen  ausbilden 
konnten,  welche  den  Erfolg  der  Operation  ermöglichten.  Patient 
hat  also  viel  Glück  gehabt,  und  ich  als  Arzt  hatte  es  mit  so 
günstigen  Umständen  zu  tun,  wie  das  beim  Aneurysma  der  Art. 
hepatica  kaum  wieder  zur  Beobachtung  kommen  wird.  Ich  bin 
mir  wohl  bewusst,  dass  das  „Glück  in  der  Chirurgie"  ein 
mächtiger  Faktor  ist,  ohne  den  alle  Technik  und  Sorgfalt  häufig 
nichts  ausrichtet. 

Es  sei  mir  gestattet,  im  Anschluss  an  die  Krankengeschichte 
einige  Worte  über  die  Aetiologie  der  Aneurysmen  der  Art. 
hepatica,  die  Symptomatologie,  die  Diagnose,  den  Verlauf  und 
die  Behandlung  zu  sagen.  Ich  will  mich  kurz  fassen  und  ver- 
weise den  Leser  auf  die  Ausführungen  von  Quincke  in  „Die 
Krankheiten  der  Leber".  Ueber  die  Operation  des  Aneurysma 
der  Art.  hepatica  sind  dort  nur  einige  Andeutungen  gemacht, 
die  ich  an  der  Hand  meines  Falles  erweitern  will. 

Die  für  die  Entwicklung  des  Aneurysma  in  Betracht  kom- 
menden Momente  —  wie  Arteriosklerose,  Lues,  Cholelithiasis, 
Trauma  —  liegen  in  meinem  Fall  nicht  vor.  H  a  n  s  s  o  n  hebt 
liervor,  dass  in  relativ  zahlreichen  Fällen  suppurative  Prozesse 
vorausgingen;  ob  die  im  März  1901  durchgemachte  Pleuritis  in 
irgend  einem  ätiologischen  Zusammenhang  steht,  möchte  ich 
dahingestellt  sein  lassen. 

Was  die  Symptome  anlangt,  so  sind  diese  natürlich  sehr 
verschieden,  ob  das  Aneurysma  rupturiert  oder  nicht,  oder  ob 
es  in  die  freie  Bauchhöhle  oder  in  die  Gallenwege  hindurch- 
bricht. In  die  freie  Bauchhöhle  einbrechende  Aneurysmen  führen 
den  Tod  so  rasch  herbei ,  dass  eine  Diagnose  gewöhnlich  erst 
auf  dem  Sektionstisch  zu  stellen  ist. 

In  meinem  Fall  war  die  Blutung  durch  den  Cysticus  in  die 
Gallenblase   und    in   den  Ciioledochus  erfolgt,    und  es  lag  eine 


—     289     — 

Diagnose  wegen  der  gleichzeitig  eintretenden  Kolik  und  des 
Ikterus  gewiss  in  dem  Bereich  der  Möglichkeit. 

Als  ich  den  Kranken  in  meiner  Sprechstunde  zum  ersten 
Male  sah,  fiel  mir  natürlich  sofort  die  beträchtliche  Anämie  auf, 
welche  auf  Blutungen  hinwies.  In  der  Tat  berichtete  Patient 
über  Bluterbrechen,  welches  von  Koliken  und  Ikterus  begleitet 
war.  In  erster  Linie  dachte  ich  an  Cholelithiasis ,  umsomehr 
als  die  Untersuchung  einen  grossen,  leicht  palpablen  Tumor  der 
Gallenblase  ergab.  Mir  fiel  auf,  dass  diese  so  gar  nicht  druck- 
empfindlich war,  aber  dieses  kommt  nicht  nur  beim  Hydrops, 
sondern  auch  beim  Empyem  der  Gallenblase  vor.  In  erster 
Linie  diagnostizierte  ich  Hydrops  der  Gallenblase,  Stein- 
verschluss  des  Cysticus  und  nebenhergehend  duodenales  Ulcus. 
Auch  an  ein  Aneurysma  der  Art.  hepatica  dachte  ich,  da  mir 
der  Symptomenkomplex  noch  von  meiner  Bearbeitung  des  betr. 
Kapitels  im  Handbuch  der  praktischen  Chirurgie  von  v.  Berg- 
mann, V.  Mikulicz,  V.  Bruns  her  in  lebhafter  Erinnerung 
war.  Ich  hatte  bisher  ein  Aneurysma  der  Art.  hepatica  weder 
auf  dem  Operations-  noch  auf  dem  Sektionstisch  gesehen,  so 
dass  ich  immer  wieder  auf  Hydrops  mit  duodenalem  Ulcus 
zurückkam.  Weiterhin  konnten  vorliegen:  Echinococcus  der 
Gallenblase  und  duodenales  Ulcus  an  der  Papilla  duodeni  mit 
Ectasie  der  durch  Galle  gestauten  Gallenblase.  Im  letzteren 
Falle  hätte  intensiver  Ikterus  vorliegen  müssen.  Die  Diagnose 
Echinococcus  basierte  auch  nur  auf  einer  Vermutung. 

Ich  schnitt  also  den  Bauch  auf,  in  der  Erwartung,  einen 
Hydrops  zu  finden,  plante  eine  Cystostomie  auszuführen  und 
wegen  des  vermuteten  Ulcus  duodeni  eine  Gastroenterostomie 
hinzuzufügen. 

Die  Gallenblase  sah  in  der  Tat  entzündet  aus,  sie  war  in 
Verwachsungen  ringsum  eingebettet,  aber  die  Aspirationsspritze 
förderte  blutigen  Inhalt  an  den  Tag.  Jetzt  dachte  ich  wieder 
an  ein  Aneurysma,  und  als  ich  nach  Lösung  der  Adhäsionen  in 
der  Tiefe  den  prall  gefüllten  Tumor  fühlte,  wurde  ich  in  meiner 
Diagnose  immer  sicherer.  Zur  Gewissheit  wurde  sie  erst,  als 
ich  nach  Incision  des  Ductus  cysticus  in  den  Aneurysmasack 
eine  Kornzange  einführte  und  nun  ein  gewaltiger  Blutstrom 
das  Operationsfeld  überschwemmte.  Jetzt  Tampon  in  den 
Aneurysmasack  und  digitale  Kompression  des  Lig.  hepato-duo- 
denale  -sowie  der  Art.  hepatica  —  das  war  eins.     Die  Blutung 

Kehr,  Technik  der  GaUenateinoperationen.    I.  19 


—     290     — 

stand  sofort,  und  ich  hatte  Zeit,  in  Ruhe  den  Operationsplan 
zu  entwerfen,  die  Gallenblase  zu  excidieren  und  die  Unter- 
bindung der  Art.  hepatica  propria   vorzunehmen. 

Nach  dem,  was  ich  bei  diesem  Falle  in  diagnostischer  Hin- 
sicht gelernt  habe,  hoffe  ich  bestimmt,  in  einem  nächsten  Fall 
die  richtige  Diagnose  zu  stellen.  Denn  wenn  wie  hier  bei  den 
Koliken  Ikterus  und  Magen-  resp.  Darmblutungen  sich  ein- 
stellen und  zugleich  die  Gallenblase  zum  Tumor  anschwillt, 
kann  es  nicht  schwer  fallen,  sich  Klarheit  zu  verschaffen  über 
die  pathologischen  Vorgänge,  die  sich  an  der  Unterfläche  der 
Leber  abspielen.  Wo  dieses  oder  jenes  Symptom  fehlt,  wird 
allerdings  erst  die  Probeincision  Gewissheit  verschaffen;  aber 
diese  kann  dann  auch  das  schwer  bedrohte  Leben  durch  die 
Unterbindung  der  Art.  hepatica  propria  vor  sicherem  Unter- 
gang bewahren.  In  jenen  Fällen,  die  ohne  Blutabgang  nach 
dem  Darmkanal  hin  verlaufen,  ist  die  richtige  Diagnose  unmög- 
lich, da  man  bei  Ikterus  und  Koliken  immer  nur  an  Chole- 
lithiasis  denken  wird.  Platzt  das  Aneurysma  in  die  freie 
Bauchhöhle,  so  ist  ebenfalls  eine  Diagnose  erst  bei  der  event. 
Operation  möglich. 

In  keinem  der  bisher  beobachteten  Fälle  von  Aneurysma 
der  Art.  hepatica  hatte  das  Aneurysma  an  und  für  sich  einen 
greifbaren  Tumor  erzeugt:  dazu  liegt  die  Art.  hepatica  zu  tief 
und  versteckt.  Auch  etwaige  aneurysmatische  Geräusche  werden 
kaum  hörbar  sein.  Erst  wenn  der  Bauch  geöffnet  ist  und  man 
in  der  Tiefe  den  Hals  der  Gallenblase,  in  der  Leberpforte  einen 
Tumor  fühlt,  wird  man  auf  die  Vermutung  kommen,  dass  ein 
Aneurysma  vorliegen  kann.  Ich  sprach,  wie  schon  oben  bemerkt, 
sofort  diese  Vermutung  aus,  als  ich  altes  Blut  in  der  Gallenblase 
aspirierte  und  den  Tumor  in  der  Tiefe  fühlte.  Die  Drüsen,  die 
hier  liegen,  werden  niemals  eine  solche  Grösse  erreichen;  für 
ein  Carcinom  war  der  Tumor  zu  weich,  eventuell  muss  man  an 
eine  Gummigeschwulst  denken.  Wenn  man  die  bisherigen  Fälle 
von  Aneurysma  der  Art.  hepatica  durchmustert,  so  muss  man 
zugeben,  dass  in  den  allermeisten  Fällen  in  der  Tat  eine  genaue 
Diagnose  ganz  unmöglich  war.  A.uch  da,  wo  Blutungen  mit  Ikterus 
und  Kolik  einhergingen,  wird  man  zuerst  immer  an  Cholelithiasis 
denken,  da  auch  hierbei  recht  profuse  Blutungen  eintreten  können. 

Ich  füge  hier  einige  ganz  kurze  Bemerkungen  ein  über  die 
bei  der  Cholelithiasis  vorkommenden  Blutungen. 


—     291     — 

Diese  beruhen  meist  auf  clioläraischer  Diathese  und  werden 
in  den  letzten  Stadien  des  chronischen  Choledochusverschlusses 
nicht  selten  beobachtet;  beim  akuten  Choledochusverschluss 
treten  sie  nur  vereinzelt  auf,  doch  erinnere  ich  mich  eines 
Falles,  der  am  5.  Tage  des  akuten  Choledochusverschlusses  an 
einer  solchen  Blutung  und  Cholämie  zu  Grunde  ging.  Die 
Sektion  ergab  nirgends  eine  Ulceration  oder  Perforation  an 
den  Gallenwegen,  dem  Magen  oder  Darm.  Viel  seltener  beruhen 
Blutungen  bei  der  Cholelithiasis  auf  akuten  Pfortaderthrombosen, 
häufiger  auf  ulceröser  Perforation  der  Darm-  resp.  Magenwand. 
Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  sämtliche  Formen  zu  beobachten, 
würdoi  aber  von  meinem  Thema  zu  weit  abkommen,  wenn  ich 
auf  diese  Blutungen  näher  eingehen  würde.  Die  Komplikation 
des  duodenalen  Ulcus  mit  der  Cholelithiasis  ist  nach  meinen 
Erfahrungen  nichts  Seltenes ;  irgend  ein  direkter  Zusammen- 
hang besteht  zwischen  den  beiden  Erkrankungen  wohl  nicht. 
Auch  ohne  dass  Steine  in  der  Gallenblase  vorliegen,  erkrankt 
dieses  Organ  bei  Ulcus  duodeni  insofern,  als  der  vom  Geschwür 
ausgehende  Prozess  als  Duodenitis  auf  die  Gallenblase  über- 
o-reift  (Pericholecystitis),  der  Cysticus  durch  Adhäsionen  sich 
abknickt  und  so  einer  Stauung  oder  Infektion  in  der  Gallen- 
blase Vorschub  geleistet  wird.  So  wird  nicht  selten  der  Gallen- 
steinchirurg auf  ein  Ulcus  duodeni  stossen,  seine  Eingriffe  werden 
sich  aber  mehr  mit  der  Gallenblase  (Ectomie)  beschäftigen,  als 
mit  dem  Duodenum  selbst. 

In  meinem  Fall  lag  weder  Cholelithiasis  noch  ein  duodenales 
Ulcus,  sondern'  lediglich  ein  in  den  Cysticus  perforiertes 
Aneurysma  der  Art.  hepatica  vor. 

Es  kann  nicht  meine  Absicht  sein,  in  diesem  Buche 
eine  ausführliche  Zusammenstellung  der  Arbeiten  über  das 
Aneurysma  der  Art.  hepatica  zu  geben,  ich  will  nur  die  grund- 
legenden Arbeiten  anführen.  Es  kommen  hier  in  Betracht  die 
Mitteilungen  von  Mester,  Langenbuch,  Ehrhardt  und 
Han  sson. 

Die  Arbeit  von  Bruno  Mester  (Zeitschr.  f.  klin.  Med., 
28.  Bd.,  p.  93)  behandelt  das  Aneurysma  der  Art.  hepatica 
sehr  ausführlich. 

Mester  weist  daraufhin,  dass  in  allen  Fällen,  welche  bis- 
lang zur  Beobachtung  kamen,  die  Diagnose  erst  am  Leichen- 
tisch  gestellt    worden  ist,    und  dass  bei  Lebzeiten  auch  nicht 

19* 


—     292     — 

einmal  an  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Erkrankung  gedacht 
worden  war.  Er  veröffentlicht  einen  Fall,  bei  dem  die  Diagnose 
auf  ein  Duodenalulcus  gestellt  wurde,  v.  Mikulicz  machte 
am  22.  III.  93  eine  Gastroenterostomie,  der  Exitus  trat  am 
27.  III.  unter  ileusähnlichen  Erscheinungen  ein.  Die  Sektion 
ergab,  dass  ein  Aneurysma  spurium  des  rechten  Astes  der  Art. 
hepatica  vorlag,  welches  in  den  Ductus  hepaticus  perforiert 
war.  M.  hat  19  Fälle  von  Aneurysma  der  Art.  hepatica  ge- 
sammelt (Stokes,  Wallmann,  Lebert,  Quincke,  Borchers» 
Sauerteig,  Pearson  Irvine,  Uhlig,  Dräsche,  Schmidt, 
Niewerth,  Sestiö,  Lödieu,  Babington,  Gairdner, 
Heschl,  Standhartner,  Ross  und  Ossler,  Ahrens), 
16mal  war  der  Sitz  des  Aneurysma  extrahepatisch ,  viermal 
intrahepatisch.  Entweder  nimmt  das  Aneurysma  den  Stamm 
der  Arterie  ein  oder  einen  der  beiden  Hauptäste ;  im  Fall 
Standhartner  hatte  sich  gleichzeitig  am  linken  und  rechten 
Ast  ein  Aneurysma  entwickelt.  Zahlreiche  Verwachsungen  ver- 
binden den  Sack  mit  dem  Cysticus,  dem  Ductus  choledochus 
oder  Hepaticus,  der  Gallenblase,  dem  Duodenum,  der  ünter- 
fläche  der  Leber.  Der  Sack  rupturiert  oft  entweder  in  die 
freie  Bauchhöhle  oder  in  die  Gallengänge.  Die  Blutung  kann 
so  massenhaft  sein,  dass  der  Tod  sofort  eintreten  kann.  Nur 
in  dem  Falle  von  Lödieii  ist  durch  Obturation  des  Sackes 
eine  spontane  Heilung  zustande  gekommen. 

Die  selteneren  intrahepatischen  Aneurysmen  sind  meist 
kleiner  wie  die  extrahepatischen.  Die  letzteren  können  die 
Grösse  eines  Kindskopfes  erreichen. 

M.  spricht  dann  über  die  Symptome,  den  Schmerz,  die 
Blutungen,  den  Ikterus,  Lebervergrösserung,  Fieber  (Quincke) 
und  berichtet  am  Schluss  über  die  bisherigen  Operationen,  die 
wegen  Aneurysma  vorgenommen  worden  sind  (Riedel  [Diss. 
Sauerteig].,  Niewerth  und  v.  Mikulicz).  „Die  Möglich- 
keit, in  einem  ähnlichen  Falle  durch  eine  Operation  dem 
Kranken  direkt  das  Leben  zu  retten,  ist  ohne  Zweifel  vor- 
handen, und  da  es  eine  andere  Therapie  für  das  Aneurysma  der 
Leberarterie  nicht  gibt,  ist  der  Vorschlag,  unter  diesen  Um- 
ständen die  Unterbindung  eines  Astes  oder  selbst  der  Arteria 
hepatica  propria  vor  ihrer  Teilungsstelle  auszuführen,  wohl 
a  priori  berechtigt.  Es  ist  sogar  mehr  als  eine  bloss  theoretisch 
konstruierte   Forderung.       Die  Versuche   von  Oohnheini  und 


—     293     — 

Litten  haben  ergeben,  dass  beim  Hunde  die  arterielle  Blut- 
zufuhr zur  Leber  auch  nach  Unterbindung  der  Leberarterie 
genügend  zustande  kommt.  Für  die  Pathologie  des  Menschen 
lehrt  dasselbe  eine  Beobachtung,  die  gerade  bei  einem  Aneu- 
rysma der  Art.  hepatica  gemacht  wurde:  der  Fall  von  Lödieu. 
Hier  war  die  Art.  pylorica  (coron.  ventric.  dextr.)  durchgängig 
geblieben  und,  wie  schon  Frerichs  gegenüber  der  irrtümlichen 


Pig.  73. 


A.  hepatica 


Aorta  abdomin.      A.  ooeUaoa 


A.  gastro- 

opiploica 

dextra 


A.  ooronaria  veatr.  aia 


A.  gastr. 
brevis 


--__A.  gastro- 
epiploica 
sin. 


-A.  lienalis 


Erklärung  Lödieus  bemerkt  hat,  ihre  Anastomosen  hatten 
völlig  genügt,  die  Leber  mit  arteriellem  Blute  zu  versorgen." 
Langenbuch,  dem  wir  die  Finführung  der  Cystectomie 
verdanken  und  der  wie  ein  Prophet  die  Möglichkeit  so  vieler 
Operationen  —  ich  erinnere  nur  an  die  Choledochotomie,  die 
Behandlung  des  Aneurysma  der  Art.  hepatica  durch  Ligatur 
dieses  Gefässes  —  verkündete,  sagt  in  seiner  Chirurgie  der 
Leber  und  der  Gallenblase  1894,  Bd.  I.  p.  10:  Da  die  Art. 
hepatica  auch  durch  Vasa  vasorum  die  Wandungen  aller  übrigen 


—     294     — 

Lebergefässe  zu  ernähren  hat  und  diese  infolge  davon  absterben^ 
ist  die  zentrale  Unterbindung  der  Art.  hepatica  wegen  eine& 
an  ihr  nicht  ganz  so  selten  vorkommenden  Aneurysma  hiernach 
also  undurchführbar."  Aber  in  dem  IT.  Bande  seines  gross- 
artigen Werkes  (p.  78)  —  derselbe  erschien  1897,  also  3  Jahre 
später  —  ändert  er  seine  Meinung.  Für  diejenigen,  die  nicht 
im  Besitze  des  Lan  genb  uch' sehen  Buches  sind,  mag  es  an- 
gebracht sein,  die  eigenen  Worte  des  leider  so  früh  verstorbenen 
Chirurgen  zu  hören ;  dadurch  werde  ich  zugleich  einer  Dar- 
stellung der  in  Betracht  kommenden  anatomischen  Verhältnisse 
resp.  einer  Besprechung  des  Verlaufs  der  Art.  hepatica  ent- 
hoben.    Langenbuch  sagt: 

„Greifen  wir  zunächst  etwas  auf  die  Ahnen  der  Leberarterie 
zurück.  Da  entspringt  aus  der  Aorta  die  Arteria  coeliaca,  ein 
kurzer,  gegen  1  cm.  dicker,  unpaarer  Stamm,  der  sich  zwischen 
der  Cardia  des  Magens  linkerseits  und  rechts  von  dem  Spi gel- 
schen Lappen,  sowie  oberhalb  des  Pankreas  gerade  nach  vorn 
erstreckt  und  nach  einem  Verlaufe  von  2^2  cm.  sich  hinter  dem 
kleinen  Netz,  einer  der  interessantesten  anatomischen  Gegenden, 
zum  Tripus  Halleri  ausspaltend  nun  die  famosen  Drillinge:  die 
Arteria  coronaria  ventriculi  sinistra,  die  Arteria  hepatica  und 
die  Arteria  lienalis  zu  den  betreffenden  Organen  der  Oberbauch- 
gegend sendet.  Die  Arteria  hepatica  wendet  sich  sogleich  nach 
rechts,  als  ein  Stamm,  welcher  in  ca.  5  cm.  Verlauf  noch  keinen 
Ast  abgegeben  hat,  wenn  nicht,  was  allerdings  vorkommt,  aus- 
nahmsweise die  längs  der  kleinen  Magenkurvatur  verlaufende 
Arteria  coronaria  ventriculi  dextra,  welche  mit  ihrer  Mutter- 
schwester oder  Tante,  der  Arteria  coronaria  sinistra,  anastomo- 
sierend,  sich  früher  abzweigt.  Entscheidend  für  die  weitere 
Benennung  der  Leberarterie  ist  der  Abgang  der  Arteria  gastro- 
duodenalis,  die  vielfach  als  Ramus  gastro-duodenalis  bezeichnet 
wird  und  als  Zwillingsbruder  des  weiter  zur  Leber  fortlaufenden 
Ramus  hepaticus,  der  Arteria  hepatica,  gilt.  Also,  und  das  ist 
chirurgisch  von  grosser  Wichtigkeit  und  wohl  zu  merken:  die 
Arteria  hepatica  teilt  sich  nach  gut  5  cm.  ihres  Verlaufes  in 
2  Äste:  den  Ramus  gastro-duodenalis  und  den  Ramus  hepaticus. 
Der  erstere  verläuft  nach  unten  zur  Hinterwand  des  Pylorus 
und  der  andere  weiter  zur  Leber.  Der  Ramus  gastro-duodenalis 
läuft  aus  in  die  Arteria  gastro-epiploica  dextra  und  anastomo- 
siert  am  Magenlundus  in  kräftigster  Weise  mit  Ästen  der  Arteria 


—     295     — 

lienalis.  Auch  diese  Anastomose  ist  sehr  zu  beachten!  Der 
Eamus  hepaticus  gibt  nun  in  der  Regel  sehr  bald  die  schon 
oben  benannte  Arteria  coronaria  ventriculi  dextra  ab,  die  ja 
mit  der  gleichnamigen  Arteria  sinistra  anastomosiert.  Von  jetzt 
ab  verläuft  der  Ramus  hepaticus  ebenfalls  noch  seine  5  —  7  cm. 
isoliert  und  teilt  sich  dann  erst  in  den  rechten  und  linken 
Leberast,  die  dann  recht  schnell  in  die  Tiefe  der  Leberpforte, 
jede  in  ihrem  Lappen  verschwinden. 

Aus  diesen  anatomischen  Darlegungen  wird  das  Eine  klar, 
dass  eine  Unterbindung  der  ersten  Hälfte  des  Leberarterien- 
stammes, also  zentralwärts  vom  Abgange  der  Arteria  coronaria 
ventriculi  dextra  oder  dem  der  Arteria  gastro-duodenalis ,  die 
Leber  durchaus  noch  nicht  des  arteriellen  Blutes  berauben 
würde;  es  bleiben  ja  für  diese  noch  die  Anastomosen  mit  der 
Arteria    coronaria   sinistra   und  der  Arteria  lienalis  im  Gange. 

Es  fragt  sich  nun :  Würde  die  Unterbindung  der  zweiten 
Hälfte  des  Stammes,  also  des  Ramus  hepaticus,  ohne  ernste  Schä- 
digung des  Lebergewebes  ausführbar  sein?  Und  wir  müssen  ant- 
worten: ohne  weiteres  gewiss  nicht  1  Freilich,  würden  wir  diese 
Unterbindung  an  einem  gesunden  Tiere,  besonders  dem  Kanin- 
chen, in  Form  eines  physiologischen  Experimentes  unternehmen 
(Cohnheim  und  Litten),  so  würde  die  Leber  desselben  oder 
auch  die  des  Menschen  schnell  und  gewiss  einer  akuten  Nekrose 
anheimfallen.  Denn  die  Leberarterie  ist  das  Gefäss,  welches  die 
Kapillaren  der  Gliss  on'schen  Kapsel,  der  Gallengänge  und  vor 
allem  der  Blutgefässe,  die  Vasa  vasorum  der  Pfortader  wie  der 
Lebervene  versorgt;  wenn  in  diese  kein  Blut  mehr  gelangt,  so 
sterben  sie  ab,  geradeso  wie  rascher  oder  langsamer  alle  Gewebe 
und  Organe  des  Körpers.  Das  Absterben  der  Blutgefässe,  hier 
der  Pfortaderäste,  bedingt  selbstverständlich  das  allmähliche  Er- 
löschen der  Zirkulation  in  ihnen  und  damit  die  unvermeidliche 
Organnekrose.  Somit  ist  auch  klar,  dass  die  Leber  die  grosse 
Masse  des  Pfortaderblutes  weit  eher  entbehren  kann,  als  die  doch 
so  viel  geringere  der  Arterie;  das  Pfortaderblut  kann  bis 
zu  einem  gewissen  Grad  durch  das  der  Leberarterie  ersetzt 
werden,  das  der  Leberarterie  aber  durch  nichts  anderes  als 
Arterienblut. 

Das  sind  Erfahrungen  von  Physiologen,  die  gesunden  Tieren 
die  Leberarterie  einfach  plötzlich  absperren  und  die  unvor- 
bereitete Natur  in  ihrer  Wehrlosiffkeit  überraschen. 


—     296     — 

Anders  und  wohl  viel  günstiger  wird  jedoch  die  Sache  liegen, 
wenn  der  Blutstrom  der  Art.  hepatica  durch  ein  allmählich 
wachsendes  Hindernis,  also  z.  B.  durch  eine  Aneurysmenbildung, 
zunehmend  verkümmert  wurde.  In  unserer  Liste  figurieren 
mehrere  solcher  Fälle,  unter  ihnen  am  sichtlichsten  der  von 
Ledieu,  in  denen  die  ganze  Leber  oder  Teile  von  ihr  infolge 
der  Aneurysmenbildung  so  gut  wie  gar  kein  Blut  mehr  aus  der 
Art.  hepatica  beziehen  konnten  und  doch,  in  genügendem  Er- 
nährungszustande geblieben,  ihren  Aufgaben  gerecht  wurden. 

Es  müssen  also  noch  andere  koUaterale  Bezugsquellen  als 
die  Aa.  coronaria  ventr.  dextra  und  gastro-duodenalis  für  das 
nötige  arterielle  Blut  vorhanden  sein,  und  es  ist  mir  auch  ge- 
lungen, solche  ausfindig  zu  machen.  Es  sind  das  die  Aa.  phrenicae, 
Aortenäste,  denen  bisher,  ausser  den  systematischen  Anatomen, 
kaum  irgend  jemand  auch  nur  die  geringste  Beachtung  schenkte, 
zwei  Arterien,  welche  dicht  oberhalb  der  Wurzel  der  A.  coeliaca 
entspringen  und  spitzwinklig  divergierend  zur  unteren  Fläche 
(ies  Zwerchfells  verlaufen.  Hier  versorgen  sie  zunächst  den 
Vertebralteil  des  Zwerchfells,  gehen  sodann  als  Aa.  suprarenales 
supp.  zur  Nebenniere  und  teilen  sich  nunmehr  in  einen  hinteren 
und  vorderen  Ast.  Der  hintere  verbreitet  sich  weiter  zur 
Mitte  des  Zwerchfells  hin  und  umgibt  den  Hiatus  oesophageus 
und  das  Foram.  venae  cavae  mit  einem  weitläufigen  Kranz,  in 
welchem  die  Aeste  der  beiderseitigen  Arterien  einander  begegnen. 
Von  der  Fläche  des  Zwerchfelles  aus  gehen  nun  —  und  das  ist 
für  uns  von  der  grössten  Wichtigkeit  —  Äste  zur  Leber  und 
zwar  durch  das  Bindegewebe  zwischen  den  beiden  Platten  des 
Lig.  coronarium,  sowie  in  gleichem  Sinne  durch  das  Lig.  Sus- 
pensorium. Somit  wird  von  dem  rechten  Aste  der  A.  phrenica 
der  rechte  hintere  und  vom  linken  auch  der  linke  hintere  Leber- 
rand ganz  direkt  mit  arteriellem  Blut  versorgt.  Diese  Aa.  phre- 
nicae sind  natürlich  unter  normalen  Verhältnissen  nur  Gefässe 
bescheidenen  Kalibers,  aber  sie  werden,  zumal  sie  auch  mit  den 
oberen  Aa.  lumbales  anastomotisch  verbunden  sind,  auf  den  Appell 
einer  allmählich  notleidend  gewordenen  Leber  hin  sich  sicherlich 
auf  die  zum  Vikariieren  erforderliche  grössere  Leistungsfähig- 
keit einrichten.  Natürlich  kostet  die  Neuanlage  Zeit,  die  die 
Physiologen  bei  ihren  Experimenten  nicht  vorsehen,  während 
sie  bei  der  Aneurysmenbildung  genügend  zur  Verfügung  ge- 
stellt wird. 


—     297      — 

Aus  diesen  anatomischen  Darlegungen,  welchen  wir  neue  und 
gesicherte  Gesichtspunkte  verdanken,  geht  wohl  mit  wünschens- 
werter Klarheit  hervor,  dass  das  Aneuysma  oder  die  Aneu- 
rysmen einer  Leberarterie,  die  ja  erst  durch  ihre  lebensgefähr- 
lichen Blutungen  zur  diagnostischen  Aufdeckung  gelangend  so- 
fortige heroische  Massnahmen  erheischen,  solchen  auch  mit  gutem 
Gewissen  unterworfen  werden  können,  und  unserer  Meinung  nach 
soll  man  sie,  soweit  es  die  räumlichen  Verhältnisse  irgend  er- 
lauben, zum  mindesten  immer  zentralwärts,  wenn  möglich  aber 
zentral-  und  peripherwärts  zugleich,  unterbinden.  Davon  dürfen 
uns  die  Doktrinen  der  Physiologen  nicht  abhalten,  denn  sie 
basieren  auf  Verhältnissen,  die  für  uns  nicht  massgebend  sind; 
sie  arbeiten  an  gesunden  Organismen,  wir  an  kranken,  sie  haben 
auf  einen  schnellen  kollateralen  Ausgleich  der  von  ihnen  gesetzten 
Störung  nicht  zu  rechnen,  während  für  unsere  Operation  ein 
solcher  dank  dem  nie  versagenden  biologischen  Gesetz  der  ar- 
teriellen Kollateralentwicklung  immer  schon  vorbereitet  sein 
muss  und  wird." 

Weiterhin  kommt  in  Betracht  eine  Arbeit  von  Ehrbar  dt 
(Archiv,  Bd.  68):  „Über  die  Folgen  der  Unterbindung  grosser 
Gefässstämme  in  der  Leber".-  Über  die  Unterbindung  der  Art. 
hepatica  am  Menschen  sagt  er  folgendes : 

„Die  Unterbindung  des  Hauptstamraes  der  Arteria  hepatica 
an  der  Leberpforte  führt  im  Experiment  zu  einer  Nekrose  der 
ganzen  Leber  und  damit  im  Verlauf  von  48  Stunden  zum  Tode. 
Man  muss  bei  diesem  Versuch  bedacht  sein,  die  Arterie  dicht 
bei  ihrem  Eintritt  ins  Lebergewebe  zu  unterbinden,  da  bei  der 
Katze  wie  beim  Menschen  die  Anastomosierung  der  Leberarterie 
mit  den  umliegenden  Arterien  eine  ziemlich  reichliche  ist  und 
durch  vikariierende  Versorgung  von  einer  Nachbararterie  aus 
gelegentlich  das  Versuchsresultat  gestört  werden  könnte.  In 
meinen  Versuchen  geschah  dies  niemals,  die  Unterbindung  war 
in  5  Fällen  von  der  Nekrose  gefolgt.  Das  Lebergewebe  hatte 
sich  in  eine  schlaffe,  bräunliche,  missfarbige,  bröcklig  zerfallende 
Masse  verwandelt,  die  mikroskopisch  die  Leberstruktur  ange- 
deutet zeigte,  ohne  dass  sich  die  Zellkerne  noch  färbten. 

Beim  Menschen  liegen  Erfahrungen  über  die  Unterbindung 
der  Arteria  hepatica  nicht  vor.  Es  sind  jedoch  einige  Beob- 
achtungen von  Embolie  der  Arterie  bekannt,  in  denen  der  Em- 
bolus das  Lumen   völlig  verschloss.     Solche  Embolien   gehören 


-     298     — 

zu  den  Seltenheiten,  da  die  eigentümliche,  beinahe  senkrechte 
Art  des  Abganges  der  Arteria  hepatica  aus  der  Aorta  den  Ein- 
tritt des  verschleppten  Gerinnsels  in  ihr  Lumen  nahezu  un- 
möglich macht.  Aber  die  Fälle  zeigten,  wie  meine  Unterbin- 
dungsversuche, eine  Nekrose  der  ganzen  Leber.  Ich  erinnere 
z,  B.  an  den  von  Chiari  beobachteten  Fall  von  Embolie  der 
Leberarterie  bei  einer  an  Endokarditis  leidenden  Patientin;  die 
Sektion  zeigte,  dass  die  Anastomosierung  mit  den  Arterien  an 
der  kleinen  Kurvatur  des  Magens  die  Nekrose  des  Organs  nicht 
hatte  aufhalten  können. 

Aus  diesen  Versuchen  und  anatomischen  Beobachtungen 
scheint  mir  hervorzugehen,  dass  die  Leberarterie  chirurgisch 
unangreifbar  ist. 

Dem  Vorschlage  Langenbuch's,  Kehr's  u.  a.,  beim 
Aneurj'^sma  der  Leberarterie  das  Gefäss  zu  unterbinden,  darf 
man  meines  Erachtens  nicht  Folge  leisten,  noch  mehr  aber  scheint 
die  präparatorische  Arterienunterbindung  als  Mittel  der  Blut- 
ersparnis verwerflich.  Einige  Autoren  haben  gemeint,  dass  die 
Arteriae  phrenicae  namentlich  beim  Aneurysma  vikariierend 
eintreten  können.  Widerstrebt  eine  solche  unbewusste  Zweck- 
mässigkeit, die  durch  keinerlei  mechanisches  Moment  erklärbar 
ist,  unserem  physiologischen  Denken,  so  zeigt  andrerseits  die 
anatomische  Untersuchung,  dass  die  Aste  der  Zwerchfellsarterien, 
die  in  die  Leber  eindringen,  minimal  sind.  Ich  habe  mich  an 
Injektionspräparaten  normaler  menschlicher  Lebern  vergeblich 
bemüht^  Anastomosen  zwischen  Arteriae  phrenicae  und  Ver- 
zweigungen der  Arteria  hepatica  nachzuweisen;  ich  habe  sie 
nie  mit  Sicherheit  konstatieren  können.  Wenn  sie  überhaupt 
existieren,  sind  sie  jedenfalls  so  minimal,  dass  sie  einen  Aus- 
gleich der  Ernährungsstörungen  infolge  Unterbindung  der  Leber- 
arterie nicht  bewirken  können.  Die  Arteria  hepatica  darf  nicht 
unterbunden  werden. 

In  einer  folgenden  Versuchsreihe  habe  ich  einzelne  Arterien- 
äste unterbunden.  Auch  hierbei  erwies  sich  die  Leber  der 
Katze  als  ausserordentlich  günstiges  Versuchsobjekt;  es  gelingt 
verhältnismässig  leicht,  die  zu  dem  linken  Lappen  führenden 
Arterienäste  isoliert  zu  unterbinden.  Auch  hierbei  ist  von  6 
Fällen  5  mal  Gangrän  des  betroffenen  Lappens  eingetreten;  die 
Gangrän  hatte  nach  wenigen  Tagen  den  Tod  des  Versuchstieres 
zur  Folge.    In  dem  6.  Falle  blieb  die  Gangrän  aus,    das  Tier 


—     299     — 

wurde  getötet.  Bei  der  Autopsie  konnte  ich  mich  nicht  mit 
Sicherheit  überzeugen,  ob  überhaupt  ein  Arterienast  unter- 
bunden war." 

Die  letzte  Arbeit  über  das  Aneurysma  der  Arterie  stammt 
von  A.  Hans  so  n.  Fleischhauer  referiert  über  dieselbe 
im  Jahresbericht  von  Hilde  brand  1897  folgendermassen: 

„Ein  14jähriger  Jüngling  erkrankte  im  Jahre  1894  an  Osteomyelitis 
tibiae  sin.  und  femoris  dextr.  Am  24.  September  Sequestrotomia  tibiae 
sin.  und  am  23.  November  dieselbe  Operation  am  rechten  Femur. 
Sequester  wurde  gefunden  und  entfernt.  Die  Heilung  wurde  durch 
eine  Erysipelas  gestört.  Erst  am  4.  März  1895  konnte  Patient  ent- 
lassen werden  mit  Fisteln  sowohl  an  Tibia  als  Femur.  Einen  Monat 
später  stellten  sich  Anfälle  von  blutigem  Erbrechen  ein.  Patient 
wurde  am  20.  Mai  wieder  ins  Krankenhaus  aufgenommen.  Er  ist  sehr 
abgemagert  und  anämisch;  das  Epigastrium  ist  etwas  empfindlich. 
Die  Abführung  ist  teerähnlich.  Unter  Annahme  eines  Ulcus  ventriculi 
wurde  eine  strenge  Behandlung  durchgeführt.  Nach  einiger  Besserung 
erfolgte  plötzlich  am  22.  Juni  schweres  Bluterbrechen ;  dasselbe  er- 
neuerte sich  am  19.  Juli,  am  20.  August  und  am  21.  September.  Ob- 
gleich die  Kräfte  zwischen  den  Anfällen  sich  wieder  gehoben  hatten, 
lief  doch  die  letzte  Hämatemesis  tödlich  ab. 

Die  Sektion  erwies  reichlich  Blut  im  Magen,  Duodenum,  Jejunum 
und  Ileum.  im  rechten  Leberlobus  ein  Aneurysma  von  der  Grösse 
eines  Hühnereies;  dasselbe  hatte  seinen  Ursprung  von  Ramus  dexter 
arteriae  hepaticae  und  hatte  den  Ductus  hepaticus  perforiert.  Auf  diesem 
Wege  war  das  Blut  in  die  Gallenblase  und  ins  Duodenum  eingedrungen. 

Verf.  gibt  eine  Übersicht  unserer  bisher  gewonnenen  Er- 
fahrungen von  Aneurysma  art.  hepat.  Er  hat  aus  der  Lite- 
ratur 22  Fälle  gesammelt.  Aetiologisch  hebt  Verf.  hervor,  dass 
in  relativ  zahlreichen  Fällen  suppurative  Prozesse  vorangegangen 
sind,  er  will  jedoch  keinen  Schluss  daraus  ziehen.  Die  Lage 
des  Aneurysmas  ist  entweder  intrahepatisch  oder  extrahepatisch  ; 
der  ersten  Kategorie  gehören  nur  5  Fälle  an.  Das  Aneurysma 
hat  seinen  Ausgang  teils  aus  einem  der  beiden  Hauptäste  der 
Arteria  hepatica.  Die  intrahepatischen  Aneurysmen  sind  kleiner 
als  die  extrahepatischen,  welche  die  Grösse  eines  Kindskopfes 
erreichen  können.  Das  intrahepatische  Aneurysma  perforiert 
gewöhnlich  in  den  Ductus  hepaticus,  das  extrahepatische  in 
verschiedenen  Richtungen,  meistens  in  die  Peritonealhöhle.  Die 
Symptome  sind  für  die  beiden  Arten  gemeinsam.  Die  wich- 
tigsten 'sind :  sehr  konstante  lokale  Schmerzen,  Blutungen,  teils 
in  die  Peritonealhöhle,  teils  in  den  Digestionskanal  (welch'  letztere 
besonders  charakteristich  sind,  da  sie  von  blutigem  Erbrechen 


—     300     — 

und  blutigen  Abführungen  gefolgt  werden),  Ikterus,  Schwellung 
der  Leber  und  der  Gallenblase. 

Die  Diagnose  ist  schwierig  und  in  keinem  Falle  bisher 
klinisch  gelungen.  Die  Kombination  der  oben  angeführten  Sym- 
ptome sollte  die  Aufmerksamkeit  des  Arztes  auf  die  Möglichkeit 
eines  Aneurysma  hepaticum  richten. 

Doch  sind  Verwechslungen  mit  Cholelithiasis  und  besonders 
Ulcus  duodeni  resp.  ventriculi  naheliegend. 

Die  Prognose  ist  sehr  schlecht.  Nur  2  mal  ist  eine  spontane 
Heilung  eingetreten,  alle  übrigen  Fälle  sind  meistens  durch 
Berstung  gestorben. 

Therapeutisch  wirksam  wäre  nur  ein  chirurgischer  Eingrifi 
mit  Unterbindung  der  Arteria  hepatica  oder  von  deren  Ästen.  Die 
Möglichkeit,  dass  die  Leber  diesen  Eingrifi  verträgt,  geht  aus 
Tierversuchen  und  dem  Vorkommen  zahlreicher  Anastomosen 
zwischen  Art.  hepatica  und  anderen  Arterien  hervor." 

Es  ist  von  Interesse  nachzuforschen,  welche  chirurgischen 
Eingrifi*e  bisher  bei  dem  Aneurysma  der  Art.  hepatica  zur  Aus- 
führung kamen.  In  dieser  Beziehung  habe  ich  gefunden,  dass 
nur  in  3  Fällen  beim  Aneurysma  der  Art.  hepatica  chirurgische 
Eingriff'e  versucht  wurden. 

Diese  drei  Fälle  stammen  aus  den  Jahren  1892  und  1893. 
Den  1.  Fall  hat  Riedel  operiert  (Sauerteig:  Inaug.-Diss., 
Jena  1893). 

Es  handelte  sich  um  einen  31  jähr.  Mann,  der  nach  einer  über- 
standenen  Lungenentzündung  plötzlich  an  heftigen  Schmerzen  im 
rechten  Hypochondrium  erkrankte.  Nach  8  Tagen  Ikterus.  3  Monate 
später,  Juni  1892,  zweiter  Schmerzanfall.  Aufnahme  in  die  Jenenser 
Klinik. 

Befund:  Starker  Ikterus,  Lebervergrösserung ;  Palpation  der 
Organe  schmerzhaft,  besonders  in  der  Gallenblasengegend,  wo  eine 
deutliche  Resistenz  fühlbar  ist. 

Diagnose:  Cholelithiasis.  18.  Juni:  Plötzlicher  Schmerz  im 
Abdomen,  Erbrechen  von  ca.  */<  Liter  reinen  Blutes  (Perforation  eines 
Gallensteines  mit  Verletzung  eines  Gefässes?).  20.  Juni:  Abermals 
Bluterbrechen.    23.  Juni :    Temperatur  bis  39,1  °  C.     Blut  im  Stuhl. 

Operation:  Incision  eines  wurstförmigen  Gebildes,  das  als  der 
Steine  enthaltende  Choledochus  imponiert,  hat  eine  heftige  arterielle 
Blutung  zur  Folge.  Tamponade.  Gallenblase  im  oberen  Wundwinkel 
angenäht.  Am  12.  und  13.  Juli  wieder  heftige  Darmblutungen.  Am 
14.  Juli  erneute  Operation.  Punktion  des  apfelgrossen  Tumors  er- 
gibt  reines    Blut  (Varix  der  Pfortader?).    Vernähung  der  Punktions- 


-     301     — 


Öffnung.      16.   Juli:  Exitus.    Sektion:    Am    rechten    Ast   ein    apfel- 
grosses  Aneurysma  mit  Perforation  in  den  Ductus  cysticus. 

Der  2.  Fall  ist  in  der  Breslaiier  Klinik  von  Mikulicz 
operiert  worden  (22.  III.  1898).  Ich  habe  ihn  bereits  bei  dem 
Eeferat  über  die  Mester'sche  Arbeit  erwähnt. 

Der  3.  Fall  ist  von  Niewerth  (Inaug.-Diss.  Kiel  1894) 
beschrieben ;  er  stammt  aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Kiel, 
der  Operateur  ist  nicht  genannt. 

19jähr.  Pat.  erkrankte  am  21,  9.  1893.  Unvollkommener  Ileus. 
Bald  darauf  Geschwulst  bemerkbar,  welche  nach  Lage  und  Gestalt  der 
prallgefüllten  Galleublase  entspricht.  Collaps.  Operation  am 
24.  9.  1893.  In  der  Bauchhöhle  Blut,  ebenso  in  der  ausgedehnten 
Gallenblase.  Starke  arterielle  Blutung  aus  der  Porta  hepatis,  Tam- 
ponade. Nach  2  Tagen  Exitus.  Sektion:  Grosses  Aneurysma  der 
Art.  hepatica  (Doppelsack).  Durchbruch  in  die  Gallenblase,  Ductus 
choledochus  und  Bauchhöhle.  Verlegung  des  Ductus  cysticus,  Ectasie 
der  Gallenblase.  Verwachsung  des  Aneurysma  mit  Leber,  Duo- 
denum, Gallenblase. 

In  keinem  dieser  Fälle  wurde  weder  vor,  noch  während  der 
Operation  die  richtige  Diagnose  gestellt;  sämtliche  Eingriffe  konn- 
ten nichts  nützen,    weil  bei 
keinem  derjenige  Eingriff,  wel- 
cher wirklich  helfen  konnte 

—  nämlich  die  Unterbindung 
der  Arteria  hepatica  propria 

—  zur  Anwendung  kam. 
Eine     Beseitigung     der 

Gefahren,  in  welchen  der 
Trägereines  Aneurysma  fort- 
während schwebt,  ist  ledig- 
lich durch  Unterbindung  der 
Arteria  hepatica  propria  resp. 
des  linken  oder  rechten  Astes 
möflich. 

Die  Technik  der  Ope- 
ration habe  ich  zum  Teil  in 

der  Krankengeschichte  bereits  beschrieben,    doch  will  ich  zum 
8chluss  über  dieselbe  noch  einige  Bemerkungen  hinzufügen. 

Die  Operation  wird  wesentlich  erleichtert  durch  einen  aus- 
giebigen* Bauchwandschnitt.  Ich  empfehle  den  von  mir  geübten 
Wellenschnitt.  Er  muss  recht  weit  oben  am  Processus  xiphoideus 
und  noch  darüber  hinaus   anfangen,   damit   die  Freilegung  des 


Schema  für  ein  Aneurysma  der  art. 
hepatica  dextra. 

1.  Arteria  hepatica  propria. 

2.  Ramus  hepaticus  dexter  (mit  Aneurysma). 

3.  Raraus  hepaticus  sinister 

4.  Art.  cystica. 

5.  Art.  gastro-duodenalis. 

6.  Unterbindungsstelle  der  Art.  hep.  propria. 


—     302     — 

Ligamentum  hepato  -  duodenale  recht  ausgiebig  vorgenommen 
werden  kann.  Wie  bei  allen  Gallensteinoperationen  erfolgt  dann 
eine  genaue  Inspektion  und  Palpation  der  Gallenblase,  des 
Cysticus  und  Choledochus.  Etwaige  Adhäsionen  werden  gelöst. 
Das  Aneurysma  stellt  einen  Tumor  dar  von  verschiedener  Grösse 
(Ei-  bis  Kindskopfgrösse)  und  liegt  gewöhnlich  so  tief,  dass  ge- 
rade die  Fingerspitzen  der  in  die  Bauchhöhle  geführten  Hand 
die  Geschwulst  erreichen,  Ist  die  Gallenblase  prall  gefüllt,  so 
empfiehlt  sich  eine  Aspiration  ihres  Inhaltes,  damit  man  leichter 
in  die  Tiefe  vordringen  kann.  Aus  der  blutigen  Beschaffenheit 
der  aspirierten  Flüssigkeit  wird  man  wie  in  meinem  Fall  die 
Vermutung  aussprechen  können,  dass  der  Tumor,  den  man  in 
der  Gegend  des  Cysticus  resp.  am  Lig.  hepato-duodenale  fühlt, 
ein  Aneurysma  der  Arteria  hepatica  sei. 

Man  wird  nunmehr  nach  völliger  Trockenlegung  der  Gallen- 
blase mit  sterilen  Gazestreifen  den  Aneurysmasack  dem  Auge 
zugänglich  machen  und  punktieren.  Die  Punktion  wird  negativ 
ausfallen,  wenn,  wie  in  meinem  Fall,  viele  und  feste  Gerinnsel 
den  Sack  ausfüllen.  Ergab  die  Punktion  flüssiges  Blut,  so  ist 
die  Diagnose  gesichert.  Im  anderen  Fall  inzidiere  man  den 
Sack,  und  erfolgt  dann  eine  heftige  Blutung,  so  tamponiert  man 
ihn  fest  mit  steriler  Gaze  aus.  Zu  gleicher  Zeit  wird  man  rasch 
den  Zeigefinger  der  linken  Hand  in  das  Foramen  Winslowii 
einführen  und  auf  denselben  das  Lig.  hepato-duodenale  samt 
Choledochus,  Vena  portarum  und  Arteria  hepatica  aufladen.  Ober- 
halb des  Ligamentum  schimmert  die  Spitze  des  Zeigefingers 
durch  das  dünne  Peritonealblatt  hindurch  und  man  kann  so 
eine  sichere  Absperrung  der  Blutgefässe  erzielen.  Es  ist  un- 
umgänglich notwendig,  den  Ductus  choledochus  von  der  Vena 
portarum  resp.  der  Arteria  hepatica  genau  zu  isolieren.  Ich  habe 
bei  meinen  weiteren  Gallensteinoperationen,  die  ich  seit  dieser 
Operation  ausgeführt  habe,  mich  überzeugen  können,  dass  ^ie 
Unterbindung  der  Arteria  hepatica  propria  peripher  von  der 
Arteria  gastro-duodenalis  gar  keine  besonderen  Schwierigkeiten 
bereitet.  Jedenfalls  ging  das  in  meinem  Fall  viel  besser,  als 
ich  dachte:  einige  oberflächliche  Venen  im  Lig.  hepato-duodenale 
wurden  unterbunden,  und  dann  lag  die  Arteria  hepatica  auf  eine 
Länge  von  2  cm.  isoliert  deutlich  vor  mir.  Ich  fühlte  sie  pul- 
sieren und  legte  um  sie  die  Ligatur.  Ehe  ich  dieselbe  zuschnürte, 
entfernte  ich  die  tamponierende  Gaze  aus  dem  Aneurysmasack^ 


—     303     — 

worauf    in    einem    fingerdiciie    Strahl   ein    mächtiger    Spritzer 
erfolgte.     Ich  zog  die  Schlinge  zu,  die  Blutung  stand. 

Ist  es  möglich,  die  Arteria  hepatica  propria  so  zu  isolieren, 
dass  man  die  Teilungsstelle  des  rechten  und  linken  Astes  genau 
übersehen  kann,  und  beschränkt  sich  das  Aneurysma  nur  auf 
einen  Ast,  so  würde  natürlich  die  Unterbindung  des  betreffenden 
Arterienastes  genügen.  Bei  den  intrahepatisch  sich  entwickeln- 
den Aneurysmen  wäre  diese  Operation  gewiss  möglich,  und  man 
könnte  hierdurch  die  Ernährung  wenigstens  eines  Leberlappens 
völlig  sichern.  Ich  glaube  aber,  dass  meistenteis  nur  die  Unter- 
bindung des  Hauptstammes  durchführbar  sein  wird. 

Was  sollen  wir  mit  der  Gallenblase  anfangen?  Ob  man  die- 
selbe entfernt  oder  erhält,  hängt  ausser  von  der  Beschaffenheit 
der  Gallenblase  (Entzündung,  Steine)  wesentlich  davon  ab,  ob 
das  Aneurysma  in  das  Hohlorgan  perforiert  ist  oder  nicht.  Im 
ersteren  Falle  dürfte  die  Ectomie  am  Platze  sein.  Jedenfalls  ist 
die  Gallenblase  bei  der  Operation  recht  im  Wege.  Mag  sie  auch 
nicht  ganz  unnütz  sein,  so  haben  die  vielfachen  Ectomien  doch 
ergeben,  dass  ein  wesentlicher  Schaden  den  Kranken  ohne  Gallen- 
blase bisher  nicht  entstanden  ist.  Erhält  man  die  Gallenblase, 
während  zwischen  Aneurysmasack  und  Gallenblase  resp.  Cysticus 
eine  Perforation  besteht,  so  ist  eine  Infektion  der  Gallenblase 
und  des  Aneurysmasackes  nicht  unmöglich.  Durch  eine  Fistel- 
bildung an  der  Gallenblase  (Cystostomie)  kann  dieselbe  einer- 
seits zwar  beseitigt,  andrerseits  sogar  aber  erst  angeregt  werden. 
Ich  rate  also,  wenn  möglich,  zur  Ectomie. 

Ich  habe  diese  Operation  in  meinem  Falle  sofort  vorge- 
nommen, ehe  ich  den  Aneurysmasack  spaltete,  da  ich  nach  gründ- 
licher Palpation  und  Aspiration  des  blutigen  Gallenblaseninhaltes 
mir  klar  war,  dass  in  der  Tat  ein  Aneurysma  vorliegen  würde. 
Sichergestellt  wurde  die  Diagnose,  nachdem  ich  eine  Cysticotomie 
ausgeführt  und  von  dem  Cysticusschnitt  aus  mit  der  Kornzange 
durch  die  Perforationsstelle  in  den  Aneurysmasack  vorgedrungen 
war.  Die  Blutgerinnsel,  die  ich  dabei  herauszog,  und  der  Blut- 
strahl, der  mir  entgegenquoll,  Hessen  nunmehr  an  dem  w^ahren 
Tatbest^jnd  keinen  Zweifel  mehr  aufkommen. 

Selten  dürfte  es  gelingen,  zu  entscheiden,  ob  das  Aneurysma 
dem  linken  oder  rechten  Ast  der  Hepatica  oder  der  Arteria 
cystica   angehört.    .  Es    ist    diese  Entscheidung   auch    ziemlich 


~     304     — 

gleichgültig,  da  es  stets  das  beste  sein  wird,  den  Hauptstamm 
der  Arteria  hepatica  propria  zu  unterbinden. 

Ich  habe,  Langenbuch  folgend,  in  dem  Handbuch  der 
praktischen  Chirurgie  beim  Aneurysma  der  Arteria  hepatica  die 
zentrale  und  periphere  Ligatur  der  Arteria  hepatica  mit  Ent- 
fernung des  Aneurysmasackes  empfohlen,  glaube  aber,  dass  die 
einfaclie  Unterbindung  der  Arteria  hep.  propria  genügt,  und  dass 
es  in  den  meisten  Fällen  wegen  der  vielen  Verwachsungen,  welche 
das  Aneurysma  mit  der  Nachbarschaft  (Leber,  Vena  portarum, 
Ductus  choledochus)  eingeht,  unmöglich  sein  wird,  die  Total- 
excision  hinzuzufügen.  Sie  ist  in  der  Tat  auch  überflüssig,  aber 
man  wird  nicht  umhin  können,  zu  der  Ligatur  die  Ausräumung- 
des  Aneurysma  mit  nachfolgender  Tamponade  mittels  steriler 
Gaze  hinzuzufügen.  Da  diese  Tamponade  eine  sehr  umfangreiche 
sein  muss,  vermeide  ich  die  Jodoforragaze,  die  ich  bei  Lapa- 
rotomien grundsätzlich  seit  Jahren  nicht  mehr  anwende.  Man 
kommt  mit  steriler  Gaze,  die  ich  12 — 20  Tage  unbeschadet  dem 
günstigsten  Wundverlaufe  liegen  lasse,  völlig  aus.  Ich  habe 
eine  Zeit  lang  C rede' sehe  Silbergaze  angewandt,  finde  aber 
der  sterilen  Gaze  gegenüber  nicht  die  geringsten  Vorteile. 

In  meinem  Falle  habe  ich  nach  Excision  der  Gallenblase  den 
Cysticus  bis  in  den  Choledochus  hinein  gespalten.  Durch  Ein- 
führung eines  dicken  Katheters  in  den  Choledochus  bekam  ich 
so  eine  bessere  Übersicht  über  die  im  Lig.  hepato-duodenale  ver- 
laufenden Gebilde.  Ich  habe  die  Choledochusincision  offen  ge- 
lassen, um  einen  freien  Abfluss  der  Galle  zu  erzielen,  und  konnte 
dadurch  während  des  Verlaufs  nach  der  Operation  mich  über- 
zeugen, dass  die  Leberzellen  in  ihren  Funktionen  nicht  gestört 
wurden.  Es  floss  reichlich  Galle  ab,  und  dank  der  ausgiebigen 
Taraponade  erwuchs  der  Peritonealhöhle  durch  die  ausfliessende 
Galle  nicht  der  geringste  Schaden. 

Ich  hatte  nach  dem  Befund,  den  ich  sofort  nach  Eröffnung;: 
des  Abdomens  und  Feststellung  des  Aneurysma  erhob,  natürlich 
die  Überzeugung  gewonnen,  dass  der  Patient  ohne  energischen 
Eingriff  unter  allen  Umständen  verloren  war.  Trotz  der  Ein- 
wendungen Ehrhardt's,  welche  gewiss  auf  vortrefflichen  Ex- 
perimenten beruhen,  unterband  ich  die  Arterie  und  habe  dadurch 
gezeigt,  dass,  so  wertvoll  und  nötig  das  Tierexperiment  auch 
sein  mag,  man  am  kranken  Organismus  ganz  anderen  Verhält- 
nissen gegenübersteht  als  am  gesunden.    Ich  habe  die  Operation 


—     805     — 

gemacht,  ohne  sie  vorher  an  der  Leiche  geübt  zu  haben,  und 
es  war  mir  etwas  schwül  zu  Mute,  als  die  Ligatur  die  leber- 
ernährende Arterie  versperrte. 

Die  ersten  48  Stunden  habe  ich  fast  jede  Stunde  nach  dem 
Patienten  gesehen,  um  die  Anzeichen  der  drohenden  Nekrose  der 
Leber  zu  überwachen.  Aber  nichts  zeigte  sich,  was  auf  eine 
schwere  Leberveränderung  hindeutete.  Der  Verlauf  war  so  wie 
nach  einer  Ectomie.  Blut  zeigte  sich  überhaupt  nicht  im  Ver- 
band. Hätte  die  Ligatur  die  Arteria  hepatica  nicht  richtig  ge- 
fasst,  so  hätte  Patient  keine  2  Stunden  nach  der  Operation  ge- 
lebt, denn  die  Tamponade  des  Aneurysmasackes  hätte  nicht  ge- 
nügt, es  müsste  denn  die  Arterie  peripher  embolisch  verstopft 
gewesen  sein.  Das  war  aber  nicht  der  Fall,  wie  ich  bei  der 
Operation  selbst  genau  feststellen  konnte. 

Der  beschriebene  Fall  soll  den  Praktiker  mahnen,  bei  einem 
Krankheitsbild,  dessen  Symptome  sich  aus  Magen-  resp.  Darm- 
blutungen, Koliken  und  Ikterus  zusammensetzen,  an  die  Mög- 
lichkeit eines  Aneurysmas  der  Art.  hepatica  zu  denken,  und  der 
Chirurg,  den  dann  der  innere  Kollege  zu  Hilfe  rufen  wird,  soll 
aus  meiner  Veröffentlichung  den  Mut  schöpfen,  in  solchen  Fällen 
mit  dem  Messer  bis  zur  Leberpforte  vorzudringen  und  an  die 
Art.  hepatica  die  Seidenschlinge  anzulegen,  die  den  Kranken 
vor  dem  drohenden  Untergang  bewahren  soll.  Nachträglich  be- 
merke ich  noch,  dass  Habs  einen  Fall  von  Aneurysma  der  Art. 
hepatica  beobachtete,  aber  nur  die  Gallenblase  exstirpierte. 
Schade,  dass  er  nicht  auch  die  Arterie  unterband.  An  seiner  Stelle 
hätte  ich  das  getan,  die  Gallenblase  aber  dem  Pat.  gelassen.  Die 
Folgerungen,  die  Grün  er  t  (Deutsche  Zeitschr.  für  Chir.  Band  71, 
p.  158)  aus  der  Beobachtung  zieht,  kann  ich  nicht  gut  heissen. 
Sein  Vorschlag,  zweizeitig  zu  operieren  —  erst  Verwachsungen, 
zu  erzeugen,  um  CoUateralen  herzustellen  —  ist  nicht  übel ;  aber 
wenn  die  Natur  nicht  schon  vorher  Anastomosen  gemacht  hat, 
wird  der  Chirurg  schwerlich  so  viele  CoUateralen  herstellen, 
dass  einer  Nekrose  der  Leber  vorgebeugt  wird.  Ich  habe  leb- 
haft bedauert,  dass  auch  in  dem  Habs 'sehen  Fall  die  Unter- 
bindung der  Arterie  unterblieb. 

8.  Die  Behandlung   der  circumscripten  und  diffusen 
Eiterungen  in  der  Bauchhöhle  bei  Cholelithiasis. 

Wir  haben  bei  der  kurzen  Besprechung  der  pathologischen 
Anatomie    der    Cholelithiasis    auf   die  Möglichkeit  perforativer 

Kehr,  Technik  der  üalloasteinoperationen.I.  20 


—     306     — 

Prozesse  der  steinhaltigen  Gallenblase  hingewiesen.  Jüngst  hat 
Neck*)  die  Fälle  zusammengestellt,  bei  denen  die  Perforation 
in  die  freie  Bauchhöhle  erfolgte  und  eine  Operation  gemacht 
wurde.  Es  waren  11  Fälle,  Thiel  (Zentralblatt  für  Chirurgie 
1904,  Nr.  10)  hat  die  Casuistik  um  einen  Fall  vermehrt. 
Die  Fälle  sind  operiert  von  Schön born,  Küster,  Jenner- 
Verral,  Ullmann,  Hochenegg,  König  jun.,  v.  Arx  u.  a. 

Ich  kann  hier  nicht  weiter  auf  die  Pathologie  und  Sympto- 
matologie dieser  Perforationen  eingehen  und  verweise  auf  die 
Arbeit  von  Neck. 

Nur  soviel  will  ich  bemerken,  dass  die  Perforations- 
peritonitis,  die  sich  nach  Durchbrüchen  der  Gallenblase 
im  Bauchraum  entwickelt,  sehr  verschieden  verlaufen  kann, 
je  nachdem  der  austretende  Gallenblaseninhalt  wenige  oder  viele 
Infektionskeime  enthält.  Im  allgemeinen  sind  die  Gallenblasen- 
perforationen in  ihrem  Verlauf  milder,  wie  die  Perforationen  des 
Magens  und  Darmes.  Die  Peritonitis,  die  auftritt,  ist  entweder 
eine  diffuse  oder  eine  circumscripte.  Bei  der  ersteren  ist.  so- 
fortige Operation  indiciert,  da  beim  Warten  die  Entzündung  sich 
ausbreitet  und  das  Leben  im  höchsten  Masse  bedroht.  Bei  der 
circumscripten  ist  es  besser  zu  warten,  bis  Abkapselung  gegen 
die  übrige  Bauchhöhle  stattgefunden  hat.  Nun  ist  es  aber  sehr 
schwer,  diese  beiden  Formen  der  Peritonitis  zu  unterscheiden, 
und  deshalb  ist  ein  aktives  Eingreifen  mehr  am  Platze  wie  das 
lange  Besinnen.  Doch  wird  nur  ein  sehr  erfahrener  Chirurg 
hier  das  Richtige  treffen.  Puls,  Temperatur,  Allgemeinbefinden 
geben  den  Ausschlag,  ob  man  exspektativ  verfährt  oder  sofort 
eingreift. 

Ob  man  die  perforierte  Gallenblase  exstirpiert  oder  ob  man 
sich  mit  einer  Fistelbildung  begnügt,  das  richtet  sich  nach  dem 
Zustand  des  Pat.  und  der  Gallenblase;  man  muss  also  von  Fall 
zu  Fall  entscheiden.  Das  Loch  in  der  Gallenblase  zu  vernähen 
und  das  Organ  zu  versenken,  wie  es  Küster  und  Verral 
machten,  ist  falsch.  Das  schonendste  Verfahren  ist  die  einfache 
Versorgung  der  Gallenblase  mit  einem  Bohr  und  zirkulärer  aus- 
giebiger Tamponade.  Die  Entfernung  des  Steins  im  Cysticus 
muss  event.  in  einem  zweiten  Akt  erfolgen. 

Der  abgekapselte  Abszess  in  der  Bauchhöhle  und  die  diffuse 
Eiterung  sind  durch  Ausspülungen  mit  physiol.  Kochsalzlösung, 

*)  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  Band  71.  p.  334. 


—     307     — 

Trockenlegung-  und  ausgiebige  Tamponade  zu  behandeln. 
König  jun.  hat  in  einem  solchen  Fall  die  Bauchhöhle  völlig 
geschlossen,  nach  meiner  Meinung  kein  empfehlenswertes  Ver- 
fahren. Ich  bin  dafür,  dass  man  den  Sekreten  freien  Abfluss 
verschafft  und  sich  nicht  zu  sehr  auf  die  Resorptionskraft  des 
Peritoneums  verlässt.  Doch  das  sind  Fragen,  die  noch  nicht 
befriedigend  gelöst  sind.  —  Man  müsste  die  ganze  Geschichte 
der  Therapie  der  eitrigen  Peritonitis  hier  niederschreiben,  wenn 
man  all'  die  in  Frage  kommenden  Massnahmen  ausführlich  er- 
<)rtern  wollte.  Das  würde  mich  aber  in  diesem  Buche  zu  weit 
führen.  Einige  Krankengeschichten  im  IL  Teil  mögen  die  bei 
Peritonitis  nötigen  Eingriffe  erläutern.  (Nr.  173  bis  Nr.  177.) 

Die  Technik  der  Hepatopexie,  der  Leberresektion,  der  Er- 
■öffnung  subphrenischer  Abszesse,  des  Leberabszesses  ausführlich 
zu  beschreiben,  würde  zu  viel  Raum  in  Anspruch  nehmen  und 
passt  nicht  in  den  Rahmen  dieser  Arbeit.  Die  Hepatopexie 
bei  Hepatoptose  hat  Depage  (Brüssel)  auf  dem  diesjährigen 
Chirurgenkongress  ausführlich  beschrieben ;  ob  durch  seine 
Methode  eine  bessere  Fixation  der  Leber  erreicht  und  einem 
Recidiv  vorgebeugt  wird,  muss  die  Zukunft  lehren.  Bei  der 
Hepatopexie,  wie  ich  sie  nach  der  Ectomie  etc.  übe,  hefte  ich 
einfach  die  Leber  mit  2—3  mittelstarken  Seidenfäden,  unter  die 
ich  vor  der  Knotung  Draht  lege,  an  das  Peritoneum  parietale. 
Ich  verfolge  dabei  weniger  den  Zweck ,  die  Leber  zu  fixieren 
«nd  ein  Heruntersteigen  zu  verhindern,  will  mir  vielmehr  die 
Tamponade  des  Leberbetts  erleichtern  und  den  subphrenischen 
Raum  abschliessen,  um  dort  eintretenden  Entzündungen  vorzu- 
beugen. Bei  sehr  umfangreicher  Tamponade  nach  Ectomie  ver- 
zichte ich,  wenn  die  Tampons  die  Leber  gehörig  hochdrängen, 
auf  eine  Hepatopexie.    (Nr.  63.) 

Ebenso  versage  ich  es  mir,  über  den  Oallensteiiiileus  und 
seine  Behandlung  mich  eingehender  zu  äussern,  will  nur  bemerken, 
dass  es  recht  schwer  ist,  in  solchen  Fällen  den  richtigen  Zeitpunkt 
der  Operation  herauszufinden.  Mir  sind  3  Fälle  von  Gallenstein- 
ileus  zwecks  Operation  zugesandt,  in  allen  kam  ich  mit  der  Opera- 
tion zu  spät.  Interessant  war  der  Befund  in  dem  letzten  Fall. 
Ich  fand  den  grossen  Stein  dicht  am  Coecum  im  Ileum,  schnitt 
ihn  heraus,  nähte  den  Längsschnitt  quer  und  freute  mich,  als 
Tage  lang  alles  gut  ging.  Da  trat  plötzlich  Perforationsperi- 
tonitis   ein.      Ich    glaubte  natürlich,   die   Naht   sei  insuffizient 

20* 


—     308     — 

geworden.  Aber  diese  war  heil,  doch  fand  man  ca.  20  cn> 
oberhalb  der  Naht  die  Perforation,  die  durch  ein  Ulcus  be- 
dingt war.  Hier  hatte  der  Stein  längere  Zeit  gelegen  und 
eine  Druckusur  gemacht.  Da  der  Gallensteinileus  nicht  selten 
spontan  zurückgeht,  entschliessen  sich  Patient  und  Arzt  schwer 
zur  Operation  —  sehr  menschlich.  Es  wäre  besser,  er  heilte  nie 
spontan,  dann  würde  man  sofort  operieren  und  gute  Resultate 
haben,  denn  die  Operation  ist  leicht  und  bringt  im  Anfang  sehr 
geringe   Gefahren. 

9.    Die    sekundären    Operationen    am   Gallensystem 
(besonders  wegen  Schleim-  und  Gallenfisteln). 

Wir  haben  bisher  besonders  die  primären  Operationen  im 
Auge  gehabt;  es  kommt  aber  nicht  selten  vor,  dass  mit  einer 
Operation  der  Patient  nicht  geheilt  wird,  sondern  mehrfache  Ein- 
griflte  sich  notwendig  erweisen.  Besonders  nach  Cystostomien 
ist  das  der  Fall,  wenn  komplete  Gallenfisteln  oder  Schlei mfistelrv 
zurückbleiben.  Mit  den  sekundären  Operationen  wollen  wir 
uns  in  diesem  Abschnitt  des  speziellen  Teils  der  Gallenstein- 
operation beschäftigen.  — 

In  einem  früheren  Abschnitt  habe  ich  erwähnt,  dass  die 
akute  serös-eitrige  Cholecystitis  grosse  Neigung  zeigt,  auf  die 
Serosa  der  Gallenblase  überzugreifen,  zur  Pericholecystitis  zu 
werden.  Die  Gallenblase  geht  dann  Verwachsungen  ein  mit 
dem  Netz,  Duodenum,  Magen,  Darm  und  nicht  selten  mit  der 
Bauchwand.  Es  kann  sich  dann  ereignen,  dass  in  dem  Bereiche 
der  Verwachsungen  die  Gallenblase  perforiert  und  der  Eiter  in 
die  Bauchwand  durchbricht.  Es  entsteht  dann  ein  Bauchwand- 
abszess,  der,  wie  jeder  Abszess,  gespalten  werden  muss. 

Das  Ziel  eines  jeden  Chirurgen  ist  bei  einer  solchen  Spal- 
tung der  Ursache,  dem  Ausgang  der  Eiterung  nachzugehen. 
Die  Ursache  der  in  Frage  kommenden  Bauchwandabszesse  ist 
die  Cholecystitis,  resp.  der  Stein  im  Hals  der  Gallenblase.  Es 
entsteht  die  Frage,  ob  man  in  solchen  Fällen  bis  zum  Hals  vor- 
dringen und  den  verlegten  Cysticus  wieder  frei  machen  soll^ 
oder  ob  man  sich  mit  der  einfachen  Spaltung  des  Bauchwand- 
abszesses begnügen  soll. 

Ich  rate  zu  dem  letzteren  Vorgehen  und  verwerfe  bei  der 
primären  Operation  alle  grossen  Eingriffe,  die  darauf  hinaus- 
gehen, das  Hindernis  am  Gallenblasenhals  resp.  am  Cysticus  zu 
beseitigen.     (Nr.  83.) 


—     309     — 

Man  muss  sich  klar  sein,  was  man  mit  der  Operation  be- 
zweckt. Nach  meiner  Ansicht  kann  sie  bloss  darauf  hinaus- 
gehen, dem  Eiter  den  geradesten  Weg  nach  aussen  zu  bahnen 
und  einer  weiteren  Infektion  vorzubeugen.  Die  Steinentfernung, 
spielt  dabei  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle.  Zwar  ist  es 
sehr  angenehm,  wenn  man  sofort  den  Stein  im  Hals  der  Gallen- 
blase entfernen  kann,  hat  man  aber  den  Bauchwandabszess  breit 
gespalten,  so  genügt  das  völlig.  Es  ist  deshalb  eine  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  zu  vermeiden ,  wenn  nicht  die  Freilegung  er- 
gibt, dass  neben  dem  Bauchwandabzess  auch  noch  intraperi- 
toneale Abszesse  vorliegen. 

Als  Typus  eines  Falls  von  Bauchwandabszess  verweise  ich 
auf  Nr.  83  des  II.  Teils. 

Die  Incision  solcher  mit  der  Bauchwand  verwachsenen 
Gallenblasen  hat  also  in  erster  Linie  die  Bekämpfung  der  In- 
fektion zum  Zweck.  Das  endgültige  Resultat  der  Incision  wird 
entweder  eine  Grallenfistel  sein,  die  sich  spontan  schliesst,  oder 
eine  Gallenfistel,  die  profus  wird  und  beseitigt  werden  muss, 
oder  drittens  eine  Schleiniflstel. 

Wir  kommen  hiermit  auf  die  Entstehung  der  Schleim-  und 
Gallenfisteln  zu  sprechen. 

Die  genaue  Kenntnis  der  Ursachen  dieser  Fisteln  ist  das 
beste  Mittel  zu  ihrer  Verhütung. 

Beginnen  wir  mit  den  Schleimflsteln.  Wenn  aus  einer 
Gallenblasenfistel,  gleichgültig  ob  die  Natur  durch  Perforation 
der  entzündeten  Gallenblase  in  die  Bauchdecken  und  nach  aussen 
oder  der  Arzt  durch  eine  Cystostomie  dieselbe  angelegt  hat,* 
Schleim  oder  Eiter  abfliesst,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  der 
Ductus  cysticus  unwegsam  ist. 

Dieser  Verschluss  kann  durch  verschiedene  Ursachen  be- 
dingt sein: 

1.  Die  Schleimhaut  kann  entzündlich  verschwollen  sein. 

2.  Der  Gang  kann  obliteriert  sein. 

3.  Es  kann  ein  Stein  vorliegen. 

4.  Es  kann  ein  Tumor  den  Gang  verschliessen  (Carcinom, 
Drüsenschwellung  am  Cysticus). 

5.  Es  können  Verwachsungen  den  Cysticus  abknicken. 
Ad.  1.  Auch  ohne  dass  ein  Stein  im  Cysticus  steckt,  kann 

die  Schleimhaut  des  Cysticus  resp.  des  Halses  der  Gallenblase  so 
versch wellen,  dass  keine  Galle   durchtritt.     Hat  man  z.  B.  bei 


—     310     — 

einem  Empyem  der  Gallenblase  eine  Cystostomie  gemacht  und 
den  obturierenden  Stein  im  Hals  der  Gallenblase  entfernt,  so 
dauert  es  gewöhnlich  3 — 5  Tage  (Xr.  20),  ehe  Galle  läuft,  weil 
eben  die  Schleimhaut  erst  allmählich  abschwillt.  Besonders  wenn 
geschwürige  Prozesse  am  Ausgang  der  Gallenblase  vorliegen, 
kann  die  Verschwellung  wochenlang  anhalten,  und  erst  dann 
fliesst  Galle;  wenn  wir  schon  anfingen,  an  dem  Eintritt  dieses 
so  lange  ersehnten  Ereignisses  zu  zweifeln.  Es  ist  meistenteils 
unnötig,  bei  den  einfachen  Verschwellungen  des  Ductus  cysticus 
eine  Behandlung  einzuleiten,  da  die  Entzündung  spontan  zurück- 
geht. Will  man  aber  etwas  tun,  so  kommen  Ausspülungen  der 
Gallenblase  mit  physiologischer  Kochsalzlösungund  2®/o  Borsäure- 
lösung in  Betracht. 

Ad.  2.  Die  Obliteration  und  Striktur  des  Ductus  cysticus 
beruht  darauf,  dass  ein  Geschwür,  welches  hier  oder  im  Hals 
der  Gallenblase  durch  Einwirkung  eines  Steines  entstanden  war, 
vernarbte.  War  es  ringförmig,  so  kann  eine  völlige  Obliteration 
zustande  kommen. 

Schleimfisteln,  durch  Obliteration  des  Ductus  cysticus  be- 
dingt, können  nur  dann  zur  Ausheilung  kommen,  wenn  die 
Schleimhaut  der  Gallenblase  funktionsunfähig  wird,  d.  h.  auch 
obliteriert.  Einspritzungen  von  ätzenden  Substanzen,  welche 
dieses  Ziel  verfolgen,  sind  nicht  nur  schmerzhaft,  sondern  auch 
gefährlich;  die  Paquelinisierung  der  Schleimhaut  dürfte  niemals 
völlig  gelingen.  So  bleibt  nur  übrig  die  Totalexcision  der 
Gallenblase  bis  an  die  obliterierte  Stelle  heran.  Die  Meinung 
Riedel's,  dass  bei  Obliteration  des  Cysticus  auch  die  Gallen- 
blase Tendenz  zur  Obliteration  zeigt,  kann  ich  nicht  teilen;  es 
kann  sich  im  Hals  einer  geräumigen  Gallenblase  ein  Geschwür 
ausgebildet  haben,  und  während  der  Hals  zirkulär  vernarbt,  kann 
noch  genug  Gallenblasenschleimhaut  zurückbleiben,  die  in  grossen 
Mengen  Schleim  absondert.  Wir  haben  dabei  also  denselben 
Vorgang  vor  uns,  den  Zielewicz  durch  seine  Operationsmethode, 
die  glücklicherweise  keine  Nachahmer  fand,  erzeugte.  Zielewicz 
unterband  den  Ductus  cysticus,  obliterierte  ihn  also  und  legte 
eine  Gallenblasenfistel  an.  Man  stellt  auf  diese  Weise,  wenn 
die  äussere  Fistel  zum  Verschluss  kommt,  einen  Hydrops  her, 
der  steril  bleiben,  aber  ebenso  gut  infiziert  werden  kann. 
Beide  Zustände  können  nicht  den  Anspruch  erheben  für  eine 
völlige  Heilung. 


—     811     — 


Pig.  75. 


Stein  im 
Diictus 
cysticuB 


Ad.  3.  Die  häufigste  Ursache  der  Schleimfistel  gibt  aber  der 
Stein  im  Ductus  cysticus  resp.  im  Hals  der  Gallenblase  ab. 

Gründliche  Primäroperationen,  die  mit  Cystostomie  kom- 
binierte Cysticotomie,  ev.  die  Ectomie  lassen  am  besten  solche 
Schleimfisteln  verhüten. 

Der  Cysticusstein  soll,  wenn  irgend  möglich,  gleich  primär 
entfernt  werden,  wenn  nicht  ganz  besondere  Kontraindikationen 
(schlechte  Narkose,  grosse  Schwäche  des  Kranken,  schwere  In- 
fektion des  Operationsterrains)  vorliegen.  Hat  man  die  Ent- 
fernung des  Steines  aber  nicht  vornehmen  können,  so  soll  man 
ihn  während  der  Nach- 
behandlung zu  entfer- 
nen   suchen.      Es    ist 

keineswegs  gesagt, 
dass  eine  von  aussen 
her  in  die  Gallenblase 
eingeführte  Sonde  den 
Stein  im  Ductus  cysti- 
cus immer  fühlen  muss. 
Sogar  Steine  im  Hals 
der  Gallenblase  ent- 
ziehen sich  oft  der 
Sondierung.  Folgende 
schematische  Zeich- 
nung (Fig.  75)  möge 
das  Gesagte  illustrie- 
ren. Der  Stein  liegt 
gewöhnlich  von  der 
Schleimhaut  so  bedeckt  und  so  versteckt,  dass  die  Sonde  ihn  gar 
nicht  berühren  kann.  Das  Instrument  fängt  sich  in  den  Falten 
des  Halses  der  Gallenblase,  und  selten,  sehr  selten  kann  man  den 
obturierenden  Stein  durch  Sondierung  feststellen.  Ich  betone 
das,  weil  ich  oft  erfahren  habe,  dass  andere  Chirurgen  wegen 
des  negativen  Ausfalles  der  Sondierung  das  Vorhandensein  des 
Cysticussteines  in  Abrede  stellten. 

Manchmal  gelingt  der  Nachweis  des  Steines,  wenn  man 
die  äussere  Fistel  durch  einen  Laminariastift  erweitert.  Der 
ca.  1 — 2  Minuten  lang  ausgekochte  Laminariastift,  dessen  Dicke 
sich  nach  der  Weite  der  Fistel  richtet,  wird  so  weit  in  die 
Fistel  vorgeschoben,    dass   er  nur  noch   1  cm.   aus   der  Fistel 


Warum  oft  die  Sondierung  des  Cysticussteines 
nicht  gelingt? 


-     312     — 

hervorragt.  Damit  er  nicht  in  die  Gallenblase  rutsche,  wird 
er  an  seinem  Haltezüg-el  an  der  Bauchhaut  mit  Watte  und 
Collodiura  befestigt. 

Die  Erweiterung  durch  einen  Laminariastift  nimmt  ca. 
24  Stunden  in  Anspruch.  Nach  seiner  Entfernung  gelingt  es 
manchmal,  den  Stein  mit  der  Sonde  zu  finden  und  mit  passenden 
Instrumenten  (Kornzangen,  Löffeln)  zu  entfernen.  Es  versteht 
sich  von  selbst,  dass  man  diesen  Eingriff  unter  allen  Kautelen 
der  Asepsis  und  mit  grösster  Zartheit  vornimmt. 

Führt  eine  Laminariaerweiterung  nicht  zum  Ziel,  so  ver- 
sucht man  eine  zweite  und  greift  nicht  eher  zu  schärferen  Mass- 
nahmen, bis  man  sich  von  der  Nutzlosigkeit  unschuldiger  Ein- 
griffe überzeugt  hat.  Denn  Cysticotomien  und  Ectomien  — 
und  solche  Operationen  kommen  in  Betracht,  wenn  die  Extraktion 
des  Steins  von  der  Fistel  aus  nicht  gelingt  —  sind  keinesw^egs 
unschuldige  Eingriffe  und  erfordern  schon  einen  Chirurgen,  der 
auf  dem  Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  mehr  als  eine  mittel- 
mässige  Erfahrung  hat.  In  solchen  Fällen  tut  der  Arzt  gut, 
sich  an  einen  Spezialisten  auf  dem  Gebiete  der  Gallenstein- 
chirurgie zu  wenden  I 

Ad.  4.  Schleimfisteln,  durch  ein  Carcinom  des  Gallenblasen- 
halses oder  des  Ductus  cysticus  bedingt,  rührt  man  nicht  an;  eine 
radicale  Heilung  des  Carcinoms  ist  unmöglich.  Leider  weiss 
man  oft  nicht,  dass  hinter  der  Schleimfistel  ein  Carcinom  steckt, 
sondern  erfährt  das  erst  bei,  resp.  nach  der  Operation. 

Ad.  5.  Die  Abknickung  des  Cysticus  durch  Adhäsionen  lässt 
sich  durch  Lösung  der  Verwachsungen  leicht  beseitigen:  fürchtet 
man  ihre  Wiederkehr,  so  wird  die  Excision  der  Gallenblase  das 
beste  Verfahren  sein. 

Ich  meine  indes,  dass  man  mit  der  Beseitigung  der  Schleim- 
flstel  nicht  allzu  rasch  sei.  Eine  Schleimfistel  macht  gar  keine 
Beschwerden,  so  lange  sie  offen  ist  und  der  Schleim  ablaufen 
kann.  Scbliesst  sich  die  äussere  Öffnung,  so  sammelt  sich  der 
Schleim  in  der  Gallenblase  an,  und  wenn  eine  Infektion  nicht 
vorhanden  ist,  kann  ein  steriler  Hydrops  entstehen.  Gewöhn- 
lich sind  aber  —  schon  durch  die  mit  der  Aussenwelt  offen 
kommunizierende  Fistel  —  genug  Bakterien  im  Innern  der 
Gallenblase  vorhanden :  es  entsteht  ein  infektiöser  Hydrops 
der  Gallenblase.  Dieser  macht  Schmerzen,  und  was  noch  viel 
schlimmer  ist,  er  kann  durch  übermässigen  Druck  den  Cysticus- 


—     313     — 

stein  in  den  Choledochus  treiben :  aus  einer  unangenehmen 
Schleirafistel  wird  eine  g-efährliche  Gallenflstel,  und  wenn  der 
Stein  die  Papille  nicht  passiert,  so  bildet  sich  eine  permanente 
Gallenfistel,  die  geschlossen  werden  muss,  während  die  Schleira- 
fistel, wenn  man  sie  gehörig  überwacht,  oflfen  gelassen  werden 
kann.  Das  ist  der  grosse  Unterschied  zwischen  diesen  beiden 
Arten  von  Fisteln,  den  man  sich  immer  vor  Atigen  halten  soll!  — 

Bei  der  Beseitigung  der  Schleimfistel  muss  man  sehr 
auf  die  Person  ihres  Trägers  Rücksicht  nehmen.  Ich  habe 
z.  B.  einen  Patienten  operiert  und  eine  Schleimfistel  zurück- 
gelassen, die  zu  beseitigen  mir  niemals  einfallen  wird,  wenigstens 
nicht  durch  Ectomie.  Der  Fall,  der  einen  Offizier  betrifft, 
ist  im  zweiten  Teil  unter  Krankengeschichte  Nr.  73  mitgeteilt. 

Wenn  also  ein  Offizier,  ohne  in  seinem  Berufe  erheblich 
gestört  zu  sein,  eine  Schleimfistel  erträgt,  so  wird  eine  vor- 
nehme Dame,  die  nichts  zu  tun  hat,  erst  recht  eine  Schleim- 
fistel in  Kauf  nehmen  können.  Ist  sie  aber  so  penibel,  dass 
ihr  das  „Laufen  ihrer  Fistel"  ein  Greuel  wird,  so  schlage  ich 
die  Beseitigung  vor,  mache  aber  darauf  aufmerksam,  dass  die 
notwendige  Operation  eine  Mortalität  von  3"/o  hat.  Wer  sich 
dieser  Sterblichkeit  aussetzen  will,  der  mag  sich  operieren  lassen. 

Bei  einer  Obliteration  des  Cysticus  ist  die  Operation  kaum 
je  absolut  notwendig,  bei  Steinverschluss  ist  sie  wünschenswert. 
Wir  können  nie  wissen,  was  aus  dem  Steine  wird ;  er  kann  in 
den  Choledochus  geraten  und  dort  grossen  Schaden  stiften,  er 
kann  auch  in  die,  Bauchhöhle  perforieren  oder  ein  Ulcus  her- 
vorrufen, das  später  sich  in  ein  Carcinom  umwandelt.  Gründe 
genug,  die  eine  Operation  als  notwendigerscheinen  lassen.  Und  da 
eine  Obliteration  des  Cysticus  diagnostisch  sich  nicht  immer  von 
dem  Steinverschluss  trennen  lässt,  kann  man  sehr  wohl  unter  be- 
sonderen Umständen  die  Beseitigung  einer  Schleirafistel  empfehlen. 
Das  gilt  besonders  für  ärmere  Patienten,  die  sich  nicht  schonen  und 
ihr  Abdomen  so  rein  halten  können,  wie  es  sich  gehört.  Das  ewige 
Verbinden,  die  Unkosten,  die  durch  die  Beschaffung  der  Verband- 
materialien entstehen,  mögen  bei  raanchera  Schleirafistelträger  den 
Wunsch  l|iut  werden  lassen,  der  Operateur  möge  die  Fistel  beseiti- 
gen. Auch  da,  wo  die  Fistel  immer  wieder  die  Tendenz  zeigt,  sich 
vorübergehend  zu  schliessen,  wo  Schmerzen  eintreten  und  die  Ge- 
fahr des  Tieferrutschens  des  Steines  in  den  Choledochus  besteht, 
ist  also  nichts  gegen  eine  Operation  einzuwenden.  Wer  sich  aber  die 


—     314     — 

Kosten  der  Verbände  leisten  kann,  wer  über  einen  Arzt  ver- 
fügt, der  immer  die  Fistel  kontrolliert,  der  soll  sich  ja  die 
Notwendigkeit  einer  Operation  mit  3*^/0  Sterblichkeit  überlegen. 
Man  kann  nie  wissen,  ob  er  zu  den  97  Glücklichen  gehört,  die 
durchkommen,  oder  zu  den  3,  die  sterben  müssen.  Alter, 
Konstitution,  Beruf,  Lebensauffassung,  soziale  Stellung  spielen 
eben  auch  hier  in  der  Frage :  Operieren  oder  Abwarten  ?  die 
entscheidende  Holle.  — 

Wir  wenden  uns  nunmehr  zu  den  Oalienflsteln. 

Wenn  die  durch  eine  Cystostomie  angelegte  Gallenfistel  nach 
6 — 8  Wochen  nicht  geheilt  ist,  muss  man  stutzig  werden  und  dem 
Grunde  nachforschen,  warum  sich  die  Fistel  nicht  schliesst. 

Verschiedene  Ursachen  kommen  hier  in  Betracht : 

1)  Es  besteht  noch  ein  entzündlicher  Prozess  in  der  Gallen- 
blase ; 

2)  es  liegen  noch  Steine  in  der  Gallenblase ; 

3)  die  Gallenblase  resp.  der  Choledochus  wird  durch  die 
Fixation  an  der  Bauch  wand  zu  sehr  gezerrt,  so  dass  die  Galle 
nicht  völlig  in  den  Darm  fliessen   kann; 

4)  es  besteht  eine  Lippenfistel; 

5)  es  steckt  ein  Stein  im  Choledochus; 

6}  der  Choledochus  wird  durch  Adhäsionen  abgeknickt; 

7)  das  Pankreas  ist  verdickt  und  komprimiert  den  Chole- 
dochus ; 

8)  es  besteht  ein  Hindernis  in  der  Papille  (Narbe,  Tumor). 
Welche  Mittel  stehen  uns  zu  Gebote,    die    verschiedenen 

Entstehungsursachen  der  permanenten  Gallenfistel  zu  ergründen. 
Hat  sich  eine  Gallenfistel  entwickelt,  so  rate  ich  dem 
betr.  Operateur  in  erster  Linie,  dass  er  noch  einmal  eine  recht 
genaue  Anamnese  aufnehme,  oder  ist  das  vor  der  Operation 
bereits  geschehen,  dass  er  noch  einmal  recht  gründlich  die 
Kranken-  und  Operationsgeschichte  studiere.  Da  steht  vielleicht 
in  der  Anamnese:  Bei  den  Koliken  trat  oft  Ikterus  ein,  und 
in  der  Operationsgeschichte  wird  das  Freisein  des  Choledochus 
ganz  besonders  betont,  während  der  Pankreaskopf  relativ  hart 
angetroffen  wurde.  Oder  es  ist  bemerkt,  dass  die  Gallenblase 
sehr  gross  war  oder  umgekehrt  sich  nur  schwer  an  das  Perit. 
parietale  hervorziehen  liess.  Jedenfalls  bekommt  man  durch 
ein  Studium  der  Anamnese  und  des  Operationsverlaufs  oft  einen 
recht  wichtigen  Fingerzeig  und  ahnt  dann  meist,  warum  die 
Gallenfistel  permanent  wurde. 


—     815     — 

Wir  wollen  die  einzelnen  Entstehungsursachen  der  permanen- 
ten Gallenfistel  nacheinander  durchgehen. 

Ad.  1.  Es  besteht  noch  ein  entzündlicher  Prozess  in  der 
Gallenblase. 

In  einem  solchen  Falle  dürfte  die  ausfliessende  Galle  nicht 
ganz  klar  sein.  Wer  ein  firmer  Bakteriologe  ist,  mag  in 
seinem  Laboratorium  die  Galle  auf  vorhandene  Keime  unter- 
suchen. Dadurch  schwindet  aber  die  Entzündung  nicht.  Die 
Hauptsache  ist,  dass  man  die  Gallenblase  ausspült,  damit 
die  Schleimhaut  zur  Norm  zurückgeführt  wird.  Bei  diesen  Spü- 
lungen wird  man  nicht  selten  zu  der  Überzeugung  kommen, 
dass  die  Entzündung  darauf  beruht,  dass 

Ad.  2.  noch  Steine  in  der  Gallenblase  liegen. 

Dadurch  wird  nicht  selten  die  Heilung  der  Gallenfistel  ver- 
zögert, aber  keineswegs  völlig  aufgehoben.  Ich  habe  Beispiele, 
dass  Gallenfisteln  sowohl  an  der  Gallenblase  wie  am  Chole- 
dochus  zuheilen,  obwohl  grosse  —  selbst  walnussgrosse  Steine 
in  der  Gallenblase  resp.  im  Choledochus  steckten. 

Hat  man  mit  dem  Spülk'atheter  oder  mit  der  Sonde  einen 
Stein  in  der  Gallenblase  gefunden,  so  rüstet  man  sich  zu  seiner 
Entfernung.  Ist  der  Zugang  zur  Gallenblase  noch  genügend 
weit,  so  gelingt  es  schon  durch  das  Ausspülen  mit  dem  Irrigator, 
manchmal  besser  durch  Ausspritzen  mit  einer  Spritze,  das  Kon- 
krement herauszuspülen.  Sonst  nimmt  man  Kornzangen  und 
ähnliche  Instrumente  zur  Hilfe.  Kommt  man  so  nicht  zum 
Ziel  —  man  verliere  nicht  zu  bald  die  Geduld  — ,  so  erweitert 
man  die  Fistel  stumpf  (mit  Laminaria)  oder  mit  dem  Messer 
(unter  Schi  ei  ch'scher  Anästhesie).  Erweisen  sich  all'  diese 
Massnahmen  als  unzureichend,  danii  chloroformiere  man  den 
Kranken  und  entferne  in  Narkose  den  Stein.  Es  wird  meist 
ohne  weite  Eröffnung  der  Bauchhöhle  abgehen,  im  übrigen 
wird  man  sich  vor  dieser  nicht  fürchten.  Man  eröfi'net  neben 
der  Gallenblase  das  Abdomen,  führt  den  Zeigefinger  der  rechten 
Hand  ein  und  schiebt  sich  so  den  Stein  funduswärts.  Sitzt  er 
fester  im  Hals  der  Gallenblase  oder  gar  im  Cysticus,  so  werden 
wir  eine  regelrechte  Laparotomie  machen,  die  später  näher  be- 
schrieben werden  soll.  Man  kann  auch  statt  Kochsalzlösung  Öl 
in  die  Fistel  spritzen  und  zu  den  verschiedenen  sog.  steinauf- 
lösenden Mitteln  seine  Zuflucht  nehmen,  zu  denen  ich  persönlich 
gar  kein  Vertrauen  habe. 


-     316     — 

Ad.  3.  Die  Gallenblase  resp.  der  Choledochus  wird  durch 
die  Fixation  an  das  Perit.  pariet.  zu  sehr  gezerrt,  so  dass  die 
Galle  nicht  völlig  in  den  Darm  fliessen  kann.  (Fig.  76  und  77.) 

Diese  Entstehungsursache  der  permanenten  Gallenfisteln 
war  früher,  als  die  Technik  noch  in  den  Kinderschuhen  steckte, 
recht  häufig.  Wer  mit  aller  Gewalt  die  Gallenblase  an  das  Perit. 
pariet.  heranzerrte,  um  sie  hier  zu  fixieren,  wer  die  Naht  so 
anlegte,  dass  der  Fundus  mit  der  Bauchmuskulatur  oder  gar  der 
Bauchhaut  vernäht  wurde,  der  brauchte  sich  nicht  zu  wundern, 
wenn  permanente  Gallenfisteln  entstanden.     Bei  guter  Technik 


Fig.  76. 


Fig.  77. 


Schema  I  für  das  Zustandokommen  von  GaUon- 

fisteln  büi  zu  straffer  Fixation  der  GaUenblaso 

an  der  Bauchwand. 

Tiefliegende  Gallenblase  in  situ. 


Schema  II  für  das  Zustandekommen  von  Gallen- 
flsteln  bei  zu  straffer  Fixation  der  Gallenblase 
an  der  Bauchwand.  Die  tiefliegende  Gallen- 
blase ist  zu  straff  an  die  Bauchwand  fixiert 
und  knickt  den  Choledochus  bei  X  ab. 


werden  wir  diese  Art  Fisteln  fast  stets  vermeiden.  Die  Gallen- 
blase darf  eben  nicht  gezerrt  werden,  kleinere  geschrumpfte 
Gallenblasen  dürfen  überhaupt  nicht  eingenäht,  sondern  müssen 
mit  dem  Schlauchverfahren  behandelt  oder  noch  besser 
excidiert  werden.  Das  Eiedel'sche  Trichter  verfahren  ist 
ebenfalls  geeignet,  Gallenfisteln  zu  hinterlassen.  Man  vermeide 
also  jede  Zerrung,  nähe  die  Gallenblase  so  hoch  wie  möglich 
in  die  Bauchwunde  ein  und  bedenke  immer,  dass  sie  nachschrumpfen 
kann.  Je  weniger  man  cystostomiert,  um  so  seltener  hat  man 
mit  Gallenfisteln  zu  kämpfen.  Die  Ectomie  ist  das  beste  Mittel, 
um  Gallenfisteln  zu  vermeiden,  sie  ist  auch  das  radikalste  Mittel, 
um  eine  bestehende  Gallenfistel  zu  beseitigen. 


—     317     — 


Trotzdem  möchte  ich  in  erster  Linie  bei  solchen  Gallen- 
fisteln empfehlen,  die  Gallenblase  von  der  Bauchwand  abzulösen, 
das  Loch  zu  vernähen  und  die  Gallenblase  zu  versenken.  (Nr.  74.) 

Ehe  man  aber  an  diese  Operation  herantritt,  muss  man 
sich  klar  sein,  dass  die  Gallenfistel  nur  durch  Verzerrung  des 
Choledochus  und  nicht  durch  einen  Choledochusstein  bedingt  ist. 

Um  diese  Entscheidung  herbeizuführen,  habe  ich  das  sogen. 
Stöpselexperiment  eingeführt.  Auch  die  von  Kuhn  angegebene 
Ausspülung  der  Gallen- 
wege kommt  in  Betracht. 
Darüber  werde  ich  weiter 
unten  in  einem  besonderen 
Kapitel  sprechen. 

Ad.  4.  Am  leichtesten 
erklärt  sich  die  Perma- 
nenz der  Gallenfistel  bei 
der  Lippenflstel.  (Fig.  78.) 
Bei  der  Anlegung  der 
Gallenfistel  wird  oft  der 
P'ehler  gemacht,  dass  man 
den  Schnitt  in  die  Gallen- 
blase zu  gross  anlegt  oder 
ihn  nicht  genügend  ver- 
kleinert. Das  Rohr,  wel- 
ches man  einnäht,  braucht 
nicht  übermässig  stark  zu 
sein  und  muss  so  liegen, 
dass  nirgends  Schleimhaut 
zu  sehen  ist.  Man  muss 
dafür  sorgen,  dass  bei  der 
Naht  breite  Serosaflächen 
gefasst  werden,  damit  die  Schleimhaut  ordentlich  nach  innen  um- 
gekrempelt wird.  Tritt  keine  prima  Intentio  ein,  sondern  geht 
die  Naht  auseinander,  dann  klaff't  der  Schnitt,  die  Schleimhaut 
prolabiert,  um  so  mehr,  je  grösser  die  Gallenblase  von  vorne- 
herein war.  Oft  hat  man  Schwierigkeiten,  die  Gallenblase, 
weil  sie  eben  sehr  gross  ist,  gut  an  das  Peritoneum  parietale 
anzunähen.  Manche  habe  für  diese  Fälle  die  Resektion  des 
Fundus  der  Gallenblase  empfohlen.  Ich  bin  nicht  dafür,  weil 
häufig  im  weiteren  Verlauf  die  Gallenblase  nachschrumpft  und 


Schema  für  Lippenflstel  (Schleimhaut.prolaps) 
nach  Cystostomie  bei  grosser  Gallenblase.  Die 
Schleimhaut  bei  a,  hat  sich  in  die  Bauchwunde 
vorgedrängt  und  vereitelt  so  den  Pistelver- 
schluss.  b)  Muskularis  und  Serosa  der  Gallenblase. 


—     318     — 

schliesslich  doch  eine  Zerrung  ain  Choledochus  zu  Stande  kommt. 
Die  beste  Art,  wie  gesagt,  um  eine  Lippenfistel  zu  vermeiden, 
ist  die  gehörige  Verkleinerung  des  Gallenblasenschnitts  und  die 
exakte  Naht,  damit  eine  prima  Intentio  zustande  kommt. 
Befolgt  man  diese  Vorschriften,  so  wird  man  selten  eine  Lippen- 
fistel unter  seinen  Fällen  sehen. 

Ad.  5.  Bei  der  Gallenfistel,  welche  durch  einen  Choledochus- 
stein  bedingt  wird,  ist  der  Gallenfluss  sehr  schwankend,  je 
nachdem  der  Stein  im  Choledochus  fest  oder  locker  sitzt  resp. 
wenig,  viel  oder  gar  keine  Galle  an  sich  vorbei  in  das  Duodenum 
fliessen  lässt.  Wir  werden  bei  dem  Abschnitt:  Stöpselung  der 
Gallenblase  die  Zeichen  kennen  lernen,  welche  auf  einen  durch 
Stein  bedingten  Verschluss  des  Choledochus  hinweisen. 

Ad.  6,  7,  8.  Die  übrigen  Verlegungen  des  Choledochus, 
die  zur  Ausbildung  einer  permanenten  Gallenfistel  führen  können, 
sind  schwer  zu  diagnostizieren:  Adhäsionen,  Pankreasver- 
dickung, Tumor  und  Narbe  an  der  Papille.  Alle  Massnahmen, 
wie  Ausspülungen  und  Sondierungen,  werden  erfolglos  bleiben 
und  schliesslich  die  aufklärende  Laparotomie  verlangen,  die  in 
solchen  Fällen  als  die  sekundäre  Cystenterostomie  endigen  wird. 

Wir  haben  bei  den  obigen  Auseinandersetzungen  schon  vielfach 
Gelegenheit  gehabt,  die  Eingriffe,  die  wir  an  Gallen- und  Schleira- 
fisteln  vornehmen,  zu  erwähnen.  Der  besseren  Orientierung 
halber  wollen  wir  das  dort  Gesagte  in  den  folgenden  Abschnitten 
sichtlich  zusammenstellen  und  die  einzelnen  Eingriffe  an  Gallen- 
blasenfisteln der  Reihe  nach  besprechen. 

a)  Die   Sondierung  der  Gallenblase. 

Wenn  sich  nach  der  Cystostomie  eine  Gallen-  oder  Schleira- 
fistel  ausgebildet  hat,  so  wird  man  immer  von  Zeit  zu  Zeit 
durch  Sondierung  feststellen,  ob  noch  Steine  in  der  Gallenblase 
stecken  oder  nicht.  Denn  man  soll  nicht  vergessen,  dass  auch 
bei  Absonderung  von  klarer  Galle  Konkremente  zurückgeblieben 
sein  können  und  dass  das  Fehlen  von  Schmerzen  kein  sicherer 
Beweis  für  die  Abwesenheit  von  Steinen  ist.  So  lange  der 
Cysticus  und  die  äussere  Fistel  offen  sind,  die  Galle  unge- 
hindert abfliessen  kann,  fehlen  die  Schmerzen,  und  wenn  in 
der  Gallenblase  walnussgrosse  Steine  liegen. 

Die  Sondierung  soll  mit  leichter  Hand  vorgenommen  werden. 
Man  stellt  erst  durch  eine  feine  Sonde  den  Verlauf  der  Fistel 


—     319     — 

fest  und  nimmt  dann  immer  stärkere  Sonden  zur  Hand.  Dass 
diese  vorher  ausgekocht  sind  und  dass  der  Operateur  auch  zu 
dieser  kleinen  Operation  sich  gründlich  wäscht,  das  versteht 
sich  von  selbst.  Niemals  soll  man  die  Sonde  mit  Gewalt 
vorwärtsschieben ,  sondern  genau  wie  beim  Katheterisieren 
der  Harnblase  sich  vom  Instrument  leiten  lassen.  Die  rauhe 
Schleimhaut  der  Gallenblase  ruft  in  der  sondierenden  Hand  des 
Chirurgen  ein  ganz  bestimmtes  Gefühl  hervor,  das  man  kennen 
muss,  das  sich  aber  schwer  beschreiben  lässt.  Oft  könnte  man 
glauben,  man  berühre  einen  Stein,  so  rauh  fühlt  sich  die  Schleim- 
haut an.  Sobald  die  Sonde  sich  in  einer  Schleimhautfalte  fängt, 
soll  man  mit  dem  Vorschieben  haltmachen.  Es  ist  sehr  selten, 
dass  man  mit  der  Sonde  den  Cysticus  sondieren  kann.^  Ein  nor- 
maler Cysticus  ist  überhaupt  der  Sondierung  unzugänglich,  nur 
ein  pathologischer,  durch  den  Durchtritt  eines  Steines  erweiterter 
Cysticus  ist  sondierbar.  Ich  kann  unter  meinen  1000  Fällen 
die  paar  Fälle,  bei  denen  die  Sondierung  gelang,  wohl  aufzählen. 
Meistenteils  fängt  sich  die  Sonde  im  Hals  der  Gallenblase  und  die 
Sondierung  verläuft  resultatlos.  Nächst  der  Sondierung  der  Gallen- 
blase besprechen  wir  die  Ausspülung  derselben  mit  Flüssigkeiten. 

b)Die   Ausspülung   der   Gallenblase. 

Die  Technik  einer  solchen  Ausspülung  kann  verschiedenartig 
gehandhabt  werden:  entweder  man  führt  ein  starres  (Katheter) 
oder  ein  weiches  Instrument  (Drain)  durch  die  Fistel  in  die 
Gallenblase  und  spült  die  Höhle  unter  völligem  oder  nur  teil- 
weisem Abschluss  aus,  oder  man  setzt  das  Gummirohr  des  Irri- 
gators so  aussen  auf  die  Fistel,  dass  ein  völliger  Abschluss 
hergestellt  wird,  und  lässt  nun  unter  geringerem  oder  höherem 
Druck  die  Gallenblase  voll  laufen.  Auch  Spritzen  etc.  kann 
man  zur  Ausspülung  der  Gallenblase  benutzen.  Als  Spülflüssig- 
keit verwendet  man  am  besten  physiol.  Kochsalzlösung. 

Diese  Spülungen  haben  einen  verschiedenen  Zweck.  1.  will 
man  Schleim  und  entzündliche  Produkte  herausbefördern;  2.  sollen 
zurükgebliebene  Steine  aus  der  Gallenblase  herausgespült  werden; 
3.  sollen  Steinchen  im  Cysticus  und  Choledochus  durch  die  Pa- 
pille des  Duodenum  in  den  Darm  gedrückt  werden. 

Die  Indikation  unter  1  und  2  lasse  ich  gelten,  ja,  es  unter- 
liegt gar  keinem  Zweifel,  dass  durch  tägliche  Ausspülungen  der 
Katarrh    der  Gallenblase    schneller    schwindet    und    damit   die 


—     320     — 

Heilung-  befördert  wird.  Aber  ganz  und  gar  verwerfen  muss 
ich  alle  Spülungen,  die  den  Zweck  haben,  im  Cysticus  und  Chole- 
dochus  festsitzende  Sitze  so  zu  lockern,  dass  sie  abgehen.  Ab- 
gesehen davon,  dass  die  Spülflüssigkeit  meistenteils  nur  bis  zum 
Hals  der  Gallenblase  vordringt  und  gar  nicht  in  den  Cysticus^ 
geschweige  denn  in  den  Choledochus  gelangt,  ist  es  doch  für  den 
Pat.  ein  grosses  Unglück,  wenn  man  den  Cysticusstein  in  den 
Choledochus  schwemmt.  Ein  Cysticusstein  ist  im  Verhältnis  zum 
Cholodochusstein  ein  recht  harmloses  Gebilde.  Im  gemeinsamen 
Gallengang  kann  jedes  Konkrement  Veranlassung  werden  zu 
Ikterus  und  Cholangitis.  Wenn  es  den  Ductus  cysticus  passiert 
hat,  ist  noch  lange  nicht  gesagt,  dass  es  auch  die  Papilla  duodeni 
überwinden  wird.  Das  ganze  Kuhn' sehe  Beginnen  der  Spülerei 
der  Gallengänge  ist  eine  gefährliche  Spielerei  und  streng  zu 
widerraten.  Bei  Verdacht  auf  Cysticusstein  spüle  man  die 
Gallenblase  unter  leichtem  Druck  aus,  giesse  Olivenöl  ein  — 
dagegen  ist  nichts  zu  sagen,  aber  hat  man  eine  Schleimfistel 
vor  sich,  dann  übertreibe  man  den  Druck  nicht,  damit  nicht 
doch  einmal  der  Stein  in  den  Choledochus  gedrückt  wird.  Ist  der 
Stein  in  den  gemeinsamen  Gallengang  gelangt,  dann  werden  alle 
Durchspülungen  so  gut  wie  erfolglos  sein,  für*  kleinere  abgangs- 
fähige Steine  besitzen  wir  hier  ein  viel  besseres  Mittel,  das  ist 
die  Stöpselung  der  Oallenblasenflstel. 

c)  Die  Stöpselung  der  Gallenblasenfistel. 
Bei  allen   Ausspülungen   steigern    wir  den  Druck   in  kür- 
zester Zeit  oft  derartig,  dass  der  Kranke  die  schlimmste  Kolik 
empfindet;   bei  der  Stöpselung  besorgt   die  Druckwirkung    die 
sich  allmählich  erst  im  Verlaufe   von   Stunden  stauende  Galle. 
Sitzt  der  Stein  im  Choledochus  —  nehmen  wir  an,  in  der  Papilla 
duodeni  — ,  so  füllt  sich  nicht  nur  die  Gallenblase  mit  Galle,  sondern 
auch  die  Lebergänge,    es  entsteht   ein    allmählich    immer  mehr 
und  mehr  wachsender  Druck,    von  dem  man  hoffen  kann,   dass 
er  das  Hindernis  überwindet,  resp.  das  Konkrement  in  den  Darm 
stösst.     (Nr.   16.)    Auch  noch  in  anderer  Richtung  kann   das 
Stöpselexperiment  wirken.     Wenn  lange  Zeit  die  Galle  aus  dem 
Hepaticus  in   die  Gallenblase  und  von  da  nach  aussen  fliesst, 
so  wird  der  Choledochus  immer  enger.     Verschliesst  man  jetzt 
die  Gallenfistel,  so  dehnt  die  Galle,  die  nunmehr  gewungen  wird 
den   natürlichen  Weg  einzuschlagen,   den   Choledochus  wieder 


—     821     — 

Dann  kann  man  es  erleben,  dass,  nachdem  der  Stöpsel  ent- 
fernt ist,  die  Galle  nunmehr  gut  in  den  Darm  abfliesst  und  die 
Stöpselung  also  die  Heilung  der  Gallenflstel  einleitet. 

Von  vorneherein  war  das  Stöpselexperinient  von  mir  aber 
nicht  zu  kurativen  Zwecken,  d.  h.  zur  Austreibung  kleiner  Steine 
und  Erweiterung  des  Choledochus,  sondern  zu  diagnostischen 
Zwecken  angegeben.  Ich  wollte  wissen,  welcher  Art  das  Hinder- 
nis war,  welches  den  Gallenabfluss  in  den  Darm  störte. 

Wenn  eine  Cystostomiefistel  in  ca.  6  Wochen  noch  nicht 
geheilt  ist,  so  hat  das  verschiedene  Ursachen,  die  ich  bereits 
oben  besprochen  habe.  Die  beiden  hauptsächlichsten  sind 
Verlegung  des  Choledochus  durch  einen  Stein  oder  Ab- 
knickung  des  Choledochus  durch  die  zu  stark  nach  aussen  ge- 
zerrte Gallenblase.  In  den  meisten  Fällen  gelingt  es  durch  das 
sogen.  Stöpselexperiment,  die  beiden  Arten  des  Gallenabtluss- 
Hindernisses  auseinanderzuhalten.  Im  ersteren  Falle  wird  die 
Stöpselung  Schmerzen,  Koliken,  Ikterus  und  Fieber  machen: 
die  Galle  staut  sich,  der  Stöpsel  wird  herausgedrängt  oder 
niuss  wegen  intensiver  Schmerzen  herausgenommen  werden.  Im 
zweiten  Fall  werden  nur  leichte  Druckschmerzen  kommen  ,  die 
Galle  fliesst  durch  die  Papille  ab,  Ikterus  tritt  nicht  auf,  der 
Stöpsel  bleibt  ruhig  liegen.  Das  ist  die  Regel.  Doch  kommen 
Ausnahmen  vor,  die  ich  weiter  unten  erörtern  will. 

Hier  mögen  diese  Angaben  allgemeiner  Art,  die  den  Zweck 
des  Stöpselexperinients  klar  legen  sollen,   genügen. 

Die  Technik  eines  solchen  Stöpselexperiments  ist  folgende: 
Zuerst  sondiert  man  die  Fistel.  Ist  sie  sehr  eng,  so  wird  sie 
mit  einem  feinen  Laminariastift  erweitert.  Diesen  Laminaria- 
stift  koche  ich  ca.  2  Min.  aus  und  führe  ihn  dann  durch  die 
Fistel  in  die  Gallenblase.  Mit  Watte,  CoUodium,  Seide  und 
Heftpflaster  wird  der  Stift  befestigt  und  Patient  zu  Bette  ge- 
bracht: 24  Stunden  später  wird  der  Laminariastift  entfernt. 
Schon  jetzt  erkennt  man,  ob  ein  Stein  oder  nur  eine  Abknickung 
als  Hindernis  vorliegt.  Fliesst  bei  der  Herausnahme  des  Stiftes 
Galle  in  Strömen  ab,  so  kann  man  gewiss  sein,  dass  ein  Hin- 
dernis im  Gang  vorliegt;  ist  der  Gallenfluss  gering,  so  lag  Ab- 
knickung vor.  Der  Laminariastift  hat  gewöhnlich  schon  die 
Frage  beantwortet,  so  dass  das  eigentliche  Stöpselexperiment 
überflüssig  erscheint.  Glaubt  man  es  aber  doch  noch  hinzufügen 
zu  müssen,  so  geht  man  folgendermassen  vor:    Ein   ca.   6   cm. 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoporationoo.     1.  21 


—     322     — 

langer,  konisch  zulaufender  Holzstift  wird  ausgekocht,  mit  steriler 
Watte  umwickelt  und  bis  fast  an  das  Ende  so  in  die  Fistel 
hinein  gedreht,  dass  er  schon  von  ganz  allein  fest  und  wasser- 
dicht liegt.  Damit  er  nicht  herunterrutscht,  wird  er  von  einer 
Fadenschlinge  gefasst.  Darüber  kommt  eine  Lage  Watte,  die  mit 
Collodium  befestigt  wird.  Patient  verhält  sich  im  Bett  ruhig 
und  wird  vom  Arzt  genau  beobachtet  (alle  drei  Stunden  Temp. 
messen,  Stuhlgang,  Urin,  Faeces  untersuchen).  Am  nächsten 
Tag  wird  der  Holzstöpsel  entfernt  und  die  Gallenblase  mit 
physiol.  Kochsalzlösung  ausgespült.  Die  weiteren  Massnahmen 
hängen  von  dem  Ergebnis  des  Stöpselexperiments  ab. 

Sondierung  der  Gallenblase,  ihre  Ausspülung  und  die 
Stöpselung  der  äusseren  Fistel  sind  ungefährliche,  unblutige 
EingriÖe  zwecks  Entfernung  von  Steinen.  Führen  sie  nicht  zum 
Ziel,  so  tritt  die  blutige  Operation,  die  Laparotomie,  in  ihre 
Rechte.  Wir  kommen  hiermit  auf  die  sogenannten  sekundären 
Laparotomien,  in  erster  Linie  auf  die  sekundäre  Ectomie  zu 
sprechen. 

Die  sekundären  Operationen  nehmen  in  Bezug  auf  die  Des- 
infektion und  Asepsis,  die  Schnittführung  und  die  Technik  eine 
gewisse  Sonderstellung  ein,  so  dass  ihre  Besprechung  in  einem 
besonderen  Kapitel  gerechtfertigt  erscheint. 

d)  Die   sekundäre   Cy  stec  toni  ie. 

Bei  den  Vorbereitungen  zwecks  Erzielung  eines  aseptischen 
Verlaufs  muss  man  auf  die  bestehende  Schleimfistel  die  grösste 
Rücksicht  nehmen.  Fat.  kann  natürlich  baden,  doch  ist  es 
zweckdienlich,  die  Fistel  mit  einem  Gazestreifen  zu  verstopfen, 
damit  nicht  etwa  das  verschmutzte  Badewasser  in  die  Gallen- 
blase einläuft.  Ein  grosses  Unglück  wäre  es  zwar  nicht,  denn 
man  könnte  nach  dem  Bade  die  Gallenblase  mit  einer  anti- 
septischen Flüssigkeit  ausspülen.  Jedenfalls  sind  häufige  Aus- 
spülungen der  Gallenblase  notwendig,  ehe  man  die  Operation 
unternimmt.  Ist  die  Schleimfistel  sehr  eng,  so  schicke  ich 
deshalb  eine  Erweiterung  mit  dem  Laminariastift  voraus,  um 
mir  die  Möglichkeit  der  instrumenteilen  Entfernung  des  die 
Schleimfistel  verursachenden  Cysticussteins  zu  sichern.  Davon 
hängt  es  ja  überhaupt  ab,  ob  eine  sekundäre  Laparotomie  an- 
gezeigt ist  oder  nicht. 


328     - 


Klie  der  Wärter  die  Bauchhaut  des  zu  Operierenden  reinigt, 
ist  die  Fistel  noch  einmal  zu  reinigen  und  mit  einem  Gazestreifen 
zu  verschliessen;  erst  dann  beginnen  wir,  nachdem  dieselben 
aseptischen  Massnahmen  wie  bei  der  primären  Laparotomie  ge- 
troffen sind,  die  Operation. 

Der  Bauchdeckenschnitt  kann  auf  zweierlei  Art  (Fig.  79) 
geführt  werden.  Entweder  wählt  man  meinen  Wellenschnitt 
und  .umschneidet  die  Fistel  so,  dass  man  Haut  und  Narbe  samt 
der  am  Perit.  parietale  an- 
gewachsenen Gallenblase 
in  toto  entfernt.  Das  ist 
schwerer,  als  wenn  man 
durch  den  Hakenschnitt 
Ozerny's  sicii  gewisser- 


Fig.  79. 


massen  von  der  Seite  her 
an  die  Gallenblase  heran- 
pirscht.    Der  grosse 
Hakenschnitt   gibt    einen 

vortrefflichen  Einblick  in  die  Bauchhöhle.  Der  Querschnitt 
durchschneidet  nur  die  inneren  -  3  des  Muse.  rect.  abd.,  nicht 
den  ganzen  Muskel,  dann  kann  man  den  Bauchwandlappen 
samt  der  Gallenblase  nach  f)ben  aussen  schlagen  und  nimmt 
nun  die  Lösung  der  Gallenblase  vom  Magen,  Netz  und 
Duodenum  etc.  vor.  Man  kann,  indem  der  Assistent  den  durch 
eine  Kompresse  geschützten  Magen  sanft  nach  links  unten  drückt, 
allmählich  bis  zum  Hals  der  Gallenblase  vorrücken  und  sich 
nun  überzeugen,  wo  das  Hindernis  sitzt,  das  die  Schleimfistel 
erzeugt  hat.  Ehe  man  sich  definitiv  zur  Ectomie  entschliesst, 
erwäge  man  noch  einmal  genau,  ob  nicht  doch  das  einfache  Vor- 
schieben des  obturierenden  Steins  gelingt  oder  eine  Cysticotomie 
genügt.  Man  prüfe,  wie  die  Gallenblase  an  der  Leber  festsitzt,  ob 
eine  Ectomie  überhaupt  möglich,  ob  der  Hals  der  Gallenblase  sich 
isolieren  lässt,  und  wie  der  Pat.  beim  Ziehen  an  der  Gallenblase 
reagiert.  Nur  nach  reiflicher  Überlegung  soll  man  die  Ectomie  vor- 
nehmen. Ich  beginne  dieselbe  so,  dass  ich  zuerst  die  Galleublase 
von  dei-^Bauchwand  ablöse.  Dabei  ist  genau  darauf  zu  achten, 
dass  kein  Sekret  in  die  Bauchhöhle  fliesst,  und  dass  der  vor  der 
Operation  eingeführte  Gazestreifen  nicht  herausgezerrt  wird.  Ist 
er  vollgesogen,  so  führe  man  lieber  einen  neuen  Streifen  ein,  na- 
türlich mit  einem  Instrument,  welches  man  nicht  weiter  benutzt. 

21* 


—     324     — 

Nach  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Bauchwand  verschliesse 
ich  zuerst  das  Loch  in  der  Gallenblase  durch  eine  Muzeux- 
Zange  oder  durch  einige  Nähte,  und  dann  beginnt  die  typische 
Ectomie,  die  Ablösung  der  Gallenblase  aus  dem  Leberbett,  die 
Unterbindung  der  Art.  cystica,  die  Isolierung  des  Ductus 
cysticus  und  seine  Versorgung  durch  eine  Ligatui'.  Dass  man 
auch  dem  Choledochus  seine  Aufmerksamkeit  zuwendet,  versteht 
sich  von  selbst.  Ein  Pat.  kann  einen  Stein  im  Cysticus  und 
zugleich  einen  solchen  im  Choledochus  auch  ohne  Schmerzen  haben. 
Die  Tamponade  bei  sekundärer  Ectomie  ist  genau  so  aus- 
zuführen wie  bei  primärer.  Beim  Hakenschnitt  nähe  ich  sowohl 
den  Quer-  wie  den  Längsschnitt  völlig  und  leite  die  Tamponade 
(gewöhnlich  zwei  Tampons)  durch  das  Loch  in  der  Bauchwand 
heraus,  welches  durch  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Bauch- 
wand entstanden  ist.  Es  wird  also  der  primäre  Schnitt  für  die 
Tamponade  benützt.  (Nr.  68.)  Bei  der  Naht  des  Querschnitts, 
in  dem  gewöhnlich  einige  spritzende  Gefässe  zu  unterbinden  sind, 
muss  man  auf  ein  recht  sorgfältiges  Zusammenbringen  des 
durchschnittenen  Muse.  rect.  abd.  achten.  Ich  habe  nichts  da- 
gegen, wenn  man  hier  einige  Etagennähte  anlegt,  doch  kommt 
man  meist  mit  der  Durchstichknopfnaht  aus. 

e)  Die  sekundäre  Cysti  cotora  ie. 
Fast  nach  denselben  Prinzipien,  nach  denen  die  sekundäre 
Ectomie  ausgeführt  wird,  verfährt  man  bei  der  sekundären 
Cysticotoruie.  Meistenteils  genügt  hier  der  Schnitt  in  der  Mittel- 
linie, entfernt  genug  von  der  bestehenden  Schleimfi>;tel,  damit 
die  Asepsis  nicht  gestört  wird.  (Nr.  88.)  Einen  Querschnitt  hin- 
zuzufügen ist  nur  dann  nötig,  wenn  der  Längsschnitt  für  die  Frei- 
legung des  Ductus  cysticus  nicht  genügt.  Hat  man  die  Gallenblase 
isoliert  und  den  Ductus  cysticus  vor  sich,  so  urastopft  man  ihn 
erst  mit  sterilen  langen  genähten  Tupfern,  fixiert  den  Cysticussteia 
und  schneidet  direkt  auf  ihn  ein.  Man  vermeidet  es,  durch  die 
am  Hals  der  Gallenblase  liegende  Drüse  zu  schneiden  und  legt 
den  Schnitt  so,  dass  die  Nahtstelle  eventl.  mit  der  Leber  sofort 
verkleben  kann;  der  Schnitt  soll  so  gross  sein,  dass  der  Stein 
ohne  viel  Drücken  zu  entfernen  ist.  Nach  Entfernung  des  Steines 
schlingt  man  die  Wundränder  der  Incision  mit  Haltezügeln  von 
Seide  an  oder  fasst  dieselben  mit  König'schen  Klemmen.  Eine 
genaue    Sondierung   der   Gallenblase    und    des  Ductus  cysticus 


—     325     — 

ist  notwendig-,  «ni  sich  von  dem  Vorhandensein  weiterer  Steine 
zu  tiberzeugen.  Sind  alle  Steine  entfernt,  so  wird  der  Schnitt 
vernäht  durch  eine  Eeihe  Serosa-Muscularisnähte  mit  einigen 
Verstärkungen.  Die  Mucosa  wird  geschont,  damit  keine  Inkru- 
station der  Fäden  stattfinden  kann.  Fliesst  sofort  Galle  in  die 
Gallenblase,  so  kann  man  die  Naht  versenken;  der  vorsichtige  Chi- 
rurg wird  auf  die  Naht  einen  Gazetampon  führen  und  denselben  aus 
der  Bauchwunde  herausführen.  Die  Gallenblase  bleibt  im  übrigen 
unberührt,  und  an  der  Fistel  wird  nichts  vorgenommen,  wenn 
nicht  gerade  eine  Lippenfistel  vorliegen  sollte.  In  einem  solchen 
Fall  dürite  es  übrigens  keinen  Zweck  haben,  sich  erst  mit  der 
Cysticotomie  abzumühen,  man  würde  sofort  die  Ectomie  vor- 
nehmen. Überhaupt  bin  ich  der  Meinung,  dass  sekundäre  Cystico- 
tomien  zu  Gunsten  der  Ectomie  sehr  eingeschränkt  werden  sollten; 
primäre  Cysticotomien  haben  schon  mehr  Zweck,  wenn  bei  akuter, 
serös-eitriger  Entzündung  die  Gallenblase  nicht  exstirpiert  wird, 
man  aber  gern  den  obturierenden  Stein  im  Ductus  cysticus  sofort 
entfernen  möchte.  —  Ich  werde  auf  diesen  Punkt  noch  bei  der 
Wahl  der  Operationsmethoden  zurückkommen. 

Bei  kompleter  Gallenfistel  kommen  folgende  Eingriöe  in 
Betracht: 

1.  Die  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Bauchwand  mit 
und  ohne  Vernähung  der  Gallenblasenfistel. 

2.  Die  Choledochotomie  resp.  Hepaticusdrainage. 

3.  Die  Hepaticusdrainage  und  die  gleichzeitige  Ectomie. 

4.  Die  Ectomie. 

5.  Die  Cysto-Enterostomie. 

Zur  Auswahl  dieser  Operationsmethoden  bemerke  ich  Fol- 
gendes: 

Habe  ich  durch  das  Stöpselexperiment  die  ungefähre  Sicher- 
heit gewonnen,  dass  der  Choledochus  frei  ist,  so  begnüge  ich 
mich  mit  der  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Bauchwand. 
Man  kann  in  solchen  Fällen  das  Gallenblasenloch  zuitähen,  da 
ja  bei  der  langen  Nachbehandlung  das  Freisein  der  Gallenblase 
von  Steinen  und  Entzündung  sichergestellt  ist.  Docli  heilen 
solche  Ffsteln  auch  ohne  Naht,  wenn  nur  die  Zerrung  der  Gallen- 
blase an  der  Bauch  wand  aufhört.  Der  Pat.  sieht  es  aber  lieber, 
wenn  nach  der  Operation  keine  Galle  mehr  läuft,  und  deshalb 
kann  man  die  „Cystendyse"  vornehmen.  Bei  Lippenfisteln  ist 
dasselbe  Verfahren  angrezeifft. 


—     326     — 

Bei  Steinen  im  CholedochuS'  ist  Entfernung  derselben  not- 
wendig; dabei  kann  man  die  Gallenblase  unberührt  lassen  oder 
sie  entfernen. 

Die  Ectomie  allein  hätte  nur  Zweck,  wenn  die  Besichtigung 
der  Gallenblase  ergibt,  dass  sie  funktionsuntüchtig  ist,  oder  wenn 
wegen  vieler  Adhäsionen  Adhäsionsbeschwerden  zu  erwarten  sind. 

Die  Cysto-Enterostomie  kommt  in  Betracht  bei  Tumoren  des 
Pankreas,  bei  Pankreatitis  chronica,  bei  der  Unmöglichkeit,  den 
Choledochus  freizulegen.  Dem  geübten  Gallensteinchirurgen  wird 
das  fast  immer  gelingen,  und  deshalb  fällt  die  letzte  Indikation 
in  der  Regel  fort. 

Die  Ablösung  der  vorher  gereinigten,  mit  steriler  Gaze  trocken 
gelegten  und  tamponierten  Gallenblase  von  der  Bauchwand  kann 
man  unter  Seh  1  eich 'scher  Lokalanästhesie  vornehmen.  Doch 
rate  ich  zur  Chloroformnarkose,  da  sich  bei  der  Infiltration  die 
Grenzen  zwischen  Gallenblasenwand  und  Peritoneum  parietale 
leicht  verwischen.  Ich  durchschneide  die  alte  Narbe  und  löse 
die  Gallenblase  rings  vom  Perit.  parietale  ab;  das  gelingt  oft 
ohne  Eröffnung  der  Bauchhöhle  d.  h.  in  den  Adhäsionen;  wird 
die  Peritonealhöhle  eröffnet,  so  schadet  das  natürlich  auch  nichts. 
Dann  schneide  ich  den  narbigen  Teil  der  Gallenblasenfistel 
fort,  bis  ich  gesunde  Gallenblasenwandung  vor  mir  habe,  und 
nähe  die  (Gallenblase  mit  feiner  Seide  zu.  (Nr.  75,  Nr.  T(>.)  Die 
Fäden  fassen  breit  Serosa  und  Muscularis,  verschonen  aber  die 
Mucosa.  Vor  dem  Knoten  lege  ich  unter  jeden  Faden  Draht. 
Die  Fäden  werden  lang  gelassen,  um  später  in  toto  entfernt 
zu  werden.  Ein  steriler  Gazetampon  wird  auf  die  Naiit  geführt, 
die  Bauchdeckenwunde  im  übrigen  möglichst  verschlossen.  Nach 
14  Tagen  entferne  ich  sämtliche  Fäden  und  lasse  die  kleine 
Wunde  dann  durch  Granulation  heilen. 


•  f )  Die  sekundäre  Choledochotom  ie. 
Die  sekundäre  Clioledochotoniie  unterscheidet  sich  von  der 
primären,  was  Freilegung  und  Incision  des  Ganges  anlangt,  so  gut 
wie  nicht.  Nur  für  die  Schnittführung  empfehle  ich,  wenn  man 
die  Gallenblase  erhalten  will,  den  Längsschnitt  in  der  Mittel- 
linie (Nr.  94)  oder  den  Ilakenschnitt  nach  Czerny.  (Nr.  95.) 
Hat  man  von  vorneherein  vor,  Ectomie  und  Hepaticusdrainage 
auszufühien,    so   dürfte  der  Schnitt  am   besten  die  alte  Narbe 


—     327     — 

spalten.  Mao  löst  die  Gallenblase  von  der  Bauchwand  ab, 
exstirpiert  dieselbe  und  verfährt  nun  genau  so  wie  bei  der 
primären  Choledocbotomie  resp.  Hepaticusdrainage.   (p.  213.) 


g)  Die   sekundäre   Cysto-Enterostomie. 

Auch  diese  Operation  unterscheidet  sich  nur  in  wenigen 
Punkten  von  der  primären  Operation:  Die  lebhaft  fliessende 
Gallenfistel  —  und  diese  gibt  fast  nur  die  Indikation  zur 
Operation  ab  —  lässt  pathogene  Keime  in  der  Gallenblase  nicht 
aufkommen,  sodass  die  aseptischen  Vorbereitungen  auf  keine 
grossen  Schwierigkeiten  stossen.  Jedenfalls  sind  sie  leichter 
zu  überwinden,  wie  bei  Schleimfisteln.  Eine  Unannehmlichkeit 
muss  man  oft  mit  in  Kauf  nehmen,  das  ist  das  Vorhandensein 
von  Wundsein  der  Haut  rings  um  die  Fistel  und  häufig  sogar 
von  Eczem,  durch  die  Einwirkung  der  ausfliessenden  Galle 
bewirkt.  Einpuderung  von  Amylum,  Zinkoxydpasten  etc.  sind 
zur  Heilung  dieser  Eczeme  zu  verwenden.  Die  prophylaktische 
Behandlung  der  Eczeme  leistet  das  meiste.  Sobald  die  geringsten 
Zeichen  des  Wundseins  sich  einstellen,  muss  man  durch  häufiges 
Einschmieren   mit  Vaseline .  oder  Zinkleim   vorbeugend    wirken. 

Die  Schnittführung  zwecks  sekundärer  Cysto-Eiiterostoniie 
kann  wie  bei  der  sekundären  Ectomie  verschieden  sein,  und  wie 
dort  kann  man  sich  des  Wellenschnittes  oder  des  Hakenschnittes 
bedienen.  Da  wir  eine  Tamponade  bei  den  Anastomosen  zwischen 
Gallenblase  und  Darm  nicht  nötig  iiaben,  wird  man  gut  tun, 
die  alte  Narbe  zu  excidieren,  diese  samt  der  Gallenfistel  zu 
entfernen  und  dann  erst  den  Fundus  der  Gallenblase  soweit 
wegzuschneiden,  dass  man  nur  noch  ein  völlig  gesundes  Organ 
vor  sich  hat.  Nur  gesunde  Serosa-Flächen,  die  keine  Narben 
mehr  zeigen,  soll  man  zur  Naht  verwenden.  Die  weitere 
Technik  ist  bei  der  primären  Operation  beschrieben,  und  ich 
brauche  wohl  kaum  darauf  hinzuweisen,  dass  man  sich  vor  de- 
finitiver Vornahme  der  Anastomose  über  das  Hindernis  orientiert, 
welches  den  Gallenfluss  zum  Darm  hin  zum  Stocken  gebracht  hat. 
Findet  man  einen  Stein,  so  wird  eben  die  Cholecystcnterostomie 
hinfällig,  statt  ihr  käme  die  Choledocbotomie  resp.  Hepaticus- 
drainage in  Betracht,  bei  unaufgeklärtem  Hindernis,  bei  Obstruk- 
tionen durch  Tumoren  am  Pankreas,  Duodenum,  bei  Pankreatitis 
chron.    etc.  wird  die   Cysto-Enterostomie  anzuwenden  sein. 


—     328     - 

Übt  man  den  Hakenschnitt,  so  kann  man  die  Gallenblase 
von  der  Bauchhöhle  her  vom  Perit.  parietale  ablösen;  man  hilft 
von  der  Bauchwunde  her  nach  und  wird  schliesslich  hier  die 
Narbe  um  die  alte  Fistel  herum  excidieren  und  so  dem  Patienten 
zu  einer  festen  Narbe  verhelfen.  Der  Hakenschnitt  wird  völlig 
genäht,  eine  sicher  angelegte  Gallenblasen-Darmnaht  bedarf 
keiner  Tamponade,  im  Gegenteil,  sie  würde  wegen  der  Mög- 
lichkeit des  Eintritts  sekundärer  Infektion  nur  schädlich  wirken 
und  zu  einem  eventuellen  Nachgeben  der  Nähte  Veranlassung 
geben.  Ob  man  die  Gallenblase  mit  dem  Darm  oder  Magen  in 
Verbindung  bringt,  hängt  von  der  Art  des  einzelnen  Falles  ab, 
resp.  von  der  Zugänglichkeit  des  betreffenden  Darmabschnittes. 

Ganz  schwierig  sind  sekundäre  Anastomosen,  wenn  bereits 
vorher  eine  Anastomose  gemacht  ist,  die  aber  ihre  Funktionen 
einstellte  oder  die  von  vornherein  nicht  richtig  funktionierte.  Hier- 
her gehört  der  seinerzeit  lebhaft  besprochene  Fall  Waldeck- 
Rousseau.  Hier  war  eine  Anastomose  zwischen  Gallenblase 
und  Dünndarm  hergestellt.  Da  der  Cysticus  nicht  wegsam  war 
oder  vielleicht  auch  nach  der  Operation  unwegsam  wurde,  er- 
füllte die  Operation  ihren  Zweck  nicht.  Der  Ikterus  bestand 
weiter.  Mir  fiel  die  Aufgabe  zu,  einen  neuen  Abflussweg  der 
Galle  herzustellen.  Ich  habe  in  der  deutschen  med.  Wochen- 
schrift 1904^  Nr.  35  den  Fall  veröffentlicht  und  verweise  auf 
das  dort  Gesagte. 

10.  Einige  Winke  über  die  Auswahl  der  verschiedenen 
Operationsmethoden  auf  Grund  meiner  Erfahrungen. 

a)  Die  Vorteile  und  Nachteile  der  verschiedenen 
Operationen  am  Gallensystem. 
Die  Beschreibung  der  Technik  der  verschiedenen  Opera- 
tionen am  Gallensystem  hätte  wenig  Zweck,  wenn  man  nicht 
ihre  Vorteile  und  Nachteile  genau  auseinandersetzte  und  dem 
weniger  Erfahrenen  einen  Anhalt  gäbe,  welche  Methode  er  hier 
anwenden  und  dort  vermeiden  muss.  Ich  hatte  bereits  Gelegen- 
heit, bei  der  Beschreibung  der  ('ystendyse,  der  zweizeitigen 
Cystostomie  mich  in  dieser  Hinsicht  zu  äussern,  will  aber  ver- 
suchen, im  Zusammenhang  meine  Ansichten  mitzuteilen.  Ich 
glaube,  dass  man  bei  einem  Material  von  1000  Gallensteinope- 
rationen  allmählich   ein   Urteil  über   die  Zweckmässigkeit  der 


—     329     — 

verschiedenen   Operationsraethoden  bekommt,   und    dass  gerade 
der  folgende  Abschnitt  manchem  Leser  willkommen    sein  wird. 

Von  vorneherein  müssen  wir  darüber  klar  sein,  dass  der 
Stein  in  der  gut  zugänglichen  Gallenblase  eine  ganz  andere 
Operationsmethode  verlangt,  als  ein  Konkrement  im  tiefliegenden 
Choledochus.  Ist  die  Gallenblase  geschrumpft,  so  ist  die  gewöhn- 
liche einzeitige  Cystostomie  kaum  durchführbar,  weil  es  selten 
gelingen  wird,  das  Organ  so  an  das  Peritoneum  parietale  zu 
nähern,  dass  man  es  hier  sicher  fixieren  kann.  Eine  ulcerierte, 
schwer  beschädigte  Gallenblase  verfällt  am  besten  der  Ectomie, 
und  wenn  der  Stein,  fest  eingekeilt  im  Ductus  cysticus,  unseren 
Manipulationen  nicht  weicht,  so  bleibt  nichts  anderes  übrig, 
als  den  Cysticus  zu  öffnen  und  den  Stein  zu  extrahieren  oder 
die  Ectomie  auszuführen. 

Schon  aus  diesen  wenigen  Beispielen  geht  hervor,  dass  es 
töricht  ist,  mit  einer  Methode  in  allen  Fällen  auskommen  zu 
wollen ;  man  muss  sich  ganz  und  gar  nach  dem  Befunde  richten 
und  besonders  auf  etw^a  bestehende  Entzündungen  Rücksicht 
nehmen.  Die  Drainage  spielt  jedenfalls  in  der  Gallenstein- 
chirurgie die  Hauptrolle,  weil  wir  in  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl der  Fälle  wegen  entzündlicher  Prozesse  operieren.  Aus 
diesem  Grunde  bin  ich  im  Gegensatz  zu  Kocher  der  Meinung, 
dass  die  ideale  Methode  von  den  gebräuchlichen  Operations- 
methoden wegen  Cholelithiasis  auszuscheiden  ist.  Ich  gebe  zu, 
dass  lür  gewisse  Fülle  (offener  Cysticus,  gesunde  Gallenblasen- 
wandungen) die  ideale  Operation  passt,  doch  sind  wir  nie  sicher, 
dass  nach  der  Operation  auch  wirklich  alle  Steine  entfernt  sind. 
Auch  dann,  wenn  reine  Galle  durch  den  Cysticus  während  der 
Operation  abfliesst,  können  sich  Steine  in  Divertikeln  verstecken, 
aus  den  Falten  des  Cysticus  nachrücken  und  Beschwerden 
machen.  Da  wir  fast  immer  im  Stadium  der  Entzündung  ope- 
rieren, so  ist  nach  chirurgischen  Grundsätzen  eine  gründliche 
Drainage,  also  eine  Fistelbildung  am  Platze.  Die  Bemühungen 
verschiedener  Operateure ,  durch  die  extraperitoneale  ideale 
Methode  (Anheftung  der  entleerten  und  wieder  geschlossenen 
Gallenblase  an  das  Peritoneum  parietale)  die  Nachteile  der  Fistel- 
bildung zu  vermeiden  und  die  Vorteile  der  idealen  Methode  aus- 
zunützen, kann  ich  nur  als  einen  Rückschritt  auf  dem  Gebiete 
der  Gallensteinchirurgie  bezeichnen.     Es  bleiben  also  zur  Ent- 


—     330     — 

fernung  der  Steine  in  der  Gallenblase  nur  die  Cystostomie  (ein- 
zeitig oder  zweizeitig)  und  die  Cystectomie  übrig. 

Ist  die  Wandung  der  Gallenblase  gesund  und  ihre  Ein- 
nähung in  die  Bauchwunde  gut  ausführbar,  so  kann  man  sich 
mit  der  einzeitigen  Cystostomie  begnügen.  Zweizeitig  zu  ope- 
rieren hat  in  solchen  Fällen  gar  keinen  Zweck,  denn  bei  gut 
ausgeführter  einzeitiger  Cystostomie  können  wir  eine  Infektion 
sicher  ausschliessen.  Und  das  ist  doch  der  einzige  Vorteil  der 
zweizeitigen  Operation,  dass  sie  eine  Infektion  der  Peritoneal- 
höhle kaum  zu  Stande  kommen  lässt.  Sonst  hat  sie  nur  Nach- 
teile :  Schwierigkeiten  in  der  Entfernung  tiefsitzender  Steine, 
zweimalige  Operation  etc.  Bei  tiefliegender  geschrumpfter  Gallen- 
blase hat  man  die  ^^'ahl  zwischen  zweizeitiger  Cystostomie,  dem 
Schlauch  verfahren  und  der  Cystectomie.  Wenn  es  irgendwie 
geht,  entferne  ich  die  Gallenblase,  da  sie  geschrumpft  und  für 
den  Organismus  wertlos  geworden  ist.  Besser  als  die  zwei- 
zeitige Methode  ist  das  Schlauchverfahren,  obgleich  bei  An- 
wendung desselben  eine  Infektion  der  Peritonealhöhle  nicht 
sicher  vermieden  werden  kann  (Nr.  30);  aber  bei  der  zweizeitigen 
Operation  ist  die  Entfernung  tiefsteckender  Steine  geradezu 
unmöglich,  so  dass  man  gezwungen  werden  kann,  noch  eine 
zweite,  sehr  schwierige  Operation  (Cysticotomie ,  Cystectomie) 
folgen  zu  lassen.  Ganz  zu  entbehren  ist  die  zweizeitige  Ope- 
ration nicht  (bei  schlechten  Narkosen,  grosser  Schwäche  des 
Patienten);  ich  persönlich  habe  sie  unter  den  letzten  200  Ope- 
rationen nur  ein  einziges  Mal  nötig  gehabt  und  sie  nur  an- 
gewandt, wenn  weder  Ectomie  noch  einzeitige  Cystostomie  möglich 
war.    (Nr.  3 — 5.) 

War  die  Gallenblase  mit  der  Bauchwand  verwachsen,  so  wird 
man  sich  mit  der  einfachen  Incision  der  Gallenblase  begnügen, 
ohne  dabei  die  Bauchhöhle  zu  eröffnen.  Die  Entfernung  tief- 
steckender Steine,  welche  sich  durch  die  Entstehung  einer 
Schleimfistel  dokumentieren,  geschieht  si)äter  von  der  Gallen- 
fistel aus  mit  Kornzangen  und  Löff"eln  und,  wenn  num  so  nicht 
zum  Ziele  kommt,  durch  eine  zweite  Laparotomie  (in  der  Mittel- 
linie). 

Ist  die  Gallenblase  entartet,  ulcerös  verändert,  der  Cysticus 
obliteriert,  so  kommt  die  Ectomie  in  Betracht.  Macht  diese 
wegen  fester  Verbindung  mit  der  Leber  grosse  Schwierigkeiten, 
so  kann  man  sich  mit  einer  partiellen  Pk'tomie  begnügen,  d.  h. 


—     331     — 

die  an  der  Leberunterfläche  festhaftende  Gallenblasenwand  stehen 
lassen,  um  entweder  die  Schleimhaut  allein  zu  exoidieren  oder 
mit  dem  Paquelin  zu  zerstören.  Eine  weitere  Indikation  zur 
Excision  der  Gallenblase  bildet  der  chronische  Cysticusverschluss 
dureh  einen  Stein.  Die  Gallenblase  ist  ja  schon  längst  ausser 
Kurs  gesetzt,  der  Patient  hat  sich  also  an  ihren  Ausfall  gewöhnt. 
Bei  Stein  im  Cysticus  kommt  die  Cysticotomie  dann  in  Betracht, 
wenn  schwere  entzündliche  Vorgänge  die  Gallenblasenexcision 
verbieten  (bei  akuter  serös-eitriger  Cholecystitis).  Ich  habe  die 
Cysticotomie  zu  Gunsten  der  Ectomie  in  den  letzten  Jahren 
wesentlich  eingeschränkt. 

Wir  sehen  also,  dass  jede  Operationsmethode  ihre  Indikation 
hat  und  können  nur  empfehlen,  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden 
und  sich  nicht  von  vornherein  auf  den  Standpunkt  zu  stellen, 
dass  man  mit  einer  Operationsmethode  alle  Fälle  behandeln  solle. 

Die  Ectomie  ist  in  den  letzten  Jahren  von  mir  häufiger 
geübt  worden,  da  man  bei  Entfernung  des  Organs  zugleich  die 
Hauptbildungsstelle  der  Cholelithen  entfernt  und  so  vor  einem 
Eecidiv  am  meisten  geschützt  ist.  Erhält  man  die  Gallenblase, 
so  kann  es  wenigstens  zu  Entzündungsrecidiven  kommen,  und 
selbst  die  Möglichkeit  des  echten  Recidivs  ist  nicht  ganz  von 
der  Hand  zu   weisen. 

In  manchen  Fällen  (bei  sehr  beweglichen  Lebern,  schlaffen 
Bauchdecken)  ist  die  Ectomie  leichter  als  die  Cystostomie 
und  verdient  deshalb  als  radikalste  Meihode  den  Vorzug  der 
Fistelbilduiig  gegenüber.  (Nr.  45.)  In  vielen  Fällen  ist  die 
Ectomie  unausführbar  und  deshalb  durch  eine  Fistelbildung 
zu  ersetzen ;  besonders  bei  Männern  mit  straften  Bauchdecken 
ist  die  Ectomie  keine  leichte  Operation  und  am  besten  durch 
die  Cystostomie  zu  ersetzen.    (Nr.  10,  Nr.  21.) 

Man  kann  sagen,  dass  im  allgemeinen  die  akuten  entzünd- 
lichen und  eitrigen  Fälle  sich  am  meisten  zu  einer  Cystostomie 
eignen:  hier  kommt  es  in  erster  Linie  auf  die  Entfernung  des 
infektiösen  Exsudats,  erst  in  zweiter  Linie  auf  die  Beseitigung 
der  Steine  an,  während  die  chronischen  Formen  der  Cholelithiasis, 
die  man  im  entzündungsfreien  Intervall  operiert,  am  passendsten 
mit  der  Ectomie  behandelt  werden  (Ähnlichkeit  mit  den  Ope- 
rationen an  der  Appendix  coeci). 

Noch  hinzufügen  will  ich,  dass  jene  Gallenblasen,  welche 
keine  Steine  mehr  enthalten ,  die  aber  mit  dem   Magen ,   Darm 


—     332     — 

oder  Netz  verwachsen  sind,  am  besten  excidiert  werden.  Wenn 
man  auch  durch  die  Lösung  der  Adhäsionen  häufig  zum  Ziel 
kommt,  so  heilt  man  die  Kranken  am  sichersten,  wenn  man  das 
Organ  vollständig  entfernt.  AVeil  die  Gallenblase  dann  fehlt, 
kann  es  nicht  wieder  zu  einer  Stauung  und  Spannung  in -der 
Gallenblase  kommen. 

Für  den  chronischen  Steinverschluss  des  Choledochus  ist 
die  Choledochotomie  mit  nachfolgender  Hepaticusdrainage  das 
beste  Verfahren.  Die  Zertrümmerung  der  Steine  im  Choledochus 
sollte  nie  absichtlich  geschehen  ;  zerbricht  einmal  ein  Stein  bei  der 
Fixation  desselben,  so  soll  man  sich  mit  dieser  unfreiwilligen 
Choledochotripsie  nicht  begnügen  und  sich  erinnern,  dass  die 
Trümmer  zur  Neubildung  von  Konkrementen  Veranlassung  geben 
können.  Ich  empfehle  daher  in  einem  solchen  Falle  sofort  den 
Gang  aufzuschneiden  und  die  Hepaticusdrainage  anzuschliessen. 
Die  Choledochotripsie,  welche  Kocher  ein  „vorzügliches  Ver- 
fahren" nennt,  muss  als  Operationsmethode  völlig  ausge- 
merzt werden.  Die  Ausräumung  des  Choledochus  von  der 
Gallenblase  aus  (nach  Rose- Kuhn)  ist  mir  bei  über  200  Chole- 
dochotomien  sehr  selten  gelungen:  den  Konservativismus  in  det 
Gallensteinchirurgie  gar  zu  weit  zu  treiben,  ist  nicht  angebracht, 
da  man  sonst  nur  unvollständige  Heilungen  erzielen  wird.  Die 
Steine  liegen  häufig  mehr  leberwärts  im  Choledochus,  sodass 
man  sie  von  der  Gallenblase  aus  gar  nicht  erreicht,  und  dann 
ist  eine  glatte  Incision  des  Choledochus  weniger  eingreifend  wie 
das  Einführen  von  Instrumenten  im  Dunkeln  und  das  Quetschen 
und  Einreissen  der  Schleimhaut  der  tiefen  Gallengänge.  Nur 
bei  sehr  weitem  Cysticus  ist  eine  Ausräumung  des  Choledochus 
von  der  Gallenblase  aus  möglich.  —  Einige  Chirurgen  empfehlen 
zuerst  eine  Cystostomie  zu  machen  und  einige  Wochen  später 
den  Choledochusstein  in  Angriff'  zu  nehmen.  Man  verringert 
dadurch  die  Gefahr  der  Infektion,  doch  dürfte  es  für  den  tech- 
nisch ausgebildeten  Operateur  richtiger  sein,  wenn  man  sofort 
die  Choledochusobstruktion  beseitigt.  Eine  zweizeitige  Chole- 
dochotomie käme  in  Betracht,  wenn  der  Patient  so  schwach  ist, 
dass  man  die  Operation  abbrechen  muss.  Man  stopft  die  Wunde 
mit  steriler  Gaze  aus,  um  nach  14  Tagen  auf  den  Stein  ein- 
zuschneiden. Doch  kann  es  natürlich  vorkommen ,  dass  in  der 
Zwischenzeit  das  Konkrement  seinen  Platz  geändert  hat.  Im 
allgemeinen   ist  die  Methode   unsicher  und  tendiert  zu  grossen 


—     383     — 

Hernien.  Die  extraperitoneale  Choledochotomie  von  einem 
Lendenschnitt  aus  nach  Tuffier  sollte  man  nur  sekundär  vor- 
nehmen, wenn  die  Gallenblase  leer  ist  und  es  absolut  nicht 
gelingt,  von  vorneher  den  Choledochusstein  zu  entfernen  (Ad- 
häsionen, Fisteln  zwischen  Gallenblase  und  Darm).  Man  stopft 
die  Wundhöhle  bis  auf  den  Choledochus  mit  steriler  Gaze  aus 
und  entfernt  nach  14  Tagen  die  Tampons,  um  dann  unter 
Leitung  einer  sehr  dicken  Sonde  von  hintenher  extraperitoneal 
vorzugehen. 

Die  Cholecysto-Enterostomie  ist  indiciert,  sobald  die  Chole- 
dochotomie ganz  unmöglich  ist  (wegen  Verwachsungen ,  tiefer 
Lage  des  Choledochus),  oder  wenn  chronische  Entzündung  im 
Pankreaskopf  vorliegt.  Mir  ist  es  unter  mehr  als  200  Clioledocho- 
tomien  immer  gelungen,  den  Stein  zu  entfernen,  so  dass  ich  zwei- 
zeitige Choledochotomien ,  die  Tuff  ier'sche  Methode  oder  eine 
Cysto-Enterostomie  wegen  Choledochussteinen  nie  auszuführen 
brauchte. 

Es  ist  für  den  Leser  gewiss  von  Literesse,  die  Lidikationen 
zur  Cystoslomie  und  Ectomie  kennen  zu  lernen,  nach  denen 
andere  Chirurgen  zu  operieren  gewohnt  sind. 

Einen  Standpunkt,  der  sich  mit  deni  meinigen  so  ungefähr 
deckt,  nimmt  Richardsonein,  der  zu  folgenden  Leitsätzen  kommt : 

1)  Gewisse  Erkrankungen,  so  besonders  Geschwulst  und 
Gangrän,  erfordern  naturgemäss  die  Exstirpation  der 
Gallenblase. 

2)  Gewisse  andere  Erkrankungen,  z.  B.  geschrumpfte  und 
entzündete  Gallenblase,  lassen  besonders  bei  verdickter 
Wandung  die  ?]xstirpation  als  das  rationellere  Verfahren 
erscheinen.  Dasselbe  gilt  von  der  Gallenblase,  bei 
welcher  eine  leichte  und  sicher  wirkende  Drainage  nicht 
ausführbar  ist,  da  bei  derartigen  Fällen  das  Risiko  der 
Drainage  grösser  ist,  als  das  der  Exstirpation. 

8)  Bei  erweiterter  und  infizierter,  sowie  bei  verdickter  und 
steinhaltiger  Gallenblase  ist  die  Drainage  vorzuziehen, 
denn  nach  sorgfältiger  Drainierung  werden  derartig  affi- 
zierle  Gallenblasen  wieder  völlig  normal  und  können  dem- 
gemäss  ihre  Funktionen  wieder  aufnehmen.  Die  Gallen- 
gänge werden  dann  ebenfalls  genügend  drainiert,  nach- 
dem die  zeitweilige  Schwellung,  welche  sich  um  den 
Ductus  cysticus  etabliert  hatte,  geschwunden  ist. 


—     334     — 

4)  Bei  akuter  Cholecystitis  mit  schweren  Allgemeinsym- 
ptomen kommt  es  mehr  auf  die  Drainage  als  auf  Ex- 
stirpation  an. 

5)  Bei  chronischer  Cholecystitis,  verbunden  mit  Erweiterung 
und  Verdickung  der  Gallenblase,  schreite  man  zur  Exstir- 
pation,  besonders  wo  es  sich  zugleich  um  die  Einklemmung 
eines  Steines  in  den  Ductus  cysticus  handelt,  es  sei  denn, 
dass  man  denselben  nach  rückwärts  in  die  Gallenblase 
schieben  kann.  Im  letzteren  Falle  ist  die  Drainage 
jedenfalls  zum  mindesten  der  Exstirpation  gleichwertig. 

6)  Bei  einfacher  Cholelithiasis  ohne  sichtbare  Zeichen  von 
Infektion  oder  sichtbaren  Gewebsveränderungen  ist  die 
einfache  Drainage  vollständig  ausreichend. 

7)  Bei  chronischer  Pankreatitis  mit  oder  ohne  Cholelithiasis 
soll  man  durch  die  Gallenblase  drainieren.  Cholecyst- 
ectomie  wäre  in  einem  solchen  Falle  unberechtigt,  zu- 
mal später  eine  Wiedereröifnung  der  Gallenwege  indiziert 
sein  könnte. 

Zu  ähnlicher  Indikationsstellung  kommt  Szuman: 

1.  In  den  meisten,  eine  chirurgische  Behandlung  erfordernden 
Gallensteinanfällen  genügt  die  einzeitige  Cystostomie 
zur  Herbeiführung  einer  völligen  und  dauernden  Heilung. 

2.  Komplizierte  Fälle,  in  denen  nebst  der  Gallenblase  auch 
die  Gänge  von  schweren  Veränderungen  (Ulceration  der 
Blasen  wand  und  Perforation,  Cysticusverschluss,  septische 
Cholangitis)  betroffen  sind,  erheischen  eine  Kadikai- 
operation, d.  h.  Cystectomie  mit  Hepaticusdrainage. 

3.  Eine  Obliteration  des  Choledochus  kontraindiziert  die 
Cholecystectomie,  und  kommt  in  diesen  Fällen  eine  Cysto- 
oder  Choledochoenterostomie,  resp.  eine  Cysticoentero- 
stomie  in  Betracht. 

4.  Bei  Vorhandensein  von  Steinen  und  sekundären  Ver- 
änderungen in  den  tieferen  Gängen  und  bei  bestehender 
Atrophie  der  Blase  ist  die  Choledochotomie  mit  Drai- 
nage angezeigt.  Die  geschrumpfte  (iallenblase  lässt 
man  unberührt. 

5.  Bei  Beschränkung  des  Prozesses  auf  die  Gallenblase 
allein  und  postoperativer  oder  spontanf^r  Blasenfistel- 
bildung  kann  man,  wenn  die  übrigen  Gallenwege  sicher 
frei  sind,   und  die  Galle  nicht  infektionsverdächtig  er- 


—     835     — 

scheint,  nach  Ausführung  der  Ectomie  von  einer  Drai- 
nage absehen. 
Die  Cho  lecy  s  tec  to  m  ie  ist  nach  Robson  in  folgenden 
Fällen  von  Gallensteinerkrankung  indiziert: 

1.  bei  phlegmonöser  Cholecystitis; 

2.  bei  Gangrän  der  Gallenblase; 

'S.  bei  Geschvvürsbildung  und  Perforationen  der  Gallenblase; 

4.  bei  chronischer  Cholecystitis,  wenn  die  Gallenblase  ge- 
schrumpft und  zu  klein  ist,  um  sicher  drainiert  zu  werden, 
und  der  Choledochus  frei  ist; 

5.  bei  Schleimfistel   infolge   von  Obliteration  des  Cysticus; 

6.  bei  Hydrops  der  Gallenblase  inTblge  von  Obliteration  des 
Cysticus,  sowie  bei  Fällen,  in  denen  die  Gallenblase  stark 
dilatiert  ist; 

7.  bei  Fällen  von  Empyem,  wo  die  Gallenblasenwand  sehr 
angegriffen  ist. 

Ich  stehe  bei  der  Behandlung  der  akuten  Cholecystitis, 
was  die  Operationsmethode  anlangt,  auf  einem  andern  Stand- 
punkt wie  Körte  und  besonders  Riedel,  welche  die  Ectomie 
empfehlen,  während  ich  für  das  Gros  der  Fälle  die  Cystostomie 
angewendet  wissen  möchte.  Es  ist  ja  richtig,  dass  man  durch 
die  Entfernung  der  Gallenblase  zugleich  das  Mikroorganismen- 
Nest  gründlich  ausnimmt  resp.  aus  der  Bauchhöhle  eliminiert, 
aber  mir  scheint  die  Operation  zu  eingreifend,  und  ich  glaube,  mehr 
Menschen  am  Leben  zu  erhalten,  wenn  ich  die  Cystostomie  empfehle. 
Nachdem  ich  nunmehr  1000  Operationen  ausgeführt  habe  und  die 
Technik  so  ziemlich  beherrsche,  halte  ich  die  Entfernung  einer 
frisch  entzündeten,  stark  vergrösserten  Gallenblase  für  einen  zu 
schwierigen  Eingriff,  als  dass  ich  denselben  allgemein  empfehlen 
könnte.  Umgekehrt  ectomiere  ich  im  Intervall  häufiger,  wo 
andere  Chirurgen  sich  mit  der  Cystostomie  begnügen. 

Dass  an  Stelle  der  Naht  des  Choledochus,  wenn  irgend 
möglich,  die  Hepaticusdrainage  resp.  die  offene  Wundbehandlung 
zu  setzen  ist,    ist  für  mich   zur  vollen  Überzeugung  geworden. 

Auch  i^i  diesem  Punkte  stehe  ich  zu  Riedel  in  schroffem 
Gegensatz,  Körte  scheint  wie  ich  für  die  Hepaticusdrainage 
zu  stimmen.  Steine  im  retroduodenalen  Teil  des  Duodenum 
resp.  in  der  Papille  sollen,  wenn  sie  nicht  leicht  dem  Drucke  der 
Finger  folgen,  herausgeschnitten  werden.  Kraske  hat  ganz 
recht,    wenn    er    behauptet,    dass    die  Incision    dem   Quetschen 


—     336     — 

vorzuziehen  ist.  Ich  habe  in  lO^jo  die  Incision  nötig  gehabt, 
Riedel  überhaupt  nicht.  Über  dieses  rätselhafte  gegensätzliche 
Verhalten  habe  ich  mich  bei  der  transduodenalen  Choledocho- 
tomie  geäussert. 

Ich  will  die  Vorteile  und  Nachteile  der  Cystostomie  und 
Ectomie,  der  Choledochusnaht  und  Hepaticusdrainage  bei  der 
Wichtigkeit  der  Sache  noch  einmal  gegenüberstellen. 

Der  Vorteil  der  Cystostomie  liegt  besonders  darin,  dass 
sich  die  Operation  mehr  an  der  Oberfläche  abspielt  und,  da  wir 
kein  Lebergewebe  zu  verletzen  brauchen,  wenig  blutig  und 
gefährlich  ist.  Zudem  ist  die  Operationsgefahr  sehr  gering.  Wenn 
wir  aber  darauf  sehen,  womöglich  den  Cysticus  frei  zu  machen, 
so  müssen  wir  doch  schon  in  die  Tiefe  gehen  und  mit  dem 
Finger  am  Hals  der  Gallenblase  oft  stark  drücken,  um  den 
obturierenden  Stein  hier  zu  entfernen.  Ein  weiterer  Vorteil  der 
Cystostomie  beruht  darauf,  dass  wir  von  der  Fistel  aus  bei 
übersehenen  Steinen  im  Choledochus  durch  Sondierung  und 
Bougierung  etc.  manchmal  eine  Freimachung  des  tiefen  Ganges 
bewerkstelligen  können.  Kuhn  schlägt  diesen  Vorteil  sehr  hoch, 
ich  sehr  gering  an.  Zudem  ist  die  Cystostomie  etwas  ungefähr- 
licher wie  die  Ectomie  —  vielleicht  um  2'^/o  — ,  aber  sie  hat 
soviel  Nachteile,  dass  sie  erst  dann  zur  Ausführung  kommen 
sollte,  wenn  die  Ectomie  nicht  möglich  ist. 

Die  Nachteile  der  Cystostomie  beruhen  1.  auf  der  Mög- 
lichkeit, dass  man  leicht  kleine  Steine  im  Cysticus  übersieht, 
2.  auf  dem  häufigen  Vorhandensein  von  Ulcerationen  im  Hals, 
die  später  zu  Obliterationen  und  3.  zu  Schleimfisteln  führen; 
4.  durch  die  Anheftung  der  Gallenblase  an  die  Bauchwand 
kann  es  zu  Zerrungen  (Nr.  12),  zu  Abknickungen  am  Choledochus, 
zu   erneuter   Entzündung  und    zu   falschen  Rezidiven   kommen. 

Gallenfisteln  sind  keine  Nachteile  der  Cystostomie,  bei  guter 
Technik  sind  sie  vermeidbar,  wo  sie  trotz  guter  Technik  ent- 
stehen, beweisen  sie,  dass  der  Choledochus  noch  nicht  frei  ist, 
und  geben  somit  das  Signal,  dass  der  Fall  noch  nicht  geheilt 
ist  und  weitere  Massnahmen  nötig  sind. 

Die  Ectomie  habe  ich  Anfangs  der  90er  Jahre  nur  dann 
vorgenommen,  wenn  die  Gallenblase  nichts  mehr  wert  war, 
wenn  sie  ulceriert,  perforiert  oder  gar  carcinomatös  entartet 
war.  Später  excidierte  ich  auch  ganz  gesunde  Gallenblasen, 
da  die  Operation   in  wenigen  Minuten   beendet   werden   konnte 


—     337     — 

und  deshalb  oft  leichter  war  wie  die  leichteste  Cystostomie. 
Die  Nachteile  der  Cystostomie  —  das  Übersehen  von  kleinen 
Steinen  in  den  Falten  des  Cysticus,  die  Unkontrollierbarkeit 
des  Gallenblaseninnern,  die  relative  Häufigkeit  von  Ulcerationen 
im  Gallenblasenhals,  die  zu  Obliterationen  und  danach  zu  den  un- 
angenehmen Schleimfisteln,  selbst  zur  Carcinomentwicklung 
(Nr.  67.)  führten,  —  diese  Nachteile  lernte  ich  eigentlich  erst 
durch  die  Ectomie  kennen.  Die  Tatsache,  dass  die  Gallenblase 
die  Hauptbildungsstätte  der  Cholelithen,  und  dass  sie  bei  der 
Revision  des  Cysticus  und  Choledochus  dem  Operateur  ira  Wege 
ist,  lernte  mich  das  Organ  immer  mehr  verachten,  und  so  kam 
es,  dass  ich,  je  mehr  ich  operierte,  um  so  öfter  zur  Excision 
schritt.  Dabei  machte  ich  die  Beobachtung,  dass  Patienten 
ohne  Gallenblase  die  besten  Dauerheilungen  boten  und  nicht 
wieder  an  Entzündungs-  und  Adhäsionskoliken  erkrankten.  Die 
Fälle,  in  denen  ich  die  Gallenblase  zurückgewünscht  hätte  —  bei 
übersehenen  Steinen  im  Choledochus  —  kamen  so  selten  vor, 
dass  ich  keine  Veranlassung  hatte,  meinen  Krieg  gegen  die 
Gallenblase  bis  aufs  Messer  aufzugeben.  Es  ist  ja  richtig, 
dass  ein  kleiner  Stein,  der  im  Choledochus  zurückblieb,  nach 
ausgeführter  Cystostomie  von  der  Fistel  aus  durch  Ausspülungen 
(Kuhn)  gefunden  und  beseitigt  werden  kann,  aber  wenn  man 
sogleich  zur  Ectomie  die  Hepaticusdrainage  fügt,  übersieht  man 
so  leicht  keinen  Stein,  und  kommt  das  doch  vor,  so  kann  man 
ihn  während  der  Nachbehandlung  aus  dem  Choledochus  heraus- 
spülen. So  sehr  ich  die  Ausspülungen  der  Gallengänge  nach 
der  Hepaticusdrainage  empfehle,  so  wenigen  praktischen 
Wert  messe  ich  denselben  bei  der  Cystostomie  bei,  um  dem 
Stein  im  Choledochus  beizukommen.  Hier  soll  man  wenn  mög- 
lich nicht  Cystostomien ,  sondern  Ectomien  machen  und  zur 
Exstirpation  der  Gallenblase  die  Hepaticusdrainage  hinzu- 
fügen. 

Ich  nehme  also  bei  der  Ectomie  nicht  mehr  Rücksicht,  ob 
das  Organ  krank  oder  gesund  ist,  sondern  ich  richte  mich  haupt- 
sächlich danach,  ob  die  Gallenblase  überhaupt  exstirpierbar  ist. 
Besonders  bei  den  akuten  Fällen,  bei  denen  der  Hals  sehr  ver- 
dickt ist,  ist  die  Excision  ein  technisch  sehr  schwieriger  EingriflF, 
den  ich  durch  die  Fistelanlegung  ersetzt  wissen  möchte.  Ebenso 
ist  bei  Männern,  bei  denen  die  Hantierung  in  der  B9,uchböhle 
auch   bei   tieter   Narkose  unangenehmes  Würgen   und  Pressen 

Kehr,  Technik  der  Gallenateinoperationen.    I.  ^2 


—     338     — 

hervorruft,  die  Cystostomie  der  Ectomie  vorzuziehen.  Setzt 
man  in  solchen  Fällen  mit  aller  Gewalt  die  Ectomie  durch,  so 
hat  man  schlechte  Erfolge  und  vergrössert  ganz  unnütz  die 
Mortalität  der  Gallensteinoperationen. 

Körte  und  Riedel  möchten  auch,  wie  bereits  oben  bemerkt, 
bei  akuter  Eiterung  der  Gallenblase  ectomieren  ;  ich  stimme  ihnen 
bei,  wenn  es  sich  um  die  phlegmonöse  und  nekrotisierende  Form 
der  Cholecystitis  handelt.  Man  entfernt  mit  einem  Schlag  das 
ganze  gefährliche  Organ  und  beseitigt  so  am  schnellsten  den  Infek- 
tionsherd. Aber  so  leicht  ist  die  Ectomie  einer  akut  entzündeten 
Gallenblase  doch  nicht,  dass  man  die  Excision  als  Normalmethode 
hinstellen  könnte.  Es  gehört  schon  eine  sehr  erprobte  Technik 
dazu ,  wenn  man  solche  Operationen  ohne  Schaden  für  den 
'  Kranken  glücklich  durchführen  will.  Ich  selbst  habe  genug 
akut  entzündete  Gallenblasen  mit  Erfolg  exstirpiert,  neige  aber 
in  solchen  Fällen  mehr  der  Erhaltung  der  Gallenblase,  d.  h. 
der  Cystostomie  zu.  —  Dass  einmal  in  einer  erhaltenen  Gallen- 
blase nach  Cystostomie  sich  nachträglich  noch  ein  Carcinoni  ent- 
wickeln kann,  ist  richtig  (Nr.  67),  doch  ist  das  Carcinom  der 
Gallenblase  relativ  so  selten,  dass  es  bei  der  Frage,  ob  Cysto- 
stomie oder  Ectomie,  schwerlich  den  Ausschlag  geben  kann. 

Die  A'orleile  der  Hepaticusdrainage  gegenüber  der  Chole- 
dochotomie  mit  Naht  sind  bereits  bei  der  Beschreibung  der 
Operationen  selbst  erörtert  und  werden  noch  bei  der  Nach- 
behandlung hervorgehoben  werden,  so  dass  ich  mich  hier  ganz 
kurz  fassen  und  folgende  Sätze  formulieren  kann : 

1.  Bei  der  Choledochotomie  mit  Naht  hat  man  in  15 — 20"/o 
der  Fälle  unechte  Rezidive  (d.  h.  zurückgelassene  Steine),  bei 
der  Ilepaticusdrainage  nur  in  2^/,). 

2.  Die  Ilepaticusdrainage  ist  rascher  zu  erledigen  wie  die 
Choledochotomie  mit  Naht  und  ist  deshalb  ungefährlicher. 

3  Die  Hepaticusdrainage  beseitigt  rascher  die  im  Gang 
mehr  oder  weniger  ausgebildete  Entzündung  wie  die  Chole- 
dochotomie mit  Naht,  auch  deshalb  sind  die  Erfolge  der 
Hepaticusdrainage  besser. 

Diese  Vorteile  sollte  man  recht  benutzen  und  deshalb  der 
Ilepaticusdrainage  vor  der  Choledochotomie  mit  Naht  den 
Vorzug  geben! 

Nachteile  der  Hepaticusdrainage  könnten  dadurch  ent- 
stehen, dass  von  aussen  her  durch  das  eingeführte  Rohr  eine  Ent- 


—     339     — 

zündunü:  der  Lebergänge  zu  Stande  käme.  Ich  habe  etwas 
derartiges  nie  beobachtet,  und  dann  könnte,  wie  auch  Törn- 
quist  hervorhebt,  eine  narbige  Verengerung  des  Chole- 
dochus  zu  Stande  kommen.  Auch  in  dieser  Beziehung  kann 
ich  jedes  Bedenken  zerstreuen,  ja  ich  glaube,  dass  durch  die 
Naht  eher  eine  Stenose  erzeugt  werden  kann,  wie  durch  die 
Hepaticusdrainage.  Natürlich  ist  diese  Methode  noch  ein  zu 
junger  Eingriff,  als  dass  man  zu  einem  endgiltigen  Urteil 
berechtigt  ist,  aber  ich  habe  in  den  7  Jahren,  in  denen  ich  die 
Hepaticusdrainage  übe,  noch  keinen  Operierten  über  Beschwer- 
den klagen  hören,  die  auf  eine  Stenose  des  Choledochus  hin- 
deuteten; in  den  Fällen,  in  denen  ich  nach  einer  Hepaticus- 
drainage zum  zweiten  Male  operieren  musste,  habe  ich  nicht  eine 
Verengerung  des  Gangs,  sondern  vielmehr  oft  eine  Erweiterung 
desselben  feststellen  können.  Es  sind  also  die  Vorteile  der 
Hepaticusdrainage  so  in  die  Augen  springend,  dass  man  sie, 
wo  nur  möglich,  anw^enden  sollte.  Bei  sehr  engem  Hepaticus 
(Nr.  96),  bei  tiefer  Lage  des  Gangs,  ist  die  Hepaticusdrainage 
schwer  durchführbar,  und  da  auch  in  solchen  Fällen  die  Naht 
technisch  nicht  leicht  ist,  wird  man  die  Choledochotomie  ohne 
Naht  mit  reichlicher  Tamponade  ausführen  müssen. 

b)  Die  liistorische  Entwicklung  der   Gallenstein- 
chirurgie in  meiner  Klinik. 

Während  meiner  über  2  Jahre  währenden  Assistentenzeit  an 
der  Klinik  des  Herrn Oeheimrat  Meusel  und  am  Krankenhaus  in 
Gotha  hatte  ich  nie  Gelegenheit  gehabt,  eine  Gallensteinoperation 
zu  sehen.  Audi  während  meiner  Studien  nach  dem  Staatsexamen 
in  Wien  und  Berlin  sah  ich  keinen  Chirurgen  eine  'solche  Ope- 
ration ausführen. 

Meine  erste  Gallensteinoperation  führte  ich  in  meiner  Privat- 
klinik in  Halberstadt  am  22.  Mai  1890  aus.  Ein  reiner  Zufall 
führte  mir  diese  Pat.  zu.  Es  handelte  sich  um  ein  älteres 
Mädchen,  das  alle  Erscheinungen  der  Pylorusstenose  hatte,  viel 
Erbrechen,  Magenerweiterung.  Als  Ursache  fand  ich  bei  der 
Untersuchung  einen  grösseren  Tumor  rechts  von  der  Mittellinie, 
den  andere  Ärzte  und  ich  für  einen  carcinomatösen  Pylprus 
hielten.  Aber  durch  die  Operation  stellte  sich  heraus,  dass  wir 
uns  geirrt  hatten:  der  Tumor  war  die  mit  Steinen  angefüllte 
Gallenblase,  welche  mit  dem  stenosierten  und  hypertrophischen 

22* 


-      340     — 

Pylorus  verwachsen  war.  Ich  machte  die  Erweiterung  des 
Pylorus  nach  Loreta,  eröffnete  die  Gallenblase,  entleerte,  ver- 
nähte und  versenkte  sie  (Cystendyse).  Noch  heute  ist  Fat. 
gesund. 

Der  Fall  sprach  sich  herum,  und  nun  meldeten  sich  mehr 
Gallensteinkranke.  Ich  bekam  für  diesen  Zweig  der  Chirurgie 
Interesse,  studierte  die  Bücher  von  Riedel  und  Courvoisier 
und  begann  fleissig  Gallensteine  zu  operieren.  Unter  dem  Ein- 
druck der  Lektüre  des  höchst  anregend  geschriebenen  Buches 
RiedeTs:  „Die  Gallensteinkrankheit  mit  und  ohne  Ikterus" 
operierte  ich  so  ziemlich  jeden  Gallensteinkranken^  der  in  meine 
Klinik  kam.  Nur  die  Fälle,  bei  denen  unter  Ikterus  Steine  ab- 
gingen, stellte  ich  zurück.  Meine  Indikationsstellung  war  damals 
extrem,  jetzt  ist  sie  zurückhaltend  geworden. 

Ich  hatte  in  meinem  ersten  Fall  mit  der  Cystendyse  Glück 
gehabt^  also  vernähte  und  versenkte  ich  die  Gallenblase  weiter. 

Aber  die  nächsten  Fälle  eigneten  sich  nicht  zur  Cystendyse, 
da  zugleich  Ikterus  bestand.     Ich   musste  eine  Fistel  anlegen. 

Die  zweizeitige  Cystostomie  habe  ich  überhaupt  methodisch 
nicht  geübt:  ich  konnte  mich  durch  die  einzeitige  Operation 
von  der  Unzweckmässigkeit  dieser  Operation  und  von  den  Vor- 
teilen der  einzeitigen  Cystostomie  hinlänglich  überzeugen. 

Die  Vorteile  der  Cystostomie  —  zur  Excision  ging  ich 
erst  später  über  —  zeigten  mir  aber  auch  allzu  oft  ihre  Nach- 
teile, besonders  die  Ausbildung  der  Schleimflsteln  fiel  mir  auf. 
Gegen  diese  machte  ich  1892  meine  erste  sekundäre  Cysticotomie 
und  ging  dann  zur  primären  Cysticotomie  über,  von  der  ich 
hoffte,  dass  sie  die  Ectoraie  wesentlich  einschränken  würde. 

Mit  def  Zeit  —  um  das  Jahr  1895  herum  —  sah  ich  ein, 
dass  die  Ectomie  in  vieler  Hinsicht  der  Cystostomie  überlegen 
sei,  und  nun  begann  ich  die  Cystostomie  und  damit  auch  die 
Cysticotomie  einzuschränken  und  habe  seitdem  besonders  die 
Ectomie  kultiviert.  Besonders  die  geschrumpften  Gallenblasen, 
die  sich  nicht  zur  Cystostomie  mit  Einnähung  in  das  Perit. 
parietale  eigneten,  unterwarf  ich  mehr  der  Ectomie  als  dem 
sogen.  Schlauchverfahren,  welches  später  Poppe rt  als  die 
wasserdichte  Drainage  proklamierte.  — 

Die  erste  Choledochotouiie  mit  Naht  in  Verbindung  mit 
einer  Cystostomie  habe  ich  bereits  im  Jahre  1891  ausgeführt. 
Ich  nähte  zuerst  alle  Choledochotomieincisionen,  kam  aber  immer 


—     341      — 

mehr  zur  Überzeugung,  dass  die  Naht  viele  Nachteile  hatte. 
Am  27.  April  1897  führte  ich  meine  erste  Hepaticusdrainage  aus, 
und  seitdem  habe  ich  fast  regelmässig  die  Choledochusincision 
offen  gelassen  und  ein  fiohr  zur  Ableitung  in  den  Hepaticus 
geschoben. 

Je  mehr  ich  operierte,  um  so  radikaler  wurde 
ich  in  der  Technik,  und  um  so  konservativ  e  r  wurde 
ich  in  der  Indikations Stellung.  Schliesslich  führte  ich 
die  Cystostomie  nur  noch  aus  bei  schwerer,  akuter  eitriger  Chole- 
cystitis, wobei  auch  die  Cysticotomie  ihre  Berechtigung  hat, 
während  ich  bei  allen  chronischen  Entzündungen  der  Ectoniie  den 
Vorzug  gab.  Der  Umstand,  dass  sehr  häufig  Steine  im  Chole- 
dochus  sich  latent  verhalten,  während  nur  die  Gallenblasen- 
und  Cysticussteine  sich  verraten,  hat  mich  veranlasst,  last  in 
allen  F'ällen  auch  dem  Choledochus  die  vollste  Aufmerksamkeit 
zuzuwe\iden  und  häufig  zur  Ectomie  die  Hepaticusdrainage  hin- 
zuzufügen. 

Die  Anastomosenbildung  zwischen  Gallensystem  und  Darm, 
die  ich  anfangs  wenig  liebte,  führe  ich  jetzt  bei  chronischem 
Ikterus  gern  aus,  da  dieser  oft  auf  Pankreatitis  chronica  beruht. 
Man  hat  bei  dieser  Krankheit  durch  die  Cysto-Enterostomie  aus- 
gezeichnete Erfolge,  so  dass  die  unausbleiblichen  Misserfolge 
bei  Carcinom  keine  Rolle  spielen.  Anfangs  übte  ich  die  Cysto- 
Enterostomie,  jetzt  bin  ich  ein  Anhänger  der  Cysto-Gastrostomie. 
Wo  der  Magen  klein  ist  und  weit  nach  links  liegt,  sich  das 
Duodenum  bequem  an  die  Gallenblase  heianbringen  lässt,  ziehe 
ich  die  Cysto-Duodenostomie  der  Cysto-Gastrostomie  natürlich 
vor.  Aus  den  im  II.  Teil  aufgeführten  Krankengeschichten  ist 
ersichtlich,  dass  ich  nicht  auf  eine  Methode  schwöre,  sondern 
meine  Technik  ganz  und  gar  den  gerade  vorliegenden  Verhält- 
nissen anpasse. 

Man  sieht,  dass  ich  in  der  Wahl  der  Operationsmethoden 
grosse.  Wandlungen  durchgemacht  habe.  Anderen  Chirurgen 
und  besonders  Riedel  ist  das  genau  so  ergangen.  Wie  hat 
dieser  Chirurg  anfangs  die  zweizeitige  Operation  in  den  Himmel 
gehoben,  wie  hat  er  vor  der  Ectomie  gewarnt.  Und  jezt!  Die 
Cystostomie  übt  er  selten,  um  so  mehr  exstirpiert  er  Gallen- 
blasen, und  nur  in  der  Wahl  zwischen  Choledochotomie  mit  Naht 
und  Hepaticusdrainage  sind  wir  uns  noch  nicht  einig.  Ich  hoffe, 
dass   diese   Einigkeit   noch  hergestellt  wird ,    dann    kann   man 


--     842     - 

sagen,  dass  besondere  Differenzen  wenigstens  in  der  Auswahl 
der  Operationsnietlioden  nicht  mehr  vorliegen. 

Die  von  Poppert  als  wasserdichte  Drainage  der  Gallen- 
blase bezeichnete  Methode  habe  ich  schon  Jahre  lang  zuvor  als 
Schlauchverfahren  geübt.  Riedel  verwirft  diese  Methode,  aber 
in  vielen  Fällen,  wo  man  weder  die  reguläre  Cystostomie  noch 
auch  die  Ectomie  ausführen  kann,  ist  das  Schlauchverfahren  ein 
gutes  Auskunftsmittel,  das  man  in  der  Not  gern  benutzen  wird. 

Wer  die  Wandlungen  meiner  Operationstechnik  genau  kennen 
lernen  will,  dem  empfehle  ich  die  Lektüre  meiner  Arbeiten :  „Die 
Entfernung  des  eingeklemmten  Gallensteins  aus  dem  Ductus 
cysticus  (Chir.  Kongress  1894)"  und  „Die  Behandlung  der  cal- 
culösen  Cholangitis  durch  direkte  Drainage  des  Ductus  hepaticus. 
(Münch.  med.  Wochenschr.   1897.  Nr.  41.)" 

An  neuen  Operationen  führte  ich  aus  die  Unterbindung 
der  Art.  hepatica  wegen  Aneurysma,  die  Resektion  des  Ductus 
choledochus,  die  Hepatico-Enterostomie,  die  Cholangio- Entero- 
stomie*),  die  Einpflanzung  des  Fistelgang  seiner  Pankreascyste  in 
die  Gallenblase  mit  nachfolgender Cysto-Gastrostomie.  Über  diese 
neuen  Operationen  habe  ich  auf  dem  Chirurgen -Kongress  1904 
berichtet. 

Erst  kürzlich  habe  ich  die  „Choledochusfege"  beschrieben, 
eine  Operation,  welche  bei  der  Unsicherheit,  den  Choledochus 
zwischen  der  Incision  im  supraduodenalen  Teil  und  der  Papilla 
duodeni  von  Steinen  und  Steintrünimern  zu  befreien,  vielen 
Chirurgen  recht  willkommen  sein  dürfte.  Aber  auch  diese  Me- 
thode deckt  sich  fast  mit  dem  Ze  1 1  e  r'sclien  Verfahren,  so 
dass  von  einer  neuen  Idee  keine  Rede  sein  kann. 

Also  noch  nach  14jähriger  angestrengter  Tätigkeit  auf  dem 
Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  kam  ich  in  die  Lage,  neue 
Operationen  auszuführen,  und  schon  dieser  Umstand  beweist, 
dass  wir  noch  lange  nicht  von  einem  Abschluss  in  der  Technik 
der  Gallensteinoperationen  reden  können.  Wenn  auch  die  Zahl 
der  verschiedenen  Eingriffe  sich  kaum  vermehren  lassen  wird, 
so  ist  an  der  Technik  derselben  noch  genug  auszubessern.  Man 
wird  auch  nicht  verlangen,  dass  eine  so  junge  Disziplin  wie 
die  Gallensteinchirurgie  vollkommen  dastehen  kann,  und  es  wäre 
verkehrt,   wenn  wir  Chirurgen  weitere  Verbesserungen  für  un- 


*)  Vor  mir   bereits  von  Czorny   ausgeführt.     (Anm.  w.  d,  Korr.) 


—     343     — 

nötig  hielten.  Wir  Chirurgen  sind  aber  nicht  nur  berufen, 
Techniker  zu  sein;  wir  können  durch  die  zahlreichen  Autopsien 
in  vivo  —  und  darauf  sollte  man  den  Hauptwert  legen !  —  die 
pathologische  Anatomie  mehr  und  mehr  ausarbeiten  und  werden 
auf  diese  Weise  unsere  Fähigkeiten  in  der  Diagnose  und  In- 
dikationsstellung erheblich  verbessern.  Freilich  dürfen  wir 
unsere  erworbenen  Kenntnisse  nicht  für  uns  behalten,  sondern 
müssen  sie  unseren  inneren  Kollegen  mitteilen. 

„Die  Kunst  sei  noch  so  gross,  die  dein  Verstand  besitzet, 
Sie  bleibt  doch  lächerlich,  wenn  sie  der  Welt  nicht  nützet." 

Die  mir  eigene,  vielleicht  etwas  „pathologische"  Mitteilsam- 
keit entspringt  nicht  der  Absicht,  für  mich  und  meine  Klinik 
Propaganda  zu  machen ,  sondern  vielmehr  dem  Wunsche ,  die 
Gallenstein-Chirurgie  auszubilden,  die  inneren  Kollegen  zu  be- 
lehren, die  Gegner  der  Operation  zu  vermindern,  neue  Freunde 
für  die  Gallensteinchirurgie  zu  gewinnen  und  dadurch  unseren 
Kranken  zu  nützen. 

Im  übrigen  sind  meine  Verdienste  um  die  Gallenstein- 
chirurgie sehr  gering.  Die  Cysticotomie  hatten  vor  mir  schon 
Hochenegg,  Lindner,  Küster  ausgeführt,  ich  hatte  nur 
Gelegenheit,  an  einer  Reihe  von  Fällen  die  Methode  zu  üben 
und  ihre  Technik  zu  verbessern.  Ebenso  verhält  es  sich  mit 
der  Hepaticusdrainage;  englische  und  amerikanische  Chirurgen 
haben  sie  vor  mir  —  wenn  auch  nur  sehr  vereinzelt  —  geübt 
und  mir  blieb  nur  übrig,  ihren  Wert  an  vielen  Operationen  zu 
beweisen.  Auch  die  Idee  der  Unterbindung  der  Art.  hepatica 
bei  Aneurysma  und  der  Cholangio -Enterostomie  stammt  nicht 
von  mir,  sondern  von  Langen  buch.  Dass  bei  meinem  grossen 
Material  sich  einmal  ein  Choledochus  -  Carcinom  finden  würde, 
das  sich  für  eine  Resektion  des  Ganges  eignete,  das  ist  gewiss 
kein  Verdienst,  vielmehr  handelt  es  sich  hier  mehr  um  einen 
glücklichen  Zufall.  Mein  Verdienst  besteht  lediglich  darin,  dass 
ich  trotz  Einwendungen  vieler  Kritiker  und  Gegner  nicht  nach- 
gelassen habe,  die  von  mir  geliebte  Gallensteinchirurgie  weiter 
auszubilden.  Dass  ich  in  zahlreichen  Publikationen  die  Erfolge 
und  Misserfolge  meiner  Operationen  in  ungeschminkter  Treue  und 
Wahrheit  veröffentlicht  habe,  das  betrachte  ich  als  kein  Ver- 
dienst, sondern  wie  man  zu  sagen  pflegt  als  „verdammte  Pflicht 
und  Schuldigkeit".    Wenn  dem  praktischen  Arzt  immer  wieder 


—     344     — 

die  Operation  empfohlen  wird,  so  will  dieser  vor  allen  Dintren 
wissen,  wie  gefährlich  die  Operation  ist.  In  manchen  grossen 
Arbeiten  über  Gallensteinchirurgie  älterer  Operateure  geht  man 
über  diese  wichtige  Frage  hinweg  und  gibt  dem  Leser  keine 
Gelegenheit,  sich  in  dieser  Beziehung  ein  Urteil  zu  bilden. 

Es  war  für  mich  nicht  uninteressant  festzustellen,  wie  sich 
von  Jahr  zu  Jahr  die  Zahl  meiner  Operationen  in  meiner  Klinik 
vermehrt  hat. 


Ich  führte 

aus: 

1890 

=  2 

1898 

=  75 

1891 

=  4 

1899 

=  88 

1892 

=  18 

1900 

=  90 

1893 

=  30 

1901 

=  94 

1894 

=  46 

1902 

=  105 

1895 

=  51 

1903 

=  124 

1896 

=  72 

1904 

=  127 

1897 

=  74 

In  fast  15  Jahren:  1000  Operationen. 
Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  ich  anfänglich  in  Halber- 
stadt allein  Gallensteine  operierte,  während  jetzt  im  Halber- 
städter  Salvator- Krankenhaus  dieser  Zweig  der  Chirurgie  sehr 
blüht,  und  dass  ich  meine  Indikationen  eingeschränkt  habe. 
Würde  ich  nach  den  Indikationen  heute  noch  operieren,  nach 
denen  ich  vor  10  Jahren  handelte,  so  würdeich  nicht  125,  sondern 
250  Operationen  im  Jahre  ausführen.  Je  älter  man  wird,  um 
so  klüger  wird  man  nicht  immer ;  bei  der  Indikationsstellung 
zur  Operation  scheint  das  für   mich  aber  wirklich  zuzutreffen. 


C)  Die  Nachbehandlung  der  Gallensteinoperierten. 

i.  Allgemeiner  Teil. 

„Niclit  Kunst  und  Wissenschaft  allein, 
Geduld  will  bei  dem  Werke  seinl"  ' 

Dieses  Wort  aus  Goethe's  Faust  kann  so  recht  als  Motto 
für  den  Abschnitt  „Nachbehandlung"  gelten.  Denn  die  pein- 
lichste Asepsis  bei  den  Verbandwechseln,  die  sorgsamste  Aus- 
spülung der  Gallengänge  und  die  vorsichtigste  Sondierung  der- 
selben allein  machen  den  Erfolg  der  Operation  nicht  aus.  Ver- 
liert der  Patient  vorzeitig  die  Geduld,  so  ist  eine  völlige  Hei- 
lung —  Beseitigung  sämtlicher  Steine,  Freimachung  des  Gallen- 
systems von  Entzündung  und  Wiederherstellung  der  Durchgängig- 
keit des  Cysticus  und  Choledochus  —  nicht  immer  möglich.  Und 
umgekehrt,  lässt  der  Oper«,teur  es  an  der  gehörigen  Geduld 
fehlen,  so  reicht  alles  Wissen  und  Können,  alle  Technik  und 
manuelle  Fertigkeit  nicht  aus,  um  dem  Patienten  die  so  lange 
entbehrte  Gesundheit  wiederzuschenken. 

Man  kann  gar  nicht  genug  darauf  hinweisen,  dass  das 
Bestreben  einzelner  Chirurgen,  in  2—3  Wochen  eine  völlige 
Heilung  herbeizuführen,  gar  keinen  Wert  hat.  Wer  die  Gallen- 
blase entleert,  vernäht  und  versenkt,  und  den  Bauch  ohne  Tam- 
ponade verschliesst,  der  mag  das  vorgesteckte  Ziel  dann  und 
wann  erreichen.  Aber  wie  oft  können  bei  solch'  idealen  Ope- 
rationen Steine  zurückbleiben!  Kein  Mensch,  der  jahrelang 
krank  ist  und  auf  eine  lange  Leidenszeit  zurückschaut,  verlangt, 
dass  er  in  2  bis  3  Wochen  völlig  geheilt  ist.  So  sehr  ich  das 
möglichst  rasche  Operieren  schätze,  so  wenig  bin  ich  für  eine 
rasche  Nachbehandlung.  Ich  behalte  keinen  Patienten  auch 
nur  eine  Stunde  unnütz  in  der  Klinik,  aber  ich  treibe  auch  nicht 
zur  Eile;  ich  lasse  die  Patienten  3  Wochen  im  Bette  liegen, 
damit  die  Narbe  möglichst  fest  werde,  und  lasse  erst  ganz 
allmählich  den  Operierten  zu  der  gewöhnlichen  Tätigkeit 
übergehen. 


—     346     — 

Vielbeschäftigte  Chirurgen  müssen  oft  notgedrungen  die 
Nachbehandlung  ihren  Assistenten  völlig  überlassen,  da  sie  kaum 
Zeit  finden,  das  operative  Material  zu  bewältigen.  Dagegen 
ist  nichts  einzuwenden,  wenn  es  sich  !lm  erfahrene  und  speziell 
in  der  Gallensteinchirurgie  bewanderte  Assistenten  handelt.  Aber 
wie  selten  hat  der  junge  Assistent,  der  direkt  von  der  Universität 
kommt,  eine  Gallensteinoperation  richtig  gesehen!  Sein  Platz 
war  semesterlang  auf  der  obersten  Reihe  des  Amphitheaters, 
und  um  den  Operationstisch  herum  standen  immer  so  viel  Ärzte, 
dass  die  Fernsicht  noch  mehr  getrübt  wurde,  und  bei  dem  paar 
Mal  Praktizieren  wurden  gerade  keine  Bauchoperationen  aus- 
geführt. Es  ist  auch  später  noch  nichts  ganz  Seltenes,  dass 
ein  junger  Arzt  nie  eine  Gallensteinoperation  gesehen  hat.  Wie 
soll  er  da  die  richtige  Nachbehandlung  einschlagen  können. 

Die  Nachbehandlung  der  Gallensteinoperierten  verlangt, 
dass  der  Operateur  sich  selbst  um  den  Patienten  bekümmert, 
und  wer  der  Meinung  ist,  dass  mit  der  Vollendung  der  Operation 
alles  geschehen  ist,  um  dem  Kranken  die  Gesundheit  wieder  zu 
geben,  der  ist  sehr  im  Irrtum.  Die  Nachbehandlung  ist  oft 
schwieriger  wie  die  eigentliche  Operation,  und  gerade  nach  den 
Eingriffen  an  den  Gallenwegen  bedarf  der  Patient  einer  fort- 
währenden Überwachung  von  Seiten  des  Arztes.  Deshalb  stand 
ich  von  vorneherein  auf  dem  Standpunkte,  dass  es  nicht  an- 
gebracht ist,  die  Operation  im  Hause  des  Kranken  vorzunehmen. 
Ich  habe  diesen  Punkt  bereits  bei  den  Vorbereitungen  berührt 
und  dabei  auf  die  Nachbehandlung  verwiesen,  deren  exakte 
Durchführung  in  einem  Privathause  kaum  möglich  ist.  Im 
Krankenhaus  und  in  der  Klinik  dagegen  ist  fortwährend  ein 
Arzt  zur  Stelle  —  wenigstens  sollte  das  so  sein  — ,  der  im  Augen- 
blick drohender  Gefahr  eingreifen  kann;  liegt  ein  Patient  in 
seiner  Privatwohnung,  so  niuss  erst  zum  Arzt  geschickt  werden. 
Ehe  dieser  eintrifft,   kann  das  Schlimmste  sich  ereignet  haben. 

In  gewissen  Fällen  habe  ich  nichts  gegen  Hausoperationen 
einzuwenden;  wo  Patient  schwer  oder  gar  nicht  transportabel 
ist  (bei  schweren  Verletzungen),  oder  wenn  der  Transport 
schaden  könnte  (bei  Peritonitis),  mag  man  immerhin  den  Wunsch 
des  Patienten,  im  Hause  operiert  zu  werden,  berücksichtigen. 
Aber  bei  unseren  Transportmitteln  ist  selbst  bei  Schwerkranken 
eine  Beförderung  im  einfachen  Krankenkorb  oder  im  be- 
quemen  Krankensalonwagen    fast    niemals    von    Schaden.     Ich 


—     347     — 

habe  Fälle  von  schwerster  Cholangitis  aus  dem  Süden  Russlands 
oder  aus  Ungarn  in  meine  Klinik  transportieren  lassen ,  ohne 
dass  der  Patient  durch  die  Reise  irgendwie  belästigt  worden 
wäre.  Man  muss  nur  dem  Patienten  nicht  immer  gleich  nach- 
geben. Niemand  geht  gern  in  ein  Krankenhaus  oder  in  eine 
Klinik;  wenn  man  aber  dem  Kranken  die  grossen  Vorteile  der 
Krankenhausbehandlung  auseinandersetzt,  so  sieht  er  bald  ein, 
dass  der  Arzt  nicht  in  seinem  eigenen  Interesse,  sondern  in  dem 
des  Kranken  handelt.  Denn  was  soll  ich  dabei  haben,  wenn 
ich  die  Operation  in  einer  fremden  Stadt  ablehne  und  auf 
einem  Transport  in  meine  Klinik  beharre?  Die  Angehörigen 
würden  gerne  das  dreifache  Honorar  zahlen  von  dem,  welches 
bei  reichen  Leuten  in  meiner  Klinik  üblich  ist,  und  ich  würde 
bei  einer  auswärtigen  Operation  die  Verantwortung  der  Nach- 
behandlung auf  die  Schultern  anderer  laden  können  und  brauchte 
mich  nicht  um  den  weiteren  Verlauf  zu   bekümmern. 

Setzen  wir  den  Fall  einer  Ectomie.  Die  Operation  ist  im 
Privathause  glatt  verlaufen,  denn  man  hat  schon  tags  zuvor 
ein  eigenes  Operationszimmer  hergerichtet,  die  Gardinen  ent- 
fernt, den  ganzen  Raum,  mit  Formalin  desinfiziert,  Schüsseln 
und  alles,  was  mit  den  Ärzten  in  Berührung  kommen  könnte, 
abgeseift  und  ausgekocht.  Der  Patient  hat  auch  eine  gute 
Pflege,  indem  zwei  bestellte  Schwestern  sich  in  die  Tag-  und 
Nachtwachen  teilen  können.  Die  ersten  24  Stunden  war  der 
Verlauf  glatt.  Da  plötzlich  nach  heftigem  Erbrechen  kollabiert 
der  Operierte,  der  dicke  Verband  ist  mit  Blut  durchtränkt, 
die  Ligatur  an  der  Arteria  cystica  hat  nachgegeben.  Rasch 
zum  Arzt  schicken ,  gellt  es  durch  das  Haus.  Dieser  kommt 
sofort,  erkennt  die  drohende  Gefahr,  aber  allein  kann  er  doch 
unmöglich  zu  der  nötigen  Operation  schreiten,  ein  zweiter  und 
dritter  werden  herbeizitiert.  Ehe  das  Verbandzeug  hergerichtet 
ist,  die  Hände  sterilisiert  sind,  kann  Patient  sich  längst  ver- 
blutet haben.  In  einer  Klinik  ist  fortwährend  alles  bereit.  In 
wenigen  Minuten  liegt  der  Patient  auf  dem  Operationstisch,  und 
der  Operateur  und  zwei  Assistenten  sind  imstande,  das  schwer 
bedrohte  Leben  dem  tödlichen  Schicksal  zu  entreissen.  Es  gibt 
ja  nun  allerdings  auch  Chirurgen,  deren  geringes  Material  es 
nicht  erlaubt,  einen  oder  zwei  .Assistenten  anzustellen.  Wenn 
sie  nun  gar  nebenbei  Stadtpraxis  treiben  und  oft  schwer  auf- 
findbar   sind,    so  kann   diesen  trotz  gut  durchgeführter  Opera- 


—     348      — 

tionen  auch  einmal  das  Missgeschick  passieren,  dass  sie  einen 
Patienten  am  Verblutungstod  verlieren.  Entweder  sollten  solche 
Ärzte  die  verantwortungsreiche  Chirurgie  aufgeben,  oder  sie 
müssten  sich  entschliessen,  einen  festen  Assistenten  in  ihr  Haus 
aufzunehmen.  Ich  halte  es  überhaupt  für  unzweckmässig,  wenn 
ein  Chirurg  noch  nebenbei  allgemeine  Praxis  treibt.  Der  Vorteil 
ist  zwar  der,  dass  er  immer  mit  der  inneren  Medizin  in  Berührung 
bleibt  und  sich  die  Fälle  zur  Operation  selbst  und  zur  richtigen 
Zeit  aussuchen  kann.  Aber  er  wird  oft  gezwungen  sein,  ein 
Scharlachkind  in  der  Stadt  zu  besuchen  und  eine  halbe  Stunde 
später  in  seiner  Klinik  eine  Laparotomie  machen  zu  müssen. 
Zahlreiche  Besuche  in  der  Stadt  lassen  den  Chirurgen  kaum 
Zeit,  sich  in  der  Literatur  so  umzusehen,  wie  es  sich  gehört, 
und  es  kann  nicht  ausbleiben,  dass  so  viel  beschäftigte  Prak- 
tiker, die  noch  nebenbei  eine  chirurgische  Klinik  leiten  müssen, 
mit  der  Wissenschaft  nicht  fortschreiten  können.  Wenigstens  in 
grossen  Städten  wäre  es  richtiger,  wenn  der  Chirurg  sich  auf 
sein  Spezialfach  beschränkte.  Aber  da  sehen  wir,  dass  der 
Spezialist  für  Chirurgie  zugleich  Gynäkologe,  Ohrenarzt,  Urologe, 
praktischer  Arzt  und  Kinderarzt  in  einer  Gestalt  ist,  und  das 
Publikum  staunt  ob  der  Fülle  der  Kenntnisse,  die  in  einen 
einzigen  Kopf  hineingehen,  und  verkündet  den  Ruhm  des  viel- 
erfahrenen Mannes  auf  allen  Plätzen  und  Strassen  der  Stadt, 
ohne  zu  bedenken ,  dass  nur  der  etwas  leisten  wird ,  der  sich 
ganz  speziell  mit  einem  Fache  beschäftigt  und  „sich  beschränkt". 

Diese  Forderung  hat  auch  für  den  Gallensteinchirurgen 
Geltung  und  die  Berechtigung  derselben  stellt  sich  besonders 
während  der  Nachbehandlung  heraus. 

Jede  Gallensteinoperation,  auch  die  unkomplizierteste  Cysto- 
stomie,  kann  derartig  anormal  verlaufen,  dass  während  der  Nach- 
behandlung die  grösste  Aufmerksamkeit  des  Arztes  notwendig 
wird.  Die  üblichen  2  Visiten  reichen  oft  nicht  aus,  alle  paar 
Stunden  niuss  der  Arzt  den  Kranken  besuchen.  Nun  wissen 
wir  aber,  dass  wir  vorher  nie  sagen  können,  ob  wir  mit  einer 
Cystostomie  auskommen,  oder  ob  wir  eine  Hepaticusdrainage 
ausführen  müssen,  ob  wir  sofort  alle  Steine  entfernen,  oder  ob 
wir  solche  zurücklassen.  Ohne  Oberlicht  ist  aber  eine  spätere 
Entfernung  der  Steine  aus  dem  Ductus  hepaticus  kaum  möglich. 
Da  dieses  in  den  Privathäusern  wohl  immer  fehlt,  da  ausserdem 
die  Verbandwechsel  nach  einer  Hepaticusdrainage  nur  in  einem 


-        349     — 

gut  geleiteten  Krankenhaus  ohne  Schaden  für  den  Patienten 
ausgeführt  werden  können,  handeln  wir  in  der  Tat  richtiger, 
wenn  wir  nur  in  Kliniken  und  Krankenhäusern  Gallenstein- 
operationen ausführen. 

Schränken  wir  also  im  Interesse  des  Patienten  das  Ope- 
rieren in  Privathäusern  nach  Möglichkeit  ein,  in  der  Ueber- 
zeugung,  dass  die  Nachbehandlung  in  einer  Klinik  ungleich 
exakter  geleitet  werden  kann. 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  wollen  wir  uns  mit 
der  Nachbehandlung  des  Gallensteinoperierten  näher  beschäftigen. 

Die  Operation  ist  mit  der  Verbandanlegung  beendet.  Noch 
einmal  wird  der  Puls  kontrolliert  und  bei  grosser  Schwäche 
sofort  phys.  Kochsalzlösung  subkutan  (Oberschenkel  oder  Brust- 
haut) injiziert.  Ist  der  Puls  gut,  die  Atmung  frei,  so  über- 
geben wir  den  Operierten  dem  Wärter,  der  ihn  in  warme  Decken 
hüllt  und  aus  dem  Operationszimmer  auf  der  Krankenfahre  in 
das  Zimmer  fährt,  in  dem  ihn  ein  durch  Wärmflaschen  wohl- 
temperieites  Bett  aufnimmt. 

Jeder  Operierte  bekommt  eine  besondere  Wache,  die  weiter 
nichts  zu  tun  hat,  als  dass  sie  sich  um  den  ihr  anvertrauten 
l^ianken  bekümmert.  Solchß  Wachen  lösen  sich  alle  24  Stunden 
ab,  länger  wie  einen  Tag  und  eine  Nacht  sich  intensiv  um  einen 
Kranken  bekümmern  kann  auch  die  beste  Wärterin  nicht.  Lässt 
man  sie  länger  wachen,  so  schläft  sie  eben  ein,  und  das  kann 
dem  Operierten  recht  schlecht  bekommen. 

Der  Patient  liegt  die  ersten  24  Stunden  auf  dem  Rücken, 
das  Fassende  ist  durch  Klötze  erhöht,  das  Kopfkissen  ist  ent- 
fernt. Durch  die  Tieflagerung  des  Kopfes  verhütet  man  am 
besten  das  unangenehme  Erbrechen.  Die  Thrombose  der  Vena 
femoralis  kann  man  nach  den  Vorschlägen  von  Lennander 
durch  Höherstellen  des  Fussendes  des  Bettes  wohl  in  den  meisten 
Fällen  verhüten. 

In  den  ersten  24  Stunden  bekommt  Patient  keinen 
Tropfen  zu  trinken,  sondern  darf  nur  den  Mund  spülen.  Eis- 
stückchen gebe  ich  nicht;  sie  tauen  sehr  rasch  auf,  der  Pa- 
tient schluckt  das  kalte  Wasser  herunter  und  beschwert  sich 
nur  seinen  Magen.  Eine  Ausnahme  könnte  man  bei  schwerea 
Collapszuständen  machen,  indem  man  versucht,  4urch  heissen 
Tee,  starken  Kaffee,  schweren  Wein  die  sinkende  Herzkraft 
aufzurichten.     Ich  meine  aber,  dass  man  mit  Kampher,   Äther, 


—     350     — 

Strychnin,  eventuell  Kochsalzinfusionen  und  Kochsalzklystieren 
hier  viel  mehr  erreicht  wie  durch  die  Darreichun«^  per  os. 

Ist  die  Temperatur  am  Abend  des  Operationstages  normal, 
steigt  sie  nicht  über  38,5°  C.  in  ano,  bleibt  der  Puls  unter  100 
Schlägen,  klagt  der  Patient  nicht  über  Übelkeit,  Magendruck, 
Völle,  so  sind  besondere  Massnahmen  für  die  Nacht  nicht  nötig. 

Ich  mache  es  mir  aber  zur  Regel,  dass  nicht  nur  die  er- 
fahrene Oberin  der  Klinik  die  Pflegerin  revidiert,  sondern  dass 
auch  einer  von  uns  Ärzten  um  die  mitternächtige  Stunde  ein- 
mal nach  dem  Patienten  sieht,  damit  ja  nichts  versäumt  w^rd. 

Die  Prüfung  des  Pulses  wird  in  den  ersten  3  Tagen  fast 
alle  2  Stunden  vorgenommen.  Wir  verlassen  uns  in  dieser  Be- 
ziehung nicht  auf  die  Wärterin,  sondern  sehen  selbst  nach;  und 
der  klinische  Assistent  muss  in  den  ersten  Nächten  nach  der 
Operation  jede  Nacht  ein-,  auch  zweimal  sich  von  dem  Befinden 
des  Operierten  überzeugen.  Eine  Pulsfrequenz  selbst  von  150 
bis  160  Schlägen  (Nr.  37,  Nr.  46,  Nr.  48,  Nr.  95,  Nr.  150)  pro 
Minute  haben  wir  nicht  selten  nach  schweren  Gallensteinope- 
rationen  i:otiert,  ohne  dass  später  besondere  entzündliche  Vor- 
gäiige  im  Operationsterrain  nachzuweisen  gewesen  wären. 

Die  Temperatur  wird  bei  Frauen  stets  in  vagina,  bei  Jung- 
frauen in  axilla,  bei  Männern  in  ano  geprüft.  Es  ist  oft  er- 
staunlich, welche  Temperaturdifferenzen  die  Messungen  in  ano 
und  in  axilla  ergeben.  Das  Verhältnis  des  Pulses  zur  Temperatur 
spielt  gerade  bei  Bauchaffektionen  eine  entscheidende  Rolle. 
Temperaturen  von  38,5 — 39,0  "  C.  (in  ano  gemessen)  nach  einer 
Gallensteinoperation  sind  nichts  seltenes.  Da  wir  fast  nie  in 
einem  bakterienfreien  Terrain  operieren,  ist  eine  leichte  Infektion 
desselben  kaum  zu  verhüten.  Oft  weist  die  Temperatur  auf 
Entstehung  von  Pleuritis  und  Pneumonie,  die  besonders  in  den 
rechten  unteren  Lungenpartien  entsteht,  hin.  Eine  genaue 
Beobachtung  des  Kranken  wird  bald  die  Ursache  der  Temperatur- 
erhöhung aufldären.  —  Glaubt  man ,  dass  die  Temperatur  auf 
eine  Störung  im  Bereich  der  Wunde  zurückzuführen  ist,  so  ist 
zu  überlegen,  ob  man  den  Verband  wechseln  soll.  Ich  möchte 
raten,  damit  nicht  allzu  voreilig  zu  sein,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen  :  Handelt  es  sich  um  diffuse  Peritonitis,  so  wird  eine  Ent- 
fernung der  Tampons  kaum  etwas  nützen,  liegt  circumscripte  vor, 
so  kann  durch  die  Beseitigung  der  Sekretverhaltung  den  Kranken 
zwar  ein  Nutzen  erwachsen;  durch  die  Loslösung  der  Tampons 


—     351      - 

kann  aber  auch  die  lokale  Entzündung  erst  allgemein  werden 
und  somit  der  Verbandwechsel  schaden.  Im  allgemeinen  bin  ich 
gegen  ein  zu  frühzeitiges  Verbinden  und  begnüge  mich,  wenn 
ich  überhaupt  an  dem  Verband  etwas  tue,  mit  der  Lockerung 
(ier  Tampons.  Aus  den  einzelnen  Krankengeschichten  geht  her- 
vor,   wie   ich    in   den   betr.  Fällen   vorgegangen    bin    (Nr.  57.). 

Morphium  gebe  ich  meist  nur  solchen  Kranken,  die  an  dieses 
Mittel  gewöhnt  sind;  gerade  bei  diesen  spare  ich  nicht,  da  ich 
die  Erfahrung  gemacht  habe,  dass  alles  gute  Zureden  doch  nichts 
nützt.  Die  Patienten  geben  doch  nicht  eher  nach,  als  bis  sie 
ihre  gehörige  Dosis  weghaben. 

Wer  noch  kein  Morphium  bekommen  hat  und  seine  wunder- 
volle Wirkung  nicht  kennt,  ist  eher  zu  beruhigen.  Hier  genügt 
oft  eine  gewöhnliche  Dosis  Aspirin  (Majo-ßobson).  Nur  bei 
grossen  Schmerzen  bekommen  solche  Kranke  ein  Chloralklystier 
2  gr.  mit  Codein.  sulf.  0,2,  das  event.  nach  3  Stunden  wieder- 
holt wird. 

Ist  der  Puls  am  Abend  klein  und  beschleunigt,  so  spüle 
ich ,  auch  wenn  Pat.  nicht  erbricht ,  auch  wenn  er  nicht  über 
Magendrücken  und  Völle  klagt,  den  Magen  aus.  Man  ist  oft 
erstaunt,  welche  ungeheure  Massen  Inhalt,  oft  gallig  und 
stinkend,  oft  wasserhell  und  von  normalem  Geruch,  nicht  selten 
von  blutiger  Beschaffenheit,  der  Schlauch  heraushebert. 

Die  Magenspülung  wird  im  Bett  vorgenommen,  mit  tief- 
liegendem nach  der  Seite  gedrehtem  Kopf. 

Von  Kochsalzinfusionen  mache  ich  bei  Schwächezuständen, 
die  sich  nach  eingreifenden  Gallensteinoperatioiien  kaum  ver- 
meiden lassen,  einen  sehr  ausgedehnten  Gebrauch.  Entweder 
gebe  ich  physiol.  Kochsalzlösung  per  rectum  (alle  2  Stunden 
^2  Liter)  oder  subkutan.  Intravenöse  Injektionen  habe  ich 
selten  nötig  gehabt. 

Die  subkutane  Infusion  nehme  ich  so  vor,  dass  ich  entweder 
an  der  Brust  oder  am  Oberschenkel  eine  mittelstarke  Nadel  unter 
Schleicii'scher  Anästhesie  einsteche  und  dann  1 — 2  Liter 
40"  C.  warme  physiol.  Kochsalzlösung  aus  dem  ausgekochten 
Irrigator  einlaufen  lasse.  Das  ist  die  bequemste  Art  der  In- 
fusion. Der  Pat.  bleibt  dabei  im  Bett  liegen.  Der  Irrigator 
wird  von  dem  auf  einem  Stuhl  stehenden  Wärter  recht  hoch 
gehalten.  Ist  die  Nadel  nicht  zu  eng,  der  Druck  gehörig  gross, 
so  nimmt  diese  Prozedur  nicht  viel  Zeit  in  Anspruch. 


—     352     — 

Ist  der  Collaps  sehr  bedrohlich ,  so  kann  man  gleich  an 
2  Stellen  die  subkutane  Injektion  vornehmen,  oder  man  mache 
eine  intravenöse  Injektion.  Contraindiziert  ist  dieselbe  bei 
Cyanose,  Lungenödem ,  Herzinsuffizienz.  Statt  der  Kochsalz- 
klystiere  lasse  ich  auch  gern  Cognac-  Wein-Klystiere  geben, 
die,  wie  es  scheint,  auf  die  Peristaltik  besser  einwirken,  wie 
die  einfachen  Wasserklystiere.  Die  rektalen  Einlaufe  von  Koch- 
salzlösung haben  den  Vorteil,  dass  sie  das  Wartepersonal  appli- 
zieren kann ;  sie  löschen  den  Durst,  regen  die  Peristaltik  an,  und 
wenn  sie  auch  keine  Peritonitis  verhüten,  so  ist  doch  diese  „Lavage 
du  sang"  bei  jeder  Laparotomie  von  grossem  Vorteil.  Das  Blut 
wird  verflüssigt,  die  Toxine  ausgeschieden,  und  man  hat  deshalb 
auch  in  jüngster  Zeit  beim  Typhus  diese  wirksame  Behandlung 
vorgenommen.     (Ljubomudroff,  Tscherepnin.) 

Die  Komplikationen,  welche  die  Nachbehandlung  eines 
Gallensteinkranken  leicht  stören,  können  von  allen  möglichen 
Organen  ausgehen.  Ich  habe  Gehirn-Apoplexien  und  Embolien 
der  Art.  pulmonalis  (Nr.  76)  beobachtet,  bei  chronischer  Nephritis 
kann  es  zur  Urämie  kommen.  Schon  bei  geringen  Eiweissmengen 
im  Urin  muss  man  mit  der  Empfehlung  der  Operation  recht  zu- 
rückhaltend sein  und  darf  nicht  versäumen,  den  Urin  mikroskopisch 
zu  untersuchen.  Vor  der  Operation  schon  bestehende  Blasen- 
katarrhe werden  meist  verschlimmert,  besonders  wenn  man  ge- 
zwungen ist,  den  Urin  mit  dem  Katheter  ablassen  zu  müssen, 
alte  Pyelitiden  flackern  wieder  auf.  Wird  die  Mundpflege  vor 
und  nach  der  Operation  versäumt,  so  ist  eine  Parotitis,  die  auch 
zur  Vereiterung  führen  kann,  keine  ganz  seltene  Komplikation. 
Kranke  mit  Ikterus  sind  nach  der  Operation  mehr  gefährdet, 
wie  solche  ohne.  Cholämische  Blutungen,  Leberinsuffizienz  bei 
Cirrhose,  Coma  cholämicum  können  sich  einstellen  und  sehr  rasch 
dem  Leben  ein  Ziel  setzen. 

Riedel  hat  in  Bezug  auf  die  choläraischen  Blutungen 
ganz  besondere  Ansichten.  Er  sagt:  „Den  Ikterischen  wird  eine 
grosse  Neigung  zu  Blutungen  zugeschrieben ;  ich  glaube,  dass 
hier  eine  Verwechslung  vorliegt.  Nicht  der  Ikterus  verursacht 
die  Tendenz  zum  Bluten,  sondern  die  Infektion  der  Gallenwege, 
wenn  die  Gelbsucht  infolge  von  Steinen  auftritt;  ist  sie  im  An-r 
schluss  an  Carcinora  des  Choledochus,  des  Pankreas  u.  s.  w. 
entstanden,  also  auf  rein  mechanischem  Wege,  so  bluten  die 
betreffenden  Individuen  stärker,  weil  sie  kachektisch  sind."    Ich 


—     353     — 

habe  schwere  cholämische  Blutungen  bei  Ikterischen  gesehen 
10—14  Tage  post  op.  (N'r.  112,  Nr.  114).  Die  Steine  waren 
entfernt,  Galle  lief  reichlich  ab,  von  einer  Infektion  war  keine 
Spur  mehr  vorhanden.  Schwer  kachektische  Carcinomkranke 
mit  Bronzeikterus  bluten  oft  nicht,  während  bei  leichtem  Ikterus 
starkes  Nasenbluten  den  Pat.  in  die  höchste  Gefahr  bringen 
kann.  Ich  will  auf  die  Theorien,  welche  das  cholämische  Bluten 
erklären,  nicht  weiter  eingehen,  glaube  aber,  dass  durch  die 
Einwirkung  der  Gallenbestandteile  auf  die  Wandungen  der 
Blutgefässe  eine  Alteration  der  Gefässwände  erfolgt  und  so 
Parenchymblutungen  hervorgerufen  werden,  die  direkt,  auf  den 
Ikterus  und  nicht  auf  Infektion  oder  Kachexie  zurückzuführen  sind. 

Doch  das  sind  rein  theoretische  Fragen;  in  der  Praxis 
müssen  wir  sehr  mit  cholämischen  Nachblutungen  rechnen  und 
durch  rektale  Applikation  von  Chlorcalcium  (3  gr,),  durch  sub- 
kutane Einspritzung  von  Gelatinelösung  und  durch  Tamponade 
der  blutenden  Wundhöhle  mit  Gaze,  die  mit  Gelatine  getränkt 
ist,  ihie  Gefahren  zu  beseitigen  suchen. 

Am  häufigsten  aber  beobachten  wir  nach  den  Gallenstein- 
operationen Störungen  an  den  Respirationsorganen:  Bronchitis, 
Pneumonie  und  Pleuritis.  (Nr.  76,  Nr.  11:6.)  Ich  will  auf  die  Ätio- 
logie dieser  Erkrankungen  nicht  weiter  eingehen  und  nicht  unter- 
suchen, ob  sie  als  Aspirations-  oder  Schluckpneumonien,  als  Erkäl- 
tungspneumonien  oder  als  embolische  aufzufassen  sind.  Auch  wäre 
es  möglich,  dass  ein  direkter  Import  von  Infektionskeiraen  durch 
die  Lymphstomata  -des  Zwerchfells  von  dem  gewöhnlich  immer 
etwas  infizierten  Operationsterrain  in  die  Pleurahöhle  stattfände 
und  auf  diesem  Wege  die  Infektion  erfolgte.  Besonders  nach 
den  schwierigen  Hepaticusdrainagen  beobachten  wir  häufiger 
Störungen  in  der  Lunge    wie  nach  den  einfachen  Cystostomien. 

Ich  möchte  mit  Albanus*)  annehmen,  dass  wir  in  ca.  4 
bis  5  pCt.  der  Laparotomien. Thrombosen  (Nr.  62)  und  Embolien, 
in  ca.  2  pOt.  Embolie  der  Art.  pulmonalis  beobachten.  Die  V^er- 
hütung  der  Thrombose  der  Vena  femoralis  erreichen  wir  am 
besten  durch  die  von  Lenn ander  angeordnete  Hochstellung 
des  unteren  Teils  des  Bettes  und  durch  baldige  Bewegung  resp. 
Massage  der  unteren  Extremitäten.    Ich  lasse  schon  vom  3.  Tage 


*)   Thrombosen   uad    Embolien   nach    Laparotoliiien.     Beitr. 
klin.  Chir.  Kd.  40,  p.  311. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    I.  23 


—     354     — 

an,    wenn   die  Hauptschmerzeti   vorüber  sind,   die  Kranken  me- 
thodisch die  Beine  bewegen. 

Die  früher  so  gefürchtete  Peritonitis  habe  ich  sehr  selten 
beobachtet,  in  den  letzten  Jahren  gar  nicht  mehr.  Wir  ver- 
danken das  einerseits  der  gründlichen  Asepsis  vor  und  bei  der 
Operation,  andererseits  der  ausgiebigen  Drainage  und  Tamponade 
nach  derselben,  die  das  Bestreben  hat,  alle  infektiösen  Sekrete  aus 
Gallengängen  und  Bauchhöhle  abzuleiten.  Wer  noch  den  Chole- 
dochus  vernäht  und  danach  womöglich  die  Bauchhöhle  ganz 
schliesst,  und  wer,  wie  Riedel  das  tut,  die  Ectomie  ausführt, 
ohne  eine  Tamponade  hinzuzufügen,  der  muss  dann  und  wann  eine 
Peritonitis  erleben.  Das  ist  gar  nicht  anders  möglich.  Deshalb 
halte  ich  die  Naht  der  Choledochusincision  und  die  Ectomie  ohne 
Tamponade  geradezu  füi"  einen  Fehler.  Ich  halte  nicht  gern 
Anderen  ihre  Fehler  vor,  aber  im  Interesse  der  Kranken  ist 
ein  offenes  Wort  hier  sehr  am  Platze! 

Die  oben  angeführten  Komplikationen  haben  für  die  G  allen - 
Steinoperationen  nichts  Spezifisches;  sie  können  nach  jeder  lia- 
parotomie  eintreten.  Besondere  Nachkrankheiten  entstehen  aber 
dadurch,  dass  wir  im  Oberbauch  operieren  und  besonders  den 
benachbarten  Magen  und  das  Duodenum  leicht  schädigen,  und 
deshalb  kann  es  uns  nicht  wundern,  w^enn  vor  Allem  Erscheinungen 
von  Seiten  dieser  Organe  die  Rekonvaleszenz  stören  können. 

Ein  Symptom  gestörter  Magenfunktion  steht  oben  an,  das 
ist  das  Erbreclien. 

Das  Erbrechen  nach  einer  Gallensteinoperation  hat  ver- 
schiedene Ursachen.  Entweder  ist  es  reines  Chloroformerbrechen, 
oder  es  beruht  auf  mechanischer  Kompression  des  Pylorus  resp. 
Duodenum  durch  die  Tampons  (Sr.  80)  oder  auf  lokaler  Peri- 
tonitis im  Operationsfeld.  Hat  man  am  Duodenum  Adhäsionen 
lösen  müssen,  so  kommt  es  hier  zur  Blutung,  Stauung  und 
Infektion  —  die  Passage  wird  aufgehoben,  der  Mageninhalt 
kann  sich  nicht  völlig  entleeren.  Überlässt  man  solciie  Kranke 
ihrem  Schicksale,  d.  h.  spült  man  den  Magen  nicht  aus,  so 
bekommen  sie  akute  Magenerweiterung,  und  im  Anfang  meiner 
Tätigkeit  habe  ich  diese  Komplikation  oft  genug  gesehen.  Jetzt 
kommt  es  nicht  mehr  dazu,  weil  ich  die  Gefahren  dieser  Kom- 
plikation rechtzeitig  erkenne.  Da,  wo  wir  tamponieren,  also 
bei  Ectomien  und  Hepaticusdrainagen,  rufen  wir  stets  eine 
peritoneale  Reizung  hervor,  die  zu  einer  serösen  Durchtränkung 


—     355     — 

der  Gewebe  und  zu  einem  g^e wissen  Stillstande  der  Peristaltik 
in  der  vom  Tampon  getroffenen  Magen-  oder  Darm  wand  führt. 

Das  Chloroformerbrechen  hört  gewöhnlich  schon  48  Stunden 
post  op.  auf,  doch  werden  manche  Patienten  auch  länger  da- 
von geplaüft. 

Bei  tagelang  anhaltendem  Erbrechen  ist  es  richtiger, 
weniger  an  die  Nachwirkungen  des  Chloroforms  als  an  akute 
Magendilatation  und  circumscripte  Peritonitis  zu  denken  und  da- 
nach seine  Massnahmen  zu  treff'en. 

Gleichgültig  ob  das  Erbrechen  auf  das  Chloroform  oder 
auf  entzündliche  oder  mechanische  Abknickungen  des  Pylorus 
oder  Duodenums  zurückzuführen  ist,  wir  werden  stets  dem  Pa- 
tienten absolute  Abstinenz  verordnen,  den  Magen  ausspülen  und 
den  Durst  durch  rektale  Einlaufe  oder  durch  subkutane  lujektioii 
von  Kochsalzlösung  zu  lindern  suchen.  Ich  habe  früher  geglaubt, 
das  postoperative  Erbrechen  durch  Auflegen  von  Essigkom- 
pressen*) einschränken  zu  können,  ich  habe  mich  aber  überzeugt, 
dass  die  Wirkung  häufig  ausbleibt. 

Auch  ist  es  nicht  nötig,  wie  Lene witsch**)  die  Magen- 
spülung mit  einer  V2-  2  prozentigen  Salzlösung  vorzunehmen. 
Einfaches  Wasser  genügt.  Die  Hauptsache  ist,  dass  Patient 
gar  nichts  per  os  zu  sich  nimmt,  auch  keine  Eisstückchen  ver- 
schluckt, die  gerade  recht  viel  Wass>er  im  Magen  ansammeln 
lassen.  Zweckmässig  ist  es  in  vielen  Fällen,  den  Patienten 
auf  die  rechte  Seite  zu  legen  (Xr.  10,  Nr.  37,  Nr.  68),  um  den 
Abfluss  des  Mageninhalts  zu  erleichtern.  Ja  man  hat  für  die 
Fälle  von  arterio-mesenterialem  Verschluss  sogar  die  Bauchlage 
empfohlen.  Ich  habe  sie  ein  paar  Mal  angewandt  (Nr.  108)  und 
die  Operierten  ertrugen  diese  Evolution  ganz  gut. 

Bei  profusem  Erbrechen  rate  ich  sehr,  den  Verband  abzu- 
nehmen und  sich  den  Bauch  anzusehen,  um  festzustellen,  ob 
nicht  etwa  akute  Magendilatation  vorliegt.  Oft  sieht  man 
durch  die  schlaffen  Bauchdecken  hindurch  die  Konturen  des 
aufgetriebenen  Magens,  stellt  starkes  Plätschern  des  Magens 
fest  (Nr.  80)  und  wird  nun  mit  grosser  Energie  der  weiteren 
Ausbildung  der  Dilatation  entgegenarbeiten. 
,  Die  akute  Dilatation  des  Magens,  auf  die  Riedel  zuerst 
(1890)  aufmerksam  machte,  entsteht  besonders  dann,  wenn  der 


*)  Lew  in,  Revue  de  Chirurgie  1895  Nr.  9. 
**)  Central  bl.  lür  Chir.  1891  Nr.  2. 


23^ 


—     356     — 

Pylorus  resp.  das  Duodenum  an  und  für  sich  eng  sind  und  durch 
die  Adhäsionen,  die  von  der  Gallenblase  ausgehen,  gezerrt  und 
abgeknickt  werden.  Möglichste  Beseitigung  solcher  Adhäsionen 
bei  der  Operation  selbst  ist  das  beste  Mittel,  der  Entstehung 
der  akuten  Magendilatation  vorzubeugen.  Auch  soll  man  bei 
mehr  oder  weniger  ausgesprochener  Stenose  am  Pylorus  und 
Duodenum  die  sofortige  Vornahme  der  Gastroenterostomie 
nicht  scheuen.  Die  Pyloroplastik  kann  ich  für  wirkliche  Stenosen 
nicht  empfehlen;  nur  da,  wo  man  schwankt,  ob  man  gastro- 
enterostomieren  soll  oder  nicht ,  könnte  die  Pyloroplastik  als 
Auskunftsmittel  dienen. 

Riedel  empfiehlt  für  die  Fälle  von  akuter  Dilatation 
des  Magens  (dabei  steigt  der  Puls  oft  auf  150  Schläge  ohne 
gleichzeitige  Temperaturerhöhung)  die  Ausspülung  desselben  mit 
nachfolgender  Morphiuminjektion.  Mit  der  ersteren  Massnahme 
bin  ich  ganz  einverstanden,  mit  der  zweiten  nicht.  Morphium 
lähmt  die  Darramuskulatur  und  hebt  die  Peristaltik  auf.  Es 
ist  aber  Hauptsache ,  dass  der  Magen  wieder  arbeitet.  Also 
soll  man  ausspülen  und  kein  Morphium  geben.  Ich  habe  mit 
der  gewöhnlichen  Spülung   immer  mein  Ziel  erreicht. 

Aber  nicht  nur  am  Pylorus  kommen  Abknickungen  vor, 
sondern  auch  etwas  tiefer  an  der  Duodenojejunalgrenze. 
(Nr.  47.)  Die  akute  postoperative  Magendilatation,  hervor- 
gerufen durch  arterio-mesenteriale  Darinkompression,  habe  ich 
sehr  selten  gesehen.  P.  Müller  (D.  Zeitschr.  f.  Chir.  Bd.  56) 
berichtete  über  diese  unangenehme  Komplikation  in  einer  sehr 
ausführlichen  Arbeit.  Schon  Rokitansky  kannte  die  Ab- 
klemmung des  Duodenums  auf  der  Duodenojejunalgrenze  durch 
die  im  Mesenterium  verlaufende  Arteria  mesaraica  superior. 
Albrecht  hat  19  Fälle  von  arteriomesenterialem  Darmverschluss 
zusammengestellt.  (Virch.  Archiv  Bil.  156.)  Der  Sektionsbefund 
in  solchen  Fällen  ist  sehr  typisch.  Müller  bericiitet  darüber 
Folgendes : 

„Der  Sektionsbefund  des  arteriomesenterialen  Duodenal- 
verschlusses ist  ein  recht  typischer.  Stets  war  der  Magen  und 
das  Duodenum  stark,  oft  enorm  erweitert;  stets  d.  h.  in  den 
Fällen,  in  denen  darauf  geachtet  wurde,  da  andernfalls  infolge^ 
des  Mangels  jeden  Schnürrings  die  Kompression  des  Duodenum 
zu  leicht  entgeht,  wurde  die  Abklemmung  der  Duodenojejunal- 
grenze, deren  Lage  nicht  ganz  konstant  zu  sein  scheint,  durch 


-      357     - 

die  im  Älesenterinm  verlaufende  Arteria  niesaraica  superior,  die 
sich  als  fester  Strang  liinüberspannte,  g-efunden.  Irgendwelche 
Zirkulationsstörungen  dieser  Stelle  ausser  einer  gewissen  Anämie 
wurden  nicht  beobachtet.  Der  Dünndarm  war  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  völlig  leer  und  kontrahiert,  ebenso  der  Dick- 
darm. Einige  Male  wurde  jedoch  ein  massiger  Inhalt  im  Dünn- 
daim  gefnrden.  Dieses  würde  darin  seine  Erklärung  finden, 
besonders  weil  auch  im  obersten  Jejunum  Chymus  konstatiert 
wurde,  dass  der  Verschluss  nicht  ein  totaler  gewesen  und  dass 
eine  geringe  aber  unzureichende  Passage  vorhanden  war.  Hier- 
auf weisen  auch  Kund  rat  und  Gl^nard  hin. 

Der  leere,  zu  platten  Schnüren  kontrahierte  Dünndarm  lag 
stets  im  kleinen  Becken.  War  der  Düundaim  nicht  leer,  so 
lag  nur  ein  mehr  oder  minder  grosser  Teil  desselben  im  kleinen 
Becken,  dabei  war  aber,  wie  gesagt,  das  Mesenterium  straff 
angespannt. 

Das  Symptom,  das  das  ganze  Krankheitsbild  beherrscht, 
ist  das  oft  äusserst  reichliche,  gewöhnlich  gallige,  seltener  bräun- 
lichgraue oder  schwärzliche  Erbrechen.  Dabei  fehlt  dem  Er- 
brochenen jede  fäkulente  Beschaffenheit.  Es  ist  dies  eine  Eigen- 
schaft, die  allen  infrapapillären  Duodenalverschlüssen  eigen  ist. 
•Der  Leib  ist  gewöhnlich  tlach,  nicht  aufgetrieben,  nicht  empfind- 
lich. In  wenigen  Fällen  sind  eine  lokale  Auftreibung  der  Magen- 
gegend, sehr  selten  eine  allgemeine  und  äusserst  starke  spontane 
Schmerzen  konstatiert  worden.  Eine  direkte  Druckempfindlich- 
keit, wie  sie  bei  Peritonitis  gewöhnlich  ist,  ist  nicht  beobachtet. 

Die  Temperatur  ist  gewöhnlich  nicht  erhöht,  der  Puls  da- 
gegen stets  frequent,  häufig  über  120  und  noch  mehr,  dabei 
klein.  Die  Patienten  machen  einen  schwer  kranken,  collabierten 
Eindruck  und  klagen  fast  immer  über  grossen,  oft  unerträg-  , 
liehen  Durst.  Bei  *den  meisten  Fällen  ist  jeder  Abgang  von 
Flatus  und  Stuhl  sistiert. 

Die  Frage,  wie  ohne  anatomische  Veränderungen,  bei  an- 
scheinend völlig  normalem  Situs  dieser  Duodenalverschluss  zu 
Stande  kommt,  ist  bereits  von  Kund  rat.  Schnitz  1er,  Alb- 
recht genauer  untersucht.  Doch  ist  sie  noch  nicht  völlig  gelöst." 

Die  Anatomie  der  hier  in  Frage  kommenden  Organe  ist 
nach  Müllers  Angaben  kurz  folgende.  „Hinter  dem  extraperi- 
toneal gelegenen  Pankreas,  gewöhnlich  näher  dem  oberen  Rande 
desselben,    entspringt  aus   der  Aorta  abdominalis    unter   einem 


—     858     — 

nach  unten  zu  spitzen  Winkel  die  Art.  ines.  sup.  Etwa  2  cm. 
unterhalb  des  Ursprungs  dieser  Arterie  verläuft  fast  quer  zu 
ihr,  der  Aorta  und  der  Wirbelsäule  der  Endteil  des  Duodenum, 
über  welchen  die  Arteria  mes.  sup.  samt  der  sie  begleitenden 
gleichnamigen  Vene  ins  Mesenterium  eingebettet  in  der  Gegend 
der  Duodenojejunalgrenze  hin  wegzieht,  sodass  dieser  Darmteil 
zwischen  ihr  und  der  Aorta  wie  in  einer  Gabel  liegt.  Der 
Stamm  der  Arterie  verläuft  in  einem  leichten  nach  links  kon- 
vexen Bogen  nach  abwärts  und  findet  seine  Endteilung  im  Be- 
reiche des  untersten  Tleum  und  Coecum.  Die  den  Dünndarm 
versorgenden  Aste  gehen  sämtlich  von  der  linken  convexen 
Seite  des  Hauptstamnies  ab.  Aus  der  anatomischen  Lage  ist 
der  Mechanismus  des  Verschlusses  leicht  ersichtlich.  Die  beiden 
Schenkel  der  Gabel,  d.  i.  die  Aorta  und  die  Art.  mes.  sup., 
brauchen  einander  nur  genähert  zu  werden,  und  das  Lumen  des 
zwischendurchtretenden  Duodenums  wird  verengt  bezüglich 
aufgehoben  werden. 

Bei  gestellter  Diagnose  ergibt  sich  die  Therapie  von  selbst. 
Der  übermässig  dilatierte  und  gefüllte  Magen  niuss  durch  die 
Magensonde  von  seinem  Inhalt  befreit  werden.  Ist  dies  ge- 
schehen, so  muss  der  das  Mesenterium  spannende  Dünndarm 
aus  dein  kleinen  Becken  herausbefördert  werden.  Das  lässt. 
sich  am  einfachsten,  wie  es  Schnitzler  getan  hat,  dadurch 
erreichen,  dass  der  Patient  auf  den  Bauch  gelegt  wird.  Will 
man  noch  ein  übriges  tun,  so  kann  man  nach  Albrecht  auch 
die  Position  ä  la  vache  anwenden.  Diese  halte  ich  jedoch  für 
zu  weitgehend.  Die  Bauchlage  ist  viel  bequemer  und  genügt 
völlig. 

In  jedem  Falle,  wo  sich  auch  nur  der  Verdacht  einer  der- 
artigem Darmocclusion  regt,  würde  ich  demnach  die  Magenspülung 
—  sowohl  aus  therapeutischer  als  auch  aus  diagnostischer  Rück- 
sicht —  und  die  sofortige  Einnahme  der  Bauchlage  empfehlen. 
Ist  es  eine  mesenteriale  Darmincarceration,  so  zeigt  sich  der 
Erfolg  dieses  so  überaus  einfachen  Eingriffs  —  die  Bauchlage 
kann  nach  jeder  Operation,  auch  nach  Laparotomien,  ohne  jeden 
Schaden  eingenommen  werden  ~  spätestens  in  der  nächsten 
Stunde,  gewöhnlich  aber  sofort.  Wie  lange  die  Bauchlage  bei 
günstiger  Wirkung  beibehalten  werden  muss,  das  wird  der 
weitere  Verlauf  zeigen,  jedenfalls  so  lange,  bis  ein  Lagewechsel 
nicht  mehr   zum  Erbrechen    führt,    da  die  Bauchlage    ja    olnie 


—     359     — 

jeden  Schaden  beliebig  lange  eingenommen  werden  kann.  Führt 
die  Einnahme  der  Bauchlage  in  einem  so  V)ehandelten  Falle 
keine  auffallende  Besserung  herbei,  so  dürfte  es  sich  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit  bei  bestehender  akuter  Magenerweiterung 
um  eine  andei'e  Form  der  hohen  Darmincarceration  handeln,  und 
hier  ist  die  Laparotomie  der  einzig  beschreitbare  Weg.  Sollte 
sich  nun  aber  wider  Erwarten  doch  eine  derartige  Duodenal- 
kompression  finden,  so  könnte  man  sich  entweder  damit  begnügen, 
den  Dünndarm  aus  dem  kleinen  Becken  herauszuholen  und  so 
die  Kompression  des  Duodenum  zu  heben,  oder  es  könnte,  um 
ein  derartiges  Vorkommen  für  die  Zukunft  unmöglich  zu  machen, 
die  bereits  von  Kundrat  empfohlene  Gastroenterostomie  ge- 
macht werden.  Will  man  sich  nur  auf  das  Lösen  der  Com- 
pression  beschränken,  so  muss  nach  vollendeter  Operation  der 
Patient  sofort  in  Bauchlage  gebracht  werden,  da  andernfalls, 
wie  ein  derartiger  von  Hochene gg  operierter  Fall  beweist, 
ein  tödliches  Kecidiv  eintreten  kann." 

Nicht  selten  nimmt  das  Erbrechen  einen  noch  bedrohlicheren 
Charakter  an ;  es  tritt  das  sog.  schwsirze  Erbrechen  (Nr.  3,  Nr.  10, 
Nr.  13,  Nr.  24,  Nr.  25,  Nr.  28,  Nr.  29,  Nr.  35,  Nr.  48,  Nr.  57, 
Nr.  75,  Nr.  89,  Nr.  105,  Nr.  108,  Nr.  128,  Nr.  158,  Nr.  159,  Nr.  170, 
Nr.  177)  ein.  Frisches  und  altes  Blut  kommt  zum  Vorschein. 
Dieses  Bluten  in  den  Magen  braucht  nur  einmal  stattzufinden 
und  kann  rasch  vorübergehen ,  es  kann  aber  auch  sehr  an- 
haltend und  stark  sein  und  das  Leben  in  grösste  Gefahr  ver- 
setzen. Die  Ursache  desselben  ist  noch  nicht  recht  aufgeklärt. 
V.  Eiseisberg*)  hatte  dasselbe  auf  weniger  oder  mehr  aus 
gedehnte  Netz-  und  Mesenteriumunterbindungen  zurückgeführt. 
V.  Eiseisberg  ist  geneigt,  „die  Blutungen  mit  Billroth  als 
Verschleppung  von  teils  infizierten  ,  teils  wenig  oder  nicht  in- 
fizierten Thromben  aus  der  Operationsstelle  der  unterbundenen 
Netzstürapfe  wahrscheinlich  im  Wege  der  rückläufigen  Embolie 
aufzufassen.  In  der  Tat  ergab  auch  in  einem  der  die  Blutung 
bedingenden  Geschwüre  die  miskroskopische  Untersuchung  eine 
Thrombose  von  keilförmiger  Gestalt,  so  dass  mit  Wahrscheinlich- 
keit die  Ursache  des  Ulcus  in  einer  Embolie  gesucht  werden 
darf."  Ich  möchte  glauben,  dass  es  in  vielen  Fällen  einfach 
darauf  beruht,    dass  der  Magen  nach  der  Laparotomie  gelähmt 


*)  Arcli.  f.  klin.  Chir.  Bd.  66,  1902.    S.  900. 


—     360     — 

wird  und  in  ihm  eine  Stauung  eintritt;  die  Blutung  in  den 
Magen  ist  also  als  einfache  Stauungsblutung  aufzufassen.  Sobald 
der  Magen  durch  die  Sonde  entleert  wird  und  zusammenfällt, 
die  Zirkulationsverhältnisse  in  der  Magenwand  sich  bessern, 
hört  das  Erbrechen  wie  mit  einem  Schlage  auf,  besonders  wenn 
die  Peristaltik  in  Gang  kommt.  Derartige  einfache  Fälle,  bei 
denen  keine  Verwachsungen  gelöst  waren ,  habe  ich  öfters 
beobachtet.  Landow  hat  2  Fälle  von  postoperativer  Hämate- 
mesis  mitgeteilt,  in  denen  er  das  Chloroform  als  die  Ursache  der 
Blutung  beschuldigt.  In  Meinhard  Schmidts  Fall  von  Ectomie 
waren  neben  der  Ligierung  von  Verwachsungen  zwischen  Netz 
und  Gallenblase  Manipulationen  am  Pylorus  vorgenommen  worden, 
so  dass  die  nachträgliche  Magenblutung  event.  auf  diese  Magen- 
zerrung zurückzuführen  ist. 

Rodmann*)  nimmt  Sepsis  an;  für  manche  Fälle  gewiss 
die  einfachste  Erklärung.  Wie  sind  aber  die  Fälle  (Nr.  13.) 
zu  deuten,  bei  denen  bei  einer  Temperatur  von  36,5  ^—37,5  °  C. 
und  einem  Puls  von  70 — 80  Schlägen  Magenblutungen  ein-  oder 
zweimal  auftreten,  um  dann  bei  geeigneter  Behandlung  nicht 
wiederzukehren  ?  Auf  diese  Fälle  möchte  ich  meine  obige  Er- 
klärung anwenden. 

Friedrich  u.  Hoff  mann**)  kommen  auf  Grund  ihrer 
Versuche  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Infektion  der  Thromben 
zur  Nekrosenbildung  in  Leber  und  Magen  —  eine  Annahme, 
der  Engelhard  t  u.  Neck  huldigten  —  nicht  erforderlich  sei, 
sondern  dass  die  Nekrosen  lediglich  als  Folgen  der  Zirkulations- 
störung durch  embolischen  Gefässverschluss  anzusehen  seien. 

Sthamer***)  fasst  das  Resultat  seiner  Untersuchungen  in 
folgender  Weise  zusammen:  „Es  treten  beim  Meerschweinchen 
nach  völlig  aseptisch  ausgeführter  Ligatur  und  Resektion  des 
Netzes  Infarkte  in  der  Leber  und  Geschwürsbildung  im  Magen 
auf,  ohne  dass  bei  der  Obduktion  Bakterienwachstum  aut  der 
Ligaturstelle   sowohl  wie  aus  den   Infarktherden  nachgewiesen 


*)  Rodmann,    Gastric  haemorrhage.     The  medical  Times  1900, 
July  25. 

**)  Friedrich.    Arch.  f.  klin.  Chir.     Bd.  59,  p.  837. 
Hoff  mann.    Diss.    Leipzig,  Bruno  Georgi,  1900. 
***)  Sthamer,  Zur  Frage  der  Entstehung  von  Magengeschwüren 
und  Leberinfarkten   nach   experiment.  Netzresektionen.    D.  Z.  f.  Chir. 
Bd.  61,  p.  517. 


—     3ßl     — 

werden  kann.  Das  Auftreten  von  Leberinfarkten  und  Magen- 
ulcerationen  muss  nicht  durch  die  Anwesenheit  von  Bakterien 
bedingt  sein." 

Weiterhin  sind  bekannt  geworden  Fälle  von  Ullmann 
(Ventralhernien),  Meinh.  Schmidt,  Reich  ardt,  Dehler 
(Gallensteinoperationen),  Lauen  stein  (Nabelhernie),  Mintz 
(Epityphlitisoperation),  Kolomenkin  (Nabelhernie  und  Adnex- 
erkrankung),  ßurkhardt  (supravaginale  Amputation  des  Uterus), 
Landow  (intraperit.  Abszess,  Gallensteinoperation,  perityphl. 
Abszess),  R.  Pouves  (Nabelhernie,  Lithotripsie  bei  Blasen- 
stein, Gallensteinoperation,  Nephrotomie,  Hernienoperation, 
Sectio  alta,  Ovariotomie,  Hysterectomie)  und  Crooni.  Palitzsch 
gibt  eine  Übersicht  über  33  in  der  Literatur  beschriebene 
Fälle.  Die  33  Fälle  betreffen  19  Männer  und  14  Frauen. 
Palitzsch  beschreibt  einen  Fall  aus  der  Trendelenburg'- 
schen  Klinik   (Operation  einer  Inguinalhernie  nach  Bassini.) 

Die  Ursachen  der  postoperativen  Haemateraesis  sind  gewiss 
in  verschiedener  Richtung  zu  suchen.  Dass  das  Chloroform 
dann  und  wann  die  Schuld  trägt,  habe  ich  schon  vor  Landow 
ausgesprochen;  Zerrungen  des  Magens  und  Duodenums  sind  bei 
Gallensteinoperationen  an  der  Tagesordnung  und  gew^iss  zu  be- 
rücksichtigen. Die  Unterbindung  vom  Netz  ist  fast*  bei  jeder 
Gallensteinoperation  nötig,  so  dass  die  Erklärung  von  Eiseis- 
berg, Friedrich,  Engelhardt  und  Neck,  Sthamer  für 
die  meisten  Fälle  zutreffen  könnte.  Für  die  leichten,  rasch  vor- 
übergehenden Fälle-  möchte  ich  einfach  Stauung  im  Venensystem 
des  gelähmten  Magens  annehmen.  Während  ich  dieses  schreibe, 
liegt  ein  Patient  in  meiner  Klinik,  der  nach  dem  leichten  Schlauch- 
verfahren einmal  einen  Liter  blutige  Flüssigkeit  erbrach  und 
nach  einmaligem  M^genausspülen  gesund  wurde,  nachdem  die 
Peristaltik  in  Gang  kam  und  der  Magen  seine  Tätigkeit  wieder 
einstellte.  Solche  Fälle  sind  entschieden  häufiger  als  die,  bei 
denen  Sepsis  zur  Geschwürsbildung  im  Magen  und  Duodenum 
führt. 

Was  haben  wir  therapeutisch  bei  solchen  postoperativen 
Blutungen  zu  tun?  Prophylaktisch  sorgen  wir  für  gute  Asepsis, 
hüten  uns  vor  unnützen  Zerrungen  am  Magen  und  vermeiden 
unnütze  Unterbindungen  des  Netzes.  Die  Leber  soll  man  nicht 
unnötig  malträtieren.  —  Ist  die  Blutung  eingetreten,  dann 
könnte  man   darüber  streiten,   ob  die  Anwendung   der  Magen- 


—     362     — 

sonde  am  Platze  ist,  und  viele  werden  der  Meinung  sein,  dass  durch 
diese  Manipulation  die  Blutung  event  vermehrt  werde.  Ich 
habe  aber  den  Eindruck  gewonnen,  dass  das  nicht  der  Fall  ist; 
im  Gegenteil:  es  gibt  kein  besseres  Mittel  zur  Bekämpfung 
solcher  Blutungen  wie  die  Anwendung  der  Magensonde  und  die 
so  lange  fortgesetzte  Spülung  mit  40  ^  warmem  Wasser,  bis 
die  Spülflüssigkeit  klar  abfliesst.  (Nr.  3,  Nr,  28,  Nr.  29.)  Weiter 
darf  der  Pat.,  der  ganz  ruhig  liegen  muss,  stundenlang  nichts 
trinken  und  bekommt,  wenn  irgend  möglich,  kein  Morphium. 
Die  Hauptsache  ist,  dass  der  Magen  in  Bewegung  kommt  und  die 
Stauung  aufhört,  dass  sobald  wie  möglich  die  Peristaltik  anhebt. 
Immer  und  immer  wieder  macht  man^  die  Beobachtung,  dass 
beim  Eintritt  des  Kollerns  das  Bild  sich  ändert,  und  wenn  erst 
Blähungen  gehen,  so  ist  mit  diesem  „Einsetzen  der  himmlischen 
Musik"  fast  Alles  gewonnen.  Seifeneinläufe,  Glycerinspritzen, 
Einlegen  von  Darmrohren  müssen  fortwährend  abwechseln,  und 
wenn  ich  auch  die  elektrische  Darmeingiessung,  wie  sie  Lejars 
beschreibt,  bisher  nicht  nötig  halte,  so  möchte  ich  sie  doch  für 
die  ver/.wei feiten  Fälle  empfehlen.  Auf  p.  424  finden  wir  in 
der  Technik  dringlicher  Operationen  von  Lejars,  deutsch  von 
Strehl,  eine  sehr  ausführliche  Beschreibung  dieses  Verfahrens. 
Es  kann  in  einem  Buch,  welches  besonders  der  Technik 
der  Operationen  und  der  Therapie  nachträglicher  Störungen  ge- 
widmet ist,  unmöglich  auf  all'  die  Theorien,  die  sich  mit  der  Er- 
klärung der  postoperativen  Hämatemesis  beschäftigen;  eingegangen 
werden.  Wer  sich  für  die  Sache  interessiert,  den  verweise  ich 
auf  die  Arbeit  von  Nitzsche  „Magenblutung  bei  Appendicitis", 
(deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  Bd.  ()4,  p.  180)  und  auf  die  Dissertation 
von  Palitzsch  „Beitrag  zur  Kasuistik  der  Haematemesis  post- 
operativa"^  Leipzig,  Georgi,  1903.  Ich  selbst  habe  die  Magen- 
blutungen auch  nach  anderen  Operationen  (z.  B.  nach  Nephro- 
tomie, Appendicitis -Operationen,  Herniotomien  etc.)  gesehen, 
sodass  ich  mich  wundere,  dass  anderweitig  so  selten  darüber 
berichtet  wird.  Vielleicht  liegt  das  daran,  dass  dem  Erbrochenen 
von  Seiten  der  Ärzte  nicht  die  genügende  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt wird,  dass  es  fortgegossen  wird,  ehe  der  Arzt  Gelegen- 
heit hat,  dasselbe  genau  zu  untersuchen-  Fast  möchte  ich 
glauben,  sodass  hierdurch  die  Seltenheit  anderweitiger  Beobach- 
tungen sich  erklärt;  —  wie  dem  auch  sei,  ich  habe  das  schwarze 
Erbrechen  genug  beobachtet  und  bin  bei  der  Nachbehandlung 
oft  dagegen  eingeschritten. 


—     368     — 

Selbst  nach  kurzen  und  leichten  Appendicectomien  von  der 
Dauer  von  80—40  Minuten  habe  ich  das  Bluterbrechen  unter 
etwa  160  derartigen  Operationen  ca.  5  mal  beobachtet.  Dafür 
zwei  Beispiele  aus  der  letzten  Zeit : 

J.  B.,  48jiihr.  Förster  aus  Elend  im  Harz. 
Aufo-en.:  28.   12.  03. 
Operiert:  31.   12.  03.  Appendicectomie;  Lösung  von 

Verwachsungen. 
Entlassen:  21.  1.  04.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  Vater  von  4  gesunden  Kindern. 
3  Geschwister  an  Tuberkulose  gestorben,  Mutter  an  Lungenentzündung. 
Will  immer  gesund  gewesen  sein.  Vor  etwa  5  Wochen  bemerkte  Pat. 
einen  Druck  zuerst  in  der  linken  Seite  des  Leibes;  dann  einige  Tage 
frei  von  Druck  ;  8  Tage  später  in  dor  rechten  Leibseite,  nach  der  Hüfte 
zu  ausstrahlend,  spanneiidrss  Druckgeflild,  das  bis  jetzt  noch  besteht. 
Pat.  ist  in  der  Zeit  sichtlich  abgemagert,  besonders  weil  er  in  der 
Zeit  fast  nichts  ass ;  Appetit  war  stark  herabgesetzt,  ab  und  zu  Auf- 
stos^en.  Stuhl  war  in  den  letzten  Tagen  etwas  angehalten.  Herr 
Sanitätsrat  Dr.  H  aug-Schierke  verordnete  flüssige  Diät,  kalte  Um- 
schläge lind  empfahl  dann,  als  keine  Besserung  eintrat,  mich  zu 
konsultieren. 

Befund:  Etwas  anämischer  Mann  in  massigem  Ernährungs- 
'zustand.  Im  Abdomen  rechts  vom  Nabel  zwischen  Gallenblasen-  und 
Blinddarmgegend  länglicher  Tumor  palpabel,  der  sich  unter  den  Fingern 
rollen  lässt :  derselbe  in  massigem  Grade  druckempfindlich. 

Operation:  Längsschnilt  am  lateralen  rechten  Rektusrand.  Der 
Tumor  ist  das  untere  Ende  des  Ileum,  welches  durch  slrangf'örmige 
Verwachsungen  an  das  Coecum  herangezogen  und  eingeschnürt  ist. 
Wurmfortsatz  atrophisch,  verwachsen  und  abgeknickt.  Lösung  der 
Stränge,  Appendicectomie, Bauchdeckennaht  mitDurchstichknopfnähten. 
Appendix  atrophisch.  Lumen  für  Sonde  kaum  durchgängig,  das  Ende 
etwas  kolbig  aufgetrieben.  Sehr  gute  Sauerstoflfchloroformuarkose, 
40  Min.    Dauer  der  Operation  '60  Min. 

Verlauf:  Befinden  nach  der  Operation  gut;  Puls  kräftig,  76. 
Abends  etwas  Aufstossen  ;  dann  plötzliches  Erbrechen  von  über  '/ä  Liter 
schwarzroter  Flüssig-keit.  Magenspülung  eine  Stunde  später  fördert 
nochmals  reichliche  Mengen  gleicher  blutiger  Flüssigkeit  zu  Tage. 
2  Kochsalzeinläufe. 

1.  1.  04.  Pat.  hat  nicht  wieder  gebrochen,  kein  Aufstossen  mehr. 
Blähungen  bereits  im  Gang.  Da  Urin  nicht  gelassen  werden  kann, 
Abnahme  mit  dem  Katheter. 

2.  1.  04.   Heute  Morgen  Urin  spontan  entleert.  Blähungen  gehen. 
5.  1.  04.    Gutes  Befinden.     Pat.  führt  ab. 

12.  1.  04.  Verbandwechsel.  Wunde  per  primam  geheilt ;  Ent- 
fernung sämtlicher  Nähte. 

18.  1.  04.    Verband  bleibt  fort.     Pat.  steht  auf. 
21.  1.  04.    Geheilt  entlassen. 


—     804     - 

F.  H.,  21jähr.  Handlungsgehilfe  aus  Quedlinburg. 

Auf  gen.:  16.  11.  03. 

Operiert:  17.  11.  03.     Appendicectomie. 

Entlassen:  5.  12.  03.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  sonst  immer  gesund  gewesen.  Am  22.  Aug. 
dieses  Jahres  Blinddarmentzündung  (starke  Schmerzen  in  der  rechten 
Unterleibseite,  Erbrechen,  Fieber).  Pat.  war  14  Tage  krank.  In  den 
letzten  2  Jahren  dauernd  Verstopfung.  Nach  dem  Anfall  im  August 
Stuhl  r(^gelmässig.  September  2.  Anfall  von  Blinddarmentzündung,  der 
weniger  heftig  war,  14  Tage  dauerte.  Am  1.  November  letzter  Anfall, 
und  zwar  sehr  heftig,  Schüttelfrost,  hohes  Fieber,  Erbrechen.  Dauer 
10  Tage.  Seitdem  Wohlbefinden,  guter  Appetit,  Stuhlgang  regel- 
mässig. Keine  Schmerzen  im  Leib.  Herr  Dr.  Grund-Quedlinburg 
sendet  uns  den  Pat.  zu. 

Befund:  In  der  Blinddarmgegend  ein  wurstförmiger,  etwas 
druckempfindlicher  Tumor  tastbar. 

Operation:  17.  11.  03.  Gute  Sauerstofi"- Chloroformnarkose 
(40  Miimten,  30  gr).  Längsschnitt  am  rechten  äusseren  Rektusrande. 
Appendix  sehr  verlängert,  erigiert  und  sehr  breit  aufsitzend;  zwischen 
mittlerem  und  äusserem  Drittel  Perforation  ins  Netz.  Lösung  einiger 
Verwachsungen.     Excision.     Schluss  der  Bauchwunde. 

Verlauf:  17.  11.03.  Temperatur  Abends  37,9.  Puls  88.  Viel 
Aufstossen.  3mal  abends  galliges  Erbrechen,  im  Erbrochenen  Blut- 
spuren. 

18.  11.  03.  Temp.  Morgens  37,6,  Puls  86.  In  der  Nacht  viel  Auf- 
stossen, heute  früh  längere  Zeit  Singultus.  Mageuspülnng  ergibt 
gallig  gefärbte  Flüssigkeit  uud  massig  viel  Blut.  Nachher  Besserung. 
Temp.  Morgens  37,5. 

19.  11.  03.  Temp.  normal.  Nachts  wieder  viel  Aufstossen,  heute 
früh  noch  einmal  Erbrechen  von  etwas  Galle.  Magenspülung  ergibt 
nur  etwas  gallig  gefärbte  Flüssigkeit.  Danach  lässt  das  Aufstossen 
nach.  Abends  fühlt  sich  Pat.  wohl,  hat  nur  noch  ab  und  zu  Auf- 
stossen.   Blähungen  gehen. 

20.  11.  08.  Noch  einmal  Erbrechen  von  etwas  Tee.  Etwas  Auf- 
stossen.    Befinden  sonst  gut. 

21.  11.  OB.    Kein  Aufstossen;  kein  Erbrechen.     Befinden  gut. 

30.  11.  03.     Entfernung  der  Nähte.     Wunde   per   primam  geheilt. 

1.  12.  03.     Steht  auf. 

5.  12.  03.     Geheilt  entlassen.  — 

Dass  nach  jeder  Laparotomie  einmal  Ileus  vorkommen 
kann,  ist  eine  bekannte  Tatsache.  Gerade  bei  den  Gallenstein- 
operationen werden  oft  so  viele  Verwachsungen  gelöst,  dass  man 
eigentlich  erwarten  möchte,  dass  öfter  einmal  Ileus  eintreten 
müsste.  Und  doch  gehört  echter  Ileus  nach  einer  Gallenstein- 
operation zu  den  grössten  Seltenheiten  und  ist  jedenfalls  nicht 


-     365     — 

häufiger  wie  nach  einer  Laparotomie  aus  anderen  Gründen. 
Beim  Ileus  ist  es  ein  grosses  Kunststück,  zur  richtigen  Zeit 
einzugreifen.  Operiert  man  zu  früh,  so  macht  man  oft  eine 
überflüssige  Operation,  und  greift  man  zu  spät  zum  Messer,  so 
kann  man  nicht  immer  den  Kranken  retten.  Eine  sorgfältige 
Überwachung  des  Kranken,  eine  fast  stündlich  vorgenommene 
Untersuchung  desselben  werden  in  zweifelhaften  Fällen  uns 
über  die  Notwendigkeit  eines  chirurgischen  Eingriffes  Gewissheit 
verschaffen.  Auch  bei  den  bedrohlichsten  Symptomen  führen  oft 
noch  Magenspülungen  und  hohe  Einlaufe  die  gewünschte  Peristaltik, 
Blähungen  und  Stuhlgang  herbei.  Meistenteils  beruht  der  Ileus 
nach  einer  Gallensteinoperation  auf  Abknickung  eines  Darm- 
stückes durch  eine  bei  der  Operation  übersehene  oder  auch 
erst  durch  die  Operation  geschaffene  Verwachsung.  Man  tut 
deshalb  gut,  bei  jeder  Gallensteinoperation  wenigstens  die  nähere 
Umgebung  der  Gallenblase  auf  derartige  Stränge  zu  revidieren 
und,  wenn  irgend  möglich,  auch  das  Coecum  mit  seinem  Anhang 
zu  besichtigen.  Ich  habe  oben  die  Fälle  erwähnt,  in  denen 
eine  Berücksichtigung  der  Appendix  dringend  not  tut  oder 
wünschenswert  erscheint. 

Riedel  hat  nach  einer  Gallensteinoperation  ausgedehnte 
Diphtherie  des  unteren  Endes  des  Ileum  auftreten  sehen.  Die 
Schleimhaut  war  schwarz  verfärbt,  mit  grauen,  fest  haftenden 
Auflagerungen.  Der  Fall  ist  beschrieben  in  einer  Arbeit  über  Darm- 
diphtherie nach  schweren  Operationen  bei  sehr  geschwächten 
Kranken.  (Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  67.  Band,  p.  402).  Mir 
ist  eine  solche  Komplikation  nicht  vorgekommen,  doch  führe  ich 
sie  der  Vollständigkeit  halber  an. 

Einmal  habe  i«h  nach  einer  Cystostomie,  die  allerdings 
durch  eine  Magenresektion  kompliziert  war,  die  Entwicklung 
eines  suphrenischen  Abszesses  beobachtet.  (Nr.  54.)  In  Fall 
Nr.  70  war  der  saphrenisclie  Abszess  bereits  operiert,  als 
Pat.  in  meine  Behandlung  trat;  es  führte  nur  noch  ein  Fistel- 
gang in  den  subphrenischen  Raum. 

Auf  zweierlei  Art  kann  von  einer  Eiterung  im  Gallengang- 
system  eine  Infektion  des  subphrenischen  Raums  erfolgen: 
1)  durch  Perforation  der  Gallenblase  oder  eines  der  grossen 
Gallengänge:  es  entsteht  ein  pericystischer  Abszess  in  oder 
unter  der  Leber,  der  sich  weiter  bis  auf  die  Leberconvexität 
d.  h.  auf  den  subphrenischen  Raum  ausdehnen  kann;  2)  durch 


—     866     — 

Platzen  eines  der  Leberoberfläche  nahe  liegenden,  mit  Eiter  an- 
gefüllten Gallengangs  in  den  subphrenischen  Raum  hinein.  Dieser 
Vorgang  kann  sich  bei  diffuser  eitriger  Cholangitis  infolge  Chole- 
dochusverschlusses  durch  Steine  ereignen. 

Für  die  Eröffnung  des  subphrenischen  Abszesses  stehen 
uns  zwei  Wege  offen:  1)  der  perpleurale  und  2)  der  abdominale. 
Der  letztere  hat  den  Vorzug,  dass  die  Pleura  nicht  eröffnet  zu 
werden  braucht  und  eine  Infektion  der  Bauchhöhle  bei  guter 
Technik  leichter  zu  verhüten  ist,  wie  die  der  Pleurahöhle, 
die  sich  nicht  so  sicher  abschliessen  lässt,  wie  die  Bauchhöhle. 
Welchen  'Weg  man  bei  der  Eröffnung  des  subphrenischen  Ab- 
szesses einschlägt,  das  hängt  ganz  von  dem  betr.  Fall  ab.  Die 
Technik  solcher  Operation  zu  schildern,  inuss  ich  mir  versagen. 

Die  Erörterungen  über  die  akute  Magendilatation,  das  Blut- 
erbrechen etc.  haben  gezeigt,  wie  wichtig  es  ist,  die  Zufuhr 
von  Flüssigkeit  nach  einer  Gallensteinoperation  genau  zu  über- 
wachen. Es  ist  überhaupt  von  grosser  Bedeutung,  die  Diät 
nach  einer  Oallensteinoperation  genau  zu  regeln.  Dieselbe 
richtet  sich  in  erster  Linie  nach  den  Bedürfnissen  des  Kranken, 
resp.  nach  seinen  Magen-  und  Darmverhältnissen.  Ich  gebe, 
was  ich  bereits  oben  erwähnte,  im  allgemeinen  die  ersten  fünf 
Tage  nur  flüssige  Kost.  Die  ersten  24  Stunden  bekommt  Pat. 
nichts  per  os,  bei  grosser  Schwäche  wird  durch  Kochsalzeinläufe 
per  clysma,  event.  Kochsalzinfusionen  und  Öleinsprilzungen  nach- 
geholfen. Hat  Pat.  nicht  erbrochen,  so  bekommt  er  am  2.  Tage 
kalten  Tee,  und  zwar  nur  alle  10  Minuten  2 — 3  Teelöffel  voll. 
Auch  ist  Zitronenwasser,  Tee  mit  Cognac  erlaubt.  Sekt  gebe 
ich  nicht,  um  den  Kranken  nicht  unnütz  den  Leib  durch  die 
Kohlensäure  aufzublähen  ;  gegen  schweren  Rheinwein  ist  nichts 
einzuwenden.  x\ni  3.  Tage  erlaube  ich  kalte  Milch  und  Kaffee, 
und  gewöhnlich  erst  am  4.  Tage  bittet  sich  Pat.  eine  leichte 
Fleischbrühe  aus.  Überhaupt  wollen  viele  nur  kalte  Getränke, 
doch  verordne  ich  heisse,  wenn  die  Herztätigkeit  schwach  ist 
und  eine  Hebung  des  Pulses  mir  geboten  erscheint.  Sehr  gern 
nehmen  die  Pat.  vom  3.  bis  4.  Tage  an  Fleischgelee  von 
Brand-London  —  ein  ausgezeichnetes  Präparat.  Stuhlgang  er- 
folgt gewöhnlich  nie  spontan  vor  dem  5.  Tage;  durch  Einlaufe, 
Glyzerinklystiere  wird  er  angeregt  und  durch  eine  Gabe  von 
Rizinusöl  schliesslich  in  vollendeter  Weise  erzielt.  Danach  beginnt 
Pat.  mit  fester  Kost,  Zwiebäcken,  Kalbsbrieschen,  Huhn,  Taube, 


—     867     — 

und  der  Chirurg-  hat  dann  Gelegenheit,  sich  als  tüchtig-er 
Diätetiker  zu  zeigen  und  seinen  Pat.  klar  zu  machen,  dass  er 
nicht  nur  in  seinem  speziellen  Fach,  sondern  auch  in  „Küche 
und  Keller"  Bescheid  weiss.  Es  ist  oft  geradezu  ein  Verg-nügen, 
die  Freude  zu  beobachten,  welche  Kranke  empfinden,  die  oft 
Wochen  lang  so  gut  wie  nichts  genossen  haben  und  plötz- 
lich nach  allerlei  Leckerbissen  Verlangen  bekommen.  Es  ist 
in  der  Tat  aber  auch  erstaunlich,  wie  ein  Hydrops  der  Gallen- 
blase oft  die  Magenfunktionen  in  Grund  und  Boden  verderben 
kann,  und  wie  schon  8  Tage  nach  Beseitigung  des  Hinder- 
nisses am  Ductus  cysticus  sich  beim  Pat.  ein  Löwenhunger  ein- 
stellt. Ich  hatte,  um  nur  ein  Beispiel  zu  erwähnen,  einmal 
eine  Thüringerin  operiert,  die  gleich  mir  —  ich  bin  selbst 
Thüringer  Kind  —  die  Thüringer  Kartoffelklösse  mit  Gänse- 
braten über  alles  liebte.  (Thüringer  Kartotfelklösse  sind,  bei- 
läufig bemerkt,  das  unverdaulichste  Essen,  was  es  gibt.  Die 
Kartoffeln  werden  gerieben,  alles  Nahrhafte  herausgepresst,  und 
es  bleibt  die  pure  Cellulose,  die  den  Magen  so  belästigt,  dass 
man  gewöhnlich  24  Stunden  überhaupt  nichts  mehr  essen  kann.) 
Besagte  Pat.  hatte  3  Monate  vor  der  Operation  kaum  mehr 
wie  Rotwein,  Milch  und  etwas  Cakes  zu  sich  genommen  und 
trotzdem  oft  genug  erbrochen.  14  Tage  nach  der  Operation 
hörte  sie,  dass  es  in  meiner  Küche  Kartoff'elklösse  gab,  sie  war 
von  einem  solchen  Heimweh  nach  dem  heimatlichen  Gericht 
erfasst,  dass  ich  ihrem  Bitten  und  Flehen  nachgab  und  ihr  einen 
Klos  zukommen  liess,  den  sie  mit  der  gehörigen  Menge  fetter 
Sauce  und  Gänsebraten  vertilgte.  Aber  der  Magen,  der  3  Monate 
lang  so  ,,schwer  krank."  war,  sagte  nichts  zu  dieser  ungewohnten 
Mahlzeit :  die  Pat.  war  am  nächsten  Tage  ohne  alle  Beschwerden. 

Ich  erzähle  diese  Geschichte  nicht,  um  diese  Thüringer 
Kartoffelklösse  für  die  Nachbehandlung  der  Gallensteinoperierten 
zu  empfehlen  ;  doch  man  sieht,  wie  rasch  die  Patienten  sich  oft 
erholen  und  schon  nach  14  Tagen  so  gut  wie  alles  essen  können. 

Ich  lasse  trotzdem  die  Gallensteinkranken  14  Tage  ganz 
diät  leben,  nach  3  Wochen  gehen  sie  aber  allmählich  zu  der 
gewöhnlichen  Kost  über,  und  wenn  sie  entlassen  werden,  so 
gebe  ich  denselben  folgende  Ratschläge  inbezug  auf  die  Diät 
mit  auf  den  Weg :  Ein  Gallensteinoperierter  soll  oft  (alle  drei 
Stunden)  kräftige  und  leicht  verdauliche  Speisen  zu  sich  nehmen. 
Er  soll  oft  essen,  da  es  festgestellt  ist,  dass  dadurch  der  beste 


—     368     — 

Abfluss  der  Galle  erzielt  wird.  Alles,  was  den  Magen  unnütz 
belästigt  und  die  Verdauung  erschwert,  was  ihm  erfahrungs- 
geraäss  nicht  bekommt,  soll  er  fortlassen.  Weitere  Massregeln 
sind  kaum  nötig,  vorausgesetzt,  dass  die  Magen-  und  Darm- 
funktionen in  Ordnung  sind. 

Am  einfachsten  ist  die  Diät  auszuführen  bei  Ectomierten. 
Haben  wir  cystostomiert  oder  eine  Hepaticusdrainage  angelegt, 
so  müssen  wir  auf  die  bestehende  Gallenfistel  resp.  auf  die 
Menge  der  ausgeschiedenen  Galle  Rücksicht  nehmen. 

Haben  wir  bei  Ikterischen  Anastomosen  zwischen  Gallen- 
system und  Darm  angelegt,  so  ist  doppelte  Vorsicht  in  der 
Diät  nötig  1)  wegen  des  Ikterus  und  2)  wegen  der  Darmnaht. 

Welche  Diät  Ikterische  zu  halten  haben,  ist  eine  bekannte 
8ache:  ich  kann  diese  Frage  übergehen,  und  dass  man  nach 
allen  Laparotomien,  bei  denen  man  Magen  und  Darm  genäht 
hat,  mit  der  Kost  doppelt  vorsichtig  ist,  bedarf  auch  kaum 
näherer  Begründung. 

In  einem  normal  verlaufenden  Fall  wird  also  ein  Gallen- 
steinoperierter 5  Tage  nur  flüssige  Kost  zu  sich  nehmen,  dann 
14  Tage  leichte,  feste  Kost  sich  erlauben  dürfen,  um  dann  die 
gewohnte  Ernährung  wieder  aufnehmen  zu  können. 

Aber  gar  oft  wird  diese  Regel  durch  Ausnahmen  gestört! 
Die  Magenfunktionen  kehren  meist  nicht  so  rasch  zur  Norm 
zurück,  wie  in  dem  oben  geschilderten  Fall,  und  es  bedarf  aller 
Künste  der  Köchin,  aller  Überredungen  des  Pflegepersonals,  um 
dem  Patienten  oft  die  vielbeneidetsten  Leckerbissen,  selbst  Caviar 
und  Austern,  beizubringen.  Besonders  dann,  wenn  das  Gallen- 
system infiziert  ist,  bleibt  der  Appetit  lange  aus,  und  so  lange 
die  Galle  aus  der  Hepaticusdrainage  herausfliesst,  ist  zwar  der 
Durst  sehr  gross,  der  Appetit  aber  gering.  Doch  da  gerade  bei 
der  Hepaticusdrainage  die  Infektion  der  Leber  rasch  schwindet 
und  der  GalJenfluss  gewöhnlich  schnell  nachlässt,  hebt  sich 
auch  schnell  der  Appetit,  und  die  Kräfte  der  Patienten  kehren 
zurück.  Ich  lege  auf  eine  gute  Verpflegung  der  Gallenstein- 
kranken grossen  Wert;  trotz  der  besten  Technik  des  Operateurs 
werden  keine  guten  Erfolge  erzielt,  wenn  die  Küche  nicht  ihre 
Schuldigkeit  tut.  Ich  habe  in  meiner  Klinik  die  Einrichtung 
getroffen,  dass  für  I.,  IL  und  III.  klässige  Patienten  dieselbe 
Suppe  gekocht  wird  und  ein  Fleischgericht  für  alle  Klassen  das 
gleiche  ist.     Fernerhin  bekommen   die  Patienten  dieselbe  Kost, 


-     369     — 

wie  ich  selbst  und  meine  Familie.  Dadurch  kann  ich  am  besten 
die  Güte  der  Speisen  kontrollieren  und  bin  sicher,  dass  auch 
die  Beköstigung-  der  Gallensteinkranken  eine  kräftige  und  nahr- 
hafte ist.  Jedenfalls  ist  es  kein  Fehler,  wenn  ein  Bauchchirurg 
auch  etwas  vom  Kochen  versteht  und  nicht  nur  für  Ordnung 
im  Operations-  und  Verbandzimmer  sorgt,  sondern  auch  den 
Betrieb  in  der  Küche  kontrolliert. 

Ich  übe  diese  Kontrolle  persönlich  sehr  gern  aus,  sofern 
es  meine  Zeit  erlaubt,  trotzdem  ich  weiss,  dass  viele  Witze 
und  üble  Bemerkungen  über  meine  Vorliebe  für  die  Küche 
gemacht  werden.  Ich  lasse  derartige  Reden  gerne  über  mich 
ergehen,  meine  aber,  dass  der  Ruf  einer  Privatklinik  nicht 
darunter  leidet,  wenn  auch  die  Art  der  Beköstigung  die  Ope- 
rierten in  jeder  Art  zufrieden  stejlt.  Wie  viele  Klagen  hört 
man  nicht  von  Patienten  über  andere  Kliniken!  Arzt  und  Pflege 
sind  gut,  aber  das  Essen  ist  entsetzlich!  Warum?  Weil  die 
meisten  Chiturgen  die  Verwaltung  ihrer  Klinik  fremden  Leuten 
zu  übertragen  gezwungen  sind,  die  „verdienen"  wollen  und  für 
viel  Geld  wenig  liefern.  An  der  Verpflegung  der  Operierten 
kann  man,  wenn  sie  gut  sein  soll,  nichts  verdienen,  man  müsste 
schon  sehr  hohe  Verpflegungssätze  feststellen.  Deshalb  habe 
ich  es  vorgezogen,  die  Verwaltung  der  Klinik  und  die  Ver- 
pflegung der  Patienten  selbst  zu  übernehmen:  so  weiss  ich, 
dass  nicht  am  unrechten  Ort  gespart  wird  und  kann  die  Ope- 
rierten so  ernähren,  dass  sie  sich  ordentlich  erholen  und  wohl 
befinden. 

Es  ist  natürlich  nicht  nötig,  dass  der  Chirurg  „mitkocht", 
aber  zweckmässig  ist  es,  wenn  der  Leiter  einer  Privatklinik, 
falls  er  ein  holdes  WeiF)  errungen  und  sein  eigen  nennen  darf, 
mit  diesem  und  Koch  oder  Köchin  den  Küchenzettel  bespricht 
und   für  jeden  Operierten    ganz  bestimmte  Anordnungen   trifft. 

Liegt  es  doch  auf  der  Hand,  dass  ein  Patient,  bei  dem  fast 
sämtliche  Galle  durch  eine  Hepaticusdrainage  nach  aussen  ge- 
leitet wird,  anders  ernährt  werden  muss,  als  ein  Kranker,  dem 
nur  die  Gallenblase  exstirpiert  zu  werden  brauchte.  Ich  habein 
der  Ernährungstherapie  von  V.  Leyden  und  Klemperer  darüber 
Folgendes  gesagt: 

„Bei  der  Cystostomie,  der  Anlegung  einer  äusseren  Gallen- 
blasenflstel,  leiten  wir  einen  Teil  der  Galle  ab  und  schädigen 
den  Organismus    insofern^    als    nur    ein  Teil   der  Galle  für  die 

Kohr,  Technik  der  Ganonsteinoperationen.    I.  24 


—     370     — 

Verdauung  ausgenutzt  wird.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  unter- 
suchen, ob  die  Galle  ein  Sekret  oder  ein  Exkret  ist  und  ob  sie 
bei  der  Verdauung  wirklich  die  Rolle  spielt,  die  man  ihr  bei- 
misst.  *)  Auf  jeden  Fall  steht  fest,  und  ich  habe  das  bei  zirka 
250  Gallenblasenfistelanlegungen  beobachtet,  dass  eine  Reiiie 
von  Operierten,  obgleich  sie  durch  die  äussere  Fistel  500  bis 
800  gr.  Galle  täglich  verlieren,  durch  diesen  Verlust  in  ihrem 
Ernährungszustand  gar  nicht  beeinträchtigt  werden:  trotzdem 
nur  wenig  Galle  in  den  Darm  fliesst,  der  Stuhlgang  ganz  farb- 
los ist,  haben  sie  guten  Appetit,  keinen  grossen  Durst  und  fast 
normale  Verdauung.  Andere  wieder  leiden  schwer  unter  dem 
Gallenverlust,  ja  so  schwer,  dass  sie  in  wenigen  Tagen  sehr 
herunterkommen  und  das  Schlimmste  befürchtet  werden  muss  ; 
sie  verlieren  vcJllständig  den  Appetit,  klagen  über  fortwährenden 
Durst  und  magern  entsetzlich  ab.  Die  Ursache  von  diesem 
merkwürdig  verschiedenen  Verhalten  kennen  wir  nicht,  aber  wir 
müssen  in  den  Fällen  der  letzten  Kategorie  durch  eine  rationelle 
Ernährung  die  sinkende  Lebenskraft  zu  erhalten  suchen.  Wir 
vermeiden  besonders  alle  Fette,  weil  nach  der  Anlegung  einer 
Fistel  die  Fettresorption  im  Darmkanal  erheblich  gestört  ist,  **) 
und  geben  eine  kräftige,  an  Eiweis  und  Kohlehydraten  reiche 
Kost,  eventuell  müssen  wir,  um  überhaupt  ernähren  zu  können, 
die  Fistel  schliessen  oder  eiue  Cholecystenterostomie  ausführen, 
d.  h.  die  Galle  durch  eine  Anastomose  zwischen  Gallenblase 
und  Darm  der  Verdauung  wieder  nutzbar  machen. 

Nach  der  Gallenblasenexstirpation  ist  es  keineswegs  nötig, 
eine  andere  Ernährung  innezuhalten,  als  wie  das  bei  jeder  Lapa- 
rotomie angezeigt  wäre.  Wenn  auch  Oddi***)  beobachtet  hat, 
dass  nach  dieser  Operation  Heisshunger  und  gallige  Diarrhöen 
eintreten  sollen,  so    konnte    der    uns    leider   so  früh  entrissene 


*)  Vergl.  Carl  Voit,  Über  die  Bedeutung  der  Galle  für  die  Auf- 
nahme der  Nahruugsstoffe  im  Darmkaual.  Stuttgart  1882  und  L.  Her- 
mann, Lehrbuch  der  Physiologie.     II.  Aufl.     Berlin  1896,  S.  198. 

**)  Während  im  normalen  Zustand  von  150 — 250  gr.  Fett  fast 
99  pCt.  resorbiert  werden  und  nur  1  pCt.  im  Kot  auftritt,  wird  nach 
Anlegung  der  Fistel  ein  grosser  Teil  des  verzehrten  Fettes  unverändert 
wieder  ausgeschieden,  von  100 — 150  gr.  Fett  werden  dabei  nur  40  pCt. 
resorbiert,  grössere  Mengen  Fett  gar  nicht  mehr  ertragen. 

*♦*)    R.  Oddi,    Effeti   dell'estirpazione   della  cistifellea.     (Bullet, 
d.  sc.  med.  Bologna  1888.     Heft  3—4.) 


—     371     — 

Nasse*)  von  alledem  nichts  nachweisen,  und  ich  selbst  habe 
nach  zahlreichen,  von  mir  ausgeführten  Gallenblasenexcisionen 
niemals  eine  Störung  der  Magen-  und  Darmtätigkeit  beobachtet, 
die  eine  besondere  Ernährung  erheischte;  zudem  hat  P.  Eosen- 
berg  **)  nachgewiesen,  dass  die  Exstirpation  der  Gallenblase 
am  Hunde  nicht  die  mindeste  Einwirkung  auf  die  Verdauung 
hat,  und  W.  Sachse***)  muss  auf  Grund  von  klinischen  Be- 
obachtungen die  Frage,  ob  beim  Menschen  die  Resorption  der 
Nahrung  Einbusse  erleidet,  wenn  die  Galle  kontinuierlich 
in  den  Darm  abfliesst,  statt  unter  Mitwirkung  der  Gallenblase 
periodisch  abgegeben  zu  werden,  verneinen. 

Sehr  vorsichtig  mit  der  Ernährung  muss  man  nach  Chole- 
dochotomien  sein:  gewöhnlich  handelt  es  sich  um  sehr  geschwächte 
Individuen,  die  schon  lange  an  Ikterus  und  dessen  Folgen  ge- 
litten haben  und  durch  bei  der  Cholämie  nicht  selten  auftretende 
Blutungen  in  ihrem  Kräftezustande  stark  heruntergekommen  sind. 
Dazu  ist  die  Choledochotomie  eine  sehr  schwierige  Operation, 
die  leicht  zu  Kollaps  führt  und  eine  recht  lange  Überwachung 
inbezug  auf  die  Ernährung  erfordert.  Man  tut  gut,  bei  dem 
nach  der  Operation  nicht  immer  sofort  schwindenden  Ikterus 
alle  fetten,  schwerverdaulichen  Speisen  fortzulassen;  es  dauert 
gewöhnlich  14  Tage,  meist  noch  länger,  ehe  jede  Spur  des  Ikterus 
beseitigt  ist,  und  so  lange  dürfte  eine  fettfreie  Nahrung  zu 
reichen  sein.  Dass  auf  der  anderen  Seite  nach  schwächenden 
Operationen  eine  recht  kräftige  Ernährung  am  Platze  ist,  ver- 
steht sich  von  selbst. 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dass  eine  reichliche  Mahl- 
zeit ein  besseres  Cholagogum  ist  als  alle  Arzneimittel,  denen 
man  galletreibende  Kraft  nachrühmt  (Olivenöl,  salizylsaures  Na- 
tron u.  s  w.);  wir  werden  in  Fällen,  in  denen  Steinreste  im 
Choledochus  zurückgeblieben  sind  und  durch  den  Gallenstrom 
herausgeschwemmt  werden  sollen,  von  dieser  Erfahrungstatsache 
Gebrauch  machen,  um  dadurch  die  Kraft  des  Gallenstromes  zu 
erhöhen;    leider   liegt    der  Appetit,    so  lange   der  Choledochus 


*)  Nasse,  Über  Experimeate  au  der  Leber  und  den  Gallenwegen. 
Archiv  f.  klin.  Chirurgie.    Bd.  XLVIII.    S.  885. 

**)  Über  den  EinflussderGalleublasenxstirpation  auf  die  Verdauung. 
Pflügers  Archiv.     Bd.  LIII.  Heft  9— 10.  1893. 

***)  Über  die  Resorption  der  Nahrung  bei  Verschluss  des  Gallen- 
blasenganges.   Dissert.    Berlin  1894. 

24* 


-     372     — 

durch  Steine  verstopft  ist,  derärti^^  darnieder,  dass  kräftige, 
reichliche  Mahlzeiten  von  den  Operierten  nicht  angenomineii 
werden," 

Ehe  ich  zu  der  speziellen  Nachbehandlung,  welche  die  ver- 
schiedenen Operationsmethoden  erfordern,  übergehe,  will  ich 
beschreiben,  wie  ich  an  meinen  Operierten  einen  Verbandwechsel 
vornehme.  Man  wird  daraus  ersehen,  dass  diese  Prozedur  sehr 
einfach  vor  sich  geht  und  nicht  solche  Umstände  macht  und 
Vorbereitungen  erheischt,  wie  man  das  nach  Eiedel's  Schilderung 
annehmen  sollte.  Riedel  verlangt  3  Wärter,  2  stärkere  und 
einen  schwächeren,  also  event.  Pflegerin  und  spricht  sogar  von 
einem  Wärter  Nr.  4.  Ich  halte  es  für  dringend  nötig,  dass  in 
einer  Klinik  genügend  Personal  vorhanden  ist,  aber  zu  einem 
Verbandwechsel  ist  eine  solche  Mobilmachung  von  4  Leuten 
ganz  und  gar  unnötig.  Ich  habe  keine  3  oder  2  Wärter, 
sondern  nur  2  und  zwar  einen  starken  (Wärter)  und  einen 
schwachen  (Wärterin)  und  werde  damit  sehr  gut  fertig.  Der 
starke  Wärter  fasst  den  im  Bett  liegenden  Kranken  so  von 
hinten,  dass  er  mit  den  flachen  Händen  in  die  Axilla  greift  und 
die  Hände  ausgestreckt  an  den  Brustkorb  legt,  die  Wärterin  fasst 
die  Beine.  Der  Kranke  soll  alles  ruhig  an  sich  vornehmen 
lassen,  er  legt  seine  Hände  auf  die  Brust  und  macht  nur  die  Knie 
steif;  so  wird  er  auf  die  Fahre  gelegt  und  von  dieser  wieder, 
so  bald  er  im  Verbandzimmer  angekommen  ist,  auf  den  Verband- 
tisch. Eine  „besondere  Verbandrede"  halte  ich  nicht.  Der  Patient 
braucht  bei  Abnahme  des  Verbandes,  wenn  man  diesen  nicht 
durchschneiden  will,  weiter  nichts  zu  tun  als  die  Kniee  krumm  zu 
machen  und  das  Gesäss  zu  lüften;  das  ist  alles.  Ich  habe  nie- 
mals bemerkt,  dass  der  Fat.  mit  den  Beinen  in  die  Luft  fährt 
und  dadurch  an  seiner  Wunde  zerrt  oder  sie  gar  sprengt.  Ist 
der  Verband  resp.  die  Binde  mit  Galle  durchtränkt,  so  schneide 
ich  sie  durch,  ist  das  nicht  der  Fall,  so  werden  die  Binden, 
(breite  Cambricbinden)  abgewickelt,  damit  sie  vom  Wärter 
gekocht  und  zu  weiteren  Verbänden  verwandt  werden.  Gaze 
und  Watte  nehme  ich  nur  mit  der  Pinzette  ab,  nie  mit  den  blossen 
Fingern.  Die  Entfernung  der  tamponierenden  Gaze  geschieht  unter 
reichlicher  Verwendung  von  40°  C.  warmer  Kochsalzlösung. 
Ich  spüle  so  lange,  bis  die  Gaze  völlig  gelockert  ist  und  ohne 
Schmerzen  sich  entfernen  lässt.  Jenachdem  an  dem  Fat.  eine 
Cyst.ostoraie,    Ectomie     oder   Hepaticusdrainage    vorgenommen 


—     373     — 

worden  ist,  spüle  ich  Gallenblase  oder  Galleng-änge  mit  steriler 
Kochsalzlösung  so  lange  aus,  bis  die  Flüssigkeit  klar  wieder  zurück- 
fliesst.  Bei  der  unkomplizierten  Ectomie  ruft  die  Beseitigung 
der  das  Leberbett  deckenden  Tampons  gewöhnlich  eine  massige 
Nachblutung  hervor,  die  aber  unter  erneuter  Tamponade  stets 
steht.  Auch  wird  durch  Eröffnung  kleiner  und  kleinster  Gallen- 
giinge  nicht  selten  ein  Gallenfluss  geringer  oder  grösserer  Art 
hervorgerufen.  Derselbe  ist  ohne  alle  Bedeutung.  Eine  neue 
Tamponade  wird  nicht  eher  eingeführt,  bis  der  letzte  Tropfen 
Spttlflüssigkeit  mit  Kornzange  und  Gaze  weggetupft  ist.  Dabei 
kann  der  Chirurg  so  recht  seine  leichte  Hand  zeigen.  Die  neue 
Tamponade,  die  dann  tolgt,  sei  locker,  aber  immer  so  umfang- 
reich,   dass   alle   Buchten  der  Wundhöhle    ausgefüllt    werden. 

Die  Spülung  mache  ich  mit  einem  Irrigator,  der  aus  Emaille- 
blech hergestellt  ist  und  ca.  4  Liter  Wasser  aufnehmen  kann. 
Irrigator  samt  Schlauch  wird  jeden  Morgen  von  dem  Wärter 
ausgekocht  und  dann  so  hoch  an  der  Wand  des  Verbandzimmers 
aufgehängt,  dass  genügender  Druck  vorhanden  ist  und  die 
Spülung  bequem  vorgenommen  werden  kann.  Zwischen  jedem 
Verl)andwechsel  wird  das  Gummiansatzrohr  am  Schlauch  des 
Irrigators  mit  den  Instrumenten  zusammen  ausgekocht.  Der 
Irrigator  wird  direkt  aus  dem  Kochsalzapparate  mit  neuer 
physiol.  Kochsalzlösung  versehen. 

Die  Entfernung  der  Fäden  geschieht  bei  dem  ersten  gründ- 
lichen Verband  wecjisel,  also  14  Tage  post  op. ;  durch  die  Unter- 
legung des  Bronce-Aluminiumdrahts  wird  das  Herausziehen  der 
Fäden  sehr  erleichtert.  Man  zieht  mit  einer  Pinzette  den  Draht  an 
und  verfolgt  ihn  bis^zura  Knoten.  Etwaige  darüber  gewachsene 
Granulationen  schiebt  man  mit  der  Spitze  der  Schere  zurück. 
Schneidet  man  nun  unterhalb  der  Drahtknoten  die  Seide  durch, 
so  muss  der  ganze  Seidenfaden  inkl.  Knoten  folgen.  Die  dabei 
entstehende  Blutung  aus  den  Granulationen  ist  der  Rede  nicht 
wert  und  steht  bei  der  folgenden  Tamponade. 

Nur  in  Ausnahmefällen,  wenn  die  Bauchdeckenfäden  zu  fest 
angelegt  sind  und  durchschneiden  oder  eine  Bauchdeckeneiterung 
eingetreten  ist,  entferne  ich  die  Fäden  eventuell  schon  vom 
fünften  Tage  ab  (Nr.  58),  sichere  aber  die  feste  Heilung  der 
Bauchwunde  durch  Heftpflasterstreifen.  —  Wenn  nach  14  Tagen 
die  Revision  des  Verbandes  ergibt,  dass  die  Tampons  noch 
sehr  fest  sitzen,  kann  man  auch  mit  ihrer  definitiven  Entfernung 


—     374     — 

noch  einige  Tage  warten  oder  durch  Baden,  Kochsalzirrigationen, 
Anwendung  von  Wasserstoffsuperoxyd  die  Gaze  zu  lockern 
suchen  (Nr.  43). 

Fast  alle  meine  Verbandwechsel  habe  ich  ohne  Narkose 
und  ohne  vorherige  Injektion  von  Morphium  vorgenommen. 
Nur  bei  sehr  ängstlichen  Patienten  —  sehr  nervösen  Damen  etc., 
denen  es  schon  ein  Gräuel  ist,  in  das  Verbandzimmer  und  auf 
den  „schrecklichen  Tisch"  transportiert  zu  werden —  wende  ich 
Narkose  an  und  zwar  den  Ätherrausch  (Nr.  58).  Ich  kann 
aber  die  Narkosen  schnell  zählen,  die  ich  je  beim  Verbandwechsel 
einleiten  liess. 

Die  weiteren  Einzelheiten  des  Verbandwechsels  sollen  in 
den  folgenden  Kapiteln  beschrieben  werden.  — 

li.  Spezieller  Teil  der  Nachbehandlung. 

Wir  haben  schon  im  speziellen  Teil  der  Technik  bei  dem 
Kapitel  Schleim-  und  Gallenfisteln  so  viele  Bemerkungen  über 
die  Nachbehandlung  nach  Cystostomie  machen  müssen,  dass 
es  fast  unnötig  erscheinen  könnte,  in  einem  besonderen  Abschnitt 
die  Nachbehandlung  der  verschiedenen  Operationen  am  Gallen- 
system abzuhandeln.  Es  ist  aber  bei  der  Wichtigkeit  der  Sache 
gewiss  am  Platze,  eine  zusammenfassende  Darstellung  der  Nach- 
behandlung zu  geben,  wobei  ich  Gelegenheit  finde,  auf  nähere 
Einzelheiten  hinzuweisen,  die  ich  oben  nur  kurz  oder  gar  niciit 
berührt  habe. 

An  erster  Stelle  wollen  wir  die  Nachbehandlung  der  Cysto- 
stomie besprechen. 

1)  Die  Nachbehandlung  der  Cystostomie. 
Wenn  man  an  der  Gallenblase  eine  Fistel  angelegt  hat,  so 
fliesst  aus  dieser  entweder  Galle,  wenn  der  Cysticus  ofien  ist,  oder 
Schleim,  wenn  er  geschlossen  ist.  Manchmal  fiiesst  abwechselnd 
Schleim  und  Galle,  ein  Zeichen,,  dass  der  Ductus  cysticus  resp. 
der  Hals  der  Gallenblase  siclr  vorübergehend  schliesst  und  wieder 
öffnet.  Bei  beweglichen  Steinen  im  Hals  der  Gallenblase,  bei 
ansteigenden  und  absteigenden  Entzündungsvorgängen  an  dieser 
Stelle  können  wir  diesen  Wechsel  der  bald  schleimig,  bald  gallig 
abfliessenden  Flüssigkeit  beobachten.  Fliesst  Galle,  so  hat  es 
keinen  Zweck,  dieselbe  in  den  Verband  (wie  das  Riedel  tut) 
oder  gar  in  die  Betten  laufen  zu  lassen,  sondern  man  fängt  die 


—     375     — 

Galle  auf.  Bei  Riede  Ts.  Methode  —  er  verwendet  nur  ein 
kurzes  Drain  —  ^schwimmt  Pat.  am  nächsten  Morgen  meist  in 
Galle".  Trotzdem  verbindet  ihn  Riedel  nicht,  um  keine  un- 
nützen Schmerzen  zu  machen.  Warum  Riedel  seinen  Pat. 
dieses  Gallenbad  verordnet,  und  warum  er  sie  nicht  trocken  legt, 
ist  mir  rätselhaft.  Ich  habe  früher  auch  so  verfahren  wie  Riedel 
und  nur  ein  kurzes  Rohr  eingelegt,  aber  den  Patienten  war  es 
unangenehm,  vielen  sogar  ekelhaft,  „in  der  Galle  zu  schwimmen'^, 
und  seitdem  habe  ich  die  Gallenblase  so  drainiert,  dass  ein  langer 
Gummischlauch  aus  der  Gallenblase  durch  den  Verband  hindui-ch 
in  eine  neben  dem  Kranken  liegende  Flasche  (am  besten  männliches 
Urinal)  geführt  wird.  Seitdem  ist  es  Regel,  dass  der  Verband 
14  Tage  liegen  und,  was  die  Hauptsache  ist,  auch  trocken 
bleibt.  Ich  brauche  ihn  erst  nach  14  Tagen  zu  wechseln.  Riedel 
verbindet  nach  24  Stunden  noch  nicht,  aber  nach  48  Stunden. 
Er  verbindet  also  in  14  Tagen  13  Mal.  Schade  um  die  schöne 
Zeit,  die  man  besser  verwenden  kann,  und  schade  um  das  Ver- 
bandzeug und  das  Geld,  welches  diese  Verbände  kosten!  Unter 
3  Mk.  wird  man  kaum  einen  grossen  Gallenverband  bekommen. 
Wenn  ich  im  Jahre  100  Gallenoperationen  mache,  so  erspare 
ich  mir  durch  meine  Art  der  Drainage,  die  auch  bei  der  He- 
paticusdrainage  zur  Anwendung  kommt,  ca.  1300  Verbände  = 
3900  M.,  d.  h.  ich  erspare  das  Geld  dem  Kranken. 

Es  ist  höchst  selten,  dass  einmal  meine  Art  der  Drainage 
nicht  funktioniert,  d.  h.,  dass  neben  dem  Rohr  Galle  in  den 
Veiband  tritt.  Ist  'das  der  Fall,  so  überwickele  ich  die  feuchte 
Stelle,  wenn  die  Gallendurchnässung  geiingfügiger  Art  ist.  Ist 
sie  sehr  ausgedehnt,  so  nehme  ich  den  Verband  ab  bis  auf  die 
Gaze,  die  direkt  in  (ter  Wunde  und  auf  der  Wunde  liegt.  Oft 
kommt  es  danach  nicht  wn'eder  zur  Durchfeuchtung  des  Ver- 
bands, und  dann  brauche  ich  den  eigentlichen  Verbandwechsel 
erst  14  Tage  post  op.  vorzunehmen. 

Die  Drainage  hat  niemals  eine  Infektion  der  Gallenblase 
bedingt,  vielleicht  deshalb  nicht,  weil  ich  sehr  darauf  sehe,  dass 
die  Flasche,  welche  die  Galle  aufnimmt,  öfter  ausgekocht 
wird.  Um  das  durch  den  Hals  der  Flasche  tretende  Rohr  lege 
ich  Watte  ein,  so  dass  die  Flasche  luftdicht  abgeschlossen  ist. 
Eine  Infektion  halte  ich  bei  gut  fliessender  Galle  überhaupt  für  aus- 
geschlossen. Sistiert  der  Gallenfluss,  so  ist  eine  Infektion  bei  der 
Ried  e  r  sehen  Methode  auch  unter  dem  besten  Verbände  möglich. 


-     376     — 

Der  Gallenfluss  aus  der  Cystostomiefistel  dauert  im  Durch- 
schnitt 4  Wochen.  Ich  entferne  fast  immer  nach  14  Tag'en 
das  Rohr  aus  der  Gallenblase,  damit  die  Fistel  zuheilen  kann. 
Dann  ist  g-ewöhnlich  täglicher  Verbandwechsel  nötig,  da  die 
Galle  den  Verband  durchnässt.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit, 
um  die  Gallenblase  mit  physiol.  Kochsalzlösung  auszuspülen, 
damit  die  letzten  Reste  der  Entzündung  sicher  beseitigt  und 
etwa  bei  der  Operation  übersehene  Steine  herausgespült  werden. 
(\r.  7,  Nr.  8,  Nr.  11,  Nr.  19,  Nr.  23,  Nr.  Ti,  Nr.  77,  Nr.  83, 
Nr.  177.) 

Auch  hiebei  sehe  man  darauf,  dass  man  die  Steine  in  toto 
entfernt,  doch  lässt  sich  nicht  immer  eine  Zertrümmerung  der 
Steine  bei  der  Extraktion  verhüten.  (Nr.  14,  Nr.  19.)  Nach 
4  Wochen  ist  die  Fistel  so  eng,  dass  kaum  mehr  Galle  hervor- 
tritt. Die  noch  bestehende  Wunde  ist  meist  nach  weiteren  14 
Tagen  völlig  geheilt. 

Die  Entfernung  der  Fäden  und  derjenigen  Tampons,  welche 
zwischen  den  Silberdrähten  und  den  äusseren  Wundrändern 
liegen,  erfolgt  bei  der  Beseitigung  des  Drainrohrs  am  14.  Tage 
post  operat.  Durch  reichliches  Spülen  mit  physiol.  Kochsalz- 
lösung werden  die  Gazestücke  auf  und  in  der  Wunde  erweicht, 
bis  sie  dem  leichten  Zug  der  Hakenpinzette  folgen.  Das  ein- 
genähte Drainrohr  kommt  gewöhnlich  von  allein  heraus,  da  sich 
der  fixierende  Faden  bereits  abgeslossen  hat.  Die  Drähte  zu  ent- 
fernen macht  gewöhnlich  gar  keine  Umstände,  auch  wenn  sie 
im  wüsten  Wirrwarr  durcheinanderliegen.  Man  braucht  nur 
den  Draht  bis  an  den  Knoten  zu  verfolgen ,  zieht  ihn  fest  an 
und  schneidet  unterhalb  des  sichtbaren  Knotens  die  Seide  durch. 
Dann  folgt  der  Faden.  Oft  haben  auch  die  Fäden  durch- 
geschnitten und  lassen  sich  leicht  entfernen.  Man  muss  darauf 
sehen,  dass  kein  einziger  Seidenfaden  in  der  Wunde  zurück- 
bleibt. Ist  das  der  Fall,  so  lässt  die  Heilung  länger  auf  sich 
warten  und  tritt  nicht  eher  ein,  bis  der  betr.  Faden  sich  aus- 
gestossen  hat  oder  entfernt  wurde. 

Stösst  sich  ein  Knoten  in  die  Gallenblase  ab,  so  kann  es 
zum  Rezidiv  kommen,  indem  sich  der  Faden  inkrustiert  und  zu 
neuer  Entzündung  und  Steinbildung  Veranlassung  gibt.   (Nr.  67.) 

Die  Bauchdeckenfäden  werden  je  nach  der  Art  ihrer  Reaktion 
vom  10. — 16.  Tage  entfernt.  Bei  Stichkanaleiterung  entferne 
ich  sie  möglichst  bald,  bei  sterilem  Verlauf  erst  am  14. — 16. 


—     377     — 

Tage.  Der  Vorsicht  halber  leg^e  ich  dann  ober-  und  unterhalb 
der  Cystostomiefistel  zwei  ca.  30—40  cm.  lange  und  3  cra.  breite 
Heftpflasterstreifen  quer  über  den  Bauch,  damit  die  junge  Narbe 
vor  den  Insulten  des  Hustens  und  unvorsichtigen  Bewegungen 
geschützt  ist.  Läuft  die  Galle  klar  ab,  so  wird  die  kleine 
Wunde  rings  um  die  Fistel  ebenfalls  durch  einen  Heftpflaster- 
streifen zusammengezogen.  Auf  diese  Weise  ist  es  mir  gelungen, 
schon  nach  3 — 4  Wochen  fast  völlige  Heilung  zu  erzielen.  Die 
meisten  meiner  Cystostomie-Patienten  entlasse  ich  nach  4  Wochen 
und  übergebe  sie  der  Behandlung  der  Kollegen,  die  sie  mir 
überwiesen  haben.  Bildet  sich  nach  einer  Cystostomie  eine 
Schleim-  oder  eine  komplete  Gallenfistel  aus,  so  ist  die  weitere 
Behandlung  nach  Grundsätzen  zu  leiten,  die  ich  bereits  oben 
unter  dem  Kapitel :  Gallen-  und  Schleimfisteln  besprochen  iiabe. 

2)  Die   Nachbehandlung   der   Ectomie. 

Obwohl  die  Cystostomie  die  einfachste  Operation  am  Gallen- 
system ist,  kann  ilire  Nachbehandlung  viel  schwieriger  sein, 
wie  die  der  Ectomie. 

Eine  glatt  verlaufene  Ectomie  stellt  oft  in  den  ersten 
14  Tagen  an  den  Arzt  gar- keine  besonderen  Anforderungen. 
Tritt  kein  Erbrechen  ein,  gehen  die  Blähungen  spontan  nach 
24 — 48  Stunden  ab,  bleiben  Puls  und  Temperatur  normal,  wird 
der  Verband  weder  von  Blut  noch  von  Wundsekret  durchfeuchtet, 
so  unterscheidet  sich  die  Nachbehandlung  eines  Ectomierten  in 
Nichts  von  der  einer  gewöhnlichen  Laparotomie. 

Auf  einige  Abweichungen  im  Verlauf  will  ich  im  Folgenden 
hinweisen. 

'  1.  Der  Verband  kann  mit  Blut   durchtränkt   werden.     Ich 
verhalte  mich  dabei  folgendermassen : 

Tritt  die  Durchtränkung  noch  am  Operationstag  ein  und 
ist  der  Blutfleck  im  Verband  nicht  sehr  gross,  so  wird  einfach 
etwas  Watte  aufgelegt  und  der  Puls  dauernd  geprüft.  Bleibt 
der  Puls  gut  und  nimmt  der  Blutfleck  an  Umfang  nicht  zu,  so 
sehe  ich  von  weiteren  Massnahmen  ab.  Die  Blutung  kann 
entweder  aus  den  Bauchdecken  oder  aus  dem  Leberbett  oder 
aus  der  Art.  cystica,  deren  Ligatur  nachgegeben  hat,  stammen. 
Man  sei  mit  einer  Eevision  der  Wunde  nicht  zu  voreilig.  Es 
kann  sehr  stark  aus  dem  Leberbett  bluten,  aber  eine  Entfernung 
der  Tampons  würde  die  Blutung  nur  verschlimmern.    Nur  wenn 


—     378     — 

der  Patient  stark  blutet,  d.  h.  der  Verband  oft  gewechselt  werden 
muss,  wenn  er  anfängt,  anämisch  zu  werden,  muss  man  Ver- 
dacht haben,  dass  die  Blutung  aus  der  Art.  cystica  stammt, 
und  dann  ist  allerdings  ein  Nachsehen  zu  erwägen.  Es  ist  nicht 
leicht,  in  solchen  Situationen  das  Richtige  zu  treffen  und  zu 
entscheiden,  ob  man  nachsehen  soll  oder  nicht*  Wie  gesagt,  nur  in 
bedrohlichen  Fällen  entschliesse  ich  mich  zur  erneuten  Operation. 
Im  Übrigen  begnüge  ich  mich  damit,  mit  den  bekannten  Mitteln 
den  Patienten  über  den  Blutverlust  hinwegzubringen.  Kochsalz- 
infusionen wende  ich  ungern  an,  da  sie  die  Blutung  wieder 
anregen  können,  Kochsalzklystiere  scheinen  mir  rationeller. 

Man  muss  bedenken,  dass  eine  erneute  Unterbindung  der 
Art.  cystica  eine  Wiedereröffnung  fast  der  ganzen  Bauchwunde 
erfoidert.  Wir  machen  also  eine  erneute  Laparotomie  und 
dürfen  bei  ihr  keine  der  aseptischen  Massnahmen  ausser  acht 
lassen,  die  wir  bereits  bei  der  ersten  Operation  anwandten. 

Lebensgefährliche  postoperative  Blutungen  aus  dem  Leber- 
bett und  der  Art.  cystica  sollten  einem  guten  Chirurgen  nicht  vor- 
kommen, vorausgesetzt,  dass  Patient  keinen  Ikterus  hat.  Cholä- 
mische  Blutungen  verhütet  die  Technik  nicht.  Bei  ihnen  nützt  eine 
lokale  Behandlung  auch  sehr  wenig,  dieselben  müssen  wir,  wie  wir 
schon  bei  den  Vorbereitungen  auseinandergesetzt  haben,  durch 
Darreichung  von  Chlorcalcium  und  Injektion  von  2*^jo  Gelatine- 
Lösung  zu  verhüten  suchen. 

Schwere  Blutungen  nach  der  Ectomie  habe  ich  in  mehr 
als  400  solchen  Operationen  nur  zweimal  beobachtet.  Einmal 
gab  die  Ligatur  an  der  Art.  cystica  wenige  Stunden  nach  der 
Operation  nach,  so  dass  eine  Wiedereröffnung  der  Bauchhöhle 
sich  nötig  erwies,  das  zweite  Mal  kam  die  Blutung  erst  L5  'I'age 
post.  op.  Hier  Hessen  sich  die  Unterbindungsfäden  bei  dem 
nach  14  Tagen  vorgenommenen  Verbandwechsel  ganz  leicht  ent- 
fernen. Am  nächsten  Tage  (ca.  36  Stunden  nach  dem  Verband- 
wechsel) trat  eine  sehr  heftige  Blutung  ein ;  der  Verband  wurde 
schnell  mit  Blut  durchtränkt,  und  als  er  abgenommen  wurde, 
quoll  das  Blut  im  Strom  aus  der  Tiefe  hervor.  Ein  mit  Gelatine- 
lösung getränkter  Gazestreifen  stillte  die  Blutung;  diese  wieder- 
holte sich  zweimal,  so  dass  stets  wieder  erneute  Tamponade 
nötig  war.  Dann  heilte  die  Wunde  rasch.  Diese  Blutung 
stammte  sicher  aus  der  Arteria  cystica.  Warum  die  Patientin 
eine  so  geringe  Neigung  zur  Blutgerinnung  zeigte,  ist  mir  nicht 


—     879     — 

klar  j>eworden.  Jedenfalls  handelt  es  sich  um  einen  Ausnahme- 
fall, der  aber  gewiss  alle  Beachtung  verdient.  Der  Fall  ist  erst 
kürzlich  beobachtet  worden,  so  dass  ich  ihn  in  die  Casuistik 
des  IL  Teils  nicht  mehr  unterbringen  konnte.  Übrigens  bot  er 
ausser  der  Blutung  in  technischer  Hinsicht  keine  weiteren 
Besonderheiten. 

2,  Der  Verband  kann  mit  Galle  durchtränkt  sein.  (Nr.  34, 
Nr.  39,  Nr.  40—42,  Nr.  52,  Nr.  60,  Nr.  62).  Entweder  ist  die 
Ligatur  vom  Ductus  cysticus  abgeglitten  (Nr.  34,  Nr.  39),  oder 
aber  durch  die  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Leber  sind 
kleinere  Gallengänge  eröffnet  worden  (Nr.  52,  Nr.  60),  aus  denen 
nun  die  Galle  in  die  Taraponade  tritt.  Durchtränkung  des  Ver- 
bandes mit  Galle  bedingt  keine  Erneuerung  des  Verbandes.  Ich 
lasse  die  Tamponade  ruhig  liegen  und  wechsle  nur  die  aufgelegten 
Gazeschichten.  Die  Galle  schadet  auch  dann  dem  Peritoneum 
nichts,  wenn  sie  infiziert  ist.  Gallige  Durchtränkung  des  Ver- 
bandes hat  sogar  den  Vorteil,  dass  die  spätere  Entfernung  der 
Tampons  wesentlich  leichter  ist,  wie  bei  ganz  sterilem  Verlauf. 
Die  Ligatur  am  Ductus  cysticus  kann  nachgeben,  wenn  sie 
schlecht  angelegt  ist;  entweder  lag  sie  zu  locker,  oder  es  war 
ein  zu  kurzes  Stück  des  Ductus  cysticus  gefasst.  Die  Regel 
ist,  dass  ein  Gallenfluss  post  Ectomiam  rasch  vorübergeht,  hält 
er  an,  so  ist  es  möglich,  dass  ein  Stein  im  Choledochus  über- 
sehen wurde.  (Nr.  41.)  Hinter  diesem  hatte  sich  die  Galle 
gestaut,  und  die  Ligatur  musste  dem  erhöhten  Druck  nachgeben. 
Aber  auch  bei  Steinen  im  Ductus  choledochus  kann  der  Ductus 
cysticus  sich  wieder  schliessen.  Selbst  walnussgrosse  Steine 
im  Ductus  choledochus  verhindern  nicht  die  Heilung  einer 
Cysticusfistel,  wenn  sie  im  erweiterten  Choledochus  die  Galle 
neben  sich  vorbei  in  das  Duodenum  gelangen  lassen. 

In  Fall  Nr.  41  ging  der  im  Choledochus  übersehene  Stein 
trotz  offenem  Cysticus  ab,  wonach  rasch  der  Gallenfluss  nach 
aussen  hin  nachliess.  Man  wolle  die  in  der  Epicrise  diet^es 
Falls  ausgesprochene  Mahnung  wohl  beherzigen!  Auch  Fall 
Nr.  42  ist  in  dieser  Richtung  von  Bedeutung! 

Permanenter  Gallenfluss  aus  einer  Cysticusfistel  fordert, 
wenn  der  Patient  herunterkommt,  von  vielen  Koliken  geplagt 
wird,  nochmalige  Laparotomie  resp.  Revision  des  Ductus  chole- 
dochus, Entfernung  des  übersehenen  Steins,  Hepaticusdrainage. 
Findet   man   keinen  Stein,   so   muss   man    daran    denken,    dass 


—     380     — 

Adhäsionen,  Lymphdrüsen,  Schwellung  des  Pankreaskopfes,  ab- 
norme Engigkeit  des  Choledochus  den  Abfluss  der  Galle  in  den 
Darm  verhindern  können  und  wird  eventuell  eine  C3'^stico-  resp. 
Choledocho-Enterostomie  vornehmen  müssen. 

3.  Durchtränkung  des  Verbandes  mit  Wundsekret  erfordert 
Entfernung  der  Tampons,  wenn  diese  riechen  und  der  Verdacht 
besteht,  dass  hinter  denselben  eine  Sekretanhäufung  stattgefunden 
hat.  Aber  auch  hier  sei  man  in  den  ersten  Tagen  mit  der 
Entfernung  des  Verbandes  nicht  zu  voreilig,  nur  hohe  Tem- 
peraturen, schlechter  Puls,  sehr  gestörtes  Allgemeinbefinden 
rechtfertigen  eine  vorzeitige  Abnahme  des  Verbandes  resp.  Ent- 
fei'niing  der  Tamponade. 

Ich  lasse  den  Verband  gew^öhnlich  14  Tage  lang  liegen  und 
unterscheide  mich  in  dieser  Beziehung  von  vielen  Chirurgen, 
die  bereits  am  4.  oder  5.  Tage  mit  der  Lockerung  der  Tampons 
beginnen.  Ich  bin  einerseits  der  Meinung,  dass  ein  sicherer 
Al)schluss  der  Bauchhöhle  vor  12  —  14  Tagen  nicht  erreicht  ist, 
(Nr.  63)  und  andererseits  kann  ich  nicht  recht  daran  glauben, 
dass  durch  ein  zu  langes  Liegenlassen  der  Gaze  eine  sekundäre 
Lifektion  der  Wunde  erfolgen  kann.  Das  ist  jedenfalls  bei 
frühzeitiger  Entfernung  der  Tampons  viel  eher  möglich.  Eine 
geringe  Infektion  wird  wohl  zuweilen  bei  lange  liegenden  Tampons 
eintreten,  aber  die.-^e  schadet  weder  der  Wunde  noch  dem 
Patienten  etwas. 

Die  Entfernung  der  Tampons  geschieht  wie  bei  der  Cysto- 
stomie  unter  gleichzeitiger  ausgiebiger  Spülung  mit  40 '^  C. 
warmer  Kochsalzlösung.  Die  Tampons  werden  gelockert  und 
einer  nach  dem  andern  entfernt.  Dann  wird  die  Höhle  durch 
sterile  Gaze  trocken  gelegt  und  neu  tamponiert. 

Zugleich  entferne  ich  die  Haut-  und  Durchstichnähte  und, 
wenn  sie  locker  sind,  auch  die  Ligaturen  des  Ductus  cysticus 
und  der  Art.  cystica.  Gewaltsames  Ziehen  an  diesen  Ligaturen 
ist  verboten ;  das  macht  unnütz  Schmerzen,  und  es  kommt  gar 
nicht  darauf  an,  ob  die  Ligaturen  nach  14  oder  nach  28  Tagen 
zum  Vorschein  kommen. 

Die  Hepatopexiefäden,  unter  welche  Draht  gelegt  ist, 
nehme  ich  meist  beim  ersten  Verbandwechsel  (14  Tage  post  op.) 
fort,  da  später  die  Granulationen  über  den  Draht  wegwachsend 
die  Entfernung  erschweren.  Bei  ganz  sterilem  Verlauf  sitzt 
die  Gaze  oft  recht   fest.     Die   gewaltsame   Entfernung   würde 


.     —     381     — 

Schmerzen  und  unnötige  Blutung  aus  dem  Leberbett  verursachen. 
Ich  lasse  die  Gaze  unter  solchen  Umständen  auch  bis  zum  21. 
Tage  liegen  und  feuchte  sie  immer  nur  mit  physiol.  Kochsalz- 
lösung an ,  wodurch  ich  die  spätere  Entfernung  wesentlich 
erleichtere.  Auch  die  Verwendung  von  Wasserstoffsuperoxyd 
ist  oft  von  Vorteil. 

Meistenteils  sind  nach  3  Wochen  alle  Tampons  und  Fäden 
beseitigt,  es  besteht  nur  noch  ein  schmaler  Wundtrichter,  den 
man  entweder  locker  ausstopfen  oder  auch  mit  Gummi-  oder 
Glasdrain  versehen  kann. 

Vier  Wochen  nach  der  Operation  ist  die  Wunde  in  der 
Tiefe  geschlossen,  und  nur  noch  eine  seichte  Granulation  bedarf 
der  Höllensteinätzung,  um  nach  2  weiteren  Wochen  völlig  über- 
liäutet  zu  sein. 

Den  Schmerz  nach  einer  Höllensteinätzung  beseitigt  man 
bekanntermassen  augenblicklich  durch  eine  sofortige  Bespülung 
mit  physiol.  Kochsalzlösung. 

Durch  Heftpflaster  kann  man  den  Verschluss  der  Wunde 
erheblich  beschleunigen.  Wenn  man  keine  Ausstopfung  der 
Wunde  mehr  nötig  hat,  kann  man  die  Wundränder  durch  Heft- 
pflaster so  einander  bringen,  tlass  ein  erstaunlicher  Fortschritt 
in  der  Heilung  erreicht  wird. 

Was  die  Diät  bei  der  Ectomie  anlangt,  so  bedarf  es  hier, 
wenn  kein  Ikterus  besteht,  keiner  besonderen  Anordnungen. 
Ich  habe  nie  beobachtet,  dass  die  Ectomie  irgendwie  die  Magen- 
oder Darmfunktionen  alteriert.  Ich  gebe  also  Ectomierten  die- 
selbe Diät  wie  jeden  anderen  La[»arotomierten.  Genauere  An- 
gaben habe  ich  bereits  [m  allgemeinen  Teil  der  Nachbehandlung 
gemacht. 

Ectomierte  lasse  ich  nach  3  Wochen  aufstehen  und  ent- 
lasse sie,  wenn  sie  aus  der  Umgebung  von  Halberstadt  stammen, 
am  Schluss  der  4.  Woche.  Sind  sie  weither  zugereist,  so 
ist  der  Kräftezustand  bei  der  Entlassung  massgebend.  Wer 
wünscht,  dass  erst  alles  geheilt  sein  soll,  muss  5 — 6  Wochen 
in  der  Klinik  bleiben. 

3.  Die    Nachbehandlung   der  Choledochotomie  und 
der    Hepaticusdrainage. 
Da  wir  in  den  meisten  Fällen  bei  der  Choledochotomie  resp. 
Hepaticusdrainage   zugleich    die  Gallenblase  entfernen,    ist  die 


-     382     —     . 

Nachbehandlunc^  der  Choledochotomierten  nicht  viel  anders  wie 
die  der  Ectomierten. 

Doch  lieg-t  ausser  dem  Tampon  für  das  Leberbett  noch 
ein  Rohr  in  der  Choledochusincision,  durch  welches  wir  die  Galle 
ableiten.  Mit  der  Entfernung  dieses  Rohrs  beginnt  die  eigent- 
liche Nachbehandlung  der  Hepaticusdrainage.  Mein  früherer 
Assistent,  Herr  Stabsarzt  Dr.  Berger,  hat  eine  ausgezeichnete 
Arbeit  im  Lan  gen  b  eck 'sehen  Archiv  über  die  Hepaticus- 
drainage geschrieben  und  eine  mustergültige  Beschreibung  der 
Nachbehandlung  gegeben,  die  ich  im  Folgenden  anführe.  Vorher 
will  ich  noch  erwähnen,  dass  ich  das  Hepaticusrohr  einlege, 
damit  die  infizierte  Galle  abfliessen  kann  und  nicht,  wie  Riedel 
anzunehmen  scheint,  damit  Steine  durch  das  Rohr  abgehen  sollen. 
Das  ist  nie  meine  Absicht  gewesen.  Die  Steinentfernung  können 
wir  meist  nicht  der  Natur  überlassen,  sondern  müssen  sie  selbst 
vornehmen.  Ein  ganz  kleines  Konkrementchen  kann  einmal  ge- 
legentlich durch  das  Rohr  abgehen,  in  den  allermeisten  Fällen 
beginnt  die  Steinentleerung  erst  dann,  wenn  wir  den  ersten 
Verband  wechseln.  Dieser  bleibt  —  wie  Berger  schildert  — 
in  der  Regel  14  Tage  unberührt  liegen;  in  dieser  Zeit  tiiesst 
fast  alle  von  der  Leber  gebildete  Galle  durch  das  Rohr  nach 
aussen,  der  Stuhl  ist  völlig  acholisch,  nur  in  wenigen  Fällen 
beginnt  er  schon  nach  einigen  Tagen  sich  zu  färben,  wenn 
nämlich  in  dem  erweiterten  Choledochus  die  Galle  am  Rohre 
vorbei  zum  Darm  abfliessen  kann.  Drückt  der  Verband  oder 
kommt  an  einer  Stelle  Wundflüssigkeit,  Blut  oder  Galle  durch, 
so  werden  die  oberen  Verbandschichten  gewechselt.  Nur  aus- 
nahmsweise wird  vor  Ablauf  der  2.  Woche  Rohr  und  Tamponade 
entfernt,  wenn  sich  das  Rohr  verstopft  oder  hinter  der  Tamponade 
eine  Sekretstauung  stattfindet,  sowie  wenn  man  annehmen  kann, 
dass  durch  die  Tamponade  eine  Abknickung  des  Duodenum 
stattfindet,  und  endlich,  wenn  der  Austritt  von  Magen-  oder 
Darminhalt  anzeigt,  dass  der  Intestinaltraktus  mit  dem  Wund- 
trichter in  Kommunikation  getreten  ist.  Sonst  werden  erst  am 
14.  Tage  post  op.  die  Gazetampons  unter  reichlichem  Spülen 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung,  die  auf  40  °  C.  erwärmt  ist, 
entfernt  und  das  Rohr  herausgezogen.  Meist  hat  sich  die  Naht, 
welche  es  am  Choledochus  fixierte,  schon  abgestossen,  so  dass 
es  einem  leichten  Zuge  folgt.  Ebenso  haben  sich  in  der  Regel 
die  übrigen  Choledochusfäden  soweit  abgestossen,  dass  sie  ohne 


—     383     — 

Gewalt  herauso;enommen  werden  können,  während  die  Unter- 
bindungsfaden des  Cysticusslumpfes  und  der  Gallenblasengefässe 
in  der  Regel  immer  noch  festsitzen  und  sich  erst  im  Laufe  der 
nächsten  8 — 14  Tage  herausziehen  lassen.  Da  es  uns  darauf 
ankommt,  die  Wunde  längere  Zeit  offen  zu  halten,  ist  das  ganz 
belanglos,  und  wir  können  ihre  spontane  Abstossung  in  Ruhe 
abwarten.  Alle  Nähte  und  ünterbindungsfäden  sind  langgelassen, 
so  dass  kein  Seidenfaden  zurückbleiben  und  durch  Inkrustation 
zur  Steinbildung  führen  kann.  Durch  die  ausgedehnte  Tampo- 
nade ist  ein  breiter  und  tiefer  Wundtrichter  zwischen  Leber, 
Magen  und  Duodenum  gebildet  worden,  in  dessen  Tiefe  —  und 
zwar  bisweilen  in  sehr  erheblicher  Tiefe  —  das  Lig.  hepato- 
duodenale  liegt.  Der  Wundtrichter  ist  durch  feste  Verwachsungen 
nach  allen  Seiten  hin  sicher  gegen  die  freie  Bauchhöhle  abge- 
schlossen, nur  selten  kommt  es  vor,  dass  beirti  Herausziehen 
einer  ausnahmsweise  fest  haftenden  Taniponade  die  Verwachsungen 
gesprengt  werden  und  Netz  sich  herausdrängt  oder  der  sub- 
phrenische  Raum  offen  ist.  Bei  strenger  Asepsis  sind  davon 
keine  Schädigungen  zu  erwarten,  in  wenigen  Tagen  sind  die 
Verwachsungen  wieder  ebenso  fest  wie  vorher. 

Durch  Zurückhalten  des  Leberrandes  und  des  sich  meist 
vorblähenden  Magens  und  Duodenums  mit  grossen  und  breiten 
stumpfen  Haken  (Fig.  13),  denen  man  zum  besseren  Schutz  der 
berührten  Organe  Gaze  unterlegen  kann,  gelingt  es  in  der  Regel 
leicht,  die  CholedocUusincision  zugänglich  zu  machen  und  Sonde 
und  Spülkatheter  in  den  Hepaticus  einzuführen.  (Nr.  109, 
Nr.  110,  Nr.  lU,  Nr.  115,  Nr.  119,  Nr.  121,  Nr.  126,  Nr.  136, 
Nr.  170.)  Die  Sondierung  des  Choledochus  ist  bisweilen  weniger 
leicht,  oft  ist  es,  wenn  nicht  besondere  Drainage  desselben 
darmwärts  vorgenommen  war,  sogar  recht  schwer,  ihn  aufzu- 
finden. Liegt  der  Choledochus  sehr  tief,  so  ist  eine  Ausspülung 
überhaupt  unmöglich  (Nr.  123,  Nr.  142;,  Nr.  167).  In  einigen 
Fällen  hat  uns  bei  der  Besichtigung  des  tiefen  Wundtrichters  die 
elektrische  Stirnlampe  recht  gute  Dienste  getan.  Zum  Sondieren 
benutzen  wir  die  gewöhnliche  Uterussonde,  zum  Ausspülen  der 
Gänge  einen  besonders  gebogenen,  silbernen  Spülkatheter,  dessen 
unteres  Drittel  siebartig  durchlöchert  ist.  (Fig.  20.)  Mit  diesem 
werden  die  Gallengänge  ordentlich  ausgesprudelt;  da  die  durch 
das  Rohr  offen  gehaltene  Choledochuswunde  grösser  ist  als  der 
Durchmesser  des  Spülkatheters,   so  dass   das  Spülwasser,  phy- 


—     384     — 

siologische  Kochsalzlösung  von  40  ^  C,  frei  neben  ihm  abfliessen 
kann,  wird  das  anfangs  ohne  Beschwerden  ertragen.  Wenn  sich 
später  die  Choledochusöffnung  so  weit  geschlossen  hat,  dass 
der  Spülkatheter  sie  abschliesst,  ruft  die  Füllung  und  Spannung 
im  Gallensystem  einen  drückenden  Schmerz  hervor,  der  gewöhn- 
lich als  „zum  Magen  hinziehend"  beschrieben  wird.  Ist  der 
Hepaticus  ausgesprudelt,  so  wird  der  Katheter  darmwärts  ein- 
geführt und  der  Choledochus  einer  gründlichen  Spülung  unter- 
zogen, meist  gelingt  es,  den  Katheter  soweit  vorzuschieben,  dass 
er  die  Papille  passiert  und  das  Wasser  in  den  Darm  fliesst. 
Auf  diese  Weise  können  dem  Patienten  auch  Medikamente,  be- 
sonders das  unbeliebte  ßicinusöl.  zugeführt  werden,  ohne  dass 
er  durch  ihren  Geschmack  belästigt  wird.  Mit  dem  Spülwasser 
entleeren  sich  häufig  zuiückgelassene  und  übersehene  Steinchen, 
(Nr.  88,  Nr.  98,  Nr.  103,  Nr  104,  Nr.  107,  Nr.  110,  Nr.  111, 
Nr.  113,  Nr.  117,  Nr.  119,  Nr.  120,  Nr.  127,  Nr.  131,  Nr.  134, 
Nr.  143,  Nr.  153,  Nr.  168,  Nr.  169),  aber  auch  wo  solche  nicht 
vorhanden  sind,  werden  dadurch  allerlei  Schmutz,  Schleim-  und 
Riterflocken,  gangränöse  Schleimhautfetzen  und  Bröckel  einge- 
dickter Galle  aus  den  Gallenwegen  herausgeschwemmt.  (Nr.  107.) 
Grössere  Steine,  die  dem  Spülwasser  nicht  folgen,  werden  mit 
der  Kornzange  gefasst  und  möglichst  unverletzt  extrahiert. 
Nach  Beendigung  des  Eingriffs  am  Choledochus  wird  der  VVund- 
trichter  ausgetrocknet,  mit  steriler  Gaze  breit  tamponiert  und 
ein  reichlicher  Verband  angelegt.  Da  das  Rohr  nicht  wieder 
eingeführt  wird,  fliesst  jetzt  alle  Galle  in  den  Verband,  der 
in  den  nächsten  Tagen  täglich  mindestens  einmal  gewechselt 
werden  muss.  Wird  die  Haut  in  der  Umgebung  der  Wunde 
durch  die  Galle  gereizt  und  entsteht  ein  Ekzem,  so  ist  Auf- 
streuen von  gewöhnlichem  Salicylpulver  zu  empfehlen  ;  die  Haut 
gewöhnt  sich  in  der  Regel  bald  an  die  Benetzung  mit  Galle. 

Der  erste  Verbandwechsel  nach  einer  Hepaticusdrainage 
nimmt  oft  eben  so  viel  Zeit  in  Anspruch,  wie  die  Operation 
selbst,  und  dauert  nicht  selten  ^/-i  Stunden.  Auch  die  nächsten 
Verbände  nehmen  den  Operateur  sehr  in  Anspruch,  doch  ist 
eine  recht  sorgfältige  Nachbehandlung  nötig,  um  durch  Frei- 
machung der  Gallengänge  etwaigen  Rezidiven  aus  dem  Wege 
zu  gehen. 

In  der  nächsten  Zeit  werden  Hepaticus  und  Choledochus 
täglich  sondiert  und  ausgespült,  und  dies  wird  so  lange  fortgesetzt, 


385     — 


bis  keine  Konkremente  mehr  nachweisbar  sind  und  die  Galle 
klar  abfliesst.  Bleibende  Trübung:  der  Galle  und  Beimengung: 
bröckeliger  weicher  Massen  beweist,  dass  die  Infektion  im  He- 
paticus  noch  nicht  erloschen  ist,  und  zwar  sind  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  Steine  die  Ursache  der  fortbestehenden  Infektion, 
auch  wenn  sie  sich  durch  ihren  Sitz  hoch  in  den  Ästen  des 
Hepaticus  dem  Nachweis  durch  die  Sonde  entziehen.  Der  Zweck 
der  Operation  wäre  nicht  erreicht,  wenn  ein  Stein  zurückbliebe, 
deshalb  dürfen  wir  die  Fistel  sich  nicht  eher  schliessen  lassen, 
als  bis  wir  sicher  sind,  dass  keine  Steine  mehr  im  Gallensystem 
stecken  und  dass  die  Infektion 
erloschen  ist.     Es   dauert  bis-  Fig.  so. 

w^eilen  wochenlang,  bis  die  Galle 
klar  und  ohne  Beimengungen 
abfliesst,  und  im  Verlaufe  dieser 
Zeit  hat  sich  der  anfangs  riesige 
Wundtrichter  mehr  und  mehr 
verkleinert,  so  dass  schliess- 
lich nur  mehr  ein  enger  Fistel- 
gang besteht,  gerade  gross 
genug,  um  Sonde  und  Spül- 
katheter passieren  zu  lassen. 
Feste  Tamponade  genügt  meist, 
um  die  Galle,  welche  gewöhn- 
lich schon  bald  nach  Heraus- 
nahme des  Rohres  -^  bisweilen, 
wie  wir  eben  sahen,  schon  vor- 
her —  anfängt  ins  Duodenum 
zu  fliessen,  ganz  in  den  Darm 
zu  leiten,  so  dass  der  Verband- 
wechsel nur  noch  alle  2—3  Tage  nötig  wird.  In  unkomplizierten 
Fällen  schliesst  sich  die  Fistel  in  5 — 6,  in  Ausnahmefällen 
schon  in  3—4  Wochen  post  op.  Damit  ist  die  Heilung  beendet, 
die  Überhäutung  des  zurückgebliebenen  Granulationsstreifens 
geschieht  schnell. 

Dieser  normale  Verlauf  einer  Hepaticusdrainage  erfährt 
nicht  selten  Störungen,  die  besondere  Eingriffe  erfordern.  Hat 
sich  bei  noch  bestehender  oder  wieder  auftretender  Trübung 
der  Galle  die  äussere  Fistel  soweit  geschlossen,  dass  der 
Spülkatheter    nicht    mehr    eingeführt    werden    kann,    so    muss 


Schema  für  Ausspülung  des  Choledoohus. 


Kehr,   Technik  der  GaUensteinoperationen.I. 


25 


—     386     — 

sie  erweitert  werden.  Dies  g-eschieht  durch  Einführung 
eines  Laminariastiftes;  der  einen  Augenblick  in  das  kochende 
Wasser  geworfene  Quellstift  wird  in  die  Fistel  eingeführt 
und  durch  den  an  ihm  befestigten  Seidenfaden  vor  dem 
Hiheinrutschen,  durch  übergelegtes  Heftpflaster  oder  Watte- 
Collodium  vor  dem  Herausrutschen  geschützt.  Der  Patient  muss 
bis  zum  nächsten  Verbandwechsel  im  Bett  bleiben  und  erhält, 
wenn  die  Schmerzen  beim  Quellen  des  Stiftes  unerträglich  werden, 
Morphium.  In  der  Regel  wird  aber  die  Dehnung  der  Narbe 
gut  vertragen.  Von  der  erweiterten  Fistel  aus  lassen  sich  so- 
dann die  Gallenwege  bequem  wieder  ausspülen.  Bei  sehr  lang 
anhaltender  Infektion  des  Gallensystems  oder  wenn  immer  wieder 
Steine  aus  der  Leber  herabsteigen,  muss  man  die  Erweiterung 
der  Fistel  durch  Laminariastifte  öfter  wiederholen,  jedenfalls 
wäre  es  falsch,  sie  zuheilen  zu  lassen,  bevor  man  die  Über- 
zeugung hat,  dass  die  Gallen wege  wirklich  von  Steinen  frei  sind. 

Hält  der  Gallenfluss,  obwohl  nichts  mehr  zur  Oflfenhaltung 
der  Fistel  geschieht,  sehr  lange  an,  so  besteht  der  Verdacht, 
dass  ein  Hindernis  darmwärts  den  Choledochus  verlegt.  Ist  die 
Sondierung  bis  an  die  Papille  nicht  mehr  möglich,  so  wenden 
wir  das  als  „Stöpselexperiment"  bezeichnete  Verfahren  an.  Ein 
Holzstift,  dessen  Dicke  der  äusseren  Fistel  entspricht,  wird 
mit  Watte  umwickelt  und  in  die  Fistel  fest  hineingedrückt,  ein 
um  sein  oberes  Ende  geschlungener  Seidenfaden  sichert  ihn  vor 
dem  Hineingleiten,  ein  Heftpflaster  oder  Watte-Collodiumverband 
vor  dem  Herausrutschen.  Der  Patient  bleibt  ebenfalls  bis  zur 
Abnahme  des  Verbandes  im  Bett  und  erhält  nach  Bedarf 
Morphium. 

Der  Zweck  dieses  Verschlusses  der  Fistel  ist  folgender: 
Ist  der  Choledochus  frei  und  wurde  er  nur  durch  einen  Schleim- 
pfropf in  der  Papilla  Vateri  oder  durch  Abknickung  infolge  von 
Verwachsungen  verlegt,  so  drängt  sich  die  Galle  unter  Besei- 
tigung dieses  Hindernisses  hindurch  und  fliesst  in  den  Darm. 
Man  sieht  keine  Erscheinungen  von  Gallenstauung,  bei  Heraus- 
nahme des  Stiftes  fliesst  nur  wenig  hinter  ihm  angesammelte 
Galle  heraus,  der  Stuhl  ist  am  nächsten  Tage  gefärbt.  Damit 
haben  wir  die  Gewissheit,  dass  der  Gallenabfluss  zum  Darm 
frei  ist  und  können  nunmehr  in  Ruhe  abwarten,  bis  sich  die 
Fistel  schliesst.  Liegt  aber  tatsächlich  ein  Stein  im  Chole- 
dochus, oder  ist  sonst  ein  unüberwindliches  Hindernis,  Schwellung 


—     387     — 

des  Pankreaskopfes,  durch  feste  Verwachsungen  fixierte  Ab- 
knickung  u.  a.  vorhanden,  so  staut  sich  hinter  dem  Stöpsel  die 
Galle;  vermag  sie  weder  den  Stein  durch  die  Papille  noch  den 
Holzstöpsel  aus  der  äusseren  Fistel  herauszupressen,  so  hat  der 
Pat.  eine  Kolik,  bei  schwer  infizierter  Galle  mit  Schüttelfrost, 
zum  Ikterus  kommt  es  gewöhnlich  nicht,  weil  der  Verschluss 
nicht  lange  genug  anhält.  Beim  Herausnehmen  des  Stöpsels 
stürzt  die  in  Menge  angesammelte  Galle  unter  Druck  heraus. 
Damit  ist  bewiesen,  dass  der  Choledochus  verschlossen  ist;  zur 
Hebung  dieses  Verschlusses,  der  in  den  allermeisten  Fällen  auf 
dem  Vorhandensein  eines  Steines  beruht,  wird  man  sich  zunächst 
durch  Erweiterung  der  äusseren  Fistel  in  der  oben  angegebenen 
Weise  den  Zugang  zu  den  tiefen  Gallen  wegen  wieder  frei 
machen  und  sodann  mit  Spülkatheter,  Kornzange,  Löffel  und 
Gallensteinfänger  das  Konkrement  zu  beseitigen  versuchen. 
Gelingt  dies  nicht,  so  bleibt,  um  die  Entstehung  einer  dauernden 
Gallenfistel  zu  verhüten,  nichts  übrig,  als  durch  eine  neue 
Laparotomie  den  Choledochus  aufzusuchen  und  frei  zu  machen. 
Ein  absolut  sicherer  Beweis  für  die  Steinfreiheit  des  Chole- 
dochus ist  auch  der  negative  Ausfall  des  Stöpselexperimentes 
nicht;  wir  sahen  in  einem  Falle  nach  dem  Verschluss  der 
äusseren  Fistel  die  Galle  frei  in  den  Darm  abfliessen,  der  Stuhl 
färbte  sich,  Erscheinungen  von  Stauung  traten  nicht  auf,  und 
doch  lagen  sogar  mehrere  Steine  im  Choledochus.  Sie  ver- 
hielten sich  symptomlos,  weil  jede  Entzündung  fehlte. 

Es  kommt  selten  vor,  dass  man  einen  Stein  im  Hepaticus 
resp.  seinen  Asten  zwar  mit  der  Sonde  nachweisen  kann,  dass 
es  aber  auf  keine  Weise  gelingt,  ihn  mit  der  Kornzange  zu 
fassen  und  ganz  oder  in  Trümmern  zu  extrahieren.  Ist  der 
Stein  beweglich  und  entschlüpft  er  dem  eingeführten  Instrument, 
so  ist  der  Schaden  nicht  gross,  da  die  Galle  an  ihm  vorbei- 
fliesst  und  man  erwarten  kann,  ihn  bei  einem  der  nächsten 
Verbandwechsel  zu  bekommen.  Anders  wenn  der  Stein  fest  ein- 
gekeilt ist  und  den  Hepaticusast  verschliesst.  Hier  kann  seine 
Entfernung  ein  dringendes  Erfordernis  sein,  wie  ich  bei  einem 
Fall  erlebte.  (Nr.  103.)  Hier  w^urde  nach  anfangs  fieberfreiem 
Verlaufe  am  10.  Tage  das  Rohr  und  die  Tamponade  entfernt; 
3  Tage  danach  gelang  es,  2  kleine  Steinchen  aus  dem  Hepaticus 
herauszuspülen  und  einen  dritten  durch  Sondieren  nachzuweisen. 
Derselbe  Hess  sich  auf  keine  Weise  fassen,  dagegen  wurde  die 

25* 


—     388     — 

schon   zur  Ruhe   gekommene  Infektion   durch  die  Extrakt ions- 
versuche   wieder    aufgerührt,   es  traten  Ikterus,  Kräfteverfall, 
Temperatursteigerungen    und     Pulsbeschleunigung,     kurz     alle 
Zeichen    cholangitischer  Affektion   auf.     Bei    den  Extraktions- 
versuchen floss  reiner  Eiter  aus  der  Umgebung  des  Steines  ab. 
Wenn  es  nicht  gelang,  den  Stein  zu  entfernen  und  die  Passage 
wieder  frei  zu  machen,  stand  das  Leben  des  Patienten  auf  dem 
Spiele.     Am  15.  Tage  post  op.  wurde  deshalb  in  Narkose  noch 
einmal  versucht,  den  Stein  zu  fassen ;  obwohl  der  Hepaticus  bis 
an  die  Leberpforte  hin  gespalten  wurde,  gelang  es  nicht.     Es 
wurde  deshalb   als  letzter  Versuch    ein  Laminariastift  in   den 
rechten  Hepaticusast,  in  welchem  der  Stein  steckte,  eingeführt 
und  der  Patient  ins  Bett  gebracht.     Am  Abend  traten  bedroh- 
liche Erscheinungen  auf,  der  Stift  wurde  entfernt,    doch  hatte 
er  -  seinen    Zweck    bereits    erfüllt,    beim    Verbandwechsel    am 
nächsten  Morgen  war  die  Extraktion    des  Steines  leicht.     Die 
Cholangitis  ging  zurück,  der  Patient  war  gerettet.     Dieses  Ver- 
fahren,  die  Einlegung    eines  Laminariastiftes  in  den  Hepaticus 
innerhalb    der  Leber   ist   meines  Wissens  bisher  noch  nirgends 
angewendet  worden  ;  es  ist  ein  schwerer  und  zweifellos  gefähr- 
licher Eingriff,   der   aber   in  unserem  Falle  durch  die  Lebens- 
gefahr  des  Patienten   gerechtfertigt  erschien  und  für  ähnliche 
Fälle  empfohlen  werden  kann.*) 

Eine  sehr  schwere  Komplikation  des  Verlaufes  nach  Hepaticus- 
drainage  ist  die  Entstehung  von  Magen-  und  Duodenalfisteln,  da 
durch  Ausfliessen  der  genossenen  Nahrung  die  Patienten  sehr 
geschwächt  werden.  Wir  haben  die  Bildung  derartiger  Fisteln 
oft  genug  (Nr.  70,  Nr.  99,  Nr.  165,  Nr.  166)  gesehen,  einmal  ent- 
stand sie  durch  Gewebsnekrose  an  der  Duodenalwand  infolge 
Schädigung  derselben  bei  Lösung  ausgedehnter  Verwachsungen, 
ein  anderes  Mal  durch  Perforation  eines  Ulcus  duodeni,  ein  drittes 
Mal  durch  Aufgehen  einer  übernähten  Cysticus-Magenfistel,  wahr- 
scheinlich infolge  Infektion  der  Naht  durch  die  neben  dem  Rohr 
ausgeflossene  Galle,  ein  viertes  Mal  endlich  bei  einer  hochgradig 
heruntergekommenen  und  anämischen  Patientin,  welche  schon 
vor  der  Operation  durch  Nährklysmen  und  Kochsalzinfusionen 
erhalten    worden    war,    durch   Nekrose    der   Duodenalwand    an 


*}  Einen  Fall  von  Erweiterung  der  Choledochusöffnuiig  durch 
einen  in  den  Cholodochus  in  Richtung  auf  den  Hepaticus  eingeführten 
Laminariastift  berichtet  End  aus  der  Freiburger  Klinik. 


—     389     — 

Stellen,  an  welchen  bei  der  Operation  blutende  Gefässe  unter- 
bunden worden  waren.*)  v.  Cackovic**)  hat  füfr  die  Ent- 
stehung derartiger  Fisteln  folgende  Erklärung:  „Durch  die 
Unterbindung  mehrerer  Gefässe  am  Duodenum  kommt  es  an 
einer  umschriebenen  Stelle  der  Darmwand  zu  Zirkulations- 
störungen ,  welche  eine  Unterbrechung  des  Blutkreislaufes  zur 
Folge  haben.  Eine  solche  Partie  stirbt  ab,  es  kommt  durch  die 
verdauende  Kraft  des  Magensaftes  zu  einem  peptischen  Geschwür." 

Lilienthal  gibt  für  die  Entstehung  solcher  Fisteln 
3  Möglichkeiten  an : 

„l)  Kann  bei  Lösung  der  peritonitischen  Adhäsionen  auch 
gleichzeitig  die  Duodenalwand  verletzt  sein  und  nun  eine  Nekrose 
derselben  eintreten. 

2)  Die  Entzündungsvorgänge  im  Gallensystem  haben  die 
Zusammensetzung  der  Galle  geändert,  dieselbe  ist  neutral,  ja 
sauer  geworden,  ausserdem  ist  wegen  Choledochusverschluss 
der  Abfluss  der  Galle  zeitweilig  stark  gehemmt,  so  dass  der 
saure  i\lagensaft  im  Duodenum  seine  Wirkung  voll  entfalten 
und  gelegentlich  ein  Ulcus  duodeni  erzeugen  kann. 

3)  Die  Duodenalwand  ist  schon  durch  früher  stattgehabte 
Prozesse  nekrotischer  Art  geschädigt  worden ,  die  Muscularis 
ist  dabei  zu  Grunde  gegangen,  eine  grössere  Narbe  zurück- 
geblieben, bei  der  Lösung  der  Adhäsionen  kommt  es  nun  leicht 
zur  Perforation." 

Die  Bildung  einer  derartigen  Fistel  erkennt  man  meist  am 
Geruch  des  Verbandes;  aller  flüssige  Mageninhalt,  bei  grösseren 
Defekten  auch  feste  Speiseteile,  fliessen  in  den  Verband,  der 
ständig  nass  ist  und  3—4  Mal  täglich  gewechselt  werden  muss 
Wenn  es  der  Kräftezustand  des  Patienten  erlaubt,  entziehen 
wir  ihm  die  Nahrung  per  os  für  einige  Tage  ganz  und  erhalten 
ihn  durch  Nährklystiere ,  Kochsalzinfusionen  und  subkutane 
Darreichung  von  sterilisiertem  Olivenöl.  Das  macht  sehr  viel 
Arbeit,  man  kann  aber  damit  vollständig  die  Körperkräfte  erhalten. 
Später  gibt  man  trockene,  feste  Nahrung,  der  Durst  wird  weiter 
mit  Kochsalzinfusionen  und  -einlaufen  bekämpft.  Unter  dieser 
Behandlung  können  bei  gutem  Kräftezustand  des  Patienten  die 


*)  Einen    ähnlichen    Fall    berichtet    End    aus    der    Freiburger 
chirurgischen  Klinik,  auch  dieser  endete  letal. 

**)  V.  Cackovic.    Über  Fisteln  des   Duodenums.     Arcli.  f.  klin. 
Chir.  Bd.  69,  p.  843. 


—     390     — 

Fisteln  heilen,  der  Versuch,  sie  durch  die  Naht  zu  schliessen, 
ist  uns  nie  gelungen,  die  Fäden  halten  einen  Tag,  am  nächsten 
ist  das  Loch  wieder  offen  und  meist  grösser  als  vorher.  Da- 
gegen wäre  die  Ausführung  einer  Gastroenterostomie,  event. 
mit  Verschluss  des  duodenalen  Magenendes  in  Betracht  zu 
ziehen,  wir  haben  dies  in  einem  Falle  als  äusserstes  Mittel  ver- 
sucht;   vielleicht  hätte  die  Operation,    früher  ausgeführt,   den 


Fig.  81. 


Schema  fUr  Bougierung  der  PapiHa  duodoni. 
1.  Papille.    2.  Spitze  des  Bougies. 


gewünschten  Erfolg  gehabt,  in  unserem  Falle  konnte  sie  die  schon 
fast  in  extremis  befindliche  Patientin  nicht  mehr  retten.  (Nr.  133.) 
Besser  als  die  kunst-  und  mühevollste  Behandlung  der 
entstandenen  Fistel  ist  es  jedenfalls,  ihrer  Entstehung  nach 
Möglichkeit  vorzubeugen.  Dazu  empfiehlt  es  sich,  beschädigte 
Stellen  der  Magen-  und  Darmserosa  sorgfältig  zu  übernähen 
und  diese  Stellen  ebenso  wie  übernähte  Fistelöffnungen  ausser- 
halb der  Tamponade  zu  lagern,  so  dass  sie  von  der  ausfliessen- 


—     391     — 

den  Galle  nicht  berührt  werden.  Zur  noch  grösseren  Sicherheit 
kann  man  sie,  wenn  angängig,  mit  Netz  überkleiden.  Gegen 
die  Entstehung  geschwüriger  Prozesse  von  der  Mucosa  her  sind 
wir  machtlos. 

Unsere  anfängliche  Furcht,  dass  der  in  den  Wundtrichter  ein- 
fliessende  Magen-Darminhalt  durch  die  Öffnung  im  Choledochus  das 
Gallensystem  infizieren  könnte,  erwies  sich  als  grundlos.  Anfangs 
führten  wir  nach  dem  Verbandwechsel  immer  wieder  ein  Kohr 
in  den  Hepaticus  ein,  um  eine  etwaige  Infektion  zu  verhüten, 
später  haben  wir  es  nicht  mehr  getan,  ohne  Nachteile  davon 
zu  sehen. 

Die  Hepaticusdrainage  hat  aber  nicht  nur  den  Vorteil, 
dass  man  nachträglich  herabrückende  Lebersteine  durch  Aus- 
spülen etc.  herausbefördern  kann,  man  kann  auch  Steinen,  die 
im  retroduodenalen  Teile  des  Choledochus  stecken  blieben,  bei- 
koramen  und  Verengerungen  im  papillären  Teil  des  Choledochus 
allmählich  durch  Sondierungen  erweitern.  (Nr.  98,  Nr.  106.)  Ich 
benutze  dazu  französische  Bougies,  die  man  je  nach  dem  Grad  der 
Striktur  fein  oder  stark  wählen  kann.  (Fig.  81.)  Ich  habe  auf  diese 
Weise  den  lästigen  Gallenfluss  nach  aussen  beseitigen  und 
rasche  Heilung  erzielen  können.  (Siehe  auch  p.  89  des  I.  Teils.) 

Die  Nachbehandlung  der  übrigen  Operationen  am  Gallen- 
system bietet  keine  weiteren  Besonderheiten.  Hat  man  bei  der 
Cysto-Enterostomie  die  Bauchdeckenwunde  völlig  geschlossen,  so 
ist  die  Wuudversorgung  so  einfach,  wie  bei  jeder  gewöhn- 
lichen Laparotomie ;  man  braucht  ja  nach  14  Tagen  nur  die 
Fäden  zu  entfernen. 

Gerade  bei  den  Anastomosenoperationen,  die  man  fast 
immer  an  hochgradig  Ikterischen  vornimmt,  ist  an  die  Möglich- 
keit cholämischer  Nachblutungen  zu  denken;  man  muss  sofort 
mit  den  bei  solchen  Blutungen  üblichen  Mitteln  (Chlorcalcium, 
Gelatine)  zur  Hand  sein. 

Während  der  Nachbehandlung  der  Gallensteinoperierten, 
speziell  der  Hepaticusdrainierten  habe  ich  es  nie  für  nötig 
gehalten,  dieselbenKarlsbaderWassertrinken  zu  lassen.  Spült  man 
den  Hepaticus  recht  sorgsam  aus  und  verordnet  man  den  Patienten, 
sobald  sie  Appetit  zeigen,  eine  recht  nahrhafte  gemischte  Kost, 
so  wird  die  Galle  auch  ohne  Karlsbader  Wasser  bald  ganz 
klar  und  läuft  in  stärkerem  Masse,  als  einem  lieb  ist,  nach 
aussen.      F  i  n  k  -  Karlsbad    hat  jüngst  in  der-  Münchener  med. 


—     392     — 

Wochenschrift  Nr.  47  einen  Fall  -veröffentlicht  und  setzt  bei  dieser 
Gelegenheit  den  Nutzen  derKarlsbader  Thermen  in  derRekonvales- 
zenznacheinerHepaticusdrainageindashellsteLicht.  Ich  hätte  Fink 
bei  der  Beurteilung  einer  Karlsbaderkur  mehr  Objektivität  zugetraut 
und  man  kommt  fast  auf  den  Gedanken,  dass  er  als  Karlsbader 
Arzt  sich  dann  und  wann  bewogen  fühlt,  ,,pro  domo"  zu 
reden.  Ich  verstehe  wenigstens  nicht,  wie  er  aus  den  Beob- 
achtungen eines  Falls  eine  Behauptung  aufstellen  kann,  die 
sich  mit  den  von  mir  an  ca.  200  Fällen  gemachten  gar  nicht 
deckt.  Der  Fall,  den  Fink  beschreibt,  ist  noch  lange  kein 
„untrüglicher  Beweis  für  die  gallenvermehrende  und  die  Galle 
und  Gallengänge  reinigende  Wirkung  des  Karlsbader  Wassers." 
Hätte  Fink  statt  Karlsbader  Wasser  Giesshübler,  Biliner  Wasser 
oder  gar  ganz  gewöhnliches  Karlsbader  Wasser-Leitungswasser 
in  denselben  Mengen  gegeben,  so  hätte  er  wahrscheinlich  die- 
selbe Beobachtung  gemacht,  „über  die  physikalische  Veränderung 
der  angestauten  und  veränderten  Galle,  über  die  quantitative 
Zunahme,  die  Änderung  der  Farbe  und  der  Konsistenz." 
Fink  hat  nebenbei  noch  die  Gallengänge  gespült;  hätte  er 
diese  Spülungen  fortgelassen,  so  hätte  ihn  auch  die  vielgepriesene 
Karlsbader  Quelle  im  Stich  gelassen.  Was  Fink  auf  seinen 
Sprudel  bezieht,  beziehe  ich  auf  die  gründliche  Operation,  auf 
die  sorgsame  Ausspülung  der  Gallengänge  und  auf  die  gute 
Ernährung.  Ein  gutes  Frühstück  —  dazu  ein  gutes  Glas 
Pilsener  —  lässt  die  Galle  besser  fliessen,  als  der  langweilige 
Karlsbader  Schinken  und  drei  Becher  Sprudel!  Fink  hätte 
Kontrollversuche  anstellen  sollen,  dann  hätten  seine  Schluss- 
folgerungen Beachtung  beansprucht.  Er  hätte  am  ersten 
Tag  den  Operierten  Karlsbader  Wasser  trinken  lassen  sollen, 
am  zweiten  Tag  ihm  jede  Flüssigkeit  entziehen  müssen,  am 
dritten  Tag  gewöhnliches  Leitungswasser  geben  sollen  usw.  Dann 
hätte  er  eingesehen,  dass  die  Menge  Flüssigkeit,  die  er  zuführt, 
—  und  nicht  ihre  Art  den  Gallenfluss  bedingt.  Die  Galle  ver- 
flüssigt sich  nach  einer  Karlsbader  Kur,  weil  der  Mensch 
mehr  Flüssigkeit  zu  sich  nimmt  wie  gewöhnlich,  dass  eine 
gallentreibende  Kraft  dem  Sprudel  innewohnt,  glaube  ich  nicht. 
Jedenfalls  ist  das  Karlsbader  Wassertrinken  nach  einer  Hepaticus- 
drainage  nicht  die  Hauptsache;  nach  Finks  Arbeit  könnte  es 
vielleicht  das  Richtigste  erscheinen,  wenn  der  Chirurg  Gallen- 
steinoperationen  nur   an    Ort    und    Stelle    der   alkalisch-salini- 


—     393     — 

sehen  Quellen  vornähme,  und  wenn  also  die  Gallensteinchirurgen 
nach  Karlsbad,  Neuenahr,  Vichy  oder  Tarasp  verzögen.  Es 
ist  aber  nacli  meinen  Erfahrungen  wirklieh  nicht  nötig-,  dass 
man  die  Operierten  mit  Karlsbader  Wasser  traktiert;  ich  habe 
auch  ohne  diesss  bei  mehr  als  200  Choledochotomien  so  aus- 
gezeichnete Erfolge  zu  verzeichnen,  dass  ich  auch  in  Zukunft 
ohne  Karlsbader  Wasser  auszukommen  hofie.  Der  von  Fink 
veröffentlichte  Fall  zeigte  bei  der  Operation  im  Clioledochus 
„Gallenschlamm".  Fink  hält  diesen  Gallenschlamm  für  ,, pri- 
märe Anlagen".  Ich  bin  gerade  entgegengesetzter  Ansieht. 
Der  Gallenseiilamm  ist,  wie  ich  annehmen  möchte,  hervorgerufen 
durch  die  bei  der  ersten  Operation  von  einem  Dr.  L.  in  H. 
gemachte  Zertrümmerung  von  Steinen,  „von  zwei  kleinen  harten 
Körpern".  Es  liegen  also  sekundäre  Gebilde  vor.  Ich  kann 
hier  auf  den  Fall  nicht  näher  eingehen,  möchte  aber  doch 
darauf  hinweisen,  dass,  wenn  in  dem  Fink 'sehen  Fall  das 
Karlsbader  Wasser  noch' nicht  einmal  den  Schlamm  beseitigen 
konnte,  die  grossen  festen  Steine  erst  recht  nicht  der  gallen- 
treibenden Kraft  der  Karlsbader  Thermen  nachgeben.  Wenn 
Fink  die  Leser  seiner  Arbeit  von  der  Eichtigkeit  seiner  An- 
sichten überzeugen  will,  so  "darf  er  nicht  nur  einen  Fall,  son- 
dern muss  eine  ganze  Reihe  anführen,  er  muss  Kontrollversuche 
anstellen.  Beides  hat  er  versäumt,  und  deshalb  kann  der  Fall, 
der  in  technischer  Hinsieht  von  einigem  Interesse  ist,  nicht 
als  beweiskräftig  Cur  die  gallentreibende  Kraft  des  Karls- 
bader Wassers  gelten. 

Fink  empfiehlt,  die  Karlsbader  Kur  recht  frühzeitig  zu 
gebrauchen,  weil  bei  den  weichen  „primären  Anlagen"  nicht  nur 
eine  Herbeiführung  der  Latenz,  sondern  sogar  eine  völlige 
Heilung,  d.  h.  Beseitigung  der  später  zu  Steinen  werdenden 
weichen  Gebilde  eintreten  kann.  Für  die  Praxis  hat  die 
Empfehlung  frühzeitiger  Kuren  leider  gar  keinen  Wert.  Denn 
wann  fühlt  der  Patient  etwas  von  seinen  Steinen?  Im  Anfang, 
d.  h.  so  lange  sie  weich  sind,  so  gut  wie  nichts.  Erst  wenn 
eine  Entzündung,  resp.  eine  Infektion  sich  zu  den  Steinen 
gesellt,  wenn  diese  durch  ihre  Grösse  den  Ductus  cysticus  und 
Choledochus  verlegen,  wird  der  bis  dahin  scheinbar  Gesunde 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  irgend  etwas  in  seinem  Ober- 
bauch nicht  in  Ordnung  ist.  Die  Steinkrankheit  in  der  Gallen- 
blase  wird   aber  in   gewiss   70  pOt.  der  Fälle,   so   lange  kein 


—     394     — 

Ikterus  auftritt,  sehr  oft  für  ein  Magenleiden  erklärt  und  weder 
Patient  noch  Arzt  denken  an  eine  Kur  in  Karlsbad.  In  Wirk- 
lichkeit kann  also  der  Karlsbader  Sprudel  selbst  in  den  Fällen, 
wo  die  Cholelithiasis  schon  fertig  ist,  d.  h.  wo  fast  nur  grosse 
Steine  in  der  Gallenblase  vorhanden  sind ,  seine  heilsame 
Wirkung  kaum  entfalten;  demnach  wird  im  Anfang  der  Stein- 
bildung, bei  den  primären  Anlagen,  erst  recht  niemand  daran 
denken,  nach  Karlsbad  zu  fahren. 

So  wird  der  Wunsch  Fi  n  k's,  dass  die  Kranken  mit  w^eichen 
Anlagen  nach  Karlsbad  kommen  sollen,  —  und  zwar  so  früh- 
zeitig wie  möglich  —  ebenso  selten  in  Erfüllung  gehen,  wie 
die  Forderung  der  Chirurgen  einer  frühzeitigen  Operation. 

Innere  Mediziner  und  Chirurgen  werden  eben  erst  beim  aus- 
gebildeten Gallensteinleiden  Gelegenheit  haben ,  therapeutisch 
vorzugehen.  Es  wird  immer  so  bleiben,  dass  erst  Karlsbad 
versucht  wird  und,  wenn  dieses  nichts  nützt,  ganz  zuletzt  der 
Chirurg  um  Rat  gefragt  wird.  Dass  ich  persönlich  kein  ab- 
soluter Gegner  von  Karlsbad  bin,  habe  ich  in  dem  Abschnitt  der 
Indikationen  auseinandergesetzt,  aber  ich  habe  auch  betont,  dass 
der  Erfolg  einer  Karlsbader  Kur  selten  auf  völliger  Heilung, 
sondern  nur  auf  einer  Herbeiführung  der  Latenz  beruht.  Dass 
sich  unter  den  72  bis  87  pCt.  Latenz,  die  Fink  erreicht  hat, 
„ein  guter  Teil  von  Heilungen"  finden  wird,  glaube  ich  nicht. 
Fi  n  k's  Begeisterung  für  die  Quellen  der  Stadt,  in  der  er 
praktiziert,  ist  natürlich  und  begreiflich,  aber  dass  er  die 
Wirkung  der  Karlsbader  Kur  weit  überschätzt,  wird  jeder  bald 
merken,  der  häufig  Gelegenheit  hat,  durch  operative  Eingriffe 
festzustellen,  wie  selten  eine  Heilung  durch  innere  Mittel  zu 
eizielen  ist.  Ich  stehe  auf  dem  sicheren  Boden  von  1000 
Autopsien  in  vivo;  ich  weiss,  was  ich  gesehen  habe.  Dass  die 
nächsten  1000  Operationen  meine  Ansichten  über  die  Behand- 
lung und  Heilbarkeit  der  Cholelithiasis  wesentlich  ändern 
werden,  möchte  ich  bezweifeln,  doch  würde  ich  mich  über  jeden 
Fortschritt  der  iiineren  Therapie  freuen  und  ihn  im  Interesse 
der  zahlreichen  Gallensteinkranken  g-ern  verwenden. 


D)  Die  Erfolge  der  Gallensteinoperationen. 

I.  Die  augenblicklichen  Erfolge. 

Ich  will  meine  Arbeit  schliessen  mit  einem  Bericht  über 
die  Erfolge,  die  ich  bei  meinen  1000  Gallensteinoperationen  zu  ver- 
zeichnen habe.  Sämtliche  Kollegen,  die  mir  von  der  Lektüre  des 
Riedel'schen  Buches  berichteten,  vermissten  in  demselben 
eine  genaue  Darlegung  der  erzielten  Erfolge.  Ich  stellte  ihnen 
vor,  dass  Ei  edel  bei  der  Bezeichnung  seines  Buches  ,,Die 
Pathogenese,  Diagnose  und  Behandlung  des  Gallensteinleidens'* 
gar  keinen  Grund  hatte,  über  seine  Erfolge  mit  Zahlen  zu  be- 
richten, doch  waren  sie  der  Meinung,  dass  Sätze,  wie:  „Die 
Gallensteinoperation  kann  man  bei  richtiger  Ausführung  als 
ungefährlich  bezeichnen"  etc.  zu  wenig  Aufschluss  gäben  über 
die  Gefahren  der  Operation.  Auch  die  Bemerkungen  Riedels 
auf  dem  Chirurgenkongress  1904  bei  Gelegenheit  der  Diskussion 
über  die  Choledochotomie  mussten  bei  den  Unkundigen  den 
Glauben  erwecken,  dass  eine  Choledochotomie  gar  keine 
Schwierigkeiten  bereite:  „Bauch  weit  aufschneiden,  Leber  um- 
kippen, dann  liegt  der  Choledochus  vor  der  Bauchwand," 
das  war  der  Sinn  der  Worte  Riedels,  die  —  ich  möchte  es 
fast  befürchten  —  eine  für  die  Patienten  schädliche  Wirkung 
hervorrufen  können.  Aber  wie  gross  seine  Sterblichkeit  ist,  das 
erfuhren  wir  bei  dieser  günstigen  Gelegenheit  wiederum  nicht. 

Ich  will  im  Folgenden,  um  allen  Einwendungen  aus  dem 
Weg  zu  gehen,  an  der  Hand  von  Tabellen  eine  genaue  Aus- 
kunft über  die  Sterblichkeit  nach  Gallensteinoperationen  geben. 

Im  allgemeinen  hört  man  immer  wieder  nicht  nur  im 
Kreise  der  Laien,  sondern  auch  der  Ärzte  die  Behauptung 
aufstellen :  „Die  Gallensteinoperation  ist  ein  Eingriff,  der  auf 
Leben  und  Tod  geht." 

Wenn  von  100  Patienten  50  durchkommen  und  50  sterben, 
so  kann  man  mit  Recht  sagen :    Die  Operation  geht  auf  Leben 


—     396     — 

und  Tod!  Aber  wenn  man  nach  100  Gallensteinoperationen, 
bei  denen  man  keine  Krebsbildung,  keine  diffuse  Cholangitis  an- 
trifft, nur  2  oder  3  verliert,  so  ist  eine  solche  Behauptung 
gewiss  nicht  am  Platze. 

Die  meisteil  Grallensteinoperierten  sterben  nicht  an  der 
Operation,  sondern  trotz  der  Operation  an  iiirer  Krankheit, 
weil  diese  einen  bösartigen  Charakter  angenommen  hatte 
und  weil  die  Kranken  —  leider  auch  oft  die  Aerzte  — 
sich  zu  spät  zur  Operation  entschlossen  hatten. 

Die  Chirurgie  leistet  heutzutage  Erstaunliches,  aber  eine 
Leber,  die  sich  wie  ein  Schwamm  mit  Eiter  vollgesogen  hat, 
vermag  auch  sie  nicht  wieder  gesund  zu  machen,  und  ist  die 
Gallenblase  oder  der  Coledochus  krebsig  entartet,  so  hilft  die 
beste  Technik  so  gut  wie  nichts. 

Handelt  es  sich  aber  nur  um  Eiterungen,  die  auf  die  Gallen- 
blase beschränkt  sind,  sind  die  Steine  aus  dem  Choledochus 
und  Hepaticus  mit  den  uns  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  entfern- 
bar, so  ist,  wie  wir  weiter  unten  anführen  werden,  die  Operation 
recht  ungefährlich  und  beträgt  kaum  mehr  wie  2—3*^/0  Mor- 
talität. Ja,  ich  habe  von  den  letzten  50  Hepaticusdrainagen 
nicht  einen  einzigen  Kranken  mehr  verloren. 

Die  Sterblichkeit  meiner  1000  Gallensteinoperationen  ist 
folgende : 

1.  275  konservative  Operationen  (Cystostomie,  C3'Sten- 

dyse,  Cj^sticotomie)  mit  5  Todesfällen  =    •  h^^io 

2.  220  Ectomien  mit  7  Todesfällen  =  3,2  o/o 

3.  202  Choledochotomien,  resp.  Hepaticusdrainagen  mit 

10  Todesfällen  =  5  »/o 

4.  174  gleichzeitige  Operationen  wegen  gutartiger 
Komplikationen  am  Magen,  Darm,  Leber,  Pankreas 

mit  30  Todesfällen  =  .17  »/o 

5.  129  gleichzeitige  Operationen  wegen  bösartiger  Kom- 
plikationen (Carcinom  der  Leber,  der  Gallenblase, 
des   Choledochus,    diffuser  eitriger  Cholangitis  etc.) 

mit  110  Todesfällen  =  85  X 

Summa  1000  Laparotomien  mit  162  Todesfällen  =    16,2  "/o 

Unter  Abzug  von  4  und  5 
697   reine  Gallensteinlaparotomien    mit  22   Todes- 
fällen =  3,2  o/o 


—     397     — 

Bei  diesen    1000  Gallensteinlaparotomien    kamen    folgende 
1726  Einzeleingriffe  zur  Ausführung: 

Tabelle  der  Einzeleingriffe. 

1726  Einzeleingriffe  bei  1000  Laparotomien  an  925  Kranken 

(22.  5.  1890  bis  14.  12.  1904.) 

A.  Eingriffe  an  den  Gallenwegen  selbst. 

1.  Einzeitige  Cystostomie 316 

2.  Zweizeitige  Cystostomie 12 

8.  Cysticotomie 109 

4.  Cysticolithotripsie  nach  Tait 1 

5.  Oysticectoraie 5 

6.  Cystendyse  (ideale  Operation) 13 

7.  Extraperit.  ideale  Operation 2 

8.  Cystectomie  (totale  und  partielle) 416 

9.  Choledochotomie  (1  Mal  Choledochotripsie)      ....  74 

10.  Choledochoplastik 3 

11.  Resektion  des  Choledochus 2 

12.  Hepaticus-  und  Choledochusdrainage 164 

13.  Hepaticotomie 4 

14.  Oholedocho-Duodenostomia  externa  et  interna     ...  23 

15.  Hepatico-Duodenostomie 2 

16.  Cysto-Gastrostomie 17 

17.  Cysto-Enterostomie 14 

18.  Cystico-Enterostomie 3 

19.  Hepato-Cholangiö-Enterostoniie 1 

20.  Gallenblasenfistelverschluss 14 

21.  Wiedereröffnung  schon  geschlossener  Gallenblasen  .     .  12 

22.  Probeincision  wegefl  Tuberkulose,  Carcinom,   Lues  und 

Lösung  von  Adhäsionen   als  selbständige  Operation  71 

B.  Eingriffe  an  Magen,   Darm,  Pankreas, 
Nieren,  Leber  etc.,  welche  die  Gallensteinoperationen 

komplizierten. 

23.  Laparotomie  wegen  Gallensteinileus 3 

24.  Laparotomie  wegen  Nachblutung  (Ectomie)    ....  1 

25.  Eröffnung    von    intraperitonealen,    durch  Cholelithiasis 

bedingten  Abscessen 7 

26.  Herniotoraien     (Hernie    der    Linea   alba,    Bauchwand- 

hernien) 14 


—     398     —    • 

27.  Magenresektion   .     .     .     .• 5 

28.  Gastroenterostomie 87 

29.  Pyloroplastik 28 

30.  Loreta's  Divulsio  pylori 1 

31.  Gastroanastomose 1 

82.  Excisio  Ulc.  ventric.  et  duodeni 2 

88.  Pylorus-Ausschaltung 1 

34.  Darmresektion 2 

85.  Entero-Enterostomie 28 

86.  Beseitigung    von  Fisteln  zwischen    Gallensystem   und 

Intestinis 50 

87.  Apendicectomie 56 

88.  Einnähung  und  Excision  von  Pankreascysten      ...  4 

89.  Incision   /on  Pankreasabscessen     ........  6 

40.  Einnähung   eines  Pankreascysten  -  Fistelganges  in   die 

Gallenblase 1 

41.  Ileocolostom.ie  und  Colostomie 3 

42.  Unterbindung  der  Art.  hepatica  (Aneurysma) ....  1 
48.  Omphalectomie 1 

44.  Netzplastik 8 

45.  Nephropexie  (Wanderniere) 6 

46.  Nephrotomie  (Eiterniere) 1 

47.  Leberresektion 16 

48.  Hepatopexie 110 

49.  Rippenresektion  (Subphr.  Abscess) 5 

50.  Leberechinococcus 5 

Summa  1726  Einzeleingriffe. 
Ich  will  dazu  bemerken,  dass  die  1000  Gallensteinlaparo- 
tomien  an  925  Kranken  vorgenommen  wurden.  Von  diesen 
925  Kranken  waren  193  männlichen  und  782  weiblichen  Ge- 
schlechts; es  kommen  also  auf  5  gallensteinkranke  Frauen 
1  gallensteinkranker  Mann.  Eine  besondere  Genugtuung  ist  es 
mir  gewesen,  dass  ich  16  Arzte,  10  Ärztefrauen  und  8  Arzte- 
mutter  resp.  Ärzteschwiegerraütter  von  ihren  Steinen  befreien 
durfte.  Wenn  eine  Schwiegermutter  —  darauf  wies  ich  schon  in 
dem  in  Karlsbad  gehaltenen  Vortrag  hin  —  auf  den  Rat  ihres 
Schwiegersohnes  sich  wegen  Gallensteinen  operieren  lässt,  so 
ist  das  ein  glänzender  Beweis  für  das  grosse  Vertrauen,  welches 
heutzutage  der  chirurgischen  Behandlung  der  Gallensteinkrank- 
heit entgegengebracht  wird. 


—     399     — 

Wie  vorauszusehen  war,  hat  die  Cystostomie  die  besten 
Resultate  gegeben;  die  Fistelanlegung-  ist  die  einfachste  Ope- 
ration, und  da  wir  dieselbe  meist  nur  bei  Steinen  in  der  Gallen- 
blase und  im  Ductus  cysticus  vornehmen,  so  können  wir  von 
vornherein  darauf  rechnen,  dass  die  Mortalität  nach  dieser  Ope- 
ration eine  relativ  geringe  sein  wird.  In  der  Tat  beträgt  sie 
nicht  mehr  wie  2'^jo.  Diese  2^/0  Mortalität  wird  bedingt  wie 
bei  jeder  Laparotomie  durch  die  Zufälligkeiten,  welche  die 
Narkose  scliaift  (Pneumonie,  Eihbolie),  und  durch  den  Eintritt 
von  Komplikationen,  die  eben  mehr  dem  Narkoticum  wie  der 
Operation  als  solcher  zur  Last  gelegt  werden  müssen  (z.  B. 
Urämie).  —  Derartige  Todesfälle  kommen  auch  bei  der  Ectomie 
vor,  deren  Mortalität  ungefähr  3 — 4<^/o  beträgt.  Dieser  etwas 
höhere  Prozentsatz  der  Mortalität  ist  weniger  bedingt  durch 
die  technisch  schwierigere  Operation  als  vielmehr  durch  die  ge- 
ringere Widerstandsfähigkeit  der  Kranken,  die  bei  der  lange  be- 
stehenden Krankheit  natürlich  nicht  ausbleiben  kann.  Eine  wenig 
veränderte  Gallenblase  kann  man  ohne  grosse  Gefahr  für  den 
Kranken  exstirpieren  und  die  Mortalität  dieser  Operation  ist 
nicht  viel  grösser  wie  die  der  Fistelanlegung. 

Auch  die  Choledochotomie  an  und  für  sich,  d.  h.  die 
Incision  des  Choledochus  ist  keine  besonders  lebensgefährliche 
Operation.  Ich  hatte  unter  meinen  ersten  50  Choledochotomien 
ca.  lO"/o  Mortalität  und  bei  den  letzten  150  Operationen*)  nur  noch 
S^jo,  —  ein  Beweis,  wie  die  Erfolge  bei  hinreichender  Übung 
und  Erfahrung  immer  besser  werden.  3"/o  Mortalität  nach  einer 
Choledochotomie  ist  sehr  wenig,  wenn  wir  bedenken,  dass  wir 
an  Menschen  operieren,  die  ikterisch  sind  und  von  Entzündungen 
im  Choledochus  und  in  der  Leber  heimgesucht  wurden,  wenn 
wir  weiterhin  in  Betracht  ziehen,  dass  eine  Choledochotomie 
viel  länger  dauert,  wie  eine  Ectomie,  dass  dabei  das  Ein- 
fliessen  von  Galle  in  die  Peritonealhöhle  nicht  immer  vermieden 
werden  kann  und  die  Technik  solcher  Operation  viel  schwieriger 
ist  wie  die  der  Ectomie.  Die  Besserung  der  Erfolge  nach  der 
Choledochotomie  in  den  letzten  Jahren  spricht  deutlich  für  den 
Nutzen  der  Spezialisierung  auf  chirurgischem  Gebiete.  Ope- 
rationen, zu  denen  andere  Chirurgen  2  auch  3  Stunden  gebrauchen, 
bezwinge  ich  jetzt  in  1  Stunde,  und  den  Vorteil  geniesst  der 
Kranke,    der   sich    meiner  Klinik   anvertraut.    Nicht   weil   ich 

*)  Bei  den  letzten  50  Hepaticusdrainagen  kein  Todesfall  mehr  —  O^/o. 


—     400     — 

etwa  eine  ganz  besondere  Anlage  zum  Chirurgen  habe,  sind 
meine  Erfolge  besser  wie  die  anderer  Operateure,  sondern  weil 
ich  an  einem  grösseren  Material  durch  Übung  und  Erfahrung 
das  schnellere  Operieren  erlernen,  das  bessere  Orientieren  mir 
aneignen  konnte.  Ich  rühme  mich  nicht  meiner  guten  Erfolge, 
ich  rühme  mich  aber  meines  Fleisses,  und  seines  „Fleisses 
darf  sich  Jedermann  rühmen",  sagt  Lessing.  Dadurch,  dass 
ich  besonders  in  der  Münch.  med.  Wochenschrift  über  meine 
Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Gallensteinchirurgie  be- 
richtete und  es  durch  anderweitige  Veröäentlichungen  bekannt 
wurde,  dass  ich  mich  ganz  speziell  mit  Gallensteinoperationen 
beschäftige,  wuchs  mein  Material  von  Jahr  zu  Jahr' und  ich 
hatte  kürzlich  die  Freude,  die  lOOOste  Gallensteinoperation 
ausführen  zu  können.  Durch  die  Mitarbeit  tüchtiger  Assistenten 
wurde  es  mir  allerdings  leichter  gemacht,  literarisch  fleissig  sein 
zu  können,  und  ich  verfehle  nicht,  diesen  immer  wieder  meinen 
Dank  auszusprechen  für  ihre  aufopfernde  Mühe  und  sorgfältige 
Unterstützung. 

Die  Unterstützung  durch  gewissenhafte  Assistenten  machte 
sich  recht  bemerkbar  bei  jenen  Operationen,  die  durch  kompli- 
zierende Erkrankungen  am  Magen  und  Darm  besonders  während 
der  Nachbehandlung  grosse  Ansprüche  an  den  Arzt  stellen. 

Die  Gallensteinkrankheit  ergreift  recht  häufig  den  Magen  und 
das  Duodenum,  es  kommt  zu  Pylorusstenosen,  welche  Pyloro- 
plastiken  und  Gastroenterostomien  erfordern.  Wie  die  Gallenblase 
wird  auch  die  Appendix  coeci,  das  Pankreas  infiziert,  und  Appendi- 
cectomien  muss  man  oft  zur  Gallensteinoperation  hinzufügen. 
Dadurch  wMrd  die  Operation  verlängert,  die  Gefahren  steigen, 
und  ca.  17  pCt.  der  Operierten  gehen  an  der  Dauer  der  Ope- 
ration und  an  der  Schwierigkeit  des  Eingriffs  zu  Grunde.  Peri- 
toneale Infektionen  spielen  auch  hier  eine  sehr  geringe  Rolle. 
Der  Gallensleinkranke,  der  magenkrank  wird  und  nebenbei  der 
Inanition  verfällt,  gleicht  einer  Maschine,  deren  Arbeitskraft  er- 
schöpft ist,  Das  Ol  ist  eingetrocknet,  überall  hapert's,  und  die 
oft  recht  schwierige  Operation  wird  bei  der  geringen  Leistungs- 
fähigkeit des  Organismus  nicht  mehr  überwunden. 

Wenn  nun  gar  die  Gallensteinkrankheit  sich  mit  Carcinoni 
der  Leber,  der  Gallenblase,  des  Pankreas,  des  Choledochus,  mit 
Pankreasnekrose,  mit  diffuser  eitriger  Cholangitis,  Thrombo- 
phlebitis, Sepsis,  Peritonitis  kompliziert,   dann  müssen  wir  mit 


—     401     — 

einer  sehr  hohen  Sterblichkeit,  ca.  85  pCt.  rechnen.  In  solchen 
Fällen  kommt  nur  ausnahmsweise  einmal  ein  Patient  durch. 
Aber  ohne  Operation  wären  sie  schliesslich  Alle  zu  Grunde  ge- 
gangen, deshalb  kann  man  sich  schon  freuen,  wenn  man  von 
100  solchen  Todeskandidaten  nur  5  —  10  durchbringt.  Im  Hin- 
blick auf  diese  Fälle  habe  ich  in  meinem  Karlsbader  Vortrag 
das  Wort  Platen's  zitiert:  „So  viel  Mühe  um  ein  Leichen- 
tuch!" Clemm  ist  der  Ansicht,  dass  man  mit  einfachem 
Zuwarten  auf  Selbsthilfe  der  Natur  sicherlich  nicht  mehr  ge- 
schadet hätte,  wie  mit  solch'  verzweifelten  Eingriifen.  Ich 
stimme  Clemm  nicht  bei  und  halte  ihm  die  Fälle  von  Eesektion 
des  carcinomatösen  Choledochus  und  Unterbindung  der  Art-  he- 
patica  vor.  Was  hätte  hier  die  Natur  leisten  können?  Nur 
der  Tod  wäre  der  Abschluss  dieser  Krankheiten  gewesen.  Wenn 
ich  von  100  Fällen,  die  sicher  dem  Tod  verfallen  sind,  5  ge- 
sund mache,  dann  ist  das  eine  Leistung,   auf  die  ich  stolz  bin. 

Man  sieht  aus  diesen  Auseinandersetzungen,  dass  die  Sterb- 
lichkeit in  erster  Linie  von  der  Form  der  Gallensteinkrankheit 
abhängt,  die  den  Chirurgen  zum  Messer  greifen  lässt.  Die  Art 
der  Operation  spielt  für  den  geübten  Chirurgen  keine  so  wesent- 
liche Rolle,  wenn  man  auch  zugeben  muss,  dass  die  Dauer  der 
Operation  in  Bezug  auf  die  Prognose  von  grosser  Bedeutung  ist. 

Aber  ich  will  nicht  verschweigen,  dass,  trotzdem  von  den 
Cystostomierten  nur  1,8  pCt.,  von  den  Ectomierten  3,2  pCt.,  von 
den  Choledochotomierten  5  pCt.  starben,  doch  sehr  viele  Ope- 
rierte, die  schliesslich  gesund  wurden,  recht  „kritische  Tage 
erster  Ordnung"  durchmachen  mussten;  sehr  bedrohliche  Zustände 
(Bliiterbrechen,  Pulsbeschleunigung  bis  150  Schläge,  hohe  Tem- 
peraturen etc.)  stellten  sich  in  relativ  vielen  Fällen  (ca.  10  pCt.) 
ein,  und  nur  einer  gewissenhaften  Nachbehandlung  gelang  es, 
die  Patienten  über  Wasser  zu  halten.  Was  hier  meine  Assistenten 
geleistet  haben,  ist  geradezu  bewundernswert,  und  der  Patient 
sollte  die  Kunst  der  Nachbehandlung  in  der  Tat  höher  schätzen 
wie  die  Kunst  der  Operation,  Es  gehört  wirklich  mehr  Er- 
fahrung dazu,  bei  der  Nachbehandlung  die  richtige  Behandlung 
herauszufinden,  als  bei  der  Operation  die  richtige  Methode  zu 
wählen.  — 

Ob  wir  in  Zukunft  viel  bessere  Resultate  erzielen  werden, 
ist  mir  fraglich.  Es  wird  schliesslich  alles  darauf  ankommen, 
nicht  erst  die  schweren  Folgezustände  zur  Ausbildung  kommen 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.    I.  26 


-      402     — 

zu  lassen,  die  so  sehr  die  Mortalität  nach  Gallensteinoperationen 
erhöhen.  Es  ist  —  da  die  Sterblichkeit  der  Cystostomie,  Ec- 
tomie  und  Hepaticusdrainag-e  ungefähr  die  gleiche  (2 — 3  pCt.) 
ist  —  gewiss  kein  grosses  Unglück,  wenn  ein  Stein  in  den 
Oholedochus  rutscht,  und  die  Riedel'sche  Indikationsstellung, 
die  Steine  zu  entfernen,  ehe  sie  in  die  tiefen  Gallengänge  ge- 
raten, iiat  deshalb  keinen  grossen  Wert,  weil  ihre  Entfernung 
aus  Gallenblase  oder  Choledochus  im  Hinblick  auf  die  Sterblich- 
keit —  einen  geübten  Operateur  vorausgesetzt !  —  keinen  grossen 
Unterschied  mehr  macht.  Aber  ist  der  Stein  im  Choledochus 
angelangt,  so  sollen  wir  nicht  warten,  bis  sich  diffuse  Cholangitis 
und  biliäre  Cirrhose  entwickelt,  sondern  sollen  ihn  beizeiten  ent- 
fernen. Was  ich  also  in  der  Münch.  med.  Wochenschrift  gesagt 
habe,  gilt  noch  heute:  Nicht  die  frühzeitige  Entfernung  der 
Steine  aus  der  Gallenblase  brauchen  wir  anzustreben,  sondern 
ihre  rechtzeitige  Entfernung  aus  dem  Choledochus. 

Gewiss  geben  Gallensteine  in  der  Gallenblase  oft  genug  die 
Indikation  zur  Operation  ab,  z.  B.  bei  eitriger  Cholecystitis 
oder  beginnender  Perforation,  aber  der  Stein  in  der  Gallen- 
blase ist  im  Vergleich  zu  seinem  Kollegen  im  Choledochus  ein 
ziemlich  harmloser  Geselle.  Ich  würde  ganz  der  Meinung 
E  i  e  d  e  l's  sein  und  den  Stein  aus  der  Gallenblase  entfernen,  wenn  er 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  in  den  Choledochus  geraten  sollte.  Aber 
das  ist  nicht  der  Fall,  und  deshalb  entferne  ich  den  Stein  aus  der 
Gallenblase  nicht  aus  dem  Grunde,  um  ein  Tiefertreten  zu  ver- 
hindern. Ich  operiere  bei  Steinen  in  der  Gallenblase  bei  heftigen 
Entzündungen,  die  einer  inneren  Medikation  trotzen  und  aus 
sonstigen  Gründen,  die  ich  bereits  oben  bei  der  Besprechung 
meiner  Indikationsstellung   auseinandergesetzt  habe. 

Ich  will  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dass  die  Gallen- 
steinoperation von  einer  Frau,  die  geboren  hat,  besser  vertragen 
wird  wie  von  einer  Jungfrau  mit  straffen  Bauchdecken,  und  dass 
Männer  „lange  nicht  so  viel  aushalten"  wie  Frauen.  Die  meisten 
Männer  sind  Verehrer  des  Alkohols  und  des  Nikotins,  ihr  Herz 
ist  oft  nicht  mehr  intakt,  sie  brauchen  mehr  Chloroform,  man 
muss  viel  mehr  an  der  Bauchwand  zerren,  die  sie  spannen,  sie 
haben  keine  Hepatoptose,  es  liegt  alles  tiefer,  mit  einem  Wort: 
Bei  den  Männern  ist  die  Operation  in  der  Regel  schwerer  und 
auch  gefährlicher  wie  bei  den  Frauen,  das  soll  man  bei  der 
Indikationsstellung  nicht  vergessen. 


-     408     — 

Die  fiühzeiliofe  Operation  Riedel's  würde,  wenn  sie  allge- 
mein zur  Anwendung-  käme,  d.  h.  auch  von  weniger  geübten 
Chirurgen  ausgeführt  würde,  mehr  schaden  als  nützen.  Gewiss 
wäre  sie  am  Platze,  wenn  die  traurigen  Folgezustände,  mit 
denen  auch  ich  es  so  oft  zu  tun  habe  (Pertoration,  Cholangitis, 
Carcinom  etc.),  zur  Regel  gehörten.  Sie  sind  aber  in  Anbetracht 
der  kolossalen  Häufigkeit  der  Cholelithiasis  Ausnahmefälle,  und 
für  Ausnahmefälle  kann  man  nicht  eine  in  jedem  Falle  durch- 
zuführende Frühoperation  proklamieren.  Bei  der  Appendicitis 
liegen  die  Verhältnisse  ganz  anders.  Hier  kann  man  schon 
eher  sagen,  dass  die  üblen  Ausgänge  nicht  mehr  zu  den  Selten- 
heiten gehören.  Die  Appendicitis  ist  eine  völlig  unberechenbare 
Krankheit,  und  da  hat  es  noch  Sinn  bei  einer  Sterblichkeit  von 
ca.  lO^lo  auch  die  übrigen  90  Fälle  operativ  zu  behandeln, 
um  einem  tödlichen  Ausgang  vorzubeugen.  Die  Sterblichkeit 
der  Cholelithiasis  —  wohlbemerkt  nicht  der  latenten,  sondern 
der  aktuellen  Form  —  beträgt  aber  gewiss  nicht  mehr  wie 
2 — 4*^/0.  Es  wäre  absurd,  deshalb  in  jedem  Falle  zu  operieren! 
Die  Sterblichkeit  der  Choledocholithiasis  ist  schon  bedeutend 
höher^  ich  schätze  sie  immerhin  auf  50  "/o;  da  hat  es  Zweck, 
eine  chirurgische  Behandlung  einzuleiten,  besonders  wenn  diese 
nur  3  "/o  Sterblichkeit  hat  und  also  die  Erfolge  innerer 
Kuren  um  47  "/o  überragt. 

Beim  Carcinom  der  Gallenblase,  welches  bekanntlich  in  vielen 
Fällen  durch  den  Reiz  der  Steine  entsteht,  kann,  das  liegt  auf 
der  Hand,  nur  die  frühzeitige  Operation  nützen.  Aber  gerade 
in  diesen  Fällen  merkt  der  Träger  fast  nie  etwas  von  seinen 
Steinen,  er  sucht  erst  dann  Hilfe  beim  Chirurgen,  wenn  das 
Carcinom  fertig,  d.  h*  inoperabel  ist.  Der  einzige  Segen,  den  so- 
mit die  frühzeitige  Operation  für  die  Behandlung  des  Gallen- 
blasenkrebses entfalten  könnte,  wird  durch  die  Symptom- 
losigkeit  der  hegleitenden  Cholelithiasis  vereitelt.  — 

Auf  einen  Punkt  will  ich  noch,  eingehen,  den  ich  bereits 
oben  berührt  und  in  der  Münchener  medizin.  Wochenschrift  in 
einer  Arbeit:  „Wie  gross  ist  heute  die  Mortalität  nach  Gallen- 
steinoperationen? (1901  Nr.  23)"  erörtert  habe;  er  betrifft  den 
Unterschied  der  Sterblichkeit  beim  männlichen  und  weiblichen 
Geschlecht.  Ich  konnte  damals  an  der  Hand  von  100  Opera- 
tionen, die  ich  vom  1.  4.  1900  bis  16.  4.  1901  ausgeführt  hübe, 
feststellen,   dass  auf  die  100  Laparotomien   75  Frauen    und  25 

26* 


—     404     — 

Männer  kamen,  dass  von  den  25  Männern  10  =  40  "/o  und  von 
den  Frauen  nur  6  =  8^/0  starben.  Diesen  unterschied  hielt 
ich  für  die  Indikationsstellung  von  grosser  Bedeutung.  Von 
meinen  letzten  100  Operationen  kamen  auf  30  Männer  70  Frauen. 
Von  den  Männern  starben  11  =  37  °/o,  von  den  Frauen  9  =  12"/o. 
Es  kommt  also  ein  ähnliches  Verhältnis  heraus  wie  vor 
3  Jahren.  Von  den  11  gestorbenen  Männern  litten  10  an 
Krankheiten,  die  auch  dem  Messer  des  Chirurgen  nicht 
weichen  (Carcinom,  Pankreasnekrose,  Lebercirrhose  etc.).  — 
Worauf  beruht  es,  dass  die  Mortalität  bei  Männern  viel 
grösser  ist  wie  bei  Frauen?  Vor  4  Jahren  gab  ich  darauf 
folgende  Antwort:  „Carcinorae,  z.  B.  am  Pankreaskopf,  scheinen 
bei  männlichen  Individuen  häufiger  vorzukommen,  wie  bei 
weiblichen.  Weiterhin  habe  ich  von  jeher  den  Eindruck 
gehabt,  dass  selbst  kräftige  und  robuste  Männer  die  Narkose 
und  das  Hantieren  in  der  Bauchhöhle  viel  schlechter  vertragen 
als  Frauen.  Ich  will  auf  die  Gründe  dieser  Tatsache  nicht 
näher  eingehen,  glaube  indes,  dass  deshalb  besonders  das  starke 
Geschlecht  einer  Laparotomie  gegenüber  sich  so  schwach  ver- 
hält, weil  es  sich  durch  Nikotin  und  Alkohol  die  Herzkraft  in 
hohem  Masse  schädigt.  Ich  operiere  lieber  5  Frauen  als  einen 
Mann  und  bin  überzeugt,  dass  in  dieser  Beziehung  mir  erfahrene 
Laparotomisten  beistimmen.  Bei  Männern  kommt  deshalb  nur  selten 
die  soziale  Indikation  (Herabsetzung  der  Erwerbsfähigkeit  durch 
fortwährende  Koliken),  meistenteils  nur  die  vitale  Indikation 
(Empyem  der  Gallenblase,  chronischer  Choledochusverschluss 
durch  Stein)  in  Betracht.  Übrigens  will  ich  nicht  versäumen 
darauf  hinzuweisen,  dass  von  den  männlichen  Laparotomierten, 
die  frei  von  Carcinom,  diffuser  eitriger  Cholangitis  waren  — 
und  ihre  Zahl  betrug  im  letzten  Jahre  15  —  kein  einziger  ge- 
storben ist.  Es  läuft  eben  Alles  darauf  hinaus,  dass  man  mit 
der  Operation  nicht  allzu  lange  wartet." 

Auch  von  den  20  nicht  durch  unheilbare  Krankheiten  kom- 
plizierten männlichen  Gallensteinoperationen  des  letzten  Jahres 
starb  nur  1  Patient  (ein  älterer  Mann)  an  Pneumonie,  die  übrigen 
19  wurden  gesund*  — 

Ich  möchte  diesen  Bemerkungen  noch  hinzufügen,  dass  die 
Sterblichkeit  bei  Männern  auch  deshalb  grösser  ist,  weil  der 
Mann  sich  viel  schwerer  zur  Operation  entschliesst  und  mit  ihr 
viel  läng-er    wartet    wie   die  Frau.     Er    ist   der  Ernährer   der 


—     405     — 

Familie,  und  wenn  er  stirbt,  ist  das  Unglück  meist  viel  grösser, 
als  wenn  die  Mutter  der  Familie  entrissen  wird.  Und  dann 
findet  man  bei  Männern  relativ  viel  häufiger  neben  der  Chole- 
lithiasis  Lebercirrhose,  die  den  Ausgang  der  Gallensteinoperation 
wesentlich  beeinflusst.  Im  übrigen  spielt  wie  gesagt  der  Nikotin- 
und  Alkohol  -  Missbrauch  bei  der  Prognose  der  Operation  eine 
nicht  zu  unterschätzende  Eolle.  — 

Bei  der  Beurteilung  meiner  Erfolge  müssen  schliesslich 
noch  folgende  Punkte  berücksichtigt  werden  : 

1.  Ich  habe  immer  erst  dann  operiert,  wenn  entweder  eine 
innere  Behandlung,  vor  allen  Dingen  Karlsbader  Kuren  erfolglos 
blieben,  oder  der  Fall  von  vorneherein  so  schwer  auftrat,  dass 
nur  eine  chirurgische  Behandlung  in  Frage  kam  (also  z.  B.  beim 
Empyem  der  Gallenblase).  Fast  meine  sämtlichen  Operationen 
waren  sog.  Spätoperationen.  Wer  frühzeitig  zum  Messer  greift, 
wird  natürlich  bessere  Erfolge  haben,  als  wer  fast  nur  mit 
Fällen  von  chronischem  Choledochusverschluss,  schweren  Ent- 
zündungen und  ausgedehnten  Ulcerationen  der  Gallenblase  zu 
tun  hat. 

2.  Ich  habe  mir  durch  meine  spezialistische  Beschäftigung 
mit  der  chirurgischen  Behandlung  der  Cholelithiasis  allmählich 
den  Ruf  eines  Gallensteinoperateurs  erworben.  Zu  einem  solchen 
kommen  aber  fast  nur  die  weitvorgeschrittenen,  die  schwierigen 
Fälle:  die  leichten  operiert  jetzt  jeder  Chirurg,  der  auch 
sonst  Bauchoperationen  macht,  die  ganz  komplizierten  gehen 
zum  Spezialisten.  So  habe  ich  in  den  letzten  zwei  Jahren  sehr 
viele  Choledochotomien  resp.  Hepaticusdrainagen  ausgeführt;  in 
meinem  letzten  Jahresbericht  befanden  sich  unter  ca.  120  Gallen- 
steinlaparotomien  46  =  fast  40°/o  Hepaticusdrainagen.  Auch 
sonst  musste  ich  so  viele  schwierige  Fälle  operieren,  wie  sie  eben 
nur  ein  Spezialist  in  Behandlung  bekommt.  Die  Gallenstein- 
kranken, die  von  weither  —  z.  B.  aus  Kussland  —  meine 
Klinik  aufsuchten ,  repräsentierten  in  der  Mehrzahl  absolut 
desolate  Fälle.  Die  Gallensteinkrankheit  komplizierte  sich  mit 
Lebercirrhose  oder  Pankreasnekrose,  meist  steckte  ein  Carcinom 
dahinter,  und  so  kam  es,  dass,  je  weiter  der  Patient  wohnte, 
um  so  gefährlicher  die  Operation  sich  gestaltete.  Von  den 
Gallensteinkranken  aus  Halberstadt  und  Umgegend  stirbt  selten 
einer.  — 


—     406     — 

Von  meinen  Operierten  wären  sicher  über  kurz  oder 
lang  60 "/o  an  den  Folgen  der  Krankheit  gestorben^  wenn 
ich  nicht  durch  das  Messer  den  Tod  abgewendet  hätte;  sie 
litten  an  chronischem  Choledochusyerschlass  mit  Ikterus 
und  Schüttelfrösten  und  bargen  in  ihren  Grallenblasen  Eiter. 
Ich  glaube  also  nicht  zu  viel  zu  sagen,  wenn  ich  behaupte,  dass 
ich  in  60^/0  aus  vitaler  Indikation  operiert  habe.  In  den  übrigen 
Fällen  hat  meine  Operation  zwar  keine  augenblickliche  Gefahr 
beseitigt,  aber  Arbeitsunfähige  wieder  arbeitsfähig  gemacht  und 
solchen,  die  das  Leben  recht  satt  hatten,  die  Freude  am  Leben 
wiedergeschenkt. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  mit  wachsender  Übung  und 
Erfahrung  meine  Erfolge  immer  besser  wurden,  obgleich  immer 
mehr  schwere  Fälle  der  Klinik  zugingen.  So  habe  ich  z.  B. 
von  meinen  letzten  200  Gallensteinlaparotomierten^  die  ohne 
Carcinom  und  ohne  septische  Cholangitis  zur  Operation 
kamen  und  bei  denen  keine  komplizierenden  Eingriffe  am 
Magen  und  Darm  vorgenommen  wurden,  nur  noch  3  verloren, 
davon  nach  46  Hepaticusdrainagen  keinen  und  nach  80  Cysto- 
stomien  und  Ectomien  nur  2  (einen  über  60  Jahre  alten  Mann 
an  Pneumonie  14  Tage  post  op.  und  eine  sehr  elende  Patientin 
mit  hochgradiger  Hepatoptose  bald  nach  der  Operation  im 
CoUaps).  Es  kommen  also  auf  126  reine  Gallensteinoperationen 
nur  2  Todesfälle  =  1,6  o/o  Mortalität. 

Wir  haben  also  allen  Grund,  mit  den  augenblicklichen  Er- 
folgen der  chirurgischen  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit 
zufrieden  zu  sein ;  wer  von  den  unkomplizierten  Gallenstein- 
fällen,  d.  h.  denen,  die  frei  von  Carcinom  oder  diffuser 
Cholangitis  zur  Operation  kommen,  mehr  als  5  "/„  verliert, 
operiert  entweder  nicht  richtig,  oder  die  Patienten  sind  zu 
geschwächt  in  seine  Behandlung  getreten.  Das  lange  Ab- 
warten, die  immer  wieder  versuchte  Kur  in  Karlsbad  oder  gar 
der  Gebrauch  von  Geheimmitteln,  die  gerade  bei  der  Gallen- 
steinkrankheit leider  eine  so  grosse  Rolle  spielen,  müssen  die 
Erfolge  der  Chirurgen  verschlechtern,  und  die  Misserfolge  sind 
nicht  dem  Chirurgen  beizumessen,  sondern  sind  auf  die  vorher 
geübte  und  zu  lange  Zeit  fortgesetzte  innere  Behandlung  zurück- 
zuführen. 


—     407     — 

II.  Die  Dauererfolge. 

Als  ich  auf  dem  Chirurgenkongress  190D  zum  ersten  Male 
über  „Recidive  nach  Gallensteinoperationen"  sprach,  leitete  ich 
meinen  Vortrag  mit  folgenden  Worten  ein : 

„Jeder  Arzt  spricht  lieber  von  seinen  guten  als  von  seinen 
schlechten  Erfolgen,  und  es  ist  verzeihlich,  wenn  der  Chirurg 
sich  nicht  gern  entschliesst,  von  den  Schattenseiten  der  von  ihm 
ausgeführten  und  empfohlenen  Operationen  zu  berichten.  Aber 
durch  Schönfärberei  und  Verheimlichung  von  Irrtümern  und 
Fehlern,  die  wir  begehen,  schaden  wir  der  Entwickelung  der 
Chirurgie  mehr,  als  wenn  wir  offen  und  ehrlich  die  Misserfolge 
bekennen  und  den  Gründen  und  den  Mitteln  nachspähen,  die 
uns  in  den  Stand  setzen,  solche  in  Zukunft  zu  vermeiden.  Die 
Achtung  unserer  inneren  Kollegen  vor  der  Leistungsfähigkeit 
der  chirurgischen  Kunst  wird  noch  mehr  wachsen,  wenn  wir 
uns  nicht  scheuen,  auch  die  bösen  und  trüben  Erfahrungen,  die 
keinem  erspart  bleiben,  mit  ehrlicher  Offenheit  mitzuteilen. 
Nehmen  wir  uns  auch  in  dieser  Hinsicht  ein  Beispiel  an  dem 
unvergesslichen  Theodor  Billroth,  der,  wenn  er  von  seinen 
kühnen  und  glänzenden  Operationen  sprach,  niemals  vergass, 
die  Misserfolge  hervorzuheben. 

Jeder  von  uns  weiss,  dass  der  augenblickliche  Erfolg,  den 
wir  durch  eine  Operation  erzielen,  oft  überraschend  gut  ist : 
Kranke,  die  schon,  mit  einem  Fuss  im^  Grabe  standen,  blühen 
wieder  auf,  und  der  Chirurg  ist  beglückt,  dass  seine  Arbeit 
von  so  herrlichem  Erfolg  gekrönt  ist.  Ich  erinnere  nur  an 
den  Segen,  der  in  der»Gastroenterostomie  steckt,  die  wir  wegen 
eines  inoperablen  Magencarcinoms  vornehmen.  Der  Patient,  der 
Wochen  lang  jede  Speise  vvieder  erbrach,  bis  auf  das  Skelett 
abgemagert  war,  verträgt  schon  zwei  Wochen  nach  der  Ope- 
ration eine  schwere  Kost  und  nimmt  häufig  30 — 40  Pfund 
an  Körpergewicht  zu.  Ich  erinnere  weiter  an  die  herr- 
lichen Erfolge,  die  wir  bei  Gallensteinkranken  mit  einer 
Sicherheit  erzielen,  welche  uns  die  Gefahren  und  Schrecken 
der  Narkose  und  des  blutigen  Eingriffs  vergessen  lässt.  Der 
Kranke,  der  seit  Wochen  ein  Empyem  der  Gallenblase  bei  sich 
trug,  vor  Schmerzen  keine  Nacht  mehr  schlief  und  in  ängst- 
licher Weise  jede  Nahrungszufuhr  mied,  wird  auf  einmal  durch 
den   Gallenblasenschnitt  von   seinen  Qualen  befreit  und  erholt 


—     408     — 

sich  in  kürzester  Zeit.  Aber  wie  in  dem  ersten  Fall  ein 
Dauererfolg  unmöglich  ist,  weil  ein  Krebsleiden  vorliegt,  so 
tritt  in  dem  zweiten  Fall  eine  endgültige  Heilung  erst  dann 
ein,  wenn  der  Stein,  der  im  Hals  der  Gallenblase  das  Ein- 
fliessen  der  Galle  in  das  Hohlorgan  hemmte,  bei  Seite  ge- 
schafft ist.  Aber  selbst  dann,  wenn  die  Gallengänge  voll- 
ständig frei  und  all'  die  ungebetenen  Gäste  herausgeschafft 
sind,  kann  der  Dauererfolg  ausbleiben,  weil  sich  Beschwerden 
einstellen,  die  vom  Operierten  selbst  unter  allen  Umständen, 
wenn  auch  oft  ganz  mit  Unrecht  als  sogen.  Recidiv  seiner 
Krankheit,  d.  h.  als  eine  Neubildung  von  Steinen  aufgefasst 
werden."   — 

Ich  habe  also  mit  klaren  Worten  auf  die  Notwendigkeit 
hingewiesen,  nicht  nur  die  augenblicklichen,  sondern  auch  die 
Dauererfolge  im  Auge  zu  haben,  und  um  so  mehr  war  ich 
empört,  als  ich  die  Worte  las,  die  Schürmayer  im  März 
d.  J.  niederzuschreiben  sich  erkühnte :  „Sie  (d.  h.  die  „extremen" 
Chirurgen)  übersehen  nur  zu  oft,  dass  ihre  einzige  Leistung 
darin  beruht  hat,  den  Patienten  glücklich  nach  der  Operation 
über  die  Folgen  derselben  hinauszubringen,  sie  schliessen  ihre 
Statistik  damit  ab,  wenn  der  überlebende  Patient  glücklich 
die  Tore  der  chirurgischen  Klinik  hinter  sich  hat."  Man  kann 
vermuten,  dass  Schürmayer,  der  angibt,  von  Haus  aus 
selbst  Chirurg  zu  sein,  nach  diesen  Prinzipien  gehandelt  hat, 
und  es  ist  deshalb  ein.  Glück,  dass  er  aus  dem  edlen  Kreise 
der  Chirurgen  ausgeschieden  und  sich  einer  Behandlungsmethode 
hingegeben  hat,  deren  wahres  Wesen  ich  bei  den  Indikationen 
zur  Operation  gründlich  aufgedeckt  habe.  Bedauern  aber 
wird  kein  Chirurg,  dass  er  den  Vertreter  der  „kombinierten 
Behandlung  der  Gallensteinkrankheit"  nicht  mehr  zu  seinem 
SpezialkoUegen  rechnen  darf.  Wer  solche  falsche  Gerüchte  über 
die  Tätigkeit  der  Chirurgen  ausstreut,  kann  allerdings  auf  diesen 
Ehrentitel  keinen  Anspruch  erheben. 

Mir  und  keinem  ernsten  Gallensteinchirurgen  ist  es  jemals  ein- 
gefallen, etwaige  Recidive  zu  vertuschen,  ich  habe  immer  be- 
tont, dass  die  guten  augenblicklichen  Erfolge  bei  der  Wert- 
schätzung einer  Operation  nicht  massgebend,  sondern  in 
dieser  Beziehung  nur  die  Dauererfolge  von  Bedeutung  sind. 

Aber  ich  habe  ebenso  darauf  hingewiesen,  dass  es  Unrecht 
ist,  wenn  Aerzte  alle  nach  einer  Gallensteinoperation  auftretenden 


—     409     — 

Beschwerden  in  den  grossen  Topf  der  echten  Recidive  werfen, 
und  dass  es  geboten  ist,  die  verschiedenen  Arten  der  Recidive 
streng  von  einander  zu  trennen. 

Zweckmässiger  Weise  unterscheiden  wir,  worauf  ich  schon 
auf  dem  Chirurgen  -  Kongress  1900  hinwies,  zwischen  einem 
echten  und  einem  unechten  Recidiv. 

Bei  einem  echten  üecidiv  kommt  es  nach  vollständiger 
Säuberung  der  Gallenblase  und  der  Gallengänge  von  Concre- 
menten  wieder  zu  einer  Neubildung  von  Steinen,  während  wir 
unter  einem  unechten  Recidiv  alle  jene  Beschwerden  ver- 
stehen, die  durch  absichtlich  oder  unabsichtlich  zurückgelassene 
Steine,  erneute  Entzündung  der  Gallenblase,  Bildung  von  Ad- 
häsionen, Entstehung  von  Hernien  hervorgerufen  werden. 

Was  das  echte  Recidiv  anlangt,  so  freue  ich  mich  versichern 
zu  können,  bisher  auch  nicht  ein  einziges  beobachtet  /u  haben. 
Aber  ich  gebe  zw,  dass  die  sichere  Erkennung  des  echten 
Recidivs  auf  die  grössten  Schwierigkeiten  stossen  kann  und 
eigentlich  nur  durch  die  zweite  Laparotomie  ermöglicht  wird. 
Aber  auch  dann  können  die  gefundenen  Concremente  noch  von 
der  ersten  Operation  herstammen!  Die  Diagnose  des  echten 
Recidivs  ist  eben  genau  so- schwierig  und  oft  unmöglich  wie  die 
der  Cholelithiasis  selbst.  Wie  oft  nehmen  wir  Gallensteine  an 
und  stossen  bei  unseren  Operationen  nur  auf  Verwachsungen! 
Ich  erinnere  mich,  dass  ich  in  meiner  Anfangstätigkeit  auf  dem 
Gebiete  der  chirurgischen  Behandlung  der  Cholelithiasis  oft 
erstaunt  war,  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  in  der  Gallenblase 
keine  Steine  zu  fühlen,  obgleich  alle  Symptome  auf  diese  hin- 
wiesen. Erst  als  ich^  lernte,  dass  nur  nach  Entfernung  der 
Flüssigkeit  aus  der  Gallenblase  es  uns  möglich  wird,  die  Con- 
cremente nachzuweisen ,  gewöhnte  ich  mich  daran  in  jedem 
Fall  die  Gallenblase  zu  eröffnen  und  zu  entleeren.  Wie  oft 
fühlte  ich  dann  erst  im  Hals  der  Gallenblase  oder  im  Cysticus 
den  vermuteten  Stein!  Ich  habe  jüngst  einen  Herrn  operiert, 
bei  dem  ein  anderer  Chirurg  einige  Jahre  vorher  eine  Gallen- 
steinoperation gemacht  hatte:  aber  er  fand,  wie  er  mir  schrieb, 
keine  Steine.  Trotzdem  gingen  kurze  Zeit  darauf  häufig  unter 
Ikterus  und  Koliken  solche  ab.  Als  ich  Anfang  dieses  Jahres 
eine  zweite  Laparotomie  an  dem  Kranken  ausführte,  fühlte  ich 
vor  der  Eröffnung  der  Gallenblase,  die  stark  gefüllt  war, 
auch   keine  Cholelithen.    Als  ich   aber    den    Gallenblaseninhalt 


—     410     — 

aspiriert  hatte,  fand  ich  viele  Steine  im  Hals  der  Gallenblase 
und  im  Cysticus.  Ich  bin  weit  davon  entfernt,  dem  ersten 
Operateur  vorzuwerfen,  dass  er  die  Steine  übersehen  hat,  und  es 
ist  ja  nicht  unmöglich,  dass  diese  sich  erst  später  nach  der  ersten 
Operation  neugebildet  haben.  Aber  wahrscheinlicher  ist  es  doch, 
dass  schon  bei  der  ersten  Operation  Cholelithiasis  bestand,  der 
Operateur  aber  die  Steine  nicht  fühlte,  weil  er  die  Gallenblase  resp. 
den  Cysticus  aufzuschneiden  versäumte.  Jedenfalls  setzt  die 
Annahme  des  echten  Recidivs  voraus,  dass  die  erste  Operation 
vollständig  und  gründlich  war.  Da  nun  die  bis  vor  kurzem  ge- 
bräuchlichen Methoden,  besonders  die  Cystostomie  keine  Gewähr 
dafür  bieten,  dass  die  Entfernung  aller  Steine  gelungen  ist,  so 
wird  bei  den  meisten  Fällen,  bei  welchem  eine  zweite  Operation 
Konkremente  aufdeckte,  die  Annahme  die  richtigere  sein,  dass 
es  sich  um  zurückgelassene  und  nicht  um  neu  gewachsene 
Steine  handelt.*)  Wo  ich  dagegen  mit  voller  Gewissheit  wusste, 
dass  kein  Stein  zurückgeblieben  war  —  und  nach  einer  Cystec- 
tomie,  kombiniert  mit  der  Hepaticusdrainage  kann  man  das 
fast  sicher  annehmen  -- ,  entpuppten  sich  die  nach  der  Operation 
eintretenden  Beschwerden  als  unechte,  meist  auf  Adhäsionen 
beruhende  ßecidive. 

Schon  aus  diesen  kurzen  Bemerkungen  ersieht  man,  dass 
es  recht  schwierig  ist,  den  Nachweis  eines  echten  Recidivs  mit 
voller  Bestimmtheit  zu  führen,  und  leicht  kann,  man,  wenn  man 
sich  nicht  der  grössten  Objektivität  befleissigt,  in  Versuchung 
kommen,  ein  unechtes  Recidiv  da  vorzuschützen,  wo  in  der  Tat 
ein  echtes  vorliegt.  Ich  habe  aber  wirklich  gar  keine  Veran- 
lassung, solche  Ausflüchte  zu  machen;  denn  zwei  oder  drei 
echte  Recidive  würden  bei  meinen  zahlreichen  Gallensteinlaparo- 
tomien  keine  grosse  Rolle  spielen,  jedenfalls  keinen  verständi- 
gen Arzt  bestimmen,  auf  die  Segnungen  der  Gallensteinchirurgie 
Verzicht  zu  leisten.  Schliesslich  bin  ich  der  Ansicht,  dass  wir 
uns  nicht  zu  schämen  brauchen,  wenn  wirklich  einmal  die 
Steine  wieder  wachsen  sollten.    Ich  leugne  doch  nicht,  dass  wir 


*)  Anfang  November  d.  J.  operierte  ich  einen  Herrn,  bei  dem 
ein  sehr  gewiegter  Chirurg  zwar  2  walnussgrosse  Steine  aus  der 
Gallenblase  entfernte,  den  dritten  ebenfalls  walnussgrossen  Stein  — 
den  Hauptattentäter  —  aber  im  Choledochus  zurUekliess.  Wer  keine 
grosse  Übung  im  Abtasten  des  Choledochus  hat,  dem  kann  ein  solches 
Missgeschick  leicht  passieren.  — 


—     411     — 

Steine  bei  unseren  Operationen  zurück  lassen,  ja  ich  bekenne, 
dass  das  in  ca.  4"/o  meiner  Operationen  der  Fall  war,  und 
Jeder  wird  mir  zugeben,  dass  daraus  schon  eher  ein  Vorwurf 
gemacht  werden  könnte.  Warum  sollten  wir  also  ein  Vorkomm- 
nis in  Abrede  stellen,  an  welchem  wir  völlig  unschuldig  sind  ? 
Wenn  wir  wegen  Nephrolithiasis  eine  Niere  aufschneiden  oder 
aus  der  Harnblase  einen  Stein  entfernen,  —  und  Niemand  wird 
die  Notwendigkeit  solcher  Operationen  in  bestimmten  Fällen  in 
Abrede  stellen!  —  so  verlangt  doch  kein  Mensch,  dass  wir  durch 
unsere  chirurgischen  Eingriffe  einer  Neubildung  von  Steinen 
auf  ewig  vorbeugen.  Was  aber  für  die  Lithiasis  der  Harnwege 
billig  ist,  ist  für  die  der  Gallenwege  recht!  Unsere  Macht  geht 
eben  nicht  so  weit,  dass  wir  unter  allen  Umständen  ein  Wieder- 
wachsen der  Steine  verhüten  können,  und  es  ist  unbillig,  vom 
Chirurgen  zu  verlangen,  dass  er  in  allen  Fällen  ideale  Erfolge 
erzielt  und  unter  allen  Umständen  einer  erneuten  Steinbildung 
vorbeugt.  Uns  Chirurgen  fällt  es  doch  gar  nicht  ein,  von  einer 
Karlsbader  Kur  eine  vollständige  Restitutio  ad  integrum  zu  fordern. 
Wir  sind  zufrieden,  wenn  das  Leiden  auf  einige  Zeit  latent  wird 
und  die  Anfälle  nicht  allzu  häufig  wiederkehren  und  sich 
al)schwächen.  Der  innere  Arzt  kann  von  uns  Chirurgen  nur 
verlangen,  dass  wir  sämtliche  vorhandenen  Steine  entfernen  und 
die  Durchgängigkeit  der  Gallengänge  wieder  herstellen.  Weitere 
Anforderungen  müssen  wir  auf  das  Entschiedenste  ablehnen, 
und  es  ist  mehr  S^che  der  inneren  Medizin,  nach  erfolgter 
C)peration  dafür  zu  sorgen,  dass  keine  neuen  Steine  sich  wieder 
bilden.  Aus  diesem  Grunde  schicke  ich  meine  Patienten  nach 
der  Operation  gern  aach  Karlsbad,  denn  Körperbewegung, 
Entlastung  des  Pfortadersystems,  gründliche  Reinigung  des 
Darmes,  Beseitigung  der  entzündlichen  Vorgänge  in  den  Gallen- 
wegen sind  die  besten  Mittel,  um  die  Tendenz  zur  Steinbildung 
zu  beseitigen.  Aber  auch  dem  Karlsbader  Sprudel  gelingt  es 
nicht  immer,  die  auf  ihn  gesetzten  Hoffnungen  und  Erwartungen 
zu  erfüllen. 

Es  gab  eine  Zeit,  in  der  ich  gern  bei  Wiederauftreten  von 
Beschwerden  an  wieder  gewachsene  Steine  glaubte  und  den 
Kranken  so  lange  zuredete,  bis  sie  sich  einer  Relaparotomie 
unterwarfen.  Gerade  diese  Fälle  haben  mir  die  Gewissheit 
geschenkt,  dass  ein  Recidiv  zu  den  grössten  Seltenheiten  ge- 
hören muss;   was  ich  bei  solchen  Nachoperationen  fand,  waren 


—     412     — 

keine  Steine,  sondern  entzündliche  Prozesse  in  der  Gallenblase 
oder  Abknickung  des  Cysticus  durch  Verwachsungen,  patholo- 
gische V^orgänge,  deren  Bedeutung  bei  der  Besprechung  der 
unechten  Recidive  erörtert  werden  soll. 

Jedenfalls  ist  die  Furcht  mancher  Ärzte  und  vieler  Kranken 
vor  einem  Wiederwachsen  der  Steine  nach  Operationen  theoretisch 
zwar  begründet,  durch  die  praktischen  Erfahrungen  bisher  aber 
gegenstandslos.  Auch  Riedel  ist  ganz  meiner  Ansicht,  wenn  er 
sagt  (Penzoldt  und  Stintzing):  „Recidive  von  Gallensteinen 
habe  ich  noch  nicht  gesehen ;  der  Theorie  nach  sind  Recidive 
ja  nicht  ausgeschlossen,  in  praxi  fehlen  sie;  die  Gallenblase 
wird  eben  durch  die  Drainage  gesund  und  verliert  die  Neigung 
zur  Steinbildung." 

Auch  in  den  „Grenzgebieten"  hebt  Riedel  nachdrücklich 
hervor,  dass  er  bisher  kein  echtes  Recidiv  gesehen  habe.  Er 
sagt  dort  Folgendes:  „Es  ist  nicht  im  Interesse  der  Kranken, 
immer  wieder  von  der  Gefahr  des  Recidivs  von  Steinen  zu 
sprechen.  Wo  sind  in  praxi  die  Recidive,  wenn  der  Gallen- 
steinkranke nach  Entfernung  der  Steine  richtig  behandelt,  d.  h. 
die  Gallenblase  so  lange  drainiert  wird,  bis  sie  gesund  ist  und 
bis  jeder  etwa  versehentlich  zurückgebliebene  Stein  entfernt  ist? 
Seit  12  Jahren  operiere  ich  Gallensteine,  bis  jetzt  sah  ich  noch 
keinen  Fall  von  Recidiv. 

Wohl  aber  kenne  ich  Komplikationen  des  Gallenstein- 
leidens, die  als  Recidiv  gedeutet  werden  können,  aber  keine 
Recidive  sind. 

Es  handelt  öich  in  erster  Linie  um  unvollständige  und 
zwar  um  notwendigerweise  unvollständig  ausgeführte  Operationen. 
Wenn  gleichzeitig  grosse  Steine  in  der  vereiterten,  mit  den 
umgebenden  Organen  verwachsenen  Gallenblase  und  kleinere 
oder  grössere  im  Duct.  choled.  stecken,  so  bleibt  eben  nichts 
anderes  übrig,  als  zunächst  die  grossen  Steine  aus  der  ver- 
eiterten Gallenblase  zu  ziehen,  die  im  Duct.  choled.  befindlichen 
stecken  zu  lassen,  weil  man  doch  absolut  die  Adhäsionen  in 
diesen  Fällen  nicht  lösen  darf.  Entschliesst  sich  dann  der 
Kranke  später  nicht  zur  Choledochotomie  oder  ist  letztere 
bei  Verdacht  auf  kleine  Steine  kontraindiciert,  so  kann  daraus 
bei  neuen  Attacken  von  Gallensteinkolik  der  allerschönste  Fall 
von  Recidiv  nach  Gallensteinoperation  konstruiert  werden;  es 
handelt  sich  aber  gar  nicht  um  ein  Recidiv,  sondern  um  Steine, 


—     413     — 

die  bei  der  ersten  Operation  notwendigerweise  stecken  bleiben 
mussten. 

Weiter:  Extrahiert  man  bei  obliteriertem  Duct.  cyst.  Steine 
aus  der  Gallenblase  und  schliesst  sich  sodann  die  Schleimfistel 
nach  einiger  Zeit,  so  dass  ein  Hydrops  vesicae  felleae  ohne 
Steine  restiert,  so  entwickeln  sich  auch  in  einem  solchen 
Hydrops  gelegentlich  Attacken  leichteren  Charakters,  weil  ein 
so  vollständig  abgeschlossener  Hydrops  doch  auch  ein  Fremd- 
körper ist;  diese  Attacken  können  als  Symptome  eines  Kezidivs 
von  Gallensteinen  gedeutet  werden,  obwohl  letztere  fehlen. 

Vereinzelt  kommt  es  auch  vor,  dass  restierende  Adhäsionen  — 
bei  eitrigen  Prozessen  in  der  Gallenblase  dürfen  dieselben  selbst- 
verständlich nicht  gelöst  werden  —  Schmerzattacken  hervor- 
rufen, die  gar  nicht  von  Gallensteinkoliken  zu  unterscheiden 
sind.  Alles  dieses  kommt  vor,  aber  nur  ausnahmsweise;  jeden- 
falls handelt  es  sich  dabei  um  kein   Rezidiv  von  Gallensteinen. 

Würde  aber  jemals  ein  Rezidiv  eintreten,  so  wäre  ja  die 
mit  der  vorderen  Bauchwand  verwachsene  Gallenblase  so  leicht 
zu  eröffnen,  und  zwar  extraperitoneal,  dass  überhaupt  von  Ge- 
fuhr keine  Rede  sein  könnte;  nötig  habe  ich  allerdings  diesen 
Eingriff  bis  jetzt  nicht  gehabt,  weil  die  von  mir  operierten 
Kranken  frei  von  Rezidiv  blieben." 

Ausser  Riedel  hat  Petersen  an  der  Hand  von  96  Ope- 
rationen gezeigt,  dass  echte  Rezidive  zu  den  grössten  Selten- 
heiten gehören.  Fall  44  seiner  Statistik  rezidivierte  wieder, 
doch  bin  ich  mehr  geneigt,  ein  unechtes  als  ein  echtes  Rezidiv 
anzunehmen,  weil  bei  der  Kleinheit  der  caviarähnlichen  Steine 
ein  Übersehen  leicht  möglich  war.  Löbker  erw^ähnt  ebenfalls 
nichts  von  einem  Wiederwachsen  der  Steine. 

Als  ich  im  Jahre  1896  auf  dem  Chirurgen-Kongress  einen 
Vortrag  hielt:  „Ein  Rückblick  auf  209  Gallensteinlaparotomien 
mit  besonderer  Berücksichtigung  gewisser  anderweitig  selten 
beobachteter  Schwierigkeiten  bei  29  Choledochotomien",  machte 
Körte  bei  der  Diskussion  im  Hinblick  auf  das  Rezidiv  nach 
Gallensteinoperationen  einige  Bemerkungen,  welche  verdienen, 
wiederholt  zu  werden: 

„Dann,  glaube  ich,  müssen  wir  einen  Punkt  einmal  zur 
Sprache  bringen,  wenn  uns  die  inneren  Mediziner  nicht  Vorwürfe 
machen  sollen.  Das  ist  die  Frage:  „Können  wir  die  Gallen- 
steinkranken  dauernd    von    ihren   Beschwerden   befreien?"     Da 


—     414     -- 

muss  ich  bekennen,  dass  nach  meinen  Erfahrungen  und  auch 
nach  denen  anderer  Kollegen,  mit  denen  ich  über  den  Punkt 
gesprochen  habe,  in  einem  geringen  Prozentsatz  von  Fällen  ein 
Rezidiv  der  Beschwerden  vorkommt.  —  Ich  möchte  auf  den 
Ausdruck  „Beschwerden'*  insistieren,  ich  will  nicht  sagen:  ein 
Rezidiv  der  Steine,  denn  das  ist  eine  ausserordentlich  schwierige 
Frage. 

Wir  wissen  über  die  Art  der  Bildung  der  Gallensteine  noch 
recht  wenig  und  so  gut  wie  gar  nichts  über  die  Zeit,  die  sie  zu 
ihrer  Entstehung  brauchen.  Es  ist  daher,  wenn  wir  nach  Ent- 
fernung von  Gallensteinen  später  neue  Konkremente  antreffen, 
schwer  zu  sagen:  Sind  diese  erst  nach  der  Operation  neu  ent- 
standen oder  sind  sie  übersehen  worden,  weil  sie  an  unzugäng- 
licher Stelle  lagerten,  oder  sind  sie  aus  den  Lebergallengängen 
nachgerückt?  Alle  diese  Möglichkeiten  können  zutreffen.  Nach 
unseren  Erfahrungen  an  den  Konkrementbildungen  in  anderen 
Organen  (Nierenbecken,  Blase)  müssen  wir  die  „Möglichkeit" 
erneuter  Konkrementbildung  jedenfalls  zugeben. 

Ein  fernerer  Grund  für  das  Wiederauftreten  von  Beschwerden 
nach  der  Operation  kann  liegen  in  dem  Entstehen  von  Ver- 
wachsungen in  dem  Operationsgebiete. 

Ich  glaube,  gegen  diese  Verwachsungen  sind  wir  vorläufig 
ziemlich  machtlos;  denn  wenn  wir  von  neuem  operieren  und 
diese  flächenhaften  Adhäsionen  trennen,  dann  gibt  es  ganz  sicher 
wieder  flächenhafte  Verwachsungen.  Wir  haben  noch  kein  Mittel, 
in  der  Bauchhöhle  die  Verklebung  seröser  Flächen  zu  hindern. 
Mit  strangförmigen  Verwachsungen  ist  es  etwas  anderes.  Die 
können  wir  trennen  und  dadurch  bedingte  Beschwerden  heilen. 
Ferner  können  Magen-  und  Duodenal-Katarrhe,  die  so  oft  mit 
Gallensteinleiden  verbunden  sind  und  vielleicht  auch  bei  der 
Aetiologie  eine  Rolle  mitspielen,  nach  geschehener  Entfernung 
der  Gallensteine  von  neuem  auftreten  und  Beschwerden  ver- 
ursachen, die  denen  der  Gallensteine  ähnlich  sind.  Ich  habe 
zwei-  oder  dreimal  Kranke,  die  geraume  Zeit  nach  Gallenstein- 
operationen wiederkamen  mit  der  Angabe,  sie  hätten  wieder  die 
früheren  Schmerzen,  in  das  Krankenhaus  aufgenommen  und  habe 
mich  überzeugt,  dass  nach  entsprechender  Behandlung  des  Magens 
die  Beschwerden  völlig  schwanden,  und  dass  von  Seiten  der 
Gallenblase  keine  Beschwerden  mehr  bestanden,  und  auch  keine 
Veränderungen  des  Organes   nachweisbar  waren.     Wir   werden 


—     415     — 

durch  die  Tatsache,  dass  in  einem  geringen  Prozentsatze  von 
Fällen  wieder  Beschwerden  aus  einem  der  angeführten  Gründe 
auftreten,  uns  in  keiner  Weise  beirren  lassen,  in  der  chirurgischen 
Behandlung  der  Cholelithiasis,  die  eine  sehr  segensreiche  Errungen- 
schaft der  Chirurgie  darstellt,  fortzufahren.  Aber  ich  glaube, 
wir  müssen  auf  diesen  Punkt  unsere  Aufmerksamkeit  ganz 
besonders  richten.  Denn  nachdem  die  Indikationen  und  Wege  des 
operativen  Vorgehens  jetzt  ziemlich  klargestellt  sind,  müssen 
wir  darin  weiter  fortzuschreiten  suchen,  dass  wir  das  Auftreten 
von  neuen  Beschwerden,  wenn  möglich,  verhindern.  Wir  müssen 
uns  darüber  klar  sein,  woran  es  liegt;  wie  können  wir  es  even- 
tuell besser  machen?" 

Ich  habe  absichtlich  nicht  nur  meine  Beobachtungen  und 
Erfahrungen,  sondern  auch  die  anderer  Chirurgen  wiedergegeben, 
damit  wir  ein  möglichst  klares  Urteil  über  die  Häufigkeit  echter 
Rezidive  nach  unseren  Gallensteinoperationen  bekommen.  Es 
ist  mir  nach  den  gegebenen  Darlegungen  nicht  recht  klar,  Wo- 
rauf Naunyn  seine  Behauptung  begründen  will,  dass  nach 
vollständig  gelungener  Operation  wieder  Steine  wachsen  können. 
Derartige  Äusserungen  sind  natürlich,  wie  Riedel  ganz  richtig 
sagt,  nicht  im  Interesse  des  Kranken,  weil  dadurch  sich  mancher 
abhalten  lässt,  eine  sehr  notwendige  Operation  an  sich  vornehmen 
zu  lassen. 

Wenn  also  jetzt  ein  Kranker  zu  mir  kommt  mit  dem  Wunsche, 
durch  eine  Operation  von  seinen  Gallensteinen  befreit  zu  werden, 
und  mich  fragt,  ob  die  Steine  auch  wiederwachsen  können,  so 
antworte  ich  ruhig  auf  Grund  meiner  Erfahrungen  nach  bestem 
Wissen  und  Gewissen  auf  diese  Frage  mit  einem  entschiedenen 
„Nein".  Wer  ganz  vorsichtig  zu  Werke  gehen  will,  mag  sagen: 
„Die  Ansicht,  dass  Steine  wieder  wachsen,  ist  theoretisch  wohl 
begründet,  bisher  nur  von  inneren  Ärzten  vertreten  worden, 
während  die  Chirurgen,  die  eine  grosse  Erfahrung  auf  dem  Ge- 
biete der  Gallensteinchirurgie  haben,  ein  richtiges  Rezidiv  noch 
nicht  beobachtet  haben". 

Unsere  Kranken  können  also  sich  in  dem  Punkte  des  Wieder- 
wachsens der  Steine  völlig  beruhigen,  und  unsere  inneren  Kollegen 
sollten  derartige  Vorwürfe  nur  dann  erheben,  wenn  sie  bestimmt 
wissen,  dass  die  erste  Operation  vollständig  war. 

Woher  aber  wollen  sie  das  wissen?  Sie  führen  doch  selbst 
keine  Gallensteinoperationen  aus,  und  durch  das  Zusehen  allein 


—     416     — 

bekommt  man  kein  Urteil,  ob  die  Gänge  völlig  frei  von  Steinen 
sind.  Deshalb  sollten  sie  mit  ihren  Ansichten  in  Bezug  auf  das 
echte  Eezidiv  etwas  zurückhaltender  sein  und  keine  Behauptungen 
aufstellen,  die  sie  nach  meiner  Meinung  unmöglich  beweisen 
können.  *)  —  Wie  Torsichtig  man  in  der  Annahme  eines  echten 
Rezidivs  sein  muss,  mag  folgender  Fall  beweisen.  Ein  angesehener 
Chirurg  hatte  im  Jahre  1895  eine  sehr  nervöse  Frau  cystostomiert 
und  ihr  mehrere  Steine  entfernt.  Die  Gallenblasenfistel  war  in 
6  Wochen  zugeheilt.  Sie  klagte  aber  trotzdem  nach  wie  vor  über 
Koliken,  zumal  ihr  Arzt  der  Meinung  war,  dass  sie  nicht  gründ- 
lich genug  operiert  sei.  Sie  kam  anfangs  1900  zu  mir  mit  der 
Bitte,  unter  allen  Umständen  noch  einmal  operiert  zu  werden. 
Ich  fand  auch  erhebliche  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallen- 
blasengegend und  war  sehr  gespannt,  ob  die  Furcht  der  Patientin 
und  ihres  Hausarztes  begründet  sei,  dass  wieder  Steine  ge- 
wachsen seien.  Ich  fand  aber  weiter  nichts  als  eine  in  Ad- 
häsionen eingebettete,  normalwandige,  helle,  bakterienfreie  Galle 
enthaltende  Gallenblase  und  habe,  um  späteren  Beschwerden 
vorzubeugen,  die  Gallenblase  entfernt  und  den  Hepaticus  drai- 
niert.     Der  Kranken  geht  es  jetzt  gut. 

Noch  mehr  aber  wie  in  den  Köpfen  der  Ärzte  spukt  das 
„Rezidiv"  in  den  Köpfen  der  Operierten. 

Es  ist  geradezu  lächerlich,  was  alles  unter  dem  Namen 
„Rezidiv"  geht,  aber  es  ist  ergötzlich,  bei  diesem  Kapitel  einige 
Augenblicke  zu  verweilen.  Der  trockene  Ton  statistischer  Er- 
hebungen erhält  dadurch  eine  angenehme  Anfrischung. 

Wenn  einmal,  wie  ich  selbst  beobachtet  habe,  ein  Gallen- 
steinoperierter wieder  Magendrücken  nach  Sauerkraut  und  Eis- 
bein oder  Thüringer  Kartoffelklössen  bekommt  und  ihm  die 
Blähungen  stocken,  Migräne  oder  Intercostalneuralgie  sich  ein- 
stellen, so  schiebt  er  das  natürlich  auf  wiedergewachsene  Steine. 
Eine  richtige  Hysterica  behält  oft  ihre  Koliken,  gleichgültig 
ob  man  ihr  die  Gallenblase  erhält  oder  entfernt,  ob  man  den 
Choledochus  verschliesst  oder  den  Hepaticus  drainiert.  Will 
der  Anfänger  in  der  Gallensteinchirurgie  einen  recht  guten 
Erfolg  haben,  so  operiere  er  ja  keine  Hysterica.  Der  Vor- 
wurf, dass  die  Operation  nichts  nützt  resp.  die  Steine  wieder 
wachsen,  bleibt  ihm  sonst  nicht  erspart. 

*)  Vergleiche  auch  deu  weiter  unten  stehenden  Fall  von  Leo 
Kl  em  p  e  r  e  r — Karlsbad. 


—     417     — 

Ich  hörte  jüngst  von  einer  Dame,  der  ich  vor  Jahren 
einen  CVsticnsstein  entfernt  hatte,  dass  sie  wieder  Koliken  mit 
Steinabirang  habe.  Als  ich  sie  später  untersuchte,  konnte  ich 
feststellen,  dass  die  Steine  mit  dem  Urin  abgegangen  waren, 
dass  also  die  durchgemachten  Schmerzen  Nierensteinkoliken 
waren. 

Eine  zweite  Patientin,  die  ich  operiert  habe,  war  so  nervös, 
dass  man  ihre  Schmerzen  im  rechten  Hyj)Ochondrium  wirklich 
einmal  als  „nervöse  Leberkolik"  auffassen  konnte.  Als  ich  aber 
die  Bauchhöhle  eröffnete,  fand  ich  die  entzündete  Gallenblase 
mit  Steinen  vollgepfropft,  den  Choledochus  frei  und  durchgängig. 
Ich  habe  die  Ectomie  ausgeführt,  aber  trotz  tieberfreiem  und 
glattem  Verlauf  behielt  die  Kranke  ihre  Schmerzen  und  hat  sie 
heute  noch.  Soll  man  in  einem  solchen  Falle  von  einem  Rezidiv 
sprechen?  Ich  habe  nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  man 
sagt:  „Auch  die  Operation  hat  nichts  genützt."  Bei  der  hoch- 
gradigen Nervosität  der  Patientin  konnte  ich  von  vornherein 
auf  keinen  glänzenden  Erfolg  rechnen.  Die  Operierte,  die  ich 
im  Auge  habe,  berichtete  mir,  dass  sie  weder  Ikterus  noch 
Steinabgang  beobachtet,  weder  einen  Bruch  noch  eine  Fistel 
habe,  dass  an  der  Operation^sstelle  überhaupt  alles  in  Ordnung  sei, 
—  trotzdem  spricht  man  in  der  Stadt,  in  der  sie  lebt,  von 
einem  „Rezidiv"  ihrer  Krankheit. 

Bricht  nun  gar  einmal  eine  Fistel  wieder  auf,  oder  stösst 
sich  aus  der  Bauchnarbe  ein  Seidenfaden  ab,  so  heisst  es  gleich 
überall:  „Die  Operation  hat  nichts  genützt,  die  Steine  wachsen 

doch  wieder." 

*■ 

Als  ich  im  Jahre  1898  in  Karlsbad  war,  weilte  gerade 
eine  meiner  Choledochotomierten  in  dem  berühmten  Badeort 
zur  Nachkur.  Eines  Tages  zeigte  sich  ein  kleiner  Abscess  in 
der  Bauchnarbe,  welcher  auf  einen  Seidenfaden  zurückzuführen 
war.  Nun  erhob  sich  am  vSprudel  und  Mühlbrunnen  eine  leb- 
hafte Diskussion  über  die  Nachteile  chirurgischer  Therapie  bei 
der  Cholelithiasis,  so  dass  ich  mich  hätte  schämen  müssen,  der 
unglückliche  Operateur  des  viel  besprochenen  Falles  gewesen 
zu  sein.  Als  schon  nach  8  Tagen  die  Fistel  wieder  zugeheilt 
war,  wurde  dieser  glückliche  Ausgang  dem  heissen  Sprudel,  von 
dessen  Heilkraft  bei  Wunden  mir  bis  dahin  nichts  bekannt 
war,  zugeschrieben. 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.    I.  27 


—     418     — 

Schon  in  früheren  Arbeiten  habe  ich  von  Operierten  er- 
zählt, die  glaubten,  ein  Rezidiv  ihrer  Steinkrankheit  zu  haben 
und  bei  denen  die  Untersuchung  für  die  wieder  eingetretenen 
Schmerzen  eine  ganz  andere  Ursache  ergab.  Am  instruktivsten 
in  dieser  Beziehung  sind  jene  Fälle,  bei  welchen  sich  die  üallen- 
steinkrankheit  mit  einem  Magenleiden  oder  einer  Appendicitis 
kombiniert.  Begnügt  man  sich  in  einem  solchen  Falle  mit  der 
Beseitigung  der  Gallensteine,  und  treten  dann  von  selten  des 
Darmes  oder  Magens  wieder  Beschwerden  ein,  so  kann  man 
sicher  sein,  dass  der  Patient  auf  den  Chirurgen  kein  Loblied 
singt,  im  Gegenteil  alle  Schuld  für  die  neuen  Schmerzen  auf 
eine  schlechte  Operation  schiebt.  Ich  habe  es  mir  deshalb  zur 
Regel  gemacht,  etwaige  Magenkomplikationen  sofort  mit  zu 
beseitigen.  Daher  erklären  sich  auch  die  vielen  Pyloroplastiken 
und  Gastroenterostomien,  welche  bei  Gelegenheit  meiner  Gallen- 
steinoperationen zur  Ausführung  kamen.  Erst  jüngst  habe  ich 
einen  Herrn  operiert,  bei  dem  ich  nicht  nur  aus  der  Gallen- 
blase einen  haselnussgrossen  Stein  entfernte,  sondern  auch 
wegen  chronischer  rezidivierender  Appendicitis  den  Wurmfort- 
satz fortnahm  und  wegen  eines  Duodenalulcus  eine  Chole- 
cystenterostomie  und  eine  Gastroenterostomie  in  Verbindung 
mit  der  Braun' sehen  Entero-Enterostomie  ausführte.  Der 
Patient  ist  vollständig  genesen.  (Nr.  159.) 

Das  spassigste  sogen.  Rezidiv  aber,  welches  ich  erlebt 
habe,  betrifft  eine  junge  Frau,  die  erst  kurze  Zeit  verheiratet 
war  und  in  ihre  Ehe  die  fürchterlichsten  Koliken  mitbrachte. 
Ich  befreite  sie  von  denselben  durch  eine  Cystostomie.  Glück- 
lich kehrte  sie  in  die  Arme  ihres  Gatten  zurück,  aber  schon 
3  Monate  später  schrieb  mir  der  Arzt,  dass  ein  Rezidiv  ein- 
getreten sei:  „Die  Patientin  klagt  wieder  über  Magenschmerzen 
und  Kreuzschmerzen,  sie  erbricht  fast  täglich  und  wird  immer 
elender."  Dann  kam  eine  Pause,  und  das  Magendrücken  und 
Erbrechen  hörte  definitiv  auf,  als  6  Monate  später  die  Frau 
ihrem  Manne  einen  kräftigen  Jungen  schenkte.  Seitdem  blieb 
sie  frei  von  Koliken.  Derartige  Rezidive  mögen  häufiger  be- 
obachtet werden.  —  In  der  Tat  könnte  ich  noch  über  manches 
Rezidiv  berichten,  das  den  Leser  in  die  fröhlichste  Stimmung 
versetzen  würde.  Die  Rezidive  sind  aber  oft  mit  so  viel 
Schmerzen  verbunden,  dass  es  nicht  angebracht  ist,  zu  scherzen 
und  zu  spassen,  sondern  dass  man  allen  Grund  hat,  die  Klagen  der 


—     419     — 

Operierten  recht  ernst  zu  nehmen.  —  Ich  tue  das  auch,  und 
ich  habe  niemals  in  Abrede  gestellt,  dass  die  Gallenstein- 
operierten nach  der  Operation  von  den  verschiedenartigsten 
Beschwerden  befallen  werden  können.  Ich  habe  selbst  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  für  die  Patienten  es  gleichgültig 
sein  kann,  ob  die  Beschwerden  als  ,, echte  oder  unechte  Rezidive" 
aufzufassen  sind.  Ein  Operierter  verlangt,  dass  er  überhaupt 
keine  Schmerzen  wieder  bekommt,  denn  zu  diesem  Zwecke 
lässt  er  sich  ja  operieren! 

Wir  erreichen  das  durch  möglichste  Einschränkung  der 
Indikationen  für  die  Operation,  durch  eine  gründliche  Freilegung 
der  Gallengänge,  durch  Einschränkung  der  Cystostomie,  aus- 
giebigen Gebrauch  der  Ectomie  womöglich  in  Verbindung  mit  der 
Hepaticusdrainage  und  Choledochusfege  und  durch  manche  Mass- 
nahmen, die  bereits  in  den  vorausgehenden  Kapiteln  erörtert  wurden. 

Trotzdem  werden  wir  Rezidive  erleben,  und  ich  hatte  des- 
halb schon  oft  Gelegenheit,  über  solche  zu  berichten.  Meine 
erste  Umfrage  bei  meinen  ersten  400  Operierten  im  Jahre  1900 
führte  zu  folgenden  Ergebnissen: 

1.  Steine  hatte  ich  in  4*^/0  der  Fälle  zurückgelassen. 

2.  Hernien  entstanden  in  7  °/o. 

3.  Adhäsionskoliken  hatte  ich  in  11  "/o  und 

4.  Entzündungskoliken  in  6  "/o  beobachtet. 

Nicht  jeder  Arzt  wird  meinen  damaligen  Vortrag  vom 
Chirurgen-Kongress  j^elesen  haben,  so  dass  ich  hier  eine  Erklärung 
abgeben  muss,  was  ich  unter  Adhäsions-  und  Entzündungskoliken 
verstehe. 

Durch  unsere  zaWreichen  Operationen  haben  wir  die  Tat- 
sache feststellen  können ,  dass  auch  ohne  Anwesenheit  von 
Steinen  durch  entzündliche  Prozesse  in  der  Gallenblase  und 
durch  Zerrung  der  Adhäsionen  besonders  am  Ductus  cysticus 
kolikähnliche  Zustände  entstehen  können.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
dass  also  ein  Chirurg,  der  besonders  die  Cystostomie,  die  Fistel- 
bildung kultiviert,  mehr  Entzündungs-  und  Adhäsionskoliken 
post  op.  beobachten  wird,  wie  einer,  der  die  Ectomie  vorzieht. 
In  der  Tat  hatte  ich  bei  den  ersten  400  Operierten  in  17"/o, 
bei  den  letzten  500  —  wie  wir  nachher  sehen  werden  —  nur 
in  ö^jo  Adhäsions-  und  Entzündungskoliken  beobachtet,  weil 
ich  in  den  letzten  Jahren  die  Cystostomie  zugunsten  der  Ectomie 
eingeschränkt  habe.  — 

27* 


—     420     — 

Auf  eine  Art  Rezidiv  habe  ich  schon  in  der  speziellen 
Technik  hingewiesen:  auf  das  sog.  Fadenrezidiv.  (Nr.  07.) 
Ich  habe  es  sechsmal  beobachtet.  Früher  schnitt  ich  die 
Fäden,  welche  die  Gallenblase  an  die  Bauchwand  fixierten,  kurz 
ab,  ebenso  verfuhr  ich  mit  der  Abschliessungssutur  des  Ductus 
cysticus.  Wenn  aber  solche  Fäden  in  die  Gallenblase  oder  in  den 
Ductus  choledochus  sich  abstossen,  so  kommt  es,  wenn  die  Ent- 
zündung noch  nicht  ganz  erloschen  ist,  zu  einer  erneuten 
Inkrustation,  zu  einem  Rezidiv.  Einmal  habe  ich  sogar  be- 
obachtet, dass  ein  grösserer  „Gazefussel"  sich  in  den  Chole- 
dochus abgestossen  und  sich  hier  inkrustiert  hatte.  (Nr,  147.)  Man 
muss  also  dafür  sorgen,  dass  die  Gaze  nicht  fusselt  (siehe  die  Vor- 
bereitungen), und  muss  die  Faden  lang  lassen  und  nachträglich 
in  toto  entfernen.  Seitdem  ich  dies  tue,  sind  die  Fadenrezidive 
weggefallen. 

Waren  also  die  Dauerresultate  bei  den  ersten  400  Ope- 
rierten schon  recht  zufriedenstellend,  so  hat  eine  Nachfrage  bei 
den  letzten  500  Operierten  im  Februar  1904  ergeben,  dass  in 
jeder  Beziehung  eine  wesentliche  Besserung  meiner  Dauer- 
erfolge zu  verzeichnen  ist. 

Von  meinen  letzten  500  Gallensteinlaparotomien  lasse  ich 
die  letzten  50  unberücksichtigt,  da  die  Beobachtungszeit  zu  kurz 
ist,  um  ein  gültiges  Urteil  über  den  schliesslichen  Erfolg  zu  ge- 
winnen. Ich  berücksichtige  nur  450  Fälle.  Davon  starben  in  der 
Klinik  72  =  16  "/o  (davon  13  ^jo  an  komplizierendem  Carcinom, 
Cholangitis  etc.,  nur  3''/o  an  der  eigentlichen  Gallensteinoperation}. 
Nachträglich  d.  h.  nach  der  Entlassung  aus  der  Klinik  starben 
noch  21,  fast  sämtlich  an  Carcinom,  2  an  Tuberculosis  pul- 
monum, 1  an  Apoplexie,  1  an  Suicidium  etc.  Es  blieben  also 
übrig  357  Operierte.  An  diese  schickte  ich  Fragebogen  und 
erbat  mir  über  folgende  Punkte  Aufklärung: 

1.  Wie  ist  Ihr  jetziges  Befinden? 

2.  Haben  Sie  wieder  einmal  Koliken  wie  vor  der 
Operation  gehabt?  Oder  Darm-  und  Magenschmerzen?  Wie  oft, 
seit  wann?  Wo  sassen  die  Schmerzen?  Bitte  um  genaue  Be- 
schreibung derselben. 

3.  Haben  Sie  in  der  Narbe  eine  Fistel?  a)  Schleinifistel. 
b)  Gallenfistel.     Stört  Sie  diese  Fistel? 

4.  Haben  Sie  einmal  Gelbsucht  gehabt,  wie  lange,  mit  oder 
ohne  Schmerzen? 


—     421     — 

5.  Haben  Sie  einen  Bruch  in  der  Narbe?  Ist  die  Narbe 
fest  oder  weich,  buchtet  sie  sich  beim  Husten  vor?  Haben  Sie 
dadurch  Beschwerden  und  welche?  Tragen  Sie  eine  Leibbinde 
und  welche? 

6.  Sind  einmal  Steine  nach  der  Operation  abgegangen? 
Wie  gross,  wie  oft?  (Bitte  die  Steine,  wenn  vorhanden,  ein- 
senden!) Wie  sahen  sie  aus?  Hat  sie  der  Arzt  als  Gallen- 
steine anerkannt? 

7.  AVas  haben  Sie  sonst  zu  bemerken  ?  (Appetit,  Verdauung, 
Gewichtszunahme,  Geburten  etc.) 

8.  Da  ich  grossen  Wert  auf  das  Urteil  Ihres  Hausarztes 
lege,  wäre  ich  ihm  dankbar,  wenn  dieser  hier  seine  Meinung 
äusserte. 

Nur  in  7  Fällen  erhielt  ich  keine  Antwort,  während  350 
genaue  Antwort  gaben. 

Ich  konnte  in  der  Hauptsache  folgendes  feststellen  : 

1.  Steine  habe  ich  9  mal  zurückgelassen,  also  in  2,5  "/o 
der  Fälle,  und  zwar  musste  ich  bewusst  5  mal  Steine  zurück- 
lassen, da  die  Verhältnisse  an  den  Gallen  wegen  so  kompliziert 
waren,  dass  ich  die  Operation  nicht  so  gründlich  ausführen 
konnte,  als  ich  selbst  gewünscht  hätte.  p]nt weder  war  die  Nar- 
kose mangelhaft,  oder  die  Gallengänge  lagen  so  tief,  dass  eine 
Ausräumung  des  Hepaticus  und  Choledochus  technisch  geradezu 
unmöglich  war.  In  einem  kleinen  Prozentsatz  der  Fälle  kommt 
man  trotz  aller  Übu;ig  und  Erfahrung  nicht  an  das  gewünschte 
Ziel,  d.  h.  man  muss  Steine  zurücklassen,  wenn  man  nicht  das 
Leben  des  Patienten  aufs  Spiel  setzen  will. 

ünbewusst  habe  »-ich  4 mal  Steine  zurückgelassen,  und 
zwar  immer  im  Choledochus  und  Hepaticus,  da  die  Symptome 
und  der  Befund  ein  Freisein  der  Gallengänge  erwarten  Hessen, 
während,  wie  der  Verlauf  bewies,  das  nicht  der  Fall  war.  3mal 
sind  nachträglich  Steine  abgegangen,  und  seitdem  fühlen  sich 
die  Kranken  wohl   und   scheinen   in  der  Tat  endgültig  geheilt. 

In  einem  Falle  (Nr.  US)  habe  ich  noch  einmal  operiert.  Hier 
hatte  ich  ein  Jahr  vorher  eine  Hepaticusdrainage  bei  zahlreichen 
Steinen  im  Choledochus  ausgeführt  und  dabei  ein  grosses  Kon- 
krement unfreiwillig  zertrümmert.  Es  blieb  einer  der  Trümmer 
zurück,  inkrustierte  sich  und  wuchs  und  verlegte  die  Papilla 
duodeni.  Ich  machte  eine  neue  Hepaticusdrainage,  entfernte 
den  Stein  und  hoffe  den  Kranken  nun  definitiv  geheilt  zu  haben. 


422     — 

Ein   Wiederwachsen    der    Steine    habe    ich  bisher  —  bei  1000 
Operationen  —  noch  nicht  beobachtet ! 

2.  Von  den  350  Operierten  haben  nur  je  einer  eine  Schleim- 
und eine  Gallenfistel.  In  dem  ersteren  Fall  Hess  ich  bewusst 
den  Stein  im  Cysticus  zurück,  da  bei  der  grossen  Tiefe  des 
Cysticus  eine  direlite  Incision  technisch  sehr  schwer  gewesen 
wäre.  Patient,  ein  Offizier,  ist  aber  ganz  wohl,  tut  völlig 
seinen  Dienst  und  ist  mit  dem  Ausgang  der  Operation  sehr 
zufrieden.  (Nr.  73,)  Die  Gallenfistel  entstand  nach  einer  Hepaticus- 
drainage  bei  vielen  Steinen  im  Choledochus.  Patient,  bei  dem 
während  der  Nachbehandlung  zahlreiche  Konkremente  aus  den 
Gallengängen  herausgespült  wurden,  verlor  leider  die  Geduld 
und  verliess  die  Klinik,  ehe  ich  darüber  klar  war,  ob  der 
Choledochus  völlig  frei  sei.     (Nr.  153,) 

.  3.  Hernien  kamen  nur  11  mal  zur  Beobachtung,  also  in 
3  "/o,  und  immer  nur  dann,  wenn  bei  ausgedehnter  Eiterung 
sehr  reichlich  tamponiert  werden  musste  und  die  Patienten 
nach  der  Operation  sehr  bald  wieder  schwere  Arbeit  verrich- 
teten. Aus  dem  letzten  Grunde  herrschen  die  Hernien  bei 
den  Männern  vor.  In  keinem  Falle  sind  aber  die  Beschwerden, 
die  die  Hernien  verursachen,  derartig,  dass  eine  Radikaloperation 
der  Hernien  indiziert  wäre. 

4.  Adhäsionskoliken  sind  in  12  Fällen  und  Entzündungs- 
koliken *)  in  5  Fällen  beobachtet  worden.  Bei  diesen  17  Fällen 
wurde  5  mal  die  Appendix  coeci  entfernt,  wurden  3  Pyloro- 
plastiken  und  2  Gastroenterostomien  ausgeführt,  und  Imal  bestand 
eine  hochgradige  Hepatoptose.  Über  die  Ursache  der  Adhäsions- 
beschwerden werden  wir  in  diesen  Fällen  also  niemals  ins 
klare  kommen.  In  3  Fällen  stellten  sich  die  zuerst  als  Galleu- 
koliken gedeuteten  Schmerzen  als  Nierenkoliken  heraus  (Stein- 
abgang, Blut  im  Urin),  und  es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass 
Gallensteinkranke  auch  zur  Nephrolithiasis  neigen. 

Von  den  350  Operierten  hatten  also  nur  39  Grund  zur 
Klage,  also  \l  ^jo,  während  89 "/o  völlig  geheilt  wurden  und 
den  Erfolg  der  Operation  gar  nicht  genug  rühmen  konnten. 


*)  Aus  welchen  Beschwerden  und  Zeichen  ich  Adhäsions-  und 
Entzündungskoliken  diagnostiziere,  habe  ich  in  meinem  Vortrag  auf 
dem  29.  Chirurgenkongress  auseinandergesetzt.  (Siehe  Arch.  f.  klin. 
Chir.,  61.  Bd.,  2.  Heft.) 


—     423     — 

Die  allermeisten  konnten  meine  Bitte,  „der  Hausarzt  möge 
sein  Urteil  über  den  Erfolg-  der  Operation  abgeben,*^  nicht  er- 
füllen, „da  sie  seit  der  Operation  einen  Arzt  nicht  mehr  nötig 
gehabt  hätten".  Es  war  für  mich  eine  grosse  Freude,  die  aus- 
gefüllten Fragebogen  zu  studieren  und  über  meine  Erfolge  eine 
Zusammenstellung  zu  machen. 

Gegen  früher  ist  eine  wesentliche  Besserung  eingetreten, 
denn  statt  in  4*^/0  der  Fälle  Hess  ich  nur  in  2,5  ^'/o  Steine 
zurück,  Hernien  hatte  ich  früher  7%,  jetzt  3  °/o,  Adhäsions- 
und Entzündungskoliken  statt  in  17  °/o  nur  in  5  "/o.  Die  sehr 
auffallende  Besserung  hat  verschiedene  Gründe.  Erstens  war 
ich  imstande,  mit  wachsender  Übung  und  Erfahrung  die  Operation 
schneller  zu  beendigen  wie  früher,  und  dann  setzte  ich  an  Stelle 
der  Cystostomie  häufiger  die  Ectomie,  wodurch  die  Adhäsions- 
und EntzündungsSoliken  seltener  wurden,  und  drittens  übte  ich 
statt  der  Choledochotomie  mit  Naht  die  Hepaticusdrainage, 
wodurch  statt  15— 20  "/o  zurückgelassene  Steine  nur  noch  2 '^/o 
beobachtet  wurden. 

So  fordern  also  nicht  nur  die  augenblicklichen  Erfolge  der 
Gallensteinoperation  (mit  nur  3%  Sterblichkeit  in  Fällen,  die 
frei  von  Carcinom  und  Cholangitis  sind)  zu  einer  Verallgemei- 
nerung der  chirurgischen  Therapie  beim  Gallensteinleiden  auf, 
sondern  auch  die  Dauererfolge,  die  in  ca.  90*^/o  den  Kranken 
w^ieder  völlig  gesund  und  arbeitsfähig  machen. 

Ein  Kollege  hielt  zwar  „den  Wert  der  Statistik  nicht  für 
so  bedeutend,  dass  sie  die  Wissenschaft  gerade  in  der  Gallenstein- 
frage so  sehr  bereichern  könnte",  gab  aber  zu,  „dass  sie  für  den 
einzelnen  Arzt  zu  seiner  Orientierung  und  zu  seiner  eigenen 
Kontrolle,  aber  auch  nur  dazu,  unentbehrlich  sei'^.  Demnach 
könnte  ich  die  von  mir  angestellten  Erhebungen  für  mich  be- 
halten und  brauchte  sie  nicht  zur  Kenntnis  aller  Arzte  zu 
bringen.  Ich  glaube  aber  nicht,  dass  die  Ansicht  des  betreifen- 
den Kollegen  von  vielen  gebilligt  wird.  Nach  meiner  unmass- 
geblichen Meinung  müssen  alle  Ärzte  wissen,  welche  Dauer- 
erfolge die  Gallensteinchirurgie  aufzuweisen  hat,  damit  sie  sich 
selbst  ein  Urteil  über  die  Güte  des  chirurgischen  Eingriffs 
beim  Gallensteinleiden  bilden  können.  Hätte  ich  10  "/o  echte 
Rezidive,  20 "/o  Hernien  und  30 "/o  Entzündungskoliken,  so 
würde  ich  es  keinem  Arzt  verdenken,  wenn  er  weiterhin  davon 
absieht,    seine  Gallensteinkranken   zum  Chirurgen  zu   schicken, 


—     424     — 

aber  bei  den  oben  mitgeteilten  Resultaten  wird  mancher,  der 
bisher  von  der  Operation  bei  der  Cholelithiasis  nichts  wissen 
wollte,  seine  Zurückhaltung  aufgeben,  der  Gegner  der  Ope- 
ration muss  ihr  Anhänger  werden  und  wird  bei  den  vortreff- 
lichen Resultaten  der  Gallensteinchirurgie  die  Operation  öfter 
empfehlen  als  bisher. 

Bei  der  Beurteilung  der  Dauererfolge  muss  man  sich  bewusst 
sein,  dass  jede  Laparotomie,  gleichgiltig,  ob  wir  sie  wegen 
Leber-,  Magen-  oder  Darmkrankheiten  vornehmen,  von  gewissen 
Störungen  gefolgt  ist,  die  wir  überhaupt  nicht  aus  der  Welt 
schaffen  können.  Unserer  Operation  folgen  eine  Narbe  und  oft 
Verwachsungen.  Die  Narbe  schmerzt  zuweilen  bei  Witterungs- 
wechsel genau  wie  ein  gut  geheilter  Knochenbruch  noch  lange  Zeit. 
In  der  Narbe  kann  sich  ein  Bruch  entwickeln  und  Störungen 
verursachen;  wie  oft  das  geschieht,  haben  wir  oben  gesehen. 
(3-7%.) 

Nächst  der  Hernie  fürchtet  der  Bauchchirurg  .am  meisten 
die  Verwachsungen,  und  man  kann  sagen,  dass  die  Adhäsions- 
bildung in  der  Bauchhöhle  der  grösste  Gegner  der  Bauch - 
Chirurgie  ist.  Die  Adhäsionsbeschwerden  kommen,  wie  icli  bereits 
oben  bemerkte,  besonders  nach  Cystostomie  vor  und  beeinträch- 
tigen nicht  selten  den  guten  Erfolg  der  sonst  gelungenen 
Operation. 

Auffallend  gross  ist  unter  den  Gallensteinbehafteten  die 
Zahl  der  Hysterischen.  Manche  von  diesen  werden  durch  die 
Operation  gesund,  bei  vielen  nützt  der  Eingriff  gar  nichts, 
scheint  sogar  die  hysterischen  Beschwerden  in  erhöhtem  Masse 
zurückkehren  zu  lassen. 

Schliesslich  bedenke  man  noch  eins.  Wenn  ein  von  seinen 
Gallensteinen  durch  Operation  Befreiter  einmal  Appendicitis 
bekommt  oder  sonst  ganz  unschuldige  Darmkoliken,  oder  wenn 
er  sich  nur  den  Magen  verdirbt,  dann  fürchtet  er  sofort  die 
Wiederkehr  seiner  alten  Koliken  und  ist  gerne  geneigt,  derartige 
Beschwerden,  die  ja  gar  nichts  mehr  mit  dem  alten  Leiden  zu 
tun  haben,  mit  der  Operation  in  Verbindung  zu  bringen.  So 
berichten  einige  Operierte  über  Darmschmerzen  in  der  Gegend 
der  Narbe  und  bringen  diese  Schmerzen  in  Verbindung  mit  der 
Operation,  während  die  behandelnden  Ärzte  extra  bemerken, 
dass   sie   der  Überzeugung   sind,    dass   diese  Beschwerden    mit 


—     425     — 

dem  ursprünglichen  Leiden  resp.  mit  der  Operation  gar  nichts 
zu  tun  haben. 

Ich  habe  diese  Klagen  der  Operierten  nicht  unberücksich- 
tigt gelassen,  sondern  sie  trotzdem  als  Adhäsionsbeschwerden 
registriert,  da  ich  der  Meinung  bin,  dass  man  kaum  ein  sicheres 
und  giltiges  Urteil  über  den  Ursprung  der  Schmerzen  abgeben 
kann.  Es  ist  ja  sehr  einfach,  wenn  man  die  bei  Frauen  auf- 
tretenden Schmerzen  als  hysterische  bezeichnet.  Ich  will  aber 
nicht  zu  den  Chirurgen  gehören,  die  dem  Satze  huldigen:  „Was 
man  nicht  diagnostizieren  kann,  das  sieht  man  als  hysterisch  an." 
Nur  in  den  Fällen,  in  denen  der  ganze  Verlauf  vor  und  nach 
der  Operation  alle  Kriterien  der  Hysterie  aufwies,  möchte  ich 
an  einen  solchen  Zustand   glauben. 

In  den  Fällen,  wo  neben  der  Gallensteinoperation  Ein- 
griffe am  Magen  (Pyloroplastik,  Gastroenterostomie)  oder  Darm 
(Appendicectomie)  vorgenommen  wurden,  kann  man  im  Zweifel 
sein,  woher  die  Schmerzen  kommen. 

Ich  sehe  wohl  ein,  dass  die  oben  angeführten  Dauererfolge 
sich  noch  in  mancher  Hinsicht  ändern  können.  Oft  kommt  die 
Hernie  erst  nach  2  oder  3  Jahren;  der  übersehene  Stein  kann, 
wie  wir  wissen,  Jahre  ja  Jahrzehnte  lang  sich  latent  verhalten 
und  dann  erst  aus  seiner  Ruhe  heraustreten  und  Beschw^er- 
den  machen.  Auch  Adhäsionen  brauchen  erst  nach  vielen 
Jahren  Störungen  zu  bereiten.  Aber  da  ich  nun  bereits  seit 
15  Jahren  Gallensteinchirurgie  treibe,  habe  ich  doch  ein  un- 
gefähres Urteil  über  die  endgültigen  Erfolge  mir  bilden  können 
und  glaube  nicht,  dass  diese  erheblich  schlechter  werden,  wie 
ich  oben  angegeben  hab^,  d,  h.  dass  weniger  als  90  "/o  der 
Operierten  völlig  ihre  Beschwerden  los  werden. 

Auf  einen  Punkt,  den  ich  schon  oben  eingehend  erörterte, 
muss  ich  noch  einmal  mit  wenigen  Worten  zurückkommen :  er 
betrifft  das  sog.  echte  Rezidiv,  das  Wiederwachsen  resp.  die  Neu- 
bildung der  Steine  in  einem  durch  die  Operation  völlig  gesäuberten 
Gallensystem.  Erst  jüngst  hat  wieder  ein  Karlsbader  Arzt 
ganz  mit  Unrecht  über  ein  sog.  echtes  Eezidiv  berichtet,  und 
deshalb  muss  ich  zur  Richtigstellung  noch  einige  Worte  über 
das  echte  Rezidiv  sagen.  Ich  wies  bereits  oben  darauf  hin, 
dass  wir  bei  der  Feststellung,  ob  das  Gallensystem  auch  wirk- 
lich völlig  von  allen  Steinen  befreit  ist,  allerdings  niemals  ein 
ganz  sicheres  Urteil  abgeben  können,  und  deshalb  ist  die  Frage 


—     426     — 

des   echten  Rezidivs  nach  meiner  Ansicht  überhaupt  unlösbar. 
Auch  nach  Ectomien  und  Hepaticusdrainagen  lassen  wir  in  ca. 
2  pCt.    der    Fälle    Steine  zurück.     Kommen  in  solchen   Fällen 
Koliken,  so  kann  man  natürlich  an  ein  echtes  Rezidiv  denken, 
aber  ich  habe  diese  Fälle  zum  zweiten  Mal  operiert  und  konnte 
mich  aus  der  Beschaftenheit  der  Steine   überzeugen,   dass  kein 
echtes    Rezidiv   vorlag,    sondern    ein  unechtes,  d.  h.    dass   die 
Steine  sich  um  Trümmer  neugebildet  hatten  resp.  bei  der  ersten 
Operation  übersehen  waren.   Ich  leugne  keineswegs  die  Möglich- 
keit eines  echten  Rezidivs,   aber  ein  sicherer  Fall  ist    mir 
persönlich   noch  nicht   vorgekommen.      Ich   betone   das   mit 
Nachdruck,  weil  immer  wieder  von  Laien  und  auch  von  Ärzten 
^uf  das  Wiederwachsen  der  Steine  hingewiesen  wird.    Ja  manche 
machen   sich   eine  Freude    daraus,    die    bereits  Operierten  mit 
dem    Gespenst   des  Rezidivs    zu   erschrecken   und  scheinen  die 
grösste  Genugtuung  zu  empfinden,  wenn  die  Operierten  wieder 
über  Beschwerden  klagen.     Es  herrscht   über   die  Erfolge  des 
Chirurgen   bei   der  Gallensteinkrankheit  noch   eine  grosse  Un- 
kenntnis unter  vielen  Ärzten ;  ja  Neid  und  Missgunst  verblenden 
manchen   derartig,   dass    die  gröbsten   Entstellungen   über   die 
chirurgischen   Resultate    verbreitet    werden.      So  erzählte   mir 
jüngst  eine  Patientin,  dass  ihr  ein  Karlsbader  Arzt  erzählt  habe: 
„Dutzende    von    meinen   Operierten    hätten    richtige    Rezidive 
bekommen    und   müssten   immer   wieder   in    Karlsbad   die   Kur 
durchmachen,     das    Operieren    sei     ganz    nutzlos,     die     Steine 
kämen    doch    wieder."     Ich   gebe   im   allgemeinen    nicht    viel 
auf   die  Angaben  der  Patienten^   aber   solche  Aussprüche  sind 
so  oft  an  mein  Ohr  gedrungen,  dass  etwas  Wahres  an  ihnen  sein 
muss.     Ich  verstehe  nicht,   wie  wissenschaftliche   Ärzte    solch' 
falsche  Tatsachen  verbreiten  können,  es  scheint  aber  doch,  als 
ob   die  Eifersucht  einige  Badeärzte  so  gepackt  hätte,  dass  sie 
alle  Hebel  ansetzen,   die  Gallensteinchirurgie  in  Misskredit  zu 
bringen.     Denken   solche  Kollegen  nicht  an  ihre  eigenen  Rezi- 
dive,  die   sie  mit   ihren    Kuren    haben?     Wo    haben    sie   die 
Kenntnisse  erworben,    die  sie  in  den  Stand  setzen,  die  richtige 
Natur   der    Rezidive    zu   ergründen?   —    Nun,   sie   mögen    die 
Patienten  noch  so  sehr  vor  den  Chirurgen  warnen  und  noch  so 
oft  das  Wiederwachsen  der  Steine  predigen,  den  Siegeslauf  des 
aseptischen  Messers  halten  sie  doch  nicht  auf.     Die  "heute   am 
meisten  „nörgeln",  werden  später  vielleicht  noch  zu  begeisterten 
Anhängern  der  Gallensteinchirurgie, 


—     427     — 

Recht  häufig  ist  es,  dass  Patienten  mir  Steine  vorzeigen, 
die  weiter  nichts  als  Fruchticerne  vorstellen  und  mit  Gallen- 
steinen gar  nichts  zu  tun  haben.  Am  meisten  werden  die  ver- 
seiften Olklumpen,  die  nach  einer  Olivenölkur  im  Stuhlgang 
erscheinen  und  in  der  Tat  mit  Steinen  eine  grosse  Ähnlichkeit 
haben,  für  Cholelithen  gehalten.  Es  ist  deshalb  notwendig,  dass, 
wenn  ein  Operierter  angeblich  Steine  nachträglich  in  seinen 
Faeces  gefunden  hat,  der  Arzt  dieses  Gebilde  chemisch  und 
mikroskopisch  untersucht,  dann  wird  er  sehr  oft  sich  über- 
zeugen, dass  kein  Rezidiv  vorliegt. 

Auch  die  von  Klemperer *)-Karlsbad  gemachte  Mit- 
teilung von  einem  Fall  echter  Gallensteinrezidive  einige  Monate 
nach  der  Operation  (Cholecystectomie)  beweist  noch  lange  nicht 
das  Vorkommen  echter  Rezidive;  in  dem  Fall,  über  den  ich  im 
13.  Jahresbericht  meiner  Klinik  (IL  Teil,  p.  307)  berichtete, 
konnte  ich  nur  die  Ectomie  machen  und  musste  wegen  schlechter 
Narkose  die  Hepaticusdrainage  unterlassen.  Dass  ich  den  Chole- 
dochus  sondiert  und  leer  vorgefunden  habe,  davon  steht  dort 
nichts.  Aber  selbst  wenn  ich  sondiert  hätte,  ist  der  Beweis 
eines  echten  Rezidives  noch  nicht  erbracht.  Es  ist  mir  viel 
wahrscheinlicher,  dass  sich  .die  Steine  nicht  neugebildet  haben, 
sondern  dass  Patient  Lebersteine  hatte.  Es  ist  wirklich  nicht 
nötig,  dass  andere  Ärzte  meine  Rezidive  veröffentlichen,  das 
tue  ich  von  ganz  allein.  Ich  habe  die  Nr.  28  der  Prager  med. 
Wochenschrift  1903  erst  am  15.  Mai  1904  in  die  Hände  be- 
kommen und  schon  lange  hatte  ich  in  meinem  Jahresbericht  über 
dieses  Rezidiv  der  Frau  Rechtsanwalt  aus  Schlesien  berichtet. 
Recht  beklagenswert  i%t  aber,  dass  Klemperer  in  seiner  Ver- 
öffentlichung die  Behauptung:  „der  Choledochus  wurde  sondiert 
und  leer  vorgefunden"  auf  Grund  der  Angaben  der  Patientin 
aufstellt.  Es  war  mir  gerade  in  diesem  Fall  unmöglich,  den 
Choledochus  wegen  tiefer  Lage  und  schlechter  Narkose  zu 
sondieren.  Warum  richtet  der  Kollege  nicht  an  mich  ein  paar 
Zeilen,  um  über  den  Operationsbefund  und  die  vorgenommene 
Operation  Aufklärung  zu  bekommen?  Ich  hätte  ihm  gern  Aus- 
kunft erteilt.  Aber  so  geht  der  Fall  durch  alle  Zeitungen  als 
echtes  Rezidiv,  hält  so  und  soviel  Patienten  von  der  nötigen 
Operation  ab  und  schädigt  das  Renomm^  der  Gallensteinchirurgie. 


*)  Prag.  med.  Wochenschrift  1903,  Nr.  28. 


—     428     — 

Dass  auch  ich  persönlich  davon  Schaden  habe,  will  ich  gar 
nicht  sagen;  die  vielen  guten  Erfolge,  die  ich  habe,  bringen  mir 
immer  mehr  Gallensteinkranke  ins  Haus,  und  die  wenigen  Rezidive 
sind  nicht  mehr  im  Stande,  die  Vorteile  der  operativen  Behandlung 
in  den  Schatten  zu  stellen.  Aber  ich  möchte  doch  meine  schon 
oben  ausgesprochene  Bitte  wiederholen:  Wenn  ein  Innerei'  Arzt 
über  ein  Rezidiv  nach  einer  Gallensteinoperation  berichten  will, 
so  mag  er  sich  mit  den  betr.  Chirurgen  in  Verbindung  setzen, 
damit  er  keine  falschen  Tatsachen  verbreitet  und  dem  betr. 
Operateur  nicht  Unrecht  tut ;  auch  ist  es  nötig,  dass  er  genau 
die  angeblichen  abgegangenen  Steine  untersucht.*) 

Wie  schwer  sich  eine  solche  ünterlä,ssung  rächt,  mag  jenes 
Rezidiv  beweisen,  das  unter  dem  Namen  „Mohnkörnerrezidiv" 
geradezu  populär  geworden  ist. 

Körte  hatte  am  27.  Nov.  1895  eine  Patientin  wegen  Chole- 
dochusverschluss  operiert  und  drei  Steine  entfernt.  Im  Jahre 
1898,  also  3  Jahre  später,  bekam  sie  wieder  Beschwerden  und 
ging  nach  Karlsbad.  Dr.  Herrmann  leitete  eine  Kur  ein,  und 
nun  gingen  täglich  grosse  Mengen  Steine  ab ,  aber  es  waren, 
wie  Körte  nachwies,  keine  Steine,  sondern  Mohnkörner. 

In  Karlsbad  haben  die  Bäcker  die  Angewohnheit,  auf  das 
Frühstücksgebäck  Mohnkörner  zu  streuen.  Der  Sprudel,  der 
sonst  nach  den  Ansichten  der  Laien  und  auch  mancher  Ärzte 
Steine  auflöst,  hatte  über  diese  Mohnkörner  keine  Gewalt,  sie 
widerstanden  der  Verdauungskraft  des  Darmes  und  gingen  mit 
den  Faeces  ab.  Es  wäre  wirklich  sehr  wünschenswert,  wenn 
die  Karlsbader  Bäcker  das  Mohnkörnerstreuen  unterliessen, 
damit  nicht  wieder  solche  Rezidiv-Berichte  (Her rm  ann,  Mitt. 
aus  den  Grenzgebieten  Bd.  4,  p.  240)  in  die  weite  Welt  hinaus- 
gehen. 

Überhaupt  soll  man  bei  der  Beurteilung  chirurgischer  Ein- 
grifle  immer  daran  denken,  dass  die  schlechten  Erfolge  viel 
mehr  besprochen  werden  wie  die  guten.  Ein  Rezidiv,  ob 
echt  oder  unecht,  geht  durch  Aller  Munde,  19  glatte  und  ein- 
wandfreie Heilungen  werden  als  etwas  Selbstverständliches  hin- 
gestellt. Über  einen  Todesfall  redet  man  lange  Zeit,  der  kommt 
auch  in  alle  Zeitungen ;  wird  der  Patient  durch  die  Operation 

*)  Auch  in  dem  Jahresbericht  für  Chirurgie  von  190B  von  Hilde- 
brand ist  über  diesen  Fall  von  L.  K 1  e  m  p  o  r  e  r  referiert,  doch  hat  der 
Herr  Referent  selbst  die  Echtheit  des  „Rezidivs"  bezweifelt. 


—     429     — 

gerettet,  so  wird  von  der  Sache  kein  grosses  Aufsehen  gemacht. 
Aber  wenn  auch  Laien  so  kritiklos  die  Resultate  des  Gallen- 
steinoperateiirs  beurteilen,  sollten  deshalb  die  Arzte  um  so  sorg- 
fältiger den  Ursachen  der  Misserfolge,  den  Rezidiven  nachgehen. 

Ich  schliesse  mein  Buch  mit  einer  Erklärung,  die  ich  auf 
Grund  von  nunmehr  1000  Operationen  am  Gallensystem  jederzeit 
vertreten  kann:  Die  augenblicklichen  und  Dauer-Erfolge 
nach  Gallensteinoperationeu  sind  so  gut,  dass  gewiss  kein 
Orund  vorliegt,  immer  wieder  den  Gallensteinkranken  vor 
dem  Chirurgen  zu  warnen.  Im  Gegenteil,  es  muss  Pflicht 
der  wissenschaftlichen  Ärzte  sein,  in  Fällen,  bei  denen  die 
innere  Medikation  versagt,  die  Yornahme  eines  chirurgischen 
Eingriifes  zu  erwägen. 

Die  schon  jetzt  erzielten  Erfolge  haben  die  Berechtigung 
der  operativen  Behandlung  der  Cholelithiasis  erwiesen.  Wir 
Chirurgen  sollten  uns  mit  den  errungenen  Erfolgen  aber  nicht 
begnügen,  sondern  wir  müssen  auf  diesem  Gebiete  weiter  arbeiten, 
damit  die  Resultate  noch  besser  werden.  Wir  werden  das 
weniger  dadurch  erreichen,  dass  wir  unsere  aseptischen  Mass- 
nahmen verbessern  und  die  Technik  auf  eine  höhere  Stufe 
bringen.  Gewiss  lässt  sich  in  dieser  Beziehung  noch  viel  tun : 
die  Hauptsache  aber  wird  sein,  dass  wir  die  Diagnostik  der  Chole- 
lithiasis mehr  und  mehr  ausbauen  und  die  Indikationen  verfeinern. 

Die  inneren  Ärzte  müssen  in  Gemeinschaft  mit  den  Chir- 
urgen gegen  die  Krankheit  vorgehen,  die  man  nicht  mit  Un- 
recht im  Hinblick  auf  die  politischen  Verhältnisse  im  fernen 
Osten  als  „gelbe  Gefahr"  bezeichnen  könnte.  Sie  bringt 
jahrein  jahraus  gewiss»,  mehr  Verluste  als  die  explodierenden 
Minen  im  Hafen  von  Port  Arthur  und  die  Schnellfeuergeschütze 
der  japanischen  Heere.  Selbst  so  lange  die  Gallensteinkrank- 
heit noch  im  weissen  Gewände  kindlicher  Unschuld  dahin- 
schreitet,  sollten  wir  sie  mit  argwöhnischen  Augen  betrachten  und 
den  lauernden  Feind  im  Hinterhalt  nicht  gering  schätzen.  Er 
verfügt  oft  über  eine  gewaltige  Macht,  die  zu  brechen  nur 
vereinten  Bemühungen  gelingt. 

Einigkeit  unter  den  Ärzten  macht  stark  nicht  nur  im 
Kampf  gegen  die  Krankenkassen,  sondern  auch  im  Kampf  gegen 
die  Cholelithiasis. 

Möge  mein  Buch  mit  dazu  beitragen,  diese  Einigkeit  in 
Zukunft  herbeizuführen ! 


Literatur. 

(Unter  besonderer  Berücksichtigung  der  grundlegenden  Arbeiten  und  der  seit 

1897  erschienenen  Abhandlungen  nebst  einer  Aufzählung  der  aus  meiner  Klinik 

hervorgegangenen  Veröffentlichungen.) 


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Dissert.    Kiel  1903. 


Die  aus  meiner  Klinik  hervorgegangenen,  von  meinen  Assistenten 
und  mir  selbst  verfassten  Arbeiten  sind  folgende: 

l)Kehr,  Eilers,  Lücke:  Bericht  über  197  Gallenstein- 
operationen aus  den  letzten  2*/»  Jahren.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie. 
58.  Bd.  Heft  3. 

2)  Wie,  wodurch  und  in  welchen  Fällen  von  Cholelithiasis  wirkt 
eine  Karlsbader  Kur  und  warum  gehen  die  Ansichten  des  Chirurgen 
und  des  Karlsbader  Arztes  inbezug  auf  Prognose  und  Therapie  der 
Gallensteinkrankheit  so  weit  auseinander?  Münch.  med.  Wochenschr. 
1898.     Nr.  38. 

3)  Die  Resultate  von  300  Gallensteinlaparotomien  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  in  den  letzten  2  Jahren  ausgeführten  151  Ope- 
rationen.    Samml.  klin.  Vorträge  von  Volkmaun.     Nr.    225.    Okt.  1898 

4)  Die  Behandlung  der  kalkulösen  Cholangitis  durch  die  direkte 
Drainage  des  Ductus  hepaticus.  Münch.  med.  Wochenschr.  1897. 
Nr.  41. 

5)  Die  chirurgische  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit.  Berlin 
1896.     Fischer's  med.  Verlag  (H.  Kornfeld). 

6)  Ein  Rückblick  auf  209  Gallensteinlaparotomien  mit  besonderer 
Berücksichtigung  gewisser  anderweitig  selten  beobachteter  Schwierig- 
keiten bei  30  Ckoledochotomien.     Arch.  f.  klin.    Chir.    Bd.  53.    Heft  2. 

7)  Die  Entfernung  des  eingeklemmten  Gallensteins  aus  dem 
Ductus  cysticus  durch  Infision  dieses  Gangs.  Arch.  f.  klin.  Chir.  Bd.  48. 
Heft  3.    (Chir.  Kongr.  1894)  und  Berl.  klin.  Wochenschr.    1894.   p.  536. 

8)  Neue  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Gallensteinchirurgie. 
Berliner  Klinik.     Heft  78.     Dez.  1894. 

9)  Zur  Chirurgie  der  Gallensteinkrankheit.  Deutsche  Zeitschr.  f. 
Chir.   38.  Bd.   p.  321.  .  1894. 

10)  Zur  Chirurgie  der  Gallensteinkrankheit.  Berl.  klin.  Wochen- 
schrift.    1893.    Nr.  2. 

11)  Über  einen  durch  ideale  Cholecystotomie  geheilten  Fall  von 
Schussverletzung  der  Gallenblase.     Ctrbl.  f.  Chir.     1892.     Nr.  31. 

12)  Operativer  Beitrag  zum  Aufsatz  des  Herrn  Dr.  Hochhaus 
in  Nr.  17  dieser  Wochenschrift.  Über  Magenerweiterung  und  Duodenal- 
stenose.     Berl.  klin.  Wochenschr.  1891.    Nr.  22. 

13)  Zur  Chirurgie  der  Gallenblase.  Vortrag,  geh.  im  Ärzte- Verein 
des  Reg.-Bez.  Magdeburg.    20.  Okt.  1891.. 


—      44()      — 

14)  Anleitung  zur  Erle:nung  der  Diagnostik  der  einzelnen  Formen 
der  Gallensteinkrankheit.  Berlin  1899.  Fischer's  med.  Verlag.  Von 
W.  W.  Seymour  in  die  englische  Sprache  übersetzt.  Philadelphia. 
P.  Blakiston's  Son  &  Co.   1901. 

15)  Die  Verletzungen  und  chirurgischen  Erkrankungen  der  Leber, 
der  Gallenwege  und  der  Milz.  Handbuch  der  praktischen  Chirurgie 
von  V.  Bergmann,  v.  Bruns,  v.  Mikulicz.  Ferd.  Enke.  Stuttgart. 

16)  Wie  gross  ist  heute  di^Mortalität  nach  Gallensteiuoperationen? 
Münch.  med.  Wochenschrift.    Nr.  23.     1901. 

17}  Wie  verhält  es  sich  mit  den  Recidiven  nach  unseren  Gallen- 
Steinoperationen?     Archiv  f.  klin.  Chir.     61.  Band.     Heft  2. 

18)  Über  Rezidive  nach  Gallensleinoperationen.  Berliner  Klinik. 
Heft  148.    Berlin.     Okt.  1900. 

19)  Die  chirurgische  Behandlung  der  Gallensieinkrankheit. 
Deutsche  Klinik  von  v.  L  e  y  d  e  n.  Berlin.  Urban  und  Schwarzen- 
berg  1901. 

20)  Eine  seltene  Anomalie  der  Gallengänge.  Münch.  med.  Wochen- 
schrift.    Nr.  6.     1902. 

21)  Ein  Rückblick  auf  720  Gallensteinlaparotomien  unter  be- 
sonderer Berücksichtigung  von  90  Hepaticusdrainagen.  Münch.  med. 
Wochenschrift.     1902.     Nr.  41,  42,  43.  ' 

22)  Über  den  plastischen  Verschluss  von  Defekten  der  Chole- 
dochuswand  durch  Netzstüoke  und  durch  Serosa- Muscularislappen  aus 
Magen  oder  Gallenblase.     Arch.  für  klin.  Chir.     Bd.  67.     Heft  4. 

23)  Beiträge  zur  Bauchchirurgie  von  Kehr,  Berger  und  Welp. 
Berlin.  Fischer's  med.  Verlag.  1902.  (Casuististik  von  84  Gallenstein- 
laparotomien.) 

24)  Beiträge  zur  Bauchchirurgie.  Neue  Folge.  Von  Kehr, 
Berger  und  Welp.  Berlin.  Fischer's  med.  Verlag.  1902.  (Casuistik 
von  95  Gallensteinlaparotomien.) 

25)  Zwölfter  Jahresbericht  der  Kehr' sehen  Privatklinik.  1902. 
Guben.  Albert  Koenig.  (Über  gleichzeitige  Erkrankungen  der  Gallen- 
blase imd  des   Wurmfortsatzes.) 

26)  Über  einen  Fall  von  ausgedehnter  Resektion  des  Ductus 
choledochus  und  hepaticus  wegen  Carcinoma  choledochi  mit  nach- 
folgender Ectomie  der  Gallenblase  und  Hepatico -Duodenostomie. 
Münch.  med.  Wochenschrift.     1903.     Nr.  3. 

27)  Die  Verwendung  der  Gelatine  zur  Stillung  cholämischer 
Blutungen  nach  Operationen  am  Gallensystem'  nebst  Bemerkungen 
über  Popp  e  rt's  wasserdichte  Drainage  der  Gallenblase.  Münch.  med. 
Wochenschrifr.     1900.    Nr.  6  u.  7. 

28)  In  welchen  Punkten  ich  von  Riodol's  Ansichten  über 
Gallensteinchirurgie  abweiche?  Münch.  med.  Wochenschr.  Nr.  16 
und  17.    1903." 

29)  Zur  Richtigstellung.  (Antwort  auf  Fink's  Arbeit:  Zu 
Riedel's  und  Kehr 's  Ansichten  über  Path.  u.  Therapie  des  Gallen- 
steinleidens.)   Wiener  klin.  Wochenschr.     1903.    Nr.  34. 


—     447     — 

30)  Der  erste  Fall  von  erfolgreicher  Unterbindung  der  Art.  hepa- 
tica  propria  wegen  Aneurysma.  Münch.  med.  Wochenschrift  1903. 
Nr.  43. 

31)  Die  Chirurg.  Behandlung  des  akuten  und  chronischen  Chole- 
dochusverschlusses  durch  Stein  und  Tumor.  Münch.  med.  Wochen- 
schrift.    1903.     Nr.  22. 

32)  Dr.  Berger:  Die  Hepaticusdrainage.  Arch.  f.  kl  in.  Chir. 
69.  Band.  p.  299.    (Festschrift  für  von  Esmarch).     1903. 

33j  Derselbe:  Trauma  und  Cholelithiasis.  12.  Jahresbericht  der 
Kehr 'sehen  Privatklinik.     1902.    Verlag  von  Albert  Koenig.   Guben.) 

34)  Derselbe:  Ergebnis  bakteriologischer  Untersuchungen  der  bei 
und  nach  Gallensteinoporationen  gewonnenen  Galle.  Beitr.  zur  Bauch- 
chirurgie von  Kehr,  Berger,  Welp.  Berlin.  Fischer's  med.  Ver- 
lag.    1901. 

35)  Dr.  Herbst:  Pankreatitis  chronica  iuterstitialisoderPankreas- 
carcinom?  (12.  Jahresbericht  der  Kehr 'sehen  Privatklinik.  1902. 
Verlag  von  Albert  Koenig.  Guben.) 

36)  Kehr:  Über  fünf  neue  Operationen  an  Gallensystem  und 
Leber.    (Chirurgen-Kongress  Berlin  1904). 

a)  Aneurysma  der  Art.  hepatica; 

b)  Hepato-Cholangio-Enterostomie; 

c)  Resektion  des  Ductus  choledochus; 

d)  Einpflanzung  eines  Fistelgangs  einer  Pankreascyste  in  die 

Gallenblase   mit  nachfolgender  Cholecysto- Gastrostomie. 

e)  Über  die  Beseitigung  eines  Duodenaldefektes  durch  völlige 

Durchtrennung     des    Duodenum,    Verschliessung    beider 
Darmlumina  und  nachf'olgende  Gastroenterostomie. 

37)  Dr.  Prätori  US :  Zur  Chrurgie  des  Pankreas  (wird  dem- 
nächst erscheinen). 

38)  Kehr:    Die    Choledochusfege.     Zentralblatt    für    Chir.    1904. 

Nr.  28. 

39)  Derselbe:  Über  die  von  mir  an  Waldeck- Rousseau  vor- 
genommene Operation.     Deutsche  med.  Wochenschrift  1904.    Nr.  35. 

40)  Derselbe:  Ber?V3ht  über  137  Gallensteinlaparotomien  aus  dem 
letzten  Jahre.  (6.  10.  1902  bis  6.  10.  1903.)   München,  J.  F.  Lehmann  1904. 


Tafel  1. 


LymphdKlse 
am  Cboledochus 


Ductus  cysticus 


Lymphdrüse 
am  Cysticus 


Gallenblabe 


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Gallenblase  und  Gallengänge. 

Das  Gallünsystem  ist  durch  den  Wellenschnitt  freigelegt.  Der  Teil  der  Leber, 
welcher  die  Gallenblase  und  die  Gallengänge  bedeckt,  ist  fortgelassen.  Die 
Gebilde  an  der  Leberpforte  sind  durch  teilweise  Entfernung  des  kleinen  Netzes 
(lig.  hepato-duodenale)  freigelegt.  Die  Zeichnung  ist  von  mir  selbst  nach  der 
Natur  und  unter  Anlehnung  an  Fig.  111  des  Atlas  der  topographischen  Anatomie 
des  Menschen  von  Prohse  (Bardeleben  und  Haeckel)  Jena  1901  entworfen. 


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hepatica 


Ductus 
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vena  cava  inferior 


Ductus 
choledochus 


vena 
portae 


lympho- 
glandulae- 
hepaticae 


Ductus 
cysticus 


lobus 
Quadratus 


vesica 
fellea 


Leberpforte  mit  den  Gefässen  und  Lymphdrüsen  (die  Vena  cava  inferior 

ist  der  Länge  nach  aufgeschnitten). 

(Aus  Sobotta,  Deskriptive  Anatomie  II.) 


] 


Tafel  4. 


Pig.  3. 


Fig.  4. 


Fig.  5, 


Art.  gastro- 
diiodena]is 


Die  Anomalien  der  Arteria  liepatica  nacli  Ha  aal  er. 

(Arch.  f.  klin.  Chir.    58.  Band.) 


Tafel  5. 


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Tafel  6. 


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Tafel  8. 


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Tafel  9. 


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Tafel  10. 


Tafel  11. 


Tafel  12. 


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Tafel  18. 


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Die  Tafeln  8 — 13  zeigen  in  natürlicher  Grösse  photogfraphische 

Reproduktionen    von    einigen   grösseren    Gallensteinen,    die 

operativ  durch  mich  entfernt  wurden. 


IL  Teil. 

Mit   24   schematischen   Figuren  im   Text. 


177  Kranken-  und  Operationsgeschichten, 

durch  welche  die  Technik  der  verschiedenen 
Operationen  am  Gallensystem,  die  Abweich- 
ungen im  Verlauf  und  die  bei  der  Nach- 
behandlung notwendigen  Massnahmen  erläutert 
werden   sollen. 


Inhalt  des  zweiten  Teils. 


Seite 

A)  Die  Operationen  an  der  Grallenblase 2 

I.  Die  ideale  Operation  (Cystendyse)     . 2 

II.  Die  zweizeitige  Cystostomie 7 

III.  Die  einzeitige  Cystostomie 14 

a)  Mit  völliger  Einnähung  der  Gallenblase  in  die  Bauch- 
wunde  und  gleichzeitiger  Tamponade 14 

b)  Cystostomie  mit  nur  teilweiser  Einnähung  der  Gallen- 
blase in  die  Bauchwunde  und  gleichzeitiger  Tamponade  41 

c)  Cystostomie  nach  Ablösung  der  Gallenblase  von  der 
Leber     ....  - 49 

d)  Das  Schlauchverfahren  nach  Kehr,  die  wasserdichte 
Drainage  nach  Poppert 51 

IV.  Die  Lösung  von  Verwachsungen  an  der  Gallenblase  als 

selbständige  Operation 60 

V.  Die  primäre  Cholecystectomie 62 

a)  Mit  Unterbindung  des  ductus  cysticus 62 

b)  Ectomie  mit  Drainage  des  ductus  cysticus   ....  99 

c)  Ectomie   mit   gleichzeitigen  Operationen  an  Magen, 
Darm  und  Leber 100 

d)  Ectomie  wegen  Carcinom  (Leberresektion)  ....  121 
"VI.  Die  sekundäre  Cholecystectomie 129 

VII.  Die  Kesektion  der  Gallenblase 138 

VIII.  Der  Verschluss  kompleter  Gallenfisteln 142 

B)  Die  Operationen  am  dnctns  cysticns 153 

I.  Die  Cysticolithotripsie 153 

II.  Die  primäre  Cysticotomie  (kombiniert  mit  Cystostomie)  155 

III.  Die  sekundäre  Cysticotomie 163 

IV.  Die  Cysticectomie 166 

C)  Die  Operationen  am  dnctns  clioledoclius 173 

I.  Die  Choledocholithotripsie 173 

II.  Die  Choledochotomie  mit  Naht 175 

a)  Die  primäre  Choledochotomie  mit  Naht 175 

b)  Die  sekundäre  Choledochoiomie  mit  Naht     ....  183 


IV 

Seite 

III.  DieCholedochotomieohneNahtunddieHepaticusdrainage  187 

1.  Die  primärr  Hepaticusdrainage 187 

a)  mit  Cystostomie 187 

b)  Hepaticusdrainage  mit  Ectomie 189 

c)  Hepaticusdrainage  mit  Cydticotomie  und  Ectomie  222 

d)  Hepaticusdrainage  ohne  Inangriffnahme  der  Gallen- 
blase        254 

e)  Hepaticusdrainage  mit  Resection   der  Gallenblase  262 

f)  Hepaticusdrainage  unter  gleichzeitiger  Vornahme 
operativer  Eingriffe  an  Magen,  Darm,  Appendix  etc.  264 

g)  Das  Verfahren  nach  Rose-Kuhn 287 

b)  Die  Drainage  des  ductus  hepaticus  und  des  ductus 

choledochus  ■ 290 

i)    Die  Drainage  des  ductus  hepaticus  und  des  ductus 
choledochus  durch  die  Papille  hindurch  bis  in  das 

Duodenum 296 

2.  Die  sekundäre  Hepaticusdrainage 307 

3.  Die  transduodenale  Choledochotomie 310 

4.  Die  retroduodenale  Choledochotomie 315 

IV.  Die  Resektion  des  ductus  choledochus 318 

D)  Die  Operationen  am  dactns  Iiepaticns 338 

E)  Die  Anastomosen  zwischen  Galiensystem  nnd  Intestinis      .     .  342 

I.  Die  äusseren  Anastomosen     ...         342 

a)  Die  Cysto-Gastrostomie 342 

b)  Die  Cysto-Enterostomie 348 

c)  Die  Cystico-Gastrostomie 351 

d)  Die  Choledocho-Duodenostomia  externa 355 

II.  Die  Choledocho-Duodenostomia   interna 361 

F)  Laparotomien  bei  gleichzeitiger,  dnrcli  Cholelitliiasis  bedingter 

intraperitonealer  Eiterung      , 382 


IL  Teil. 


Ich  hatte  ursprünglich  die  Absicht,  meine  sämtlichen 
900  Krankengeschichten  in  dem  II.  Teil  der  „Technik  der 
Gallensteinoperationen "  zu  veröffentlichen.  Aber  bald  sah  ich 
ein,  dass  das  unzweckmässig  sei,  denn  1.  wäre  der  II.  Teil 
viel  zu  umfangreich  geworden,  und  2.  hätte  ich  zu  viele  ein- 
fache und  typische  Fälle  mitteilen  müssen.  Ich  beschränke 
mich  also  darauf,  für  jede  Operationsmethode  nur  eine  Kranken- 
geschichte zu  bringen,  die  als  Typus  gelten  kann.  Die  übrigen 
sind  atypische  Fälle,  und  das  sind  natürlich  die  wichtigeren. 
Sie  sollen  gewissermassen  als  Belege  die  mannigfaltigen  Ver- 
laufsarten während  und  nach  der  Operation  erläutern.  Im 
Texte  des  ersten  Teils  ist  durch  Zahlen  auf  diese  Kranken- 
geschichten hingewiesen,  so  dass  dem  Leser  es  leicht  gemacht 
wird,  sich  rasch  über  die  Einzelheiten  der  Operation  zu  orien- 
tieren. Viele  (lieser  Krankengeschichten  sind  noch  nicht  ver- 
öffentlicht, die  meisten  sind  den  Jahresberichten  meiner 
Klinik,  welche  nur  in  die  Hände  weniger  Ärzte  gelangen,  ent- 
nommen. In  den  angeführten  Epicrisen  wird  kurz  auf  die  Be- 
sonderheiten der  einzelnen  Fälle  hingewiesen.  Was  an  den 
einzelnen  Krankengeschichten  mir  besonders  wichtig  erschien, 
ist  durch  fetten  Druck  kenntlich  gemacht.  Doch  wird  es 
nicht  schaden,  wenn  der  Leser  auch  dem  übrigen  Teil  der 
Krankengeschichte  seine  Aufmerksamkeit  zuwendet:  aus  der 
Anamnese  lernt  man  die  Symptomatologie  der  Cholelithiasis, 
aus  dem  Operationsbefund  die  Pathologie;  und  viele  inter- 
essante Einzelheiten  sind  fast  in  jedem  Fall  vorhanden,  welche 
zur  Klärung  so  mancher  wichtigen  Frage  beitragen  können. 
Ich  möchte  deshalb  das  Studium  der  Krankengeschichten  dem 
Leser  warm  empfehlen. 


Kehr.  Technik  der  Gallensteinoperationen. 


A)  Die  Operationen  an  der  Gallenblase. 

I.  Die  ideale  Operation  (Cystendyse). 

An  der  Spitze  der  Operationsmethoden  marschiert  die 
Cystei;dyse,  weil  sie  das  einfachste  Verfahren  an  der  Gallen- 
blase darstellt.  Dass  sie  von  rechtswegen  an  die  allerletzte 
Stelle  gehörte,  resp.  überhaupt  nicht  verdiente,  angeführt  zu 
werden,   habe  ich  bereits  im  I.  Teil  ausführlich  begründet. 

Ich  gebe  hier  meine  allererste  Gallensteinoperation  wieder, 
die  ich  am  22.  5.  1890  —  also  vor  nunmehr  14  Jahren  —  aus- 
geführt habe.  Es  handelte  sich  um  eine  Cystend^'se  in  Ver- 
bindung mit  Loreta's  divulsio  pylori. 

Nr.  1.     A.  B.,  28j.  Fräulein  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  20.  5.  1890. 

Operiert:   22.  5.  1890.     Cystendyse.     Divulsio   pylori. 

Entlassen:  22.  6.   1890.     Geheilt. 

Anamnese:  Im  November  1889  litt  Patientin  angeblich  an  In- 
fluenza, seitdem  an  fortwährendem  Erbrechen  nach  jeder  eingenom- 
menen Mahlzeit,  nur  dünne  Suppen,  in  geringen  Mengen  genossen, 
behielt  sie  bei  sich.  Sie  gab  an,  niemals  ernstlich  krank  gewesen  zu 
sein,  und  hatte  —  darauf  kam  es  hier  besonders  an  —  niemals  Ikterus 
und  Gallensteinkoliken  gehabt.  Sie  hatte  trotz  des  Erbrechens  keine 
Appetitstörung,  sondern  immer  Hunger.  Der  Stuhlgang  war  meist 
retardiert  und  nur  durch  Laxantien  zu  bewirken.  Eine  ausserordent- 
liche Abmagerung  —  das  Gewicht  der  Pat.  war  in  einem  halben  Jahr 
von  110  auf  80  Pfund  herabgesunken  —  gab  ibr  ein  erschreckendes 
Aussehen. 

Befund:  Hochgradige  Magenectasie;  im  rechten  Mesogaslrium 
eine  faustgrosse,  wenig  bewegliche,  harte  Geschwulst,  die  als  Neu- 
bildung des  Pylorus  ventriculi  imponieren  musste.  Die  Curvaturen 
des  Magens  hoben  sich  durch  die  mageren  Bauchdecken  scharf  ab, 
die  grosse  Ourvatur  reichte  in  der  Linea  alba  last  bis  in  die  Mitte 
zwischen  Nabel  und  Symphyse.    Deutliches  Succussionsgeräusch. 

Diagnose:  Pylorusstenose,  wahrscheinlich  carcinomatöser  Natur. 

Operation:  22.  5.  1890.  Eröffnung  der  Baucl^öhle  in  der  Mittel- 
linie durch  einen  Schnitt  vom  Processus  xiphoideus  bis  unterhalb  des 
Nabels.    Der  Magen  reichte  mit  dem  Pylorus  bis  in  das  rechte  Meso- 


—      3     — 

gastriuin,  wo  er  in  der  Gegend  der  Gallenblase  adhärent  war.  Am 
Pylorus  fand  sich  eine  last  faustgrosse  Geschwulst,  die  durch  ihre 
Consistenz  und  Farbe  sich  deutlich  in  2  Teile  schied.  Der  eine  Teil, 
mehr  nach  rechts  gelegen,  fühlte  sich  hart  an  imd  war  weniger  dunkel 
gefärbt  wie  der  andere  Teil  des  Tumors,  der  mehr  fleischige  Konsistenz 
zeigte.  Die  harte  Geschwulst,  die  an  der  Hinterfläche  der  Leber  nach 
oben  zog,  musste  der  Lage  nach  die  Gallenblase  und  der  Härte  nach 
mit  Steinen  angefüllt  sein.  Die  andere  Geschwulst  gehörte  dem  Pylorus 
selbst  an.  Dieser  konnte  entweder  eine  Neubildung  in  sich  bergen 
oder  rausste  allgemein  hypertrophisch  verdickt  sein.  Beide  Geschwülste 
waren  so  eng  und  so  flächenhaft  mit  einander  verwachsen,  dass  von 
einer  Isolierung  derselben  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Es  war  mir 
also  wahrscheinlich,  dass  irgend  ein  entzündlicher  Prozess  die  mit 
Steinen  angefüllte  Gallenblase  an  den  Anfangsteil  des  Duodenums 
fixiert  hatte,  dass  es  dann  zu  einer  Abknickung  desselben  gekommen 
war,  so  dass  die  Folgezustände,  Hypertrophie  der  Pylorusrauskulatur 
und  Magoiidilatation  nicht  ausbleiben  konnten. 

Eine  Totalexstirpation  der  Gallenblase  war  wegen  der  innigen 
Verwachsungen  nach  allen  Seiten  hin  ausserordentlich  schwierig  und 
fast  unmöglich,  deshalb  Cholecystotomie.  Ich  spaltete  die  Gallen- 
blase an  der  mir  zugänglichsten  Stelle  durch  einen  2  cm  langen,  senk- 
rechten Schnitt  und  fixierte  sofort  die  beiden  Wundränder  durch  je 
eine  dicke  Fadenschlinge,  entfernte  nun  teils  mit  der  Kornzange,  teils 
durch  Fingerdruck  von  unten  her  14  mittelgrosse  Gallensteine,  legte 
einen  Jodoformtampon  in  die  Gallenblase  ein,  zog  die  beiden  Faden- 
schlingen provisorisch  zusam-men  und  wandte  mich  nun  dem  steno- 
sierten  Duodenum  zu.  Wäre  die  Totalexstirpation  der  Gallenblase, 
resp.  die  Lösung  der  Adhäsionen  möglich  gewesen,  so  hätte  man  sich 
und  der  Pat.  vielleicht  einen  Eingriff  am  Duodenum,  resp.  Pylorus  er- 
sparen können:  die  Passage  durch  denselben  hätte  sich  dann  mög- 
licherweise von  allein  wieder  hergestellt.  Aber  das  war  eine  unsichere 
Sache  ;  es  kam  mir  vor  allen  Dingen  darauf  an,  den  Pylorus  sofort 
wieder  durchgängig  zu  machen,  sonst  konnte  man  gewiss  sein,  dass 
die  an  und  für  sich  hinfällige  Pat.,  durch  den  blutigen  Eingriff  noch 
mehr  geschwächt,  sich  nicht  wieder  erholt  hätte.  Noch  ein  weilerer 
Grund  veranlasste  mich  zur  Eröffnung  des  Duodenums  zu  schreiten: 
denn  wenn  ich  auch  annahm,  dass  es  sich  um  eine  einfache  Hyper- 
trophie des  Pylorus  handele,  so  war  die  MtJglichkeit  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  dass  doch  eine  Neubildung  im  Pylorus  vorlag.  Um 
mich  davon  einerseits  zu  vergewissern  und  andererseits  die  Stenose 
schleunigst  zu  beseitigen,  eröffnete  ich  das  Duodenum  durch  einen 
Längsschnitt  bis  in  den  Pylorus  und  fand  dessen  Muskularis  bis  zu  l  cm 
verdickt.  Ich  führte  den  Zeigefinger  ein  und  kam  nur  mit  Mühe  durch 
die  strikt urierte  Stelle  dos  Duodenums  hindurch;  den  Eingang  zum 
Magen  konnte  ich  mit  dem  Finger  nicht  erzwingen,  er  war  so  eng, 
dass  sich  kaum  eine  Uterussonde  durch  den  Pylorus  in  den  Magen 
einschieben  Hess.  Nur  ganz  allmählich  durch  Einführen  von  Korn- 
zangen und   durch  Dehnen  mit   den  Fingern    gelang  es  mir,   zugleich 

1* 


_     4     — 

mit  Mittel-  und  Zeigefinger  in  den  Magen  eingehen  zu  können.  Nun 
konnte  icli  mich  davon  überzeugen,  dass  es  sich  um  eine  einfache 
Hypertrophie  handelte,  von  einer  Narbe,  einem  Geschwür,  oder  einer 
Neubildung  war  nichts  zu  linden.  Aus  dem  Magen,  der  vor  der 
Operation  auf  das  Sorgfältigste  entleert  war,  floss  kein  Inhalt  heraus; 
der  in  das  Duodenum  eingeführte  Finger  wurde  mit  hellgelber  Galle 
gefärbt. 

Das  Verfahren  der  manuellen  Dilatation  von  Pylorusstenosen  hat 
Loreta  in  Bologna  angegeben,  nur  erweitert  derselbe  die  Stenose 
vom  Magen  aus. 

Nach  dieser  gehörigen  Dehnung  des  strikturierten  Duodenums 
und  hypertrophierten  Pylorus  schritt  ich  zur  Naht  der  Darmwunde 
durch  12  Nähte  nach  Czerny.  Nach  demselben  Pi'inzip  schloss  ich  die 
Gallenblase  nnd  versenkte  sie.  Ich  führte  also  die  sogen,  ideale  Chole- 
cystostomle  aus,  zn  der  ich  mich  deshalb  entsehliessen  konnte,  »eil 
ich  erstens  gesunde  (Jallenblasenwandungeu  vor  mir  hatte  und  weil 
ich  zweitens  weder  im  Cysticns  noch  im  Choledochus  einen  Stein  fühlte. 

Nach  genauer  Revision  des  Operationsfeldes  wurde  die  Bauch- 
wunde durch  tiefe  und  oberflächliche  Nähte  vereinigt,  und  dann  der 
Verband  angelegt.  Die  Operation  hatte  2^*  Stunde  gedauert  und  war 
ohne  erhebliche  Zwischenfälle  von  Statten  gegangen. 

Verlauf:  Vollkommen  reaktionslos.  Fat.  hat  nie  gefiebert 
und  nie  wieder  gebrochen.  Ich  bin  natürlich  mit  der  Ernährung 
in  der  ersten  Zeit  sehr  vorsichtig  gewesen,  aber  gleich  nach  dem 
ersten  Teller  Mehlsuppe  gab  die  Fat.  an,  dass  sie  das  Gefühl  habe, 
als  ob  alles  ,, besser  rutsche."  Die  Magenerweiterung  bildete  sich 
sehr  rasch  —  man  könnte  sagen  acut  —  zurück.  Schon  nach  3  Wochen 
konnte  die  Kranke  fast  alles  essen:  die  Bauchwunde  war  unter  einem 
Verband  per  primam  geheilt.  4  Wochen  nach  der  Operation  wurde 
die  Fat.  aus  meiner  Klinik  entlassen.  Sie  erholte  sich  ausserordentlich 
rasch  und  wiegt  jetzt  nach  14  Jahren  120  Ff  und,  sie  hat  also  40  Pfund 
zugenommen.  Ich  habe  mich  erst  in  diesen  Tagen  von  ihrem  blühen- 
den Aussehen  und  ihrer  vollkommenen  Gesundheit  überzeugen  können. 

Epicrise:  Man  ersieht  aus  dem  Mitgeteilten,  wie  merk- 
würdig in  jeder  Beziehung  dieser  Fall  ist.  Wir  erfahren  aus 
der  Anamnese  nichts,  was  auf  Gallensteine  hindeuten  könnte: 
es  ist  weder  Ikterus  noch  Gallensteinkolik  dagewesen. 

Wie  die  Anamnese  so  konnte  auch  die  Untersuchung  niemals 
den  Verdacht  auf  Gallensteine  lenken.  Ich  fand  eine  hoch- 
gradige Magenerweiterung  in  Folge  einer  Pylorusgeschwulst. 
und  als  ich  den  Magen  mit  Luft  anfüllte,  gingen  die  beiden 
Curvaturen  direkt  in  die  Geschwulst  über.  Ob  die  Unter- 
suchung des  Mageninhalts,  welche  bei  der  nach  rascher  Abhilfe 
drängenden  Pat.  leider  versäumt  wurde,  bei  der  Stellung  der 
Diagnose  etwas  genützt  hätte,   möchte   ich   nicht   entscheiden : 


—     5     — 

der  gefundene  Tumor  verlangte  auf  jeden  Fall  gebieterisch 
einen  sofortigen  blutigen  Eingriff. 

Dass  die  Diagnose  der  Geschwülste  in  abdomine  überhaupt 
und  besonders  der  Nachweis  ihres  Ausgangspunktes  gar  oft  recht 
schwer,  ja  manchmal  ganz  unmöglich  ist,  ist  zur  Genüge  be- 
kannt. Für  solche  Fälle  bleibt  uns  der  Probeschnitt,  der  erst 
in  den  letzten  Jahren  zu  seiner  Geltung  gekommen  ist.  In 
diesem  Falle  glaube  ich  ganz  bestimmt,  dass  nur  die  proba- 
torische  Laparotomie  das  Dunkel  der  Diagnose  lichten  konnte, 
und  es  war  selbst  nach  weiter  Eröffnung  der  Bauchhöhle  und 
nach  klarer  Freilegung  der  Verhältnisse  nicht  ganz  leicht,  sich 
sofort  eine  richtige  Vorstellung  von  der  Sachlage  zu  machen. 

Auch  die  Aetiologie  des  Falles  hat  ihre  Merkwürdigkeiten. 
Wenn  ich  zwar  die  Meinung  vertrete,  dass  durch  den  Reiz  der 
Gallensteine  die  Gallenblase  an  den  Anfangsteil  des  Duodenums 
fixiert  wurde,  so  dass  es  zu  einer  Knickung  und  Strikturierung 
desselben  mit  consecutiver  Pylorushypertrophie  und  Magen- 
dilatation kam,  so  gebe  ich  gern  zu,  dass  auch  andere  Möglich- 
keiten nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden  können.  So  konnte 
z.  B.  das  Mädchen  ein  Duodenalgeschw'ür  gehabt  haben,  das  ja 
nicht  selten  ohne  irgend  welche  Symptome  verläuft;  von  diesem 
Geschwür  konnte  die  Entzündung,  welche  dann  die  Gallenblase 
an  das  Duodenum  fixierte,  ausgegangen  sein.  Es  konnten  dann 
beide  Momente  an  der  Pylorusstenose  schuld  sein,  die  Abknickung 
durch  die  Verwachsungen,  als  auch  das  zur  Narbe  gewordene 
Geschwür.  Aber  ich  fand  bei  der  Operation  weder  ein  Geschwür 
noch  eine  Narbe  und  halte  somit  die  obige  Ansicht  für  die 
richtige. 

Der  Fall  ist  endlich  für  den  inneren  Arzt  wie  für  den 
Chirurgen  eine  Mahnung,  selbst  in  den  verzweifeltsten  Fällen 
die  Hände  nicht  müssig  in  den  Schoss  zu  legen.  Bei  der  auf 
Pyloruscarcinom  gestellten  Diagnose  —  und  soviel  ich  weiss, 
haben  alle  Kollegen,  die  die  Pat.  vor  mir  behandelt  haben, 
den  Fall  so  gedeutet  —  hätte  vielleicht  mancher  Arzt  wegen 
der  traurigen  Resultate  in  der  chirurgischen  Therapie  dieser 
Krankheit  die  Pat.  ihrem  Schicksal  überlassen  oder  hätte  wo- 
möglich gar  von  einer  Operation  abgeraten.  Dann  wäre  sie  an 
einem  Leiden  zu  Grunde  gegangen,  dem,  wie  wir  gesehen  haben, 
nicht  allzu  schwer  abzuhelfen  war.  In  solchen  Fällen  ist  — 
ich  wiederhole    das  noch   einmal   mit    allem  Nachdruck  —   die 


probatorische  Laparotomie  nicht  nur  erlaubt,  sondern  geradezu 
Pflicht  des  Arztes.  Dieser  Fall  war,  wie  gesagt,  meine  erste 
Gallensteinoperation.  Heute  würde  ich  wahrscheinlich  die 
Ectomie  und  Gastroenterostomie  gemacht  haben,  damals  nahm 
ich  2  Operationen  vor,  die  ich  jetzt  —  14  Jahre  später  —  als 
falsch  bezeichne.  Damals  hatte  ich  einen  guten  Erfolg.  Gb 
ich  heute  mit  Ectomie  und  Gastroenterostomie  ebenso  glücklich 
sein  würde.     Wer  weiss? 

Nr.  2.     A  K.,  28  j.  Köchin  aus  Blankeuburg. 

Aufgen.:   13.  8.   1901. 

Operiert:    15.  3.   1901.    Appendicectomie.    Cystendyse. 

7.  5.  1901.     Cystostomie.    Hepatopexie. 
Entlassen:  30.  6.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  war  immer  gesund.  Seit  einigen  Jahren  hatte 
sie  öfters  Anfälle  von  Völle  und  Druckgefühl  in  der  Oberbauchgegend 
mit  Übelkeit,  aber  ohne  Erbrechen.  Ende  Dezember  1900  erkrankte 
sie  mit  Erbrechen  und  Schmerzen  rechts  oberhalb  des  Nabels,  sie 
hatte  Fieber  bis  39"  C,  der  Stuhl,  der  auch  sonst  träge  gewesen  war, 
war  angehalten  und  wurde  durch  Einlaufe  hervorgerufen.  Nach  an- 
fänglicher Besserung  verschlimmerte  sich  ihr  Zustand  noch  einmal,  im 
ganzen  lag  sie  6  Wochen  zu  Bett.  Seitdem  hat  sie  dauernd  Beschwer- 
den in  der  Blinddarmgegend,  Schmerzen  bei  Bewegungen  und  beim 
Stuhlgang.     Herr  Dr.  Lüddecke  riet  ihr  zur  Operatioo. 

Befund:  Gracil  gebautes  Mädchen  in  massigem  Ernährungs- 
zustand, Herz  und  Lungen  gesund,  Puls  und  Temp.  normal,  Urin  frei, 
Leib  flach,  weich,  oberhalb  der  Blinddarmgegend  fühlt  man  einen 
wurstförmigen  Tumor.     Gallenblasengegend  frei  von  Schmerzen. 

Diagnose:  Chron.  Appendicitis. 

Operation:  15.3.1901.  Längsschnitt  am  äusseren  Rand  des  musc. 
rect.  abci.  Appendix  verdickt,  verwachsen,  enthält  Eiter.  Heraus- 
geschnitten zeigt  sie  eine  verheilte  Perforationsstelle.  Lateral  vom 
Coecum  eingedickter  Eiter.  In  der  nicht  verwachseneu  Gallenblase 
ein  haselnussgrosser  Cholestearinstein.  Cystendyse.  Fäden  werden 
lang  gelassen.  Tamponade  nach  Yersorgnng  des  Appeiidixstnnipfes. 
Daqer  der  Operation  */«  Stunde.     Essiglappen  auf  den  Mund. 

Verlauf:  Fieberfrei. 

29.  3.  Verband-Wechsel.  Entfernung  der  Tampons  und  der  Fäden 
an  der  Gallenblase,  sowie  der  Nähte. 

22.  4.  Pat.  klagt  über  Schmerzen  in  der  Magengrnbe,  hat  keinen 
Appetit,  Sohwindelgefühl.  Der  Anfall  geht  bald  vorüber.  Ebenso 
25.  4.  und  27.  4. 

1.  5.  Heute  wieder  ein  Anfall,  nach  Morphium  geht  er  vorüber. 
Die  Schmerzen  beginnen  in  der  Galleublasengegend,  ziehen  zum  Kücken, 
strahlen  anch  znr  Brnst,  Beklemmung,  Schwindelgefiihl. 


—     7     - 

4.  5.  Pat.  hat  heute  Nacht  heftige  Schmerzen  gehabt,  morgens 
zeigte  sich  der  Verband  gallig  durchtränkt. 

Vorband -Wechsel.  Auskratzung  der  entstandenen  Fistel,  die 
Sonde  dringt  mit  einiger  Schwierigkeit  in  die  Gallenblase  ein.  Ein 
Stein  ist  nicht  zu  tasten.    Ausspülung.    Verband. 

6.  5.  Wieder  Galle  im  Verband.  Wechsel.  Keine  Galle  im  Ver- 
band.   Wieder  Koliken. 

Operation:  7.  5.  1901.  Leberrandschnitt,  lateral  bis  zur  Fistel. 
Leber  mit  perlt,  pariet.  verwachsen.  Gallenblase  gross,  sehr  wandrer- 
dickt, enthält  schmierige  dicke,  stinkende  Galle,  keine  Steine.  Drainage, 
nachdem  die  Leber  mit  4  Suturen  (Draht)  am  Perit.  pariet.  fixiert  ist. 
Tamponade.     Dauer  der  Operation  '/4  Stunden. 

Verlauf:  Fieberfrei. 

12.  5.  Abführen.  22:  5.  Verband -Wechsel.  Herausnahme  der 
Tampons,  Fäden  und  Nähte.  26.  5.  Steht  auf.  Täglich  Verband- 
wechsel. 

1.  6.    Alle  2—8  Tage  Verbandwechsel. 

Bis  15.  6.  desgleichen. 

30.  6.    Geheilt. 

Epicrise:  Ich  fand  bei  der  Resektion  des  proc.  vermif. 
einen  grossen  Stein  in  der  Gallenblase,  den  ich  herausschnitt, 
da  ich  den  Bauchdeckenschnitt  nicht  zu  verlängern  brauchte 
und  die  Operation  höchstens  um  10  Minuten  verzögert  wurde. 
Da  gar  keine  Spur  von  Entzündung  in  der  Gallenblase  sich 
zeigte,  vernähte  ich  die  Oallenblasenincision  und  versenkte 
das  Organ. 

Trotzdem  ich  die  Fäden  nur  durch  die  Serosa  und  Mus- 
cularis  führte  und  dieselben  lang  Hess  und  später  entfernte, 
trat  eine  Infektion  in  der  Gallenblase  ein,  und  nun  kam  es  erst 
lecht  zu  Koliken. 

Der  Fall  lehrt  recht  deutlich  die  Nachteile  der  Cysten- 
djse,  und  obwohl  ich  so  oft  mich  gegen  diese  Operation 
ausgesprochen  habe,  bin  ich  doch  wieder  auf  sie  herein- 
gefallen. 

Von  jetzt  an  weiss  ich  aber  ganz  genau:  Eine  Cysten- 
dyse  führe  ich  nie  wieder  aus. 

II.   Die  zweizeitige  Cystostomie. 

Nr.  3.     Dr.  W.,  44 j.  Arzt  aus  Wilna. 

Aufgen.:  12.  10.  1898. 

Operiert:  16.  10.  1898.     Zweizeitige  Cystostomie. 

Entlassen:  1.  12.  1898.     Geheilt. 


Anamnese:  Pat.  hat  als  Student  Lungenspitzenkatarrh,  als 
jüngerer  Arzt  eine  Pleuritis  exsudät.  sinistra  durchgemacht,  beide  sind 
ausgeheilt. 

Vor  etwa  6  Jahren  bekam  Pat.  häufig  nach  schweren  fetten  Speisen 
krampfartige  Schmerzen  in  der  Magengegend,  welche  nach  dem  Rücken 
ausstrahlten,  selten  von  leichtem  Erbrechen  begleitet  waren  und  von  • 
ihm  als  von  einem  Magenkatarrh  ausgehend  gedeutet  wurden.  Nicht 
lange  danach,  vor  ca.  ö'/a  Jahren  setzte  plötzlich  ohne  nachweisbare 
Ursache  ein  typischer  Gallensteinkolikanfall  ein,  der  mit  ileusartigen 
Erscheiuungen  einherging,  so  dass  die  Laparotomie  in  Frage  gezogen 
wurde.  Heftige,  krampfartige  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  reich- 
liches Erbrechen,  dabei  aufgetriebener  Leib  und  drei  Tage  lang  Stuhl- 
verstopfung; dazu  Ikterus,  der  2  Wochen  anhielt,  viel  Gallenfarbstofl" 
im  Urin,  grosse  Prostation.  Pat.  hütete  5—6  Wochen  das  Bett;  ging 
dann  nach  Karlsbad.  Nach  der  Karlsbader  Kur  eine  Zeit  lang  Wohl- 
befinden, dann  stellten  sich  nach  Diätfehlern  wieder  leichte  Koliken 
ein.  Im  folgendem  Frühjahr  wieder  ein  Anfall,  fast  so  heftig  wie  der 
erste  —  Pat.  sucht  wieder  Hilfe  in  Karlsbad.  2  Monate  nach  der  Rück- 
kehr von  dort  erneuter  heftiger  Anfall  mit  Ikterus,  Fieber  u.  s.  w.  In 
der  Folge  traten  nun  in  grösseren  und  kleineren  Zwischenräumen  An- 
fälle auf,  die  in  ihrer  Intensität  wechseln,  teils  mit,  teils  ohne  Ikterus,  meist 
unter  leichten  Temperatursteigerungen.  Pat.  sucht  nochmals  Karls- 
bad auf,  findet  dort  jedesmal  Linderung  und  ist  mehrere  Monate  nach 
der  Kur  beschwerdefrei,.  Im  Frühjahr  1898  trifft  ihn  während  des  Karls- 
bader Aufenthaltes  ein  äusserst  heftiger  Anfall,  dabei  war  zwar  viel 
Gallenfarbstoff  im  Urin,  der  Hautikterus  aber  sehr  gering.  In  den 
folgenden  Monaten  magerte  Pat.  beträchtlich  ab,  klagte  fast  dauernd 
über  dumpfe,  bohrende  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend ,  welche 
ihn  sehr  nervös  machten  und  in  Arbeits-  und  Leistungsfähigkeit  be- 
schränkten. Im  letzten  Juli  warf  ihn  ein  gewaltiger  Anfall  nieder; 
derselbe  setzte  mit  intensivem,  l'/2 stündigem  Schüttelfrost  ein,  die 
Temperatur  stieg  auf  40**,  hielt  sich  3  Tage  lang  so  hoch,  Ikterus  und 
alle  übrigen  Symptome  des  typischen  Kolikanfalls  waren  vorhanden. 
Nach  zweiwöchentlicher  Bettruhe  konnte  Pat.  wieder  aufstehen,  fühlte 
sich  aber  matt  imd  hinfällig,  unlustig  zur  Arbeit;  trotz  sorgfältigster 
Diät  plagten  ihn  ständig  dumpfe,  bohrende  Schmerzen  in  der  Gallen- 
blasengegend. 

Steine  sind  während  der  Erkrankung  nicht  gesucht  worden.  Ab- 
gang solcher  ist  nie  bemerkt. 

Befund:  Magerer  blasser  Mann.  Etwas  Arteriosclerose.  Urin  frei 
von  Eiweiss,  Zucker  und  Gallenfarbstoff.  Herz  und  Lungen  gesund. 
In  der  Gallenblasengegend  geringe  Resistenz.  Kein  Tumor,  keine 
Lebervergrösserung.    Temperatur  normal. 

Die  Diagnose  wird  auf  geschrumpfte  Gallenblase  mit  Steinen 
gestellt.    Adhäsionen. 

Operation:  16.  10.  98.  Dauer  '/*  Stunden.  Keine  gute  Chloro- 
formnarkose. Längsschnitt  im  rechten  M.  roct.  abdom.  Gallenblase 
klein,   geschrumpft,    einige    Adhäsionen    mit   dem  Queroolon.    leichte 


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Trennung.  Cysticus  frei,  hier  eine  gesehwollene  Drüse  zu  fühlen. 
Excision  wegen  tiefer  Lage  und  schlechter  Narkose  iiuniöglich,  ebenso 
l'ysiostoniie.  Die  seitlich  von  der  Gallenblase  gelegeneu  Partien  des 
unteren  Leberrandts  werden,  um  die  gelb  verfärbte,  2  grosse  Steine 
enthaltende,  uuerötfuete  Gallenblase  für  einen  weiteren  Eingriff  zu- 
gänglich zu  uiachen,  mühsam  mit  dem  Peritoneum  parietale  vernäht. 
Dann  Tamponade  mit  steriler  Gaze  an  der  Gallenblase  entlang.  Schluss 
der  übrigen  Kauchhöhie. 

Nach  der  Narkose  in  den  ersten  24  Stunden  viel  Erbrechen  bräun- 
licher Massen  (Blul).  Kein  Fieber,  Puls  80,  gut,  kräftig.  Abends  38"  C. 
in  ano,  Puls  80.  Dasselbe  wiederholt  sich  sehr  häufig,  so  dass  eine 
Ausspülung  des  Magens  mit  2proz.  Sodalösung  mit  nachfolgender  Spülung 
einer  1  pM.  Arg.  nitricnmlösnng  vorgenommen  wird.  Daneben  Nähr- 
klystiere  mit  Znsatz   von  Seeale  cornnt.  0,5. 

Das  Bluterbrechen  hielt  ca.  3  Tage  an  und  Hess  dann  nach  häufiger 
Ausspülung  des  Magens  mit  Eiswasser  nach.  Pat.  hatte  dann  viel 
unter  Husten  zu  leiden,  wobei  ihn  die  Wunde  schmerzte.  Sonst  war 
der  Verlauf  fieberfrei.  10  Tage  nach  der  Operation  wurde  nach  Ent- 
fernung der  Tamponade  die  Gallenblase  mit  dem  Messer  eröffnet  und 
Eiter  entleert.  Ein  ca.  kirschgrosser  Stein  wird  mit  der  Zange  ent- 
fernt, ein  zweiter  lag  mehr  in  der  Tiefe.  Neue  Ausstopfung  der 
Wunde.  Am  1.  11.  neuer  Verband.  Der  zweite  Stein  kann  erst  ge- 
fusst  werden,  nachdem  mit  einem  Knopfmesser  die  mediale  Wand  der 
Gallenblase  gespalten  ist.  Es  wird  ein  haselnussgrosser  Stein  heraus- 
befördert. Darauf  fliesst  Galle  in  massigen  Mengen.  Am  5.  11.  98. 
steht  Pat.  mit  einem  breiten  Heftpflasterstreifen  um  den  Bauch  zum 
1.  Mal  auf.  Appetit  und  Stuhlgang  in  Ordnung,  der  Husten  hat 
nachgelassen.  Immer  normale  Temperatur.  Am  1.  12.  mit  fast  ge- 
schlossener Wunde  in  seine  Heimat  Wilna  entlassen. 

Epicrise:  Der  Fall  ist  dadurch  interessant,  dass  nach 
ganz  leichter  Operation  sehr  starkes  Bluterbrechen  eintrat, 
welches  unter  geeigoeter  Behandlung  am  3.  Tage  authörte. 

Nr.  4:.    R.  K.,  37j.  ßeamtenfrau  aus  Lodz  (russ.  Polen). 

Aufgen.:   17.  9.  1901. 

Operiert:  I.   20.  9.   1901.     Eröffnung   der  Bauchhöhle. 

Tamponade.     II.  4.  10.  1901.     Cystostomie. 
Entlassen:  30.  11.  1901.     Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  hat  2  Frühgeburten  und  3  normale  Entbindungen 
durchgemacht.    Sie  war  im  allgemeinen  gesund. 

Vor  ca.  10  Jahren  hatte  sie  einen  Anfall  von  Atemnot;  dabei 
traten  Schmerzen  im  rechten  Hypochondrium  auf.  Der  Anfall  ging 
schnell  vorüber.  Doch  litt  Pat.  danach  längere  Zeit  an  Magenbeschwer- 
den, machte  auch  zu  Hause  eine  Karlsbader  Kur  durch. 

Im  Winter  1896/7  hatte  sie  einen  sehr  heftigen  Anfall  von  bohren- 
den Schmerzen   in   der  Lebergegend,    die  zum  Rücken,   zwischen   die 


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Schulterblätter  und  in  die  rechte  Schulter  ausstrahlten,  mit  Atemnot, 
Erbrechen.    Ob  F'ieber  und  Ikterus  da  waren,  weiss  Fat.  nicht. 

Danach  hatte  sie  fast  alle  Tage  nach  dem  Essen  einen  kleinen 
Anfall,  der  auf  heisse  Umschläge  schnell  schwand. 

Im  Frühjahr  1897  war  sie  zum  1.  Male  in  Karlsbad,  dort  hatte 
sie  anfangs  leichte  Schmerzen,  dann  fühlte  sie  sich  wohl;  nach  Hause 
zurückgekehrt  war  ihr  Zustand  bald  wieder  wie  vorher.  Seitdem  war 
sie  jedes  Jahr  in  Karlsbad,  im  ganzen  5  Mal,  ihr  Zustand  blieb  unver- 
ändert, nur  kamen  in  den  letzten  Jahren  die  Anfälle  seltener  aber 
heftiger.  Sie  beobachtete  danach  in  der  letzten  Zeit  öfter  Ikterus  der 
Konjunktiven.  Der  Urin  war  dunkelbraun,  den  Stuhl  hat  sie  hin- 
sichtlich der  Farbe  nicht  betrachtet.  Im  letzten  Winter  sind  mehrere 
weiche  Steine  von  über  Erbsengrösse  abgegangen. 

Im  letzten  Winter  hatte  sie  2  grössere  und  mehrere  kleinere  An- 
fälle. Sie  kam  bei  grösseren  Anfällen  sehr  herunter,  erholte  sich  aber 
schnell  wieder. 

Im  Juni  1901  hatte  sie  wieder  einen  heftigeren  Anfall,  doch  waren 
die  Schmerzen  diesesmal  anderer  Art  als  bisher.  Es  waren  mehr 
dumpfe,  bohrende  und  stechende  Schmerzen  im  rechten  Hypochondrium, 
dabei  hatte  sie  Erbrechen,  Schüttelfröste,  Temp.  ist  aber  nicht  ge- 
messen worden,  Ikterus  der  Konjunktiven,  der  Urin  war  dunkelbraun, 
auf  den  Stuhl  hat  sie  nicht  geachtet.  Der  Anfall  dauerte  ca.  14  Tage. 
Als  sie  sich  erholt  hatte,  ging  sie  im  August  nach  Karlsbad.  Dort 
hatte  sie  einen  dem  vorigen  gleichen  Anfall,  der  von  ihrem  behan- 
delnden Arzt,  Herrn  Dr.  Simon- Karlsbad,  genau   beobachtet  wurde. 

Aul  Rat  des  Herrn  Dr.  Simon  und  ihres  Bruders,  des  Herrn 
Dr.  Gärtner- Breslau,  entschliesst  sich  Fat.  zur  Operation  und  kommt 
hierher. 

Befund:  Frau  in  gutem  Ernährungszustand,  von  blass-gelblicher 
Gesichtsfarbe. 

Leib  mit  reichlichem  Fettpolster,  weich.  Befund  bis  auf  leichte 
Resistenz  der  Gallenblasengegend  negativ.  Augenblicklich  keine 
Schmerzen. 

Urin  frei  von  pathol.  Bestandteilen.    Temperatur  und  Puls  normal. 

D  iagnose  :  Chron.  recid.  Cholecystitis,  vielleicht  Steine  im  Chole- 
dochus  (jetzt  latent). 

Operation:  20.  9.  Ol.  Schlechte  Chloroform  -  Narkose.  Wellen- 
schnitt. Die  Leber  liegt  sehr  hoch,  so  dass  es  sehr  schwer  ist,  an  sie 
heranzukommen.  Die  Gallenblase  ist  hochgradig  geschrumpft,  sie  enthält 
Steine,  ebenso  stecken  Steine  im  Cysticus.  Hepaticus  und  Choledochus 
scheinen  frei  zu  sein.  Zwisc.iieii  Hals  der  Galleublase  nnd  Duodenum  besteht 
eine  feste  Yerbindun^  (sicher  bestellende  oder  in  Entwicklung  begri'i^- 
fene  Fistel,  mit  einem  Stein).  Bei  der  Unzui^ting^lichkeit  der  Gallen- 
blase, zumal  Pat.  fortwährend  presst,  ist  es  nicht  möglich,  die  Ectomie 
zu  machen.  Cystoatomie  mit  Schlanchverfahren  ist  wegen  des  sicher 
sehr  infectiösen  Inhalts  der  GallenlHase  zu  gefährlich,  e.s  wird  deshalb 
beschlossen,  die  (Operation  /welzeitig  auszuführen  und  rorläiifig  durch 
reichliche  Tamponade  der  Weg  zur  Gallenblase  offen  gehalten. 


—    11    — 

Verlauf:  20.  9.  Ol.    Abends  37,8,  Puls  80. 

21.  9.  Ol.  38,1,  Puls  88.  Etwas  Chloroformerbrechen,  seit  gestern 
Abend  nicht  mehr.    Nachts  Kollern  im  Leibe,  Urin  spontan.    88,1. 

22.  9.  Ol.  38,0,  Puls  90.  Blähungen  im  Gange.  Normaler  Ver- 
lauf.   25.  9.     Abführen. 

I.  10.  Ol.  Fortgesetzt  Klagen  über  Schmerzen  in  der  Gallenblasen- 
gegend. (Koliken?)    Morphium. 

4.  10.  Ol.  Entfernung  der  Tamponade.  Gute  Granulationen  in  dem 
sehr  tiefen  Trichter.  Abschluss  nach  der  Bauchhöhle  durch  Ver- 
klebungen überall  sicher.  Es  gelingt  mit  vieler  Mühe,  die  Oallen- 
blasenknppe  mit  der  Pnnktionsspitze  zn  treffeu,  dann  mit  einem  spitzou 
Messer  zu  eröffnen.  Entleerung  trüber,  mit  Schleim  gemischter  Galle. 
3  Steine  mit  der  Koruzange  entfernt.  Spülung  mit  Kochsalzlösung. 
Tamponade.    Verband.     Abends  38,8.  Puls  90. 

II.  10.  Ol.    Verbandwechsel.    Es  werden  4  kleine  Steine  entfernt. 
14.  10.  Ol.    Verbandwechsel.     Es  wird   ein  grosser  Stein  mit  der 

Koruzange  gefasst,   derselbe  geht  dabei  in  Trümmer  nnd  wird  stück- 
weise entfernt,    Galle  fliesst  ziemlich  reichlich. 

16.  10.  Ol.  Verbandwechsel.  In  der  Tiefe  ein  Stein  zn  sondieren. 
Derselbe  kann  nicht  gefasst  werden.  Einlegen  eines  Laminariastiftes 
in  die  Oallenblasenöffnung. 

17.  10.  Ol.  Klagt  über  Rückenschmerzen.  Verbandwechsel.  Stift 
wird  herausgenommen.  Bei  Spülung  der  Gallenblase  wieder  6  ca.  kaffee- 
bohnengrosse  Steine  herausgespült.  Ein  neuer  Stift  wird  eingelegt. 
Abends  37,4.     Morphium. 

18.  30.  Ol.  38,6.  Verbandwechsel.  Ein  kleiner,  erbsengrosser 
Stein.    Tamponade  ohne  Stift. 

Da  Pat.  äusserst  empfindlich  ist  und  sofort  bei  jeder  Berührung 
der  Gallenblase  spannt,  so  wird  beschlossen,  den  heutigen  Verband- 
wechsel in  Narkose  vorzunehmen.  Es  werden  schleimiger  Eiter  und 
10  kleine  Steine  durch  Spülung  entleert.    Tamponade. 

28.  10.  Ol.    Fieberfreier  Verlaut.    Heute  Verbandwechsel.     Steine 
nicht  mehr  zu  sondieren^. 

3.  11.  Ol.  Verbandwechsel.  Gallenblase  mit  Mühe  zu  spülen. 
Es  wird  ein  kleiner  Stein  herausgespült.   Sonde  findet  keine  Steine  weiter. 

7.  11.  Ol.  Verbandwechsel.  Es  wird  wieder  ein  Steinchen  heraus- 
gespült. 

21.  11.  Ol.  Seit  dem  7.  11.  sind  keine  Steine  mehr  herausgespiilt 
worden.  Einige  Tage  nachher  yersiecht  der  Crallenfluss.  Wunde  jetzt 
durch   Granulation  wesentlich  verkleinert,   in   der  Tiefe    geschlossen. 

Pat.  ist  völlig  wohl  und  ausser  Bett. 

30.  11.  Ol.  Wird  mit  kleiner  granulierender  Wunde  entlassen. 
Ausgezeichnetes  Allgemeinbefinden. 

E  p  i  c  r  i  s  e  :  Pat.  war  eine  iieissige  Besucherin  von  Karls- 
bad. Aber  es  gelang  dort  nicht,  die  Latenz  der  Cholelithiasis 
herbeizuführen.  Deshalb  redete  auch  Herr  Dr.  Simon  sehr 
zur  Operation  zu.     Die  Anamnese   deutete  auf  eitrige  Entzün- 


—     12     — 

düng  in  der  Gallenblase  hin,  auch  war  es  nicht  ausgeschlossen, 
dass  der  Choledochus  Steine  enthielt.  Da  der  Befund  zur  Zeit 
der  Aufnahme  völlig  negativ  war,  konnte  die  Diagnose  nur  aus 
der  Vorgeschichte  gestellt  werden.  Man  fand ,  was  man  ver- 
mutete, und  bei  der  Unzugänglichkeit  der  Gallenblase  und  der 
schlechten  Narkose  war  man  gezwungen,  zweizeitig  zu  operieren. 
Bei  Frauen  macht  gewöhnlich  die  Freilegung  des  Gallensystems 
gar  keine  Schwierigkeiten,  bei  Männern  kommt  es  schon  häufiger 
vor,  (Jass  man  Mühe  hat,  die  Gallenblase  dem  Auge  und  der 
Hand  zugänglich  zu,  machen.  Frauen,  die  geboren  haben,  haben 
schlaffe  Bauchdecken,  sie  leiden  mehr  oder  weniger  an  Entero- 
ptose  resp.  Hepatoptose,  während  Männer  mit  strafi'en  Bauch- 
decken dem  Vordringen  des  Chirurgen  auf  Cysticus  und  Chole- 
dochus grosse  Hindernisse  in  den  Weglegen.  Zwar  gibt  der  von  mir 
geübte  Schnitt,  den  ich  sehr  empfehlen  mochte,  einen  ausgezeichne- 
ten Überblick  über  das  Gallensystem.  Aber  trotz  bester  Freilegung 
ist  besonders  bei  fetten  Personen  die  Orientierung  am  Gallensystem 
oft  so  schwierig,  dass  es  ganz  unmöglich  ist,  in  einer  Sitzung  fertig 
zu  werden.  Die  Kippenresektion  nach  Lannelongue  kompliziert 
den  Eingriff"  bedeutend  und  verursacht  störende  Hernien.  Quer- 
und  Schrägschnitte  helfen  nicht  viel.  So  bleibt  in  der  Tat  nichts 
Anderes  übrig,  als  zweizeitig  zu  operieren.  Da  es  nach  10  bis 
14  Tagen  schwer  ist,  in  dem  granulierenden  Wundtrichter  die 
kleine  geschrumpfte  Gallenblase  aufzufinden,  empfiehlt  Riedel 
die  Kuppe  der  Gallenblase  durch  einen  schwarzen  Faden  zu 
kennzeichnen.  Das  ist  ganz  praktisch,  es  kann  einem  aber 
leicht  passieren,  dass  man  die  Gallenblase  ansticht,  sodass  in- 
fektiöses Sekret  ausfliesst.  Sticht  man  aber  zu  oberfiächlich, 
so  findet  man  bei  der  zweiten  Operation,  dass  der  Faden  sich 
abgestossen  hat-  Ich  mache  mir  in  solchen  Fällen  nach  der 
Operation  eine  ganz  genaue  Skizze  von  dem  Operationsterrain, 
und  so  ist  es  mir  dann  immer  geglückt,  die  Gallenblase  wieder 
zu  finden  und  ohne  grosse  Schwierigkeiten  zu  eröff'nen.  Ist 
das  geschehen,  so  ist  die  Einleguiig  eines  Laminariastiftes  zu 
empfehlen.  Dabei  darf  man  aber  mit  dem  Morphium  nicht 
sparen ,  da  derartige  Manipulationen  gewöhnlich  recht  viel 
Schmerzen  herbeiführen.  Man  sorge  dalür,  dass  der  Wiind- 
trichter  recht  lange  weit  bleibt  und  überzeuge  sicii  bei  jedem 
Verbandwechsel  mit  der  Sonde,  ob  noch  Steine  zurückgeblieben 
sind.  Nicht  eher,  als  bis  man  sieht,  dass  die  Galle  ganz  klar 
abfliesst,  lasse  man  die  Wunde  zuheilen. 


—     13     — 

Die  zwischen  Gallenblasenhals  und  Duodenum  bestehende 
sehr  feste  Verbindung  deutete  auf  eine  bereits  vorhandene  oder 
in  Entwicklung  begriffene  Gallenblasen-Duodenalfistel  hin,  ein 
pathologischer  Befnnd,   der   nicht   selten  ist. 

Xr.  5.     Frau  P.,  53 j.,  aus  Husum. 

Aufgen.:  26.  3.  1897. 

Operiert:  29.3.  1897  und  10.  4.  1897.     Zweiz.  Cysto- 

stomie. 
Entlassen:  23.  5.  1897.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.,  Mutter  eines  gesunden  Kindes,  will  bis  zum 
Jahre  1866  vollständig  gesund  gewesen  sein.  Um  diese  Zeit  erkrankte 
sie  an  heftigen  Magenkrämpfen,  verbunden  mit  Erbrechen  und  Stuhlver- 
stopfung. Diese  Anfälle  wiederholten  sich  in  demselben  Jahre  noch 
mehrere  Male,  dann  blieb  Pat.  gesund  bis  zum  Jahre  1889,  wo  besonders 
heftige  Koliken  unter  Abgang  eines  etwa  erbsengrossen  Gallensteines 
sieh  einstellten.  Trotz  des  Steinabganges  weitere  Anfälle,  die  Pat. 
zwangen,  nach  Karlsbad  zu  gehen.  Eine  4  wöchentliche  Kur  brachte  keine 
Heilung.  Beständiges  Druckgefühl  ohne  eigentliche  Kolik  bis  zum  Jahre 
1895,  wo  abermals  unter  den  heftigsten  Schmerzen  zwei  etwa  haselnuss- 
grosse  Steine  abgingen.  Bei  diesem  Anfall  zum  ersten  Male  Ikterus.  Da 
eine  Besserung  trotz  Anwendung  der  verschiedensten  Mittel  nicht 
eintreten  wollte,  entschloss  sich  Pat.  im  März  1897  zur  Operation, 
nachdem  sie  in  diesem  Jahre  noch  eine  besonders  heftige  Kolik,  ver- 
bunden mit  Ikterus,  aber  ohne  Steinabgang,  durchgemacht  hatte. 

Befund:  Sehr  korpulente  Dame  von  gesundem  Aussehen. 
Kein  Ikterus.  Herz  und  Lungenbefund  normal.  Leber  und  Milz 
nicht  vergrössert.  In  der  Gallenblasengegend  besteht  starke  Druck- 
empfindliohkeit.  Kein'  tastbarer  Tumor.  Der  Urin  ist  frei  von  Eiweiss, 
Gallenfarbstoff  und  Zucker.  Braungefärbter  Stuhl.  Kein  Fieber,  Puls 
regelmässig,  kräftig,  83  Schläge  in  der  Minute. 

Diagnose:    Adhäsionen,  Steine  in  der  Gallenblase. 

Operation  am  29.  3.  97.  Chloroformnarkose.  Längsschnitt  im 
rechten  Muse.  rect.  abdomin.  Nach  Eröffnung  der  Uanchhöhle  zeigt 
sich  die  kleine  Leber  hoch  oben  unter  dem  Rippenbogen  liegend. 
Die  Gallenblase  ist  nicht  sichtbar.  Erst  nach  dem  Lösen  zahlreicher 
fester  Vernachsnngen,  die  rom  Netz  und  Magen  nach  dem  Fundas  der 
Gallenblase  hinziehen,  gelingt  es,  letztere  zn  fühlen.  Beim  Lösen  der 
Verwachsungen  in  der  Bauchhöhle  setzen  Puls  und  Atmung  des  Öfteren 
aus.  Da  der  Puls  andauernd  sehr  klein  bleibt,  entschliesst  man  sich 
zur  zweizeitigen  Operation.  Nachdem  die  Gallenblase  unter  grossen 
Schwierigkeiten  von  Verwachsungen  gelöst  und  sichtbar  gemacht  ist, 
wird  sie  mit  2  Fäden  an  das  Peritoneum  parietale  geheftet,  darauf 
ihre  ganze  Umgebung  fest  ausgestopft.  In  der  Gallenblase  selbst  wurden 
2  Steine  gefühlt.  Cysticus  und  Choledochus  frei  von  Steinen.  Teil- 
weiser Schluss  der  Bauch  wunde.    Dauer  der  Operation  l'/2  Stunde. 


—     14     — 

Verlauf:  Pat.  hat  den  Eingriff  gut  überstanden;  es  trat  kein  Fieber 
ein,  am  2.  Tage  post  operat.  spontaner  Abgang  von  Blähungen.  Nach 
Ablauf  von  12  Tagen,  am  10.  April  1897,  wird  zur  Eröffnung:  der  Gallen- 
blase geschritten,  da  nunmehr  angenommen  werden  kann,  dass  die 
Umgebung  der  Gallenblase  sich  nach  der  freien  Bauchhöhle  vai  gut 
abgeschlossen  hat.  Zunächst  wird  ohne  Narkose  der  Versuch  der 
Incision  gemacht;  da  diese  sich  aber  bei  der  Unruhe  der  Pat.  und  der 
ausserordentlichen  Tiefe,  in  welcher  die  Gallenblase  liegt,  als  unmög- 
lich erweist,  wird  die  Chloroformnarkose  eingeleitet.  Der  rechte  Rippen- 
bogen wird  durch  scharfe  Haken  stark  nach  oben  gezogen;  in  der 
Tiefe  wird  die  Gallenblase  sichtbar.  Punktion  derselben:  dabei  ent- 
leeren "sich  etwa  50  com  trübe  Galle.  Die  Gallenblase  wird  nun  durcli 
Schnitt  eröffnet;  die  eingeführte  Sonde  kommt  auf  einen  Stein,  e.s 
gelingt  denselben  mit  einer  langen,  gebogenen  Kornzange  zu  fassen, 
aber  nicht  zu  extrahieren.  In  den  Branchen  der  Zange  finden  sich 
feine  Steintrümmer.  In  die  eröffnete  Gallenblase  wird  ein  langes  Rohr 
gelegt;  dann  Vorband,  da  wegen  des  kleinen  Pulses  eine  längere  Nar- 
kose gefährlich  erscheint. 

Bei  den  nun  folgenden  Verbandwechseln  werden  teils  durch  Aus- 
spülen der  Gallenblase,  teils  mittelst  Kornzange  Steintrümmer  entfernt. 
Nach  langen  Bemühungen  sind  endlich  alle  Reste  entfernt,  in  der 
Gallenblase  kein  Stein  mehr  fühlbar.  Es  fliesst  Galle,  ein  Beweis,  dass 
der  Uuct.  cystic.  frei  ist.  Die  Heilung  schreitet  nun  ungestört  fort, 
so  dass  Pat,  völlig  geheilt  am  23.  5.  entlassen  werden  kann. 

E  p  i  c  r  i  s  e :  In  diesem  Falle  hatte  man  sich  notgedrungen 
zur  zweizeitigen  Operation  entschliessen  müssen,  da  die 
Narkose  so  ausserordentlich  schlecht  vertragen  wurde.     Man 

sieht  aber  aus  dem  sehr  protahierten  Krankheitsverlauf,  w^e 
schwer  es  gelingt,  bei  der  zweizeitigen  Cystostomie  alle  Steine 
zu  entfernen.  Jedenfalls  ist  in  den  Fällen,  wo  es  irgend  an- 
geht, die  einzeitige  Operation  der  zweizeitigen  vorzuziehen. 
Nur  bei  hochgradiger  Schwäche  des  Pat.  ist  letztere  indiziert. 


III.  Die  einzeitige  Cystostomie. 

a)  Mit  völliger  Einiiähung  der  Gallenblase  in  die 
Bauch  wunde. 

Nr.  ö.     A.  V.,  40 j.  Rechtsanwalt  aus  Neapel. 

Aufgen.:  4.  10.  1903. 

Operiert:  6.  10.  1903.     Cystostomie. 

Entlassen:  2.  11.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  Bis  zum  18.  Lebensjahre  gesund,  damals  trat  ohne 
Schmerzen  8  Tage   anhaltender  Ikterus   auf,    ohne  Fieber;   Stuhl  und 
Urin  normal.     Vom  20.  bis  30.  Jahre  litt  Pat.  viel  an  schwerer  Malaria 


—      15     — 

mit  Darmblutungen  im  28.  Jahre  (teilweise  Quoditiana,  die  Blutungen 
dauerten  4  Tage  lang).  Im  Mai  1902  Anfall  von  dreistündigen  heftigen 
Magenschmerzen,  welche  2  Monate  lang  anhaltende  Rückenschmerzen 
zurückliessen,  dabei  beständiger  Brechreiz.  Im  September  1902  Schmer- 
zen in  der  Gallenblasengegend,  Brechen,  kein  Ikterus,  Fieber  bis  39,0. 
Damals  wurde  eine  Anschwellung  der  Gallenblase  festgestellt.  März 
1903  machte  Fat.  eine  Naunyn'sche  Kur  durch.  Seit  September  1903 
besteht  wieder  dauernder  Rückenschmerz,  ab  und  zu  Empfindlichkeit 
der  Gallenblase.  Im  Juli  1903  Karlsbader  Kur;  im  Laufe  der  Zeit 
leichte  Besserung,  Empfindlichkeit  und  Schwellung  der  Gallenblase 
etwas  geringer;  Rückenschmerzen  bestehen  in  leichtem  Grade  fort. 
Gewichtsabnahme  im  letzten  Jahre  etwa  20  kg.  Fat.  kommt  auf  An- 
raten des  Frof.  der  Chirurgie  und  Gynäkologie  Herrn  C  a  b  a  1  d  i  in 
Napoli  zur  Operation  in  die  Klinik. 

.   Befund:    Grosser,    sehr   beweglicher,   etwas    druckempfindlicher 
Tumor  der  Gallenblase.    Kein  Ikterus.     Urin  frei;  Herz,  Lunge  gesund. 

Diagnose:  Hydrops  vesicae  felleae. 

Operation:  9.  10.  03  in  Gegenwart  des  Herrn  Frof.  Ca  bald  i- 
Xeapel  Wellenschnitt.  Galleublase  sehr  gross,  enthält  ca.  200  gr.  ganz 
klare,  wasserlielle  Flüssigkeit  und  einen  liaselnnssgrossen  Solitär- 
( holestearin  -  Stein  von  bester  Krystallisation  im  Hals.  Einige  Ver- 
wachsungen mit  dem  Netz  werden  gelöst.  Cystostomie.  Dauer  der 
Operation  35  Min.  Gute  SauerstofT-Chloroform-Narkose  (45  gr.).  Vorher 
0,01  Morphium.     Galle  läuft  sofort  aus  dem  Rohr. 

Glatter  Verlauf. 

Epicrise:  Im  Sept..  1902  hatte  Pat.  eine  fieberhafte 
Cholecystitis  durchgemacht.  Trotzdem  blieb  nur  ein  steriler 
Hydrops  zurück.  Der  Wellenschnitt  lässt  in  solchen  Fällen  ein 
schnelles  Herabdrücken  der  Steine  im  Gallenblasenhals  zu, 
während  bei  kleinem  Schnitt  das  ziemlich  schwierig  ist.  Eine 
Cystostomie  genügt'. 

Nr.  7.     28 j.  Pastorsfrau  aus  Strasburg,  Westpr. 

Aufgen.:   18.  J.   1904. 
Operiert:  15.  1.  1904.     Cj^stostomie. 
Entlassen:  17.  2.   1904.     Mit  Gallenfistel  entlassen. 
Die   Anamnese   stammt   von   dem    behandelnden   Arzte   Herrn 
Dr.  Krause,  Strasburg  (Westpr.)  und  lautet: 

„Frau  Ffarrer  D.  hierselbst  beabsichtigt,  sich  in  Ihre  Klinik  am 
Dienstag,  den  12.  d.  M.  aufnehmen  zu  lassen. 

Dieselbe,  28  Jahre  alt,  erkrankte  im  Sommer  1902  an  Magen- 
schmerzen, welche  ich  damals  trotz  des  negativen  Befundes  (keine 
Schwellung,  kein  Ikterus)  auf  Gallensteine  zurückführte.  Eine  Trink- 
kur mit  Karlsbader  Mühlbrunnen  schaffte  bald  Linderung  und  fühlte 
sieh  Fat.  bald  wieder  ganz  wohl. 

Frau  D.  Hess  mich  am  25.  Dezember  1903  wieder  holen,  gab  an, 
sie  hätte  vor  ca.  10  Tagen  schon  einmal  Schmerzen  gehabt  und  klagte 


-     16     - 

gegenwärtig  wieder  über   so  heftige  Beschwerden,   dass  ich  eine  Mor- 
phiuminjektion machen  musste.     Der  Befund  war  folgender: 

Leber  2—3  Finger  breit  vergrössert,  sehr  prall  gespannt  und  em- 
pfindlich. Der  Riedel'sche  Lappen  ragt  fast  bis  zur  Nabelhöhe  herab. 
Kein  Ikterus.    Abgang  von  Steinen  nicht  beobachtet. 

Allmählich  lassen  Schwellung  und  Schmerzen  nach,  doch  fühlt 
man  noch  heute  einen  Tumor,  der  bis  zum  Nabel  herabreicht  und  den 
ich  für  die  erweiterte  Gallenblase  halten  möchte.  Derselbe  ist  gegen 
Druck  und  beim  Verschieben  mittelst  bimanueller  Untersuchung  sehr 
empfindlich.  Stuhlgang  angehalten,  ist  dunkel-  bis  gelbbraun.  Steine 
nicht  gefunden.  Urin  frei  von  Gallenfarbstoff  und  li]iweiss.  Tem- 
peratur immer  normal.    Appetit  und  Allgemeinbefinden  leidlich. 

Da  ich  den  Fall  für  geeignet  zur  Operation  ansehe ,  erlaube  ich 
mir,  die  Pat.  Ihnen  zu  übergeben. 

Frau  D.  hat  5  Wochenbetten  durchgemacht,  sämtliche  Kinder 
leben". 

Dazu  bemerken  wir  noch : 

Mutter  der  Pat.  ist  an  Magen-  und  Leberkrebs,  Vater  an  Para- 
lysis  agitans  gestorben.  5  gesunde  Kinder.  Pat.  ist  im  zweiten  Monat 
gravida.  Bis  auf  die  Kinderkrankheiten  und  Nierenentzündung  nach 
Scharlach  ist  Pat.  immer  gesund  gewesen. 

Im  Juni  1902  kurz  nach  der  Entbindung  plötzlicher,  dumpfer, 
überwältigender  Schmerz  in  der  Lebergegend^  sodass  Pat.  beinahe  ohn- 
mächtig wurde.  Das  dauerte  etwa  einen  halben  Tag,  dann  fühlte  sich 
Pat.  wieder  wohl.  Kein  Ikterus,  kein  Erbrechen,  ob  Stuhl-  oder  Urin- 
veränderungen vorlagen,  ist  nicht  bekannt.  Ein  derartig  typischer 
Kolikanfall  ist  überhaupt  nicht  wieder  aufgetreten.  Schon  seit  fast 
10  Jahren  leidet  Pat.  an  häufigen  Aufstossen,  oft  Tage  lang  anhaltend. 
Auch^ öftere  leichte  Magenbeschwerden,  Druck,  Widerwillen  gegen 
sauere  Speisen  und  Fleisch.  Aufregungen  wirkten  auch  leicht  auf  den 
Magen  der  Pat.  Bei  dem  Schmerzanfall  am  25.  XII.  03  bestand  deut- 
liches Gürtelgefühl.  Nie  Fieber,  keine  Abmagerung,  keine  stärkere 
Beeinträchtigung  im  Allgemeinbefinden. 

Vor  der  Aufnahme:  Nie  Ikterus,  einmal  Lebersohwellung  und 
Gallenblasentumor. 

Bei  der  Aufnahme:  Kein  Ikterus,  keine  Leberschwellung, 
schmerzhafter  Gallenblasentumor. 

Befund:  Am  13.  1.  04  sehr  deutlicher,  langgestreckter,  harter 
Tumor  der  Gallenblase,  Leber  nicht  gross,  kein  Ikterus. 

Am  15.  1.  04  Tumor  bedeutend  kleiner;  selbst  in  der  zwoks 

Operation  am  15.  1.04  eingeleiteten  Narkose  (Sauerstoff-Chloro- 
form 70  gr.)  kaum  mehr  nachweisbar.  Grosse,  aberschlaffe,  sehr  wand- 
verdickte Gallenblase.  Fundus  spitz  ausgezogen,  mit  Netz  verwachsen. 
Trennung.  Der  äus.serste  Zipfel  des  Netzes  etwas  verfärbt,  wird  aligetrageii. 
3  Unterbindungen.  Gallenblase  blaurot  mit  Fibrin  belegt,  wird  punktiert. 
Aspiration  von  40  gr.  Eiter.  30  Steine,  davon  5  grosse,  1  walnussgross 
(Schluss-Stein).  Dieser  lässt  sicli  leiclit  fundusnärta  drücken.  Cysto 
stomia  totalis.    Viel  Pressen  bei  der  Nurkose. 


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Dauer  der  Operation  50  Min.    Aus  dem  Rohr  fliesst  Galle. 

15.  1.  04:  Befinden  nach  der  Operation  gut.  Kein  Erbrechen. 
Galle  läuft. 

16.  1.  04:    Blähungen  gehen  bereits  spontan.    Wenig  Aufstossen. 
20.  1.  04:  Pat.  führt  ab. 

28.  1.  04:  Erster  Verbandwechsel.  Wunde  per  primam  geheilt; 
Entfernen  sämtlicher  Hautnähte ,  Drähte  und  langen  Fäden.  Beim 
Ausspülen  der  Gallenblase  werden  noch  2  etwas  über  erbsengrosse  grau- 
weisse  Steine  entfernt. 

31.  1.  04:  Fat.  steht  auf. 

I.  2.  04:  In  vergangener  Nacht  hat  Fat.  vorübergehend  Magen- 
drücken gehabt. 

4  2.04:  Letzte  Nacht  ein  zweistündiger  Anfall  von  Magenkrampf, 
Fat.  fühlt  sich  am  Morgen  ziemlich  matt.  Beim  Verbinden  zeigt  sich, 
dass  noch  ein  erbsengrosser,  kantiger  Stein  in  der  Galleublase  steckt, 
welcher  heransgespfilt  wird.  Galle  fliesst  reichlich  und  klar.  Im  Urin 
etwas  Gallenfarbstoff. 

5. 2. 04:  Fat.  fühlt  sich  wieder  ganz  wohl,  bleibt  heute  noch  zu  Bett. 

8.  2.  04:  Täglich  Vorbandwechsel;  heute  Verband  sehr  stark  mit 
Galle  durchtränkt.  Gestern  Abend  etwas  Diarrhoe.  Stuhl  weiss.  Zu- 
sammenziehen der  Wnndränder  durch  Heftpflasterstreifen. 

9.  2.  04:  Verband  wieder  sehr  stark  gallig  durchtränkt.  Stöpselang 
der  Gallenblase,  um  festzustellen,  ob  etwa  ein  Concrement  in  den 
Choledochus  geraten  ist. 

II.  2.  04:   Galle  läuft  etwas  weniger  reichlich.    Verbandwechsel. 

12.  2.  04:  Verband  trocken;  oflenbar  hat  die  Stöpselnng  einen 
Sclileinipfropfen  oder  ein  kleineres  Concrement  durch  den  Choledochus 
getrieben. 

13.  2.  04:  Verband  stark  durch,  wird  gewechselt.  Ausspülen  der 
Gallenblase,  Abkratzen  der  Granulationen  und  Zusammenziehen  durch 
Heftpflaster  -  Streifen.  Abends  39,4,  nachmittags  etwas  Frost  und 
Schnupfen,  anscheinend  leichte  Erkältung  nach  Spaziergang.  2 mal 
Aspirin  1,0.    Flüssige  Kost. 

14.  2.  04:  39,0— 39,'f.  Verband  trocken,  bleibt  liegen.  Etwas  Kopf- 
schmerzen.   Abends  Aspirin. 

15.  2.  04:  Fieber  wieder  abgefallen,  Fat.  fühlt  sich  bis  auf  etwas 
Mattigkeit  und  Appetitlosigkeit  wieder  ganz  wohl.  Verbandwechsel. 
Gallenblasenfistel  fast  ganz  geschlossen. 

17.  2.  04:  Verbandwechsel.  Pat.  wird  mit  massig  laufender 
GaUenfistel  auf  Wunsch  entlassen. 

Epicrise:  Als  Pat.  in  die  Klinik  kam,  fand  ich  sofort 
den  vom  Hausarzt  konstatierten  Tumor  der  Gallenblase.  Auch 
am  nächsten  Tage  war  er  noch  vorhanden.  Am  Tage  der 
Operation  war  er  fast  verschwunden  (Ricinusöl  —  Wirkung  I). 
Die  Gallenblase  war  in  der  Tat  schlaff,  aber  trug  noch  alle 
Zeichen  der  Entzündung,   der  flüssige  Inhalt  war  zwar  gering, 

Kehr,  Technik  der  GalleDBteinoperationen.  2 


—     18     — 

aber  reiner  Eiter.  Der  Cysticus  war  nach  Beseitigung;  der 
Steine  sofort  offen.  —  Bei  der  Nachbehandlung-  wurden  durch 
Ausspülen  der  Gallenblase  noch  einiofe  Steine  entfernt. 

Nr.  8.    E»  Seh.,  26  j.  Direktorswitwe  aus  Halberstjadt. 

Autgen.:  24.  9.  1901. 
Operiert:  28.  9.  1901.     Cystostomie. 
Entlassen:    19.    11.    1901.     Mit    Gallenfistel    entlassen. 
^         Später  geheilt 

Anamnese:  Pal.  war  immer  gesund.  Um  Weihnachten  1898  im 
Wochenbett  hatte  sie  zum  ersten  Male  einen  schnell  vorübergehenden 
Schmerz  in  der  Magengrube.  Der  Schmerz  wiederholte  sich  etwa  alle 
3  Wochen  und  dauerte  immer  nur  ein  paar  Minuten. 

Im  November— Dezember  1900  kamen  zum  ersten  Male  aus- 
gesprochene Koliken,  Schmerzen,  in  der  Gallenblasengegend  beginnend 
und  zum  Rücken  ziehend,  Brustbeklemmung,  kein  Erbrechen,  aber 
Übelkeit  und  Würgen,  Frost,  danach  leichter  Ikterus  der  Conjunktiven. 
Die  Schmerzen  kamen  gewöhnlich  nach  dem  Mittagessen  und  waren 
am  nächsten  Morgen  weg.  Längere  Zeit  kamen  die  Anfälle  täglich. 
Im  Januar — Februar  war  Pat.  anfallsfrei.  Im  März  ein  schwerer  Anfall 
von  3—4  Tagen  Dauer,  dabei  soll  die  Gallenblase  geschwollen  gewesen 
sein.  Pat.  bekam  Öleingiessungen,  im  Juni  war  sie  4  Wochen  in  Karls- 
bad. Im  August  kam  wieder  ein  zweitägiger  Anfall,  seitdem  häuften 
sich  die  Anfälle,  kamen  zeitweise  täglich.  Der  letzte  Anfall  dauerte 
vom  17.  September  bis  jetzt.  Pat.  hat  wieder  Öleingiessungen  be- 
kommen, aber  ohne  Erfolg. 

Urin  und  Stuhl  zeigten  nie  Veränderungen.  Der  Stuhl  war  bei 
den  Anfällen  angehalten,  sonst  regelmässig. 

Auf  Anraten  des  Herrn  Dr.  H.  Müll  er- Halberstadt  kommt  sie  zur 
Operation. 

Befund:  Frau  in  gutem  Ernährungszustande.  Leib  flach,  weich, 
in  der  Lebergegend  resistent,  in  der  Gallenblasengegend  druckempfind- 
lich.    Herz  und  Lungen  gesund.     Urin  frei. 

Diagnose:  Recidivierende  Cholecystitis.  (Kürzlich  überstandene 
akute  serös-eitrige  Entzündung.) 

Operation:  28.  9.  Ol.  Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  H.  Müller- 
Halberstadt.  Sehr  schlechte  Chloroforiiinarkose.  Fortwährendes  Pressen 
und  Cyaiiose.  Kleiucr  Puls.  Welleuschnitt.  (^alleublase  niittelgross, 
prall  gespannt,  enthält  Schleim,  /aletzt  Eiter,  50  mittelgrosse  Steine. 
Cjsticns  sehr  dick,  mit  lig.  hepato-daodenale  resp.  Diiodeniini  flüch(Mi* 
haft  und  sehr  fest  verwachsen.  (Fistel?)  Mau  kauu  nicht  feststellen,  ol» 
eine  Driise,  ein  olceröscr  Prozess  oder  ein  Stein  hinter  der  Induration 
steckt.    Cystostomie  mit  Draht.  Verband.   Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Verlauf:  Fiebertroi. 

11.  10.  Ol.  Verbandwechsel.  Es  werden  die  Tampons  und  die 
Nähte  entfernt.    8  kieiue  Steine  ^verden  ansgespült. 


—     19     — 

13.  10.  Ol.    Verbandwechsel.    2  kleine  Steine  entfernt. 

15.  10.  Ol.  Verbandwechsel.  4  kleine  Steine  entfernt.  Man  fühlt 
in  «ler  Tiefe  einen  Stein  mit  der  Sonde,  kann  ihn  aber  nicht  entfernen. 

Pat.  klagt  Nachmittags  über   Rückenschmerzen.     Bis  jetzt   fieberfrei. 
Heute  Abend  39,1.    Gegen  Abend   Hessen   die  Rückenschmerzen  nach. 

16.  10.  Ol.  Puls  120.  Leichter  Ikterus.  Im  Laufe  der  Nacht  ein- 
mal Erbrechen. 

17.  10.  Ol.  39,5,  Puls  116.  Verhandwechsel.  In  der  Gallenblase 
schleimig-eitriges  Sekret.    Stein  nicht  mehr  sondierbar. 

18.  10.  Ol.  38,3.  Starker  Ikterus.  Verbandwechsel.  Ein  mit 
(Tiimmirohr  nmhüllter  Laniinariastift  wird  in  die  CTallenblase  eingelegt. 
Heute  läuft  wieder  etwas  Galle  aus  der  Wunde.    38,4. 

21.  10.  Ol.  37,1—40,4.  Nachmittags  etwas  Erbrechen.  Kein 
Appetit.     Wenig  Schmerzen.     Starker  Ikterus. 

22.  10.  Ol.  38,0—41,4.  Puls  128.  Verbandwechsel  am  Vormittag. 
Starke  Eitersekretion  aus  der  Gallenblase.  Es  läuft  nach  reichlicher 
Spülung  etwas  Galle.  Neuer  Stift  eingelegt.  Nach  dem  Verband- 
wechsel heftige  Schmerzen  in  der  Wunde,  so  dass  der  Stift  wieder 
entfernt  werden  muss.     0,01  Morph,  subkutan. 

23.  10.  Ol.    38,2—37,3.     Morgens  subjektiv  besser. 

31.  10.  Ol.  Jetzt  wieder  fieberfrei.  Gallenfluss  reichlich.  Fast 
täglich  Verbandwechsel. 

6.  11.  Ol.  Verband  ist  heute  trocken,  dabei  ist  der  Stuhl  seit 
■einigen  Tagen  dunkel  gefärbt,   die  ikterische  Hautfärbung  schwindet. 

9.  11.  Ol.  Klagt  bei  sonst  gutem  Allgemeinbefinden  über  Schmer- 
zen im  Kreuz  und  in  der  linken  Hälfte  des  Epigastriums.  Der  Ikterus 
blasst  allmählich  ab.     Fieberfrei. 

13.  11.  Ol.  Schmerzen  waren  seit  vorgestern  verschwunden. 
Pat.  völlig  wohl.  Wunde  trocken  und  fast  geschlossen.  Heute  wieder 
•Gallenfluss  aus  der  Fistel. 

19.  11.  Ol.  Wunde  ist  bis  auf  eine  kaum  sichtbare  Fistel  ge- 
schlossen. Noch  immer  geringer  Gallenfluss.  Pat.  wird  nach  Hause 
entlassen.  Soll  noch  zum  Verbinden  herkommen.  Ikterus  fast  völlig 
^bgeblasst. 

Pat.  erholt  sich  zu  Hause  und  ist  jetzt  völlig  gesund.  Entweder 
ist  der  Stein  spontan  abgegangen  oder  aber  er  verhält  sich  im  Chole- 
dochus  latent.    (Wohlbefinden  im  November  1903  konstatiert!) 

Epicrise:  Die  Diagnose  stimmte,  aber  es  war  nicht  möglich, 
die  Operation  so  zu  gestalten,  dass  man  sicher  war,  dass  der 
Cysticus  frei  sei.  Man  muss  in  solchen  Fällen  sich  bescheiden 
und  darf  unter  keinen  Umständen  den  Eingriff  forcieren:  die 
Pat.  gehen  sonst  fast  sicher  zu  Grunde.  Eine  zweite  Operation 
ist  nicht  immer  zu  umgehen.  Pat.  wurde  mit  einer  wenig  Galle 
seceriilerenden  Fistel  entlassen.  Wahrscheinlich  steckt  noch 
ein  Stein  im  Choledochus,  der  während  der  Nachbehandlung 
aus  dem  Cysticus   in   den  Choledochus  getreten  ist,   doch  hoffe 

2* 


—     20     — 

ich,  dass  dieser  spontan  abgehen  wird.  Treten  wieder  Schmer- 
zen und  erfolglose  Koliken  auf,  so  ist  eine  zweite  Laparotomie 
indiziert.  Nach  dem  bisherigen  Verlauf  scheint  aber  dauernde 
Ruhe  eingetreten  zu  sein. 

Nr.  9.     D.  Pf.,  52  j.  Schmiedmeistersfrau  aus  Aderstedt. 

Aufgen.:  26.  10.  1901. 
Operiert:  29.  10.  1901.     Cystostomie. 
♦Entlassen:  27.  11.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  war  früher  stets  gesund.  Im  Laufe  des  Sommers 
hatte  sie  schon  einmal  einen  leichten  Anfall.  Vor  3  Wochen  bekam 
sie  plötzlich  sehr  heftige  kolikartige  Schmerzen  in  der  Lebergegend, 
welche  am  späten  Nachmittage  einsetzten  und  im  Laufe  der  Nacht 
wieder  nachliessen.  Dabei  bestand  kein  Erbrechen,  kein  Ikterus,  der 
Appetit  war  nicht  gestört;  der  Stuhl  wenig  angehalten.  Pat.  lag  auf 
Anraten  des  behandelnden  Arztes  ca.  14  Tage  zu  Bett,  ohne  dass  die 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend  ganz  aufhörten.  Als  sie  wieder 
aufstand,  wurden  die  Schmerzen  wieder  stärker.  Sie  hat  jetzt  immer- 
fort leichte  Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  die  sich  zeitweise  etwas 
steigern.    Von  Herrn  Dr.  Klavehn  wird  sie  zur  Klinik  geschickt. 

Befund:  Grosse,  etwas  abgemagerte  Frau.  Auf  den  Lungen  ver- 
einzelte Kasselgeräusche.     Herz  gesund.    Urin  frei. 

Die  Leber  überragt  den  Rippenbogen  um  fast  2  Querfinger.  Unter- 
halb des  Leberrandes  in  der  Mammillarlinie  ein  grosser,  mit  der  Atmung 
beweglicher,  in  die  Tiefe  verschieblicher,  aber  stets  zur  Oberfläche 
zurückkehrender  Tumor  von  geringer  Druckempfindlichkeit.  Kein 
Fieber. 

Diagnose:  Hydrops  event.  Empyem  der  Gallenblase. 

Operation:  20.  10.  Ol.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  mit 
Netz  verwachsen,  enthält  dünnen  Eiter  und  im  Hals  einen  walnuss- 
grossen  Stein.  Die  Verwachsungen  werden  bis  auf  eine  selir  feste 
zwisclieii  Cysticns  und  Magen  gelöst.  Cystostomie  in  30  Minuten. 
Gute  Narkose.    Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Klavehn. 

Verlauf:  Gut. 

27.  11.  Ol.    Mit  gut  granulierender  Wunde  nach  Hause  entlassen. 

Epicrise:  In  der  Gallenblase  befand  sich  Eiter,  obwohl 
Pat.  nie  Fieber  gehabt  hatte  und  eine  sehr  grosse  vSchmerz- 
haftigkeit  nicht  bestand.  Derartige  Fälle  sind  gar  nicht  selten, 
aber  es  ist  nicht  möglich,  eine  genaue  Diagnose,  ob  Hydrops 
oder  Empyem  vorliegt,  zu  stellen.  Im  allgemeinen  sind  hydro- 
pische  Tumoren  weicher  und  nicht  so  schmerzhaft  wie  ICmpyeme. 
Das  letztere  macht  gewöhnlich  fortdauernd  Beschwerden,  oft 
geringfügiger  Natur.  — 


—    21     — 

Nr.  10.     K.  R.,  34j.  Lehrer  aus  Stendal. 

Aufgen.:  29.  12.   1902. 

Operiert:  31.  12.  1902.     Cystostomie. 

Entlassen:  11.  2.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  angeblich  immer  gesund  gewesen.  Die 
Mutter  des  Pat.  hat  vermutlich  an  Gallensteinen  gelitten.  Im  Herbst 
1900  bekam  Pat.  kurzdauernde  Anfälle  von  drückenden  Schmerzen  im 
rechten  Hypochondrium,  die  nach  dem  Magen  und  dem  Rücken  hin 
bis  zum  Kreuz  ausstrahlten.  Er  wurde  als  magenleidend  behandelt, 
die  Schmerzen  wurden  mit  Morphium  bekämpft.  Die  Anfälle  traten 
dann  häufiger  auf.  Doch  konnte  Pat.  immer  am  nächsten  Tage 
wieder  unterrichten.  Im  Februar  dieses  Jahres  bekam  er  wiederum 
einen  Anfall,  der  mit  starken  Kolikschmerzen  begann  und  bis  Ostern 
dauerte.  Es  stellte  sich  Gelbsucht  ein.  Der  Stuhl  war  meist  an- 
gehalten und  lehmfarben.  Es  wurden  Steine,  darunter  ein  etwa 
erbsengrosser,  gefunden.  Pat.  wurde  mit  heissen  Umschlägen,  Karls- 
bader Wasser  und  Morphium  behandelt.  Nachdem  um  Pfingsten  noch 
ein  leichterer  Anfall  sich  eingestellt,  traten  Anfälle  dann  erst  wieder 
im  September  und  Oktober  auf.  Am  4.  Dezember  d.  J.  stellte  sich 
dann  wieder  ein  kürzerer  Anfall  ein,  dem  am  6.  Dezember  ein  zweiter 
folgte,  der  bis  zum  20.  Dezember  anhielt.  Pat.  hatte  während  dieser 
Zeit  dauernd  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend,  besonders  beim 
Gehen  und  Bücken.  Gelbsucht  bestand  nicht.  Der  Stuhl  war  meist 
angehalten  und  etwas  lehmfärben.  Steine  wurden  nicht  mehr  gefun- 
den. Zur  Zeit  fühlt  Pat.  sich  wohl  und  hat  keine  Klagen;  auf  An- 
raten des  Herrn  Dr.  Sudendorf  kommt  er  in  die  Klinik. 

Befund:  Leib  weich.  Deutliche  Resistenz  in  der  Gallenblasen- 
gegend, dort  typische  Druckempfindlichkeit.  Leber  nicht  vergrössert. 
Kein  Ikterus.  Kein  'Fieber.  Urin :  weder  Eiweiss  noch  Gallenfai  bstoff, 
normal. 

Diagnose:  Chron.  recid.  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  31.12.  1902.  Wellenschnitt.  Leber  nicht  vergrössert. 
Gallenblase  klein,  geschrumpft,  enthält  Eiter  und  vier  erbsengrosse 
Maulbeer-Steine.  Im  Cysticus,  dessen  Serosa  sehr  ödematös  ist,  ein 
grösserer  Stein.  Nach  vielen  BemUhnngeu  —  wobei  Pat.  stets  schwer 
kollabiert  —  gelingt  es,  den  Stein  fandnswärts  zu  schieben  und  zu 
eutfernen.  Cj'stostomie  mit  Draht.  Annähung  der  Leber  an  das  perit. 
pariet.  mit  einer  Sutur.  Dauer  der  Operation,  die  durch  vieles  Würgen 
und  Pressen  von  Seiten  des  Pat.  gestört  wird,  ca.  ^i*  Stunden.  Bauch- 
deckennaht.   Verband. 

Verlauf:  31.  12.  1902.  Temp.  Ab.  37,1.  Starke  Übelkeit.  Reich- 
liches  Erbrechen  mit  etwa.o  Spuren  von  Blnt.  Abends  Magenspülung. 
Puls  108. 


22     

1.  1.  1903.  Temp.  37,7.  Ab.  37,8.  Puls  108—124.  Fortgesetzte 
starke  Übelkeit.  Gegen  Abend  noch  zweimal  reichliches  Erbrechen. 
Chloroformgeschmack.  Zweimal  Magenspülung.  Abends  Kochsalz- 
infusion. 

2.  1.  1903.  Temp.  37,6.  Ab.  37,8.  Puls  112—104.  Frühmorgens 
nochmals  Erbrechen  ohne  Blntspnren.  Wurde  im  Lanfe  der  vergangenen 
Nacht  auf  die  Seite  gelegt.  Gegen  9  Uhr  Morgens  Magenspülung, 
Magen  leer.  Im  Laufe  des  Vormittags  noch  zweimal  Kochsalzinfusion. 
Abends  Puls  kräftig,  Allgemeinbefinden  gut, 

3;  1.  03.  Weiterer  Verlauf  fieberfrei.    Befinden  gut. 

5.  1.  03.  Führt  ab.    Gallenfluss  vom  ersten  Tage  ab  reichlich. 

8.  2.  03.  Es  läuft  keine  Galle  mehr.    Wunde  wesentlich  kleiner. 

11.  2.  03.  Wird   mit  gut  granulierendem  Wundtrichter  entlassen. 

Epicrise:  Uass  Empyem  der  Gallenblase  vorlag,  über- 
raschte uns  sehr.  Pat.  hatte  wohl  dauernde  Schmerzen,  aber 
dieselben  waren  doch  nicht  sehr  hochgradig. 

Übrigens  eine  richtige  Männer  -  Gallensteinoperation ! 
Ewiges  Würgen  nnd  Pressen,  so  dass  man  zufrieden  ist, 
wenn  man  die  Gallenblase  einnähen  kann.  Ton  einer 
Ectomie  kann  in  solchen  Fällen  keine  Rede  sein;  die 
Mortalität  nach  Gallenstein  -  Operationen  würde  sonst  ge- 
waltig zunehmen. 

Nr.  11.     E.  G.,  28j.  Arbeitersfrau  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  11.  2.  1901. 

Operiert:  11.  2.  1901.     Cystostomie. 

Entlassen:  14.  3.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Eine  Schwester  ihrer  Mutter  leidet  an  „Magen- 
krämpfen". Pat.  war  immer  gesund,  nur  will  sie  schon  als  Kind  öfter 
Anfälle  von  Magenschmerzen,  selten  mit  Erbrechen,  gehabt  haben. 
Sie  hat  8  Kinder.  1897  nach  der  5.  Entbindung  (Zwillinge)  hatte  sie 
mehrere  Wochen  lang  Anfälle  von  Schmerzen  in  der  Magengrube  und 
beiderseits  davon,  die  Schmerzen  zogen  zum  Rücken,  Erbrechen  kam 
nur  selten  und  war  mit  grossen  Schmerzen  verbunden.  Nachdem  sie 
Olivenöl  genommen  hatte,  sollen  im  Stuhlgang  Steine  gefunden  worden 
sein.  1899  nach  der  6.  Entbindung  hatte  sie  einige  kleinere  Anfälle. 
Dann  frei.    Am  20.  Nov.  1900  7.  Entbindung,  seitdem  sind  die  Anfälle 


-       23     — 

häufiger,  mehrmals  in  der  Woche,  gekommen,  die  Schmerzen  hielten 
meist  einige  Stunden  an,  schwanden  dann  von  selbst.  Erbrechen 
selten,  Gelbsucht  wurde  nicht  beobachtet,  Fieber  soll  bei  schweren 
AnföUen  dagewesen  sein. 

Vor  8  Tagen  heftigerer  Anfall,  ein  leichter  Druck  blieb  danach 
bestehen.  Heute  morgen  6  Uhr  plötzlich  heftige  Schmerzen,  Erbrechen 
galligen  Schleims,  Fieber  und  Frostgefühl,  Gelbfärbung  des  Gesichts. 
Herr  Dr.  Bötticher-Halberstadt  schickt  sie  zur  Klinik. 

Befund:  Kräftig  gebaute  etwas  cyano tische  Frau  mit  leichtem 
Ikterus.  Im  Urin  leichte  Trübung  von  Eiweiss,  Gallenfarbstoff  positiv, 
kein  Zucker.    Herz  und  Lungen  gesund.     Pnls  130.     Temperatur  40,0. 

Gallenblase  als  schmerzhafter,  prallgefüllter  Tumor  zu  tasten, 
Leib  aufgetrieben,  aber  weich. 

Diagnose:  Cholecystitis  acutissima. 

Operation:  11.  2.  1901.  Längsschnitt  im  r.  musc.  rect.  abd. 
Gallenblase  gross  mit  Netzverwachsung.  Keine  Perforation.  Viel 
trübe  Galle  in  der  Gallenblase.  Aspiration.  Viel  Steine.  Cystostcmie. 
Wegen  des  schlechten  Pulses  (140)  nnd  hohen  Fiebers  wird  auf  die 
gründliche  Ansränmnng  der  Gallenblase  verzichtet.  Später  soll  durch 
AnsspUlnng  die  Beseitigung  sämtlicher  Steine  vorsichgehen.  Nur  Jfalit 
des  Perltoneunis  und  der  tiefen  Fascie,  keine  Naht  der  Mnskeln  und 
Haut.  Leichte  Tamponade  bis  auf  die  Naht.  Dauer  der  Operation 
'/<  Stunden. 

Verlauf:  12.  2.    38.    Puls  76.    Kein  Erbrechen,  sieht  gut  aus.  38,4. 

13.  2.    37,5.    Puls  80.    Blähungen  gehen.    Gallenfluss  gering.   38,0 
16.  2.    38,0.    Puls  84.     Abführen.    Es  fliesst  fast  keine  Galle. 

20.  2.  Verband-Wechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  Nähte. 
Beim  Ausspülen  werden  noch  ca.  50  Steine  entleert.  Zusammenziehen 
der  Wundränder  mit  Heftpflaster. 

21.  2.  Verband,  durch.  Wechsel.  Es  entleeren  sich  wieder  einige 
Steine. 

14.  3.  Geheilt  entlassen.  Trotzdem  Muskel  und  Haut  nicht  ge- 
näht worden  sind,  haben  sie  sich  schnell  und  gut  angelegt,  so  dass  eine 
lineare  Narbe  entstanden  ist.  Die  Stelle  der  Tamponade  ist  noch  nicht 
ganz  überhäutet.     Pat.  kommt  1—2  mal  in  der  Woche  zum  Verbinden. 

30.  4.    Heilung  beendet. 

Epicrise:  Pat.  machte  ganz  den  Eindruck,  als  ob  sie  an 
Perforationsperitonitis  erkrankt  wäre ;  hochgradige  Cyanose,  auf- 
getriebener Leib,  schneller  Puls,  hohes  F.ieber,  Doch  fand  man 
nur  eine  sehr  grosse  Gallenblase  mit  vielen  Steinen  und  trüber 
Galle.  Schon  bei  der  Entleerung  wurde  der  Puls  langsamer,  das 
Aussehen  besser.  Es  handelte  sich  um  einen  sehr  schweren  Infekt. 
In  solchen  Fällen  niuss  man  die  Operation  beeilen,  auf  eine  gründ- 
liche Entleerung  verzichten  und  die  Herausbeförderung  der  Steine 
bei  der  Nachbehandlung  vornehmen.  Das  gelingt  zwar  nicht  immer, 


—     24     — 

so  dass  nachträgliche  Operationen  vorgenommen  werden  müssen. 
Man  tut  gut,  gleich  nach  —  noch  besser  vor  der  Operation 
die  Kranken  auf  die  Möglichkeit  einer  zweiten  Operation  auf- 
merksam zu  machen,  damit  man  nicht  später  von  Seiten  der 
Pat.  Vorwürfe  bekommt,  die  Operation  ungeschickt  und  unvoll- 
kommen ausgeführt  zu  haben.  Nach  jeder  Cj'^stostomie  kann 
es  zu  Störungen  kommen,  die  eine  Wiedereröffnung  der  bereits 
geschlossenen  Fistel  erfordern ;  Steine  im  Cysticus  und  Chole- 
dochus  können  übersehen  werden  und  müssen  später  durch 
Oysticotomie,   Ectomie.  oder  Choledochotomie   entfernt  werden. 

Nr.  12.    Dr.  0.,  50 j.  Arzt  aus  Dresden. 

Aufgen.:  26.  11.  1898. 

Operiert:  28.  11.  1898.  Cystostoniie. 

Entlassen  :  22.  12.  1898  mit  Gallenfistel.     Geheilt. 

Anamnese'):  „Vater  im  65.  Jahre  nach  vorheriger  absoluter 
Gesundheit  in  Beziehung  auf  die  Leber  —  er  litt  meines  Erinnerns 
allerdings  auch  an  denselben  Magenbeschwerden  wie  ich  —  an  einer 
perforierenden  Gallensteinkolik  innerhalb  10  Tagen  gestorben.  Ich 
selbst  leide  seit  dem  20.  Jahre  ca.  —  jetzt  49  —  an  vorübergehenden 
starken  Diarrhoen  (Bier  1),  —  die  sich  seit  ca.  15  Jahren  allmählich  zu 
einem  regelrechten  chronischen  Dickdarmkatarrh  ausbildeten.  Erst 
Wochen-  und  monatelange  Diarrhoen  mit  Koliken,  später  auch  Ver- 
stopfungen ;  durch  mehrfachen  Gebrauch  von  Karlsbad  geheilt  resp. 
gebessert.  Seit  2'/2  Jahren  ca.  eine  Glycosurie,  bis  zu  3V»*/o,  welche 
sich  durch  einzelne  Neuralgien  und  nervöse  Reizbarkeit  zu  erkennen 
gab.  Seit  ca.  8— 10  Wochen  gar  kein  Zucker  mehr  trotz  vollkom- 
mener Diätlosigkeit.  Während  dieser  Zeit  und  unregelmässig  während 
des  chronischen  Darmkatarrhs  tage-  und  wochonlange  Schmerzen  an- 
scheinend im  Quercolon  bei  Gehen,  Stehen  u.  s.  w.,  im  Magen  schein- 
bar nicht,  denn  nach  dem  Essen  wurden  dieselben  nicht  schlimmer. 
Wiederholung  dieser  Schmerzen  bes.  1897  März  in  Karlsbad. 

1.  Cholelith.-Kolikanfall  Ende  August  1897,  erst  ca.  alle 
3  Wochen,  dann  alle  14  Tage,  8  Tage  etc.  Wiederholung,  zumeist 
nachts.  Morphium  nach  1—2  Stunden  injiciert:  Besserung,  so  dass 
anderen  Tags  Praxis  möglich.  Anfang  Oktober  1898  Beginn  anhaltender 
Koliken  täglich  abends  oder  nachts,  volle  4  Wochen  anhaltend,  all- 
mälich  an  Intensität  und  Ausdehnung  sich  verringernd  nach  ca.  3  Wochen. 
Die  einzelnen  Anfälle  vor  Beginn  der  grossen  Attaque  dauerten  zu- 
weilen 2—3  Tage  —  jede  Nacht  sich  wiederholend  —  an.  Der  gewöhn- 
liche Beginn  war  Schmerz  im  Rücken,  der  sich  nach  vorn  zog  oder 
vorn    und   hinten   gleichzeitig.     Aufhören  allniälich    oder  plötzlich  im 


•)  Die  Anamnese  stammt  vom  Pat.  selbst. 


—     25     — 

Verlauf  von  10  - 15  Minuten.  Wärme  —  Karlsbader  Flasche  —  tat  zu- 
erst gut.  Eigentliches  Erbrechen  fast  nie ,  hingegen  zumeist  perio- 
disches Aufstosseu,  wonach  vorübergehend  Erleichterung.  Nach  den 
Anfällen  ist  der  Appetit  nicht  wese^itlich  vermindert,  hie  und  da  starke 
Hungergefühle  während  und  nach  den  Anfällen.     Nie  Ikterus. 

Die  Gallenblase  wurde  2 mal  angeblich  von  den  Collegen  pal- 
piert,  Schmerz  bei  Druck  war  oft  längere  Zeit,  d.  h.  tagelang,  ebenso 
oft  aber  schon  am  andern  Morgen  nicht  mehr  vorhanden.  Seit  14  Tagen 
haben  die  Anfälle  ganz  aufgehört,  es  ist  nur  noch  Schmerz  nach 
Sitzen  und  längerem  Gehen,  zumeist  unter  dem  rechten  Schulterblatt, 
aber  nur  vorübergehend,  vorhanden. 

Abmagerung  ca.  20—25  Pfund,  auch  30  vielleicht  seit  den 
letzten  6  Monaten. 

Bemerkenswert  seit  ca.  10  Jahren  Schlaflosigkeit  mit  Druck  in 
der  Lebergegend  nach  jedem  kleinen  Diätfehler. " 

Befund:  Organe  gesund.  Befund  an  Leber  und  Gallenblase 
völlig  negativ.  Harn  ohne  path.  Veränderungen.  Kein  Ikterus,  keine 
Schmerzhaftigkeit. 

Diagnose:  Altes  Gallensteinleiden,  auf  die  Gallenblase  beschränkt 
(wahrscheinlich  schon  geschrumpft).  Ev.  liegen  nur  Adhäsionen  vor 
{ Dickdarmkatarrh).    Augenblicklich  wird  der  Cysticus  frei  sein. 

Operation:  Chloroformnarkose.  15  cm  langer  Schnitt  im  rechten 
M.  rectus  abdominis.  Die  Leber  zeigt  sich  kaum  vergrössert,  die  Gallen- 
blase liegt  rechts  hoch  und  oben  unter  der  Leber,  ist  nicht  verwachsen. 
Es  gelingt  mit  Mühe  sie  soweit  jorzuziehen,  dass  sie  zu  punktieren  ist. 
Es  wird  eine  reichliche  Menge  dunkler  Galle  aspiriert.  In  der  Blase 
selbst  sind  Steine  nicht  nachweisbar,  dagegen  liegt  im  Hals  ein  Con- 
crement.  Dasselbe  lässt  sich  mit  der  Kornzange  extrahieren.  Es  ist 
ein  taubeneigrosser,  schwarzer  glatter  Stein.  Sofort  fliesst  reichlich 
Galle.  Einnähung  der  Blase  mittelst  Catgut-  und  Seidennähten,  bei 
denen  Draht  unterlegt  wird.  Schluss  der  Bauchwunde  im  oberen  Teil 
durch  Etagennähte,  im  unteren  durch  durchgreifende  Seidenknopfnähte; 
einige  Hautnähte.     Dauer  l'/a  Stunde.    Sofort  Gallenfluss. 

Der  Verlauf  war  volffetändig  fieberfrei.  In  den  ersten  Tagen  floss 
viel  Galle  in  die  Flasche ,  dann  weniger.  Am  Tage ,  wenn  Pat.  ass, 
sistierte  der  Gallenflnss,  in  der  Nacht  war  er  stark.  Entfernung  der 
Fäden  am  14.  Tage. 

Aufstehen  am  14.  Tage.  Pat.  ist  im  Stande,  schon  am  18.  Tage 
post.  op.  ein  längeres  Diner  mitzumachen.     Keine  Beschwerden. 

3*/»  Wochen  nach  der  Operation  entlassen.  Gallenfistel  ist  noch 
nicht  geschlossen,  Gallenfluss  bewegt  sich  in  normalen  Grenzen,  Nach- 
behandlung in  Dresden.  Die  Fistel  schliesst  sich  ert  nach  Wochen, 
um  wieder  aufzubrechen.  Anfang  Mai  Fistel  zu.  Geringes  Zerren  in 
der  Tiefe.  Vielleicht  ist  später  eine  Ablösung  der  Gallenblase  von  der 
Baucliwand  notwendig. 

Epicrise:  Die  Ablösung  der  Gallenblase  wurde  nicht 
nötig,   da  sich    die  Schmerzen   mit  der  Zeit   gänzlich  verloren. 


—     26     — 

Doch  unterliegt  es  gar  keinem  Zweifel,  dass  die  strafte 
Fixation  der  Gallenblase  die  Schmerzen  verursacht  hatte: 
heute  würde  ich  das  Schlauchverfahren  anwenden. 

Nr.  13.    Dr.  R.,  52j.  Hofrat  aus  Dresden. 

Aufgen.:  17.  4.  1898. 

Operiert:  19.  4.  1898.     Cystostomie. 

Entlassen:  14.  5.  1898.     Geheilt. 

"■  Anamnese'):  „Dr.  med.  Hofrat  R.,  Oberarzt  der  chirurg.  Al)- 
teilung  am  Diakonissenhospital  zu  Dresden,  51'/«  Jahr  alt.  —  Vater 
starb,  76  Jahre  alt,  an  Apoplexia  cerebri,  nachdem  er  wiederholt  An- 
fälle von  Podagra  gehabt.  Mutter  starb,  66  Jahre  alt,  an  Urämie  durch 
Harngriesverstopfung  beider  Ureteren.  Drei  seiner  Geschwister  wollen 
bisweilen  Nierensteinkoliken  haben.  Er  selbst  war,  abgesehen  von 
ansteckenden  Kinderkrankheiten  und  mehreren  leichten  Verletzungen, 
gesund  bis  zum  34.  Lebensjahre.  Damals  erkrankte  er  an  einem  sechs 
Wochen  anhaltenden  Ikterus  catarrhalis  mit  Leberschwellung,  grauem 
Stuhl  und  dunklem  Harn,  ohne  Schmerzen  und  ohne  Erbrechen.  Da- 
nach 10  Jahre  völlig  gesund.  Vom  44.  Lebensjahre  bis  zum  Beginn 
des  49.  wurde  bisweilen  mit  zunehmender  Häufigkeit  (Anfangs  halb- 
jährlich, später  vierteljährlich,  dann  noch  öfter)  ein  lästiges  Wärme- 
gefühl, anscheinend  in  der  Magengegend,  empfunden,  '/a — 1  Stunde  an- 
dauernd, meist  am  Vormittag,  der  von  8  —  2  Uhr  ohne  Nahrungsaufnahme 
verbracht  wurde.  Im  Beginn  des  49.  Lebensjahres  (Frühjahr  1896) 
plötzlich  nachts  heftiger  Schmerzanfall  rechts  vom  Schwertfortsatz, 
1—2  Stunden  andauernd,  ohne  Unterbrechung  sich  langsam  steigernd, 
zuletzt  ziemlich  rasch  verschwindend.  Derartige  Schmerzanfälle  wieder- 
holten sich  1896  etwa  alle  6—8  Wochen,  im  Jahre  1897  etwa  alle  8—4 
Wochen  und  im  ersten  Quartal  1898  beinahe  wöchentlich.  In  der  Zeit 
zwischen  den  Schmerzanfällen  bestand  ungestörtes  Wohlbefinden, 
namentlich  wurden  alle  Speisen  und  das  unregelmässige  Leben  eines 
stark  beschäftigten  Arztes  anstandslos  vertragen.  Die  genannten 
Schmerzanfälle  traten  immer  nur  nach  Mitternacht,  etwa  von  2 — 4  Uhr 
morgens  auf.  Ei'brechen  war  mit  denselben  nur  ausnahmsweise  ver- 
bunden, 3—4  mal  unter  40  Anfällen.  Gewöhnlich  wurden  dabei  spät 
abends  aufgenommene  Nahrungsmittel  entleert,  —  keine  Galle.  Mor- 
phium 0,005  per  OS  wurde  nur  ausnahmsweise  genommen,  meist  mit 
erwünschter  Linderung.  Regelmässig  war  während  der  Anfälle  unter 
dem  rechten  Rippenbogen  ein  apfelgrosser,  kugeliger,  glatter,  stark 
druckempfindlicher,  mit  der  Atmung  und  mit  Lagewechsel  sich  deut- 
lich verschiebender  Tumor  fühlbar,  der  mit  dem  Nachlassen  der 
Schmerzen  spurlos  vorschwand  und  in  der  schmerzfreien  Zeit,  selbst 
bei  genauester  bimanueller  Palpation  im  warmen  Bade  nicht  mehr  zu 
entdecken  war.  Ikterus,  Verfärbung  des  Harns  oder  Entfärbung  des 
Stuhls  war  nie  vorhanden.    Nach  Gallensteinen  (entleerten)  wurde  nicht 


')  Die  Anamnese  stammt  vom  Pat.  selbst. 


-      27     — 

gesucht.  Die  Wahl  der  Speisen  schien  keinerlei  Einfluss  auf  die 
Häufigkeit  der  Anfälle  zu  haben.  Dieselben  konnten  eintreten  nach 
einer  Mehlsuppe  und  ausbleiben  nach  einem  üppigen  Souper.  Niemals 
traten  die  Anfälle  am  Tage  oder  des  Abends  auf.  Die  Schmerzen 
strahlten  nach  der  rechten  Rückenhälfte  aus,  niemals  nach  der  Schulter. 
Am  Tage  nach  den  Anfällen  bestand  Stuhlverstopfung,  im  übrigen  war 
der  Stuhl  im  ersten  Schmerzensjahre  regelmässig ,  im  zweiten  etwas 
angehalten. 

Anfang  April  1898  trat  ein  Kolikanfall  ein,  welcher  durch  8  Tage 
und  Nächte  anhielt  und  mit  einer  48  Stunden  andauernden  umschrie- 
benen Peritonitis  in  der  Gallenblasengegend  endete.  Nach  diesem  An- 
fall blieb  die  Gallenblase  durch  10  Tage  in  abnehmender  Stärke  fühlbar 
und  druckempfindlich.  Die  Peritonitis  äusserte  sich  durch  Temperatur- 
steigerung (38,7),  sowie  durch  Bewegungsschmerzen  unter  dem  rechten 
Rippenbogen  (heim  Atmen,  Husten,  Pressen). 

Diagnose:  Gallensteine  mit  Kolikschmerzen ,  letztere  hervor- 
gerufen durch  Gallenstauung  und  Entzündung  in  der  Gallenblase.  Zu- 
letzt Pericholecystitis. 

Der  letzte  Stägige  Aufall.  welcher  zur  Einstellung  der  Berufs- 
tätigkeit nötigte  und  eine  druckempfindliche  Gallenblase  zurückliess, 
brachte  den  Entschluss  zur  Reife ,  auf  operativem  Wege  Heilung  zu 
suchen.  (Karlsbader  Mühlbrunn  war,  wiewohl  nicht  kurgemäss,  wieder- 
holt monatelang  getrunken  worden).  Operation  am  19.  April  durch 
Professor  Kehr-Halberstadt.  Ein  taubeneigrosser  Stein  am  ßlasen- 
hals,  Gallenblasen  wand  verdickt  (l  cm),  einige  frische  Adhäsionen  mit 
der  vorderen  Bauchwand,  Inhalt  reine  Galle,  Gallengänge  frei.  Ein- 
nähung und  18tägige  Drainage  der  Gallenblase.  Gute  Heilung.  Am 
17.  Mai  mit  nahezu  geschlossener  Wunde  nach  Karlsbad". 

Befund:  Lungen,  Herz  gesund,  im  Urin  weder  Eiweiss  noch 
Zucker  oder  Gallenfarbstoff.  Leber  nicht  vergrössert,  in  der  Ge- 
gend der  Gallenblase  e,ine  schmerzhafte,  ca.  walnusgrosse  Resistenz. 
Sonst  alles  normal.  Die  Diagnose  wird  auf  häufig  überstandene  Cho- 
lecystitis serosa  und  Pericholecystitis  gestellt.  Augenblicklich  ist  der 
Cysticus  frei. 

Operation  19.4.98.  Chloroformnarkose.  Dauer  */4  Stunde.  Längs- 
schnitt im  r.  M.  rect.  abdom. ,  vom  Rippenbogen  abwärts ,  stumpfe 
Durchtrennung  des  Muskels.  Nach  Eröffnnng  der  Banchhöhle  findet 
man  den  Fandnsteil  der  übrigens  nicht  vergrösserten  Gallenblase  ad- 
häreut  an  einem  dem  Feritonenm  parietale  angehörigen  FettklUmpchen, 
welches  ziemlich  genan  in  der  Mittellinie  liegt.  Daher  ist  die  ganze 
Gallenblase  nach  links  verzogen.  Es  wird  stumpf  die  Verwachsung 
gelöst,  sofort  entschlüpft  die  Blase  nach  oben;  sie  wird  vorgezogen 
und  nun  abgetastet.  Weitere  Adhäsionen  fanden  sich  nicht,  dagegen 
ist  die  Blasenwaud  sehr  derbe  und  man  fühlt  ein  grosses  Concrement 
hoch  oben  im  Gallenblasenhals.  Die  mit  zwei  Hackenpinzetten  vor- 
gezogene Blase  wird  im  Fundusteil  mit  dicker  Nadel  angestochen  und 
mittelst  Aspirationsspritze  nach  Abschluss  der  Bauchhöhle  durch 
Gazekompressen   zähe,    schwärzliche,   gallige   Flüssigkeit    angesaugt; 


—    28    - 

trotzdem  eine  reichliche  Menge  entfernt  war,  fliesst  nach  Entfernung- 
der  Nadel  aus  der  Stichöffnung  noch  fortwährend  ebensolche  Masse 
aus,  die  sofort  aufgetupft  wird.  Nun  wird  eine  Incision  durch  den 
Fundus  gemacht,  welche  durch  den  Stich  geht.  Die  ausfliesseuden 
Mengen  werden  durch  Tupfen  entfernt,  dann  die  Kompressen  ge- 
wechselt und  der  Stein  mit  nicht  geringer  Mühe  nach  dem  Fundus 
hingedrückt;  zur  Extraktion  des  Gebildes  uiuss  der  Gallenblasenschnitt 
noch  verlängert  werden.  Jetzt  wird  mit  der  Kornzange  ein  haselnuss- 
grosser,  granulierter  Stein  herausbefördert.  Nun  fliesst  Galle  in  grosser 
M^enge,  dieselbe  wird  aufgetupft  und  die  Blase  temporär  mit  trockenen 
Gazestreifen  tamponiert.  Der  ziemlich  ausgedehnte  Längsschnitt  in 
der  Gallenblase  wird  durch  Serosanähte,  welche  sich  bei  der  starken 
Wandverdickung  unschwer  anlegen  lassen,  von  oben  und  unten  her  sa 
weit  verkleinert,  dass  ein  kleinflngerdicker  Schlauch  noch  passieren 
kann.  Vorläufig  bleibt  die  Gaze  lioch  in  der  Blase,  welche  ringsherum 
am  Peritoneum  der  Bauchwand  fixiert  wird.  Nachdem  die  Einnähung 
vollendet  war,  wird  das  Peritoneum  parietale  von  der  Einnähungsstelle 
der  Blase  abwärts  durch  Knopfnähte ,  welche  Fascie  und  Muskel 
durchdringen,  geschlossen,  dann  die  übrige  Wunde  durch  Knopfnähte 
vereinigt,  mit  Ausnahme  der  Gegend,  wo  die  Blase,  soweit  sie  durch 
Schnitt  eröffnet  war,  extraperitoneal  fixiert  ist.  Die  in  der  Blasenwand 
liegenden  Fäden  werden  lang  gelassen,  der  Schlauch  tief  in  die  Blase 
geführt,  rings  um  die  Fistel  Gaze  gestopft  und  ein  grosser  Bauch- 
verband angelegt.    Sofort  fliesst  dunkle  Galle  reichlich. 

Verlauf:  Herr  R.  erwacht  ziemlich  schnell  aus  der  Narkose.  Er 
erhält  keine  Flüssigkeit,  ausser  dass  er  den  Mund  mit  kaltem  Wasser 
spült.  Bis  zum  Abend  um  6  Uhr  erbricht  er  2  mal,  dann  nicht  mehr,  klagt 
aber  in  der  Nacht  über  Schmerzen.  Daher  wird  der  Schlauch  nachts 
etwas,  am  Morgen  des  20.  4.  noch  mehr  aus  der  Blase  herausgezogen. 
Pat.  erhält  am  20.4.  morgens  die  erste  Nahrung:  Mehlsuppe,  später 
Kaffee  mit  Milch,  Das  Allgemeinbefinden  ist  gut,  nur  klagt  Herr  R. 
über  Durst  und  grosse  Mattigkeit.  Seit  2  Uhr  (20.  4.)  würgt  er  oft  und 
erbricht  zuerst  etwa  esslölfelweise,  dann  abends  bis  '/^  Liter  schwärz- 
lich braune  Massen,  letztere  nach  Genuss  eines  Glases  kalten  Wassers. 
Daraufhin  schläft  Pat.,  dessen  Puls  abends  98,  Temp.  36,9"  beträgt, 
in  der  Nacht  gut  und  fühlt  sich  am  Morgen  des  21.  4.  sehr  gut  (Puls  88, 
Temp.  37,5°  in  ano).  Das  Erbrechen  hat  sich  nicht  wieder  eingestellt. 
Seitdem  bessert  sich  das  Befinden  immer  mehr  und  der  weitere  Ver- 
lauf ist  ganz  glatt,  kein  Fieber.  Die  Fäden  werden  am  10.  Tage  ent- 
fernt, Wunde  gut  verheilt,  stets  Gallenfluss.  Die  Fistel  schliesst  sich, 
nachdem  die  Gallenblase  18  Tage  lang  drainiert  war,  schnell  und  am 
14.  5.  kann  Herr  R.  zur  Nachkur  nach  Karlsbad  entlassen  werden  mit 
kleiner  Granulation  an  der  Fistelstelle. 

Epicrise:  Pat.  war  schon  bald  wieder  in  der  Lage,  oline 
irgend  welche  Beschwerden  seine  schweren  Berufspflichten  ganz 
und  voll  zu  erfüllen;  er  erfreut  sich  einer  grossen  Arbeitskraft^ 
eines  ausgezeichneten  Appetits  und  gesunden  Schlafs. 


—     29     — 

Hier  handelt  es  sich  um  eine  relativ  frühzeitige  Operation, 
zu  welcher  der  in  Gallensteinchirurgie  selbst  sehr  erfahrene 
Operateur  sich  entschloss,  weil  er  die  Gefahren  der  Chole- 
lithiasis  genau  kannte  und  die  Vorteile  der  frühzeitigen  Operation 
sich  nicht  entgehen  lassen  wollte. 

Nr.  14.     A.  P.,  25  j.    Grastwirtsfrau  aus  Brauiischwende  bei 
Wippra  a.  H. 

Aufgen.:  8.  8.  98. 

Operiert :  15.  8.  98.     Cystostoraie. 

Entl.:  17.  9.  98.    Geheilt. 

Anamnese:  Fat.,  deren  Eltern  leben  und  gesund  sind,  war 
selbst  nicht  erheblich  krank,  bis  sie  1894  plötzlich  in  der  Nacht  einen 
von  Erbrechen  eingeleiteten  Schmerzaufall  bekam.  Die  Schmerzen 
waren  auf  die  r.  Oberbauchgegend  lokalisiert  und  wechselten  während 
der  8  Tage,  die  Fat.  bettlägerig  war,  in  ihrer  Intensität.  Der  Arzt 
machte  Morphiuminjektionen.  Es  trat  wieder  Wohlbefinden  ein,  bis 
1896  dieselben  Anfälle  von  3  tägiger  Dauer  sich  einstellten.  Eine 
Diagnose  wurde  nicht  gestellt.  Seitdem  traten  krampfartige  Schmerz- 
anfälle öfters  auf  mit  Pausen  von  4—8  Wochen.  Der  Schmerz  war 
stets  rechts  unter  den  Rippen  am  stärksten,  zog  sich  später  mehr 
nach  der  Mitte  hin.  Kurz  bevor  Fat.,  die  nie  gelb  gewesen  ist,  hier- 
her kam,  wurden  Gallensteine  diagnostiziert.  Die  letzten  8  Tage  vor 
ihrem  Herkommen  hatte  die  Frau  ungemein  heftige  Schmerzen. 

Befund:  Mittelgrosse ,  etwas  zarte ,  gutgenährte  Frau.  Organ- 
befund normal,  Harn  frei  von  Eiweiss  und  Zucker  und  Gallen- 
farbstofi".  Lebergegend  sehr  druckempfindlich,  Leber  nicht  vergrössert, 
Galleublase  als  Tumor,  welcher  an  der  Aussenseite  des  Rektus  liegt, 
palpabel,  jedoch  wohl  in  Folge  der  straffen  Bauchdecken  und  exqui- 
siten Druckempfindlichkeit  undeutlich.  Untere  Tumorgrenze  daumen- 
breit unterhalb  Nabelhöhe.    Temp.  37,9»,  Fuls  88. 

Diagnose:  Akute  ^Cholecystitis.  Nach  mehrtägigem  Abführen 
ist  die  Druckempfindlichkeit  fast  gänzlich  geschwunden,  der  Gallen- 
blasentumor nicht  mehr  nachweisbar.  Temp.  37,3 ".  Die  Operation 
verzögert  sich  in  Folge  baulicher  Veränderungen  im  Operationszimmer 
und  wurde  erst  am  15.  8.  vorgenommen. 

Operation:  Chloroformnarkose.  8cm.  langer  Längsschnitt  im 
rechten  M.rectusabdominis.  Die  Gallenblase  überragt  mit  ihrer  Kuppe  den 
Leberrand,  sie  ist  prall  gefüllt,  leichte  Adhärenz  am  Netz,  welche  dem 
Druck  des  palpierenden  Fingers  weicht.  Schutz  der  Bauchhöhle  durch 
Kompressen,  Anschlingung  der  Blase  durch  2  provisorische  Seiden- 
ligaturen, Funktion  und  Aspiration  des  Blaseninhalts;  es  wird  eine 
reichliche  Menge  trüber,  brauner  Flüssigkeit  angesaugt.  Die  Falpation 
weist  einen  Stein  im  Blasenhals  nach,  derselbe  lässt  sich  in  die  Blase 
drücken.  Eröffnung  der  Blase  im  Fundus  durch  Längsschnitt,  Aus- 
trocknung der  Blase   mittelst  trockener  Gazestreifen.     Extraktion  von 


--     30     — 

2  schwarzen  Steinen,  einem  liaseinnssgrossen  nnd  einem  gut  kirgcbkern- 
grossen,  sofort  Gallenüuss.  Einnähung  der  Blase  ins  Peritoneum  parie- 
tale, dann  Knopfnähte  des  Peritoneum  parietale  bis  zum  unteren  Wund- 
winkel, Muskelfazienknopfnähte,  Hautnähte.  Einführung  eines  dicken 
Schlauches  in  die  Blase,  Gazetamponade  auf  die  die  Blase  an  das  Peri- 
toneum fixierenden  Nähte.    Verband. 

Verlauf:  Es  fiiesst  ständig  Galle,  die  Temperatur  bleibt  stets 
in  normalen  Grenzen.  Am  24.  8.  wird  der  erste  Verbandwechsel  vor- 
genommen, die  genähte  Wunde  ist  p.  p.  verheilt,  die  Fäden  werden 
entfernt,  der  Schlauch,  welcher  sehr  dünnwandig,  durch  langes  Kochen 
ganz  erweicht  war,  herausgezogen.  E«  gelang  nicht  wieder  in  die 
Gallenblase  hineinzukommen  nnd  daher  wurde  bis  auf  ihre  Öffnung 
ein  Tampon  eingelegt.  Heim  nächsten  Verbandwechsel  am  27.  8. 
keine  Galle  im  Verband.  Man  gelangt  leicht  in  die  Blase  und  weist 
mit  der  Sonde  einen  Stein  im  Blaseuhals  nach ;  derselbe  lässt  sich 
nicht  entfernen.  Schlauch  in  die  Blase.  Verband.  Galle  fliesst  nicht. 
31.  8.  Verbandwechsel,  Stein  in  Trümmern  zum  Teil  entfernt.  4.  9. 
Reste  des  Steins  extrahiert,  reichlicher  Gallenfluss,  seitdem  häufige 
Verbände.  Schlauch  weggelassen  am  10.  9.  Häufiger  Verbandwechsel 
wegen  Durchtränkung  mit  Galle.  Beschwerdefrei  mit  noch  fliessen- 
der  Gallenfistel  nach  Hause  entlassen  am  17.  9.  98.  Pat.  soll  sich  zu 
Hause   weiter  verbinden  lassen.    Stellt  sich  im  Dezember  geheilt  vor. 

Epicrise:  Nach  der  Operation  hatte  man  die  üeber- 
zeugung,  dass  alle  Steine  entfernt  waren;  jedenfalls  war  der 
ductus  cysticus  offen,  denn  es  floss  Galle.  Und  doch  war  ein 
Stein  übersehen  worden.  Fast  wäre  die  Gallenfistel  geheilt 
nnd  der  Stein  wäre  an  Ort  und  Stelle  geblieben. 

Nr.  15.     H.  K ,  36j.  Oberwärter  aus  Dresden. 

Aufgen.  4.  5.  1898. 

Operiert:  7.5.   1898.     Cystostomie. 

Entlassen:  28.  5.  1898.     Geheilt. 

Anamnese:  Eltern  gestorben,  Vater  starb  an  Lungenkrank- 
heit, Mutter  an  Schlaganfall.  3  noch  lebende  Geschwister  sind  gesund, 
4  gestorben.  Pat.  seit  5  Jahren  verheiratet,  2  gesunde  Kinder.  Immer 
gesund  bis  zum  28.  Lebensjahre.  Im  Herbst  1892  nach  Genuss  frischen 
Obstes  starke  Schmerzen  in  der  Magengegend,  krampfartig,  ausstrahlend 
nach  der  rechten  Seite.  Tiefes  Atemholen  sehr  schmerzhaft.  In 
2  Stunden  Anfall  vorüber.  Kein  Erbreclien.  Der  Stuhl  war  immer 
regelmässig,  braun  gefärbt.  Blut  und  Schleim  nie  bemerkt.  Die  An- 
fälle wiederholten  sich  in  Pausen  von  1—6  Monaten.  1894  8  Wochen 
lang,  oft  den  ganzen  Tag  anhaltende,  krampfartige,  ziehende  Schmerzen 
in  der  Magengegend.  Druckempfindlichkeit  der  rechten  Seite,  Un- 
behagen in  der  Magengegend,  ab  und  zu  bitteres  Aufstossen.  1895  nach 
einem  Anfall  dunkelgelber  Harn,  beim  Schütteln  gelbschaumig.  Pat. 
untersucht  den    Stuhl,  ein   erbsengrosser,   vielkantiger,   gelber,    harter 


—     81     — 

Stein  wird  gefunden.  Bei  einem  späteien  Anfall  gingen  18  kleine 
Steine  auf  einmal  ab.  1897  im  August  geht  Pat.  4  Wochen  zur  Kur 
nach  Karlsbad,  darnach  Erleichterung  bis  Anfang  1898,  wo  die  Anfälle 
in  alter  Weise  auftreten.  14.  4.  8  Stunden  langer  Anfall,  darnach  Ab- 
gang eines  Steines.  Mit  der  Zeit  hat  Pat,  gegen  70  Steine  gesammelt. 
Appetit  und  Schlaf  war  [immer  unregelmässig.  20  Pfund  Körper- 
gewichtsabnahme.   Kein  Fieber. 

Befund:  Mittelgrosser,  hagerer  Mann.  Organbefund  normal. 
Harn  desgleichen,  nicht  ikterisch.  Geringe  Druckempfindlichkeit  in 
der  Gallenblasengegend.     Kein  Tumor,  keine  Lebervergrösserung. 

Diagnose:  Die  Diagnose  wird  auf  Steine  in  der  Gallenblase 
gestellt  ohne  Cysticusversehluss.    Jetzt  Ruhe  in  der  Gallenblase. 

Operation:  Die  Indication  zur  Operation  wird  durch  die  so- 
ziale Stellung  des  Pat.,  der  schwer  arbeiten  muss,  gegeben.  Operation 
am  7.  5.  1898  unter  Schleich'»  Lokalanästhesie.  Dauer  l'/2  Stnudeii, 
Längsschnitt  im  rechten  Musculus  rectus  abdomiois  vom  Rippenbogen 
abwärts  bis  etwas  über  Nabelhöhe.  Die  mittelgrosse  Gallenblase  tritt 
gleich  zu  Tage  ;  sie  ist  mit  dem  Magen  verwachsen,  stumpfe  Lösung 
der  Adhäsionen.  Aspiration  von  dicker  Galle.  Kleiner  Längsschnitt 
in  den  Fundus  nach  Schutz  der  Bauchhöhle  durch  Compressen,  Ent- 
fernung von  154  gelben  kantigen  erbsengrossen  Steinen,  es  fliesst 
Galle,  temporäre  Tamponade  der  Blase,  Einnähung  ^derselben,  im  un- 
teren Wundwinkel  2  Durchstichknopfnähte,  darüber  Peritonealfascien- 
nähte,  im  übrigen  Hautnälite,  Gazetamponade  auf  die  Fixationsfäden 
der  Gallenblase  um  das  jetzt  eingeführte  Gummirohr.    Verband. 

Verlauf:  Ziemlich  ungestört,  die  höchste  Abendtemperatur  wird 
am  9.  5.  mit  38,2°  erreicht.  Galle  fliesst  stets.  Der  erste  Verbandwechsel 
am  16.  5.  zeigt  die  Wunde  per  pr.  verheilt,  die  Fäden  werden  heraus- 
genommen. Nach  weiteren  5  Verbänden  wird  Pat.  mit  noch  bestehender 
Gallentistel  und  granulierender  Wunde  entlassen.  Laut  brieflicher  Mit- 
teilung vom  21.  6.  1898  hat  sich  die  Gallenfistel  seit  12.  6.,  der  Rest 
der  Wunde  seit  13.  6.  1898  vollständig  geschlossen.  Herr  K.  bemerkt 
weiter,  dass  es  ihm  reclit  gut  ginge  und  er  sich  wohl  fühlte,  Be- 
schwerden hätte  er  nicht  mehr. 

Rpicrise:  Ich  habe  den  Pat.  im  Jahre  1898  während 
einer  Nachkur  in  Karlsbad  oft  getroffen:  er  ist  vollständig  frei 
von  Beschwerden. 

Die  Operation  verlief  unter  Schleich'seher  Anästhesie 
gut;  vom  Bauchwandsclinitt  hat  er  überhaupt  nichts  ge- 
merkt. Bei  der  Lösung  der  Adhäsionen  bekam  Patient 
Magendrücken  und  Erbrechen.  Wo  keine  Adhäsiouen  vor- 
liegen, der  Cysticus  frei  ist,  kann  man  die  Lokalanästhesie  an- 
wenden, sonst  muss  man  immer  die  allgemeine  Narkose  be- 
nutzen, da  eine  Abtastung  des  Cysticus  und  Choledochus 
ausserordentlich  schmerzhaft  ist.    Versäumt  man  die  Palpation 


—     32     — 

der  Gallengäiige,    wird  man  .  häufig,   wie   bei   der  zweizeitigen 
Cystostoraie,  nur  unvollkommene  Heilungen  erzielen. 

Nr.  16.    R.,  33  j.  Sattlermeistersfrau  aas  Westeregelii. 

•      Aufgen.:   14.  5.  1894. 

Operiert:  15.  5.  1894.     Cystostomie. 
Entlassen:  21.  .6.  1894.     Geheilt. 

<  Anamnese:  Seit  4  Jahren  „Magenkrämpfe",  seit  13  Tagen  fort- 
während heftige  Schmerzen.  Stuhlgang  grau ,  geringer  Ikterus.  Am 
11.  5.  im  Stuhlgang  ein  linsengrosser  Stein.  Am  14.  5.  nach  Ricinusöl 
brauner  Stuhlgang  mit  8  kleinen  Steinchen.  Da  sich  annehmen  lässt, 
dass  nunmehr  der  Choledochus  frei  ist,  Pat.  aber  „gründlich  kuriert" 
sein  will,  wird  zur  Operation  geschritten. 

Operation:  15.  5.  1894.  Incision  im  rechten  musc.  rect.  abd. 
Adhäsionen  zwischen  mittelgrosser  Gallenblase  und  Magen.  Trennung. 
Hals  der  Gallenblase  divertikelartig  erweitert.  In  ihr  30  Steine,  dar- 
unter 2  grosse.  Choledochus  anscheinend  frei.  150  gr.  Äther,  vorher 
Morphium-Atropin.    Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Verlauf:  Fieberfrei,  der  Oalleuflnss  ist  stets  sehr  profus,  so 
dass  die  Erholung  der  Pat.  langsam  rorwärts  schreitet.  Die  äussere 
Fistel  wird  am  5.  6.  durcli  einen  Stöpsel  yerschlossen  —  es  treten 
Schmerzen  dabei  auf,  so  dass  der  Stöpsel  entfernt  werden  ninss. 
Darauf  wird  der  Stuhlgang  branner  gefärbt,  die  Gallensekretion  lässt 
nach.  Im  Stuhlgang  wird  ein  linsengrosser  Stein  aufgefunden.  Mit 
fast  geschlossener  Fistel  wird  Pat.  am  21.  6.  entlassen,  laut  brieflicher 
Mitteilung  des  Herrn  Dr.  Schiele  am  25.  7.  ist  die  Fistel  i-u,  das  All- 
gemeinbefinden vorzüglich. 

Epicrise:  Ich  habe  immer  den  Rat  gegeben,  während 
des  Durchwanderns  von  Steinen  durch  den  Choledochus 
nicht  zu  operieren.  Ist  die  Fistel  angelegt,  und  noch  ein 
Stein  im  Choledochus,  so  fliesst  alle  Galle  aus  der  Fistel, 
denn  es  fehlt  die  vis  a  tergo,  um  den  Stein  im  Choledochus 
in  den  Darm  zu  treiben.  Man  kann  sich  in  diesem  Falle  mit 
dem  Stöpselexperiment  helfen,  doch  ist  es  besser,  ehe  man 
operiert,  so  lange  zu  warten,  bis  man  sicher  ist,  dass  der 
Choledochus  frei  ist.  Im  obigen  Fall  war,  ein  linsengrosser 
Stein  im  Choledochus  übersehen  worden,  der  dann  durch  das 
Stöpselexperiment  herausgetrieben  wurde.  In  diesem  Fall 
hatte  also  das  Experiment  einen  curativen  Erfolg!  Pat.  ist 
vor  10  Jahren  operiert,  heute  würde  ich  mit  der  Operation 
noch  längere  Zeit  warten,  bis  ich  sicher  wäre,  dass  der  Cho- 
ledochus auch  wirklich  frei  sei. 


—     33     — 

Nr.  17.     eil.   S.,     49  j.   Kaufniannsfrau     aus    Ekaterinoslaw 
(Riisslaud). 

Aufgen.:  6.  3.  1903. 

Operiert:    8.   3.    1903.     Cystostomie  nach  Resektion 

des  Gallenblasen-Fundus. 
Entlassen:  3.  4.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  hat  als  Kind  Tjphus  überstanden. 

Seit  etwa  20  Jahren  besteht  bei  Fat.  angeblich  eine  Vergrösserung 
der  Leber.  Magenkatarrh  hat  schon  jahrelang  bestanden.  Vor  14  Jahren 
hat  Pat.  V*  Jahr  lang  an  Magenkrämpfen  und  Erbrechen  gelitten.  Im 
Mai  1902  plötzlich  kolikartige  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magen- 
grube und  im  Rücken,  welche  eine  Nacht  anhielten  und  sich  2—3  Tage 
lang  wiederholten.    Zugleich  bestand  Fieber. 

Zwei  Monate  später  stellte  sich  bei  Pat.,  ohne  dass  Schmerzen 
sich  eingefunden,  allgemeine  starke  Gelbsucht  ein.  Stuhl  war  weiss 
(Steine  wurden  in  demselben  nie  gefunden).  Urin  war  bierbraun.  Alle 
2—3  Tage  trat  Fieber  (39—40")  auf.  Auch  bestand  starkes  Hautjucken. 
Die  Fieberanfälle  wurden  dann  weniger  häufig  und  das  Fieber  niedriger. 
Seit  6  Monaten  steigt  die  Körpertemperatur  alle  8 — 14  Tage  nur  noch 
bis  auf  ca.  38".  Die  Gelbsucht  wurde  etwas  weniger  intensiv.  Der 
Stuhl  war  teils  weiss,  teils  grau,  niemals  aber  richtig  gefärbt.  Pat. 
hat  keine  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  auch  keine  Kolikanfälte 
gehabt,  doch  hat  sie  ab  und  zu  etwas  Druck  und  Stiche  in  der  Leber- 
gegend und  wird  ihres  Lebene  nicht  mehr  froh,  fühlt  sich  nie  wohl. 
Pat.  ist  mit  Karlsbader  Wasser,  Vichy-Wasser,  heissen  Umschlägen, 
Klystiereu  und  mit  Medizin  behandelt  worden. 

Herr  Dr.  Notkin-Kiew  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Stark  ikterische  Frau.  Leber  gross,  gesenkt,  unterer 
Rand  in  Nabelhöhe.,  Gallenblasengegend  wenig  druckempfindlich. 
Herz  und  Lunge  gesund.  Milz  nicht  palpabel.  Urin  enthält  massige 
Menge  Eiweiss,  viel  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Steine  im  Choledochus. 

Operation:  8.  3.  03.  Wellenschnitt.  Leber  sehr  gross,  unterer 
Rand  steht  in  Nabelhöhe.  Gallenblase  von  Lebergewebe  bedeckt,  ist 
mft  Steinen  prall  gefüllt  und  mit  Netz  und  Duodenum  verwachsen. 
Lösung.  3  Unterbindungen.  Im  Choledochus,  der  einen  völlig  nor- 
malen Eindruck  macht,  wird  kein  Stein  gefühlt.  Das  Foramen  Wins- 
lowii  ist  auf.  Auch  an  der  papilla  duodeni  fühlt  man  keine  Steine. 
Das  Pankreas  ist  normal.  Der  Befund  ist  ganz  wider  Erwarten.  Die 
Gallenblase  wird  eingestochen,  es  entleert  sich  durch  Aspiration  trübe 
Galle.  Incision  der  Gallenblase  am  Fundus,  der  sehr  morsch  ist. 
Extraktion  von  ca.  20  teils  haselnussgrossen  leicht  zerbrechlichen 
Steinen.  Der  Fiindiis  der  Galleublase  wird  abgetragen  und  die  Gallen- 
blase bis  zu  ihrer  Mitte  von  dem  Leberbett  abgelöst.  Hier  stösst  man 
auf  einen  bleistiftstarken  Strang,  bei  dessen  leicliter  Einritznng  trübe 
Galle  in  grosser  Menge  abfliesst.  Es  handelte  sich  um  einen  Hepa- 
Kchr,  Technik  der  GaUensteinoperationPO.  3 


—     34      — 

ticusast.  Eine  Uterussonde  lässt  sich  vom  Leberbett  ans  in  den 
rechten  Leberlappeu  ca.  5  cm  vorschieben,  ebenso  vom  Leberbett  aus 
in  die  Gallenblase.  Aus  der  Leber  fliesst  zuerst  trübe,  dann  ganz  helle 
Oalle.  Bei  weiterer  näherer j^Betraclitung  wird  ein  zweiter,  ebenso 
starker  Ast,  etwa  VJ2  cm  tiefer  freigelegt.  Von  der  Galleublase  aus 
lässt  sich  auch  dieser  gut  sondieren.  Alle  diese  Massnahmen  sind 
sehr  leicht,  da  die  Leber  sich  vollständig  umkippen  lässt  und  man 
bequem  au  ilirer  unteren  Fläche  arbeiten  kann.  Cysticus  ist  frei, 
leicht  sondierbar,  die  Sonde  dringt  in  den  Choledochus  vor  bis  in  den 
retroduodenalen  Teil.  Der  zur  Hälfte  stehen  gebliebene  Rest  der  Gallen- 
blase wird  mit  einem  dünnen  Gummischlauch  versehen  und  durch 
eine  dichte  Naht  wasserdicht  verschlossen.  Tamponade  auf  das  Leber 
bett  und  die  Gallenblasennaht.  Naht  der  übrigen  Bauchwunde.  Dauer 
der  Operation  55  Min.     Puls  hinterher  gut.    Chloroformnarkose  gut. 

Verlauf:  Gut. 

10.  3.  03.     Galle  läuft  die  ersten  4  Tage  nicht. 

12.  3.  03.    Galle  läuft  etwas. 

13.  3.  03.    Führt  ab.    Befinden  gut.    Reichlich  brauner  Stuhl. 

15.  3.  03.  Verband  ziemlich  stark  mit  Galle  durchtränkt.  1.  Ver- 
bandwechsel. Entfernung  der  unteren  Tampons ,  welche  sehr  lose 
sitzen.  Tampons  stark  mit  etwas  stinkendem  Sekret  durchtränkt,  hinter 
den  Tampons  etwas  Sekretverhaltung.  Ausspülung.  Wunde  sieht  gut 
aus.  Tampons  im  Leberbett  bleiben  liegen.  Tamponade,  Verband. 
Temp.  abends  38,2.  Nach  Lösung  der  untern  Tampons  beginnt  klare 
Galle  durch  das  Rohr  tropfenweise  abzufliessen. 

16.  3.  03.  Verband  etwas  mit  Galle  durchtränkt.  Verbandwechsel. 
Wiederum  Wechsel  der  unteren  Tampons.  Aus  der  Gallenblase  ent- 
leert sich  beim  Ausspülen  stinkende  trübe  Galle.  Tamponade.  Verband. 
Galle  läuft  nicht  durchs  Rohr.  Rohr  gekürzt.  Stuhl  braun.   Befinden  gut. 

18.  3.  03.  Temp.  mittags  37,6,  abends  38,4.  Etwas  Schmerzen  an 
der  Wunde.  Verband  trocken.  Verbandwechsel.  Entfernung  sämt- 
licher Tampons.  Aus  der  Tiefe  entleert  sich  aus  der  Gallenblase 
dicke  trübe  und  stinkende  Galle.  Ausspülung.  Tamponade.  2  etwas 
vereiterte  Nähte  werden  entfernt. 

19.  3.  03.  Temp.  37,5,  abends  38,2.  Klagen  über  Schmerzen  an 
der  Wunde.  Verbandwechsel.  Verband  ziemlich  stark  mit  Galle 
durchtränkt.  Wunde  sieht  rein  aus.  Galle  fliesst  durch  das  kurze 
Drainrohr,    Tamponade.     Verband. 

20.  3.  03.  Fieberfrei.  Verband  trocken.  Befinden  gut.  Wenig 
Schmerzen  an  der  Wunde. 

23.  3.  03.  Verband  heute  mit  Galle  durchtränkt.  Verbandwechsel. 
Entfernung  der  Nähte.  Galle  läuft  ganz  klar  durch  das  Rohr.  Wunde 
sieht  gut  aus.    Temp.  37,8-38,2. 

24.  3.  03.  Verband  stark  mit  Galle  durchtränkt.  Verbandwechsel. 
Entfernung  dos  kurzen  Rohres  und  eines  Teiles  der  langen  Fäden. 
Galle  läuft  klar.    Ausspülung.    Tamponade.    Verband.    Steht  auf. 


-T      35     — 

27.  3.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Heute  massig  mit  Galle 
durchtränkt.  Verbandwechsel.  Weitere  lange  Fäden  entfernt.  Wunde 
sieht  gut  aus,  verkleinert  sich  schnell.  Ausspülung  der  Gallenblase 
jnit  Spülkatheter.  Es  fliesst  klare  Galle.  Tamponade.  Verband.  Tem- 
peraturen dauernd  normal. 

30.  3.  03.    Letzte  lange  Fäden  entfernt,     Galle  läuft  wenig. 

2.  4.  03.  Verbandwechsel.  Verband  trocken.  Galle  läuft  nicht 
tnelir.  Wundtrichter  sehr  klein  und  nicht  mehr  tief.  Man  gelangt 
nicht  mehr  in  die  Gallenblase.  Beim  Ausspülen  der  Wundhöhle  fliesst 
keine  Galle  mehr.    Tamponade.    Verband. 

3.  4.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem,  gut  granulierendem  Wundtrichter 
als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Fall  ist  ein  Unikum.  Eine  Einmündung 
von  so  starken  Hepaticusästen  direkt  in  den  Fundus  der 
<^allenblase  ist  nirgends  beschrieben.  Es  handelt  sich  sicher 
um  eine  angeborene  Missbildiing,  und  es  ist  nicht  denkbar,  dass 
•erst  während  der  Gallensteinkraukheit  die  Gänge  entstanden 
sein  sollen.     Mehrere  Möglichkeiten  kommen  in  Betracht 

1.  Pat.  hat  zwei  normale  Hepaticusäste  und  einen  nor- 
malen Choledochus,  dazu  nebenbei  zwei  direkt  in  die 
Gallenblase  mündende  Hepaticusgänge.     (Fig.  1.) 

2.  Pat.  hat  statt  des  rechten  Hepaticusastes  die  beiden 
Hepaticusäste,  die  direkt  in  die  Gallenblase  münden^ 
einen  normalen  linken  Hepaticusast,  Choledochus 
normal.     (Fig.  2.) 

3.  Pat.  hat  weder  einen  linken  noch  rechten  normalen 
Hepaticusast,  sondern  sämtliche  Galle  fliesst  durch  die 
beiden  in  die  Gallenblase  mündenden  Hepaticusäste,  von 
hier  durch  den  Cysticus  in  den  Choledochus.     (Fig.  3.) 

Für  mich  ist  die  Annahme  unter  2  am  wahrscheinlichsten. 
Ich  hatte  keine  Gründe,  den  sonst  ganz  normalen  Choledochus  zu 
incidieren,  sonst  hätte  ich  durch  Sondierung  vielleicht  die 
Sachlage  klären  können.  Aber  der  Krankheitsveriauf  spricht 
für  die  Erklärung  2.  Pat.  hatte  eine  akute  Entzündung  der 
l)rall  mit  Steinen  gefüllten  Gallenblase  durchgemacht.  Dadurch 
war  der  Abfluss  der  Galle  aus  dem  rechten  Leberlappen  gestört. 
Würden  die  Verhältnisse  sein  wie  in  Nummer  1,  so  hätte  Pat. 
überhaupt  keinen  Ikterus  bekommen,  würden  sie  so  sein  wie  unter 
Nummer  3,  so  wäre  schwerster  Ikterus  eingetreten  und  Pat.  hätte 
nicht  noch  7  Monate  gelebt.  Wie  dem  auch  sei,  der  Fall  ist 
für  die  Ausführung  und  Technik  der  Ectomie  von  grosser  Be- 

3* 


Hepah'cus 
accesson 


Rechter 
Hepäticus 


Fig.  2. 

Linker  1 1  Hepaticus 


Fig.  3. 


Choledochus 


—     37     — 

deutung.  Hätte  man  die  Gallenblase  ganz  exstirpiert  und  lagen 
die  Verhältnisse  wie  unter  2  (wie  ich  das  annehme),  so  hätte 
man  einfach  den  rechten  Hepaticusast  abgeschnitten.  Bei  der 
Anordnung,  die  im  Gallensystem  herrschte,  wäre  es  ja  möglich 
gewesen,  dass  der  anfänglich  grosse  Gallenausfluss  mit  der 
Zeit  sistiort  hätte  und  die  Galle  sämtlich  durch  den  linken 
Hepaticusast  in  den  Choledochus  gelangt  wäre,  oder  man 
hätte  durch  eine  Anastomose  zwischen  Lebernische  und  Duodenum 
den  Gallenabfluss  in  den  Darm  wieder  herstellen  können.  Besser 
war  es  aber  jedenfalls,  dass  man  die  Gallenblase  samt  den 
einmündenden  Hepaticusästen  erhielt  und  sich  mit  einer  C^^sto- 
stomie  begnügte.  Der  Choledochus  selbst  war,  wie  die  genaue 
Besichtigung  —  die  Palpation  ist  weniger  zuverlässig  —  ergab, 
bestimmt  bei  der  Entstehung  des  Ikterus  unbeteiligt.  Der 
Choledochus  machte  einen  durchaus  normalen  Eindruck,  keine 
Spur  von  Entzündung,  keine  Adhäsion  in  der  Tiefe,  Foramen 
Winslowii  frei. 

Ich  habe  in  der  Literatur  (bei  Courvoisier  und  Langenbuch) 
keinen  Fall  gefunden,  der  dem  meinigen  gleicht.  Nur  bei  Cour- 
voisier ist  etwas  ähnliches  verzeichnet.  Von  einer  ganz  eigen- 
artigen abnormen  Anordnung  der  gesamten  Gallenkanäle  be- 
richtet Crucknell :  In  die  obere  Wand  der  kleinen  Gallenblase 
mündete  mit  weiter  Öffnung  der  gemeinsame  Hepaticus,  der 
kurz  vorher  vom  linken  Leberlappen  dessen  betreffenden  Gang 
aufgenommen  hatte.  Aus  dem  Fundus  der  Blase  entsprang  ein 
Kanal,  welcher  zugleich  Cysticus  und  Choledochus  war,  indem 
er  die  Leber  mit  dem  Duodenum  verband.  Alle  Galle  musste  also 
hier  die   Gallenblase*  passieren,    um  in  den  Darm  zu  gelangen. 

In  meinem  Falle  musste  nur  die  Galle  des  rechten  Leber- 
lappens die  Gallenblase  passieren,  wenigstens  nehme  ich  das 
an ;  eine  völlig  richtige  Erklärung  des  Falles  wäre  nur  durch 
die  Sektion  möglich  gewesen.  Die  Pat.  war  so  verständig,  sich 
dieser  durch  Überstehen  der  Operation  zu  entziehen*),  aber  ich 
habe  Herrn  Dr.  Notkin  in  Kiew  gebeten,  den  Fall  im  Auge 
zu  behalten  und  bei  einem  —  hoffentlich  noch  lange  aus- 
bleibenden —  Exitus  durch  die  Sektion  die  gewünschte  Aut- 
klärung zu  bringen. 


*)  Pat.  teilte  im   Februar  1904  mit,  dass  es   ihr  sehr  gut  gehe. 
(Anm.  während  der  Korrektur.) 


—     38     — 

Nr.  18,    K.  P.,  50j.  Lebeiisversicherungsdirektor  aus  Schöne- 
berg. 

Aufgen.:  JO.  9.  1903. 

Operiert :  14.  9.  1903.    Cystostomie.   Appendicectomie- 

Entlassen:  28.  10.  1903.  Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  keine  Kinder. 

Mutter  hat  früher  an  Magenkrämpfen  gelitten,  leidet  jetzt  viel 
an  krampfartigen  Rückenschmerzen. 

Fat.  ist  immer  gesund  gewesen. 

April  1902  bekam  Fat.  Beschwerden  nervöser  Natur,  Schwinde^ 
Kopfschmerzen,  Schmerzen  in  den  Waden,  allgemeine  Mattigkeit  nach 
psychischen  Aufregungen.  Fat.  wurde  6  Wochen  lang  von  einem  Ner- 
venarzt massiert  und  zwar  mit  Knetmassage  des  Unterleibes ,  da  es 
sich  um  eine  Krankheit  des  Leibes  handele.  Danach  Kur  in  Kis- 
singen.   Dort  Wohlbefinden,  nur  litt  Fat.  etwas  an  Verstopfung. 

Ende  September  1902  begannen  jedoch  wieder  die  alten  Be-. 
schwerden  (Schwindel  etc.).  Darauf  Behandlung  bei  einem  Mageii- 
spezialarzt. 

Mitte  November  1902  plötzlich  eine  Nacht  hindurch  in  der  Leber- 
gegend dumpfe,  drückende  Schmerzen,  die  bis  in  den  Rücken  aus- 
strahlten. Gleicher  Anfall  3-4  Tage  später.  Kein  Erbrechen,  kein 
Fieber,  keine  Gelbsucht.  Angeblich  Stuhl  damals  weiss,  Urin  aber 
dabei  hell.  Stuhl  stets  breiig,  „wie  in  Gärung".  Danach  wieder  völliges 
Wohlbefinden. 

März,  April  und  Mai  1903  je  einmal  ein  gleicher,  jedoch  viel  mil- 
derer Anfall. 

Ende  Juni  Kur  in  Karlsbad.  Dort  die  Kolikanfälle  häufiger,  wäh- 
rend 4  Wochen  6—8  Mal,  jedoch  ziemlich  milder  Art.  Einmal  dabei 
Erbrechen.  Auch  ab  und  zu  kurze  zuckende  Schmerzen  im  Rücken 
wie  elektrische  Schläge.     Dazwischen  Wohlbefinden. 

Ende  Juni  und  Anfang  August  neue  leichte  Anfälle.  Anfang 
August  bemerkt  Fat.  eine  Geschwulst  in  der  Gallenblasengegend. 

Letzte  leichte  Anfälle  am  4.  und  7.  September.  Darauf  riet  Herr 
Dr.  Hertzberg- Berlin  zur  Operation  und  sandte  uns  Fat.  zu. 

Anfang  Juni  wurde  im  Magen  des  Fat.  abnorm  viel  Schleim  und 
Salzsäure  festgestellt. 

Zur  Zeit,  etwa  seit  8  Tagen,  hat  Fat.  dauernde  Schmerzen  etwa 
handbreit  unterhalb  des  rechten  Rippenbogens. 

10.  9.  03.    Temp.  abends  37,8. 

11.  9.  03.    Temp.  morgens  37,8  abends  38,0. 

12.  9.  03.    Temp.  morgens  und  abends  37,7. 

13.  9.  03.    Temp.  morgens  37,8,  abends  38.0. 

Befund:  Wenig  schmerzhafter,  hühnereigrosser  Tumor  der 
Gallenblase,  ziemlich  weit  nach  rechts  hinübergelagert.  Darunter  in 
der  Ileocoecalgegend  Druokempfindlichkeit.    Leber  etwas  vergrössert, 


—     39     — 

deutlich  palpabel.  Kein  Ikterus.  Im  Urin  Spuren  von  Eiweiss, "  kein 
GallenfarbstofF,  kein  Zucker. 

Diagnose:  Entzündlicher  Hydrops  der  Gallenblase  (Appendicitis 
catarrhalis  acuta?) 

Operation:  14.  9.  03.  Gute  Sauerstoff -Chloroform -Narkose. 
Dauer  70  Min.,  45  gr.  Chloroform.  Wellensclinitt  mit  rölllger  Diirch- 
trennnng  der  masc.  rect.  abd.,  da  die  (ialleublase  weit  nach  rechts  liegt. 
Galleublase  sehr  gross,  gespannt,  enthält  dünnen,  gallig  gefärbten 
Eiter  und  ca.  50  erbsengrosse  Steine.  Im  Hals  der  Gallenblase,  der 
sehr  verdickt  ist  und  sich  wie  eine  Portio  uteri  anfühlt,  ein  walnuss- 
grosser  Stein,  der  sich  aber  leicht  funduswärts  drücken  lässt.  Cysto- 
stomie  mit  Draht.  Appendix  geschwollen,  enthält  Kot,  ist  im  Sta- 
dium akuter  katarrhalischer  Entzündung.  Appendicectomie.  Dauer 
dieser  Operation  kaum  10  Min. 

Verlauf:  Gut. 

28.  10.  03.  Wunde  fast  ganz  geschlossen.  Nur  noch  Spuren  von 
Galle  im  Verband.  Wird  geheilt  entlassen.  Muss  noch  einige  Male 
vom  Hausarzt  verbunden  werden. 

Kpicrise:  Es  machte  auf  mich  den  Eindruck,  als  ob  eine 
Infektion  der  Gallenblase  und  des  Appendix  vorlag,  die  viel- 
leicht auf  eine  und  dieselbe  Ursache  zurückzuführen  ist.  Bei 
dem  geschwollenen  Hals  der  Gallenblase  ist  in  solchen 
Fällen  einer  Ectomie  zu  widerraten.  Dass  man  die  kranke 
Appendix  mit'entfernt,  versteht  sich  ganz  von  selbst. 

Nr.  19.     M.  D.,  38j,  Gastwirtsfrau  aus  Pabstorf. 

Aufgen.:  12.  3.  1904. 

Operiert:  18.8.1904.    Cystostomie.    Appendicectomie. 

Entlassen:  26.  4.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Mutter  hat  an  Magenkrämpfen  gelitten,  Schwester 
wegen  Gallensteinen  in  Braunschweig  operiert.  War  immer  gesund 
bis  vor  6  Jahren,  wo  sie  eine  schwere  Blinddarmentzündung  durch- 
machte; damals  8  Wochen  bettlägerig.  Seit  5  Jahren  etwa  jährlich 
einmal  Magenkrampf,  bei  welchem  6  Wochen  bettlägerig.  Vor  6  Tagen 
Anfall  von  Magenkrampf  mit  Schüttelfrost  und  Fieber,  der  aber  am 
andern  Tage  vorüberging;  danach  wieder  Fieber  bis  40°  und  Fröste. 
Herr  Dr.  Klavehn  schickt  die  Pat.  wegen  schwerer  akuter  eitriger 
Cholecystitis  zur  Operation. 

Befund:  39,5'' C.  Fieber;  prall  gespannler  sehr  druckempfind- 
Hcher  Tumor  der  Galleriblase.  Am  13.  3.  03  morgens  38,5°  C.  Tumo- 
weniger  empfindlich. 

Vor  der  Aufnahme  :  Kein  Ikterus,  keine  Leberschwellung,  Tumor 
der  Gallenblase.  . 

Bei  der  Aufnahme:  Kein  Ikterus,  keine  Leberschwellung,  Tumor 
der  Gallenblase.    Urin  frei. 

Diagnose:  Serös-eitrige  Cholecystitis. 


—     40     — 

Operation:  13.  'S.  04  in  Beisein  der  Herren  Dr.  Klavebn- 
Pabstorf  und  Dr.  Dwight  M.  Lewis-Baltimore.  Gute  Chloroforni- 
Sauerstoff-Narkose,  65  gr.  Dauer  der  Operation  55  Minuten.  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  sehr  gross,  prall  gespannt,  mit  Netz  locker  ver- 
wachsen. Lösung.  Appendix  geschrumpft,  eng.  wird  entfernt.  Typische 
Cystostouiie  nach  der  Drahtuiethode.  Der  Cysticns  sehr  wand  verdickt, 
so  dass  es  schwer  ist,  zu  entscheiden,  ob  noch  Steine  dort  stecken. 
Inhalt  der  Grallenblase  trüber  Schleim,  eitrige  Galle.  Wand  der  Gallen- 
blase sehr  verdickt.  Es  werden  im  ganzen  ca.  20  Steine  von  Hasel- 
nussgrösse  entfernt. 

Verlauf:  Fieberfrei. 

16.  3.    Gallenfluss  beginnt,  ziemlich  trübe  Galle. 

18.  3.     Führt  ab. 

24.  3.     Galle  läuft  reichlich,  vollkommen  klar. 

28.  3.  Verbandwechsel.  Entfernen  aller  Cjstostomiefäden  und 
Drähte  und  sämtlicher  Hautnähte.  Wunde  absolut  reizlos.  Beim 
Ausspülen  der  Gallenblase  ein  kantiger  Stein  ausgespült. 

30.  3.    Beim  Ausspülen  der  Gallenblase  wieder  ein  Stein  entfernt. 
3.  4.    Wieder  ein  Stein,  anscheinend  der  letzte  ausgespült.    Fat. 
steht  auf. 

5.  4.    Beim  Ausspülen  kommt   noch  ein  kantiger  Stein  zu  Tage. 
Galle  läuft  jezt  sehr  gut. 

9.  4.    Noch  ein  grösserer  Stein  in  Trümmern  extrahiert  und    die 
Trümmer  durch  Ausspülen  entfernt.    Galle  läuft. 

21.  4.  Nachdem  bisher  noch  sehr  reichlich  Galle  gelaufen  ist, 
hat  sich  jetzt  die  Gallenfistel  nahezu  ganz  geschlossen. 

24.  4.  Geheilt  entlassen;  es  besteht  nur  noch  kleine  Granulation. 
Herr  Dr.  Klavehn  übernimmt  die  Nachbehandlung.  Nachdem  8  Tage 
die  Fistel  geschlossen  war,  bricht  sie  wieder  auf.  Es  entleert  sich 
trübe  Galle.  Bei  Sondierung  findet  man  keinen  Stein.  Ausspülung 
der  Gallenblase.    Nach  3  Tagen  Fistel  geschlossen.    Befinden  sehr  gut.*) 

Epicrise:  Ich  habe  gerade  diesen  Fall  auf  die  Möglich- 
keit einer  Ectomie  geprüft.  Da  aber  in  solchen  Fällen  der  Cysticus 
sehr  wand  verdickt  und  die  Leber  sehr  blutreich  ist,  dürfte  die 
Technik  nicht  leicht  sein.  Auch  die  Infektionsgefahr  ist  nicht 
gering.  Lässt  man  die  Gallenblase  geschlossen,  so  kann  sie  intra 
operat.  leicht  platzen;  entleert  man  sie,  so  ist  eine  Infektion 
immerhin  möglich.  —  Ich  meine,  dass  die  Cystostomie  der  In- 
dikation —  der  Entleerung  des  Eiters  —  völlig  genügt  und  das 
ist  die  Hauptsache.  Ich  sage  in  solchen  Fällen  stets  den  An- 
gehörigen, dass  nicht  immer  eine  Operation  genügt,  sondern 
manchmal  noch  nach  Wochen  eine  zweite  nötig  wird.  —  Während 
der  Nachbehandlung  wurden  noch  einige  Steine   entfernt.     Bei 


*)  Fat.  fühlt  sich  zur  Zeit  völlig  wohl.   Gallenfistel  fest  geschlossen. 
(Anmerkung  während  der  Korrektur.) 


~     41      — 

Wiederkehr  der  Entzündung-  wäre  es  leicht,  die  Narbe  zu  spalten 
und  die  Gallenblase  auszuspülen. 

b)  Cystostomie  mit  nur  teilweiser  Einnäiiung-  der 
Gallenblase    in    die     Bauchwunde     und    gleichzeitiger 

Tamponade. 
Nr.  20.     S.  K.,  52  j.  Rentiersfrau  ans  Dessan. 

Aufgen.:  9.  10.  1902. 

Operiert:  12.  iO.  1902..   Laterale  Cystostomie. 

Entlassen:  20.  11.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:  Seit  ca.  20  Jahren  hat  Pat.  „Magenkrämpfe", 
Schmerzen  im  Oberbauch,  besonders  rechts,  ein  beengendes,  atem- 
raubendes Gefühl  um  die  Taille;  die  Schmerzen  gehen  zum  Rücken 
und  zwischen  die  Schulterblätter,  dabei  Übelkeit,  Erbrechen,  Schwäche- 
gefühl, nie  Ikterus.  Vor  ca.  15  Jahren  Hämorrhoidenoperation.  Vor 
ca.  10  Jahren  häuften  sich  die  Koliken,  sie  kamen  monatelang  mehr- 
mals in  der  Woche,  Pat.  lag  meist  einige  Tage  lang  zu  Bett,  erholte 
sich  aber  immer  bald  wieder.  Später  kamen  die  Anfälle  seltener. 
Vor  4  Jahren  Fall  von  einer  hohen  Leiter,  Pat.  schlug  mit  dem  Kopf 
-an  eine  Schrankecke,  seitdem  hat  sie  öfter  Neuralgieen  und  ist  sehr 
nervös.  In  der  Rekonvalescenz  kamen  die  Anfälle  wieder  viel  häufiger, 
nachher  seltener,  in  den  letzten  Jahren  etwa  alle  2  Monate.  In  der 
letzten  Zeit  fühlte  sie  dauernd  Unbehagen,  der  letzte  Anfall  kam  vor 
4  Wochen,  er  war  sehr  schwer,  dauerte  13  Stunden.  Die  Schmerzen 
Sassen  mehr  nach  rechts  und  waren  viel  heftiger  als  sonst.  Pat.  lag 
14  Tage  zu  Bett,  es  kamen  öfters  kleine  Schmerzattacken,  aber  keine 
ausgesprochenen  Koliken.  In  den  ersten  8  Tagen  hatte  sie  Fieber, 
nachts  fast  regelmässig  einen  Schüttelfrost.  Das  Unbehagen  in  der 
Gallenblasengegend  ist  sie  nicht  mehr  losgeworden.  Sie  hat  an  Ge- 
wicht und  Kräften  verloren. 

Pat.  hat  mehrmals 'Karlsbader  Wasser  getrunken,  in  Karlsbad 
war  sie  nicht.  In  den  Anfällen  bekam  sie  häufig  Morphium.  Herr 
Dr.  Klauder-Dessau  riet  ihr  zur  Operation. 

Befund:  Schmerzhafte  Resistenz  der  Gallenblasengegend.  Kein 
Ikterus,  keine  Leberschwellung.  Am  10.  und  11.  10  nachts  kurze 
Koliken  mit  Neigung  zum  Erbrechen.     Kein  Fieber.    Urin  frei. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis  (wahrscheinlich  Empyem). 

Operation:  12.  10.  02.  Wellenschnitt.  Starker  panniculus 
adiposus.  Leber  normal.  Gallenblase  massig  gross,  prall  gespannt, 
mit  Netz  verwachsen,  enthält  Eiter  und  5  haselnussgrosse  und  20 
kleinere  Steine.  Cystostomie,  Snspeusion  der  Gallenblase  lateral  am 
Perit.  pariet.,  die  mediale  Fläche  wird  tamponiert.  Naht  der  Bauch- 
decken. Verband.  Dauer  der  Operation  35  Min.  Gute  Chloroform- 
Narkose, 

Verlauf:  Abends  einmal  Erbrechen. 


—     42     — 

13.  10.  38,8.  Puls  70.  Kein  Erbrechen  mehr,  Leib  weich.  Zunge 
feucht.  Es  läuft  noch  keine  Galle  ans  dem  Rohr,  auch  der  Verband 
ist  trocken.     Kein  Urin.    Katheterisieren.  38.5. 

14.  10.    38,4.    Puls  72.  38^. 

15.  10.    37,7.     Puls  72.    Urin  spontan.    Gallenflnss  massig. 
17.  10.    Abführen. 

25.  10.  Vorbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  Nähte. 
Ausspülung  der  Gallenblase. 

28.  10.    Herausnahme  der  letzten  Nähte. 

2.  11.     Aufstehen. 

20.  11.     Geheilt  entlassen.     * 

Epicrise:  Ein  typischer  Fall  von  Empyem  der  Gallen- 
blase. Kein  Ikterus,  fortwährendes  Unbehagen  in  der  Gallen- 
blasengegend. 

Nr.  21.    C.  N.,  30j.  Kaufmann  aus  Osnabrück. 

Aufgen.:  20.  1.  1903. 

Operiert:  22. 1. 1903.  Laterale Cystostomie.  Hepatopexie. 

Entlassen:  24.  2.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Vor  10  Jahren  bekam  Pat.  einen  Kolikanfall,  der 
anfangs  für  Magenkrampf  gehalten  wurde.  Es  bestanden  10— 12  Stunden 
andauernde  kolikartige  Schmerzen  in  der  Gegend  des  Magens  und  der 
Magengrube.  Es  traten  dann  zunächst  alle  3 — 4  Tage,  später  etwa 
alle  14  Tage  neue  gleichartige  Anfälle  auf,  bis  Pat.  im  Herbst  vor 
10  Jahren  eine  Kur  in  Karlsbad  durchmachte,  die  guten  Erfolg  hatte. 
Die  Anfälle  traten  seltener  auf  (Pat.  war  bis  zu  ^/i  Jahr  frei  von  An- 
fällen) und  waren  weniger  heftig,  dauerton  auch  kürzere  Zeit  (nur  bis 
zu  V*  Stunde).  Pat.  machte  dann  noch  eine  Kur  in  Neuenahr  und  dann 
fast  jedes  Jahr  eine  solche  in  Karlsbad  durch.  In  den  Zwischenzeiten 
zwischen  den  Anfällen  war  Pat.  immer  völlig  wohl  und  frei  von  jeg- 
lichen Beschwerden. 

Im  Frühjahr  1902  bekam  Pat.,  der  sich  beim  Radfahren  eine 
Wunde  zugezogen  hatte,  eine  allgemeine  Blutvergiftung  (Fieber  bis 
über  39°).  Nach  14  Tagen  bekam  Pat.  dabei  einen  heftigen  Kolikanfall 
mit  leichter  Gelbsucht.  Das  Fieber  stieg  nunmehr  auf  41,5°  und 
dauerte  noch  4  Tage.  Pat.  erholte  sich  danach  wieder  ziemlich  schnell. 
Jedoch  traten  jetzt  wieder  häufiger  Kolikanfälle  auf;  die  Schmerzen 
dabei  bestanden  jetzt  auch  namentlich  in  der  Lebergegeud.  Im  Herbst 
machte  Pat.  wieder  eine  Kur  in  Karlsbad  durch. 

Im  November  1902  wiederum  ein  sehr  heftiger,  mehrtägiger  Kolik- 
anfall mit  Gelbsucht  und  Fieber  bis  40,6°.  Danach  wurde  ein  etwa 
erbsengrosser  Stein  im  Stuhl  gefunden.  Im  Dezember  darauf  zunächst 
ein  leichterer  Anfall  und  Weihnachten  wieder  ein  heftiger  mit  Gelb- 
sucht und  Fieber  bis  über  39,0,  der  3— 4  Tage  dauerte  und  bei  dem 
sehr  heftige  Schmerzen  an  einer  talergrossen  Stelle  in  der  Gegend 
der  Gallenblase  bestanden.    Seit  November  hat  Pat.  jetzt  andauerndes 


—     48     — 

Druckgefühl  und  Unbehagen  in  der  Lebergegend.  Die  Leber  soll  zur 
Zeit  der  letzten  Karlsbader  Kur  geschwollen  gewesen  sein.  Gelbsucht 
zeigte  sich  vor  3— 4  Jahren  zum  erstenmal,  wobei  erst  einige  Tage 
nach  ihrem  Auftreten  eine  Kolik  folgte.  Auch  ist  die  Gelbsucht  immer 
nur  leicht  gewesen.  Es  wurden  mehrmals  kleine  Steinchen  gefunden, 
zuletzt  der  grösste  etwa  erbsengross  im  November  1902.  Der  Stuhl 
ist  angeblich  nicht  entfärbt  gewesen.  Fieber  bei  den  Anfällen  stellte 
sich  seit  dem  Anfall  im  Frühjahr  vorigen  Jahres  ein.  Die  Anfälle 
selbst  traten  zu  verschiedenen  Tageszeiten  auf,  die  Schmerzen  be- 
gannen jedesmal  an  anderen  Partien  des  Rumpfes,  teils  im  Rücken, 
teils  im  Leib,  in  der  Magen-  oder  Lebergegend.  Behandelt  wurde  Pat.  mit 
Karlsbader  Wasser,  Morphium  und  Morphiumatropin  -  Einspritzungen , 
Opium  und  Opium-Stuhlzäpfchen. 

Befund:  Leber  nicht  vergrössert.  Inder  Gegend  der  Gallenblase 
in  der  Tiefe  eine  deutliche,  harte,  rundliche  Resistenz,  welche  sehr 
druckempfindlich  ist.    Keine  Gelbsucht.    Urin  frei. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase  sehr  wahrscheinlich. 

Operation:  22.  l.  03.  Wellenschnitt.  Leber  normal.  Gallen- 
blase liegt  tief,  mit  Netz  verwachsen,  enthält  Eiter  und  Schleim  und 
ca.  40  kleine  und  3 — 4  haselnussgrosse  Steine.  Hals  der  Gallenblase 
und  Cysticus  sehr  verdickt.  Choledochus  erscheint  frei.  Narkose 
schlecht,  deshalb  nnr  Cystostoinie,  Hepatopexie  mit  2  Sntnren.  Laterale 
Seite  der  Gallenblase  wird  angenäht.  Auf  die  mediale  kommt  Tam- 
pouade.    Dauer  40  Min. 

Verlauf:  22.  1.  03  normal. 

23.  1.  03.    Temp.  mittags  37,8,  abends  37.9.     Puls  80— 89. 

In  der  Nacht  häufiges  Erbrechen  von  grünlichem  Schleim,  daher 
Magenspülung.  Im  Magen  nur  grünlicher  Schleim.  Im  Laufe  des 
Tages  viel  Aufstossen  und  mehrmaliges  Erbrechen  grünlichen  Schleimes. 
Befinden  sonst  leidlich.    Galle  läuft  nicht. 

24.  1.  03.  Temp.  mittags  38,3,  abends  38,4.  Puls  82-80,  sehr 
kräftig.  Im  Laufe  der  Nacht  und  des  Tages  sehr  häufiges  Aufstossen 
und  Erbrechen  von  etwas  grünlicher  Galle.  Kollern  im  Leib,  nach 
der  Spritze  gehen  Blähungen.  Leib  weich,  nicht  druckempfindlich. 
2  Kochsalzinfusionen,  2  Kochsalzklystiere,  2  Nährklystiere.  Pat.  liegt 
auf  der  Seite,  abwechselnd  Bauchlage.  Allgemeinbefinden  durch  das 
häufige  Aufstossen  und  Erbrechen  sehr  gestört. 

25.  1 .  03.  Temp.  mittags  37,7 ,  abends  38,2 ,  Puls  78-84.  Pat. 
würgt  und  bricht  noch  den  ganzen  Tag  über.  In  der  Nacht  noch  eine 
Magenspülung  mit  Sodalösung  (l :  1000) ,  danach  etwas  Besserung. 
2  mal  am  Tage  noch  Magenspülung;  ferner  Nährklystiere  und  Einlaufe. 
Galle  läuft.     Blähungen  gehen  reichlich  von  selbst. 

26.  1.  03.  Temp.  mittags  38.5.  Puls  92.  Kräftig.  Temp.  abends 
38,8.  Puls  96.  Gestern  Abend  nach  2  Chloralspritzen  etwas 
Ruhe.  Seit  Mitternacht  kein  Aufstossen  und  Erbrechen  mehr. 
Befinden  besser.  Nachmittags  wieder  mehrmaliges  Würgen  und  etwas 
Erbrechen.    Magenspülung.    Danach  Besserung. 


-     44     -- 

27.  1.  03.  Nacht  ziemlich  gut.  Heute  wieder  mehrmals  etwas 
Würgen  und  Erbrechen,  besonders  nachmittags.  2  mal  Magenspülung. 
Temp.  mittags  38,8,  abends  38,9.  Puls  120,  etwas  dikrot  und  inaequal. 
Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons.  Mediale  Gallenblason- 
wand  und  anliegende  Magenwand  etwas  missfarbig  belegt.  Tamponade. 
Rohr  in  der  Gallenblase  wird  gekürzt,  bleibt  liegen.  Galle  läuft  massig 
reichlich. 

'        24.  2.  03.    Pat.  wird  mit  oberflächlicher,  kleiner,  gut  granulieren- 
der Wunde  als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Die  deutliche,  sehr  intensive  Druckempfindlich- 
keit Hess  im  Zusammenhang  mit  der  Anamnese  die  Diagnose 
auf  ein  Empyem  stellen.  Weil  Pat.  ein  Mann  war,  musste  man 
sich  mit  der  Cystostomie  begnügen.  Pat.  hat  sich  im  Juli  1903 
in  blühender  Gesundheit  mit  einer  Gewichtsvermehrung  von 
über  30  Pfund  vorgestellt. 

Nr.  22.     Dr.  H.,  52  j.,  aus  Dresden. 

Aufgen.:  13.  12.  1898. 

Operiert:    15.  12.    1898.     Cystostomie   mit   teilweiser 

Annähung. 
Entlassen  :  27.  1.  1899  mit  Gallenfistel. 

Anamnese:  Die  Anamnese  hatte  der  Pat.  selbst  niederzu- 
schreiben die  Güte.  Sie  lautet :  „Erbliche  Verhältnisse :  Vater  ge- 
storben, 76  Jahr  alt.  Mutter  lebt,  80  Jahr  alt,  gesund.  Geschwister, 
8  leben  gesund,  1  gestorben  im  Alter  von  10  Jahren  an  Herzklappenfehler. 

Als  Kind  habe  ich  an  Rhachitis  massigen  Grades  und  skrophu- 
lösen  Eczemen  gelitten.     Später  kräftig  und  gesund. 

1878  hatte  sich  eine  Insufficienz  der  Mitralis  ganz  allmählich  ent- 
wickelt, die  von  Prof.  Wagner  in  Leipzig  und  Geheimrat  Dr.  Fied- 
ler in  Dresden  festgestellt  wurde.  Kompensation  bis  jetzt  trotz 
grosser  beruflicher  Anstrengungen  gut. 

In  den  letzten  6—8  Jahren  periodisch  in  Zwischenräumen  von 
6  bis  8  Wochen  Magenstörungen  durch  übermässige  Säurebildung 
und  Atouie  des  Magens,  besonders  nach  gewissen  Ingestis,  z.  B. 
nach  Zwiebel. 

Diese  Anfälle  dauerten  nur  mehrere  Stunden;  nach  reichlichem 
Erbrechen  der  letztgenossenen  Speisen  als  stark  saure  Massen  trat 
wieder  vollständiges  Wohlbefinden  ein.  Appetit  vorher  und  nachher 
normal.    Defäkation  immer  normal  und  regelmässig. 

Am  10.  Oktober,  abends  gegen  6  Uhr,  wurde  ich  auf  der  Land- 
strasse von  einem  Radfahrer  angerannt  und  zu  Boden  geworfen.  Der 
Stoss  erfolgte  gegen  die  Brustgegend.  Zunächst  durchaus  keine 
schmerzhafte  Empfindung,  am  späteren  Abend  aber  um  10  Uhr  erster 
Anfall  von  heftigen  Schmerzen,  die  ganz  allmählich  einsetzten,  dann 
bohrend  und  spannend,  anschwellend   und  wieder   nachlassend  an  der 


—     45     — 

Stelle  der  Gallenblase   lokalisiert  erschienen.     Dauer  bis  gegen  1  oder 
2  Uhr.    Dabei  wie  früher  saures  Erbrechen  und  Übelkeit. 

Diese  Anfälle  haben  sich  seitdem  mit  Pausen  von  1 — 3  Tagen, 
zumeist  2  Tagen  mit  peinlicher  Regelmässigkeit  zur  gleichen  Abend- 
stunde wiederholt,  indem  sie  allmählich  das  Brechen  dabei  abstreiften 
und  sich   mehr  und   mehr  als   reine   Schmerzanfälle  charakterisierten. 

Bei  einigen  habe  ich  schliesslich  Morph.-Iujekt.  0,01  zu  Hülfe 
genommen. 

Die  dazwischen  liegende  Zeit  war  meist  vollständig  normales  Ver- 
halten, guter  Appetit,  regelmässiger  normaler  Stuhl  vorhanden. 

Ikterus  fehlt.  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  ebenso  von 
Gallenfarbstoff". 

Die  Diagnose  wurde  auf  akute  Entzündung  in  der  Gallenblase 
gestellt,  geschrumpfte  Gallenblase.  Tumor  nicht  zu  tasten.  Am  Herzen 
ein  blasendes,  systolisches  Geräusch.    Die  übrigen  Organe  gesund. 

Operation  am  15.  12.  Zuerst  Chloroform,  dann  wegen  schlech- 
ter Atmung  und  Herztätigkeit  Äther.  Längsschnitt  im  rechten  M.  rect. 
abdom.  Gallenblase  klein,  sehr  prall  gespannt,  liegt  weit  rechts,  enorm 
hoch  unter  der  Leber.  Keine  Adhäsionen,  ein  Stein  im  Cysticus. 
Resektion  des  Rippenbogens  nach  Lannelongne,  nin  überhaupt  die 
Gallenblase  zu  Gesicht  zn  bekommen.  Aspiration  einer  eitrigen  Flüssig-^ 
keit  (Bact.  coli  nachgewiesen).  Im  Cysticus  ein  Stein ;  lässt  sich  in 
die  Gallenblase  drücken.  Extraktion.  Einnähnng  der  Gallenblase  ge- 
lingt nur  teilweise.  Ausstopfnng  der  Banchhölile  an  der  unteren  Fläclie 
der  Gallenblase  mit  steriler  Gaze.  2stündige  sehr  schwere  Operation. 
Puls  120:  klein.  Pat.  rast  und  tobt  im  Bett,  ist  kaum  zu  halten. 
Abends  37,2.     Puls  130.    Kein  Erbrechen. 

Verlauf:  Der  Puls  wird  bald  langsamer  und  besser.  Temperatur 
immer  normal.  Der  Ausfluss  von  Galle  beginnt  am  4.  Tage  nach  der 
Operation  in  reichlicher  Menge.  Am  12.  Tage  post  op.  Verbandwechsel 
und  Entfernung  der  Tampons.  Die  Wunde  sieht  gut  aus.  Im  Januar 
läuft  aus  der  noch  zugänglichen  Gallenblase  keine  Galle  mehr  ab, 
sondern  nur  geringe  Mengen  Schleim.  Es  wurde  dafür  gesorgt,  dass 
die  Gallenblasenfistel  noch^lange  Zeit  aufblieb,  um  einen  etwa  nach- 
rückenden Stein  leicht  entfernen  zu  können.  Die  Gallenblase  wird 
immer  noch  mit  steriler  Gaze  ausgestopft.  Stein  nicht  nachweisbar. 
2  Tage  vor  der  Entlassung  findet  man  im  Verband  Galle. 

Allgemeinbefinden  vorzüglich.     Schlaf,  Appetit,  Stuhlgang  gut. 
Die   Entlassung  erfolgte  am   27.  1.    1899   mit   Gallenfistel.     Nach- 
behandlung in  Dresden. 

Epicrise:  Sehr  bemerkenswert  ist  die  Entstehung  der 
Koliken  nach  dem  von  dem  Kollegen  in  der  Anamnese  geschil- 
derten Unfall.  (Überfahrenwerden  durch  einen  Radler.)  Das 
Trauma  spielt,  wie  auch  von  anderer  Seite  berichtet  wird,  bei 
der  Überführung  der  Cholelithiasis  aus  dem  latenten  Stadium^ 
in  das  aktive  eine  grosse  Rolle,  und  wir  Chirurgen  haben  allen 


—     46     - 

Grund,  bei  Arbeitern,  die  an  Gallensteinen  erkrankten,  auf  etwa 
vorausgegangene  traumatische  Einwirkungen  zu  achten. 

Die  Lannelongue'sche  Rippenknorpelresektion  zur  bes- 
seren Erreichung  der  tief  liegenden  versteckten  Gallenblase  ist 
nur  selten  nötig  —  und  fast  nur  bei  Männern,  bei  denen  sehr 
häufig  die  Gallenblase  recht  hoch  liegt.  Hätte  ich  schon  damals 
den  Wellenschnitt  geübt,  wäre  wahrscheinlich  die  Rippenresek- 
tion in  Wegfall  gekommen. 

Das  Empyem  der  Gallenblase,  welches  in  diesem  Falle 
vorlag,  war  schwer  zu  diagnostizieren,  da  die  Gallenblase  na- 
türlich nicht  getastet  werden  konnte. 

Nr.  23.    H.  K,   45  j.  Pfarrer  aus  Hoygeudorf  bei  Allstedt. 

Aufgen.:  11.  10.  1899. 

Operiert:  13.  10.  1899.     Laterale  Cystostoraie. 
Entlassen:  14.  12,  1899.     Fast  geheilt.     Später  ganz 
gesund. 

Anamnese:  Vater  starb,  74  Jahre  alt,  an  Apoplexia  cerebri; 
die  Mutter  starb,  59  .Jahre  alt,  infolge  einer  inoperablen  Geschwulst 
des  Unterleibes.  Von  4  Schwestern  des  Pat.  sind  2  in  den  ersten  Lebens- 
tagen gestorben  (Zwillinge);  die  beiden  anderen  sind  gesund. 

Pat.  selbst  war,  von  den  Kinderkrankheiten  abgesehen,  bis  zum 
28.  Jahre  gesund.  In  diesem  Jahre  stellte  sich  ein  Halsleiden  ein, 
wahrscheinlich  eine  Cyste  des  Nasenrachenraumes,  die  Pat.  im  Jahre 
1898  exstirpieren  Hess.  Seit  dem  30.  Lebensjahre  etwa  bestehen  zwar 
leichte,  aber  fast  ununterbrochene  Schmerzen  in  der  Brust,  im  Rücken 
und  in  der  Lebergegend.  Diese  Schmerzen  machen  sich  besonders  bei 
anhaltendem  Sprechen  bemerkbar.  Der  Appetit  war  gut,  leichte  wie 
schwere  Speisen  wurden  gut  vertragen.  Es  wurde  zunächst  an  eine 
Erkrankung  der  Lungen  oder  des  Herzens  gedacht,  später  diagnosti- 
zierte Herr  Dr.  Sc hrader- Allstedt  Anschwellung  der  Leber. 

Im  August  98  erster  charakteristischer  Gallensteinkolikanfall  mit 
krampfartigen  Schmerzen  im  Rücken  und  in  der  Oberbauchgegend. 
3  Tage  vor  dem  Anfalle  heftig  ziehende  Schmerzen  zwischen  den 
Schulterblättern.  Der  Anfall  dauerte  8  Tage,  doch  wurden  die  Schmel- 
zen allmählich  geringer.  In  den  ersten  Tagen  des  Anfalles  ein  stark 
quälendes  Würgen,  ohne  dass  es  zum  Erbrechen  kam.  Nach  dem  An- 
falle blieb  noch  für  mehrere  Wochen  ein  erhel)Hches  Schwächegefühl 
zurück. 

Der  zweite  Kolikanfall  stellte  sich  Ende  Mai  99  ein,  verlief  aber 
milder:  die  Schmerzen  waren  weniger  krampfartig  und  dauerten  nur 
2  Tage.  Auch  diesem  Anfalle  gingen  als  Vorboten  Schmerzen  zwischen 
den  Schultern  3—4  Tage  lang  voraus. 


—     47     — 

Der  dritte  Anfall  verlief  wieder  heftiger.  Am  3.  und  4.  10. 
Schmerzen  im  l^ückeu;  am.  5.  10.  Kolikanfall,  der  2  Tage  anhält. 
Während  des  Aufalles  heftiges  Würgen.  Zur  Zeit  der  Anfälle  war  der 
Appetit  jedesmal  gering;  in  der  Zwischenzeit  war  er  gut.  Der  letzte 
Anfall  ging  mit  ausgesprochenem  Frostgefühl  einher.  Während  der 
Anfälle  bestand  Stuhlverstopfung,  sonst  war  der  Stuhl  regelmässig. 
Die  Farbe  des  Stuhles  soll  normal  gewesen  sein;  nach  Steinen  wurde 
nicht  gefahndet.  Gelbsucht  hat  nie  bestanden.  Während  des  ersten 
Anfalles  angeblich  Herzklopfen.  Am  12.  4.  99  konsultiert  Fat.  Herrn 
Geh.  Rat  Prof.  Seidel -Jena,  der  Gallensteine  diagnostiziert  und  den 
Fat.  der  KHnik  überweist. 

Befund:  Mittelgrosser,  ziemlich  gut  genährter  Manu  von 
leidendem  Gesichtsausdrucke.  An  Herz  und  Lungen  nichts  krankhaftes, 
im  Urin  weder  Eiweiss  noch  Zucker^  noch  Gallenfarbstoff.  Die  Leber 
nicht  vergrüssert,  in  der  Gegend  der  Gallenblase  undeutlich  ein  druck- 
empfindlicher, mit  der  Atmung  verschiebbarer  Tumor  von  Walnuss- 
grösse  zu  tasten.    Temperatur  normal.     Stuhlgang,  braun. 

Diagnose:  Acute  serös-eitrige  Cholecystitis,  in  Abheilung  be- 
griffen. 

Operation:  Längsschnitt  im  rechten  Rect.  abd.  Gallenblase 
unter  der  Leber  versteckt,  stark  gespannt,  enthält  trübe  eitrige  Galle 
(nachträglich  wird  fast  in  Reinkultur  das  Bact.  coli  nachgewiesen). 
Zwischen  Gallenblasenhals  und  Magen  flächenhafte,  sulzige  Adhäsionen. 
Lösung.  Iiu  Cysticus  ein  harter  Körper  (ob  Stein  oder  Drüse  lässt 
sich  schwer  sagen).  Da  eiue  Cysticotomie  bei  dem  schwachen,  blassen, 
schlecht  atmenden  Pat.  zu  gefährlich  erscheint,  wird  die  Galleublase 
nur  an  ihrer  lateralen  Fläche  an  das  Perlt,  pariet.  angenäht,  die  Unter- 
fläche bis  zum  Cysticus  tamponiert,  um  event.  eine  seciindäre  Cysticotomie 
aasfliliren  zu  können.  Teilweiser  Verschluss  der  Bauchwand.  Schlechte, 
*/4  st.  Narkose. 

Verlauf:  Es  läuft  nie  Galle.  Am  10.  Tage  post.  op.  Verband- 
wechsel. Die  Gaze  zwischen  Cysticus  und  Magen  wird  erneuert,  die 
Gallenblasenöffnung  erweitert,  aber  ein  Stein  ist  nicht  zu  finden.  Wahr- 
scheinlich verbirgt  sich  dieser  in  den  Falten  des  Cysticus.  Dabei  ist 
das  Befinden  gut,  kein  Fieber,  nur  ist  der  Schlaf  schlecht.  Pat.  steht 
am  9.  11.  auf.    Schleimfistel. 

Trotz  mehrfacher  Einlegung  von  Laminariastiften  gelingt  es  nicht, 
den  Cysticus  frei  zu  machen  und  den  Galleufluss  herzustellen.  Pat.  er- 
holt sich  dabei  täglich  mehr,  aber  immer  wahrscheinlicher  wird  es,  dass 
der  Cysticusverschluss  ein  lithogener  ist.  Deshalb  wird  am  28.  11.  99 
eine  secundäre  Cysticotomie  beschlossen,  dieselbe  aber  unterlassen,  da 
zum  erstenmale  Galle  reichlich  ausfliesst.  Da  unterdess  die  äussere 
Fistel  sehr  eng  geworden  ist,  wird  wiederum  ein  Laminariastift  ein- 
gelegt, um  dadurch  das  Gallenblaseninnere  besser  zugänglich  zu 
machen. 

Am  1.  12.  fühlt  man  mit  der  Sonde  in  der  Tiefe  der  Galleublase 
einen  Stein,  der  nun    in  Trümmeru   am   3.  und  3.  12.   zum   Yorscheiu 


—     48     — 

kommt.  Die  Gallenfistel  sondert  .geringe  Mengen  Galle  ab,  Pat.  fühlt 
sich  wohler,  wird  am  14.  12.  mit  fast  geschlossener  Fistel  in  gutem 
Ernährungszustand  entlassen. 

Epicrise:  Der  Fall  lehrt,  dass  man  durch  eine  ungefähr- 
liche  Operation  und  geduldiges  Abwarten  oft  mehr  erreicht,  als 
durch  rücksichtsloses  Vorgehen.  Besonders  dann,  wenn  man 
sich  nicht  im  Klaren  ist,  ob  das,  was  man  am  dnctus  cysti- 
cus  fühlt,  verhärtete  Drüse  oder  Stein  ist,  möchte  ich  für 
den  weniger  Geübten  rechte  Zurückhaltung  empfehlen. 

Nr.  24.     R.  V.,  46 j.  Buchdruckereibesitzer  aus  Bernburg» 

Aufgen.:  4.  3.  1902. 

Operiert:  6.  3.  1902.     Laterale  Cystostomie. 

f  8.  3.  1902  an  „schwarzem"  Erbrechen. 

Anamnese:  Pat.  hat  seit  einigen  Jahren  geringe  Mengen  (0,2*'/o^ 
Zucker  im  Urin.  Die  Beschwerden  von  Seiten  der  Gallen wege  hat  er 
seit  5  Jahren.  Im  Anfange  seltener ,  späterhin  häufiger  traten  ge- 
wöhnlich 2—3  Stunden  nach  dem  Essen  heftige  kolikartige  Schmerzer^ 
in  der  rechten  Seite  auf,  welche  nach  dem  Rücken  ausstrahlten. 
Meist  hielten  sie  mehrere  Stunden,  manchmal  die  ganze  Nacht  an. 
Immer  fühlte  sich  Pat.  nach  Ablauf  derselben  sehr  angegriffen.  In  sel- 
tenen Fällen  trat  nach  dem  Anfalle  eine  leichte  Spur  von  Ikterus  auf. 
Zuweilen  waren  die  Anfälle  mit  Migräne  verbunden.  In  den  ersten 
Jaliren  kamen  die  Anfälle  selten,  in  mehrmonatlichen  Pausen,  und  Pat, 
fühlte  sich  in  der  Zwischenzeit  völlig  wohl.  Mit  den  Jahren  nahm  die^ 
Häufigkeit  der  Anfälle  zu.  Pat.  fühlte  sich  auch  in  den  Zwischenzeiten 
nicht  völlig  wohl  und  hatte  häufig  ein  leichtes  Druckgefühl  in  der 
Gegend  des  rechten  Rippenbogens.  Seit  November  vorigen  Jahres 
kehren  die  Anfälle  ca.  alle  14  Tage  wieder  und  sind  sehr  heftig.  Auch 
in  der  anfallsfreien  Zeit  ist  Pat.  nie  ganz  ohne  Beschwerden.  —  Mehr- 
malige Karlsbader  Kuren  waren  nur  von  vorübergehenden  Besserungen 
gefolgt.     Morphium  hat  Pat.  während  der  Anfälle  innerlich  genommen. 

Befund:  Starke  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend.  Diese  sehr 
schmerzhaft.  Kein  Ikterus.  Im  Urin  geringe  Menge  Zucker.  An  der 
Mitralis  ein  leises  systolisches  Geräusch.    Leber  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  6.  3.  02.  Wellenschnitt.  Gallenblase  liegt  versteekty 
ist  prall  gefüllt,  enthält  7  Steine  von  der  Grösse  der  Viktoriaerbse  und 
1  (im  Hals)  von  Kirschengrösse.  In  der  Gallenblase  trübes  Serum. 
Keine  Adhäsionen.  Cystostomie.  Siispeusion  der  Oallenblnse  lateral  am 
Perlt,  pariet.  Medial  wird  die  Gaze  eingelegt.  Schlauch  in  die 
Gallenblase. 

Dauer  der  Operation  40  Min.  Schlechte  Chloroformnnrkoso,  viel 
Chloroform. 


—     49     — 

Verlauf:  6.  3.  02  abends:  37,6,  Puls  88. 

Gutes  Befinden.    • 

7.  3.  02.  Im  Laufe  des  Vormittags  häufiges  Erbrechen  gallig  gefärb- 
ter Massen.  Bei  der  Magenspüliiug  fludet  sich  grosse  Menge  schwarzen 
Inhalts.  Im  Lanfe  des  Tages  3  mal  Magenspülung ,  3  mal  Kochsalz 
snbkntau.  Abends  Nachlassen  der  Herzkraft.  Puls  sehr  weich. 
Abends  Magen  fast  leer,  nur  wenig  blutiger  Inhalt.  Im  Laufe  der 
Nacht  noch  2  mal  Kochsalz  subkutan,  1  mal  Magenspülung.  Campher. 
Trotzdem  unter  zunehmender  Herzinsuffiziens  Exitus  am  8.  3.  02 
morgens  8  Uhr. 

Sektion :  Revision  der  Bauchhöhle  von  der  Wunde  aus.  Im  Ver- 
band massige  Menge  Wundsekret.  Bauchhöhle  allenthalben  gegen  den 
tamponierten  Wundtrichter  gut  abgeschlossen.  Serosa  überall  glatt, 
glänzend;  Magen  gebläht,  fast  leer.  Auf  der  Magenschleimhaut  zahl- 
reiche kleine  Ekchymosen,  welche  stellenweise  deutlich  einen  ober- 
flächlichen Snbstanzverlust  erkennen  lassen.  Im  Magen  zähe  Schleim- 
masserf,  mit  schwarzem  Blut  vermischt. 

E  p  i  c  r  i  s  e :  Ich  habe  dem  Pat.  nicht  viel  zur  Operation 
zugeredet,  aber  er  wünschte  sie,  da  er  eigentlich  nie  ganz  frei 
von  Schmerzen  war.  Er  war  von  den  vielen  Schmerzen  mürbe 
und  fühlte  sich  überhaupt  nicht  gesund.  Der  Tod  erfolgte  an 
schwarzem  Erbrechen,  dessen  Ursache  immer  noch  dunkel  ist; 
-irgendwelche  Zeichen  von  Sepsis  wurden  in  diesem  Falle  nicht 
gefunden. 


c)  Cystostomie  nach  Ablöstmg  der  Gallenblase  von 
der  Leber. 

Nr.  25.     fi.  ß.,  34 j.  Lehrer  aus  Watenstedt. 

Anfgen.  :  30.  6.  1903. 

Operiert:  4*7.  1903.    Cystostomie  nach  Ablösung  der 

Gallenblase  von  der  Leber. 
Entlassen:  8.  8.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  Eine  Schwester  litt  an  Gallensteinen. 
Im    15.  Lebensjahre    chronischer   Magen-   und    Dünndarmkatarrh 
('/4  Jahr  lang),  der  sich  hauptsächlich  in  ständigem  Druckgefühl  in  der 
Magengegend  äusserte. 

Vor  4'/«  Jahren  ein  etwa  5  Stunden  andauernder  Anfall  von  hef- 
tigen Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  und  der  Leber,  dabei 
Rückenschmerzen,  Erbrechen,  kein  Fieber,  keine  Gelbsucht.  Dauer 
der  Anfälle  3—4  Tage.    In  den  Zwischenzeiten  stets  Wohlbefinden. 

Am  31.  Mai  nachts  einige  Stunden  dauernder  Schmerzanfall.    Der 
Schmerz  hörte  ganz  plötzlich  auf,  sodass  Pat.  glaubt,  es  sei  dabei  ein 
Stein  abgegangen.     In  der  Zwischenzeit  stets  völliges  Wohlbefinden. 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  4 


—     50     — 

Mitte  Juni  letzter,  sehr  heftiger  Kolikanfall.  Pat.  lag  14  Tage 
zu  Bett.  Temp.  an  einem  Abend  etwas  über  88,0.  Der  eigentliche 
Schmerzanfall  dauerte  5  Tage  lang.  Zugleich  sehr  starke  Gelbsucht. 
Stuhl  weiss.  Urin  dunkel.  Schmerzen  hörten  wiederum  ganz  plötzlich 
auf,  ebenso  die  Schmerzhaftigkeit  an  der  Stelle  der  Gallenblase,  wäh- 
rend die  Rückenschmerzen  noch  einige  Zeit  anhielten.  Die  Gelbsucht 
dauerte  5 — 6  Tage.  Gallenblase  wieder  etwas  angeschwollen.  Die 
Rückenschmerzen  hielten  noch  bis  vor  etwa  8  Tagen  an,  seitdem  hat . 
Pat.  keinerlei  Beschwerden,  fühlt  sich  völlig  wohl. 

Appetit  gut.     Stuhlgang  regelmässig. 

Herr  Dr.  Rose-Watenstedt  sendet  uns  den  Pat.  zu. 

Befund:  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  Kein 
Ikterus,  Urin  frei,  Leber  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis. 

Operation:  4.  7.  03.  Wellenschnitt.  Leber  nicht  gross.  Gallen- 
blase liegt  sehr  versteckt,  ist  ein  langgestreckter  Tumor.  Keine  Ver- 
wachsungen. Galleiiblase  wird  von  der  Leber  abgelöst,  dann  incidiert. 
Ectoniie  wegen  der  Tiefe  ganz  anmöglich.  Tauiponade  des  Leberbettes. 
Im  Uebrigen  wird  die  Gallenblase,  die  nach  Ablösang  von  der  Leber 
sich  gut  hervorziehen  lässt,  nacli  Entfernung  von  50  kleinen  Steinen 
an  das  Peritoneum  parietale  augenäht.  Dauer  der  Operation  50  Min. 
Dauer  der  Narkose  05 ^in.    (70  gr.)    Gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose. 

Verlauf:  4.  7.  1903.  Temp.  abends  87,8,  Puls  120.  Kein  Er- 
brechen. 5.  7.  1903.  Temp.  mittags  37,8.  Puls  120-180,  sehr  klein. 
In  der  Nacht  etwas  galliges  Erbrechen.  Morgens  Magenspülung.  Im 
Magen  etwas  Galle.  Bis  mittags  noch  zweimal  galliges  Erbrechen. 
Magenspülung.  Im  Magen  viel  Galle.  Puls  sehr  klein,  kaum  zu 
zählen.  Kochsalziufusion.  Stündlich  Kampferinjektion.  Abends  Temp. 
38,3,  Puls  noch  sehr  klein,  jedoch  etwas  kräftiger  als  mittags.  Einmal 
etwas  Blutbrechen.  Magenspülung,  im  Magen  wenig  Galle  und  etwas 
Blut.  Kochsalziufusion.  Durch  den  Schlauch  läuft  nur  etwas  trübe 
Flüssigkeit. 

6.  7.  03.  Befinden  bessert  sich  im  Laufe  der  Nacht  erheblich. 
Temp.  M.  88,0.  Puls  120,  kräftiger.  Pat.  sieht  frischer  aus.  Kein  Er- 
brechen mehr,  kein  Aufstossen.  Keine  Magenspülung  und  Kochsalz- 
iufusion mehr.  Kein  Kampfer  mehr.  Blähungen  gehen  von  selbst 
reichlich.  Seit  heute  früh  läuft  etwas  Galle.  Temp.  abends  87,7. 
Puls  116,  kräftiger. 

7.  7.  08.  Befinden  weiter  gut.  Puls  110—114,  ziemlich  kräftig. 
Aussehen  frischer. 

8.  7.  03.    Befinden  gut.    Puls  86,  kräftig. 

9.  7.  03.    Führt  ab.     Reichlich  Stuhl  (gefärbt). 
Weiteres  Befinden  gut. 

8.  8.  03.  Pat.  wird  auf  seinen  Wunsch  entlassen,  Gallenfistel 
schliesst  sich  schnell. 

Epicrise:  Bei  Männern  ist,  worauf  ich  schon  ölter  hin- 
wies,   die    Operation    schwierig:er   wie    bei    Frauen :    an    eine 


—     51     — 

Ectomie  war  hier  gar  nicht  zu  denken.  In  solchen  Fällen 
ist  die  Cyätostomie,  die  als  Ectomie  mit  Ablösung  des  Organs 
von  der  Leber  beginnt,  ein  sehr  willkommenes  Auskunftsmittel. 
Die  Gallenblase  darf  man  nicht  ganz  in  die  Bauchwunde  ein- 
nähen, sondern  man  muss  einen  Tampon  auf  das  Leberbett 
.schieben,  um  Blut-  und  Gallenaustritt  zu  verhüten. 

d)  Das  Schlauchverfahren  nach  Kehr,  die  wasser- 
dichte Drainage  nach  Poppert. 
Nr.  26.     K.  H.,  39j.  Chemiker  aus  Dessau. 

Aufgen.:  17.  10.  1899. 

Operiert:  19.  10.  1899.     Schlauchverfahren. 

Entlassen:   28.  11.  1899.     Geheilt. 
Anamnese:   Vater  des  Pat.  starb  78  Jahre  alt  infolge  apoplek- 
tischen  Anfalles;  die  Mutter  lebt  noch  und  ist  gesund. 

Pat.  war  in  seiner  Jugend  stets  gesund,  von  belanglosen  Kinder- 
krankheiten abgesehen.  Im  Jahre  1890  erkrankte  er  an  Influenza,  die 
in  chronische  Heiserkeit  und  Husten  überging.  Prof.  Stintzing-Jena 
diagnostizierte  linksseitigen  Lungenspitzenkatarrh;  die  Behandlung  be- 
stand in  Tuberkulin-Iujektionen.  Die  lokalen  Erscheinungen  gingen 
nach  ungefähr  2  Monaten  zurück.  Pat.  wiederholte  die  Tuberkulinkur 
Jeden  Sommer,  bis  1895  auch  die  Bacillen  aus  dem  Sputum  verschwanden 
iind  das  Körpergewicht  wieder  zunahm. 

Das  jetzige  Leiden  des  Pat.  begann  im  Frühjahr  1896.  Damals 
•erkrankte  Pat.  plötzlich  mit  krampfartigen  Schmerzen  in  der  Gallen- 
blasengegend, die  6  Stunden  anhielten.  Diesem  Anfalle  folgten  in 
3  Wochen  5  andere  von  etwas  geringerer  Intensität.  Bis  zum  Herbste 
98  war  Pat.  darauf  völlig  besohwerdefrei,  wurde  dann  hochgradig  ner- 
vös und  bekam  Herzklopfen.  Er  konsultierte  wieder  Prof.  Stintzing, 
•der  ihn  in  seiner  Klinik  mit  Kohlensäurebädern  behandelte.  Ungebessert 
reiste  er  von  Jena  fort,  dte  Herztätigkeit  wurde  im  Januar  1899  spontan 
gleichmässiger  und  ruhiger.  Ende  Januar  setzten  die  Kolikanfälle 
wieder  ein  mit  teilweise  heftigen  krampfartigen  Schmerzen  und  tage- 
langer Dauer.  Während  sie  anfangs  in  wechselnden  Zwischenräumen 
kamen,  ist  in  den  letzten  Wochen  kaum  ein  Tag  ohne  Kolikanfall  ver- 
gangen. Pat.  trank  während  der  ersten  Anfälle  im  Januar  Karlsbader 
Mühlbrunnen  und  Emser  Wasser,  das  ihm  im  Jahre  1896  gute  Dienste  ge- 
leistet hatte.  Endo  Februar  unterzog  er  sich  auf  Anraten  des  Herrn  Dr. 
Chrysander-Hamburg'  einer  Massagokur  des  ganzen  Bauches;  die  An- 
fälle wurden  jedoch  infolge  der  Kur  häufiger  und  heftiger.  Anfang  April 
wieder  Reise  nach  Jena,  Konsultation  des  Herrn  Prof  Matthes,  der 
Hyperacidität  des  Magensaftes  feststellt,  im  sonstigen  keine  Veränderung 
irgend  eines  Organes  gefunden  haben  soll.  Am  9.  Mai  Kur  in  Karlsbad  von 
4 7-2  wöchentlicher  Dauer.  Der  Erfolg  ist  aber  ein  sehr  negativer,  da  in 
21  Tagen  17  Anfälle  auftraten.    Auch  während  der  nun  folgenden  Reise 


—     52     — 

nach  Tirol  trat  fast  jeden  2.  oder  3.  Tag  ein  Anfall  auf.  Vom  letzten 
August  bis  Mitte  September  Aufenthalt  in  Heringsdorf,  täglich  ein 
kaltes  Bad  und  verhältnismässig  wenig  Anfälle.  Seitdem  traten  die 
Anfälle  fast  täglich  ein. 

Der  Appetit  ist  während  der  Anfälle  stets  gut  geblieben,  in  erster 
Zeit  ist  mehrfach  Erbrechen  aufgetreten.  Später  hat  Pat.,  sobald  sich 
Brechreiz  einstellte,  gleich  Morphium  subkutan  genommen.  Überhaupt 
hat  er  sich  seit  Januar  dieses  Jahres  fast  täglich,  jedesmal  aber  bei 
den  Anfällen  1 — 2  ctgr.  Morphium  injiziert.  Gelbsucht  ist  nie  vor- 
handen gewesen,  der  Stuhlgang  war  stets  regelmässig,  in  letzter 
Zeit  infolge  des  Morphiums  etwas  angehalten.  Fieber  hat  nie  be- 
standen. 

Pat.  konsultiert  noch  Herrn  Prof.  Riedel,  der  die  Diagnose  auf 
Steine  in  der  Gallenblase  stellt,  entschliesst  sich  dann  in  Halberstadt 
zur  Operation. 

Befund:  Herz,  Lunge  gesund.  Leber  nicht  vergrössert.  Gallen- 
blase nicht  fühlbar.    Kein  Ikterus,  im  Urin  nichts  Pathologisches. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  zeitweilig  Cysticus-Ver- 
schluss. 

Operation:  19.  10.  99.  Längsschnitt  im  rechten  m.  rect.  abd. 
Gallenblase  klein,  kontrahiert,  enthält  Steine,  keine  Verwachsungen. 
Im  Cysticus  ziemlich  feststeckend  ein  haselnussgrosser  Stein;  er  wird 
in  den  Fundus  der  Gallenblase  geschoben.  Extraction  von  ca.  10  Steinen, 
die  in  eingedickter  leimartiger  Galle  liegen.  Schlauch r erfahren  nach 
Kehr-Poppert.  Ein  feiner  Grummischlauch  wird  ca.  2  cm  tief  in  die 
Gallenblase  eingeführt,  mit  einer  feinen  Naht  an  der  Galleublase  be- 
festigt. Die  übrige  Gallenblase  wird  möglichst  dicht  geschlossen,  so 
dass  das  Rohr  wasserdicht  liegt.  Rings  um  das  Rohr  ausgiebige  Tam- 
ponade mit  steriler  Gaze.  Schluss  der  Bauchhöhle.  Atmung  daiiernd 
schlecht.  Vor  der  Operation  0,03  Morphium,  zuerst  Aether,  dann  Chlo- 
roform.   Dauer  der  Operation  ca.  1  Stunde. 

Verlauf:  Fieberfrei,  Galle  läuft  gut  aus  dem  Schlauch  in  die 
Flasche,  Pat.  fühlt  sich  wohl,  doch  hält  es  schwer,  ihm  das  Morphium 
zu  entziehen.  Er  bekommt  täglich  4—5  mal  0,01  Morphium  resp.  Co- 
dein 0,03.  Allmählich  wird  der  Morphiumgebrauch  eingeschränkt.  Am 
19.  11.  erhält  er  nur  noch  2  mal  täglich  0,004.  Appetit  ist  gut,  Galle 
läuft  klar  ab.  Wunde  fast  geschlossen.  Am  Tage  der  Entlassung, 
am  28.  11.  99,  ist  nur  noch  eine  kleine  gi-anulierende  Stelle  vorhanden. 
Pat.  hat  leidlichen  Appetit,  gebraucht  gar  keine  Narkotica  mehr,  doch 
ist  er  noch  sehr  nervös.  Herr  Medizinalrat  Bött eher- Dessau  über- 
nimmt die  weitere  Behandlung.  Galle  ist  seit  dem  20.  11.  nicht  mehr 
geflossen. 

Epicrise:  Pat.  ist  während  der  Nachbehandlung  von 
dem  Morphium  völlig-  entwöhnt  worden;  ob  ein  Dauererfolg  er- 
zielt worden  ist,  kann  ich  nicht  angeben,  da  ich  über  die 
weitere  Behandluns:  des  Pat.  keine  Nachrichten  erhalten  konnte 


—     53     — 

Hr.  27.     C.  M.,  42j.  Fahrsteiger  aus  Helbra. 

Aufgen.:     17.  5.  1904. 

Operiert:     19.  5.  04.     Schlauchverfaliren. 

Noch  in  Behandlung. 
Anamnese:  Patient  ist  verheiratet  und  Vater  zweier  gesunder 
Kinder.  Grossmutter  und  Tante  väterlicherseits  litten  an  Gallensteinen. 
Dezember  1902  hatte  Pat.  einen  Lungenspitzenkatarrh  mit  einer  leichten 
Lungenblutung,  aber  fast  ohne  Husten.  Juli  1903  Lebers. hwellung 
jnit  leichtem  Fieber  und  Druckschmerzen  in  der  Lebergegend ;  der 
Arzt  dachte  an  Lebercirrhose.  Das  dauerte  etwa  8—10  Tage,  Pat.  war 
dabei  nicht  bettlägerig.  Arn  19.  Oktober  03  trat  vormittags  während 
•der  Arbeit  zum  1.  Male  ein  Anfall  von  Magenkrampf  auf;  der  Schmerz 
■begann  in  der  Magengrube  und  strahlte  nach  beiden  Seiten  bis  zum 
Rücken  hin  aus;  die  Schmerzen  waren  so  stark,  dass  Pat.  mit  Unter- 
brechung bewusstlos  wurde;  er  wiu-de  nach  Hause  gefahren  und  ins 
Bett  gebracht,  bekam  Morphiuminjektionen  und  heisse  Breiumschläge 
•siuf  den  Leib.  Die  Schmerzen  hielten  aber  an,  gegen  Abend  leichtes 
Fieber  mit  Phantasieren.  Erst  am  Mittag  des  folgenden  Tages  hörte 
der  Krampf  auf.  Jetzt  trat  Erbrechen  von  Speiseresten  und  grüner 
Gallo  während  des  ganzen  übrigen  Tages  ein.  Der  Urin  soll  rotbraun 
gewesen  sein,  auf  den  Stuhl  wurde  nicht  geachtet.  Einige  Tage  danach 
verliess  Pat.  das  Bett.  In  den  nächsten  2—3  Wochen  noch  Magen- 
katarrh mit  häufigem  Erbrechen  besonders  nach  dem  Mittagessen. 
Bis  zum  Dezember  03  will  Pat.  etwa  35  Pfund  abgenommen  haben. 
Am  17.  Xn.  03  zweiter  Anfall;  die  Schmerzen  begannen  diesmal  in 
der  Lebergegend  ganz  rechts  mit  Druckgofühl  und  zogen  sich  dann 
nach  der  Gegend  der  Gallenblase.  Der  wesentlich  leichtere  Anfall 
ging  ohne  Morphium  nach  heissen  Umschlägen  vorüber,  er  dauerte 
vom  Abend  bis  zum  andern  Morgen.  Urin  soll  wieder  dick  gewesen 
sein,  Erbrechen  trat  diesmal  nicht  auf.  Der  3.  schwere  Aufall  kam 
am  20.  II.  04,  verlief  wie  der  vorige,  doch  begann  der  Krampf  gleich 
in  der  Gallenblasengegend.  In  den  nächsten  Tagen  wieder  Magen- 
katarrh mit  Erbrechen,  Ikterus  war  nie  aufgetreten.  Deswegen 
Hess  sich  Pat.  in  die  med.  Klinik  zu  Halle  aufnehmen,  woselbst 
man  Gallensteine  feststellte  und  zur  Operation  riet.  Pat.  war 
damit  einverstanden,  doch  wurde  aus  äusseren  Gründen  dieselbe  bis 
nach  Ostern  verschoben,  sodass  Pat.  erst  nach  Hause  reisen  musste. 
Hierselbst  riet  ihm  Herr  Dr.  Böttger,  dessen  Bruder  in  Halberstadt 
wegen  Gallensteinen  operiert  worden  ist,  die  hiesige  Klinik  zu  konsul- 
tieren. Die  jetzigen  Beschwerden  bestehen  nur  in  leichtem  Druck- 
gefühl in  der  rechten,  aber  auch  in  der  linken  Oberbauchseite. 

Befund:  Nach  Abführen  deutlicher  stark  schmerzempfindlicher 
Tumor  (schon  bei  leichtem  Druck)  in  der  Gallenblasengegend  palpabel. 
Leber  kaum  vergrössert,  Oberfläche  anscheinend  etwas  höckerig. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis,  vielleicht  Empyem.  Dem 
Pat.,  der  eine  Neuenahrer  Kur  durchmachen  sollte,  wird  die  Operation 
als  die  beste  Behandlungsart  empfohlen.    Pat.  muss  schwer  arbeiten  und 


—     54     — 

deshalb  ist  ans  sozialen  Gründen  die  Operation  mehr  am  Platze  als  eine 
Kur  in  Neuenahr. 

Operation:  19.  5.04  in  Gegenwart  des  Herrn  Oberstabsarzt 
Dr.  Krämer.  Dauer  derselben  30  Min.  Gute  Chloroform-Sauerstoff- 
Narkose  (35  gr.).  Wellenschnitt.  Gallenblase  ist  vergrössert,  liegt  aber 
so  unter  der  etwas  massigen,  an  der  Oberfläche  rauhen  Leber  (Cir- 
rhose?),  dass  die  normale  Cystostomie  eine  zu  grosse  Zerrung  hervor- 
bringen würde.  Desbalb  nach  Verschiebnng  des  Gallenblaseuhalssteincs 
in  den  Fundus  und  Aspiration  von  cn.  40  ccni  trüber,  seröser  Flüssigkeit 
(mit  Eiterflocken)  typisches  Schi  auch  verfahren.  3  Tampons  rings  um 
den  Schlauch  und  die  langgelassenen  mit  untergelegtem  Draht  ver- 
sehenen Fäden.  Das  Rohr  und  die  Tampons  werden  in  der  Mittellini«^ 
(wo  der  schräge  Schnitt  durch  den  mnsc.  rect,  abd.  beginnt.)  heran s- 
geleitet.  Die  übrige  Bauchwunde  wird  durch  Durchstichknopfnabt 
völlig  geschlossen.  Aus  der  Gallenblase  wurden  10  rauhe,  teilweiso 
haselnussgrosse  Steine  entfernt. 

Verlauf  ohne  Temperaturerhöhung  und  Pulsbeschleunigung. 
Galle  läuft  reichlich.     Schmerzen  sehr  gering. 

26.  5,  04.  Verband  wird  gewechselt,  da  die  äusseren  Gazeschichteii 
trocken  geworden  sind  und  drücken.  Wunde  gänzlich  reizlos,  Rohr 
und  Tampons  bleiben  liegen,  nur  die  äusseren  Verbandschichten  werden 
entfernt.  Immer  reichlicher  Gallenfluss  und  normale  Temperatui-. 
Stuhlgang  spontan. 

30.  5.  04.  Tampons  werden  entfernt.  Wunde  in  Ordnung.  Gallen- 
blase lässt  sich  gut  spülen.*) 

Epicrise:  Ein  Fall,  bei  dem  die  Ectomie  auch  für  deu 
geübten  Chirurgen  sehr  schwierig  ist,  die  Fixation  der  eröif- 
neten  Gallenblase  aber  wegen  der  entstehenden  Zerrung  falsch 
gewesen  wäre.  Für  diese.  Fälle  ist  das  von  Riedel  verachtete- 
Schlauchverfahren  ein  ausgezeichnetes  Auskunftsmittel,  dessen 
sich  gerade  der  weniger  Geübte  —  also  der  Dirigent  kleiner  Kran- 
kenhäuser —  mit  Erfolg  bedienen  kann.  Die  Leber  war  massig^ 
der  Cirrhose  verdächtig:  da  tut  man  gut,  das  Lebergewebe 
recht  schonend  zu  behandeln,  d.  h.  auf  die  Ectomie  zu  verzichten. 

Nr.  28.     A.  B.,  50jähr.  Schuldirektor  aus  Zschopau  i.  Sa. 

Aufgen.:  3.  5.   1904. 

Operiert:  5.  5.  1904.     Schlauchverfahren. 

Noch  in  Behandlung. 

Anamnese:     Patient   ist  kinderlos   verheiratet.    Vor  7   Jahren 

hatte  er  einen  Aufall  von  Ischias.    Weihnachten  1901  traten,  vielleicht 

im  Anschluss   an   einen  Diätfehler,    zum  1.  Male  starke  Schmerzen  in 

der  Lebergegend  auf,  später  bis  zum  Rücken  und  den  Schultorblättern 

*)  Fat.  ist  unterdessen  aufgestanden   und  kann   bald  entlasse» 
werden.    (Anmerkung  während  der  Korrektur.) 


—      oo      

ausstrahlend.  Die  Schmerzen  hielten  etwa  2  Stunden  lang  an.  '/4  Jahr 
später  ein  gleicher  Anfall,  etwas  länger  dauernd:  seitdem  traten  die 
Anfälle  bald  alle  Wochen,  bald  alle  Monate  auf.  Während  der  Anfälle 
erfolgt  meist  Erbrechen.  Pat.  litt  an  unregelmässigem  Stuhlgang, 
Diarrhöen  und  Verstopfung  wechselten  ab.  Der  Arzt  konstatierte 
bei  den  Anfällen,  die  einigemale  auch  von  Fieber  begleitet  gewesen 
sein  sollen,  jedesmal  deutliche  Leberschwellung,  meist  um  2—3  Quer- 
fi'iger.  Ikterus  trat  nie  auf,  ebensowenig  Verfärbung  des  Stuhles 
und  des  Urins;  beim  leti^-ten  Anfall,  der  in  der  Nacht  vom  24.  zum 
25.  März  auftrat  und  8  Stunden  lang  anhielt,  soll  zum  1.  Male 
eine  ganz  leichte  Gelbfärbung  der  Bindehäute  beobachtet  worden  sein. 
Morphiuminjektionen  wurden  erst  bei  den  letzten  Anfällen  nötig, 
sonst  wurden  heisse  Umschläge  mit  gutem  Erfolge  augewendet.  Vor 
1  Jahr  trank  Pat.  Homburger  Friedrichsquello  auf  Rat  seines  Haus- 
arztes, später  Neuenahrer  Sprudel.  Herr  Dr.  Klöpper-Zschopau  schickte 
den  Pat.  zur  Untersuchung  und  eventuellen  Operation  hierher. 

Befund:  Kein  Ikterus,  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend, 
auch  manchmal  ein  Tumor  tastbar.  Darunter  in  der  Appendixgegend 
Druckschmerzen.     Urin  frei. 

Diagnose:    Cliron.  Cholecystitis  (Appeudix?J  '" 

Operation:  5.  5.  OJ.  Wellonschnitt.  Gallenblase  liegt  sehr  tief 
nnd  rersteckt.  Gallenblasen-Wandungen  verdickt,  um  Steine  kontrahiert. 
Keine  Verwachsungen.  Incision  der  Gallenblase.  1  grossei-  und  1  kleiner 
Stein.  Schlauchverfahren  ohne  irgendwelche  Fixation  der  Grallenblase  am 
perit.  parietale:  ein  kleiuflugerdicker  Schlauch  wird  ca.  4cm  weit  in  die 
OallenI)la8e  eingeschoben  und  eine  Naht  an  der  Gallenblase  selbst 
fixiert,  die  übrige  lucision  wird  möglichst  wasserdicht  yerschlossen. 
Appendix  verwachsen  und  geschwollen,  wird  entfernt.  Tamponade 
um  den  Gallenblasen-Schlauch  herum  mit  3  Tampons.  Dauer  der 
Operation  1  Std.    Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.    (50  g  Chloroform.) 

5.  5.    Abends  37,1.    Befinden  gut.    Nachts  ziemUch  viel  Aufstosson. 

6.  5.  37,8-38,0.  Puls  140.  Häufiges  Aufstossen  und  Bluterbreche n. 
Magenspülung  am  Abend  ^gibt  ziemlich  viel  Galle  mit  Blut.  Blähungen 
gehen  noch  nicht.  Nachts  noch  einmal  Magenspülung;  diesmal  weniger 
Galle  und  Blut.     Kochsalzinfusion.     Kochsalzeinläufe. 

7.  5.  37,8-38,0.  Heute  Morgen  Puls  144,  etwas  kleiner.  Xoch 
kein  Gurren  im  Leib.  Magenspülung  fördert  sehr  wenig  blutige  Flüssig- 
keit zu  Tage.  Kochsalzinfusion.  Strophantus  3  Mal  10  Tropfen.  Gegen 
Mittag  nach  Seifeneinläufen  endlich  Gurren  im  Leib.  Danach  gleich 
besseres  Aussehen.  Leib  wird  weicher.  Nachmittags  gehen  spontan 
Blähungen. 

8.  5,  37,8.  Heute  Morgen  sehr  gutes  Befinden,  Puls  kräftig  106. 
Kein  Aufstossen  mehr.  Leib  weich,  reichlich  Blähungen.  Trinkt  bereits 
ziemlich  reichlich.    Abends  37,8. 

16.  5.  Temperatur  normal.  Pat.  führt  ab,  hat  reichlich  braunen 
Stuhl;  seit  gestern  keine  Galle  mehr  in  die  Flasche  gelaufen.    Puls  100. 

17.  5.    Entfernung  sämtlicher  Fäden  und  der  untergelegten  Drähte. 


—     56     — 

Wunde  heilt  gut.     In  den  Tampons  reichlich  Sekret.    Rohr  wird  ent- 
fei*nt  und  die  Wunde  mit  Gaze  tamponiert. 

24.  5.  Pat.  steht  auf,  isst  Alles,  trinkt  Bier.*) 
Epicrise:  Für  diesen  Fall  gilt  dasselbe,  was  ich  in  der 
Epicrise  der  letzten  Operationsgeschichte  (Nr.  27)  sagte.  Da  die 
Gallenblase  sehr  tief  und  versteckt  lag,  war  sowohl  die  Ectomie 
als  auch  die  Einnähung  der  Gallenblase  in  die  Bauchwunde 
schwierig,  ja  unmöglich.  Für  solchen  Fall  ist  —  ich  möchte 
das  immer  wieder  betonen !  —  das  Schlauchverfahren,  das 
E  i  e  d  e  1  verwirft,  ein  sehr  gutes  Auskunftsraittel.  Patient 
bekam  Bluterbrechen,  aber  schon  die  erste  3Iagenspüiung^ 
brachte  ihm  Erleichterung  und  als  die  Blähungen  einsezten, 
änderte  sich  mit  einem  Schlag  das  Bild,  und  Pat.  machte 
einen  sehr  guten  Eindruck. 
Nr.  29.     0.  E.,  40  j.  Kaufmann  aus  Schweidnitz. 

Aufgen.:  20.  8.  1901. 

Operiert:  21.  8.  1901.    Schlauchverfahren. 

Entlassen:  24.  9.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Familien- Anamnese  ohne  Belang.  Pat.  war  immer  ge- 
sund, Stuhlgang  stets  unregelmässig,  Pat.  hat  viel  Abführmittel  gebraucht. 

Vor  ca.  10  Jahren  hatte  Pat.  einen  heftigen  Anfall  von  Schmerzen 
in  der  Magengrube,  '/4  Stunde  dauernd,  nach  Morphiuminjektion  schwin- 
dend, mit  Beklemmungsgefühl,  Kältegefühl  und  Schweissausbruch,  ohne 
Erbrechen,  ohne  Ikterus.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  in  gleicher 
Weise  alle  Jahre  4—5  mal.  Pat  wurde  auf  nervöse  Magenbeschwerden 
behandelt,  1892  wurde  die  Diagnose  auf  Gallensteine  gestellt,  doch 
tat  Pat.  nichts  dagegen,  weil  er  wenig  Beschwerden  hatte.  Allmäh- 
lich verschlimmerte  sich  das  Leiden,  1897  war  er  4  Wochen  in  Karls- 
bad, Besserung  verspürte  er  nicht.  Ebenso  1898.  Im  Jahre  1899  hatte 
er  wieder  3—4  Anfälle,  dazu  gesellte  sich  ein  dumpfer  stundenlang 
anhaltender  Sehmerz  in  der  Gallenblasengegend,  der  besonders  beim 
stillsitzen  und  beim  Fahren  hervortrat. 

Im  April-Mai  1900  war  er  zum  3.  Mal  in  Karlsbad,  am  2.  Tage 
seines  Dortseins  hatte  er  einen  Anfall,  der  diesen  und  den  folgenden 
Tag  anhielt.  Der  Charakter  der  Schmerzen  hatte  sich  gegen  früher 
geändert,  die  Schmerzen  waren  nicht  wie  früher  krampfartig,  sondcM-n 
äusserten  sich  mehr  als  unerträglicher  Druck,  sie  strahlten  von  der 
Magengrube  nach  rechts  herum  zum  Rücken  und  zur  Schulter  aus. 
Dabei  hatte  er  wie  früher  Kältegefühl  und  Schweissausbruch,  am 
nächsten  Tage  leichten  Ikterus  der  Konjunktiven,  kein  Erbrechen. 

Auf  der  Heimreise  hatte  er  einen  3tägigen  Anfall,  nach  welchem 
sich  ein  Steinchen    im    Stuhlgang   fand.    Dann  hatte   er  Anfälle :    im 

*)  Pat.  ist  am  14.  Juni  mit  geschlossener  Wunde  entlassen  worden. 
(Anmerkung  während  der  Korrektur.) 


—       O  (        

November  1900  einen  kleinen  und  im  Januar  1901  einen  2tägigen. 
Im  Februar  d.  J.  nahm  er  ein  Geheimmittel  gegen  Gallensteine  (Apo- 
theker Ziedler-Nürnberg),  am  Tage,  an  dem  er  die  Kur  beendigte, 
kleiner  Anfall.  Tm  Juli  kleiner  Anfall  mit  leichtem  Fieber,  im  An- 
sclilusö  daran  Influenza  mit  Brustfellreizung.  24.-27.  Juli  ein  grosser 
Anfall,  Schmerzen  wie  oben  geschildert,  dabei  das  Gefühl,  als  ob  er 
die  Seite  stützen  müsse.  Grosse  Druckempfindlichkeit  der  Gallen- 
blasengegend, angeblich  Leberschwellung,  Pulsverlangsamung  auf  48 
Schläge,  Temp.  38"  (zwischen  den  nates  gemessen),  Stuhlverstopfung, 
keine  Winde.  Danach  blieb  noch  4—5  Tage  ein  leichtes  Druckgefühl 
zurück.  Einmal  dabei  Erbrechen,  Ikterus  wurde  nicht  beobachtet. 
Im  Stuhl  fand  man  1  grossen  und  5  kleine  Steine. 

Seitdem  kein  Anfall  mehr,  aber  Druckempfindlichkeit.  Während 
■der  Anfälle  war  der  Appetit  weg,  grosse  Schwäche,  in  den  anfalls- 
freien Pausen  schnelle  Erholung.  Herr  Dr.  S  chu  bert-Schweidnitz 
riet  dem  Fat.,  zur  Operation  hierher  zu  kommen. 

Befund:  Bei  gewöhnlicher  Untersuchung  kein  Befund,  keine 
Schmerzhaftigkeit,  auch  bei  bimanueller  Palpation  ist  nichts  Beson- 
deres festzustellen.  Aber  sobald  Fat.  tief  inspiriert,  und  man  unter- 
sucht bimanuell  auf  der  Höhe  der  Inspiration  die  Gallenblasengegend, 
klagt  Fat.  über  heftigen  Druckschmerz.    Kein  Ikterus. 

Diagnose:  Steine  in  der  entzündeten  Gallenblase. 

Operation:  21.  8.  1901.  Wellenschnitt  reicht  nicht  aus,  um  die 
lateral  und  versteckt  unter  der  Leber  liegende  Oallenblase  freizulegen. 
Daher  Qaerschultt  auf  die  Mitte  des  Liingsschnilts.  Gallenblase  mit 
Eiter  gefüllt,  entzündet,  enthält  300  Steine  von  der  Grösse  der  Schrot- 
körner. 2  grosse  Steine  im  Hals  der  Gallenblase.  Mühsame  Entfer- 
nung. Sclilauehverfahren.  Tamponade.  Naht  des  Längsschnitts.  Der 
<^uerschnitt  wird  zur  Herausleitung  der  Tampons  benutzt,  Verband. 
Dauer  der  Operation  50  Min.    Massige  Chloroformnarkose. 

Verlauf:  22.  8.  Puls  88.  Etwas  Erbrechen  mehrmals.  Bis 
gestern  Abend  lief  kein'e  Galle,  dagegen  war  der  Verband  durch- 
tränkt.    Heute  morgen  ist  Galle  in  der  Flasche,  ca.  200  gr. 

Alle  paar  Minuten  Würgen  und  Erbrechen  einiger  Esslöffel 
dunkelgrüner  Flüssigkeit,  Magenspülung  entleert  stark  galle-  und 
«twas  bluthaltigcn  Mageninhalt.  38,0. 

23.  8.  ü7,8.  Puls  112.  Nachts  3mal  Magenspülung,  noch  immer 
Erbrechen.  Blähungen  kommen  in  Gang.  Abends  1  mal  Magen- 
spülung. 37,6. 

24.  8.  37,8.  Puls  112.  Noch  immer  etwas  Brechreiz.  Magen- 
spülung.   Kochsalz.  37.8. 

25.  8.    37,6.    Puls  98.    Besseres  Befinden.    Gallenfluss  sehr  gering, 

37,8. 

26.  8.    37,9.    Puls  82.    Abführen. 
Normaler  Verlauf. 

4.  9.    Herausnahme  der  Tampons,  Nähte  und  Fäden. 


—     58     — 

24.  9.  Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Die  mit  Eiter  gefüllte  Gallenblase  entging 
der  gewöhnlichen  Palpation,  weil  sie  vom  Lebergewebe  völlig 
bedeckt  war.  Erst  auf  der  Höhe  der  Inspiration  konnte  man 
den  typischen  Druckschmerz  erzeugen  —  für  versteckte,  ent- 
zündete Gallenblasen  ein  wichtiges  Merkmal. 

Das  Bluterbrechen  trat  hier  nur  einmal  auf  und  ging 
bald  zurück. 

In  diesem  Falle  kam  man  mit  dem  gewöhnlichen  Wellen- 
schnitt nicht  aus ;  ich  musste  noch  einen  Querschnitt  nach 
aussen  hinzufügen,  das   ist   aber  nur  in  Ausnahmefällen  nötig. 

Nr.  30.    F.  0.,  43j.  Schuhmacher  aus  Sargst  edt. 

Aufgen. :  16.  2.  1900. 

Operiert:  21.2.1900.  Schlauchverfahren. 

t  23.   2.  1900  an  Peritonitis. 

Anamnese:  Familien-Anamnese  und  Vorleben  ohne  Belang-. 
1885  erster  Kolikanfall  mit  Erbrechen,  Fieber,  ohne  Ikterus.  1889  zweiter 
Anfall  mit  Ikterus.  In  den  Zwischenzeiten  bisweilen  leichte  Schmerzen. 
14.  2.  00  dritter  Anfall  mit  heftigen  Schmerzen,  Erbrechen  galliger 
Massen.  Fat.  wird  mit  den  Erscheinungen  des  Darm  verschlusses  der 
Klinik  überwiesen; 

Diagnose:  Cholangitis  und  Cholecystitis  acuta. 

Befund:  Kräftiger  Mann.  Die  Lebergegend  ist  äusserst  druck- 
empfindlich, ein  Tumor  ist  bei  leichtem  Falpieren  nicht  zu  fühlen, 
wohl  aber  eine  Resistenz.  Im  Urin  Spuren  von  Gallenfarbstoff,  kein 
Eiweiss  oder  Zucker.     Lunge  imd  Herz  gesund. 

Operation  21.  2.  00.  Üblicher  Wellenschnitt.  Gallenblase  sehr 
gross.  Es  finden  sich  zahlreiche  Verwachsungen  zwischen  Gallonblase 
und  Netz.  Trennung.  In  der  Gallenblase  Serum  und  Eiter  und  zahl- 
reiche, bis  walnussgrosse  Steine.  Schlaucliverfahreu  resp.  wasserdichte 
Drainage  genau  nach  Poppert's  Vorschrift.  Tamponade.  Dauer  der 
Operation   '/a  Stunde. 

Der  Verlauf  war  die  ersten  36  Stunden  gut.  Kein  Galleiifluss. 
Dann  Zeichen  von  akuter  Feritonitis  mit  solchen  Collapserscheinungen, 
dass  ein  Nachsehen  keinen  Zweck  gehabt  hätte.    Tod  am  23.  2.  abends. 

Die  Sektion  ergibt,  dass  das  Rohr  wasserdicht  liegt,  die  Fäden 
nicht  durchgeschnitten  haben.  Im  Rohr  ein  zäher  Schleimpfropf.  In 
der  Gallenblase  2  Esslöffel  stinkendes  Exsudat.  Kein  Stein  im  vor- 
schwollenen  Cysticus.  Peritonitis  wahrscheinlich  durch  Infektion  durch 
das  in  der  Gallenblase  stagnierende  Sekret  entstanden. 

Epicrise:  Bei  der  völligen  Einniihung  der  Gallenblase 
wäre  die  Peritonitis  wohl  vermieden   worden;  Poppert's  Mit- 


—     59     — 

teilungen  bestimmten  mich  aber,  seine  Methode  auch  bei  der 
grossen  Gralleiiblase  anzuwenden.  In  Zukunlt  werde  ich  in 
solchen  Fällen  bei  der  Cystostomie  mit  Naht  bleibeii. 

Nr.  31.     C.  B.,  57  j.  Gutsbesitzer  aus  Maasdorf  bei  Cöthen. 

Aufgen.:  27.   12.  1899. 

Operiert:  1.  1.  1900.     Schlauch  verfahren. 

f  5.  1.  1900.     an  Cholangitis. 

Anamnese:  Vater,  60  Jahre  alt,  an  Schlaganfall  f.  Mutter  an 
Schlaganfall  f,  hat  viel  an  „Magenkrämpfen"  gelitten. 

Fat.  hat  seit  etwa  15  Jahren  erst  seltener,  dann  allmählich  häufiger 
auftretende,  kurzdauernde,  sehr  schmerzhafte  Anfälle  gehabt,  die  er 
aber  für  Magenkrämpfe  hielt.  Schon  vor  einem  Jahre  ist  seinen  An- 
gehörigen eine  leichte  Gelbfärbung  an  ihm  aufgefallen,  er  selbst  be- 
merkte die  dunkelbraune  Färbung  seines  Urins.  Beide  Erscheinungen 
wechselten  in  ihrer  Stärke.  Im  Sommer  lh99  trat  kein  Anfall  auf, 
Fat.  war  von  blühendem  Aussehen  und  fühlte  sich  völlig  gesund. 
Seit  Oktober  1899  begannen  die  Anfälle  wieder,  und  zwar  traten  sie 
viel  häufiger  als  früher  auf,  seit  dem  16.  12.  kommen  die  Anfälle 
täglich  mehrmals,  sie  sind  länger  und  schmerzhafter  als  früher,  bei 
d«n  Anfällen  tritt  häufig  Erbrechen  ein,  der  Urin  ist  dunkelbraun.  Er 
wird  von  Herrn  Dr.  Glendenberg-Görzig  zur  Klinik  geschickt. 

Befund:  Haut  und  Konjunktiven  intensiv  gelb  gefärbt.  Fat.  ist 
sehr  matt  und  hinfällig,  Temp.  40,2,  Puls  120,  unregelmässig,  von  fieber- 
hafter Spannung.  Schmerzen  bestehen  zur  Zeit  nicht.  Urin  bierbraun, 
enthält  Gallenfarbstoff,  Spuren  von  Eiweiss.  Stuhl  tonfarben.  Fat. 
hat  keinen  Appetit,  viel  Durst. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus,  Cholangitis. 

28.  12.  Morgens  sehr  matt,  abends  kräftiger,  Fuls  wie  gestern, 
hat  geschlafen.    40,2.    38,4. 

29.  12.  Kein  Schlaf,  Trional  (I  gr.)  wird  ausgebrochen,  sehr 
matt.    89,2.    41,8.    40.8.     t)er  Ikterus  hat  zugenommen. 

30.  12.    89,7.    40,1.    40,2. 

31.  12.    39,8.    38,8.    40,3. 

Operation:  1.  1.  1900.  Unter  Schleich' scher  Inflltrations- 
Anästhesie  wird  darcli  Querschnitt  am  rechten  Rippenrande  nach 
Courvoisier  die  Bauchhöhle  eröffnet.  Gallenblase  geschrumpft,  mit 
Netz  verwachsen.  Bei  Lösung  der  Verwachsungen  reisst  sie  ein,  es 
tritt  reichlich  trübe  Galle  aus.  Aus  der  Blase  werden  zahlreiche 
grössere  und  kleinere  Steine  entfernt,  auf  die  JEntfeninng  der  tiefer 
in  der  Blase  und  im  Choledoclins  liegenden  wird  vorläufig  verziclitet, 
da  es  heute  nur  darauf  ankam,  der  infizierten  Galle  Abfiuss  zu  ver- 
schaffen. Einlegen  eines  Drainrohrs  nach  Vernähen  des  übrigen 
Gallenblasenschnittes.    Tamponade  der  Umgebung. 

Verlauf:  2.1.  89,0*'.  Es  fliesst reichlich  Galle  ab.  Blähungengehen, 
Urin  wird  spontan  gelassen.  Fat.  fühltsich  sehr  matt,  bustetetwas,  erbricht 


—     60     — 

öfters  geringe  Schloimmengen.    Seit  gestern  Mittag  sind  750  gr.  Galle 
abgeflossen. 

3.  1.  Gallenfluss  seit  gestern  650  gr.  Flüssige  Kost,  viel  Wein. 
Hinten  rechts  unten  Dämpfung  und  Knisterrasseln. 

4.  1.  Gallenfluss  500  gr.  Schwäche  hat  zugenommen.  Temp.  seit 
2.  1.  morgens  in  ano  über  39.  Puls  130,  schwach.  Digitoxin  in  nied- 
rigster Dosis  per  clysma.  Puls  hebt  sich  nicht.  Kein  Erbrechen  oder 
Aufstossen.  Blähungen  spontan.  Leib  weich.  Pat.  stirbt  am  5.  1. 
morgens  2  Uhr  unter  den  Zeichen  der  Herzinsuffizienz.  Sektion  nicht 
möglich. 

Epicrise:  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  trotz  der  gut  wir- 
icenden  Drainage  die  Cholangitis  weitere  Fortschritte  gemacht 
hat.  Pat.  machte  zuletzt  einen  durchaus  septischen  Eindruck, 
von  Seiten  des  Peritoneum  war  keine  Reaktion  eingetreten. 
Eine  Hepaticusdrainage  war  bei  der  Schwäche  des  Pat.  un- 
möglich, man  musste  sich  mit  der  Eröffnung  der  Gallenblase 
begnügen.  Die  Cystostomie  ist  bei  Cholangitis  aber  viel  weniger 
wirkungsvoll  wie  die  Hepaticusdrainage.  — 

Die  bei  der  Operation  unter  allen  aseptischen  Kautelen 
aufgefangene  Galle  wurde  nach  Göttingen  in  das  pathol.  Institut 
geschickt,  woselbst  aus  der  übersandten  Galle  eine  typische 
Reinkultur  von  Bacterium  coli  gezüchtet  wurde. 

Den  Angehörigen  war  die  Operation  als  Ultimum  refugium 
empfohlen  worden  mit  der  ausdrücklichen  Betonung,  dass  sie 
höchstwahrscheinlich  den  ungünstigen  Ausgang  nicht  aufhalten 
würde. 

üer  Querschnitt  nach  Courvoisier  wurde  in  diesem  Fall 
gewählt,  weil  wir  unter  Schleich'scher  Anästliesie  operieren 
und  bei  dem  Querschnitt  die  schmerzhafte  Durchtrennung 
der  Nervenstiimme  vermeiden  wollten,  die  ja  beim  Längs- 
schnitt unvermeidlich  ist. 


IV.  Die  Lösung  von  Verwachsungen  an  der  Gallen- 
blase als  selbständige  Operation. 

Nr.  32.    Dr.  med.  F.  K.,  39j.  Arzt  aus  Idstein. 

Aufgen.:  20.  3.  1903. 

Operiert:    22.  3.   1903.    Lösung    von  Adhäsionen    an 

der  Gallenblase. 
Entlassen:  17.  4.  1903.     Geheilt. 


—     61     — 

Anamnese:  Pat.  hatte  im  19.  Lebensjahre  Pneumonia  croup., 
war  sonst  stets  gesund.  Am  2.  Februar  lÜOO  verspürte  Pat.  von  nach- 
mittags 4  Uhr  ab  eine  eigentümliche  Schwere  und  ein  starkes,  aber 
nicht  schmerzhaftes  Druckgefühl  im  rechten  Hypochondrium.  Gegen 
7  Uhr  stellte  sich  bei  Zunahme  der  Beschwerden  lebhaftes  Hunger- 
gefühl und  Lust  nach  allen  möglichen  Speisen  ein.  Der  Druck  nahm 
immer  mehr  zu  und  nötigte  beim  Bergabgehen  und  Treppensteigen, 
bei  Besorgung  der  Praxis  dazu,  die  rechte  Bauchseite  mit  der  Hand 
zu  stützen.  Nach  Aufsuchen  des  Bettes  um  9'/«  Uhr  sofortiges  Aufhören 
der  Beschwerden  und  guter  Schlaf  bis  11  Uhr,  wo  ein  typischer  Gallen- 
steinkolikanfall mit  Erbrechen  und  starkem  Rückenschmerz  eintrat. 
Von  da  ab  bis  zum  23.  Februar  stets  Nachmittags^  Schüttelfröste  mit 
Steigen  der  Temperatur  zuweilen  bis  41°  C.  in  axilla  und  tiefen  Re- 
missionen nach  Mitternacht  mit  abundanten  Schweissen.  Am  23.  2.  krisis- 
artiges  Aufhören  des  Fiebers  und  sofortiges  Wohlbefinden,  guter  Appetit 
und  so  schnelle  Erholung,  dass  nach  10  Tagen  trotz  eines  Gewichts- 
verlustes von  fast  4(J  Pfund  die  Praxis  wieder  aufgenommen  werden 
konnte.  Bis  Mitte  November  1902  bestand  relatives  Wohlbefinden, 
manchmal  wochenlang  ohne  jegliche  Beschwerde  zeigte  sich  dann 
während  einiger  Tage,  besonders  nach  schweren  Körperanstrengungen 
in  der  sehr  beschwerlichen  Laiidpraxis,  leichtes  Druckgefühl.  Mitte 
November  —  während  einer  ausgebreiteten  lufluenzaepidemie  —  traten 
etwa  14  Tage  lang  abendliche  leichte  Temperatursteigerungen  ohne 
jegliche  Erscheinungen  von  Schmerz  oder  Druck  im  rechten  Hypo- 
chondrium oder  im  Rücken  auf.  Während  dieser  Zeit  regelmässige, 
allerdings  ausserordentlich  ermüdende  Ausübung  der  Praxis.  Von  An- 
fang Dezember  bis  18.  Dezember  völliges  Wohlbefinden.  Am  18.  12.  02 
abends  40,2°  C.  ohne  Erscheinungen  seitens  der  Gallenblase.  Am  24.  12. 
zum  ersten  Mal  leichte  Schmerzen  im  rechten  Hypochondrium  und 
stärkere  Empfindlichkeit  der  Gallenblase,  die  langsam  au  Umfang  zu- 
genommen hatte.  So  zog  sich  die  Erkrankung  ohne  besondere  Schmerzen 
mit  Abendtemp.  bis  39,5°  C.  und  Morgentemp.  von  37—38°  C.  und  mit 
ausserordentlich  schwerem  Krankheitsgefühl,  das  bei  der  ersten  Er- 
krankung nicht  vorhandeh  gewesen  war,  bis  zum  3.  Januar  03  hin. 
Dann  Aufhörexi  des  Fiebers,  starke  Körperschwäche  und  langsame  Re- 
konvalescenz.  Die  Praxis  konnte  erst  wieder  am  18.  2.  03  aufgenommen 
werden  und  machte  im  Gegensatz  zur  vorigen  Erkrankung  ausser- 
ordentlich müde.  Sonst  bestand  bis  heute  gutes  Wohlbefinden,  guter 
Appetit,  regelmässige  Defaekation,  kein  Schmerz  ausser  leichtem  Druck- 
gefühl hier  und  da.  Temp.  am  21.  3.  03  morgens  in  axilla  37,0,  in 
ano  38,2°  C. 

Befund:  Am  21.  3.  Kein  Ikterus,  Leber  nicht  vergrössert,  Tu- 
mor der  Gallenblase,  der  bei  einer  Consultation  Mitte  Februar  apfelgross 
war,  ist  kleiner  geworden,  aber  noch  deutlich  schmerzhaft.    Urin  frei. 

Diagnose:  Chron.  Empyem  der  Gallenblase.  (Eine  Röntgen- 
aufnahme anderwärts  aufgenommen  soll  2  grosse  Steine  nachge- 
wiesen haben.) 


-     62     — 

Operation:  22.  3.  03.  Wollenschnitt.  Galleublase  ganz  in  Netz 
eingewickelt,  sehr  schwierige  Lösung.  Gallenblase  klein,  geschrumpft, 
Cysticns  mit  Duodenum  fest  verwachsen  (FistelJ).    Kein  Stein  fühlbar. 

Abbruch  der  Operation.  2  Tampons  auf  die  Gallenblase.  Dauer  der 
Operation  35  Min.    Leidliche  Chloroformnarkose. 

17.  4.  03.  Verlauf  gut.  Pat.  wird  mit  oberflächlicher,  gut  granu- 
lierender Wunde  entlassen. 

E  p  i  c  r  i  s  e :  Der  Tumor  der  Gallenblase  wurde  vorgetäuscht 
durch  das  Netz,  in  welches  die  Gallenblase  wie  eingewickelt 
w^ar.  Ich  habe  die  feste  Überzeugung,  dass  eine  Cysticus-Duo- 
denalfistel  vorliegt.  Wann  diese  zu  Stande  gekommen  ist,  geht 
aus  der  Krankengeschichte  nicht  deutlich  hervor.  Steine  konnte 
ich  nicht  fühlen.  Ich  brach  deshalb  die  Operation  ab,  weil 
weiteres  Operieren  zu  gefährlich  war.  Pat.  wird  vielleicht 
durch  die  eingetretene  Naturheilung  noch  ganz  gesund.*)  Bei 
der  Vorgeschichte  und  den  noch  bestehenden  Druckschmerzen 
war  gewiss  eine  Operation  gerechtfertigt,  aber  sie  mit  Rück- 
sichtslosigkeit zu  Ende  zu  führen,  wäre  ein  grosser  Fehler  ge- 
wesen. Der  Fall  zeigt,  wie  wenig  gerechtfertigt  Riedels  Ijidi- 
kationsstellung  ist.  Ich  operierte,  weil  noch  keine  Ruhe  im 
Gallensystem  eingetreten  war  und  musste  einsehen,  dass  es  besser 
gewesen  wäre,  wenn  jnan  den  Bauch  nicht  aufgeschnitten  hätte. 

V.   Die  primäre  Cholecystectomie. 

a)    Mit  Unterbindung  des  ductus  cysticus. 
Nr.  33.     S.  B.,  51  j.  Kaufmaiinsfrau  aus  Bniizlau, 

Aufgen.:  27.  10.  1903. 

Operiert:  30.  10.  1903.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen:  12.  12.  1903.  Fast  geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  Mutter  von  5  Kindern  (l  Fehlgeburt);  einen 
26jährigen  Sohn  verlor  Pat.  vor  5  Wochen  an  Diabetes.  Der  Gatte 
leidet  auch  an  Gallensteinen.  Vor  8  Jahren  ist  Pat.  gynäkologisch  wegen 
einer  Verlagerung  operiert.  Vor  5  Jahren  zum  erstenmale  Mageokrampt 
gehabt;  seitdem  besteht  andauernd  ein  dumpfer  Druck  in  der  Magen- 
gegend und  rechts  vom  Nabel,  der  oft  in  bohrende  Schmerzen  über- 
geht. Typische  Koliken  mit  sehr  starken  Schmerzen  hat  Pat.  nicht 
gehabt.  Pat.  suchte  vor  4  Jahren  Karlsbad  zum  erstenmal  auf,  zur 
Begleitung  ihres  Galten;  ihr  Leiden  wurde  von  den  Ärzten  für  ein 
Magenleiden  gehalten.  Seitdem  war  Pat.  jedes  Jahr  in  Karlsbad.  Am 
6.  Februar  dieses  Jahres  bekam  Pat.  mit  den  F^rscheiuungen  des  akuten 

*)  Pat.  berichtet  an  Jahrestag  der  Operation  (22.  3.  1904),  dass 
€8  ihm  ausgezeichnet  gehe  und  er  die  Praxis  ohne  Störung  ausüben 
könne.    (Anmerkung  während  der  Korrektur.) 


—     63     — 

Blutverlustes  (Ohrensausen,  Schwindel,  Ohnmacht)  schwarzes  Erbrechen 
und  reichlich  blutige  Stuhlentleerung;  dabei  stärkere  Schmerzen  rechts 
vom  Nabel.  Pat.  erholte  sich  bald  wieder  und  war  im  Mai  und  Juni 
in  Karlsbad,  wurde  daselbst  mit  heissen  Umschlägen  und  Sprudel 
behandelt.  Vor  einigen  Monaten  im  Stuhl  nach  einem  Anfall 
feiner  Gries  gefunden  worden.  Seit  Februar  besteht  stärkere  Nervo- 
sität, die  in  den  letzten  Wochen  durch  den  Tod  des  Sohnes  noch 
gesteigert  wurde.  Stuhlgang  ist  immer  angehalten.  Kein  Erbrechen. 
Zur  zeit  andauernd  Druckgefühl  in  der  rechten  Bauchseite.  Herr  Dr. 
Haefner  schickt  die  Pat.  zur  Klinik. 

Befund:  Kein  Ikterus,  Leber  gesenkt,  Gallenblasengegend  sehr 
empfindlich,  dort  harter  Tumor  fühlbar.     Urin  frei. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis  (Empyem?).  Adhäsionen. 

Operation:  30.  10.  03  in  Gegenwart  des  Herrn  Prof.  Dr.  Ca- 
paldi-Neapel.  Wellenschuitt.  Leber  gesenkt,  lässt  sich  samt  grosser, 
rerwachsener  Galleublase  leicht  herauswälzeu.  Pylorus  eng,  narbig 
(Ulcus  sanatum).  Gallenblase  enthält  Eiter,  3  haselnussgrosse  Steine; 
einer  sitzt  fest  im  C^'sticus.  Ectomie.  Gallenblase  gross,  chronisch 
entzündet,  der  Stein  im  Cysticus  sitzt  sehr  fest.  Cysticus  choledochus- 
wärts  sehr  eng.  Tamponade.  Hepatopexie.  Vernähnng  des  stark  blnteu- 
den  Leberbettes  mit  3  Sutnren.  Wegen  sehr  starken  Fettpolsters  wird 
das  untere  Ende  des  Schnitts  in  Etagen  genäht.  Dauer  der  Operation 
35  Min.  (40  gr  Chloroform).    Sehr  glatte  Sauerstoff- Chloroformnarkose. 

Verlauf:  30.  10.  03.  Kein  Erbrechen  nach  der  Narkose,  kein 
Aufstossen.  Gegen  Abend  Urin  spontan.  Abends  38,0.  Puls  100,  kräftig. 
Abends  bereits  Kollern  im  Leib. 

31.  10.  03.  Temp.  38.1.  Nacht  mit  wenig  Morphium  teilweise 
geschlafen.  Ganz  vereinzeltes  Aufstossen.  Nachts  auf  Spritze  bereits 
Blähungen  abgegangen.  Schmerzen  geringer.  Abendtemperatur  38,3". 
Bähungen  wenig  abgegangen.     Abends  Chloralspritze. 

1.  11.  03.  37,7—38,2.  Befinden  bereits  sehr  gut,  Nachmittags  reich- 
lich Blähungen  und  Stuhl.     Kein  Aufstossen  mehr. 

2.  11.  03.  Nachts  mit  Chloral  massig  gut  geschlafen.  Tagsüber 
bereits  guten  Appetit.  Trinkt  viel  Milch,  Tee  und  Bouillon.  Kein 
Aufstossen.     Abends  V«  cg.  Morphium  subkutan.    Temp,  37,3—38,1. 

3.  11.  03.    Letzte  Nacht  besser  geschlafen.    38,1-38,2. 

4.  11.  03.  Temp.  38,0-38,4.  Pat.  führt  ab,  hat  reichlich  Stuhl. 
Befinden  gut.     Kein  Aufstossen. 

5.  11.  03.    Temp.  38,2—38,4.     Gutes  Befinden.     Appetit   reichlich. 

6.  11.  03.  Temp.  38,0-38,7.  Wechsel  der  oberflächlichen  Schichten 
des  Verbandes  und  Entfernen  eines  kleinen  Tampons  aus  dem  unteren 
Wundwinkel.     Wunde  in  Ordnung. 

10.  11.  03.  Verbandwechsel.  Entfernen  der  Tampons  und  eines 
Teils  der  Hautnähte. 

13.  II.  03.  Entfernen  der  übrigen  Hautnähte.  Da  etwas  Sekret- 
yerlialtung  hinter  dem  Tampon  eingetreten  ist,  wird  ein  Draiurohr 
mit  Mull  umwickelt  in  die  Wunde  eingeführt. 


—     64     ~ 

2Ü.  II.  03.    Pat.  steht  auf. 

13.  12.  03.  Wunde  bis  auf  einen  dünnen  Gang,  der  noch  etwas 
sezorniert,  geheilt.  Wird  entlassen,  soll  von  ihrem  Arzt  noch  einige- 
male  verbunden  werden.     Pat.  hat  sich  bereits  sehr  gut  erholt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Gallenblase  ergibt  folgendes: 

Die  Gallenblase  ist  ziemlich  stark  erweitert.  An  der  Innenfläche 
sieht  man  ein  deutliches  Netzwerk  vorspringender  Bälkchen  mit  ziem- 
lich tiefen  Gruben  zwischen  denselben,  sodass  die  Wand  an  einzelnen 
Stellen  ganz  durchsichtig  erscheint.  Die  Halsgegend  und  der  duct. 
cysticus  erscheinen  weniger  stark  verändert. 

Micr.  zeigt  letzterer  allerdings  eine  viel  weitergehende  Zerstörung 
als  macr.  zu  vermuten  war.  Es  findet  sich  nämlich  eine  völlige  Zer- 
störung der  Schleimhaut  und  Muskelschicht  auf  weite  Strecken,  mit 
Umwandlung  in  ein  schwieliges  Narbengewebe,  an  dem  das  Ober- 
flächenepithel vollkommen  fehlt,  von  Drüsen  nur  noch  kümmerliche 
Reste  vorhanden  sind.  Die  Balken  im  Fundus  erweisen  sich  micr.  als- 
die  hochgradig  verdickten  elastisch  muskulären  Bänder  der  Ring- 
muskeln, zwischen  denen  überall  die  Schleimhaut  divertikelartig  aus- 
gestülpt ist.  In  diesen  letzteren  finden  sich  gelegentlich  Haufen  von 
eingedickter  Galle  mit  vielen  Cholestearinkrystallen.  Das  Epithel  ist 
an  solchen  Divertikeln  zerstört,  das  umgebende  Bindegewebe  zeigt 
entzündliche  Reaktion,  und  es  ist  zur  Bildung  von  Fremdkörperriesen- 
zellen-gekommen.  An  den  vom  Epithel  entblössten  Gebieten  des  duct. 
sind  die  obersten  Zeil-Lagen  des  Bindegewebes  mit  Gallenfett  stark 
angefüllt. 

Epicrise:  In  solchen  Fällen  von  Cholelithiasis,  die  sich 
mit  Ulcus  pylori  oder  duodeni  komplizieren,  ist  ein  völliges 
Freiwerden  von  Beschwerden  nicht  immer  zu  garantieren.  Das 
stark  blutende  Leberbett  machte  mehrere  Umstechungen  nötige 
wegen  des  starken  Fettpolsters  zog  ich  die  Etagennaht  der 
Durchstich  knopfnaht  durch  die  ganze  Bauch  wand  vor. 


Nr.  34.     H.  K.,  26  j.  Oberleutnantsfrau  aus  Chemnitz. 

Aufgen.:  4.   11.   1903. 

Operiert:  6.  11.  1903.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen:  12.  12.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  seit  4  Jahren  verheiratet,  hat  zwei  Kinder. 
Letzte  Geburt  im  Juni  1902.  Sonst  war  Pat.  immer  gesund,  hat  nur 
ab  und  zu  an  Mandelentzündung  gelitten.  Vor  8  Tagen  wiederum 
Mandelentzündung  (4  Tage  lang).  Eine  Schwester  der  Mutter  leidet 
an  Gallensteinen.  Im  März  1903  begannen  sich  Schmerzen  in  der  Leber- 
gegond  und  der  Gegend  der  Magengrube  einzustellen ,  die  sich  bald 
nach  rechts  und  links  bis  in  den  Rücken  hinzogen  und  mehr  dumpfer 
Natur  waren.    Die  Schmerzen  traten  besonders   beim  Gehen    und  fast 


—     65     — 

täglich  auf.  Appetit  war  zunächst  f^ut.  Pat.  machte  dann  im  Sommer 
eine  Kur  bei  Lahmann  durch.  Doch  wurde  es  nicht  besser,  vielmehr 
traten  die  Schmerzen  allmählich  stärker  auf,  besonders  in  den  letzten 
14  Tagen  und  lokalisierten  sich  zuletzt  in  der  Gallenblasengegend  und 
rechts  im  Rücken,  traten  jetzt  auch  beim  Sitzen  auf.  Appetit 
ist  schlecht.  Körpergewicht  hat  etwas  abgnommen.  Dabei  kein 
Fieber^  kein  Schüttelfrost,  keine  Gelbsucht,  kein  Erbrechen.  Herr  Prof. 
Rosenheim-Berlin  stellte  bei  Pat.  Gallenblasenentzündung  fest.  Herr 
Dr.  B  erndt-Chemnitz  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Hepatoptose,  rechter  Lappen  massig,  dahinter  schmerz- 
hafte Resistenz.    Kein  Ikterus.     Pat.  ist  elend  und  sieht  grau  aus. 
Diagnose:  Cholecystitis  chronica  (Adhäsionen?) 

Operation:  6.  11.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  liegt 
unter  dem  massigen  rechten  Leberlappen,  ist  mit  Duodenum  und  Netz 
verwachsen.  Im  Hals  ein  haselnussgrosser  rauher  Stein.  Trübe  Galle. 
Ectomie  leicht.  3  Suturen  an  der  art.  cystica.  Appendix  wird  revidiert, 
weil  am  Coecum  Verwachsungen  gefunden  werden,  wird  aber  gesund 
gefunden  und  in  Ruhe  gelassen.  Hepatopexie  mit  1  Sutur.  Tamponade 
mit  2  Tampons.  Bauchwandnaht.  Sehr  gute  Chloroform  -  SauerstofiF- 
narkose  (30  gr.).     Dauer  der  Operation  35  Min. 

Verlauf:  7.  11.  03.  Temp.  normal,  abends  2  mal  Erbrechen  von 
etwas  stinkender  Galle  und  Thee.  Nachts  Magenspülung,  ergibt  viel 
Galle  und  stinkende  Flüssigkeit  (Thee)  im  Magen.    Puls  72-  80. 

8.  11.  03.  Befinden  heute  erheblich  besser.  Etwas  Aufstossen, 
keine  Übelkeit,  kein  Erbrechen.  Einmal  Magenspülung,  im  Magen 
nur  Spuren  von  Galle,     Blähungen  gehen    nach  Spritze.      Puls  72-80. 

9.  11.  03.    Befinden  gut.     Kein  Aufstossen,  keine  Übelkeit. 

11.  11.  03.     Führt  ab. 

17.  11.  03.  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten.  Entfernung 
einiger  Nähte  aus  dam  untern  Wundteile. 

20.  11.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons,  des 
Drahtes  und  sämtlicher  Nähte.    Wundlrichter  sehr  eng. 

24.  11.  03.    Sieht  auf. 

3.  12.  03.    Letzter  langer  Fadeu  entfernt,  sass  sehr  fest, 

5.  12.  03.    Keine  Tamponade  des  sehr  engen  Wundtrichters  mehr. 

7.  12.  03.    Etwas  Galle  im  Verband. 

8.  12.  03.    Galle  läuft  reichlicher. 

10.  12.  03.  Yerbaud  3  Tage  trocken.  Es  läuft  keine  Galle  mehr. 
Wundtrichter  völlig  geschlossen. 

12.  12.  03.  Pat.  wird  mit  kleiner  granulierender  Wunde  geheilt 
entlassen. 

Das  pathologische  Institut  Marburg  schreibt  uns  über  die  Gallen- 
blase folgendes : 

Die  Gallenblase   ist  an   ihrer  Innenfläche  grünlich  gefärbt,   zeigt 

aber  sonst  makroskopisch  die  normale  Zeichnung  der  Schleimhaut.    Es 

besteht  auch  keine  Verdickung  der  Wand.    Mikroskopisch   findet  sich 

ebenfalls  eine  ganz  normale  Schleimhaut,   wenigstens   an   den   unter- 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  0 


—     66     — 

suchten  Stellen.  Das  Epithel  ist  hoch  cylindrisch ,  zeigt  vielfach  in 
den  freien  Zellhälften  körnige  bezw.  körnig-fädige  Einlagerungen,  die 
mit  Hämatoxylin  die  Schleimreaktion  geben.  Ausserdem  sind  die 
Zellen  sehr  reichlich  von  Fettkörnchen  durchsetzt,  auch  finden  sich 
viele  Fettkörnchen  in  den  Bindegewebszellen  der  Schleimhaut. 

Epicrise:  Der  Befund  war  so,  dass  schon  die  gesenkte 
Leber  und  das  Vorhandensein  der  Verwachsungen  die  Beschwer- 
den erklärten.  Der  Stein  war  ein  vplliger  Nebenbefund.  Die 
Verwachsungen  am  Cysticus  knicken  den  Gang  ab,  machen 
Stauung  in  der  Gallenblase  und  die  chronische  Entzündung 
lässt  die  Fat.  nicht  zur  Ruhe  kommen.  Sonst  bot  die  Operation 
keine  Besonderheiten.  JVachdem  der  letzte  Faden  entfernt 
war,  stellte  sich  Gallenfluss  —  wahrscheinlich  aus  dem 
wiedergeöff'neten  Cysticus  —  ein,  aber  schon  nach  wenigen 
Tagen  sistierte  der  Gallenfluss  und  die  AVunde  heilte  rasch  zu. 

Nr.  35,     M.  M.,  26  j.  Postassistent  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  15.  10.  1901. 

Operiert:  17.  10.  1901.     Ectomie. 

Entlassen:  23.  11.   1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Vater  an  Blutsturz  gestorben.  Mutter  leidet  an 
Gallensteinen. 

Fat.  selbst  war  früher  immer  gesund. 

Im  Oktober  1900  bekam  er  aus  voller  Gesundheit  heraus  einen 
Anfall  von  Schmerzen  im  Rücken,  welche  dann  um  den  ganzen  Leib 
zogen,  wie  ein  Panzer.  Der  Anfall  dauerte  von  Spätnachmittags  bis 
nachts  um  2  Uhr  und  endete  mit  Erbrechen.  Ein  zweiter  Anfall  kam 
8  Tage  später  und  dauerte  einige  Stunden. 

Im  ganzen  hat  Fat.  seitdem  10  Anfälle  gehabt,  welche  alle  in 
gleicher  Weise  verliefen. 

Im  Mai  dieses  Jahres  trat  ein  sehr  heftiger  Anfall  auf.  Herr 
Sanitätsrat  N  e  b  e  1  ung  diagnostizierte  Magengeschwür  und  verord- 
nete Milchdiät. 

Anfang  Juni,  kurz  nach  Beginn  der  Milchkur,  welche  Fat.  zu 
Hause  durchmachen  wollte,  trat  ein  erneuter  Anfall  auf.  Hier  wurde 
Fat.  zum  ersten  Male  iktorisch.  Der  Urin  war  bierbraun,  der  Stuhl 
longelb  (Milclistuhl?).    Die  Gelbfärbung  der  Haut  hielt  8  Tage  an. 

Ein  nächster  Anfall  folgte  am  2.  Oktober  dieses  Jahres;  zwei- 
tägiger Ikterus. 

Seitdem  Ruhe. 

In  den  Zwischenpausen  zwischen  den  AnföUen  war  Fat.  nie  ganz 
wohl.  Er  hatte  stets  angehaltenen  Stuhl,  nach  Diätfehlern  Magenbe- 
schwerden, Völlegefühl  nach  Speisenaufnahme. 

Fat.  kam  Anfang  Oktober  während  des  Anfalls  hier  zur  Unter- 
suchung :   damals   wurde  von  einer  Operation   abgesehen,   eine  Karls- 


—     67     — 

bader  Kur,  heisse  Umschläge  (Thermophor)  etc.  verordnet.  Da  aber 
keine  Latenz  eintrat  und  Pat.  fortwährend  Beschwerden  hat,  so  kommt 
er  zur  Operation. 

Befund:  Schlanker  Mann.  Spur  von  Ikterus.  Herz  und  Lungen 
gesund.  Leber  etwas  vergrössert.  Urin  frei.  Gallenblasengegend  etwas 
druckempfindlich. 

Diagnose:  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  17.  10.  1901.  Wellenschnitt.  Gallenblase  langge- 
streckt, ohne  Verwachsungen,  leer,  im  Hals  ein  haselnussgrosser  Stein. 
Ectomie.  Gallenblase  ohne  Flüssigkeit,  enthält  einen  Klumpen  zäher, 
dicker  Galle.  Wandungen  ödematös,  besonders  da,  wo  der  Stein  liegt. 
Choledochus  frei,    Cysticus  sehr  eng.     Dauer  der  Operation  V^  Stunde. 

Verlauf:  17.  10.    Abends  87,3.    Puls  84. 

18.  10.  1901.    37,7.    Puls  88.    38,6.    Puls  96. 

Nachmittags  etwas  Aufstossen,  kein  Erbrechen.  Abends  7  Uhr 
ganz  wenig  gallige  Massen  erbrochen.  Um  8  Uhr  Magenspülung.  Da- 
jbei  entleert  sich  eine  ziemliche  Menge  schwarzer,  kafteesatzähnlieker 
Massen.     10  Uhr  Kochsalzinfusion. 

19.  10.  38,6.  Puls  88.  37,1.  Puls  84.  Morgens  Kochsalz- 
infusion, Magenspülung  (5  Uhr).  Wieder  Blut  im  Magen.  Um  12  Uhr 
nochmals  Magenspülung.  Der  Magen  ist  frei  von  Blut.  Nochmals 
Kochsalz.  Ebenso  nachmittags  6  Uhr.  Da  Pat.  kein  Blut  mehr  im 
Magen  hatte,  Aufstossen  sich  nicht  mehr  einstellte,  wird  von  weiteren 
^Spülungen  abgesehen. 

30.  10.  Fieberfreier  Verlauf.  Verbandwechsel.  Tamponade  ge- 
wechselt. Einige  Fäden  bleiben  noch  liegen.  Ebenso  die  Nähte 
■der  Hautwunde. 

4.  11.    Sämtliche  Nähte  entfernt.    Tamponade  gewechselt. 

10.  11.     Die  Wunde  wird  immer  kleiner. 

23.  11.  Die  Wunde  ist  fest  geschlossen.  Pat.  wird  im  besten 
Befinden  entlassen. 

Epicrise:  Der  Ikterus  ist  so  zu  erklären,  dass  durch 
-den  Reiz  der  Steine  ijji  Hals  der  Gallenblase  eine  ödematöse 
Schwellung  hier  eintrat,  die  sich  auf  das  lig.  hepatoduodenale 
fortsetzte  und  den  Gallenabfluss  hinderte.  Dass  ein  Stein  in 
4en  Choledochus  getreten  ist,  ist  sehr  unwahrscheinlich. 

Auch  hier  trat  das  „schwarze  Erbrechen"  auf,  doch  ging 
^s  nach  einigen  Magenspülungen  schnell  zurück.  — 

^iV'  36.     F.  G.,  29  j.  Hoteliersfrau  aus  Gossensass  am  Brenner 
(Tirol). 

Aufgen.:  9.  10.  1902. 
Operiert:  11.  10.  1902.     Ectomie. 
Entlassen:  20.  11.  1902.     Geheilt. 
Anamnese:    Pat.   war   früher   gesund.     Vor   ca.   6   Jahren    im 
1.  Wochenbett  hatte  sie  zum  1.  Male  einen  Magenkrampf,  Schmerzen, 

5* 


—     68     — 

die  unter  dem  rechten  Rippenbogen  begannen  und  beiderseits  um  die- 
Taille  und  zum  Rücken  bis  zwischen  die  Schulterblätter  ausstrahlten, 
ein  beengendes  atemraubendes  Gefühl,  dabei  Fieber,  Erbrechen,  keinen 
Ikterus.      Die  Anfälle  wiederholten  sich  in  wechselnden  Pausen. 

Vor  ca.  4  Jahren  im  3.  Wochenbett  kamen  sie  sehr  häufig  und 
stark,  dann  Hess  ihre  Intensität  nach,  Erbrechen  ist  seitdem  nicht  mehr 
aufgetreten. 

Jetzt  kommen  sie  in  Pausen  von  2—3  Mon.  Der  letzte  Anfall 
war  vor  7  Wochen. 

Die  Diagnose  wurde  bald  auf  Gallensteine,  bald  auf  nervöse  Be- 
schwerden, Wanderniere  imd  gynäkol.  Leiden  gestellt.  Herr  Oberstabs- 
arzt a.  D.  Dr.  Mahn  er-Mons -Erfurt,  der  im  Sommer  in  Gossensass 
war,  riet  ihr,  hierher  zu  kommen.  Pat.  war  1899  und  1901  in  Karls- 
bad, 1900  machte  sie  zu  Hause  eine  Karlsbader  Kur  durch. 

Befund:  Schlanke  Frau  in  gutem  Ernährungszustande.  Kein 
Ikterus.  Herz  und  Lungen  gesund.  Leib  weich,  flach.  In  der  Gallenblasen- 
gegend fühlt  man  einen  rundlichen,  etwas  druckempfindlichen  Tunior^ 
wahrscheinlich  den  über   der   Gallenblase   ausgezogenen  Leberlappen. 

Diagnose:  Recidiv.     Cholecystitis  calculosa, 

Operation:  W^ellenschnitt.  Gallenblase  gross,  nicht  verwachsen,, 
enthält  viele  kleine  und  3  grössere  Steine;  mehrere  Steine  im  aus- 
gebuchteten Hals  der  Gallenblase.  Ectomie.  Keiue  Unterbindung  au 
der  art.  cystica  nötig;  (sehw.ache  Entwicklung  derselben).  Choledochus 
frei.  Dauer  der  Ectomie  10,  die  der  ganzen  Operation  20  Min.  Gute 
Chloroformnarkose.  Galleublase,  wenig  verändert,  zeigt  geringe  Spuren 
chronischer  Entzündung. 

Verlauf:  Ganz  normal. 

20.  11.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Die  Pat.,  Frau  eines  Hoteliers,  hatte  in  Karls- 
bad keine  Heilung  gefunden,  und  da  sie  in  ihrem  Haushalt 
nicht  mehr  tätig  sein  konnte,  entschloss  sie  sich  zur  Operation. 
Die  Diagnose  wurde,  da  Ikterus  fehlte,  von  vielen  Ärzten  nicht 
gestellt. 

Nr.  87.  A.  D.,  31j.   Kaufinannsfrau  aus  Quedlinburg. 

Aufgen.:   18.  4.  1903. 

Operiert:  20.  4.  1903.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen:  24.  5.  1903.  Geheilt. 
Anamnese:  Die  Mutter  der  Pat.  hat  an  Gallensteinen  gelitten. 
Vor  8  Jahren  während  der  ersten  Schwangerschaft  bekam  Pat.  häufige, 
einige  Stunden  bis  mehrere  Tage  dauernde  Anfälle  von  Druckgefühl 
und  Schmerzen  (jedoch  nicht  kolikartig)  in  der  Lebergegond  und  der 
Gegend  der  Magengrube.  Kein  Erbrechen,  kein  Fieber,  keine  Gelbsucht. 
Diese  Anfälle  stellten  sich  auch  weiterhin  alle  4—6  Wochen  in 
ganz  gleicher  Art  ein.  In  den  anfallsfreien  Zeiten  fühlte  sich  Pat- 
völlig wohl. 


—     69     — 

Während  der  zweiten  Schwangerschaft  vor  2  Jahren  blieben  die 
Anfälle  gänzlich  fort.  Etwa  3—4  Monate  nach  der  Geburt  des  zweiten 
Kindes  traten  die  früheren  Anfälle  in  ganz  gleicher  Art  wieder  auf 
und  stellten  sich  dann  weiterhin  alle  4  Wochen  bis  jetzt  wieder  ein 
und  zwar  regelmässig  kurz  vor  oder  nach  der  Periode.  Vor  Weih- 
nachten 1902  bemerkt  Pat.  eine  allmählich  sich  vergrössernde  Ge- 
schwulst in  der  rechten  Seite  des  Leibes,  die  sich  leicht  nach  allen 
Seiten  hin  verschieben  Hess  und  ärztlicherseits  zunächst  als  der  Bauch-, 
muskulatur  angehörig  angesehen  wurde.  Die  Geschwulst  ist  etwas 
druckempfindlich,  macht  spontan  nur  Schmerzen  beim  Gehen,  wenn 
das  Kleid  darauf  drückt.'  Sonst  fühlt  sich  Pat.  völlig  wohl.  Erbrechen, 
Fieber,  Gelbsucht  ist  nie  vorhanden  gewesen. 

Da  die  Geschwulst  sich  vergrösserte,  sendet  uns  Herr  Dr.  Stro- 
korb-Quedlinburg  die  Pat.  zu. 

Befund:  Grosser  Tumor  im  rechten  Hypochondrium,  der  sich 
nach  allen  Seiten  besonders  medial  leicht  verschieben  lässt.  Er  steigt 
init  der  Atmung  in  die  Tiefe.  Bei  Reposition  kommt  er  immer  wieder 
an  die  Oberfläche.  Nach  Ricinus  ist  der  Tumor  entschieden  kleiner 
geworden.    Er  ist  wenig  empfindlich. 

Diagnose:  Hydrops  vesicae  felleae. 

Operation:  20.4.03.  Im  Beisein  der  Herren  Dr.  Rennebaum- 
Halberstadt  und  Dr.  Schilling-  Nürnberg.  Der  Tumor  ist  die  hydropische 
Gallenblase.  Sie  enthält  im  Hals  6  haselnussgrosse  Steine.  Ectomie 
.nach  Aspiration  von  serös-schleimiger  Flüssigkeit.  Keine  Adhäsionen. 
Gallenblase  ist  wandverdickt,  Schleimhaut  stark  ulceriert.  Hepatopexie 
mit  zwei  Suturen  (Draht).  Dauer  der  Operation  35  Min.,  der  Narkose 
50  Min.  (35  gr.  Chloroform).  Gute  Sauerstoff-Chloroform-Narkose.  Tampo- 
nade.    Verband, 

Verlauf:  20.  4.  03.  Temp.  abends  37,3,  Puls  60.  Befinden  gut. 
Kein  Erbrechen,  wenig  Aufstossen. 

21.  4.  OB.  Temp.  morgens  37,5,  abends  37,5.  Puls  100.  Mehrmals 
(3  mal)  reichlich  Galle  gebrochen.  Magenspülung,  viel  Galle  im 
Magen.    Nachher  Ruhe..,  Blähungen  gehen  noch  nicht. 

22.  4.  03.  Morgens  Temp.  37,6.  Hente  früh  6  Uhr  Erbrechen  grosser 
Meugen  grüner  Galle.  Magenspülung,  im  Magen  viel  grüne  Galle. 
Pat.  sieht  sehr  schwach  und  elend  aus.  Puls  sehr  klein,  120—130. 
Kochsalzinfusion.  Blähungen  gehen  nach  Rohr.  Den  Tag  über  kein 
Erbrechen  mehr.  Mittags  Magenspülung,  im  Magen  noch  ziemlich  viel 
Oalle,  jedoch  weniger  als  heute  früh.     Kochsalzinfusion. 

Temp.  nachmittags  37,6.  Puls  120,  noch  klein,  jedoch  kräftiger 
als  in  der  Frühe.  Pat.  sieht  wohler  und  munterer  aus.  Zunge  etwas 
irocken.  Leib  weich.  Blähungen  gehen  wieder  nur  vereinzelt.  Koch- 
salzinfusion. 

23.  4.  03.  Temp.  morgens  37,6.  Puls  120,  etwas  kräftiger.  In  der 
Nacht  kein  Erbrechen,  doch  Gefühl  von  Völle  im  Magen.  Daher  nachts 
Magenspülung,  die  eine  Spur  Galle  ergibt.  Pat.  sieht  heute  früh 
Avesentlich  munterer  und  wohler  aus,  ist  nicht  mehr  so  matt.  Blähungen 
gehen. 


—     70     — 

Vormittags  niehrmals  wieder  galliges  Erbreclien.  Magcnspiilnng^ 
viel  Gralle  iui  Magen.  Darauf  Lagerung  auf  die  rechte  Seite,  darnach 
kein  Erbrechen  mehr,  etwas  Aufstossen.    Temp.  abends  37,7.   Puls  116. 

24.  4.  03.  Temp.  normal.  Kein  Erbrechen  mehr  seit  gestern 
Mittag.  Puls  100,  bräftig.  Pat.  liegt  dauernd  auf  der  rechten  Seite, 
sieht  sehr  gut  aus,  ist  frischer.  Nachmittags  etwas  Klagen  über  Völle 
im  Leib. 

25.  4.  03.  Befinden  gut,  keine  Klagen.  Kein  Erbrechen,  kein 
Aufstossen.     Führt  ab,  reichlich  Stuhl. 

4.  5.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tam- 
pons, die  ziemlich  locker  sitzen,  sämtlicher  Nähte  und  einzelner  langer 
Fäden  und  des  Hepatopexie-Drahtes.  Wunde  sieht  gut  aus.  Tampo- 
nade.   Verband. 

24.  5.  03.  Pat.  wird,  nachdem  5  Verbandwechsel  noch  nötig 
waren,  mit  kleiner  granulierender  oberflächlicher  Wunde  entlassen. 

Epicrise:  Lieblein  hat  in  der  Münch.  med.  Wochenschr. 
1903  Nr.  15  eine  Arbeit  über  abnorme  Beweglichkeit  der  Steine 
führenden  Gallenblase  veröffentlicht.  Solche  Fälle  habe  ich 
sehr  oft  gesehen,  auch  dieser  Fall  war  ein  solcher.  Die 
Diagnose  ist  in  der  Tat  nicht  leicht,  wer  aber  viel  mit  Galleii- 
steinkranken  zu  tun  hat,  wird  sich  selten  irren.  Es  war 
interessant,  dass  in  der  Narkose  der  Tumor  ganz  medial 
versclioben  werden  konnte>  sieh  zwisclien  Bauch  wand  und 
Omentum  minus  einklemmte  und  so  bei  der  Operation  an- 
getroffen wurde. 

Nr.  38.     A.  W.,  30j.  Wirtschafterin  aus  Kusey  bei  Clötze. 

Aufgen.:  11.  4.  1903. 

Operiert:  13.  4.  1903.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen:  29.  5.  1903.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  war  früher  stets  gesund.  Vor  etwa  2'/«  Jahre» 
bekam  sie  Magendrücken,  welches  unabhängig  von  Speisenaufnahme 
und  sonstigen  äusseren  Umständen  die  Pat.  fast  ununterbrochen  be- 
lästigte. Im  Januar  vor  2  Jahren  trat  zum  erstenmale  eine  sehr 
heftige  typische  Kolik  auf.  Pat.  lag  damals  14  Tage  zu  Bett.  Seit- 
dem hat  sie  alle  14  Tage  bis  4  Wochen  eine  Kolik,  ist  jedoch  auch 
in  der  Zwischenzeit  nie  ohne  ein  dumpfes  Druckgefühl  in  der  Gallen- 
blasengegend.  Sie  hat  eine  ganze  Reihe  von  Mitteln  angewendet. 
Eine  Neuenahrerkur  zu  Hause  und  eine  in  Neuenahr  selbst  wnron 
ebenso  erfolglos  wie  eine  Ölkur.  Bei  der  letzteren  sollen  über  70 
weiche  (1  !)  Steine  abgegangen  sein,  die  Koliken  bestanden  aber  nach 
wie  vor.  Da  der  Zustand  seit  2  Jahren  ohne  Unterbrechung  derselho 
ist,  Pat.  durch  die  fortwährenden  Schmerzen  uud  durch  die  Behinderung 
der  Nahrungsaufnahme  bei  den  häufigen  Koliken  sehr  herunterkommt, 
entschliesst   sie   sich    zur    Operation.     Pat.    hat   häufig    während    der 


—     71     — 

Anfälle  Morphium  subkutan  bekommen.  Herr  Dr.  Rom  mel-Clötze 
schickt  die  Pat.  zur  Operation. 

Befund:  Resistenz  der  Gallenblasengegend.  Sehr  starke  Druck- 
emplindlichkeit.     Kein  Schmerz,  keine  Lebervergrösserung.    Urin  frei. 

Diagnose:  Cholecystitis  chron.  (wahrscheinlich  Hydrops). 

Operation:  13.  4.  03.  Wellenschnitt.  Bauchdecken  sehr  straff. 
Schlechte  Chloroformnarkose.  Gallenblase  ist  geschrumpft,  liegt  hoch, 
unter  Leber  und  Rippenbogen ,  kaum  erreichbar.  Verwachsungen 
zwischen  Netz  und  Gallenblase.  Hals  der  Gallenblase  sehr  ansge- 
buchtet,  erstreckt  sicli  nach  oben  bis  unterhalb  des  Choledochus.  In 
der  Gallenblase  Elter;  er  ist  aber  so  dick,  dass  er  nicht  aspiriert 
werden  kann.  Leberpartie  über  der  Gallenblase  narbig,  wird  mit 
Kleniuizange  gefasjst  und  nach  oben  gezogen.  Lig.  teres  wird  durch- 
schnitten, um  die  Leber  beweglich  zu  machen;  hilft  nicht  yiel.  Bei 
Ablösung  der  Gallenblase  vom  Leberbett  reisst  dieselbe  mehrere  Male 
ein,  es  tritt  Eiter  in  die  untergelegten  Tupfer.  Im  Foramen  Winslowii 
liegt  kein  Tupfer,  dorthingelangter  Eiter  wird  fortgetupft.  Excision  der 
Gallenblase  ist  sehr  mühsam.  Gefässe  liegen  hoch,  werden  unterbunden, 
ductus  cysticus  ebenso.  Choledochus  frei,  es  läuft  klare  Galle  ab. 
Hepatopexie  mit  2  Sutui-en.  8  Tampons.  Naht.  Dauer  70  Min.  Gallen- 
blase chronisch  entzündet,  enthält  dicken,  gelben  Eiter  und  viele  er- 
weichte Steine.  Die  Schleimhaut  ist  im  Fundus  papillomatös  entartet, 
ein  Divertikel  am  Fundus. 

Verlauf:  Anfangs  gut. 

16.  4.  03.  Ziemlich  reichlicher  Husten  und  Auswurf.  Atmung 
etwas  beschleunigt.  Rechts  hinten  unten  pneumonischer  Herd  nach- 
weisbar. 

24.  4.  03.     37,5—37,8.     Husten  und  Auswurf  nur  gering. 

27.  4.  03.  Temp.  dauernd  normal.  Kaum  noch  Husten  und  Aus- 
wurf. 1.  Verbandwedisel.  Entfernung  der  Tampons,  die  ziemlich 
locker  sitzen,  nicht  riechen,  der  Nähte,  sowie  der  Hepatopexiedrähte 
und  einzelner  lauger  Fäden.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Tamponado. 
Verband.    Wundtrichter  •sehr  tief  und  eng. 

30.  4.  03.  2.  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Restes  der  langen 
Fäden.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  In  der  Nacht  ist  reichlich  Gallo 
gelaufen,  sodass  Verband  heute  durchtränkt  war.  Tamponade.  Verband. 

9.  5.  03.  Verbandwechsel.  Sekretion  nur  noch  gering.  Wund- 
trichter wird  deutlich  enger.     Kein  Husten  und  Auswurf. 

22.  5.  03.  Sekretion  sehr  gering.  Wundtrichter  sehr  eng,  weniger 
tief.    Befinden  dauernd  gut. 

29.5.03.  Pat.  wird  mit  kleiner,  granulierender,  oberflächlicher 
W'inde  entlassen. 

Epicrise:  Das  Empj'^em  der  Gallenblase  war  nicht  zu  dia- 
gnostizieren, die  Operation  war  sehr  schwierig;  die  Steine  waren 
erweicht  (unter  dem  Einfluss  des  Eiters?)  Es  war  gut,  dass  die 
Gallenblase  entfernt  wurde,  denn  die  Schleimhaut  war  papillomatös 
entartet.    Eine  C^'stostomie  hätte  nichts  genützt. 


—     72     — 

Nr.  39.  L.  H.,  38  j.  Land  wir  tsfrau  aus  Burgstaden. 

Aufgen.:  4.  2.  1903. 

Operiert:  7.  2.   1903.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen.  15.  3.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Vor  18  Jahren  im  Wochenbett  nach  Geburt  ihres 
zweiten  Kindes  bekam  Pat.  mehrmals  leichtere  Anfälle  von  drückenden 
Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube,  die  aber  bald  wieder 
vorübergingen.     Dann  war  Pat.  wieder  frei  von  diesen  Anfällen. 

Vor  7  Jahren  traten  jedoch  diese  Anfälle  von  neuem  auf.  Die 
Schmerzen  waren  erst  drückend  und  wurden  immer  heftiger  und 
krampfartiger.  Sie  zogen  von  der  Mitte  des  Leibes,  der  Gegend  der 
Magengrube,  nach  beiden  Seiten  hin  zum  Rücken  und  strahlten  auch 
nach  oben,  der  Brust  hinauf,  aus.  Zugleich  bestanden  auch  starke 
Kopfschmerzen.  Die  Anfälle  dauerten  '/*"'/«  Tag  lang.  Pat.  war 
jedoch  meist  längere  Zeit,  bis  zu  V*  Jahr,  frei  von  Anfällen. 

Vor  2  Jahren,  nachdem  Pat.  im  November  1900  eine  Fehlgeburt 
überstanden,  trat  im  Januar  1901  ein  sehr  heftiger  Anfall  auf  und  es 
stellte  sich  dabei  Erbrechen  ein.  Der  Anfall  dauerte  länger  und  Pat. 
wurde  damals  zum  erstenmal  wegen  Gallensteinkolik  ärztlich  behandelt. 
Darauf  im  September  1901  neuer  Anfall,  dann  Ostern  1902,  darauf 
August/September  1902  während  drei  Wochen  mehrere  Anfälle,  im 
Dezember  1902  leichter  Anfall.  Endlich  vor  14  Tagen  äusserst  heftiger 
Anfall  mit  Erbrechen,  der  1'/«  Tag  dauerte,  darnach  noch  3  leichtere 
Anfälle,  der  letzte  vor  4  Tagen. 

Fieber  hat  angeblich  nicht  bestanden,  auch  kann  Pat.  nicht  an- 
geben, ob  sie  bei  den  Anfällen  gelb  gewesen.  Nach  Gallensteinen  im 
Stuhl  ist  nicht  gesucht  worden.  In  den  anfallsfreien  Zeiten  ist  Pat. 
frei  von  Beschwerden  gewesen,  nur  in  den  letzten  14  Tagen  hat  sie 
dauernd  etwas  Druekgefühl  in  der  Lebergegend  gehabt.  Pat.  wird 
von  Herrn  Dr.  Radeoke-Lauchstedt  zugesandt. 

Befund:  Leib  ziemlich  weich.  Typische  und  ziemlich  starke 
Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend.  In  der  Tiefe  ein  rund- 
licher Tumor  zu  tasten.  Keine  Gelbsucht.  Herz  und  Lunge  gesund. 
Urin  frei. 

Diagnose:   Entzündlicher  Hydrops  der  Gallenblase. 

Operation:  7.  2.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  liegt  tief  unter 
Netz  verwachsen,  enthält  im  Hals  einen  walnussgrossen  Stein,  der 
sich  leicht  in  den  Fundus  schieben  lässt.  Aspiration  des  wässrig- 
trUben  Inhalts.  Extraktion.  Ectomie.  Die  Gallenblase  wird  bis  zum 
Choledoclins  isoliert  und  rcisst  bei  stärkerem  Anziehen  diclit  am  Cliole- 
doch  US  ab.  Die  Gallenblase  ist  stark  entzündet  und  enthält  im  Hals  ein  de- 
kubitales  Ulcus  mit  aufgeworfenen  Rändern.  Cysticusschleimhaut  sehr 
zart  und  normal,  scharf  gegen  die  hochgradig  entzündete  Schleimhaut 
der  Gallenblase  abgegrenzt.  Unterbindung  des  Cysticus.  Tamponade 
mit  2  Streifen.    Hepatopexie.    Dauer  der  Operation  '/»  Stunde. 

Verlauf:  Gut. 


—     73     — 

21.  2.  03.  1.  Verbandwechsel.  Entfernung  sämtlicher  Tampons, 
Nähte  und  einzelner  Fäden.     Wunde  sieht  gut  und  rein  aus. 

25.  2.  03.  2.  Verbandwechsel.  Am  Tampon  etwas  klare  Galle, 
sehr  reichliche  Sekretion.    Letzte  Fäden  entfernt. 

27.  2.  03.  3.  Verbandwechsel.  Es  läuft  reichlich  klare,  goldgelbe 
Pralle.    Verband  stark  diirchträukt. 

28.  2.  03.    Steht  auf. 

8.  3.  03.  Verbandwechsel.  Spur  Galle  im  Verband.  Wunde  ver- 
kleinert sich  schnell  von  der  Tiefe  aus. 

15.  3.  03.  Keine  Galle  im  Verband.  W^unde  hat  sich  erheblich 
verkleinert.    Pat.  wird  nach  Hause  entlassen. 

lJI;er  den  Befund  an  der  Gallenblase  teilt  uns  das  path.  Institut 
in  Gö  tingen  folgendes  mit: 

Die  8  cm  lange  Gallenblase  hat  eine  braunrote,  unregelmässig 
netzförmig  gezeichnete,  derb  anzufühlende  Innenfläche,  die  in  der  Fundus- 
gegend im  Umfang  einer  Haselnuss  eine  leichte  Ausstülpung  zeigt.  Am 
Übergang  des  Corpus  zum  Collum  erscheint  die  Schleimhaut  gut  er- 
halten und  wenig  pigmentiert,  während  sich  in  der  Mitte  des  Blasen- 
halses, woselbst  die  Wandung  eine  Gesamtdicke  bis  zu  7  mm  erreicht, 
an  2  einander  gegenüberliegenden  Stelion  2  schwarzbraun  gefärbte 
Ulcerationen  von  ca.  Erbsengrösse  finden.  Überall  ist  das  die  eigent- 
liche Gallenblasenwand  umgebende  Bindegewebe  stark  ödematös  ge- 
quollen. 

An  den  untersuchten  Schnitten  vom  Blasenhals  lassen  sich 
Nekrosen  der  Schleimhaut  umschriebener  Art  u.  z.  T.  tiefgehende 
zellige  Infiltration  im  Verlauf  der  Lymphgefässe  konstatieren. 

Im  Fundusteil  fanden  sich  die  gleichen  Veränderungen ,  jedoch 
leichterer  Art. 

Epicrise:  Keine  Gelbsucht,  weil  der  Prozess  sich  ledig-- 
lich  in  der  Grallenblase  abspielte.  Da  die  Cysticusschleirahaut 
resp.  die  des  Gallenblasenhalses  durch  ein  Ulcus  sehr  verdünnt 
war,  riss  die  GallenWase  bei  der  Operation  ab.  Die  ab- 
schliessende Ligatur  hatte  sich  mit  der  Zeit  gelockert,  so- 
dass eine  Gallenfistel  entstand,  die  sich  aber  wieder  schioss. 

Nr.  4().     A.  H.,  51  j.  Schlossermeistersfrau  aus  Gardelegen. 

Aufgen.:   12.   1.  1904. 

Operiert:  14.  1.  1904.     Ectomie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  24.  2.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  kommt  auf  Anraten  des  Herrn  Dr.  Butschkus- 
Gardelegen   zur  Untersuchung.     Mutter  ist  an  Leberkrebs   gestorben; 
Pat.  hat   2  gesunde  Kinder,   3  sind   gestorben.       Vor    einigen  Jahren 
hatte  Pat.  Blasen-  und  Nierenkatarrh. 

Vor  17  Jahren  hatte  Pat.  zum  eisten  Mal  Gallensteinkrämpfe, 
die  vom  Magen  nach  dem  Rücken  ausstrahlten,  Pat.  bekam  Morphium- 


—     74     — 

tropfen.  Pat.  wurde  gelb,  hatte  dunkeln  Urin,  Farbe  des  Stuhles 
nicht  bekannt.  Im  selben  Jahre  noch  etwa  2—3  Anfälle;  dann  war 
Pat.  lange  gesund.  Vor  2  Jahren  begannen  wieder  Schmerzen  in  der 
Lebergegend,  diesmal  nicht  kolikartig,  mehr  andauernd.  Seitdem 
häufige  Übelkeit,  kein  Erbrechen,  aber  starke  Salivation  und  Hoch- 
würgen von  wässeriger  ii'lüs&igkeit.  Stuhlgang  ist  immer  etwas  an- 
gehalten. Die  Schmerzen  pausieren  zuweilen  '/*  Jahr,  dann  treten  sie 
wieder  aut.  Zur  Zeit  hat  Pat.  seit  etwa  4  Wochen  wieder  die  Schmer- 
zen, nicht  allzuschlimm,  aber  doch  psychisch  stark  deprimierend.  Pat. 
wurde  mit  Ölkuren,  warmen  Umschlägen  und  Karlsbader  Wasser 
zu  Hause  behandelt,  hat  seit  etwa  '/«  Jahre  ca.  30  Pfund  an  Gewicht 
abgenommen. 

Vorher :  Einmal  Ikterus  ( ? ) ,  keine  Leberschwelluhg,  aber  Gallen- 
blasentumor. Bei  Aufnahme:  Kein  Ikterus,  keine  Lebersehwellung, 
schmerzhafter  Gallenblasentumor. 

Befund:  Anämische,  elende  Frau.  Kein  Ikterus,  Urin  frei. 
Leber  normal,  grosser  schmerzhafter  Gallenblasentumor. 

Diagnose:  Hydrops  der  Gallenblase;  Carcinom  nicht  völlig 
auszuschliessen. 

Operation:  14.  1.04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (30 gr.) 
Wellenschnitt.  Gallenblase  kinükopfgross,  lose  mit  Netz  und  Duodenum 
verwachsen,  enthält  klare,  wasserhelle  Flüssigkeit.  Im  Cysticus  fest- 
sitzend ein  haselnussgrosser  Stein.  Ectomie  nach  Aspiration.  Gallen- 
blasenwand verdünnt,  gallenblasenwärts  der  Cysticus,  wo  der  Stein 
sitzt,  narbig,  choledochuswärts  glatt,  Hepatopexie  mit  3  Suturen  (Draht). 
Ein  Tampon.     Naht.     Dauer  der  Operation  28  Min. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase,  die  ca.  50  eckige  Steine  ent- 
hält, ergibt : 

Die  mikroskop.  Untersuchung  verschiedener  Stellen  der  Gallen- 
blasenwand ergibt  das  überraschende  Resultat,  dass  die  Schleimhaut 
überall  fehlt  und  die  noch  deutlich  vorhandene  Muskulatur  nur  noch 
von  einer  dünnen  Bindegewebsschicht  bedeckt  ist.  In  dieser  Binde- 
gewebsschicht  finden  sich  frische  Blutungen  und  zellige  Einlagerungen. 
Das  Protoplasma  dieser  Zellen  ist  mit  Fettkörnchen  dicht  erfüllt. 
Diese  entzündlichen  Zellanhäufungen  ragen  gelegentlich  bis  in  die 
Muskelschicht  hinein.  In  der  Muskulatur  besieht  eine  starke  Zunahme 
der  elastischen  Fasern.  Die  Gefässe  des  Peritonealüberzugs  sind  von 
Zügen  lympathischen  Gewebes  eingeschlossen. 

Verlauf:  15.  1.  Blähungen  gehen  noch  nicht,  Leib  ziemlich 
gespannt  und  aufgetrieben.  Kein  Fieber.  Ziemliche  Unruhe.  Puls 
116—120.  Abends  Magenspülung,  fördert  grössere  Mengen  Thee  und 
Galle  mit  Spuren  von  Blut  zu  Tage. 

16.  1.  Morgens  kommen  die  ersten  Blähungen,  Leib  weicher, 
Pat.  fühlt  sich  wesentlich  erleichtert.  Nachmittags  sistieren  die 
Blähungen  wieder;  Leib  ist  ziemlich  aufgetrieben  und  gespannt.  Urin 
spontan.  Abends  Wein  -  Kognakklystier.  Magenspülung.  Grosse 
Unruhe. 


(O      — 

17.  1.  Mittiigs  beginnen  wieder  Blähungen;  Abends  Leib  weich. 
Fat.  fühlt  sich  wieder  ganz  wohl. 

18.  1.  Kein  Aufstossen  mehr.  Sehr  gutes  Allgemeinbefinden. 
Kräftiger  Puls,  80;  Temperatur  immer  normal. 

19.  1.    Pat.  führt  ab. 

28.  1.  Erster  Verbandwechsel.  Tainpous,  die  zumeist  mit  Galle 
dnrcliträulit  sind,  entferuen  sich  leicht.  Ein  Teil  der  langen  Fäden 
und  der  Drähte  werden  entfernt. 

30.  1.     Entfernen  von  noch  2  Drähten  und  der  Hautnähte. 

5.  2.    Pat.  steht  auf. 

11.  2.  Da  Pat.  schmerzhafte  Venenverhärtung  in  der  linken  Knie- 
kehle bekommt,  bleibt  sie  heute  zu  Bette.  Spiritusumschlag  um  das 
linke  Knie. 

16.  2.  Unter  Spiritusverbänden  sind  die  Schmerzen  in  der  linken 
Kniekehle  verschwunden;  es  sind  bloss  noch  einige  kleine,  nicht  druck- 
empfindliche Knötchen  zu  fühlen. 

17.  2.     Letzte  lange  Fäden  entfernt. 

18.  2.     Pat.  steht  wieder  auf. 

24.2.  Wunde  bis  auf  kleine  Granulation  geheilt.  In  vorzüglichem 
Gesundheitszustande  entlassen. 

Epicrise:  Ein  Fall  von  selten  grossem  Hydrops.  Obwohl 
der  Stein  ganz  fest  im  Anfangsteil  der  Gallenblase  sass,  hatte 
Pat.  augenblicklich  keine  Beschwerden,  da  die  Entzündung 
fehlte.   Inhalt  war  wasserklar. 

Nr.  41.     M.  B.,  37j.  Bäckersfrau  aus  (Groningen. 

Aufgen.:  27.   10.  03. 

Operiert :  29.-  10.  03.     Ectoraie. 

Entlassen :  17.  12. 03.    Mit  Gallenfistel.    Später  geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  sonst  immer  gesund  gewesen;  in  der  Fa- 
milie keine  besonderen  Erkrankungen.  9  Geburten,  6  Kinder  sind  am 
Leben,  Zwillinge  sind  gestorben,  ebenso  ein  in  Narkose  geborenes  Kind 
(Querlage.)  Bei  der  1.  Schwangerschaft  vor  14  Jahren  zum  1.  Male 
Anfälle  von  Magenschmerzen,  die  aber  nur  kurzdauernd  waren.  Die- 
selben pausierten  dann  einige  Jahre,  um  plötzlich  wieder  aufzutreten. 
Vor  8  Wochen  zum  1.  Male  richtiger  Anfall  von  Kolikschmerzen  in 
der  Lebergegend,  die  besonders  nach  dem  Kreuze  ausstrahlten ;  Mor- 
phium wurde  nötig:  Pat.  musste  5  Tage  zu  Bette  liegen;  aber  kein 
Ikterus,  keine  Stuhlentfärbung,  kein  Erbrechen.  Ein  gleicher  Anfall 
vor  14  Tagen,  auch  wieder  5  Tage  lang  bettlägerig;  vorletzter  Anfall 
vor  8  Tagen,  etwas  kürzer,  letzter  Anfall  vor  5  Tagen;  beim  letzten 
soll  der  Urin  dunkelrot  gewesen  sein.  Der  Arzt  Herr  Dr.  Röhrbein 
behandelte  die  Pat.  mit  Morphium,  heissen  Umschlägen  und  Trinken 
von  heissem  Wasser  und  riet  der  Pat.  als  einziges  sicheres  Mittel  zur 
Heilung  die  Operation. 


—     76     — 

Befund:  Kleiner,  aber  sehr  deutlicher  und  schmerzhafter  Tumor 
der  Gallenblase.    Kein  Ikterus.     Leber  normal.    Urin  frei. 

Diagnose:  Abgelaufene  serös-eitrige  Cholecystitis.  Gallenblase 
ist  wenig  gespannt. 

Operation:  29.  10.  03.  In  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Rohr- 
be  in -Groningen  und  Prof.  Dr.  Capald  i-Neapel.  Sehr  gute  Sauer- 
stoff-Chloroformnarkose,  45  gr.  Wellenschnitt.  Gallenblase  massig 
gross,  ist  mit  Netz  verwachsen,  enthält  Steine.  Einer  fest  im  Cys- 
ticus.  Ectomie  ziemlich  schwierig,  wegen  vieler  Verwachsungen  am 
Hals.  Im  Cysticus  ein  Stein  von  Kirschkerngrösse.  Choledochus  an- 
scheinend frei.  Gallenblase  chronisch  entzündet,  enthält  Schleim  und 
Eiter.    Tamponade.    Dauer  der  Operation  35  Min. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  ergibt:  Keine  Erweiterung. 
Schleimhaut  stark  höckrig.  Am  Fundusteü,  ca.  1  Finger  breit 
von  der  Spitze  entfernt,  eine  linsengrosse,  schwärzlich  verfärbte 
Stelle,  die  einer  kleinen  mandelgrossen  Vorwölbung  an  der  Aussenseite 
entspricht.  Auf  dem  Durchschnitte  sieht  man  hier  ein  über  erbsen- 
grosses  vielkammeriges  Divertikel  der  Gallenblase  mit  dem  Lumen  an 
deir  oben  erwähnten  schwärzlichen  Stelle  kommunizierend,  ganz  mit 
kleinen  Figmentkalksteinen  gefüllt. 

Mikroskopisch  findet  sich  in  den  steinerfUllten  Divertikeln  kein 
Epithel,  vielmehr  ist  die  Wand  von  einem  sehr  gefässreichen  Granulations- 
gewebe gebildet,  wie  wir  es  ja  wiederholt  bei  Gallenstauung  in  den 
perforierenden  Schleimhautausbuchtungen  der  Gallenblasenwand  ge- 
funden und  geschildert  haben.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  diese 
Gallenretentionen,  zu  denen  die  zahlreichen,  die  Muskel  wand  perfo- 
rierenden Schleimhautausstülpungen  leicht  Gelegenheit  geben,  durch 
bakteriologische  oder  chemische  Zersetzung  umschriebene  Entzün- 
dungen an  der  Gallenblasenwand  hervorrufen,  wie  es  auch  hier  wieder 
der  Fall  ist,  wodurch  die  klinisch  beobachtete  starke  Schmerzhaftig- 
keit  der  Blase  in  vielen  E'ällen  am  besten  erklärt  würde.  Die  Schleim- 
haut selbst  und  die  Muskulatur  zeigt  nämlich  von  einer  leichten  Hyper- 
trophie abgesehen  keine  stärkeren  entzündlichen  Veränderungen. 
Nur  dort,  wo  am  Blasenhals  Drüsen  die  Muskelwand  durchbrechen, 
finden  sich  stärkere  entzündliche  Zellenanhäufungen. 

Verlauf:  Nach  der  Operation  etwas  Aufstosscn,  kein  Erbrechen. 
Abends  nach  Morphium  gute  Nachtruhe.  Blähungen  kommen  schon 
am  Abend  in  Gang.     Abendtomperatur  37,1. 

30.  10.  38,0—38,0.  Fat.  hat  etwas  Zeichen  von  Bronchitis,  hustet 
zähes,  fade  riechendes  Sputum  aus.  Puls  immer  kräftig,  kaum  beschleunigt. 

31.  10.  37,8.  Bronchitis  noch  nicht  gebessert;  Husten  aber  etwas 
lockerer.  Blähungen  gehen  nach  Spritze.  Abends  6  Uhr  plötzlich  sehr 
starker  kolikartiger  Schmerz  in  dem  rechten  Hypochondrinm,  der  eine 
Morphinmeinspritznng  nötig  macht;  darauf  Erleichterung.    38,5. 

1.  11.  Fat.  hustet  heute  noch  ziemlich  viel.  Verband  mit  Galle 
dnrchtrUnkt;    Entfernen    der    oberflächlichen    Schichten.     Blähungen 


—      77      — 

gehen   gut.     Keine    Schmerzen.     37,8—38,5.      Puls    kräftig ,    zuweilen 
etwas  aussetzend,  120. 

2.  11.  Fat.  hat  die  ganze  Nacht  nicht  gehustet.  Morgens  beginnt 
der  Husten  wieder.  Da  der  Puls  etwas  unregelmässig  und  be- 
schleunigt ist,  erhält  Pat.  Infus,  fol.  digital.    Temp.  38,2—38,4. 

3.  11.  Temp.  38,7—38,4.  Verbandwechsel  der  oberflächlichen 
Schichten,  da  ziemlich  reichlich  Galle  gelaufen  ist.  Heute  deutlicher 
Ikterus.  Über  dem  linken  Unterlappeu  Dämpfung  und  Bronchialatmen, 
rechts  Vesiculäratmen  mit  yerschiedenen  Rasselgeräuschen.  Pat.  führt 
heute  ab,  hat  2  mal  nahezu  weiss  gefärbten  Stuhl.  Digitalis.  Wein. 
Puls  kräftig,  aber  noch  beschleunigt. 

4.  11.  Pat.  hat  nachts  etwas  geschlafen.  Husten  heute  weniger, 
aber  noch  locker.  Keine  Schmerzen  beim  Atmen.  Ikterus  hat  nicht 
zugenommen.    Temp.  37,9—38,8**  C. 

5.  11.  Temp.  38,2— 38,5.  Sputum  etwas  rostbraun  heute,  Digitalis- 
wirkung jetzt  vorhanden ;  Puls  100,  kräftig.  Digitalis  wird  ausgesetzt. 
Appetit  gut,  Schmerzen  wenig.  Da  Verband  durchtränkt,  Wechsel  der 
oberflächlichen  Schichten. 

6.  11.  Temp.  38,2—38,2.  Heute  Husten  fast  verschwunden.  Puls 
kräftig,  100,  noch  unter  Digitaliswirkung.  Ikterus  geringer.  Urin 
etwas  dunkel,  eiweissfrei.  Wechsel  der  oberflächlichen  Verband- 
schichten. 

7.  11.    Temp.  37,7-37,8. 

8.  11.  Heute  Auswurf  wieder  etwas  reichlicher.  Verband  durch- 
tränkt, wird  gewechselt.    38,2—37,7. 

10.  11.  Verbandwechsel.  Entfernen  der  Tampons  und  sämtlicher 
langen  Fäden  und  Hautnähte. 

15.  11.  Temp.  39,0-39,0. 

16.  11.  Pat.  ist  heute' eine  Stunde  ausser  Bett.  Seit  gestern  ziem- 
lich hartnäckiger  Durchfall.  Glühwein.  Opium.  Über  der  Lunge, 
besonders  links,  noch  ziemlich  reichliche  klein-  bis  mittolgrossblasige 
Rasselgeräusche.    Keine  Dämpfung.    38,5—39,2. 

17.11.  38,5-38,7.  Durchfälle  bestehen  noch.  Pat.  erhält  Tannal- 
bin.   Schleimsuppen.    Rotwein. 

18.  11.    37,5—38,7.    Eichelkakao.    Noch  2  mal  heute  Durchfälle. 

19.  11.    37,9-38,4.     Kein  Durchfall  mehr. 

20.  11.  37,3—38,5.  Auswurf  locker,  noch  immer  reichlich.  Lungen- 
befund unverändert. 

23.  IL  Allgemeinbefinden  bedeutend  besser.  Stuhlgang  geformt. 
Appetit  hebt  sich.    Gallensekretion  lässt  etwas  nach. 

15.  12.  Pat.  hat  sich  sehr  gut  erholt.  Verband  heute  zum  1.  Male 
3  Tage  trocken.    Gallenfluss  minimal. 

17.  12.  Pat.  wird  mit  sehr  wenig  absondernder  Gallenflstel  ent- 
lassen.   Kommt  noch  zum  Verbinden  her. 

25.  12.  Pat.  hat  inzwischen  2  typische  Kolikanfälle  (am  21.  und 
23.  12.  03)  gehabt  mit  Ikterus;  Urin  war  dunkel. 


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Heute  Verbandwechsel.  Im  Verband  sehr  wenig  Galle.  Chole- 
dochusstein  vielleicht  bereits  abgegangen  ? 

28.  12.  Keine  Koliken  wieder.  Verband  trocken.  Es  läuft  keine 
Galle  mehr.      In  den  faeces    wird  ein  erbsengrosser  Stein  gefunden. 

1.  1.  04.  Völlig  trocken.  Pat.  ist  ganz  beschwerdefrei  und  hat 
sich  sehr  erholt.     Herr  Dr.  Köhrbein  wird  Pat.  weiter  verbinden. 

Epicrise:  Als  Pat.  operiert  wurde,  bestand  kein  Ikterus, 
der  Choledochus  war  ansclieinend  frei,  und  doch  war  ein  Stein 
im  Choledochus  übersehen  worden.  Die  Ligatur  am  ductus  cys- 
ticus  gab  nach,  und  es  floss  nun  fast  2  Monate  lang  viel  Galle. 
Als  der  äussere  Fistelgang  eng  wurde  und  eine  feste  Tanipo- 
nade  angewandt  wurde,  bekam  Pat.  2  heftige  Koliken,  welche 
den  Stein  abtrieben.  Sofort  hörte  der  Gallenfluss  auf.  Hat 
man  ectomiert  und  einen  Stein  übersehen,  so  sei  man  mit 
einer  sekundären  Choledocliotomle  nicht  zu  rasch  bei  der 
Uand.  Nur  kleine  Steine  wird  ein  erfahrener  Gallensteinchirurg 
übersehen,  aber  diese  gehen  oft  nocli  spontan  ab.  Eine  feste 
Tamponade  genügt,  um  den  Druck  im  Choledochus  so  zu  er- 
höhen, dass  das  Hindernis  überwunden  wird. 

Nr.  42.    L.  P.,    26  j.  Kaufmann   aus  Seligenstadt  (Hessen). 

Aufgen.:  9.  4.  1900. 

Operiert:  12.  4.  1900.     Ectomie. 

Entlassen:  5.  6.  1900,  vorläufig  mit  Gallenflstel. 
Später  geheilt. 
Anamnese:    Pat.  stammt  aus  einer  Familie,  deren  Angehörige 
sämtlich  etwas  nervös  sind.   Gallensteinleiden  sind  nicht  vorgekommen. 
Pat.  war  früher  stets  gesund,  Stuhlgang  regelmässig.  Im  Sommer 
1896  hatte  er  zum  ersten  Male  Anfälle  von  Schmerzen  in  der  Magen- 
grube, die  2-3  Stunden,    später   länger  dauerten,    sehr  heftig  waren, 
ohne  Fieber  und  Erbrechen  —   einmal  aufgetretenes  Erbrechen   wird 
auf  einen  Diätfehler  zurückgeführt   —  einhergingen   und   sich  in  Pau- 
sen von  3  Tagen    bis   mehreren   Monaten   wiederholten.     Die   Anfälle 
endeten   meist   mit   Durchfall,    der   letzte  war  im  Dezember  1897.     In 
der  folgenden  Zeit  litt  Pat.  viel  an  Sodbrennen  und  Aufstossen,  Kopf- 
schmerzen   und   unregelmässigem   Stuhlgang,   wodurch   er   körperlich 
sehr  herunterkam. 

Im  September  1897  traten  die  oben  beschriebenen  Anfälle  wieder 
auf,  Pat.  hatte  stundenlang  vorher  ein  zusammenziehendes  Gefühl  im 
Rücken  und  konnte  den  Anfall  vorhersagen.  Auf  hoisse  Umschläge 
erfolgte  jedesmal  Besserung.  Er  wurde  von  Herrn  Dr.  N  o  1 1  -  Hanau 
behandelt,  der  Wanderniere  diagnostizierte  und  ihn  eine  Mastkur 
machen  und  eine  Leibbinde  tragen  Hess.  Durch  erstere  nahm  Pat. 
7  Pfund  an   Gewicht  zu,   die    Schmerzen    schwanden,    seitdem   er  die 


-     79     — 

Leibbinde  trug,  Sodbrennen,  Aufstosson  etc.  blieben  bestehen.  Ihm  selbst 
fiel  sein  fahles  Aussehen  auf.  Vor  ca.  14  Tagen  kam  wieder  einer 
der  oben  beschriebenen  Schmerzanfälle,  der  sich  bisher  noch  5  mal 
wiederholte,  der  letzte  und  schwerste  war  am  6.  4.  Erbrechen, 
Fieber,  Ikterus  fehlten  wieder,  das  Körpergewicht  soll  abgenommen 
haben.  Dr.  N  o  1 1  fand  nach  dem  ersten  Anfall  ausgesprochene  cir- 
cumskripte  Empfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend,  nach  einem 
späteren  Anfall  die  gespannte  druckempfindliche  Gallenblase  palpabel. 
Seine  Diagnose  lautete  Duodenalkatarrh,  Cholecystitis,  wahrscheinlich 
ohne  Steine.  Ferner  konsultierte  Fat.  noch  Herrn  Dr.  Abend -Wies- 
baden, der  sekundäre  nervöse  Dyspepsie  mit  Superacidität,  chronische 
Obstipation,  Cholelithiasis  diagnostizierte.  Auf  Rat  des  Herrn  Dr. 
Noll  kommt  Fat.,  der  die  Operation  selbst  dringend  wünscht,  hier- 
her. Der  betreffende  Arzt  hat  von  der  Krankheit  folgende  Auffassung: 
.fl Herrn  F.  aus  Nürnberg,  z.  Z.  in  Seligenstadt  in  Hessen,  habe 
ich  geraten,  sich  wegen  der  Erkrankung  an  Cholecystitis  operieren 
zu  lassen.    Die  kurze  Krankengeschichte  ist  folgende '. 

P.  kam  im  September  vorigen  Jahres  zu  mir  mit  den  Klagen 
über  einen  seit  Wochen  bestehenden  Darmkatarrh  und  über  zeitweise 
Anfalle  von  „Magenkrampf". 

Bei  der  Untersuchung  fand  ich  eine  rechtsseitige  Wanderniere 
und  musste  diese  für  die  (mechanische)  Ursache  des  Darmkatarrhes, 
wie  der  wahrscheinlichen  Gallenkoliken  (durch  Choledochus-Kom- 
pression)  halten.  Ich  liess  eine  Leibbinde  (Teufel'sche)  anlogen  mit 
dem  Erfolg,  dass  von  der  Stunde  an  der  Darmkatarrh  verschwand 
und  der  sehr  schlechte  Ernährungszustand  des  Fat.  sich  ganz  wesent- 
lich besserte.  Vor  etwa  14  Tagen  bekam  Fat.  wieder  einen  Kolik- 
Anfall  zu  Haus.  Zwei  Tage  nach  der  Attaque  kam  er  zur  Unter- 
suchung zu  mir.  Ich  konnte  eine  ausgesprochene  Empfindlichkeit 
an  circumskripter  Stelle  in  der  Gallenblasengegend  konstatieren.  Vor- 
gestern kam  Fat.  wieder  zu  mir,  nachdem  er  abends  vorher  wieder 
einen  heftigen  Kolik-Anfall  geiiabt  hatte.  Diesmal  konnte  ich  die 
gespannte  druckempfindliche  Gallenblase  deutlich  palpieren.  , 

Diagnose:  Duodenalkatarrh  durch  Kompression  und  Zerrung 
von  Seiten  des  ren  mobilis,  sodann  Infektion  der  Gallenblase  aus  dem 
unter  Druck  stehenden  Inhalt  des  Duodenum.  Steine  sind  wahr- 
scheinlich nicht  vorhanden. 

Nunmehr  riet  ich  dem  Fat.  umso  dringender  zur  Operation.  Ver- 
mutlich wird  nach  vorgenommener  Cholecystostomie  eine  Nephropexie 
nicht  nötig  werden  ?" 

Befund:  Kleiner,  mittelkräftiger  Mann  von  fahler  Gesichts- 
farbe. Kein  objektiver  Befund.  Urin  frei  von  Eiweiss,  Zucker  und 
Gallenfarbstoff.  Herz  und  Lungen  gesund.  Geringe  Druckempfindlich- 
keit der  Gallenblasengegend.     Temperatur,  Fuls  normal. 

Diagnose:  Wieweit  die  sehr  unklaren  Beschwerden  des  Fat. 
auf  einer  Erkrankung  des  Gallensystems  beruhen,  ist  fraglich.  Haupt- 
sächlich dafür  spricht  der  Befund  des  Herrn  Dr.  Noll,   der  zweimal 


—     80     — 

die  Gallenblase  palpieren  konnte.  Vielleicht  liegt  Ulcus  duodeni  vor. 
Wahrscheinlicher  ist  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  12.  4.  In  der  Nacht  zuvor  hat  Pat.  Schmerzen. 
Am  nächsten  Morgen  deutlich  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend, 
so  das»  die  Diagnose  Cholecystitis  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt. 
Wellenschnitt.  Leber  klein,  Gallenblase  klein,  mit  Magen  flächenhaft 
verwachsen.  In  ihr  viele  Steine  und  seröseitrige  Flüssigkeit.  Im 
Cystieus  ein  Stein.  Cystectomie.  Lebhafte  Blutung  aus  der  art. 
cystica,  deren  Unterbindung  einige  Schwierigkeiten  macht.  Chole- 
dochus  anscheinend  frei.  Tamponade.  Bauchdeckennaht.  Rechte 
Niere  etwas  locker,  am  Duodenum  nichts. 

Verlauf:  13.  4.  37,8.  Puls  92.  Urin  spontan.  Kein  Er- 
brechen, Blähungen  nach  Glycerin.  Jammert  viel.  Verband  mit 
Galle  durchtränkt,  wird  erneuert,  ohne  dass  die  Tampons  ent- 
fernt werden. 

Vom  14.  4.  bis  22.  4.  wird  der  Verband  täglich  erneuert,  weil  er 
von  Galle  durchnässt  ist. 

23.  4.    37,1.     Puls  80.    3  ',9.      l  Kein  Verbandwechsel 

24.  4.     Fieberfreier  Verlauf.     J  notwendig, 

25.  4.    Verbandwechsel.    Herausnahme  der  Tampons. 

Vom  26.  4r.  an  ist  jedesmal  der  Verband  mit  viel  Galle  dnrchnässt, 
so  dass  täglich  verbunden  werden  mnss.  Pat.  hat  öfters  Durchfälle, 
schläft  nicht  gut,  macht  dabei  aber  einen  guten  Eindruck. 

Am  10.  5.  wird  die  äussere  Fistel  durch  eiuen  Stöpsel  verschlos- 
sen, um  über  die  Durcligängigkeit  des  Choledoohus  ins  Klare  zn 
kommen.  Schon  nach  2  Stunden  ist  der  Verband  mit  Galle  durch- 
tränkt. (Stein  im  Choledochus,  bei  der  Operation  übersehen  ?).  Aller- 
dings hatte  Pat.  vor  dem  Ausfliessen  der  Galle  keine  Schmerzen,  auch 
keinen  Magendruck. 

Am  11.  5.  wird  das  Stöpselexperiment  wiederholt. 

12.  5.  Der  Verband  ist  trotz  des  Stöpsels  wieder  stark  dnrcli- 
tränkt.    Wechsel.     Abends  noch  einmal. 

Vom  13.  5.  bis  22.  5.  wird  der  Verband  zweimal  am  Tage  er- 
neuert, weil  er  stets  mit  Galle  durchtränkt  ist.  Stuhlgang  völlig 
entfärbt. 

23.  5.    dito.    Stöpselexperiment. 

24.  5.  Verband  trocken,  keine  Schmerzen,  nachmittags  wieder 
reichlicher  Gallenfluss.    Wechsel. 

25.  5.  Stöpselexperimeut,  nachmittags  wieder  Verband  durch- 
tränkt.   Stuhl  grau. 

Vom  26.  5.  bis  29.  5.  zweimaligei  Verbandwechsel  am  Tage. 

30.  5.    Stöpselexperiment. 

31.  5.    Verband  durchtränkt.    Stöpselexperiment. 

1.  6.  Verband  trocken.  Stöpsel  entfernt.  Danach  wieder  reich- 
lich Gallenfluss,     Abends  Wechsel. 

Vom  2.  6.  bis  4.  6,  einmaliger  Verbandwechsel  am  Tage. 

5.  G.    Verlüsst  vorläufig  die  Klinik  mit  kompleter  Gallenflstel. 


—     81     — 

20.  6.  Herr  P.  schreibt,  dass  er  zn  Hause  2  heftig:e  KolikanraUe 
gehabt  liat,  und  dass  danach  sich  die  Fistel  geschlossen  habe.  Sein 
Befinden  ist  ausgezeichnet. 

Epicrise:  Es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel,  dass  bei 
der  Operation  kleine  Steine  im  Choledochus  übersehen  wurden, 
daher  der  profuse  Gallenfluss  in  den  ersten  Wochen.  Als  dann 
die  äussere  Fistel  immer  enger  wurde,  presste  die  sich  stauende 
Gralle  die  Steinreste  unter  heftiger  Kolik  durch  die  Papille  in 
das  Duodenum,  und  mit  einem  Mal  hörte  der  Gallenfluss  auf. 
Die  in  der  Nacht  vor  der  Operation  auftretende  Kolik  hat 
die  Steine  in  den  Choledochus  gepresst,  vielleicht  wäre  es 
besser  gewesen,  man  hätte  mit  dem  Eingriff  noch  ein  paar 
Tage  gewartet,  bis  der  Stein  die  Papille  des  Duodenums 
passiert  hatte.  Pat.  meldet  im  Februar  1904,  dass  es  ihm 
ganz  ausgezeichnet  gehe  und  er  nie  wieder  Beschwerden  ge- 
habt habe. 

Nr.  48.    M.  H.,  44j.    Seminardirektorsfraa   aus   Königsberg 
i.  d.  Neumark. 

Aufgen.:  29.  8.  1900. 

Operiert:  31.  8.  1900.     Ectoraie. 

Entlassen:  1.  11.  1900.   Geheilt. 

An  amnese:  •Vorleben  ohne  Belang.  Frau  H.  ist  Mutter  von 
4  Kindern,  hat  bei  der  letzten  Gravidität  vor  7  Jahren  in  Posen  eine 
Laparotomie  durchgemacht. 

Empfindlichkeit  in  der  Gallenblasongegend  schon  seit  Jahren. 
Weihnachten  1899  Influenza,  hinterher  Masern.  April  1900  schwere 
Kolik,  welche  mehrere  Morphiumeinspritzungen  nötig  machte  (Herr 
Dr.  Nimts  ch -Königsberg).  Im  Sommer  Kur  in  Karlsbad.  Herr  Dr. 
Fink  fand  zugleich  rechtsseitige  Wanderniere.  Bald  nach  der  Rück- 
kehr trat  ein  sehr  schwerer  Anfall  auf,  der  die  Pat.  14  Tage  ans  Bett 
fesselte.  Röntgenbild  negativ.  Nie  Ikterus.  In  der  letzten  Zeit  nie 
frei  von  Schmerzen. 

Pat.  kommt  auf  den  Rat  der  Herren  Prof.  Klemperer-Berlin 
vmd  Dr.  Neum  eis  ter-Danzig  in  die  Klinik. 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  Pat.  im  letzten  Jahre  14  Pfund  ab- 
genommen hat. 

Befund:  Hagere,  blasse  Dame.  Herz  und  Lunge  gesund. 
Urin  frei.  Leber  normal  gross.  Gallenblase  als  hühnereigrosser, 
harter  Tumor  sehr  deutlich  zu  tasten.  Massige  Schmerzhaftigkeii 
bei  Druck.    Rechtsseitige  Wanderniere. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis.    Hydrops  der  Gallenblase. 
Kehr,   Technik  der  GaUcnsteinoferationen.  6 


—     82     — 

Operation:  31.  8.  1900.  Wellenschuitt.  Gallenblase  gross,  über- 
ragt den  Leberrand  um  3  cm,  prall  gefüllt,  mit  Netz  verwachsen. 
Lösung.  Beim  Anziehen  entleert  sich  ein  Teil  des  Gallenblaseninhalts 
in  den  Choledochus.  Sofort  fühlt  man  3  haselnussgrosso  Steine.  Einer 
liegt  im  Hals  der  Gallenblase.  Cystectomie.  Unterbindung  der  art. 
cystica  und  des  Cysticus.  Choledochus  frei.  Tamponäde  mit  steriler 
Gaze.  Durchstichknopfnähte  mit  Seide.  Verband.  Dauer  der  Ope- 
ration V«  Stunde.  Die  aufgeschnittene  Gallenblase  zeigt  auf  ihrer 
Schleimhaut  viele  Ulcera,  besonders  im  Hals  der  Gallenblase,  dessen 
Muscularis  sehr  hypertrophisch  ist.  Cysticus  eng,  gesund,  die  Heister- 
schen  Falten  scharf  ausgebildet.  In  der  Gallenblase  3  haselnussgrosse 
und  14  kleine,  schrotkorngrosse  Steine. 

Verlauf:  Abends  37,5.    P.  80. 

1.  9.  37,3.  P.  84.  Blähungen  beginnen.  Kein  Erbrechen. 
Leib  weich. 

2.  9.    37,7.    P.  94.    Etwas  Aufstossen.    Leib  weich. 

5.  9.  Kein  Fieber.  Ricinus.  Fängt  an  zu  essen.  Fühlt  sich  aus- 
gezeichnet. 

6.  9.— 10.  9.    Sehr  gutes  Befinden. 

Die  Entfernung  der  tamponierenden  Gaze  maclite  hier  etwas  Schwie- 
rigkeiten, sie  sass  sehr  fest,  und  trotzdem  Pat.  am  18.  Tage  post  op. 
2  mal  badete,  liess  sich  die  Gaze  am  nächsten  Tage  mir  nuter  grossen 
Schmerzen  entfernen.  Hinterher  einige  Tage  Fieber  (39,0  0  (ij^  gej^ 
30.  9.  guter  Verlauf.  Wundkanal  schon  sehr  eng.  Pat.  wird  am  1.  11.  00 
geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Befund  war  in  diesem  Fall  so  charakteri- 
stisch, wie  selten  und  müsste  jeden,  der  in^der  Untersuchung 
von  Gallensteinkranken  nur  einige  Übung  hat,  zur  Operation 
einladen.  Der  Cysticus  selbst  war  ganz  eng  und  normal,  aber 
der  Stein  im  Hals  der  ^"Gallenblase  hatte  eine  bedeutende 
Schwellung  der  Schleimhaut  und  zugleich  Hypertrophie  der 
Muskulatur  des  Gallenblasen-Halses  hervorgerufen.  Die  Schleim- 
haut hier  war  ulceriert,  doch  glaube  ich  nicht,  dass  schon 
Carcinoni  vorlag.  Jedenfalls  ist  in  einem  solchen  Fall  die 
Cystectomie  richtiger  wie  die  Cystostomie.  Man  kann  nie  wissen, 
ob  solche  Ulcera  sich  zuriickbilden  oder  später  bösartig  werden. 

Nr.  44.     W.  Z.,  47 j.  Kaufmannsfrau  aus  Riga. 

Aufgen.:  29.  3.  1900. 

Operiert:  31.  3.  1900.     Ectomie. 

Entlassen:  8.  5.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Vater  hat  öfters  an  „Magenschmerzen"  gelitten 
und  mehrmals  Gelbsucht  gehabt. 


—     83     — 

Pat.  selbst  ist  früher  nie  erheblich  krank  gewesen.  1886  legte 
Ihr  die  Hebamme  nach  dem  4.  Wochenbett  ein  stark  drückendes  Korsett 
an.  Als  Pat.  es  etwa  4  Wochen  getragen  hatte,  fühlte  sie  ein  leise 
ziehendes  Schmerzgefühl  in  der  Lebergegend,  das  sich  in  Pausen  von 
einigen  Tagen  wiederholte  und  jedesmal  stärker  auftrat,  so  dass  sie 
■nach  14  Tagen  zum  Arzt  ging,  ohne  aber  Linderung  zu  finden.  Im 
nächsten  Jahre  steigerten  sich  die  Schmerzen  noch  mehr  und  strahlten 
nach  dem  Rücken  aus,  bisweilen  trat  in  den  Anfällen  Erbrechen  auf, 
Fieber  nicht. 

1887  im  Oktober  kam  ein  sehr  heftiger  Schmerzanfall  mit  Er- 
brechen und  Ikterus,  sie  litt  nach  ihrer  Angabe  3  Wochen  lang  an 
Leberentzündung,  ob  sie  dabei  Fieber  gehabt  hat,  weiss  sie  nicht  an- 
zugeben. Sie  erhielt  damals  viel  Morphium  und  war  körperlich  sehr 
-geschwächt.  Es  blieb  ein  dauernder  schmerzhafter  Druck  in  der 
Lebergegend  zurück,  der  erst  nach  einer  Kur  in  Karlsbad  —  Mai  88  — 
schwand.  Februar  89  hatte  sie  2  leichtere  Anfälle  mit  geringen 
Schmerzen.  Mai  89  zum  2.  Male  Karlsbad ,  danach  3  Jahre  frei  von 
Beschwerden.  Erst  im  Februar  92  trat  wieder  ein  leichter  Schmerz 
in  der  Lebergegend  und  im  Rücken  auf,  dem  sich  ein  nervöser  Zu- 
stand von  Kopfschmerz,  Schwäche  und  allgemeinem  Unwohlbefinden 
anschloss.  14  Tage  danach  kam  wieder  ein  Gallensteinanfall  mit 
Schmerzen  und  Erbrechen,  ohne  Ikterus,  auf  Fieber  ist  nicht  geachtet 
worden.  Im  Stuhlgang  wurden  2  Steine  gefunden.  Das  Allgemein- 
befinden blieb  schlecht,  Pat.  neigte  zu  Ohnmächten.  Deshalb  1892 
3.  Kur  in  Karlsbad.  Danach.blieben  die  Gallensteinbeschwerden  wieder 
aus,  das  Nervenleiden  trat  aber  wiederholt  auf,  so  dass  Pat.  1893  in 
einer  Kaltwasserheilanstalt  einige  Wochen  zubrachte.  Danach  ging 
sie  im  Mai  93  wieder  nach  Karlsbad,  hatte  dort  einen  heftigen  Gallen- 
steinanfall, bei  dem  5  Steine  gefunden  wurden.  Von  der  Reise  kam 
sie  wieder  krank  an,  hatte  gleich  einen  heftigen  Anfall,  bei  dem 
18  Steine  abgingen.  Danach  war  sie  wieder  beschwerdefrei,  im  Winter 
95/96  kamen  einige  kleinere  Anfälle,  deshalb  Mai  96  zum  5.  Male  Karls- 
bad. Mai  98  zum  6.  Male.  November  98  sehr  heftiger  2  Tage  dauern- 
<ler  Anfall  mit  Schmefzen,  Erbrechen,  Fieber,  l  Stein  wurde  gefunden. 
■Gleich  darauf  Lungenentzündung,  in  der  Rekonvaleszenz  wieder  An- 
fall. Mai  99  zum  7.  Mal  in  Karlsbad,  im  Sommer  und  Herbst  ausge- 
zeichnetes Befinden,  im  Dezember  wieder  leichtes  Druckgefühl  nach 
dem  Essen.  Anfang  Januar  wieder  sehr  heftiger  Anfall  mit  Schmerzen, 
Erbrechen  und  Fieber,  ebenso  im  Februar  1900.  Beide  Male  viel  Mor- 
phium. Im  ganzen  sind  etwa  80  Steine  bis  zu  Erbsengrösse  im  Stuhl 
gefunden  worden. 

Auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Schabert-Riga  entschhesst  sich  Pat.  zur 
Operation. 

Befund:  Kräftige  Frau  in  gutem  Ernährungszustande.  Urin  frei 
von  pathol.  Bestandteilen.  Herz  und  Lungen  gesund.  Gallenblasen- 
.^e^end  druckempfindlich.     Kein  Ikterus.     Temperatur,  Puls  normal. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.    Cysticus   zur  Zeit  offen. 

6* 


—     84     — 

Operation:  31.  3.  00.  Wellenschnitt.  Leber  sehr  mobil,  lässt 
sich  so  extraperitoneal  lagern,  dass  die  ganze  Operation  gewisser- 
uiassen  ausserhalb  der  Bauchhöhle  vorgenommen  werden  kann.  Gallen- 
blase gross,  verdickt,  mit  Netz  an  der  unteren  Fläche  verwachsen. 
Lösung.  Cystectomie.  In  der  Gallenblase  dicke  Galle  und  90  Steine. 
Choledochus  frei.  Unterbindung  des  Cysticus  und  der  art.  cystica  für 
sich.  Tamponade.  ßauchnaht  nach  Spencer-Wells.  Die  Gallenblase 
ist  verdickt,  im  Cysticus  eine  sternförmige  Narbe  (altes  Ulcus).  Schleim- 
haut sehr  hypertrophisch.     Operationsdauer  V^  Stunde. 

Verlauf:  l.  4.  37,5.  Pulß  72,  kräftig,  regelmässig.  37,5.  Mehrmals 
vv^enig  erbrochen,  subjective  Mattigkeit,  sonst  Wohlbefinden.  Blähungen 
noch  nicht. 

2.  4.    37,5.     Puls  76.     Blähungen  spontan.    37,5. 

Fieberfreier  Verlauf. 

13.  4.     Verbandwechsel.    Entfernung  der  Tampons. 

24.  4.     Steht  auf. 

8.  5.     Verlässt  geheilt  die  Klinik. 

Epicrise:  Der  Befund  eines  Ulcus  im  ductus  cysticus  ist 
nichts  seltenes.  Macht  man  die  Cystostomie,  so  kann,  da  die 
Narbe  an  recht  ungünstiger  Stelle  liegt  —  der  Cysticus  zeigt 
an  und  für  sich  grosse  Neigung  zur  Obliteration  —  später  ein 
Hydrops  der  Gallenblase  ohne  Steine  entstehen.  Zudem  weiss 
man  nie,  ob  nicht  doch  einmal  auf  dem  Boden  einer  Narbe 
sich  ein  Carcinom  entwickelt,  welches  überhaupt  beim  Gallen- 
steinleiden nicht  sehr  selten  ist.  Diese  Überlegungen  haben 
mich  mehr  und  mehr  zu  einem  Anhänger  der  Cystectomie 
gemacht. 

Xr.  45.    H.    Z.,   44 j.  Kanfmannsfraii   aus  Leopoldshall    bei 
Stassfurt. 

Aufgen.:  12.  10.  1898. 

Operiert:   14.  10.  1898.     Ectomie. 

Entlassen:  13.  11.  1898.  Geheilt. 
Anamnese:  Die  Eltern  der  Fat.  sind  tot,  der  Vater  starb  vor 
10  Jahren  an  Lungenkrankheit,  die  Mutter  vor  6  Wochen  an  Paralysis- 
agitans.  Frau  Z.  heiratete  32  Jahre  alt  und  ist  Mutter  zweier  Kinder, 
welche  gesund  sind.  Abgesehen  von  Kinderkrankheiten  war  Fat.  ge- 
sund, bis  sie,  ca.  23  Jahre  alt,  abends  beim  Zubettgehen  plötzlich  einen 
Krampf,  der  seinen  Anfang  in  der  Magengrube  nahm  und  nach  dem 
Rücken  ausstrahlte,  bekam.  Der  Anfall  dauerte  etwa  eine  Viertel- 
stunde. Der  Appetit  blieb  gut.  Ähnliche  Anfälle  wiederholten  sich 
in  der  Folgezeit  in  mehr  weniger  grossen  Fausen  von  einigen  Monaten 
bis  höchstens  zu  einem  halben  Jahre.  In  der  letzten  Zeit  war  die  Inten- 
sität der  Schmerzen  geringer,  die  Dauer  aber  grösser,  bis  zu  5  Tagen- 


—     85     — 

Vor  5  Jahren  ist  zum  erstenmal  bei  einem  Anfall  Gelbsucht  auf- 
getreten: seitdem  wurde  auch  Abgang  von  etwa  linsengrosseu  Steinen 
beobachtet.  In  den  letzten  Jahren  waren  die  Anfälle  häufig  von  Gelb- 
sucht begleitet.  Der  Appetit  war  ausser  zur  Zeit  der  Anfälle  gut,  nur 
bisweilen  klagte  Pat.  über  leichten  Druck  in  der  Oberbauchgegend. 
Im  Hause  sind  öfters  Trinkkuren  mit  Karlsbader  Wasser  ohne  Erfolg 
vorgenommen  worden.  Frau  Z.  ist  im  Laufe  der  Zeit  um  20  Pfund 
abgemagert,  vielleicht  erklärt  sich  das  aus  allzu  vorsichtiger  Nahrungs- 
aufnahme.   Herr  Dr.  Israel- Stassfurt  schickt  Pat.  her. 

Befund:  Grosse,  magere  Frau  mit  normalen  Organen,  kein 
Ikterus,  Harn  frei  von  Eiweiss,  Zucker,  Gallenfarbstofl'.  Resistenz 
in  der  Gallenblasengögend ,  kein  Tumor  palpabel.  Leber  nicht 
vergrössert. 

Die  Diagnose  wird  auf  altes  Gallensteinleiden  gestellt.  Steine 
in  der  Gallenblase  und  im  Cysticus,  Choledochus  frei. 

Operation:  Längsschnitt  im  rechten  Rectus  vom  Rippenbogen 
abwärts  in  Ausdehnung  von  ca.  12  cm.  Nach  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle präsentiert  sich  sofort  die  mit  Steiaen  vollgepfropfte  Gallen- 
blase, die  den  Leberrand  drei  Querfinger  breit  überragt.  Die  Blase 
lässt  sich  leicht  hervorwälzen  und  wird  frei  von  Verwachsungen  be- 
funden. Kleine  Konkremente  lassen  sich  mit  Mühe  aus  dem  Cysticus 
in  die  Blase  drücken.  Der  Choledochus  enthält  keine  Steine;  der  Pan- 
kreaskopf  ist  etwas  verdickt,  aber  nicht  sehr  bedeutend.  Da  die  Ex- 
stirpatiou  der  Blase  technisch  sehr  leicht  schien,  wnrde  sie  der  Fistel- 
bildnng  vorgezogen,  und  die'  Ectomie  in  typischer  Weise  unter  geringer 
Blutung  aus  dem  Leberbett  ausgeführt.  Dreifache  Ligatur  des  Cysticus 
mit  Catgut,  Tamponade  des  Leberbettes  bis  zum  Cysticusstumpf  hin. 
Schluss  der  Bauchwunde  durch  durchgreifende  Seidenknopf-  und  einige 
Hautnähte  bis  auf  die  Durchtrittstelle  der  Gaze  nahe  dem  oberen  Wund- 
winkel.    Verband.     Dauer  ca.  V^  Stunde. 

Befund  der  Gallenblase:  Die  Gallenblase  zeigt  normale  Wan- 
dung, keine  Ulceration  oder  Narbenbildung  der  Schleimhaut.  In  der 
Blase  klare  Galle  und>eine  sehr  grosse  Anzahl  (870)  graugelber,  rund- 
licher Steine,  deren  Grösse  von  Hanfkorngrösse  bis  zu  Haselnussgrösse 
schwankt. 

Verlauf  gut  und  fieberfrei,  Pat.  steht  am  5.  11.  auf.  Die  Tam- 
ponade blieb  19  Tage  liegen,  beim  2.  Verband  am  4. 11.  fast  vollständige 
Heilung,    Gutes  Allgemeinbefinden.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Wie  sind  in  diesem  Falle  die  Beschwerden  zu 
erklären?  Keine  Entzündung-  in  der  Gallenblase,  keine  Adhä- 
sionen. Der  Steintumor  rauss  als  Fremdkörper  Druckerscheinungen 
gemacht  haben.  Trotz  der  gänseeigrossen  Geschwulst,  die  fast 
nur  aus  Steinen  bestand,  fühlte  man  bei  der  mageren  Frau  kaum 
eine  Resistenz,  weil  der  Cysticus  offen  war  und  eine  Spannung 
der  Gallenblase  fehlte. 


—     86     — 

Nr.  46.    W.,  44:j.  Kommerzienratsfrau  aus  Danzig. 

Aufgen.:  20.  4.  1899. 

Operiert:  21.  4.  1899.     Ectomie.     Cysticotomie. 

Entlassen:  25.  5.  1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Mutter  der  Fat.  lebt  und  ist  gesund  bis  auf  Giehtr 
Vater  ist  f  (Zuckerlcrankbeit).  Frau  W.  war  ganz  gesund  bis  vor 
4  Jahren ;  da  bekam  sie  einen  krampfartigen  Schmerz,  welcher  in  Brust 
und  Rücken  seinen  Sitz  hatte  und  äusserst  heftig  war.  Morphium- 
injektion mit  gutem  Erfolg.  Dann  2jährige  Ruhepause,  Magen  sehr 
gut,  keine  Schmerzen.  Nun  neue,  selten  auftretende  Anfälle,  weniger 
heftig  als  der  erste;  der  Schmerz  aass  nicht  in  der  rechten  Oberbauch- 
gegend und  wird  nicht  als  Magenkrampf  gefühlt,  vielmehr  wird  er  ii> 
der  Hauptsache  in  die  Speiseröhre  lokalisiert.  Die  Anfälle  waren  von 
Erbrechen  begleitet,  nicht  von  Gelbsucht;  das  Erbrechen  ist  gegen  da& 
Ende  der  Anfälle  aufgetreten.  1898  Kur  in  Karlsbad;  dort  kein  Anfall. 
Dann,  angeblich  da  die  angeordnete  strenge  Diät  nicht  innegehalten 
wurde,  Anfälle  in  '/* jährigen  Zwischenräumen.  Schmerz  nicht  sehr 
heftig.  Schliesslich  homöopathische  Kur  mit  strenger  Diät,  daher  wohl 
Abmagerung  um  20  Pfund.  Zurzeit  permanente  Druckempfindung  in 
der  Speiseröhre  und  Brennen  im  Magen.  Appetit  gut,  keine  Schmerzen 
in  der  Lebergegend. 

Befund  :  Geringe  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend, 
Leber  nicht  vergrössert.^  Kein  Ikterus.  Herz,  Lunge  gesund.  Urin 
nicht  pathologisch  verändert. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase  und  im  Cysticus.  Chron. 
Cholecystitis.     Gallenblase  wahrscheinlich  schon  geschrumpft. 

Operation:  Längsschnitt  im  r.  M.  rectus  abdom.  von  12  cm. 
Länge.  Gallenblase  liegt  hoch  unter  der  Leber,  schlecht  zugänglich. 
Mühsam  gelingt  es,  dieselbe  vorzuziehen  und  durch  Aspiration  aus  ihr 
30  com  trüber  seröser  Flüssigkeit  zu  entleeren  Es  wnrden  2  hoch- 
sitzeude  Konkremente  gefühlt,  das  eine  lässt  sich  nach  dem  Fiindus^ 
drücken  und  aus  dem  angelegten  GalleHblasenquerschnitt  heraus- 
drücken, das  andere  nicht.  Die  Blase  wird  provisorisch  zugeklemmt^ 
vorgezogen  und  auf  das  Konkrement  im  Hals  eingeschuitteu.  Nach- 
dem dasselbe  entfernt  ist,  quere  Abtragung  der  Blase  oberhalb  des 
Halses.  Isolierte  Ligatur  des  Cysticus  und  der  art.  cystica  mit 
Catgut.  Sterile  Gazestreifen  in  das  Foramen  Winslowii ,  auf  einen 
massig  blutenden  Riss  in  der  Leber  oberhalb  desselben,  der  jedenfalls 
durch  das  starke  Ziehen  an  der  Blase  entstanden  ist,  und  auf  das 
Leberbett.  Schluss  der  Bauchhöhle  mittelst  Durchstichknopf-  und 
einiger  Hautnähte.  Herausleitung  der  Tampons  aus  dem  oberen  Wund- 
winkel. 

Verlauf:  Fieberfrei,  nicht  über  37,6°.  Puls  beschleunigt^ 
gegen  100,  steigt  am  3.  Tage  auf  130.  Leib  aufgetrieben,  aber 
nicht  schmerzhaft.  Im  Leib  hatte  es  24  Stunden  post.  op.  ge- 
kollert; trotz  Glycerinclysmen,  Mastdarmrohr  gehen  keine  Blähungen 
ab.    Dabei  viel  Aufstossen.     In  der  Nacht  vom  22./28.  4.    zweimalige.'? 


—     87     — 

Erbrechen  grüner  Massen.  Man  deukt  an  akute  Dilatatio  ventricnli. 
Mageiiansspiilnng.  ftferinger  Inhalt.  Da  60  Stunden  post.  op.  noch 
immer  keine  Blähungen  abgegangen  sind,  der  Puls  140  Schläge  auf- 
weist, Einlauf,  Glycerinklystiere  erfolglos  sind,  erhielt  Pat.  2  Theel. 
Sagradawein.  Darauf  Kollern  im  Leibe  und  Abgang  von  Flatus.  Puls 
hebt  sich  und  ist  nachts  vom  23.;24.  112.  Kein  Fieber.  Am  andern 
Morgen  sieht  Pat.  besser  aus.  Puls  92.  Temp.  37,3"*  C.  Kein  Er- 
brechen. Grosse  Mattigkeit.  Der  Mangel  von  Flatus,  das  Sistieren  der 
Peristaltik  nach  Laparotomien  ist  stets  eine  grosse  Sorge  für  den  Chi- 
rurgen. Ohne  dass  die  geringste  EntzHndnng  vorliegt,  kann  sich  der 
Leib  auftreiben,  der  Pals  beschleunigt  und  klein  werden;  kommt  die 
Peristaltik  in  Gang,  so  ist  mit  einem  Schlag  die  Sachlage  geändert. 
Der  Puls  wird  langsam  und  kräftig,  das  Aufstossen  hört  auf,  die  Uu> 
ruhe  verschwindet.  Vom  5.  Tage  an  sehr  guter  Verlauf;  Pat.  erholt 
sich  täglich  und  fühlt  sich  schon  am  8.  Tage  so  wohl,  dass  sie  den 
Wunsch  hat,  aufzustehen.  Am  12.  Tage  Verbandwechsel.  Wunde  per 
primam   geheilt.    Entlassung  am  25.  5.  1899. 

Epicrise:  Pat.  hatte  einen  chronischen  Hydrops  in  einer 
erheblich  geschrumpften  Gallenblase.  Die  Leber  war  völlig: 
normal.  Der  Schmerz,  den  der  Cysticusstein  resp.  das  in  der 
Gallenblase  sich  stauende  Sekret  hervorrief,  wurde  mehr  in  der 
Biust,  in  der  Speiseröhre  gefühlt.  Tastbefund  bis  auf  geringe 
Druckempfindlichkeit  bei  tiefer  Exspiration  normal.  Kein  Ikterus, 
kein  Tumor.  Die  Indikation  wurde  gegeben  durch  das  Nicht- 
vertragen  der  Karlsbader  Kur  und  durch  eine  Abmagerung  in 
kurzer  Zeit  um  30  Pfund.  Der  Stein  am  Cysticus  sass  so  unver- 
rückbar fest,  dass  irgend  ein  Verschieben  unmöglich  war. 
Adhäsionen  waren  nur  am  Cysticus,  nach  dem  Choledochus  sich 
ausspannend,  vorhanden.  — 

Nr.  47.     C.  W.,  28j.  Oberlehrei-sfrau  ans  Pillau. 

Aufgen.:  18.  12.  1900. 

Operiert:  20.  12.  1900.     Ectomie. 

Entlassen:  22.  1.  1901.     Geheilt. 
Anamnese:    Grossvater  und   ein   Bruder  der   Mutter   litten    an 
Blasen-  oder  Nierensteinen.  Pat.  war  stets  gesund,  ihr  Stuhlgang  regel- 
mässig. 

Im  April  d.  J.,  4  Tage  vor  der  Entbindung,  hatte  sie  zum  ersten 
Male  krampfartige  Schmerzen,  in  der  Magengrube  festsitzend,  etwa 
15—20  Min.  anhaltend.  Kein  Erbrechen  oder  Ikterus.  In  der  Folge- 
zeit war  sie  nie  ganz  schmerzfrei,  sie  hatte  dauernd  ein  unbequemes 
Gefühl  in  der  Magengrube,  das  manchmal  stärker,  aber  nicht  zum 
ausgesprochenen  Anfall  wurde.  Die  Entbindung  verlief  normal.  Der 
Zustand  blieb   unverändert,   erst  Anfang  September  kam  wieder   ein 


—     88     — 

Anfall.  Pat.  hatte  3  Tage  lang  sehr  heftige  krampfartige  Schmerzen 
in  der  Magengrube  und  im  Rücken,  dabei  Erbrechen,  kein  Fieber, 
nachher  leichte  Gelbfärbung  der  Bindehäute.  Sie  bekam  erst  Opium, 
dann  Morphium,  beides  angeblich  ohne  Erfolg.  Sie  reiste  sofort  nach 
Karlsbad,  wo  sie  nach  etwa  10  Tagen  einen  l'/a  Tag  dauernden  ebenso 
verlaufenden,  aber  nicht  ganz  so  heftigen  Anfall  hatte.  Auch  nach 
Karlsbad  hatte  sie  dauernd  leichte  Beschwerden,  Besserung  empfand 
sie,  als  sie  eine  Zeit  lang  Pillen  nahm,  die  ein  starkes  Abführmittel 
enthielten.  Vorgestern  hatte  sie  den  dritten  grösseren  Anfall,  der  von 
morgens  bis  abends  dauerte.  Da  entschloss  sie  sich  zur  Operation 
und  kam,  von  Herrn  Dr.  Christiani-Königsberg  darauf  aufmerksam 
gemacht,  trotz  des  Abratens  anderer  Arzte  hierher. 

Befund:  Schlank  gebaute  Frau  in  massigem  Ernährungszustande. 
Leib  flach,  weich,  die  Gallenblase  ist  als  apfelgrosser,  prall  gespannter, 
druckempfindlicher  Tumor  zu  fühlen.  Herz  und  Lungen  gesund.  Puls 
und  Temperatur  normal,  Urin  frei  von  pathol.  Bestandteilen. 

Diagnose:  Cholecystitis.    Stein  im  Cysticus. 

Operation:  20.  12.  ^/^stünd.  Chloroformnarkose.  Längsschnitt 
im  r.  Muse,  rectus.  Die  prall  gespannte,  stark  vergrösserte  Gallenblase 
tritt  unter  dem  Leberrand  hervor.  Lösung  von  Verwachsungen 
zwischen  ihr  und  dem  Magen  und  Netz.  Ablösung  der  Gallenblase 
aus  dem  Leberbett,  Unterbindung  der  A.  cystica  und  des  Cysticus  erst 
zusammen,  dann  einzeln.  Tamponade,  Schluss  der  Bauchwunde  durch 
Durchstichknopfnähte.  In  der  Gallenblase  viele  kleine  Steine,  im  Hals 
ein  haselnussgrosser  und  ein  Ulcus.  Galle  trübe,  übelriechend.  Essig- 
kompresse auf  den  Mund. 

Verlauf:  20.  12.    37,1.     Puls  96. 

21.  12.  37,0.  Puls  118.  Nachts  mehrmals  Erbrechen,  Leib  weich, 
etwas  Singultus.  Kochsalz  3  Mal.  Nachmittags  Puls  124.  Temp. 
36,8,  abends  37,7.  Thee  heiss  mit  Kognac,  Kampher.  Aufstossen 
quälend,  Magenspülung  ergibt  wenig  galligen  Inhalt.    Grosse  Unruhe. 

22.12.  37,6.  Puls  116.  Nach  Morphium  gute  Nachtruhe.  Über- 
haupt ist  das  Befinden  heute  morgen  besser,  nur  quält  das  Aufstossen 
noch  etwas.  Blähungen  gehen  noch  nicht,  auch  noch  kein  Kollern 
im  Leib.  Leib  wenig  gespannt.  Glycerin,  Mastdarmrohr.  Nachmittags 
nach  Glycerin  etwas  Blähungen;  Erleichterung,  Puls  104.  Abends 
stocken  die  Blähungen  wieder,  Aufstossen  vermehrt,  Gefühl  von 
Spannung  im  Leib.  Glycerin,  Mastdarmrohr.  Temp.  37,1,  Pnis  abends 
144,    3  mal  Kochsalz,  mehrmals  Morphium,  Kampher,  Thee  mit  Kognac. 

23.  12.  37,1.  Puls  118.  Nachts  wieder  etwas  Blähungen  nach» 
Glycerin,  Leib  dabei  weich,  Aufstossen  noch  immer.  1  mal  Kochsalz 
von  Mittag  an  Blähungen  spontan.  Puls  108,  kräftig,  kein  Kochsalz 
mehr.    37,1. 

24.12.  37,3.  Puls  110.  Nachts  Erbrechen,  einmal  Magenspülung , 
im  Magen  sehr  wenig  grüne  gallige  Flüssigkeit.  Morgens  wieder 
etwas  Erbrechen.  Verbandwechsel.  Wunde  sieht  gut  aus.  Da  für 
das  Erbrechen  keine  andere  Ursache  gefunden  werden  Icann,   wird  au 


_     89     — 

arterio-iiies.  Daruiyerächlnss  gedacht  und  Fat.  aar  deu  Bauch  gelagert, 
doch  erbricht  sie  mittags  wieder,  ebenso  abeuds  noch  einmal.  38,0. 

25.  12.  Gutes  Befinden,  kein  Erbrechen,  guten  Schlaf.  Ol.  Riciui, 
■danach  wieder  Erbrechen.    2  Tamarinden.     Abends  Stuhlgang. 

26.  12.    Fieberfreier  Verlauf. 

22.  1.  Verlässt  die  Klinik.  Die  Wunde  stellt  noch  eine  granu- 
lierende Fläche  dar.  Pat.  erhält  die  Weisung,  sich  noch  weiter  ver- 
binden zu  lassen. 

Nach  eingelaufenen  Nachrichten  geht  es  der  Pat.  sehr  gut. 

Epicrise:  Das  anhalteude  Erbrechen  liess  au  arterio- 
mesenterialen  Darm  verschluss  denken,  doch  war  es  dafür 
nicht  intensiv  genug.  Durch  fleissiges  Magenspülen,  Ein- 
nahme der  Bauchlage  liess  das  Erbrechen  nach.  Im  Übrigen 
war  der  Verlauf  gut. 

Nr.  48.    A.  M.,  53  j.  Apothekersfrau  aus  Jerxheim. 

Aufgen.:  4.  1.  1901. 

Operiert:   7.  1.  1901.     Ectomie. 

Entlassen:  5.  3.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie  und  war  selbst 
immer  gesund. 

Vor  14  Jahren  nach  einer  Gemütsaufregung  (Arger)  hatte  sie  zum 
erstenmale  einen  eigentümlichen  Schmerz  in  der  Oberbauchgegend,  der 
bald  vorüberging,  nach  einigen  Tagen  wiederholte  sich  der  Schmerz, 
dauerte  einige  Stunden  an  und  war  mit  Erbrechen  verbunden.  Über 
die  Art  des  Schmerzes  in  den  ersten  Jahren  weiss  sie  nichts  anzu- 
geben. Von  ihrer  Familie  wurde  ihr  manchmal  gesagt,  dass  sie  gelb- 
liche Gesichtsfarbe  habe,  sie  selbst  hat  es  nie  bemerkt,  auch  der  Arzt 
hat  nie  etwas  gesagt.  Die  Anfälle  kamen  anfangs  etwa  alle  Viertel- 
jahre, später  häufiger,  bis  zu  mehrmals  im  Monat,  meist  nach  Ärger 
oder  kleinen  Diätfehlern,  Erbrechen  war  nur  bei  grösseren  Anfällen, 
Fieber  nie.  Weihnachten  1891  ein  grösserer,  langdauernder  Anfall, 
danach  7  Jahre  Ruhe,  in  den  ersten  1'/«  Jahren  hat  sie  regelmässig 
Karlsbader  Salz  genommen.  Ostern  1899  nach  Aufregung  wieder  ein 
Anfall,  36  Stunden  dauernd,  die  Schmerzen  begannen  in  der  Gallen- 
blasengegend, zogen  nach  der  Mitte  und  nach  links  herüber.  Wenn 
sie  vorn  nachliessen,  wurden  sie  im  Rücken  stärker.  Dabei  Erbrechen, 
kein  Fieber.  Im  Juni  1899  4  Wochen  Karlsbad,  dort  nach  Diätfehlern 
4  kleinere  Anfälle,  danach  Ruhe  bis  Juni  1900.  Damals  wieder  ein 
Anfall,  im  September  nach  einer  sehr  anstrengenden  Reise  wieder  ein 
Anfall.  Ebenso  Mitte  November,  der  letzte  grössere  Ende  November. 
Dieser  endete  mit  einem  Gefühl,  als  ob  etwas  über  den  Leib  hin- 
streiche, im  Augenblick  waren  die  Schmerzen  verschwunden.  Bei  den 
beiden  letzten  Anfällen  hat  Frau  M.  Morphium  bekommen ,  sonst 
machte  sie  heisse  Umschläge,  nahm  ein  heisses  Bad  oder  ähnliches. 
Ausserdem  hielt  sie  Diät  und  sorgte  für  regelmässigen  Stuhl. 


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Vor  5  Tagen  hatte  sie  einen  kleineren  Anfall,  den  sie  als  „Magen- 
krampf" bezeichnet,  die  Schmerzen  sassen  in  der  Magengrube  fest, 
ohne  auszustrahlen,    der  Anfall  war   kurz  und  endete  mit  Aufstossen. 

Frau  M.,  die  früher  sehr  stark  war,  ist  in  den  letzten  Jahren  ab- 
gemagert, zumal  in  den  letzten  Wochen  seit  dem  vorletzten  Anfall. 
Seitdem  ist  ihr  Appetit  schlecht,  Erbrechen  ist  ausserhalb  der  Anfälle 
nicht  aufgetreten. 

Herr  Dr.  Pütz-Jerxheim  rät  zur  Operation. 

Befund:  Anämische,  sichtlich  abgemagerte  Frau  in  sonst  gutem 
Ernährungszustande,  kein  Ikterus.  Herz  und  Lungen  gesund,  Puls  und 
Temp.  normal,  Urin  frei  von  pathologischen  Bestandteilen.  Bauch- 
decken schlaff,  Leib  weich,  nicht  gespannt,  in  der  Gallenblasengegend 
druckempfindlich.  Sonst  ausser  leichter  Resistenz  und  geringer  dilatatio 
ventriculi  kein  Befund. 

Diagnose:  Recidiv.  Cholecystitis  calculosa.  Cysticus  zurzeit 
frei.     Verwachsungen  mit  dem  Pylorus.  (?) 

Operation:  7.  1.  1901.  Wellenschnitt.  Diagnose  stimmt.  Ver- 
wachsungen zwischen  Gallenblasenhals  und  Magen.  Trennung.  Ex- 
cision  der  mittelgrossen,  schlaffen  Gallenblase.  In  ihr  ca.  200  Steine 
von  Erbsengrösse.  4  sind  haselnussgross.  Tamponade  nach  Ligatur 
der  Art.  cystica  und  des  ductus  cysticus.  Naht.  Verband.  Dauer  der 
Operation  V*  Stunde.    Essigkompresse  auf  den  Mund. 

Verlauf:  Abends  37,P.     Puls  92. 

8.  1.  37,4.  Puls  100.  Gestern  Abend  bis  heute  Morgen  5  Uhr 
öfters  Erbrechen  galliger  Massen,  es  wird  jedesmal  nur  sehr  wenig 
entleert.  Noch  kein  Kollern  im  Leib.  In  der  ersten  Hälfte  der  Nacht 
nach  Chloral  etwas  Schlaf.    38,2.     Puls  124. 

9.  1.  38,0.  Puls  nicht  zn  zählen.  Nachts  dreimal  Kochsalz,  stünd- 
lich Kampfer,  Tee  und  Milch  mit  Kognak.  Erbrechen  seit  gestern 
nachmittags  4  Uhr  nicht  mehr,  Blähiingen  seit  der  Nacht  im  Gange. 
Wunde  sieht  gut  aus.  Leib  weich,  nicht  schmerzhaft.  Pat.  bricht 
1  Liter  dnnklen  blntigen  Mageninhalt.  Magenaiisspttlnng.  Abstinenz. 
Kochsalzlösung  und  Kampfer  weiter.    Puls   dann   und  wann  116—120. 

Von  Mittag  an  bessert  sich  das  Befinden  der  Pat.  Der  Puls  wird 
kräftig  und  geht  auf  110  herunter,  ihr  Aussehen  ist  gut,  ihr  ganzes 
Wesen  frischer.  Abends  noch  einmal  Magenspülung  und  Kochsalz. 
38,0.     Puls  110. 

10.  1.  36,1.  Puls  106.  Nachts  einmal  Erbrechen.  Im  Erbrochenen 
schwärzliche  Beimengungen  (Blut).  Pat.  war  nachts  unruhig.  Bläh- 
ungen gehen  seit  gestern  nicht  mehr,  doch  ist  der  Leib  weich.  Der 
Verband  ist  durch.    37,0. 

11.  1.  36,7.  Puls  96.  Heute  ist  das  Befinden  sehr  gut.  Das  Aus- 
sehen ist  frisch,  die  Stimme  kräftig,  der  Puls  langsam  und  voll.  Bläh- 
ungen gehen.    37,0. 

12.  1.    37,0.    Puls  96.    Abführen. 
F'ieberfreier  Verlauf. 


—     91     — 

21.  1  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  Nähte. 
Die  lang  gelassenen  Fäden  bleiben  noch  liegen. 

26. 1.    Verbandwechsel.    Die  letzten  Fäden  haben  sich  abgestossen. 
7.  2.     Steht  auf.    Verbandwechsel  alle  2  Tage. 
5.  3.    Gebeilt  entlassen. 

Epicrise:  Das  blutige  Erbrechen  ging  nach  einer  Magen- 
ausspülung vorüber;  der  Puls,  der  kaum  zu  fühlen  war,  hob  sich 
wieder.     Derartige  Fälle  haben  wir  öfters  beobachtet. 


Nr.  49.     L.  H.,  53j.  Kaufniannsfrau  aus  New-York. 

Aufgen.:  21.  5.  1904. 

Operiert:  26.  5.  1904.    Ectomie. 

Noch  in  Behandlung. 

Anamnese:  Herr  Dr.  König,  New-York,  schreibt  uns  über 
die  Patientin  folgendes: 

„Frau  H.  leidet  schon  seit  14  Jahren  an  periodisch  auftretenden 
heftigen  Schmerzen  in  der  Lebergegend.  Dem  ersten  Anfall  folgte  ein 
länger  anhaltender  Ikterus,  ebenfalls  ging  in  diesem  Anfall  ein  spiral- 
förmig aussehender  Gallenstein  ab. 

Seitdem  wiederholten  sich  die  Schmerzanfiille,  anfangs  mit  längeren 
Zwischenpausen ;  in  den  letzten  Jahren  jedoch  leidet  die  Dame  bei- 
nahe konstant. 

Die  Patientin  war  mehreremale  zur  Kur  in  Karlsbad,  in  letztem 
Sommer  bei  Herrn  Dr.  Griaser  in  Mnri,  aber  ohne  danerndea  Erfolg. 

Die  Dame  hat  sich  während  der  Schmerzattacken  mit  ziemlich 
starken  Morphiumzäpfchen  beholfen,  ebenfalls  hat  sich  Patientin  dieses 
Mittels  bei  Gelegenheit  von  hysterischen  Muskelkontraktionen  bedient, 
die  besonders  vor  Eintritt  des  Schlafes  sich  einzustellen  pflegen,  so 
dass  w^ohl  eine  massige  Angewöhnung  des  Morphiums  vorhanden  ist. 
Dass  die  Patientin  an  heftigen  Leberschmerzen  leidet,  ist  zweifel- 
los, aber  dass  ebenfalls  ein  neurotisches  Element  dabei  eine  Rolle 
spielt,  ist  sehr  wahrscheinlich." 

Pat.  trifft  am  16.  5.  in  Hamburg  ein,  nachdem  sie  auf  der  See- 
reise viel  von  Schmerzen  zu  leiden  hatte.  In  Hamburg  vom  16.  5.  bis 
21.  5.  viel  Anfälle. 

Dazu  bemerken  wir  noch  :  Seitdem  ersten  Wochenbette  litt  die 
Pat.  viel  an  Magenschmerzen,  sogenannten  „Magenkrämpfen",  die  sich 
von  den  später  aufgetretenen  Gallensteinanfällen  in  ihrer  Art  voll- 
kommen unterschieden.  Bei  den  Gallensteinkoliken  trat  nur  sehr 
selten  Erbrechen  auf.  Der  Stein  soll  im  Jahre  1898  im  Stuhle  ge- 
funden worden  sein.  Pat.  war  im  ganzen  7mal  in  Karlsbad,  verspürte 
dort  immer  Linderung   nie  Beseitigung  der  Schmerzen.      Im  Februar 


-      92     — 

dieses  Jahres  Gürtelrose.  Ist  seit  längeren  Monaten  auch  in  den  an- 
fallsfreien Zeiten  nie  frei  von  drückendem,  schmerzhaftem  Gefühl  in 
der  Lebergegend.  Ihr  Ernährungszustand  hat  wenig  gelitten.  Ihre 
nervösen  Erscheinuug-en  bringt  sie  selbst  mit  dem  Klimakterium  teil- 
weise in   Zusammenhang. 

Befund:  Pat.  ist  sehr  nervös  und  sieht  blass  und  elend  aus. 
Ein  umschriebener  Tumor  der  Gallenblase  ist  nicht  tastbar.  Leber 
nicht  vergrössert.  Urin  frei.  Gallenblasengegend  bei  Druck  äusserst 
empfindlich. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.  Chronisch  recidiv.  Chole- 
cystitis. 

Operation:  26.  5.  04.  Wellenschnitt.  Sehr  fette  Bauchdecken. 
Schnitt  ist  deshalb  fast  40  cm  lang.  Gallenblase  sehr  gross,  nicht  ver- 
wachsen, enthält  viele  Steine  und  trübe  Galle.  Aspiration.  Stich- 
öffnung wird  abgeklemmt  und  Gallenblase  entfernt.  Stark  entwickelte 
Art.  cystica.  Zweifache  Sutur.  Cysticus  sehr  eng,  dort  befludliche 
kleine  Steine  werden  gallenblasenwärts  verschoben  und  dann  der 
Cysticus  abgeltlenimt,  damit  wäiirend  der  Excision  keine  Steine  in  den 
Choledochus  gedrückt  werden.  Dieser  sieht  normal  aus  und  ist  an- 
scheinend leer.  Pat.  presst  während  der  Narkose  viel,  das  lig.  hepato- 
duodenale  liegt  sehr  tief  und  ist  schwer  zugänglich,  von  einer  He- 
paticusdrainage  wird  deshalb  Abstand  genommen.  Ligatur  des  ductus 
cysticus.  3  Tampons.  Bauchwandnaht.  Dauer  der  Operation  1  Stunde. 
Massige  Chloroform-Sauerstoffnarkose  (45  gr).  Die  Gallenblase  stark 
■erweitert,  ist  chronisch  entzündet  und  enthält  3  Generationen  von 
Steinen  —  2  haselnussgrosse,  ca.  200  erbengrosse  und  unzählige  ganz 
kleine  von  Mohnkorngrösse.  Die  Steine  sind  sehr  fest  und  zeigen 
nicht  die  geringste  Einwirkung  des  Chologens.  Die  Galle  ist  sehr  trübe 
und  etwas  übelriechend. 

Verlauf:  Sehr  guter  Verlauf.  Am  Abend  des  zweiten  Tages 
Temperaturerhöhung  bis  38,7"  C.  Nach  einmaliger  Magenspülung  — 
Pat.  hatte  viel  dunkle  Galle  gespuckt  —  rasche  Besserung  und  weiter- 
hin guter  Verlauf.      Seit  8.  Juni  ausser  Bett. 

Die  mikroskopische  L^ntersuchung  der  Gallenblase  im  pathol. 
Institut  in  Marburg  ergibt  folgenden  Befund: 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Gallenblasenwand  zeigt 
feinwarzige  Verdickungen,  hervorgerufen  durch  drüsenähnliche  Ein- 
stülpungen; das  Bindegowebe  der  Schleimhaut  und  der  Serosa  ist 
faserreich,  die  Muskulatur  stark  verdickt,  anscheinend  Zeichen  einer 
langandauernden  Entzündung. 

Epicrise:  Das  Chologen  hatte  auf  die  Steine  gar  nicht 
eingewirkt.  Bei  den  vielen  kleinen  Steinen  ist  es  nicht  aus- 
geschlossen, dass  auch  im  Choledochus  solche  stecken.  Aber 
die  Narkose  war  massig,  das  Lig.  hepato-duodenale  lag  so  tief, 
dass   eine    Hepaticusdrainage   geradezu    unmöglich   war.     Man 


—     93     — 

tut  gut,  sich  in  solchen  Fällen  mit  der  Ectomie  zu  begnügen  ; 
stecken  noch  Steine  im  Choledochus,  so  sind  diese  klein  und 
werden  schon  spontan  abgehen.  Gegen  nachträgliche  Karls- 
bader Kuren  ist  in  solchen  Fällen  nichts  einzuwenden. 

Xr.  50.     M.  Seh.,  36j.  Kanfmaniisfraii  ans  Torgaii  a/E. 

Aufgen.:  5.  5.  1904. 

Operiert:  7.  5.  1904.     Ectomie. 

Entlassen:  6.  6.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Herr  Dr.  Krause- Torgau  schreibt  uns  über  die  Pat. : 
.,Die  34jährige  Frau  Scb.  war  bis  zu  ihrer  Verheiratung  vor  9  Jahren 
ein  zartes,  häufig  blutarmes,  sehr  sensibel  angelegtes  Mädchen,  hat  in 
der  Jugend  viel  Gemütsbewegungen  durchgemacht,  immer  sehr  wenig 
geschlafen,  sich  körperlich  sehr  angestrengt  und  auch  häufig  an  Magen- 
krampfähnlichen Anfällen  gelitten.  Nach  Ijähriger  Ehe  hat  sie  ein^ 
Kind  spontan  geboren  und  sich  dann  einige  Jahre  ganz  leidlich  wohl 
gefühlt,  aber  immer  mal  an  Magenkrämpfen  gelitten.  Vor  2  Jahren 
erkrankte  sie  an  einer  Blinddarmentzündung,  die  sehr  stark  auftrat 
mit  peritonitischen  Erscheinungen  und  wurde  in  Leipzig  von  Herrn 
Prof.  Krönig  zugleich  wegen  eines  gynäkologischen  Leidens  operiert. 
Der  Krankheilsverlauf  war  zuerst  günstig,  wurde  aber  dann  durch 
eine  böse  Venenentzündung  des  linken  Beines  sehr  verlängert.  Ge- 
legentlich meiner  ersten  Untersuchung  etwa  vor  4  Jahren  stellte  ich 
eine  deutliche  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend  fest,  die  auch  heute 
noch  besteht.  Nach  der  Operation,  August  02,  haben  sich  nun  sehr 
lebhafte  Kolikanfälle  im  rechten  Hypochondrium  ausgebildet,  die  so 
viel  in  den  letzten  Monaten  sich  gehäuft  haben,  dass  der  Zustand  uner- 
träglich geworden  ist.  Zur  Zeit  der  erwarteten  Menses  beginnen  die 
Mammae  anzuschwellen,  und  es  stellt  sich  ein  allgemeiner  nervöser  Er- 
regungszustand ein,  der  mit  stundenlangen  Bewusstseinstörungen,  Deli- 
rien einhergeht,  aber  niemals  mit  den  typischen  Kolikanfällen  verbunden 
ist ,  sondern  mehr  einem»  rein  hysterischen  Zustand  gleicht.  Die 
schweren  Kolikanfälle  kamen  fast  innner  ganz  plötzlich  und  ge- 
wöhnlich in  der  Rückenlage.  Es  bestand  niemals  Ikterus,  niemals 
Steinabgang,  niemals  Fieber.  —  Dagegen  Hess  eine  Zeitlang  der  Abgang 
von  sehr  reichlichen  IJrinmengen  nach  dem  Anfalle  und  den  Morphium- 
injektionen eine  Wanderniere  vermuten.  Der  Hauptgrund,  weshalb  ich 
die  Frau  zu  Ihnen  schicke  ist  der,  dass  vor  etwa  acht  Tagen  ganz  plötz- 
lich nach  einigen  heftigen  Anfällen  etwa  ILiter  ganz  dunkle  eingedickte 
Galle  ganz  allein  für  sich  ohne  andere  Exkremente  entleert  wurde, 
woran  sich  mehrere  Tage  langes  Wohlbefinden  anschloss.  Dieser  Vor- 
gang machte  den  Eindruck,  als  ob  eine  grössere  Gallenverhaltung  frei 
geworden  wäre,  hat  sich  aber  nicht  wiederholt,  sondern  2  neue  Anfälle 
traten  nach  4—5  Tagen  ein.  So  hat  noch  kein  Kollege  eine  absolut 
sichere  Diagnose  stellen  können. 


—     94     — 

Die  Diagnose  schwankt:    , 

1)  Reine  schwere  Hysterie. 

2)  Wanderniere.  ^ 

3)  KoUkanfälle  von  Gallensteinen  ausgehend. 

4)  Verwachsungen  und  Narbenzerrungen,  durch  die  grosse  Opera- 
tion von  1902  verschlimmert. 

Bei  grossen  Anfällen  braucht  Fat.  0,03  Morphium,  bei  leichten 
genügen  0,02,  um  die  Anfälle  zu  coupieren. 

Meine  persönliche  Ansicht  ist,  dass  es  sich  um  eine  alte 
aus  der  Jugendzeit  herstammende  Gallenblasenerkrankung  handelt, 
die  durch  die  Operation  im  Unterleib  verschlechtert  worden  ist,  und 
die  ganz  von  den  schweren  nervösen  Anfällen,  die  zur  Zeit  der  Menses 
auftreten,  zu  trennen  ist." 

Pat.  gibt  noch  an,  dass  sie  alle  Kinderkrankheiten  durchgemacht 
hat;  nach  dem  Scharlach  bekam  sie  eine  Nierenentzündung.  Als  Kind 
auch  Lungenentzündung  gehabt.  Als  Mädchen  hat  sie  viel  an  Chlo- 
rose gelitten. 

Befund:  Harter,  druckempfindlicher  Tumor  der  Gallenblase  an 
tiefgelagerter  Leber.  Der  Tumor  folgt  zu  deutlich  den  Atmungsbe- 
wegungen und  liegt  zu  oberflächlich,  als  dass  es  sich  um  eine  fixierte 
Niere  handeln  könnte.    Kein  Ikterus. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase  und  im  Cysticus. 
Operation:  7.  5.  04.  im  Beisein  des  Herrn  Oberstabsarztes  Dr. 
Krämer.  Wellenschnitt.  Leber  lässt  sich  umkippen,  Gallenblase  liegt 
dann  bis  znm  Cysticus  bequem  zugänglich  vor  der  Bauch  wand.  Sehr  grosse 
Gallenblase  mit  beweglichem  fast  gestielten  „Mesenterium"  wird  in 
wenigen  Minuten  excidiert.  Ein  Tampon  auf  das  Leberbett  und  die 
3  Suturen.  Keine  Adhäsionen.  Bauchwandnaht.  Dauer  der  Operation 
ca.  25  Min.     Sehr  gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (35  gr). 

Die  Gallenblase  enthält  ganz  dicke,  teerartige  Galle,  8  haselnuss- 
grosse,  viele  kleine  Steine;  im  Hals  ein  Ulcus  mit  papillomatösen 
Excrescenzen. 

Das  Marburger  path.  Institut  gibt  über  die  Untersuchung  der 
Gallenblase  folgenden  Bescheid: 

Die  Gallenblase  ist  besonders  im  Halsteil  stark  erweitert  und 
zeigt  zahlreiche  feine  Einsenkungen  an  der  Schleimhaut,  wohl  Drüsen- 
ausführungsgängen entsprechend.  Am  Fundus  ist  in  Fünfmarkstück- 
grösse  die  Schleimhaut  feinwarzig  und  papillär  verdickt. 

Die  mikroskopischen  Schnitte  durch  die  Gallenblasenwand  ergeben 
in  den  nach  dem  Cysticus  zu  gelegenen  Abschnitten  nur  eine  fein- 
papilläre  Wucherung  der  Schleimhaut,  welche  das  Mass  der  gewöhn- 
lichen Faltenbildung  weit  überschreitet.  Das  Oberfläclienepithel  ist 
einfaches  hohes  Cylinderepithel,  in  dem  kernfreien  Abschnitt  des  Proto- 
plasma eine  auffallend  starke  Ablagerung  feinster  gelber  Pigment- 
körnchen. Im  Fundustoil  sind  die  Falten  und  Zotten  der  Blasen- 
schleimhaut ungewöhnlich  kräftig  entwickelt,  zeigen  auch  eine  viel 
stärkere  Zerklüftung   als  in  der  Norm.    In  die  Falten  ziehen   starke 


—     95     — 

Büudel  glatter  Muskelfasern  hinein.  Die  stärkeren  Falten  sind  von  einem 
förmlichen  System  drüsenartiger  Gänge,  die  cystische  Hohlräume  bilden, 
durchsetzt.  Ueberall  findet  sich  niedriges  Cylinderepithel  ohne  Pigment. 
Die  Epitheleinsenkungen  gehen  ziemlich  tief  in  die  stark  verdickte 
muscularis  hinein,  ja  dringen  hie  und  da  bis  an  die  Serosa  vor.  Echte 
Schleimdrüsen  und  schleimbildende  Zellen  werden  in  den  untersuchten 
Schnitten  vermisst. 

Verlauf:  Fieberfrei.  In  den  ersten  2  Tagen  häufiges  galliges 
Aufstossen.     2mal  Magenspülung  fördert  wenig  Galle  zu  Tage. 

Viele  nervöse  Aufregungszustände  machten  sich  in  den  nächsten 
Tagen  bemerkbar.  Wundverlauf  ohne  irgendwelche  Besonderheiten. 
Völlig  geheilt  am  3.  Ü.  04.  Nervensystem  viel  besser. 
Epicrise:  Die  gesenkte  Leber  Hess  sich  weit  aus  der 
Bauchhöhle  herausnehmen  und  vollständig-  umkippen,  so  dass 
man  die  Gallenblase  gewissermassen  extraperitoneal  excidieren 
koimte.  Das  ist  eine  Operation,  die  gar  keine  Schwierigkeiten 
bereitet!  Die  Gallenblase  war  sehr  locker  an  der  Leber  an- 
geheftet und  konnte  mit  wenigen  Messerzügen  entfernt  werden. 
Die  Blutung  aus  dem  Leberbett  war  minimal,  so  dass  ein 
einziger  Tampon  genügte,  um  so  mehr,  als  Zeichen  der  Entzün- 
dung im  Augenblick  fehlten. 
Nr.  51.     L.  8.,  51j.  Raiigiermeistersfrau  aus  Egeln. 

Aufgen.:  L  U.  1903. 

Operiert:  3.  IL  1903.  Ectomie.  Hepatopexie. 

Entlassen:  13.  12.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  3  Kinder  totgeboren,  t  Kind  gesund.  Eltern  ge- 
sund. Fat.  will  seit  über  20  ,Iahren  an  Schlaflosigkeit  leiden,  kann 
oft  8  Tage  lang  überhaupt  nicht  schlafen;  seitdem  ist  Fat.  nie  recht 
arbeitsfähig  gewesen,  weil  sie  sich  immer  zu  schwach  fühlte.  Seit 
der  gleichen  Zeit  besieht  hartnäckige  Obstipation,  gegen  die  alle  mög- 
lichen Abführmittel  utJd  Irrigator  gebraucht  wurden.  Blähungen 
gingen  immer  sehr  schwer  und  Fat.  hatte  immer  viel  Aufstossen  und 
Magendrücken.  Im  Jahr  durchschnittlich  3— 4mal  Erbrechen,  sonst 
viel  Uebelkeit.  Fat.  hat  zwar  immer  Appetit  gehabt  bis  vor  einigen 
Wochen,  riskierte  aber  nie,  viel  zu  essen.  Seit  10  Jahren  soll  viel 
Ohrensausen  besonders  rechts  bestehen,  desgleichen  Brummen  im  Kopf. 
Fat.  hat  seit  6  Jahren  nicht  mehr  menstruiert,  früher  sehr  profus, 
nach  den  Geburten  soll  eigentlich  ununterbrochen  Blut,  teils  in 
grösseren  Klumpen,  abgegangen  sein.  Vor  8  Jahren  zum  letzten 
Male  ausgekratzt  worden.  In  letzter  Zeit  ziemlich  viel  Schmerzen  in 
der  linken  Bauchseite,  angeblich  vom  erschwerten  Stuhlgang  her- 
rührend. Koliken  hat  Fat.  nie  gehabt,  oft  Kreuzschmerzen.  Gelbsucht 
war  nie  vorhanden.  Viel  Kopfschmerzen.  Fat.  sucht  wegen  der 
Schlaflosigkeit  und  Stuhlverstopfung  die  Klinik  auf.  Herr  Dr.  Schwarz- 
lose in  Egeln  behandelte  Fat.  wegen  Nervosität. 


—     96     ~ 

B  efun  d:  Anämische,  elende  Frau.  Tumor  der  Gallenblase,  massig 
druckempfindlich.    Kein  Ikterus.    Urin  frei. 

Diagnose:  Hydrops  der  Gallenblase. 

Operation:  3.  11.  OB.  Wellenschnitt.  Dauer  der  Operation 
35  Min.  (30  gr  Chloroform).  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.  Gallen- 
blase gross,  Hals  mit  Duodenum  verwachsen.  Im  Hals  walnuss- 
grosser  Stein.  Ectomie.  Schwierige  Blntstillnng  an  Aesten  <1.  Art. 
cystica.  Starlie  Bliitiing  ans  dem  Leberbett.  Ternähniig  desselben.  Cysticns 
selir  eng  (feine  Sonde !).  Gallenblase  clironisch  ent/Uudet,  im  Hals  pa- 
pilläre Excrescenzen.  Hepatopexie  mit  2  Fäden.  Tamponade  mit 
2  Tampons.     Bauchwandnaht. 

Makroskopisch  zeigt  die  Gallenblase  folgenden  Befund: 
Die  Gallenblase  ist  deutlich  erweitert,  ihre  Wandung  im  grossen 
und  ganzen  dünn,  wenn  auch  nicht  ganz  entsprechend  der  Dehnung, 
die  bei  der  Erweiterung  stattgefunden.  An  der  Innenfläche  sieht  man. 
nichts  mehr  von  der  normalen  Felderung  der  Schleimhaut,  vielmehr 
sieht  dieselbe  ganz  glattnarbig  aus.  Nur  an  einzelnen  Stellen  sind 
an  der  Innenfläche  buckeiförmige  linsengrosse  Verdickungen  von 
leicht  gelblicher  Farbe  zu  sehen.  Am  Blasenhals  sieht  man  die  pa- 
pilläre Zeichnung  der  Schleimhaut,  die  sich  mit  scharfer  Grenze  gegen 
die  narbig  geglättete  übrige  Innenfläche  abhebt.  Inmitten  der  Schleim- 
haut des  Blasenhalses  sieht  man  ein  kleines  Geschwür. 

Mikroskopisch  ist  in  der  Tat  im  Blasenfundus  keine  Spur  von 
Schleimhaut  mehr  zu  entdecken.  Die  Muskulatur  und  das  elastische 
Gewebe  ist  nur  noch  in  kümmerlichen  Resten  vorhanden.  An  Stelle 
der  Schleimhaut  findet  sich  ein  grobfaseriges  narbenartig  aussehendes, 
z.  T.  hyalin  degeneriertes  Bindegewebe,  das  dort,  wo  die  linsenförmigen 
Verdickungen  sind,  besonders  stark  ausgeprägt  ist,  zahlreiche  Herde 
fettkörnchenhaltiger  Zellen  enthält,  auch  sonst  von  Spindel-  und  Rund- 
zellen reichlich  durchsetzt  ist  und  ganz  an  das  Bild  einer  atheromat. 
verdickten  Aortenintima  erinnert.  Im  Halsteil  das  elastische  mus- 
kulöse Gewebe  kräftig  entwickelt;  die  Schleimhaut  zeigt  die  -nor- 
malen, vielleicht  etwas  zellig  verdickten,  papillären  Fortsätze;  die 
Drüsen  sind  nur  wenig  entwickelt.  An  einer  Stelle  besteht  ein  bis  an 
das  Peritoneum  reichender  Defekt,  der  aber  bereits  z.  T.  von  Epithel 
wieder  überhäutet  ist.     Carcinomatöse  Wucherungen  fehlen. 

Verlauf:  3.  11.  Nach  der  Operation  kein  Erbrechen.  Abends 
ganz  vereinzeltes  Aufstossen.  Nach  Morphium  etwas  Schlaf.  Puls 
kräftig,  60  in  der  Minute.    Abendtemperatur:  37,3. 

4.  11.  Temperatur:  37,2—37,5.  Befinden  gut;  Puls  kräftig,  64  in 
der  Minute.  Blähungen  beginnen  auf  Spritze.  Leib  weich.  Nach- 
mittags Verband  am  unteren  Rande  durch.  Kein  Aufstossen.  Ueber- 
wickeln  des  Verbandes. 

5.  11.  Blähungen  noch  sehr  gering.  Wein -Kognakklystier  nützt 
auch  wenig.    Sonst  vorzügliches  Befinden. 


—    97    — 

6.  11.  Blähungen   sind  jetzt   gut  im    Gang.     Da  Verband  durch- 
tränkt, Wechsel  der  oberflächlichen  Schichten. 

8.  11.  Verlauf  weiter  fieberfrei.     Heute  führt  Pat,  ab. 

17.  11.  Entfernen    sämtlicher   Haut-  und   langen  Fäden  und  aller 
Tampons.     Wundtrichter  rosig. 

23.  11.  Heute    Verband     zum     ersten     Male    gallig    durchtränkt. 
Abendtemperatur  seit  3  Tagen  38,1°  C.    Wunde  in  Ordnung. 

25.  11.  Pat.  steht  auf. 

27.  11.  Verband  heute  wieder  trocken. 

13.  12.  Wunde  bis  auf  oberflächliche  Granulation  geheilt.  In 
letzter  Zeit  auch  der  Schlaf  etwas  besser  gewesen.  Geheilt  entlassen. 
Epicrise:  Die  Schlaflosigkeit  und  die  Nervosität,  die 
im  Vordergrund  der  Beschwerden  stand,  kann  man  doch  wohl 
auf  den  Hydrops  zurückführen,  obwohl  eigentliche  Koliken  fehlten. 
Der  Inhalt  der  Gallenblase  war  wasserklar,  die  Entzündung 
fehlte^  der  Stein  lag  im  Hals  der  Gallenblase,  der  Cysticus  war 
wegsam. 

Nr.  52.     M.   R.,    30j.    Fabrikbesitzersfrau    aus  .Wehrsdorf 
(Sachsen). 

Aufgen.:  30.  5.  1904. 

Operiert:  3.  6.  1904.     Ectomie.     Hepatopexie. 

Noch  in  Behandlung. 
Die  Anamnese  stammt  von  Herrn  Dr.  Michaelis  und  lautet: 
„Pat.  ist  eine  ca.  30jährige  Dame  von  etwas  zarter  Konstitution,  die  ich 
seit  etwa  3  Jahren  behandle.  Sie  hat  in  dieser  Zeit  öfters  an  Gallen- 
steinkoliken gelitten.  Die  Anfölle  waren  anfangs  nicht  so  typisch  wie 
in  letzter  Zeit,  wo  sie  unabhängig  von  der  Nahrungsaufnahme  auch 
öfters  Nachts ,  mit  Schüttelfrösten ,  heftigem  Würgen  und  Erbrechen 
von  galligem  Mageninhalt  und  den  typischen,  ausstrahlenden  Schmerzen 
auftraten.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  fast  regelmässig  alle  4  Wochen, 
traten  aber  auch  bei  Aufregungen,  Eisenbahnfahrt,  bei  längeren  Wegen 
auf.  Linderung  brachte  nur  eine  Spritze  Morphium ;  der  Pat.  habe  ich 
das  Mittel  nie  in  die  Hand  gegeben ,  stets  selbst  injiciert.  In  den 
schmerzfreien  Intervallen  wurden  alle  Speisen ,  auch  schwere ,  gut 
vertragen.  Ikterus  trat  bei  den  Anfällen  nie  auf,  Pat.  hat  überhaupt 
nur  einmal  vor  9  Jahren  einen  rasch  vorübergehenden  Ikterus  gehabt. 
Die  Lebergegend  ist  sehr  empfindlich ;  die  Leber  sehr  vergrössert, 
reichte  bisweilen  bis  zum  Nabel,  Oberfläche  stets  glatt;  die  Grösse  der 
Leber  wechselte;  nach  einer  Kur  in  Karlsbad  war  sie  etwas  zurück- 
gegangen; vielleicht  besteht  auch  Hepatoptose.  Infolge  der  vor- 
gelagerten Leber  konnte  ich  einen  Galleu  blasenhydrops  oder  dergl. 
von  aussen  nie  fühlen. 

Ehe  die  Anfälle  so  typisch  auftraten,   wie  jetzt,   war  ich  in  der 
Diagnose  noch  unsicher,    vor  allem  machte  mich  die  so  eminent  ver- 
Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.  7 


—     98     - 

grösserte  Leber  stutzig.  Pat.  hat  zweimal  geboren ,  beidemale  waren 
die  Kinder  sehr  lebensschwach,  bekamen  Pemphigusbläschen  und 
starben  nach  6  bezw.  3  Wochen. 

Es  besteht  massige  Magendilatation.  Urin  frei  von  Eiweiss  und 
Zucker.  Gallensteine  sind  nie  abgegangen,  auch  war  der  Stuhl,  den 
ich  oft  selbst  untersucht  habe,  nie  verfärbt.  Letzteres  habe  ich  auf 
die  ganz  hartnäckige  chronische  Obstipation  geschoben;  in  letzter  Zeit 
half  auch  Karlsbader  Salz  und  Bitterwasser  nicht  mehr." 

Befund:  Gracile  Patientin  ohne  Ikterus.  Hochgradige  Hepato- 
ptose.  Ein  Gallenblasentumor  ist  nicht  tastbar.  Gallenblasengegend 
etwas  druckempfindlich.    Urin  frei.    Herz,  Lunge  gesund. 

Pat.  bekommt  am  31.  5.  Rizinus.  Nach  eitler  Stunde  starke  Kolik, 
wobei  das  Oel  erbrochen  wird.  Bei  der  Untersuchung  fühlt  man  deutlich 
die  sehr  druckempfindliche,  vergrösserte  Gallenblase.  Pat.  erhält 
0,01  Morphium  und  Thermophor;  darauf  ist  nach  einer  Stunde  die 
Kolik  vorbei,  die  Gallenblase  kleiner,  aber  deutlich  tastbar  und  wenig 
druckempfindlich.  Am  1.  und  2.  6.  drei  solche  Anfälle;  immer  ist  dabei 
die  Gallenblase  deutlich  palpabel. 

Diagnose:  Entweder  seröse  Cholecystitis  oder  mechanische 
Verlegung  des  ductus  cysticus  durch  Adhäsionen  resp.  Verdrehung 
des  Gangs  bei  Hepatoptose. 

Operation:   3.  6.  04   in  Gegenwart  des   Herrn  Dr.  Michaelis. 

Wellenschnitt.  Leber  sehr  gesenkt,  besonders  der  rechte  Lappen 
reicht  tief  in  die  Bauchhöhle  hinab.  Der  Lappen  ist  sehr  voluminös 
und  es  sind  an  ihm  die  Zeichen  der  Stauung  deutlich  ausgesprochen. 
Gallenblase  sehr  gross,  wandverdickt,  anscheinend  ohne  Steine.  Keine 
Adhäsionen  am  Oysticus.  Die  Gallenblase  ist  prall  gespannt,  und  ihr 
Inhalt  lässt  sich  auch  bei  grösserer  Kraftanwendung  nicht  ausdrücken. 
Ectomie  sehr  leicht,  in  wenigen  Minuten:  die  Gallenblase  hängt  sehr 
locker  an  der  Leber.  Tamponade  mit  2  Streifen.  Magen,  Pylorus, 
Appendix,  Pankreas  ohne  Besonderheiten.  Die  Leber  wird  durch 
4  Fäden  unter  welche  Draht  gelegt  wird,  möglichst  hoch  fixiert.  Leber- 
bett blutet  stark,  mehrere  Unistechnngsnähte,  darunter  Draht.  Dauer 
der  Operation  'j*  Stunden.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (40  gr.). 
Die  Gallenblase  ist  verdickt,  chronisch  entzündet,  Cysticus  so  eng, 
dass  die  feinste  Sonde  nicht  passiert,  Galle  sehr  dickflüssig  wie  Teer. 

Verlauf:  Fieberfrei,  Puls  immer  langsam.  Kein  Erbrechen. 
Am  4.  6.  Verband,  von  Galle  durchtränkt,  wird  bis  auf  die  Tamponade 
erneuert.    Vom  6.  6.  bis  16.  6,    Verband  trocken. 

Am  16.  6.  Entfernung  der  Tampons  und  Fäden.  Dieselben  sitzen 
noch  ganz  fest:  der  Gallenflnss  kann  also  nicht  dadurch  entstanden 
sein,  dass  die  Ligatur  am  ductus  cysticus  nachgegeben  hat;  die  Galle 
stammt  vielmehr  ans  den  Gallengängen  des  Leberbetts.  Weiterhin 
normaler  Verlauf. 

Epicrise:  Ist  der  Ci'^sticus  abnorm  eng,  besteht  zugleich 
Hepatoptose  resp.  Anteversio  hepatis,  so  kann  der  Gang  geradezu 
„abgedreht"  werden.     Dann  staut  sich  die  Galle  und  dehnt  die 


—    99    - 

Wandungen  der  Gallenblase,  wodurch  Koliken  entstehen.  —  Solche 
Fälle  lassen  sich  von  den  Attacken  seröser  Cholecystitis  sehr 
schwer  unterscheiden;  charakteristisch  ist  das  plötzliche  Sistieren 
■der  Kolik  und  das  sofortige  Zurückgehen  des  Gallenblasen- 
tuniors.  Nur  bei  langer  Beobachtung  wird  man  einen  solchen 
Fall  richtig  erkennen. 

b)  Ectomie   mit  Drainage  des  ductus  cysticus. 
Nr.  53.    S.  M.,  44  j.  Direktor  aus  ßarby. 

Aufgen.:  12.  4.  1895. 

Operiert:  14.  4.  1895.     Ectomie  mit  Drainage 
des  ductus  cysticus. 

Entlassen:  9.  5.  1895.     Geheilt. 
Anamnese:    Fat.   hatte   im   Jahre   1894,   ohne  dass  er  vorher 
schwer   krank   war,  —    auf  jeden    Fall    deutete   weder    Ikterus   noch 
Schmerz  auf  eine  Gallensteinerkrankung  hin  —  einen    walnussgrossen 
Stein  per  vias  naturales  verloren.    Er  quälte  sich  Tage  lang  mit  dem 
Stuhlgang,   hatte  das  Gefühl,   als  ob  etwas  nicht  durch  den  Sphincter 
durchkommt;    als   der   behandelnde  Arzt  digital  untersuchte,   fand  er 
-einen  grossen  Gallenstein,  den  er  mit  der  Kornzange  entbinden  musste. 
Dann  blühende  Gesundheit,  keine  weiteren  Symptome  von  Seiten  des_ 
■Gallensystems.     In  den  ersten  Tagen  des  Aprils  1895  lebhafte  Koliken 
mit  Ikterus.   Leib  in  der  Gallenblasengegend  sehr  empfindlich.   Fieber 
und   Schüttelfrost.    Da   die   Koliken   täglich   immer   heftiger   werden, 
-entschliesst    Fat.    sich    auf   Anraten    seines    Arztes,    des    Herrn    Dr. 
Damm  in  Barby,  am  14,4.  zur  Operation.    Ich  fand  ein  Empyem 
4er    viele    kleine    Steine    enthaltenden    Gallenblase    und    am    Gallen- 
blasenhals  eine    feste  Verbindung   zwischen    diesem    und   Duodenum 
^die  alte  Durchbruchstelle).    Da  di«  Gallenblasenwandang  eitrig  infil- 
triert   ist,    Exstirpation.     Ans   dem  Cysticus  fliesst  triibe  Galle.    Ich 
rerschliesse   deshalb   den  Cysticus   nicht,    da    mir   ein  Hindernis  im 
Choledoehns    wahrscheinlich    war    und    ich    Sorge    trug,    dass    sich 
-Cholangitis   entwicli^elu   könnte,   sondern    drainierte    den  Cysticus  mit 
«inem  langen,  dünnen  Gnmmirohr.    Dasselbe  wird  mit    reichlich  Gaze 
umgeben,  diese  durch  die  Bauchwunde  nach  aussen  geleitet.   Im  Chole- 
■dochus,  den  ich  sehr  sorgfältig  abtastete,   fand  ich  keinen  Stein,   hier 
waren  auch  keine  Verwachsungen  zu  finden,  so  dass  der  grosse  Stein 
nicht  durch  eine  Choledochus-Duodenalfistel,  sondern  durch  eine  Gallen- 
Jblasenduodenalfistel  durchgebrochen  sein  musste.  — 

Verlauf:  glatt;  die  Galle  ist  die  ersten  Tage  noch  trübe, 
das  in  den  letzten  Tagen  vor  der  Operation  bestehende  Fieber  geht 
allmählich  zurück,  dann,  vom  4.  Tage  an,  wird  die  Galle  klarer.  Der 
Stuhlgang,  der  immer  genau  auf  Concremente  vergebens  untersucht 
wird,  wird  brauner,  die  Gallensekretion  wird  geringer,  die  Fistel 
.schliesst  sich  allmählich.    Entlassen  am  9.  5.  1895.    Zu  Hause  trat  noch 

7* 


—     100     - 

einmal  eine  Verschwellung  des  Choledochus  auf,  die  indes  rascb 
zurückging.  Als  ich  den  Pat.  zum  letzten  Male  (am  1.  6.  04)  sah,  war 
er  vollständig  gesund. 

Epicrise:  Riedel  ist  der  Meinung,  dass  in  den  Fälleür 
in  denen  vorher  grosse  Steine  per  vias  naturales  abgegangen,^ 
d.  h.  in  den  Darm  durchgebrochen  sind,  nicht  operiert 
werden  soll.  Mein  Fall  beweist,  dass  die  Ansicht  nur  teilweise 
richtig  ist.  Hier  war  das  Loch,  das  doch  recht  gross  gewesen 
sein  musste  und  das  der  „stillen  Arbeit"  der  Gallensteine  seine 
Entstehung  verdankt,  wieder  verheilt.  In  der  Gallenblase 
hatte  sich  ein  eitriger  Prozess  entwickelt,  der  unbedingt  den 
chirurgischen  Eingriff  erheischte.  Der  Fall  beweist  endlich,^ 
wie  wenig  der  Naturheilung  zu  trauen  ist ;  dass  die  Natur  bei 
der  Gallensteinkrankheit  Wunder  schafft,  ist  bekannt,  aber 
ebenso  sicher  ist,  dass  ihre  Arbeit  oft  recht  stümperhaft  sein, 
ja  für  den  Pat.  geradezu  gefährlich  werden  kann.  —  Pat.  ist  vor 
9  Jahren  operiert;  heute  würde  ich  Ectomie  und  Hepaticus- 
drainage  machen. 

c)  Ectomie   mit  gleichzeitigen  Operationen  an   Magen,. 

Darm  und  Leber. 
Nr.  54.     W.  B ,  39  j.  Förster  aus  Ballenstedt  a.  H. 

Aufgen.:  29.  5.  1899. 

Operiert:  30.  5.  1899.    Ectomie.    Pylorusresektion. 

Entlassen:  24.  6.  1899.  Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Wichtigkeit,  Herr  B.  war 
stets  gesund,  bis  er  1896  nach  einer  Influenza  an  Magendrücken  erkrankte, 
welches  ständig  zunahm.  Der  Appetit  war  nicht  gestört.  Damals 
diagnostizierte  Herr  Dr.  Danziger-Ballenstedt  Gallensteine  und  ver- 
ordnete Spriidelsalz.  Die  Beschwerden  Hessen  nach,  kehrten  aber 
wieder.  Verordnung  des  Durande'schen  Mittels.  Schliesslich  fast 
völliges  Verschwinden  der  Beschwerden.  Stuhlgang  regelmässig. 
Winter  1898  Wiederkehr  der  früheren  Erscheinungen.  Frühjahr  1899 
Verschlimmerung  in  der  Weise,  dass  die  Beschwerden  in  der  Magen- 
gegend —  ausdrücklich  als  nicht  krampfartig  bezeichnet  —  lebhafter 
wurden,  der  Appetit  schwand,  Kur  in  Karlsbad  ohne  Erfolg.  Nach 
14  Tagen  Aufenthalt  bessert  sich  der  Appetit,  das  üefühl  von  Druck 
und  Ziehen  in  der  Magengegend  hört  auf.  8  Tage  später  jedoch  Wieder- 
eintritt der  Beschwerden,  welche  bis  jetzt  in  schwankender  Stärke 
anhalten.  Dabei  ist  der  Appetit  sehr  gut,  Stuhlgang  regelmässig,  Stein- 
abgang nicht  beobachtet.  Golbsucht  möglicherweise  (1)  vorübergehend 
vorhanden  gewesen. 

Befund:  Mittelgrosser,  magerer,  massig  kräftiger  Mann  von  nor- 
malem Organbefund.    Kein  Ikterus,   Urin  frei  von  pathologischen  Be- 


—     101     - 

standteilen.  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  Leber 
nicht  vergrössert,  kein  Tumor  palpabel. 

Diagnose  ist  schwierig.  Differentialdiagnostisch  kommen  in  Er- 
wägung: 1.  Steine  in  der  Gallenblase,  2.  Verwachsungen  des  Cysticüs 
mit  dem  Pylorus  bezw.  Duodenum,  3.  Atonie  des  Magens  und  Hyper- 
acidität  (Ulcus  ventriculi?). 

Operation:  Längsschnitt  im  r.  m.  reotus  15  cm.  lang.  Gallen- 
blase, nicht  verwachsen,  sehr  gross,  in  sich  selbst  geknickt,  keine  Steine 
nachweisbar.  Ziemlich  nublntige  Exstirpation  derselben,  doppelte  Cy- 
sticusunterbinduug  mittelst  Catgut.  Ulcusnarbe  an  kleiner  Magen- 
kurvatur nahe  dem  Pylorus.  Resectio  pylori  nach  Kodier.  Länge  des 
entfernten  Stückes  an  der  gr.  Curvatur  12  cm,  an  der  kl.  8  cm. 

Befund:  Ulcus  an  der  kl.  Curvatur,  0,5  cm.  tief,  1  cm.  jm  Durch- 
messer.   Darüber  das  Netz  verdickt. 

Tamponade  des  Leberbettes  und  Cysticusstumpfes.  Schluss  der 
Bauehwunde  bis  zum  oberen  Wundwinkel  mit  durchgreifenden  imd 
Hautnähten.    Operationsdauer  54  Min. 

Verlauf:  Fieberfrei.  Harnverhaltung,  Katheterismus.  Zwischen 
Leber  and  vorderer  Baochwand  sammelt  sich  Eiter  an  (snbphr.  Abszess). 
Ausspülung.  Die  Ansammlnng  des  Eiters  im  Snbphreniiim  schwindet 
schnell,  im  übrigen  heilt  die  Wunde  sehr  gut.  Die  Kräfte  nehmen 
zu.  Fat.  kann  schon  S'/a  Wochen  nach  der  Operation  im  besten 
Wohlbefinden  entlassen  werden. 

Epicrise:  Die  Entwicklung  des  subphrenischen  Abscesses 
wurde  bei  Zeiten  bemerkt.-  Zu  seiner  Entfernung-  war  ein  be- 
sonderer Schnitt  nicht  nötig.  Durch  eine  Hepatopexie  hätte 
man  die  Eiterung  yielleicht  vermeiden  können. 

Nr.  55.    L.  H.,    51  j.  Güterbegleitersfrau  aus  Wolfenbttttel. 

Aufgen.:  28.  4.  1898. 

Operiert;    29.  4.  1898.     Ectomie  und  Magenfistelver- 
schliessung. 

Entlassen:  28.  5.  1898.  Geheilt. 
Anamnese:  Eltern  der  Fat.  f,  von  9  Geschwistern  leben  noch  6, 
welche  gesund  sind.  Frau  H.  war  als  Kind  oft  krank,  heiratete 
27  Jahre  alt,  war  Mutter  von  einem  frühgeborenen  Kinde  (7  Monate), 
welches  im  14.  Lebensjahre  starb,  im  übrigen  machte  sie  5  Aborte 
dturch.  Vor  10  Jahren  bekam  sie  plötzlich  Magenkrämpfe,  welche 
in  häufigen ,  kurzdauernden  Anfällen  bestanden.  Erbrechen  trat 
mitunter  dabei  ein,  Gelbsucht  desgleichen.  Frau  H.  hatte  dann  heftige 
Schmerzen  rechts  unter  dem  Rippenbogen,  so  dass  sie  ganz  krumm 
ging.  •/4  Jahr  später  besserte  sich  der  Zustand.  Jetzt  war  10  Jahre 
lang  das  Befinden  ganz  gut,  abgesehen  davon,  dass  gelegentlich  Druck 
in  der  Magengegend  bestand  und  nicht  alle  Speisen  vertragen  wurden. 
Ende  Februar  1898  erkrankte  Fat.  von  neuem,  angeblich  an  Grippe, 
nach  8  Tagen  kam  Gelbsucht  hinzu,  und  es  stellten   sich  sehr   heftige 


—     102     — 

Schmerzen  in  der  rechten  Oberbauchgegend  ein,  Erbrechen  fehlte,  der 
Stuhlgang  war  angehalten.  Der  Ikterus  schwand  nach  8  Tagen ,  die 
Schmerzen  blieben  bestehen,  der  Zustand  besserte  und  verschlimmerte 
sich,  Pat.  konnte  nicht  gestreckt  liegen.  Herr  Dr.  Breymann  über- 
wies die  Pat.  meiner  Klinik. 

Befund:  Kaum  mittelgrosse,  ziemlich  magere,  schlecht  aus- 
sehende Frau  mit  gebeugter  Haltung,  welche  von  der  kolossalen 
Schmerzhaftigkeit ,  welche  die  ganze  Gallenblasengegend  bis  fast  in 
Nabelhöhe  einnimmt,  herrührt.  Man  fühlt  dort  eine  Resistenz,  welche 
auf  eine  entzündete  Gallenblase  bezogen  wird.  An  den  übrigen  Organen 
nichts  Bemerkenswertes.    Harn  normal.    Temp.  38,7**  C.    Puls  110. 

Diagnose:  Cholecystitis  acuta  purulenta  bei  Cystolithiasis. 

OpQ.ration:  Chloroformnarkose.  Längsschnitt  im  r.  m.  rectus 
vom  Rippenbogen  abwärts  bis  etwas  unter  den  Nabel  reichend;  nach 
Durchtrennung  von  Haut  und  Muskel  kommt  man  auf  das  Peritoneum,, 
welches  sich  mit  den  unterliegenden  Teilen  verwachsen  zeigt.  In  der 
Oegend,  wo  man  die  Gallenblase  yermntet,  wird  mit  der  Praraz- 
spritze  punktiert  und  bald  auch  etwas  Eiter  aspiriert.  Bei  der  Incision 
gelangt  man  in  einen  Hohlraum,  der  als  Gallenblase  erkannt  wird  und 
viele  Steine  und  Eiter  enthält.  Verwachsung  der  Gallenblase  mit  den» 
Magen.  Elitomie.  Bei  Ablösung  der  Gallenblase  entsteht  im  Magei» 
ein  Loch,  aus  dem  Schleimhaut  herauskommt;  dasselbe  wird  durch 
6  Scideuknopfnähte  geschlossen.  Tamponade  bis  auf  den  Cysticusstumpf 
Durchstichknopf  nähte  der  Bauchdecken,  einige  Hautnähte;  der  obere 
Wundwinkel  bleibt  offen. 

Verlauf-:  Der  Verband  ist  am  4.  5.  98  durchtränkt  und  wird 
daher  gewechselt;  die  Magennaht  hat  nicht  völlig  gehalten,  es  wird 
etwas  Mageninhalt  entleert.  In  der  Folge  häufiger  Verbandwechsel, 
da  die  austretende  Flüssigkeit  die  umliegende  Haut  anätzt.  Beim 
Verbandwechsel  am  20.  5.  98  zeigt  sich  die  Fisel  geschlossen,  breite 
Granulation  im  Niveau  der  Haut,  übrige  Wunde  geheilt,  Haut  leicht 
wund.  Die  Vernarbung  macht  weiterhin  schnelle  Fortschritte,  se 
dass  Frau  H.  am  28.  5,  98  mit  kleiner  Granulation  im  oberen  Wund- 
winkel entlassen  wird.    Heilung.     Ausgezeichnetes  Befinden. 

E  p  i  c  r  i  s  e :  In  solchen  Fällen  mag  man  zur  Prayaz'sclien 
Spritze  greifen,  um  nach  Eiter  zu  suchen.  —  Bemerkenswert 
ist  das  Nachgeben  der  Magennaht,  doch  gelang  es  durch  ge- 
eignete Behandlung  das  Loch  zu  schliessen  und  einer  Inani- 
tion  vorzubeugen. 

Nr.  56.     F.  B.,  25  j.  Zuschneidersfrau  aus  Wernigerode. 

Aufgen.:  21.  5.  1902. 

Operiert:  22.  5.  1902.     Ectomie.     Pyloroplastik. 
Entlassen:  24.  6.  1902.     Geheilt. 
Anamnese:   Die  Pat.  wird   von   Herrn   Dr.   Morgenroth   aus 
Wernigerode  geschickt.    Derselbe  teilt  Folgendes  mit: 


—     103     — 

„Die  Ueberbringerin  dieses,  Frau  Schneidermeister  B.  von  hier, 
25  Jahre  alt,  leidet  an  Cholelithiasis.  Das  Leiden  begann  vor  ca. 
17»  Jahren  am  Ende  der  ersten  und  bis  jetzt  einzigen  Gravidität. 

In  meine  Behandlung  trat  sie  Ende  August  1901  wegen  einer 
Gallensteinkolik,  die  mit  deutlichem  Ikterus,  Leberschwellung  und 
Schmerz  in  der  Tiefe  (Choledochus)  verbunden  war.  Nach  Beseitigung 
der  heftigen  Koliken  durch  Opium  und  heisse  Umschläge  blieb  doch 
der  Schmerz  in  der  Tiefe  und  ikterischer  Harn.  Karlsbader-  und  eine 
Ölkur  Hessen  am  5.  Tage  nach  Beginn  der  Kolik  einen  gut  pfefferkorn- 
grossen  Stein  abgehen.  Rückenschmerzen  rechts  und  Schmerzen  in 
der  Lebergegend  blieben  jedoch  bei  heftigen  Bewegungen  und  Er- 
schütterungen. 

Ab  und  zu  traten  neue  Koliken  auf,  welche  Frau  B.  auf  8—14  Tage 
ans  Bett  oder  Sopha  fesselten;  verschiedentlich  gingen  auch  wieder 
Steine  derselben  Grösse  ab;  gezählt  sollen  im  ganzen  14  sein. 

Therapeutisch  wurden  noch  Karlsbader  Salz,  Ölklystiere  und  eine 
Kräuterkur  angewandt. 

Nachdem  jetzt  4  Monate  Ruhe  gewesen  war,  trat  am  15.  Mai 
wieder  eine  neue  Kolik  auf:  Die  Gallenblase  war  stark  vergrössert,  die 
Leber  leicht  geschwollen,  die  Haut  leicht  ikterisch,  der  Urin  schwarz- 
braun.    Fieber  war  nicht  vorhanden. 

Ich  nehme  an,  dass  in  der  Gallenblase  eine  grössere  Zahl  kleiner 
Steine  liegt,  sowie  dass  auch  schon  einige  Verwachsungen  mit  der 
Nachbarschaft  eingetreten  sind.  Wegen  der  so  häufigen  Koliken  und 
in  der  Annahme,  dass  trotz  aller  inneren  Mittel  auch  fernerhin 
noch  eine  lange  Reihe  von  Koliken  auftreten  wird,  die  die  Kräfte  der 
Fat.  unnütz  aufzehren,  halte  ich  eine  operative  Beseitigung  der  Steine 
für  indiciert." 

Befund:  Magere  Frau.  Rechte  Leber  gesenkt.  Druckempfind- 
lichkeit der  Gallenblasengegend.  Magen  steht  tief,  ist  atonisch.  Viel 
Plätschern.     Urin  frei. 

Diagnose:  Hepatoptose,  Steine  in  der  Gallenblase,  Adhäsionen 
am  Pylorus. 

Operation:  22.  5.  02.  (700.  Operation)  im  Beisein  der  Herren 
Prof.  Dr.  Stern-Philadelphia  und  Dr.  Heinrich-Cassel.  Wellen- 
schnitt. Rechter  Leberlappen  gross.  Gallenblase  liegt  dahinter,  ent- 
hält ca.  20  erbsengrosse  Steine,  ist  schlaff,  trübe  Galle  in  der  Blase. 
2 — 3  erbsengrosse  Steine  im  Cysticus.  Choledochus  frei.  Pankreas 
härter  als  normal.  Pylorus  eng,  verwachsen  mit  dem  Hals  der  Gallen- 
blase. Ectomie.  Gallenblasenwand  ödematös,  Schleimhaut  chronisch 
entzündet.  Operation  20  Min.  Pyloroplastik  nach  Lösung  der  Ad- 
häsionen (10  Min.).  Auf  die  Pyloroplastiknaht  wird  ein  Zipfel  des  kleinen 
Netzes  fixiert.  Am  Pylorus  strahlige  Narbe.  Tamponade  des  leb- 
haft blutenden  Leberbettes.  Bauchdeckennaht.  Massige  Chloroform- 
narkose.   Viel  Cyanose. 

Verlauf:  22.  5.    Abends  37,4.    Puls  76. 

23.5.    87,5-37,9.     Puls  84-120-132— 120. 


—     104     — 

Morgens  viel  Aufstossen.  ,  Magenspülung  ergibt  sehr  viel 
dunkles  Blut,  teils  zu  Gerinnseln  zusammengeballt,  Nachmittags  plötz- 
lich hohe  Pulsfrequenz,  welche  sehr  rasch  wechselt.  Leib  weich,  viel 
Darmgeräusche.  Aussehen  sehr  frisch.  2  mal  Kochsalz  subkutan. 
Abends  nochmals  Magenspülung,  welche  wieder  Blut  fördert. 

24.  5.    37,0-37,4.    Puls  120-120. 

Morgens  noch  immer  frequenter  Puls.  Aufstossen.  Kochsalz 
subkutan;  im  Magen  kein  Blut  mehr,  nur  massige  Menge  Galle  und 
Thee.    Auch  Abends  kein  Blut  im  Magen. 

25.  5.  Temperatur  normal.  Puls  immer  noch  von  sehr  wechseln- 
der Frequenz,  aber  besserer  Qualität.  Pat.  klagt  abends  über  Voll- 
sein im  Magen.    Magenspülung  ergibt  wenig  Inhalt. 

26.  5.    Status  idem.    Allgemeinbefinden  besser. 
26.  5.    Führt  ab. 

6.  6.  Verbandwechsel:  Sämtliche  Tampons  und  Nähte  entfernt, 
ein  Faden  noch  fest.     Wunde  in  gutem  Zustand. 

12.  6.    Der  letzte  lange  F'aden  abgestossen. 

24.  6.  Wundtrichter  durch  Granulation  last  völHg  ausgefüllt. 
Wird  zur  Behandlung  durch  ihren  Hausarzt  entlassen. 

Epicrise:  Der  behandelnde  Arzt  hatte  eine  sehr  gute 
Diagnose  und  Indikation  gestellt.  Die  strahlige  Narbe  am 
Pylorus  deutete  auf  ein  ausgeheiltes  Ulcus  hin,  die  Stenose 
war  immerhin  so,  dass  eine  Pyloroplastik  gewiss  am  Platze 
war. 

Nr.  57.     P.  L.,  49  j.  Rentiersfrau  aus  Blankenburg. 

Aufgen.:  9.  11.  1899. 

Operiert:  11.  11.  1899.     Ectomie.     Pyloroplastik. 

Entlassen:  20.  12.  1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Vater  starb  64jährig  infolge  einer  Pankreas-Ge- 
schwulst  (Sektion),  die  Mutter  starb  66  Jahre  alt  nach  jahrelangem 
Leiden  an  Rheumatismus.  Von  den  6  Geschwistern  der  Pat.  ist  eine 
lungenleidend,  eine  andere  vermutlich  leberleidend. 

Pat.  war  als  Kind  gesund,  in  den  Entwicklungsjahren  blutarm. 
Sie  verheiratete  sich  mit  36  Jahren  und  blieb  ohne  Kinder.  Seit  1880 
leidet  sie  an  Beschwerden  beim  Stuhlgange,  Abführmittel  und  Ein- 
laufe sind  ihr  saitdem  ein  unentbehrliches  Bedürfnis.  3  Jahre  nach 
ihrer  Verheiratung  entwickelten  sich  Myocne  des  Uterus.  Von  Leopold, 
Olshausen  und  Zweifel  wurde  Pat.  teils  mit  Ergotin-Injektionen, 
teils  mit  dem  elektrischen  Strome  behandelt.  Da  der  Erfolg  jedoch 
ausblieb,  im  Juli  1892  Extirpation  der  Myome  durch  Zweifel.  Es 
folgen  dann  3  Jahre  völliger  Gesundheit,  nur  die  Verstopfung  bleibt 
bestehen.  Von  1895  ab  traten  ab  und  zu  Magenkrämpfe  auf,  die  mit 
Belladonnapräparaten  wirksam  bekämpft  wurden.  Die  Krämpfe  hielten 
durchschnittlich   2  Stunden   an    und    kamen    in  Zwischenräumen   von 


—     105     — 

mehreren  Monaten.  Erbrechen  fehlte.  Die  Arzte  sprachen  diese 
Krämpfe  als  nervöse  an.  Anfangs  Januar  1899  trat  der  erste  wirk- 
liche Kolikanfall  ein,  der  3  Stunden  währte.  Die  Schmerzen  strahlten 
von  der  Magengegend  nach  dem  Rücken  hin  aus.  Während  des  An- 
falles erfolgte  Erbrochen  unverdauter  Massen.  Tage  lang  nachher  be- 
standen noch  Rückenschmerzen.  14  Tage  später  2.  Kohkanfall,  doch 
weniger  heftig;  in  den  ersten  Tagen  nach  diesem  Anfalle  wieder 
ziehende  Schmerzen  im  Rücken.  Von  Februar  bis  Ende  Juli  hatte 
Pat.  Ruhe,  dann  traten  mehrere  heftige  Anfälle  dicht  hintereinander 
auf,  der  schmerzhafteste  Ende  August  von  12  stündiger  Dauer.  Vom 
15.  9.  bis  19.  10.  Kur  in  der  Anstalt  des  Herrn  Dr.  Abend  in  Wies- 
baden wegen  nervöser  Dyspepsie  und  Hyperacidität  des  Magens. 
Während  der  Kur  traten  3  schwere  Anfälle  auf;  Dr.  Abend  diagno- 
sticiert  Gallensteine.  Zurückgekehrt  befindet  sich  die  Pat.  14  Tage 
lang  wohl,  sie  trinkt  Neuenahrer- Sprudel.  Ende  Oktober  erfolgen 
wieder  2  heftige  Attaquen.  Den  letzten  schweren  Anfall  vor  ihrer 
Aufnahme  in  die  Klinik  hatte  Pat.  am  2.  November;  derselbe  dauerte 
4  Stunden,  und  die  Schmerzen  in  der  Seite  und  im  Rücken  sind  seit- 
dem heftiger  als  sie  vorher  waren.  Pat.  fühlt  sich  sehr  matt.  Seit 
Mai  1899  hat  sie  ca.  12  Pfd.  an  Gewicht  verloren.  Erbrechen  ist  nur 
bei  dem  ersten  Anfalle  im  Januar  aufgetreten,  später  nicht  mehr.  Ob 
einmal  Gelbsucht  vorhanden  war,  kann  Pat.  nicht  mit  Sicherheit  an- 
geben. Im  Stuhlgang  sind  trotz  sorgfältiger  Untersuchung  niemals 
Steine  gefunden.  Die  Nahrung  der  Pat.  bestand  stets  in  leichtver- 
daulicher, flüssiger  Kost.  Auf  den  Rat  des  Herrn  Dr.  Abend-  Wies- 
baden begiebt  sich  Pat.  in  die  Klinik. 

Befund:  Grosse,  etwas  magere  Dame.  Herz-  und  Lungenbe- 
fund normal.  Im  Urin  nichts  Pathologisches.  Leber  nicht  vergrössert, 
Gallenblase  nicht  palpabel.  Kein  Ikterus.  Stuhlgang  von  regelrechter 
Farbe.    Puls  regelmässig,  kräftig,  76.    Kein  Fieber. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.  Cysticus  zur  Zeit  frei. 
Vielleicht  Adhäsionen  zwischen  Gallenblase  und  Pylorus. 

Operation:  11.  11.  1899.  Chloroformnarkose.  Dauer  der  Ope- 
ration 1  Stunde.  Längsschnitt  im  r.  musc.  rect.  abdomin.  Gallenblase 
von  normaler  Grösse,  ödematös  geschwollen.  Der  Halsteil  mit  Duode- 
num verwachsen,  enthält  zahlreiche  erbsengrosse  Steine,  ein  gleiches 
Steinchen  im  Cysticus.  Exstirpation  der  Gallenblase,  Entfernung  des 
Cysticus-Steines.  Zwischen  Cysticus  und  Duodenum  bestehen  Ad- 
häsionen, Lösung  derselben.  Sondierung  des  Choledochus  ergibt,  dass 
derselbe  frei  ist.  Der  Pylorus  ist  massig  hypertrophisch ,  der 
Magen  etwas  dilatiert.  Pyloroplastik.  Von  einer  Gastro-Enteroätouiie 
wird  bei  der  geringfügigen  Stenose  abgesehen.  Tamponade  des  Leber- 
bettes und  des  Cysticusstumpfes.    Naht  der  Bauchdecken. 

Verlauf:  In  den  ersten  24  Stunden  4  mal  Erbrechen  von  galliger 
Flüssigkeit.  Vom  12.  11.  bis  13.  11.  Erbrechen  von  blutiger  Flüssig- 
keit. Keine  Blähungen,  Leib  treibt  sich  auf,  Pals  110—130,  klein, 
weich,   Temperatur   vaginal  37,8°  C.    Viel  Aufstossen   und    Erbrechen 


—     106     — 

von  geringen  Mengen  grüner  Flüssigkeit.  Ausspülen  des  Magens  er- 
gibt geringe  Reste.  Wegen  des  schlechten  Pulses  Kampher,  Koch- 
salzinfusion 3  mal  in  24  Stunden.  Puls  hebt  sich.  Soll  man  in  solchen 
Fällen  den  Verband  wechseln,  da  die  Annahme  besteht,  dass  die  tam- 
ponierende Gaze  den  Pylorua  zudrückt?  Peritonitis  war  auch  nicht 
sicher  auszuschliessen  (trotz  niedriger  Temperatur  schneller  Puls). 
Ich  halte  es  für  richtig,  nicht  die  Gaze  zu  entfernen;  liegt  lolcale 
Peritonitis  ror,  so  beschränlit  sie  sich  schon^  ist  sie  diffus,  so  hilft 
der  Verbandwechsel  nicht.  Im  ersteren  Falle  schadet  er  geradezu  I 
Also  nicht  verbinden,  sondern  Magenansspttleu,  Olycerinltlysmata,  da* 
mit  die  Peristaltik  beginnt,  Eampher,  Kochsalzinfnsion,  Thee  mit  Cog- 
uac,  auf  die  rechte  Seite  legen  I  Am  13.  und  14.  11.  Puls  etwas  lang- 
samer, HO,  kein  Fieber,  kein  Erbrechen.  Am  15.  11.  Stuhlgang  nach 
Ricinusöl.    Gutes  Allgemeinbefinden. 

Geheilt  entlassen  am  20.  12.  1899. 

Epicrise:  Man  beachte  in  diesem  Falle  mein  Terhalten 
während  der  Nachbehandlung;  ich  glaube,  ich  habe  richtig 
gehandelt,  dass  ich  nicht  die  Gaze  entfernt  habe.  Doch  ist 
es  nicht  leicht,  in  solchen  Fällen  das  Richtige  zu  treffen. 

Nr.  58.    M.  K.,  32 j.  Fabrikantenfrau  aus  Düsseldorf. 

Aufgen.:  1.  3.  1904. 

Operiert:    3.    3.    1904.      Ectomie.      Appendicectomie. 
Hepatopexie. 

Entlassen:     10.  4.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:  Dieselbe  stammt  von  dem  behandelnden  Arzt,  Herrn 
Sanitätsrat  Dr.  Fleischhauer,  und  lautet: 

„Mutter  dreier  Kinder.  Ausgesprochene  Neigung  zur  Adipositas, 
jetzt  allerdings  etwas  abgemagert,  leichte  Enteroptose.  Vor  3  Jahren 
der  erste  leichte  Gallensteinkolikanfall  mit  leichtem  Ikterus.  Der- 
selbe ging  nach  Morphiuminjektion,  Diät  und  Karlsbader  Kur  hiersei bst 
leicht  vorüber.  Darauf  1 '/«  Jahre  Ruhe.  Es  folgten  dann  noch  zwei 
frustrane  Anfälle,  die  jedoch  jedesmal  stärker  wurden.  Darauf  im 
Sommer  eine  Kur  in  Karlsbad  unter  Herrn  Dr.  Ritter.  3  Monate  später 
ein  heftiger  Anfall  in  Vitznau  in  der  Schweiz,  der  nach  einer  Gletscher- 
tour und  Trinken  kalten  Wassers  auftrat.  Nach  weiteren  3  Monaten 
(vor  8  Wochen)  ein  enorm  heftiger  Anfall  von  Gallensteinkolik.  Die 
Dauer  des  Anfalls  8  Tage.  Die  Schmerzen  waren  so  heftige,  dass 
mehrmals  täglich  Morphium  nötig  war.  Es  bestand  starker  Ikterus 
der  Conjunktiven  und  der  Haut.  Urin  fast  schwarz.  Erbrechen 
im  Anfang.  Neben  dem  Rectus  abdominis  eine  fast  kindskopfgrosse 
Geschwulst,  die  in  die  Leberdämpfung  überging.  Enorme  Schmerz- 
haftigkeit,  das  subjektive  GetUhl  des  Pulsierens  in  der  Geschwulst 
(als  ob  Biter  darin  sei)  und  das  Wichtigste:  2  Tage  Fieber  bis  zu 
39,5  abends.  Ich  konsultierte  deshalb  einen  hiesigen  Chirurgen,  und 
wir  waren  fast  schon  zur  Operation  entschlosseü,  als  alle  Erscheinungen 


—     107     — 

allmählich  nachliessen,  und  die  Geschwulst  rasch  zurückging.  Steine 
wurden  diesmal  nicht  gefunden.  Die  Fat.  ist  nun  seit  etwa  einem 
Jahre  niemals  mehr  ganz  frei  von  Schmerzen.  Trotz  sorgfältiger  Diät 
i§t  seit  dem  letzten  Anfall  der  Stuhl  angehalten. 

Bei  der  Untersuchung  findet  man  verhältnismässig  schlafle  Bauch- 
decken, die  ein  Eindringen  bis  fast  auf  die  Wirbelsäule  ermöglichen. 
Die  Gallenblase  ist  als  eine  nussgrosse  feste  Resistenz  unter  dem 
Leberrand  zu  fühlen.  Bei  leichtem  Druck  schon  hat  Fat.  Schmerzen 
im  Rücken,  die  bis  in  die  rechte  Schulter  ausstrahlen.  Heute  Morgen 
fand  ich  nun  ein  Novum,  nämlich  eine  Schmerzhaftigkeit  des  Mac 
Burneyschen  Funktes.  Diese  war  vor  dem  letzten  Anfall  niemals  vor- 
handen. Nie  Zeichen  einer  Appendicitis.  Ob  es  sich  hier  um 
eine  Adhäsion  des  Netzes  handelt  oder  um  eine  Kombination  mit 
Appendicitis,  steht  dahin." 

Befund:  Schmerzempfindlicher  Tumor  der  Gallenblase  deutlich. 
Kein  Ikterus,  keine  Lebervergrösseruug.  In  der  Gegend  der  Appendix 
schmerzhafte  Resistenz.    Urin  frei. 

Vor  der  Aufnahme -.Ikterus,  Gallenblasentumor,  Lebervergrösserung. 

Bei  der  Aufnahme :  Kein  Ikterus,  Gallenblasentumor,  keine  Leber- 
vergrösserung. 

Operation:  3.  3.  04.  Wellenschnitt.  Gallenblase  prall  gespannt, 
dunkelblau,  von  spinnnetzartigen  Auflagerungen  bedeckt.  Leber  normal, 
sehr  weich.  Funktion  und  Aspiration  von  trüber,  eitriger  Galle, 
ö.haselnussgrosse  Steine  werden  entfernt.  Im  Cysticus  festsitzend  ein 
haselnussgrosser  Stein.  Gallenblasenschleimhaut  sieht  dunkelgrün 
aus,  wie  nekrotisch.  Der  Cysticusstein  liegt  sehr  tief,  so  dass  die  ge- 
plante Cysticotomie  nicht  möglich  ist.  Ectoniie.  Dabei  kommt  das 
Messer  immer  in  das  morsche,  schwer  von  der  Gallenblase  abzulösende 
Lebergewebe.  Starke  Blntnng.  3  Suturen  an  der  art.  cystica.  Cysticus 
ganz  eng,  kaum  für  feine  Sonde  durchgängig.  Im  Cysticus  festsitzend 
ein  Stein.  Appendix  krank,  verdickt,  wird  exstirpiert,  enthält  Eiter. 
Tamponade  des  Leberbetts  etc.  mit  3  Tampons.  Hepatopexie  mit 
2  Suturen.  Bauchwandna^t.  Dauer  der  Operation  */4  Stunden.  Gute 
ChloroformsauerstofiFnarkose  (50  gr.). 

Die  exstirpierte  Gallenblase  ist  wandverdickt,  zeigt  tiefe  Ulcera- 
tionen,  besonders  im  Hals  der  Gallenblase. 

Verlauf:  Fieberfrei. 

7.  3.  Verband  wird  neu  überwickelt;  da  die  Fäden  des  obersten 
Wundwlnkels  etwas  spannen  und  schmerzen,  werden  die  4  oberen  Faden- 
schlingen durchgeschnitten.    (4.  Tag  post  op.) 

17.  3.  Entfernung  der  festsitzenden  Tampons  im  Aetherransch. 
Weiterer  Verlauf  normal.    Fat.  wird  am  10.  4.  04  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Pat.  hat  erst  jüngst  eine  schwere  eitrige  Chole- 
cystitis durchgemacht.  Der  Infekt  war  so  ziemlich  erloschen, 
aber  der  Stein  im  Cysticus  blieb  fest  sitzen.  Der  damals  ent- 
standene Ikterus   wird   wahrscheinlich    durch   Entzündung   der 


—     108     — 

benachbarten  Leberpartieen  entstanden  sein.  Eine  Cysiostomie 
war  we^en  der  schweren  Veränderungen  der  Gallenblase  falsch, 
die  Ectomie  sehr  schwer,  da  das  weiche  Lebergewebe  sich 
kaum  von  der  Gallenblase  ablösen  Hess.  Die  wahrscheinlich 
durch  denselben  Infekt  erkrankte  Appendix  musste  mit- 
heraus,  da  sie  Eiter  enthielt.  Eine  akute  Appendicitjs  hatte 
Pat.  nie  gehabt,  wenigstens  keine  Symptome  derselben. 

Nr.  59.     J.  H.,  49  j.  Kauf raaiinsf ran  aus  Nürnberg. 

Aufgen.:  11.  10.  1903. 

Operiert:    14.  10.  1903.     Ectomie.     Appendicectomie. 

Entlassen:  28.  11.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  hat  7  mal  geboren.  4  Kinder 
leben,  3  sind  an  Diphtherie  gestorben. 

Pat.  hat  2  mal   an  Wochenbettfieber   und   vor  2  Jahren   an   sehr 
heftigem,    langdauernden   Bronchialkatarrh  gelitten,   ist  sonst  immer, 
gesund  gewesen. 

Vor  2  Jahren  erster  Anfall  von,  Magenkrampf,  der  eine  Nacht  lang 
dauerte.     1901  und  1902  dann  etvra  3—4  gleiche  Anfälle. 

Darauf  etwa  l  Jahr  anfallsfrei,  doch  litt  Pat.  ab  und  zu  nach  dem 
Essen  an  Magendruck.  Am  10.  8.  1903  neuer,  schwerer,  mehrere  Tage 
dauernder  Anfall.  Schmerzen  auch  im  Rücken  und  in  die  Brust  bis 
zu  den  Schultern  aufsteigend.  Kein  Erbrechen,  viel  Aufstossen,  kein 
Fieber  oder  Schüttelfrost.  Leichte  Gelbsucht,  Stuhl  lehmfarben,  im 
Urin  Gallenfarbstoff. 

Danach  vom  18.  8.  bis  22.  9.  Kur  in  Karlsbad.  Dort  zv^eimal 
leichte,  '■j*  Stunde  dauernde  Anfälle,  einmal  mit  etwas  Ikterus.  Urin 
frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

Am  24.  9.  schwerer,  zwei  Tage  dauernder  Anfall  ohne  Gelbsucht 
Am  1.  bis  3.  10.  nochmals  2  schwere  Anfälle. 

Dann  vom  4.  bis  10.  10.  schwerster,  äusserst  heftiger  Anfall  mit 
andauernden  sehr  heftigen  Schmerzen  und  vielen  Kolikanfallen.  Keine 
Gelbsucht,  Temperatur  normal.  Steine  im  Stuhl  wurden  nicht  ge- 
funden. Während  des  letzten  Anfalles  einige  Tage  heftige  Schmerzen 
in  der  Blinddarmgegend,  die  zu  Zeiten  stärker  waren  als  die  Schmerzen 
in  der  Magengrube.  Schon  im  Laufe  des  letzten  Jahres  hatten  ab 
und  zu  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegeud  sich  eingestellt. 

Pat.  leidet  seit  zwei  Jahren  an  starker  Verstopfung.  Appetit  ist 
leidlich,  doch  hat  Pat.  in  letzter  Zeit  ca.  10  Pfund  abgenommen.  Jetzt 
fühlt  sich  Pat.  fast  völlig  wohl. 

Pat.  wurde  mit  Karlsbader  Kur,  in  den  Anfällen  mit  Morphium 
(subkutan)  und  Opium  behandelt.  Auch  hat  sie  3  Tage  lang  Zie gier '- 
sches  Salz  (Ziegler  ist  ein  Apotheker  in  Nürnberg,  der  dies  Salz  gegen 
Gallensteinkrankheit  herstellt)  gebraucht,  kam  aber  infolge  äusserst 
reichlicher    wässeriger   Stuhlentleerungen   so   herunter,    dass   sie   das 


—     109     — 

Mittel  nicht  weiter  gebrauchen  konnte.  Bei  einer  Konsultation  in 
Nürnberg  mit  Herrn  Dr.  Fr.  Merkel  stellte  Prof.  Kehr  eine  grosse 
Druckerapfindlichkeit  der  Gallenblase  fest ;  daneben  war  die  Gegend 
der  Appendix  coeci  sehr  empfindlich.  Pat.  entschliesst  sieb  sofort  zur 
Operation  und  reist  am  11.  10.  nach  Halberstadt. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis. 

Befund  ist  jetzt  völlig  negativ,  kein  Ikterus,  Urin  frei. 

Operation:  14.  10.  03.  Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Capaldi- 
Neapel.  Wellenschnitt.  Chloroform-Sauerstoffnarkose  55  gr,  90  Min. 
Dauer  der  Operation  75  Minuten.  Massig  gute  Narkose,  Pat.  presst 
viel.  Gallenblase  gross,  enthält  mehrere  kleine  Steine.  Im  Cysticus 
ein  überkirschkerngrosser  und  viele  kleine  Steine.  Lösung  von  Adhä- 
sionen zwischen  Gallenblasenhals,  Cysticus  und  Duodenum.  Leber 
nicht  vergrössert.  Vena  porta  sehr  gebläht,  schwer  von  dem  darunter 
liegenden  Ductus  choledocbns  zu  unterscheiden.  Ectomie.  Son- 
dierung des  Choledochus  vom  Cysticusstumpf  aus,  keine  Steine 
tastbar.  Appendicectomie.  Appendix  chronisch  entzündet,  enthält  Kot; 
zahlreiche  Verwachsungen  gelöst.  Nach  der  Appendicectomie  Deckun;^ 
der  Naht  durch  Netzzipfel.  Naht  der  Bauchwunde  nach  Tämponade 
des  Leberbettes  und  Cysticusstumpfes. 

Die  Wand  der  Gallenblase  zeigt  im  grossen  und  ganzen  mikro- 
skopisch normale  Verhältnisse.  Die  Muskulatur  ist  nicht  besonders 
verdickt,  aber  kräftig  entwickelt.  Stark  entwickelte  Faltenbildung 
der  Schleimhaut  mit  zahlreichen  feinen  Sekundärfalten  an  den  Ab- 
hängen der  Hauptfalten.  Überall  wohlerhaltenes,  regelmässig  ange- 
ordnetes einschichtiges  Cylinderepithel.  Keine  sichtbare  Schleim- 
produktion, keine  Zellsäume.  In  den  Sudanpräparaten  fällt  eine  sehr 
starke  feinkörnige  Fettresorption  in  den  Epithelzellen  auf,  besonders 
in  den  freien  Abschnitten  des  Zellleibes.  Auch  in  den  subepithelialen 
Bindegewebsschichten  findet  sich  sehr  starke  feinkörnige  Fett- 
ablagerung in  den  Zellen,  die  in  den  tieferen  Schichten  fehlt. 

Verlauf:  23.  10.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung 
sämtlicher  Tampons,  die  nwt  Sekret  ziemlich  stark  durchtränkt  sind, 
etwas  riechen,  sowie  eines  Teiles  der  Nähte.  Wunde  sieht  besonders 
in  der  Tiefe  gut  aus,  nur  oberflächlich  am  Unterhautfettgewebe  nekro- 
tisch gewordene  Partie.    Ausspülung.    Tamponade. 

24.  10.03.  Temp.  morgens  38,1,  abends  38,5.  Befinden  erheblich 
besser.    Puls  100.    Appetit  gut. 

25.  10.  03.  Temp.  morgens  37,5,  abends  37,7.  Befinden  gut.  Puls  ICD. 

26.  10.  03.    Temp.  morgens  37,1,  abends  37,2. 

27.  10.  08.  Temp.  morgens  37,2,  abends  37,7.  2.  Verbandwechsel. 
Es  ist  etwas  Galle  gelaufen.  Wunde  sieht  in  der  Tiefe  sehr  gut  aus. 
An  der  unteren  Naht  eitern  mehrere  Stichkanäle,  auf  Druck  entleert 
sich  aus  denselben  reichlich  Eiter,  der  offenbar  von  einer  ziemlich  aus- 
gedehnten Fettnekrose  des  Unterhautfettgewebes  herrührt.  Er- 
weiterung der  Stichkanäle,  Ausspülung.   Entfernung  der  letzten  Nähte. 


—     110     — 

29.  10.  OB.  Befinden  dauernd  sehr  gut.  Temp.  normal.  3.  Ver- 
bandwechsel. Keine  Sekretentleerung  aus  den  Stichkanälen  der 
unteren  Naht  mehr,   auch  auf  Druck  nicht.    Wundtrichter    sieht   sehr 

gut  aus. 

31.  10.  03.  Verbandwechsel.  Keine  Sekretion  aus  den  Stich- 
kanälen mehr.    Wunde  sieht  sehr  gut  aus.   Letzte  lange  Fäden  entfernt. 

1.  11.  03.    Steht  auf. 

12. 11. 03.  Keine  Tamponade  des  bereits  engen  Wundtrichters  mehr. 

16.  11.  03.     Wundtrichter  in  der  Tiefe  geschlossen. 

28.  11.  03.  Wundtrichter  völlig  geschlossen.  Wunde  vernarbt. 
Fat.  wird  als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Eine  Kombination  von  Cholecystitis  und  Appen- 
dicitis.  Die  geblähte  vena  portarum  Hess  sich  kaum  vom 
Choledochiis  unterscheiden,  und  erst  bei  Einführung  der  Sonde 
in  den  Choledochus  wurde  man  sich  über  die  anatomischen 
Verhältnisse  klar. 

Nr.  60.     B.  S.,  56  j.  Kaufmannsfran  aus  Osnabrück. 

Aufgen.:  31.  7.  1903. 

Operiert:    2.  8.    1903.      Ectomie.      Appendicectoraie. 

Hepatopexie. 
Entlassen:  10.  9.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  7 mal  geboren.  Angeblich 
hat  Fat.  vor  22  Jahren  an  Eierstocksentzündung  gelitten.  Vor  2  Jahren 
Blinddarmentzündung. 

Vor  28  Jahren,  im  Wochenbett,  bekam  Fat.  den  ersten  Anfall 
von  kolikartigen  Schmerzen  in  der  Magengrube,  der  rechten  Seite 
und  im  Rücken.  Gleiche  Anfälle  traten  seitdem  in  teils  wochen-, 
teils  monate-,  teils  jahrelangen  Abständen  wieder  auf.  Dabei  niemals 
Fieber,  Erbrechen  (ausser  nach  Morphiuminjektion)    oder  Gelbsucht. 

Vor  3V2  Jahren,  nachdem  Fat.  5—6  Jahre  lang  keinen  Anfall 
gehabt  hatte,  traten  wieder  neue  heftige  Kolikanfälle  auf.  Fat.  hatte 
kurz  vorher  einen  Beinbruch  erlitten  und  war  nachher  an  Influenza 
erkrankt. 

Seitdem  traten  die  Anfälle  wieder  sehr  heftig  auf,  die  letzten  im 
Februar  und  dann  im  Mai  1903,  etwa  3  Tage  dauernd.  Erbrechen  und 
Fieber  stellten  sich  nicht  ein,  doch  soll  manchmal  ein  leicht  gelb- 
licher Schimmer  der  Haut  vorhanden  gewesen  sein.  Der  Stuhl  ist 
etwas  verstopft,  in  den  Anfällen  manchmal  hell,  Steine  darin  wurden 
nicht  gefunden. 

Fat.  hat  auch  in  den  Zwischenzeiten  zwischen  den  Anfällen 
immer  etwas  Schmerzen  in  der  Magengrube  und  im  Rücken.  Dabei 
ist  Fat.  äusserst  nervös,  leidet  dauernd  an  Kopfdruck,  Schwindel,  Auf- 
geregtheit, besonders  des  Nachts.  Der  Appetit  ist  gut.  Fat.  ist  mit 
heissen    Umschlägen  (Thermophoren),    Karlsbader  Wasser,    Kuren    in 


—    111    — 

Neuenahr,  in  den  Anfällen  mit  Morphium  (bezw.  Morphium  mit  Bella- 
donna) behandelt  worden.  Auch  eine  Chologen-Kur  hat  Pat.  8  Wochen 
lang  durchgemacht,  ohne  anderen  Erfolg  zu  erzielen  als  Regelung  des 
Stuhlgangs  bezw.  Beseitigung  der  Verstopfung, 

Befund:  Kein  Ikterus,  schlechte  gelbliche  Gesichtsfarbe.  Leber 
gesenkt,  rechter  Leberlappen  massig,  daneben  medial  die  druck- 
empfindliche, gespannte  Gallenblase.    Urin  frei,   Herz,   Lunge  gesund. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  Cholecystitis  chronica. 

Operation:  2.  8.  03  in  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Belz-Char- 
koflf  und  Dr.  Noble-Philadelphia.  Gute  Chloroformnarkose  70  Min. 
(mit  Sauerstoff).  45  gr.  Chloroform.  Wellenschnitt.  Rechter  Leber- 
lappen massig,  Gallenblase  mittelgross,  mit  Netz  verwachsen.  Lösung. 
Punktion  der  Gallenblase,  Aspiration  von  kleinen  Mengen  blutigen 
Serums,  Ectomie  schwierig,  weil  die  morsche  Gallenblase  überall  ein- 
reisst.  Die  art.  cystica  bei  der  £xcision  stark  spritzend,  lässt  sich  in 
der  enormen  Tiefe  nicht  unterbinden,  deshalb  bleibt  eine  König>Klemme 
liegen.  Cysticus  sehr  eng,  ist  sehr  hypertrophisch.  Choledochus  frei. 
Appendix  an  der  Spitze  mit  Netz  verwachsen,  ist  chronisch  entzündet; 
Appendicectomie.  Tamponade  um  die  Klemme  herum ,  Hepatopexie 
mit  2  Suturen.  Naht.  Verband.  Dauer  der  Operation  58  Min.  Gallen- 
blase enthält  im  Hals  einen  runden  Schlussstein,  darüber  im  Cysticus 
noch  einen  kleineren  Stein,  im  Fundus  9  Steine,  überall  Ulcerationen. 
Wandungen  der  Gallenblase  sehr  verdickt.  Von  der  Einwirkung  des 
Chologens  natürlich  keine  Spur  zu  bemerken. 

Verlauf:  3.  8.  03.  In  der. Nacht  und  Vormittags  dreimal  Er- 
brechen von  etwas  Flüssigkeit  mit  Spuren  von  Blut.  Magenspülung, 
im  Magen  etwas  Blut.  Befinden  sonst  gut.  Temp.  morgens  37,5, 
abends  37,7,  Puls  84,  kräftig.  Nachmittags  noch  ab  und  zu  Aufstossen, 
dabei  kommt  öfters  etwas  mit  Blutspuren  vermischte  Flüssigkeit  hoch. 

5.  8.  03.    Befinden  gut. 

11.  8.  03.  Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes.  Heraus- 
nahme der  seitlich  tamponierenden  Gazestreifen.  Klemme  sitzt  noch 
sehr  fest,  wird  daher  liegen,  gelassen. 

16.  8.  03.  Eutfernnng  der  Tamponade,  der  Klemme,  der  Fäden 
und  Nähte.  Gute  Heilung.  Orientierung  in  dem  tiefen  Wundtrichter 
wegen  Blutung  aus  den  Granulationen  nicht  möglich. 

28.  8.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Etwas  Galle  im  Verband, 
Wundtrichter  erheblich  enger. 

1.  9.  03.  Wieder  etwas  reichlicher  Galle  gelaufen.  Entzündete 
Varix  am  rechten  Oberschenkel.     Bettruhe. 

6.  9.  03.     Entzündung  der  Varix  zurückgegangen.    Pat.  steht  auf. 

8.  9.  03.     Neue  entzündete  Varix  etwas  unterhalb  der  alten. 

9.  9.  03.  Noch  Spur  Galle  im  Verband.  Entzündung  der  Varix 
bereits  zurückgegangen. 

10.  9.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem,  engen,  gut  granulierenden 
Wundtrichter  entlassen. 


—  112  — 

Die  mikrosk.  Untersuchung  der  Gallenblase  durch  das  pathol. 
Institut  in  Marburg  ergibt  folgenden  Befund: 

An  der  prall  gespannten  Blase  fällt  mikroskopisch  vor  allem  eine 
beträchtliche  Verdickung  der  Muskulatur  auf,  die  mit  ihren  innersten 
Bündeln  vielfach  in  das  Lumen  vorspringt.  Die  Schleimhaut  ist  überall 
hochgradig  atrophisch  und  nur  noch  am  Hals  teilweise  erhalten.  In 
den  Resten  der  Mucosa  fleckweise  stärkere  Zellinfiltrationen  (spärliche 
eosinophile  Zellen,  hauptsächlich  Lymphocyten).  Zahlreiche  submucöse 
kleine  Blutungen. 

Epicrise:  Ein  Arzt  hatte  von  der  Operation  abgeraten 
wegen  der  Nervosität  der  Kranken ;  gerade  deshalb  schlug  ich 
die  Operation  vor.  Ein  anderer  sagte:  Ich  kann  nichts  fühlen, 
deshalb  keine  Operation!  Es  war  genug  zu  fühlen,  ausserdem 
sprach  die  Anamnese  sehr  für  die  Operation.  —  Die  Unter- 
bindung der  art.  cystica  war  sehr  schwer;  ich  rate,  in  solchen 
Fällen  die  Klemme  liegen  zu  lassen,  sonst  kann  es  leicht 
passieren,  dass  die  Arterie  sich  unter  der  Sutur  retrahiert  und 
eine  schwere  unstillbare  Blutung  erfolgt.  —  Von  einer  Ein- 
wirkung des  Chologens  war  bei  8  Wochen  langem  Gebrauch 
(täglich  1--3  Tabletten)  gar  nichts  zu  bemerken.  Das  Chologen 
wirkt,  wie  jedes  Abführmittel,  auf  die  Cholecystitis  günstig 
ein,  eine  lösende  Kraft  hat  es  bestimmt  nicht. 

Nr.  61.    M.  V.,  66  j.  Witwe  aus  London. 

Aufgen.:  8.  6.  1903. 

Operiert:  12.  6.  J,903.    Ectomie.    Appendicectomie. 
Entlassen:   7.  7.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:   Pat.  ist  immer  gesund  gewesen,   hat  nur  1866  an 
Typhus  gelitten  und  leidet  jetzt  etwas  an  Gicht. 

Ein  Onkel  der  Pat.  ist  an  Gelbsucht  gestorben. 
Im  Jahre  1868  nach  einer  Entbindung  litt  Pat.  3  Monate  lang  an 
Gelbsucht.    Pat.  hatte  während   dieser  Zeit  Schmerzen   im  Kreuz  und 
fühlte  sich  sehr  matt.    Kolikanfälle  waren  nicht  aufgetreten. 
Pat.  war  dann  wieder  ganz  gesund  bis  zum  Jahre  1897. 
1897    nach   dem    Hebej»    einer    schweren    Last    plötzlich    heftige 
kolikartige  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube,  nach  rechts  bis 
in  den  Rücken  und  das  rechte  Schulterblatt  ausstrahlend,  dabei  starke 
Herzangst.    Der  Anfall  dauerte  einige  Stunden;  nach  8  Tagen  stellten 
sich  gleiche,  jedoch  weniger  heftige  Kolikanlällo  ein. 

Pat.  hatte  dann  monatelang  Ruhe.  Dann  traten  die  gleichen, 
mehr  oder  weniger  intensiven  Kolikanfälle  nach  unregelmässigen,  an- 
fallfreien Zwischenzeiten  wieder  auf.  Leichte  Gelbsucht  soll  während 
der  heftigsten  Anfälle  vorhanden  gewesen  sein,  ebenso  Fieber.    Auch 


—     113     — 

trat  dabei  Erbrechen  auf,    besonders  nach  Einnahme   von    Morphium- 
piilvern.    Einmal  hatte  Pat.  fast  1  Jahr  lang  Ruhe. 

1902  wieder  mehrere  Anfälle,  der  letzte  zu  Weihnachten. 

1903  Ruhe,  abgesehen  von  kleinen  Anfallen,  bei  denen  einige 
Stunden  Unbehagen  und  leichte  Schmerzen  in  der  Magengrube  be- 
standen; letzter  heftiger  Anfall  Anfang  April.  Es  traten  dabei  inner- 
halb 24—30  Stunden  3  heftige  Anfälle  auf.  Etwas  Gelbsucht,  Fieber. 
Stuhl  war  an  einigen  Tagen  etwas  heller.  Urin  dunkel,  schäumend. 
Dabei  Erbrechen.  Pat.  war  sehr  matt,  lag  14  Tage  zu  Bett.  Steine 
im  Stuhl  wurden   nie   gefunden.     Stuhl    unregelmässig  (Verstopfung). 

Letzter  leichter  Anfall  auf  der  Reise  von  England  hierher. 

In  den  Zwischenzeiten  zwischen  den  Anfällen,  wie  auch  jetzt, 
ist  Pat.  völlig  beschwerdefrei. 

Pat.  w^urde  mit  heissen  Umschlägen,  Karlsbader  Wasser,  Medika- 
menten, Morphiurapulvern  und  Einspritzungen  (nur  bei  heftigen  An- 
fällen, zuletzt  1908)  behandelt. 

Die  Herren  Professor  Kassowitz-Wien  und  Dr.  Midwinter- 
London  senden  uns  Pat.  zu.  ; 

Befund:  Gallenblase  prall  gespannt,  etwas  druckempfindlich. 
Kein  Ikterus.    Leber  normal. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis. 

Operation:  12.  6.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  nicht 
verwachsen,  enthält  im  Cysticus  kleine  Steine.  Ectomie  in  10  Min. 
Appendix  nach  oben  geschlagen,  etwas  starr,  wird  entfernt.  Gallen- 
blase wenig  entzündet,  aber  im  Cysticus,  perlschnurartig  aneinander- 
gereiht, kleine  Steine.  Ca.  80  in  der  Gallenblase.  Dauer  der  Operation 
40  Min.     Gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose  (40  gr.). 

Verlauf:  Fieberfrei  und  gut.  Am  17.  7.  03  in  guter  Gesundheit 
entlassen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  makroskopisch  nicht  sehr 
verändert  erscheinenden,  tief  grün  gefärbten  Blase  lässt  im  Fundus  ein 
im  allgemeinen  gut  erhaltenes  Epithel  erkennen,  das  nur  an  den  Spitzen 
der  Zotten  hier  und  da  Defekte  ohne  entzündliche  Veränderungen  der 
darunterliegenden  Wandsehicht  zeigt.  Die  intakte  Muskulatur  wird 
stellenweise  von  tiefen  Epitheleinsenkungen  durchdrungen.  Der  Hals- 
teil zeigt  eine  stark  ulcerierte  Oberfläche,  zellige  Infiltration  der  ganzen 
Wand,  sowie  Verdrängung  der  Muskulatur  durch  enorme  Verdickung 
des  hyalinen   intermuskulären  Gewebes. 

Epicrise:  Dass  wir  mit  der  gleichzeitigen  Entfernung  der 
Appendix  bei  unseren  Gallensteinoperationen  rasch  bei  der 
Hand  sind,  darauf  habe  ich  schon  oft  hingewiesen.  Ich  halte 
es  für  ein  Unrecht,  einen  nicht  ganz  normalen  Wurmfortsatz 
zurückzulassen,  wenn  man  gerade  den  Bauch  auf  hat  und  das 
nichtswürdige  Anhängsel  sich  dem  operierenden  Arzt  frech 
präsentiert. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationan.  8 


—     114     — 

Nr.  62.     A.  W.,  30 j.  Lehrerin  aus  Hall«  a.  8. 

Aufgen.:  26.  10.  1901. 

Operiert:  28.  10.  1901.     Ectomie.    Resektion  des  die 
Gallenblase  bedeckenden,  vernarbten  Leberlappens, 
Hepatopexie. 
Entlassen:  2.  1.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  hat  als  junges  Mädchen  zuweilen  an  Magen- 
krämpfen gelitten.  Vor  9  Jahren  machte  sie  eine  „Blinddarmentzündung" 
durch.  Sie  lag  damals  3  Monate  zu  Bett.  In  der  Folge  stellten  sich  in  Pau- 
sen von  2-  3  Monaten  Rückfälle  von  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend 
ein,  die  in  den  letzten  3  Jahren  seltener  wurden  und  dann  ganz  ver- 
schwanden. Doch  behielt  Fat.  immer  eine  starke  Empfindlichkeit 
gegen  Druck  in  der  rechten  Unterbauchgegend. 

Seit  Ffingsten  dieses  Jahres  hat  Fat.  neuerdings  Schmerzen  in 
der  Gegend  der  Leber.  Es  stellte  sich  dort  ein  bohrender,  drückender 
Schmerz  ein,  der  immerfort  anhielt,  zuweilen  etwas  stärker  wurde, 
sich  beim  Bücken  steigerte.  Fat.  hatte  stets  das  Gefühl,  als  ob  ihr 
rechts  im  Leib  etwas  stecke,  was  nicht  hingehört.  Dabei  besteht 
guter  Appetit,  geregelte  Verdauung.  Ikterus  ist  nie  vorhanden  ge- 
wesen.   Kein  Erbrechen.    Auch  keine  Erscheinungen  von  Fieber. 

Befund:  Grosse,  kräftige  Ferson.  Herz  und  Lungen  gesund.  Kein 
Ikterus.    Grosser  Tumor  der  Gallenblase  mit  allen  Merkmalen  palpabel. 

Diagnose:  Hydrops  der  Gallenblase.     (Appendix?) 

Operation:  28.  10.  Ol.  Wellenschnitt.  Grosser  Hydrops  der 
Gallenblase  mit  Netz  verwachsen.  Ectomie  der  (rallcnblase  samt  dem 
darüberliegenden  narbig  veränderten  Lebergewebe.  Cysticusstein  voll- 
ständig unverschieblich.  In  der  Gallenblase  wässriger  Schleim  und 
ca.  50  Steine  bis  Erbsengrösse.  Tamponade.  Choledochus  frei.  Dauer 
der  Operation  40  Min.  Gallenblasenwand  sehr  verdünnt.  Coecum, 
Appendix  normal. 

Verlauf:  28.  10.    Fieberfrei. 

11.  11.  Ein  Teil  der  Tamponade  entfernt.  Da  einige  Tampons 
festsitzen,  wird  die  tiefe  Tamponade  noch  belassen. 

14.  11.  Weitere  Entfernung  von  Tampons.  Sämtliche  Nähte  und 
Fäden  werden  entfernt.    Ein  Tampon  bleibt  noch  liegen. 

19.  11.  Es  gelingt,  den  letzten,  von  der  Operation  noch  vor- 
handenen Tampon  zu  entfernen.  Wundtrichter  tief,  aber  allenthalben 
mit  guten  Granulationen  bedeckt.    Abends  38,7. 

20.  11.  38^5—37,8.  Auf  der  Magenwand  im  Wundtrichter  eino 
umschriebene,  nekrotische  Stelle.  Klagt  seit  gestern  Abend  über 
Schmerzen  in  der  Wunde. 

21.  11.    37,3-37,8.    Schmerzen  geringer. 

23.  11.  Fieberfrei.  Ohne  Beschwerden.  Verbandwechsel.  Di& 
nekrotischen  Stellen  abgestossen.  Wunde  mit  guten  Granulationen 
ausgefüllt.    Steht  auf. 

6.  12.    Abends  38,9.    Klagt   heute   über   Stechen   auf  der    Brust 


—     115     — 

beim  Atmen  und  über  Schmerzen  im  rechten  Unterschenkel.  Der  rechte 
Unterschenkel  etwas  praller  als  der  linke  und  sehr  stark  driickem* 
pflndlich.  Keine  Stränge  zu  fühlen.  Auf  den  Lungen  nichts  nach- 
weisbar.   Es  besteht  leichter  Hustenreiz. 

7.  12.    39,0-39,0. 

8.  12.  38,5  —  40,6-37,5.  Morgens  gegen  11  Uhr  Schüttelfrost. 
Darnach  40,6.  Es  besteht  1.  h.  o.  über  der  Spina  scapulae  entferntes, 
leises  Bronchialatmen.  Über  dem  rechten  Oberlappeu  diffuse  spärliche 
Rhonchi. 

9.  12.  37,5—39,6.  Nachts  leichter  Frost.  Noch  Schmerzen  im 
rechten  Bein. 

10.  12.  37,5—38,7.  Das  rechte  Bein  immer  noch  geschwollen  und 
druckempfindlich.    Kein  Husten,  kein  Auswurf, 

14.  12.  37,2.  Gestern  Verbandwechsel  nötig  wegen  plötzlichen 
dralleiifinsses.  Heute  Verband  trocken.  R.  Unterschenkel  weicher  und 
weniger  druckempfindlich. 

20.  12.  Fieberfrei.  Verbandwechsel.  Unterschenkel  nicht  mehr 
geschwollen  und  druckempfindlich.     Wunde  in  guter  Granulation. 

27.  12.    Fat.  steht  aaf. 

2,  1.  02.  Fat.  ist  dauernd  ausser  Bett.  Von  Seiten  des  Unter- 
schenkels keine  Erscheinungen  mehr.  Wunde  granuliert  sehr  gut. 
Es  besteht  noch  ein  ca.  IV2  cm.  breiter,  3  cm.  tiefer  Gang.  Will  sich 
in  Blankenburg  von  Herrn  Kreisphysikus  Sanitätsrat  Dr.  Klöppel 
weiter  verbinden  lassen. 

.  Epicrise:  Ein  leicht  zu  diagnostizierender  Fall  von 
Hydrops  der  Gallenblase.  Während  der  Nachbehandlung  trat 
eine  Pneumonie  und  Tlirombose  der  Schenkelvene  ein  — 
nach  Laparotomien  nicht  ganz  seltene  Zufälle. 

Im  April  1902  stellte  sich  Pat.  in  bestem  Befinden  vor; 
sie  hatte  bedeutend  an  Körpergewicht  zugenommen. 

Nr.  63.    E.  R.,  39j.  Fabrikantenfrau  aus  Tomaszow  (Russland). 

Aufgen.:  10.  6.^1904. 

Operiert:  12.  6.  1904.     Ectomie.     Appendicectomie. 
Noch  in  Behandlung. 
Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  2 gesunde  Kinder.    Ausser 
an  einer  Dickdarmentzündung  ist  sie  nie  erheblich  krank  gewesen. 

1893  traten  die  ersten  leichten,  kurzdauernden  Magenkrämpfe 
auf,  die  in  gleicher  Weise  weiterhin  alle  paar  Wochen  oder  Monate 
sich  einstellten. 

1896  trat  der  erste  schwere  Kohkanfall  auf.  Starke  Kolik- 
schmerzen, von  der  Magengegend  besonders  nach  rechts,  bis  in  den 
Rücken  ausstrahlend,  dabei  galliges  Erbrechen  und  ca.  14tägige  Gelb- 
sucht. Derartige  schwere  Anfälle  stellten  sich  dann  jährlich  1— 3mal, 
fast  regelmässig  im  Frühjahr  und  Herbst,  ein,  jedoch  ist  Gelbsucht 
nicht  wieder  vorhanden  gewesen. 

8* 


—     116     — 

Seit  der  letzten  Entbindung  vor  4  Jahren,  bei  weicher  gleich- 
falls Koliiien  auftraten,  fühlt  sich  Pat.  nicht  mehr  wohl,  ist  matt, 
schwach  und  blutarm.  Dabei  bestehen  fast  andauernde  leichte 
Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  besonders  in  der  Gallenblasengegend. 
Der  letzte  heftige  Kolikanfall,  ebenfalls  ohne  Gelbsucht,  stellte  sich 
vor  2  Jahren  ein.  Es  wurde  eine  Entzündung  und  Anschwellung 
der  Gallenblase  (ev.  Blinddarmentzündung?)  festgestellt.  Pat.  war  im 
ganzen  6  Wochen  lang  krank  und  hatte  dauernde  sehr  heftige 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend.  Herr  Prof.  Nothnagel  in  Wien 
riet  bereits  damals  zur  Operation. 

Seitdem  hat  Pat.  andauernde,  bald  leichtere,  bald  stärkere 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend,  ab  und  zu  auch  Magenschmerzen, 
die  bei  jeder  auch  geringen  Anstrengung  wie  Gehen,  Bücken  u.  s.  w. 
heftiger  wurden.  Jedoch  trat  ein  e'gentlicher,  ausgesprochener  Kolik- 
anfall nicht  mehr  auf.  In  letzter  Zeit  sind  die  Schmerzen  eher  etwas 
besser,  doch  ist  das  Allgemeinbefinden  schlechter,  Pat.  fühlt  sich  matt 
und  schwach.  Der  Appetit  ist  leidlich,  das  Körpergewicht  hat  erheb- 
lich abgenommen.  Der  Stuhl  ist  oft  verstopft.  Steine  sind  im  Stuhl 
nicht  gefunden  worden.  Pat.  hat  vielerlei  Kuren  durchgemacht. 
(Traubenkuren,  Oelkur,  Karlsbader  Kur  etc.) 

Herr  Dr.  Narewski  aus  Tomaszow  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Anämische,  elende  Frau.  Herz  gesund,  Urin  frei. 
Gallenblasengegend  sehr  druckempfindlich,  kein  deutlicher  Tumor. 
Rechter  Leberlappen  gesenkt,  etwas  Plätschern  über  dem  Magen, 
motorische  Funktionen  verlangsamt.     Kein  Ikterus. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis  (Empyem);  Verwachsungen 
zwischen  Gallenblase  und  Pylorus.  Die  Anämie  lenkt  Verdacht  auf 
komplicierendes  Ulcus,  doch  sind  Blutungen  nicht  beobachtet. 

Operation:  12.  6.  04.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt.  Gallen- 
blase gross,  massig  gespannt,  mit  Pylorus  verwachsen.  Leichte 
Trennung  mit  der  Cooper'schen  Schere.  Eine  Unterbindung  des 
blutenden  Netzes.  Gallenblase  ist  wandvei'dickt,  enthält  im  Hals 
einen  haselnussgrossen  Stein,  der  sich  leicht  funduswärts  drücken 
lässt.  Leber  lässt  sich  gut  umkippen.  Der  Fundus  der  Gallenblase 
ist  divertikelartig  ausgebuchtet.  Bei  der  Excision  ist  die  Isolierung 
der  Gallenblase  vom  Leberbett  schwierig;  die  Gallenblase,  au  ihrer 
Hinterfläche  äusserst  morsch,  reisst  ein,  und  es  entleert  sich  etwas 
trübes,  eitriges  Dekret  in  die  Absperrungstaniponade.  Deshalb  völlige 
Entleerung  der  Gallenblase,  die  nach  rechts  gezogen  ihren  Inhalt  in 
eine  ausgekochte  Schale  entleert.  2  haselnussgrosse  und  1  erbsengrosser 
Stein  werden  neben  eitriger  Flüssigkeit  entfernt.  Die  Gallenblase  wird 
mit  einem  Gazestreifen  ausgestopft  und  am  Fundus  abgeklemmt.  Bei 
ilirer  Trennung  vom  Leberbett  wird  eine  bleistiftstarke  Vene,  die 
stark  blutet,  verlet/t.  Umstechung,  darunter  Draht.  Noch  2  Um- 
etechungen  im  Leberbett  (darunter  Draht).  Drüse  am  Cysticus  sehr 
gross,  aber  nicht  sehr  bart.  Excision  sonst  leicht.  Die  Gallenblase  zeigt 
im  Hals  ein  Ulcus  mit  aufgeworfenen,  papillomatösen  Rändern,  Cysti- 


—     117     — 

cusschleimhaut  normal  und  zart.  Cysticus  sehr  eng.  Da  wo  die  Gallen- 
blase am  Leberbett  eingerissen  ist,  ist  ebenfalls  ein  Ulcus  vorhanden. 
Tamponade  mit  2  Streifen.  Choledochus  frei,  kein  Ulcus  am  Magen  oder 
Duodenum  nachweisbar.  Appendix  lang,  verdickt,  enthält  2  Kotsteine 
und  stinkenden  Kot,  wird  entfernt.  Auf  eine  Hepatopexie  wird  ver- 
zichtet, da  die  Tamponade  allein  die  Leber  gehörig  nach  oben  drängt. 
Schluss  der  Bauchwunde  durch  Durchstichknopfnähte.  Dauer  der 
Operation 50  Min.   Sehr  gute  Sauerstofi'-Chloroformnarkose,  60  Min.  35  gr. 

Verlauf:  Sehr  gut.  Am  25.  6.  04  Entfernung  der  Tampons  und 
der  meisten  Fäden.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Der  Wundtrichter 
ist  ziemlich  eng,  bei  dem  Auseinanderhalten  mit  den  beiden  grossen 
Wnndhakeu  löst  man  in  der  Tiefe  den  Magen  etwas  von  der  Leber,  so 
dass  glänzende  Serosa  zum  Vorschein  kommt.  Äeue  lockere  Tamponade. 
Weitörhin  sehr  guter  Verlauf. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  ergibt  Folgendes : 

Makroskopisch:  Verdickung  der  Gallenblasenwand;  feinkörnige 
Schleimhaut;  am  Fundus  kirsohkerngrosse  Ausbuchtung.  Dicht  unter- 
halb derselben  ein  Defekt  der  Wand,  übergehend  in  einen  anscheinend 
mechanisch  entstandenen  Riss ;  dieser  Partie  entspricht  aussen  ein 
gelblich-braungefärbtes  Gewebe,  das  mehrere  mm.  dick  der  Gallen- 
blasenwand aufsitzt. 

Mikroskopisch:  An  der  Stelle  der  bräunlichgelärbten  Partie 
findet  sich  ein  im  Peritoneal-Gewebe  gelegener  typischer  Gallenabscess. 
Die  Schichten  der  Gallenblasenwand  sind  gering  kleinzellig  infiltriert, 
entlang  den  Nerven  befinden  sich  eigentümlich  halbgekörnte  Zellen. 
(Path.  Institut  in  Marburg.) 

Epicrise:  Die  Pat.  hatte  unter  dauernden  Beschwerden 
zu  leiden,  da  der  Infect  in  der  Gallenblase  niemals  ganz  er- 
loschen war.  Sie  war  sehr  elend  und  anämisch  geworden,  so 
dass  man  auch  an  Ulcus  pylori  denken  konnte.  In  technischer 
Beziehung  ist  die  Umstechung  der  weitklaflf enden,  sfark 
blutenden  Yene  im  Leberbett  zu  erwähnen  und  die  Notwendig- 
keit der  Entleerung  der  Gallenblase  vor  der  Excision.  Da 
die  Operation  sonst  glatt  verlaufen  war,  wurde  der  verdickte 
Wurmfortsatz  gleich  mitentfernt. 

Nr.  U.    M.  F.,  50  j.  Frl.  aus  Stettin. 

Aufgen.:  28.  4.  1904. 

Operiert:  30.  4.  1904.    Ectomie.    Cysticotoniie.    Chole- 

dochotomie.     Appendicectomie. 
Entlassen:  22.  6.  1904.     Geheilt. 
Die  Anamnese    stammt    von    Herrn    Dr.  Br  e  tsc  hn  e  ider    in 
Rom  und  lautet: 

„Der  Vater  der  Pat.  starb  79j.  an  Lungenentzündung,  die  Mutter 
50j.  an  Carcinoma  uteri.     Von    13  Geschwistern    sind  3  an   Carcinom, 


-      118     — 

2  an  Darmdurchbruch   gestorber;,   von   3  lebenden   Schwestern    leidet 
eine  an  Gallensteinen,  eine  zweite  ist  „magenleidend". 

Während  der  Kindheit  Masern  und  Scharlach. 

13  Jahre  alt:  Typhus  abdomin.  nebst  Diphteritis  der  äusseren 
Genitalien.       Seitdem  immer  blutarm  und  „viel  Magensäure". 

27  Jahre  alt:  1.  Gallensteinkolik  (4— 5  Tage  krank  ohne  Ikterus). 
Darauf  3  Sommer  in  Karlsbad  und  2  Sommer  in  Franzensbad.  Trotzdem 
fortwährend  Magenstörungen  („ich  habe  in  einem  fortwährenden 
Magenkatarrh  gelebt"),  Hyperacidität,  konstanter  Zungenbelag,  viel 
Appetitlosigkeit;  hat  vielfach  von  Suppen  gelebt. 

44  Jahre  alt:  5— 6  Monate  lang  Analfissuren. 

Seit  dem  20.  Lebensjahr  chronischer  Katarrh  der  oberen  Luft- 
wege. Auch  vielfach  wegen  „Unterleibskatarrh"  behandelt  worden, 
auf  welchen  die  ^Magenbeschwerden"  oft  zurückgeführt  wurden. 

50  Jahre  alt : 

a)  Januar  1903:  aus  einem  Eisenbahnwagen  gefallen  und  rechts 
hinten  auf  den  Rücken  aufgeschlagen. 

b)  September  1903:    Kolik  ohne  Fieber   und   ohne  Ikterus:    bheb 

3  Tage  zu  Bett. 

c)  Oktober  1903:  Heft'ger  Fieberanfall  (39,8)  ohne  besondere 
Schmerzen:  seitdem,  eigentlich  ununterbrochen,  ein  Gefühl  von  Unbe- 
hagen in  der  rechten  Seite,  häufig  Stiche  im  Rücken,  grosse  Schwäche 
und  Energielosigkeit,  „Magen  sehr  schwach",  Appetitlosigkeit  („ich 
fühlte  mich  immer  recht  krank  und  wusste  nicht,  wo  es  mir  sass"). 

d)  Januar  1904:  Fat.  tritt  eine  P]rholungsreise  nach  dem  Süden 
an.  Die  ersten  14  Tage  an  der  Riviera  (Beaulieu)  rufen  eine  grosse 
Besserung  des  Allgemeinbefindens  und  des  katarrhalischen  Zustandes 
der  oberen  Luftwege  hervor.  Bald  treten  aber  die  Magenbeschwerden 
wieder  auf,  einige  Tage  akuter  Schmerz  im  Mastdarm  während 
der  Defäkation  (träge  Stühle  1),  der  aber  nach  Anwendung  von  Pur- 
gantien  vergeht. 

e)  Februar  1904:  Halsentzündung  in  Florenz. 

f)  Rom:  4.— 5.  März:  Kolik  („Magenkrämpfe"),  7. — 17.  März  hohes 
Fieber  von  39,8  ab,  welches  im  Laufe  der  10  Tage  nach  und  nach  ab- 
liess:  nächtliche  und  morgentliche  Remissionen  mit  Schwoiss.  Das 
ganze  rechte  Hypochondr.  ist  gegen  Druck  schmerzhaft.  Leber  nicht 
vergrössert;  unter  dem  Leberrand  palpiert  man  eine  ziemlich  genau 
abgrenzbare  mandarinengrosse  glatte  pralle  Geschwulst,  die  mit  den 
Inspirationsbewegungen  viel  deutlicher  hervortritt.  Die  Geschwulst 
selbst  ist  äusserst  schmerzhaft.  Kein  Ikterus.  18.— 23.  März :  Das 
Fieber  ist  verschwunden,  die  Geschwulst  ist  taubeneigross,  weniger 
schmerzhaft,  aber  immer  noch  recht  empfindlich. 

24.-29.  März:  Fat.  steht  täglich  etwas  auf  und  geht  auch  einige 
Schritte  spazieren.  Ausgesprochenes  Unbehagen  nebst  Gefühl  von 
Druck  und  Ziehen  im  ganzen  „rechten  Leib". 

30.  März:  Erneuter  Kolikanfall. 


—     119     — 

1.— 15.  April:  Pat.  ist  bettlägerig,  wagt  es  nicht  aufzustehen,  weil 
sie  das  Gefühl  hat,  die  Krämpfe  könnten  wieder  auftreten;  sie  isst 
wenig,  weil  der  Magen  nicht  viel  verträgt,  daher  deutlich  zunehmende 
Abmagerung,  jedoch  ohne  Zeichen  einer  wirklichen  Kachexie. 
Manchmal  am  Abend  Temperaturerhöhungen.  Die  Geschwulst  unter 
dem  Leberrand  ist  kaum  noch  zu  fühlen,  die  Palpation  ist  aber  stets 
unangenehm. 

Ich  rate  der  Pat.,  ihre  Erholungsreise,  weil  zwecklos,  vorläufig 
aufzugeben  und  sich  Prof.  Kehr  in  Halberstadt  vorzustellen." 

Befund:  Elend  aussehende  Pat.  ohne  Ikterus.  Gegend  der  Gallen- 
blase sehr  druckempfindlich,  in  der  Tiefe  ein  runder  Tumor  tastbar. 
Gegend  der  Appendix  empfindlich.  Kein  Fieber.  Leber  nicht  ver- 
grössert.     Urin  frei. 

Diagnose:  Abgelaufene  Cholecystitis,  Appendix  (?). 

Operation:  30.  4.  04.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  prall 
gespannt^  Leber  nicht  vergrössert.  Gallenblase  lässt  sich  extraperito- 
neal lagern,  wird  iucidiert;  die  ansfliessende  dicke  schwarze  Galle 
wird  durch  ein  untergehaltenes  steriles  Emaillebecken  aufgefangen. 
Sehr  viele  kleine  Steine,  eingebettet  in  breiartige  Qalle.  Gallenblase 
ist  nicht  verwachsen,  lässt  sich  aber,  trotzdem  der  Schnitt  über  den 
proc.  xiphoideus  hinausgeht,  sehr  schwer  freilegen,  da  die  Leber  sehr 
hoch  liegt.  Es  macht  kolossale  Schwierigkeiten,  das  lig.  hepato-duo- 
denale  zu  Gesicht  zu  bekommeji.  Im  Hals  der  Gallenblase  festsitzend 
ein  Stein,  grösser  wie  eine  Walnuss,  wird  nach  Erweiterung  der 
Gallenblasenincision  entfernt.  Im  Cysticus  wenig  verschieblich  ein  Stein. 
Er  lässt  sich  aber  nicht  in  die  Gallenblase  schieben.  Deshalb  Cysti- 
cotomie.  Aus  dem  Cysticusschnitt  fliesst  dicke  teerartige  Galle  ab. 
Die  Gallenblase  ist  um  das  3  fache  vergrössert,  sehr  wand  verdickt,  und 
es  scheint  das  Beste,  sie  zu  exstirpieren.  Die  Excision  ist  technisch 
sehr  schwer,  da  der  Hals  der  Gallenblase  sich  nach  oben  —  unter  das 
lig.  hepato-duoJenale  —  hochgradig  ausgebuchtet  hat.  Erst  naclidem 
die  beiden  Äste  der  Art.  cystica  von  der  Wand  der  Gallenblase  abge- 
löst und  nnterbnndeu  sind,  lässt  sich  der  Hals  der  Gallenblase  isolieren 
und  der  ductus  cysticus  stielen.  Dicht  am  Choledochus  stecken  im  Cysti- 
cus noch  2  kleine  Konkremente.  Cysticus  wird  bis  in  den  Choledochus 
hinein  gespalten,  in  dem  keine  Steine  mehr  nachweisbar  sind.  Chole- 
dochusgalle  ganz  klar.  Das  gespaltene  vordere  Blatt  des  Hg.  hepato- 
dnodenale  wird  durch  einige  feine  Suturen,  die  lang  bleiben,  über  der 
Choledochusincision  wieder  vereinigt,  der  Cysticus  in  sich  vernäht. 
3  Tampons  auf  Leberbett  und  Choledochusnaht.  —  Die  Appendix  ist  chro- 
nisch entzündet,  nach  oben  hoch  geschlagen,  enthält  Kotsteine,  ist  sehr 
verwachsen  und  wird  entfernt.  Schleimhaut  geschwollen,  von  kleinen 
Hämorrhagien  durchsetzt.  Naht  der  Bauchwunde.  Die  Tampons  werden 
n  der  linea  alba  herausgeleitet,  so  dass  der  ganze  musc.  rect.  abd. 
wieder    vereinigt    wird.     (Vergl.  Figur    Nr.  4.)      Dauer    der    überaus 


—     120     — 


schwierigen  Operation  1 V«  Stunden.     Sehr  gute  Sauerstoflf-Chloroform- 
narkose. 

Das   pathol.  Institut   in  Marburg  berichtet  über   den  Befund  der 
Gallenblase  folgendes: 

Gallenblase    mit  feinwarziger   Hypertro- 


Chronische   Cystitis 
phie  der  Schleimhaut. 
Fig.  4. 


der 


An  den  mikroskopischen  Quer- 
schnitten durch  die  Gallenblasenwand 
sieht  man  die  Oberfläche  derselben  sehr 
stark  gefältelt,  mit  zahlreichen  krypten- 
artigen Einsenkungen  des  Oberflächen- 
epithels versehen.  Doch  dringen  diese 
Stelle  der  Einsenkungen  nur  selten  in  die  eigent- 
Tamponade  Ußi^g  Muskelschicht  vor.  Die  kleinen 
drüsenförmigen  Einsenkungen  stehen 
ganz  dicht  nebeneinander,  ähnlich  wie 
bei  den  Wucherungen  des  Oberflächen- 
epithels der  Harnblase  bei  der  sogenann- 
ten Cystitis  grauulosa :  Das  Gallenblasen- 
epithel, auch  dasjenige,  welches  die  Ein- 
senkungen auskleidet,  ist  grösstenteils 
ein  einfaches  Zylinderepithel,  doch  finden 
sich  auch,  besonders  in  der  Tiefe  der  Ein- 
senkungen, grössere  Epithelstrecken  mit  deutlicher  Verschleimung  de» 
Protoplasma.  Die  Muskularis  ist  etwas  verdickt  durch  Hypertrophie  ihrer 
Fasern.  Sonst  zeigt  sie  nichts  Besonderes.  Der  bindegewebige  Anteil 
der  Schleimhaut  zeigt  ebenfalls  keine  besonderen  Veränderungen. 

Verlauf.    Ohne  Besonderheiten  völlig  fieberfrei.     Am  7.  5.  Ent- 
fernung sämtlicher  Tampons,  da  Fat.  in  den  letzten  Tagen  immer  über 
etwas  Magendruck  klagte.     Einige  Durchstichknopfnähte   werden    be- 
reits entfernt,  da  sie  durchschneiden. 
Weiterer  Verlauf  normal. 

22.  6.  04.  Geheilt  entlassen.  Geht  in  den  Harz  zur  weiteren 
Erholung. 

Epicrise:  Die  zweite  Gallensteinoperation  nach  dem 
Chirurgenkongress  1904.  Die  Technik  war  so  schwierig,  dass 
mir  zu  Mute  war,  als  ob  ich  überhaupt  erst  einige  Gallenstein- 
operationen gemacht  hätte.  Und  dabei  war  es  Nr.  914!  Ich 
musste  immer  dar^n  denken,  wie  K,iedel  darauf  hinwies,  dass, 
wenn  man  nur  gehörig  die  Bauchdecken  durchschneide,  gar 
keine  Schwierigkeiten  „resultieren".  Nun,  mein  Schnitt  war 
gross  genug,  aber  ich  hatte  solche  Schwierigkeiten,  dass,  wenn 
ich  nicht  genügend  Übung  in  der  Gallensteinchirurgie  gehal>t 
hätte,  ich  sicher  nicht  zu  Ende  gekommen  wäre.  Trotz  hin- 
reichend grosser  Bauchwandincision  bleiben  oft  genug  Schwierig- 


—      121     — 

keiten  zurück,  die  nur  ein  erfahrener  Laparotomist  bewältigen 
wird!  Was  Riedel  sagt,  trifft  nur  für  die  mageren  Frauen  mit 
Hepatoptose  zu ,  häufig  verfügen  die  Pat.  aber  über  sehr  fette 
Bauchdecken,  und  sehr  oft  liegt  die  Leber  so  hoch,  dass  man 
in  grösster  Tiefe  operieren  muss. 


d)   Ectomie  wegen  Carcinom.     (Leberresektion). 

Nr.  65.     E.  K.,  47  j.  Kaufmaimsfraii  aus  Torgau. 

Aufgen.:  20.  6.  1903. 

Operiert:     22.   6.    1903.      Ectomie.      Leberresektion. 

(Carcinom).' 
Entlassen:  20.  7.   1903.     Ungeheilt. 

Anamnese:  Herr  Oberstabsarzt  Dr.  Rüger-Torgau  sendet  uns 
die  Pat.  mit  beifolgender  Anamnese  zu: 

„Vor  einigen  Tagen  wurde  ich  von  Frau  Kaufmann  K.  aus  Torgau 
konsultiert.  Dieselbe  ist  47  Jahre  alt,  seit  ca.  15  Jahren  leidend,  an- 
geblieh an  Magenkrämpfen  und  Appetitlosigkeit,  Gicht.  Sie  hat  sechs 
Entbindungen  und  3  Aborte  durchgemacht,  ohne  besondere  Zwischen- 
fälle. Seit  4—5  Jahren  ist  sie  gänzlich  arbeitsunfähig,  hat  ein  Gefühl 
von  Druck  und  Schmerz  im  Leib,  sie  hat  verschiedene  Bäder  gebraucht, 
Teplitz,  Augustusbad,  natürlich -auch  Naturheilaustalt,  zuletzt  Elster. 
Ein  Gynäkologe  hat  einen  Maier'schen  Ring  eingelegt,  angeblich  wegen 
Vorfall,  ich  habe  ihn  hegen  lassen,  da  er  keine  Beschwerden  macht. 
Bald  nach  der  Rückkehr  von  Elster  im  September  1902  Schmerzen  in 
der  Gallenblasengegend,  dunkelbrauner  Urin  mit  gelblichem  Schein, 
kein  Ikterus.  Diese  Schmerzen  haben  bis  November  1902  angehallen, 
sind  dann  vorübergehend  besser  geworden,  sind  aber  immer  von  Zeit 
zu  Zeit  wieder  aufgetreten,  bis  im  Februar  ein  typischer  Anfall  mit 
heftigen  Kolikschmerzen,  Ikterus,  galligem  Erbrechen,  dunkelbraunem 
Urin  auftrat;  seit  dieser  Zeit  bestehen  fast  dauernd  Schmerzen,  doch 
ist  die  Abmagerung  nicht  erheblich  grösser  geworden,  trotz  sehr  ge- 
ringer Nahrungsaufnahme,  nur  die  allgemeine  Schwäche  ist  grösser 
geworden.  Bei  der  ersten  Untersuchung  fand  ich  eine  kleine,  gracile, 
stark  abgemagerte  Frau  ohne  eigentlich  kachektisches  Aussehen,  Herz, 
Lungen  normal,  Zunge  belegt,  Leib  eingesunken,  Magen  anscheinend 
nicht  vergrössert,  (ohne  Aufblähung  untersucht).  Kein  Fieber,  Urin 
hellgelb,  klar,  ohne  Eiweiss  und  Zucker.  In  der  Gallenblasengegend 
eine  gänseeigrosse,  harte,  etwas  knollige  Geschwulst,  mit  der  Atmung 
auf-  und  absteigend,  der  anschliessende  Leberrand  hart,  wenig  schmerz- 
haft. Ich  habe  der  Schmerzen  wegen  und  um  keinen  Schaden  anzu- 
richten, nicht  allzutief  eingedrückt  und  halte  die  Geschwulst  für  eine 
steingefüllte  Gallenblase,  wohl  mit  Krebs  der  Gallenblase,  für  den  die 
grosse  Häne  und  Form   der  Geschwulst,   gegen   den  die  lange  Dauer 


—     122     ~ 

und  das  Fehlen  stärkerer  Kachexie  mir  zu  sprechen  scheint.  Ich  habe 
die  Frau  zur  event.  Operation  bezw.  Sicherung  der  Diagnose  an  Sie 
gewiesen.  Die  Operation  scheint  mir  wegen  des  verzweifelten  Zu- 
standes,  der  die  Frau  auch  psychisch  hochgradig  niederdrückt,  wenn 
irgend  möglich,  auch  bei  einem  Schatten  von  Aussicht  noch  geboten." 

Wir  fügen  noch  hinzu: 

Pat.  ist  sonst  immer  gesund  gewesen,  leidet  jedoch  schon  seit 
Jahren  an  schwerer  Gicht.  Eine  Tochter  leidet  an  Magenkrämpfen. 
Im  16.  Lebensjahr  schwere  Magenkrämpfe;  dann  vor  15  Jahren  eben- 
solche Krämpfe  (Schmerzen  und  Krämpfe  im  Leib,  nach  dem  Rücken 
und  in  die  Brust  ausstrahlend,  Angstgefühl,  Aussetzen  des  Pulses). 

Danach  keine  Krämpfe  mehr  bis  Herbst  1902,  jedoch  stets  Magen- 
beschwerden, Stechen  in  der  Brust  und  der  Seite,  seit  5— 6  Jahren  viel 
saures  Aufstossen,  starke  Gewichtsabnahme. 

Herbst  1902  (Oktober)  neuer  Magenkrampfanfall. 

November  1902  sehr  schwerer  Kolikanfall  mit  Schmerzen  in  der 
Lebergegend  und  Erbrechen,  der  über  V«  Tag  dauerte. 

Nachher  grosse  Schwäche,   dauernd  Ziehen  und  Druck  im  Leib. 

Im  Januar  1903  Influenza  (?)  mit  hohem  Fieber,  darauf  schwerer 
Gichtanfall  (Knie),  daran  anschliessend  14  Tage  lang  im  Februar  heftige 
Kolikanfälle,  8  Tage  lang  Gelbsucht. 

Seitdem,  besonders  aber  seit  Mai  1903,  dauernde  Rückenschmerzen. 
Ziehen  und  Druck  im  Leib.  Schon  seit  Jahren  hat  Pat.  in  der  Gallen- 
blasengegend eine  harte  Anschwellung  bemerkt.  Es  besteht  hart- 
näckige Verstopfung.  Pat.  ist  mit  heissen  Umschlägen,  früher  Karls- 
bader Wasser  (das  nicht  vertragen  wurde),  Morphiumeinspritzungen 
(im  Anfall)  und  Pulvern  behandelt  worden. 

Befund:  Sehr  harter  Tumor  der  Gallenblase.  Kein  Ikterus. 
Urin  frei. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase  event.  mit  Carcinom. 

Operation:  22.  6.  03.  Guoe  Sauerstoff- Chloroform -Narkose 
50  Min.  (40  gr.  Chloroform).  Wellcnschnitt.  Gallenblase  massig  gross, 
nicht  verwachsen.  Über  der  Grallenlilase  eine  Härte,  die  für  Carcinom 
spricht.  Die  Drüsen  am  Choledochus  werden  entfernt.  Dabei  wird  die 
vona  portanim  in  grosser  Ansdehnnng  freigelegt.  Selir  schwierige  Ar- 
beit. Excision  eines  grossen  keilförmigen  LeberstUclis  inkl.  Galleubla.se. 
Doch  zeigt  sich,  dass  das  Carcinom  Iiölier  im  Lebergewebe  verbreitet 
ist,  als  das  von  aussen  den  Anschein  hat.  Dauer  der  Operation  40  Min. 
Tamponade.  Alle  Umstechungs-  und  Unterbindungsfäden  (ca.  50)  w^erden 
lang  gelassen.  Naht.  In  der  Gallenblase  ein  haselnussgrosser  Stein 
und  viele  kleine.  Gallenblase  chronisch  entzündet,  enthält  trübes 
Serum. 

Verlauf:  Gut.  Kein  Fieber,  Puls  stets  langsam.  Der  mit  Blut 
und  Sekret  am  3.  Tage  durchtränkte  Verband  wird  überwickelt. 

6.  7.  03  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entferniuig  sämtlicher 
Tampons,  sämtlicher  Nähte  und  langen  Fäden.  Die  Tampons  sitzen 
ziemlich    locker.     Die    langen    Fäden    (Umstechungsfäden   der    Leber) 


—     123     — 

lassen  sich  sehr  leicht  entfernen,  dabei  keine  Bkitung  aus  der  Leber- 
wunde. Leberwunde  sieht  sehr  gut  aus,  Tamponade.  Temperatur 
abends  38,1. 

7.  7.  03.    Verband  durch  (Galle).     Verbandwechsel. 

12.  7.  03.  Steht  auf.  Wundtrichter  verkleinert  sich  allmählich. 
Verband  3—4  Tage  trocken. 

20.  7.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem,  gut  granulierendem  Wund- 
trichter entlassen. 

Die  Untersuchung'  durch  das  path.  Institut  in  Marburg  ergibt 
folgenden  Befund: 

„Mikroskopische  Schnitte  aus  dem  Halsteil  der  Gallenblase  er- 
geben nahezu  unveränderte  Schleimhaut,  vielleicht  geringe  Hyper- 
trophie der  bis  in  die  äussersten  Wandschichten  der  Blase  eingelagerten 
Drüsenkörper,  aber  kein  Carcinom.  Im  Fundus  hingegen  ist  die 
Schleimhaut  weithin  von  carcinomatösen  Wucherungen  durchsetzt,  die 
"Wand  selbst  von  schmalen  Carcinomsträngen  durchdrungen,  aber  in 
keiner  W^eise  auffällig  zerstört.  Umsomehr  imponiert  die  gewaltige 
Krebswucherung  in  dem  angrenzenden  Lebergewebe.  Der  Krebs  ist 
vor  allem  in  den  grossen  Blutgefässen  weitergedrungen.  Es  handelt 
sich  um  einen  polymorphzelligen,  vielfach  abgeplattete  Zellen  auf- 
weisenden Krebs.  Nach  den  bisherigen  Schnitten  erscheint  die  An- 
nahme eines  primären  Gallenblasenkrebses  wohl  gerechtfertigt. 

Epicrise:  Eine  sichere  Diagnose  Carcinom  war  nicht 
möglich;  aber  die  Probeincision  zeigte  die  Möglichkeit  der  Ex- 
cision;  nach  vollendeter  Leberresektion  stellte  sich  jedoch  heraus, 
dass  man  nicht  im  Gesunden  resecieren  konnte.  Das  ist  das 
Gewöhnliche:  Es  wird  selten  gelingen,  den  Gallenblasenkrebs 
zur  richtigen  Zeit  zur  Operation  zu  bekommen. 

No.  66.    C.  H.,  52j.  Kupferarbeitersfrau  aus  Ilsenburg. 

Aufgen.:  17.  5.  04. 

Operiert:  19.  ^5.  04.  Resektion  der  Leber  wegen 
Gallenblasencarcinom.  Resektion  des  Pylorus  nach 
Kocher.    Hepaticusdrainage.    Choledochusdrainage. 

Noch  in  Behandlung. 
Anamnese:  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie;  sie  hat  10  Ge- 
burten durchgemacht,  6  Kinder  sind  am  Leben.  Nach  den  sehr  un- 
genauen Angaben  der  wenig  intelligenten  Pat.  will  sie  seit  etwa 
10—12  Jahren  an  Magenkrämpfen  und  Kolikanfällen  leiden,  die  in  Ab- 
ständen von  V»— 1 — 2  Jahren  aufgetreten  sein  sollen.  Die  Koliken 
verliefen  ohne  Gelbsucht  und  machten  Morphiuminjektionen  notwendig. 
Im  Winter  1902/03  sollen  die  Koliken  sehr  häufig,  alle  14  Tage,  auf- 
getreten sein.  Seitdem  traten  keine  Koliken  mehr  auf,  sondern  mehr 
dauernder  Schmerz  in  der  Leber-  und  Gallenblasengegend,  der  nach 
dem    Rücken   hin    ausstrahlte    und    sich  jede    Nacht    verschlimmerte. 


—     124     -• 

Vor  etwa  8  Wochen  an  einem  N^achmittag  10  maliges  Erbrechen,  da- 
nach 3  Wochen  lang  bettlägerig.  Seitdem  waren  die  Schmerzen  noch 
schlimmer  als  vorher,  besonders  auch  stets  nach  Nahrungsaufnahme. 
Daher  hat  sie  sich  fast  nur  von  Suppen  genährt,  sodass  sie 
sehr  abgemagert  sein  will.  Herr  Dr.  Polz-Ilsenburg  hat  ihr  schon 
seit  langem  zu  einer  Operation  in  Halberstadt  zugeraten ,  doch  ent- 
schloss  sich  Pat.  erst  jetzt  dazu. 

Befund:  Sehr  elende  Frau  mit  grossem  harten  Tumor  der  Gallen- 
blase. Magen  sehr  dilatiert.  Kein  Ikterus.  Motorische  Funktionen 
des  Magens  schlecht.     Urin  frei. 

Diagnose:  Carcinom  der  Gallenblase,  auf  den  Pylorus  über- 
greifend (vielleicht  nur  Verwachsungen). 

Operation:  19.  5.  04  in  Gegenwart  des  Herrn  Oberstabsarztes 
Dr.  Krämer.  Dauer  der  Operation  l'/s  Stunden.  Sehr  gute  Sauerstoff- 
Chloroformnarkose  (40  g).  Wellenschnitt.  Leber  nach  unten  verzerrt. 
Gallenblase  gross,  hart,  mit  Colon,  Netz  und  Pylorus  verwachsen.  Die 
Drüsen  des  lig.  hepato-duodenale  sind  weich.  Pylorus  ist  so  innig  mit 
Gallenblase  verwachsen,  dass  eine  Isolierung  unmöglich  ist.  Es  wirti 
also  beschlossen,  den  Pylorusteil  des  Magens  mit  Gallenblase  und 
Leber  zu  resecieren.  Die  Verwachsungen  zwischen  Netz  und  Gallen- 
blase werden  nach  Unterbindung  gelöst;  dabei  stellt  sich  heraus,  dass 
das  Colon  nur  durch  entzündliche,  nicht  carcinomatöse  Schwarten  an 
die  Gallenblase  fixiert  ist.  Es  genügt,  die  etwas  lädierte  Colon- 
Serosa  mit  3  Suturen  zu  übernähen.  Nach  Abklemmung  des  Magens 
cardiawärts  wird  die  pars  pylorica  quer  durchtrennt  und  sofort  durch 
fortlaufende  Schleimhautnaht  und  Serosa-Knopfnähte  geschlossen.  I>ann 
lässt  sich  das  Duodenum  bis  zum  Pankreas  frei  präparieren  und  wird 
hier  ebenfalls  quer  abgeschnitten.  Eiiipflauziiug  des  Dnodemims  in  die 
hintere  Magenwand  nacli  Kocher.  Die  Leber  lässt  sich  nun  umkippen 
nnd  extraperitoneal  lagern.  Man  hat  einen  ansgezeichneteu  Ueber- 
blick  über  alle  Drüsen.  Diese  werden  prä  parando  mit  Schere  und 
Messer  entfernt,  obwohl  sie  noch  ganz  weich  sind.  Gallenblase  samt 
dem  darüberliegenden  Lebergewebe  wird  nach  der  Methode,  wie  sie  im 
ersten  Teil  unter  dem  Abschnitte:  „Die  Ectomie  bei  Carcinom  der 
Gallenblase"  beschrieben  ist,  entfernt.  Die  ßlutuug  ist  massig.  Ans 
dem  durchschnittenen  Cystiens  tritt  eitrige  Galle  mit  Hteiubröckeln 
hervor.  Der  Cysticus  wird  bis  in  den  Choledochns  gespalten  u«d  so- 
wohl Choledochus-  wie  Hepaticnsdrainage  yorgenommen.  Der  Hepaticus 
ist  sehr  zart.  Da  wo  er  in  das  Lebergewebe  eintritt,  liegt  er  völlig 
entblösst  da,  weil  das  bedeckende  Lebergewebe  mitreseclert  ist. 
Der  eingeführte  Nelaton-Katheter  schimmert  durch  die  dünne  >Vand 
hindurch.  Nach  gründlicher  Blutstillung  auf  alle  lang  gelassenen 
Fäden  Tampons  (4  Stück).  Die  Magennaht  wird  so  gelagert,  dass  sie 
ausserhalb  der  Tampons  zu  liegen  kommt.  Die  Operation  hat  Pat.  gut 
vertragen.  Puls  1 10,  weich.  Kochsalzinfusion  noch  auf  dem  Operationstisch. 

Am  Lebergewebe  sind  keine  Carcinomknoten  vorhanden.  Cysticus 
enthält  kleine   Steine,   im   Haie  ein   walnussgrosser  Cholestearinsttin, 


—     125     — 

darunter  ein  Ulcus.  Im  Fundus  ein  erweichtes  Carcinom,  welches  den 
Pylorus  fixiert.    Inhalt  der  Gallenblase  trüber  Eiter. 

Verlauf:  Temperatur  völlig  normal.  Puls  die  ersten  48  Stunden 
120  —  160.  Viel  Kochsalzlösung  rectal,  3  mal  täglich  Kochsalzinfusion. 
Nie  Erbrechen.  Gutes  Aussehen.  Leib  weich.  Urin  muss  durch  den 
Katheter  entleert  werden. 

21.  5.  04.  Temp.  normal.  Puls  110,  kräftig.  Trinkt  fleissig  Thee 
mit  Cognac,  Milch  etc.    Urin  spontan. 

Am  5.  Tage  nach  Ricinus  reichlicher  Stuhlgang.  Pat.  sieht  sehr 
gut  aus.    Reichlicher  Gallenfluss.    Temperatur  und  Puls  immer  normal.*) 

Epicrise:  Der  vorliegende  Fall  bot  in  technischer  Be- 
ziehung grosse  Schwierigkeiten,  die  man  nur  bei  grosser  Uebung 
überwinden  wird.  Eine  ausgedehnte  Leberresektion  mit  gleich- 
zeitiger Pylorusresektion  nach  Kocher  war  nötig.  Die  mühsame 
Trennung  der  Verwachsungen,  die  Entfernung  der  Drüsen  am  lig. 
hepato-duodenale  erfordern  technische  Fertigkeiten,  die  man  vom 
Anfänger  nicht  verlangen  kann.  Verlaufen  solche  Fälle  letal, 
so  bringt  man  die  Gallensteinchirurgie  in  Misskredit,  und  des- 
halb soll  nur  der  geübte  Laparotomist  die  Radikaloperation 
versuchen.  Der  Anfänger  begnüge  sich  mit  der  Probeincision 
oder  überweise  den  Fall  dem  Spezialisten.   — 

Ich  teile  im  Anschluss  -an  diese  Carcinomoperation  einen 
Fall  mit,  bei  dem  zwar  keine  Radikaloperation  d.  h,  eine  Ectomie, 
sondern  nur  eine  Probeincision  gemacht  werden  konnte.  Aber 
der  Fall  ist  so  interessant,  dass  ich  ihn  nicht  unerwähnt  lassen 
wollte. 

Nr.  67.       M.    St.,    48j.    Dreschmaschinenbesitzersfrau     ans 
Ströbeck. 

Aufgen.:  29."  1.   1904. 
I.  Operation:  30.  1.  1904.     Wieder-Eröffnung  einer 

mit  der  Bauchwand  verwachsenen  Gallenblase. 

II.  Operation:  10.  3.  1904.    Probeincision  (Carcinom). 

t  13.  3.  1904  an  Schwäche. 

Anamnese:  Pat.  wurde  im  Jahre  1892  wegen  Gallensteinleidens 

cystostomiert.     Danach    war   Pat.  4  Jahre    lang   vollkommen    gesund. 

Dann  traten  plötzlich  wieder  Koliken  auf,  etwa  alle  Vierteljahre,  durch 

3  Jahre  hindurch.    Bei   den  Koliken   bestand  jedesmal  Gelbsucht  und 

dunkler  Urin,   Stuhl  soll  immer  normal  gefärbt  gewesen  sein.     Steine 

*)  Pat.  hat  sich  sehr  erholt  und  kann  in  den  nächsten  Tagen 
entlassen  werden.    (Anm.  während  der  Korrektur  am  25.  6.  04.) 


—     126     — 

wurden  in  demselben  nie  gefunden.  Die  Kolikanfälie  dauerten  allemal 
etwa  zwei  Tage  und  erforderten  Morphiumeinspritzungen.  Der  letzte 
Anfall  im  Jahre  1899  machte  länger  Beschwerden,  die  Gelbsucht  hielt 
über  6  Wochen  an.  Seit  1899  wieder  ganz  gesund,  und  Fat.,  die  von 
den  Anfällen  ziemlich  mitgenommen  war,  erholte  sich  wieder  sehr 
gut.  Da  trat  vor  etwa  6  Wochen  wieder  ein  Anfall  auf  (Dezember  1903), 
diesmal  ohne  Ikterus,  von  dessen  Folgen  sich  Fat.  noch  nicht  ordent- 
lich wieder  erholt  hai;  bei  diesem  letzten  Anfall  war  der  Urin  nur 
schwach  dunkel  gefärbt.  Magenbeschwerden  hat  Fat.  nie  gehabt;  bei 
den  Anfällen,  die  in  der  Gallenblasengegend  begannen  und  nach  rechts 
in  den  Rücken  ausstrahlten,  war  die  alte  Narbe  jedesmal  äusserst 
druckempfindlich. 

Befund:  Sehr  schmerzhafter,  harter  Tumor  rechts  von  der  alten 
Cystostomie-Narbe.    Kein  Ikterus.     Urin  frei.     Leber  nicht  vergrössei  t. 

Diagnose:  Cholecystitis  (Steinrecidiv?) 

Operation:  30.  1.  04.  Eröffnung  der  Gallenblase  durch  kleinen 
Schnitt  in  der  alten  Narbe.  Viele  trübe  Galle  entfernt.  Kein  Stein  zu 
finden.  Rohr  in  die  Gallenblase.  Bauchhöhle  wird  oberhalb  der  Gallen- 
blasen-Incision  an  kleiner  Stelle  eröffnet.  Hier  Tamponade.  Gute 
SauerstofT-Chloroformnarkose  15  gr.    Dauer  der  Operation  15  Minuten. 

30.  1.     Befinden  nach  der  Operation  gut. 

31.  1.  Verband  durch.  Durchs  Rohr  keine  Galle  ausgelaufen. 
Verband  wird  überwickelt,  Rohr  gekürzt,  sodass  es  mit  in  den  Ver- 
band kommt. 

3.  2.  Es  ist  keine  Galle  gelaufen.  Beim  Verbandwechsel 
das  Rohr  entfernt;  es  hat  sich  reichlich  heller  Schleim  in  der 
Gallenblase  angesammelt.  Beim  Ansspüleu  ein  keulenförmiger 
Stein  entfernt,  dauacli  mit  der  Kornzange  noch  ein  grösserer.  So- 
fort fliesst  klare  Galle.  Fat.  ist  heute  leicht  ikterisch.  Die 
Steine,  über  1  cm.  lang,  */»  cm.  breit,  mit  keulenförmiger  Anscliwelliiug 
am  einen  Ende,  entlialten  als  Centrnm  je  eine  Seideiisclilinge  (von  der 
Operation  vor  12  Jalircn).   Farbe  der  Steine  braun. 

4.  2.  Verband  von  Galle  durchtränkt,  wird  gewechselt.  Aus- 
spülen der  Gallenblase. 

8.  2.     Fat.  steht  auf. 

11.  2.  Da  beim  Ausspülen  der  Gallenblase  sich  noch  viel  Schleim 
entleert,  wird  heute  ein  Laminariastift  zur  Erweiterung  der  Fistel- 
öfTnung  eingelegt  und  Fat.  bleibt  im  Bett. 

12.  2.  Entfernen  des  Laminariastiftes.  Ausspülen  der  Gallenblase ; 
es  fliesst  keine  Galle  mehr. 

13.  2.  Heute  Abend  38,8  "  C  ohne  ersichtlichen  Grund.  Wunde 
rosig  beim  Verbandwechsel. 

14.  2.  Temperatur  wieder  normal. 

18.  2.  Beim  Ausspülen  der  Gallenblase  entleert  sich  wieder  reich- 
licher gelblicher  Schleim. 

20.  2.  Gestern  Nacht  hat  Fat.  vorübergehend  starke  kolikartige 
Schmerzen  gehabt.  Heute  wieder  stärker  Galle  gelaufen.  Leichter 
Ikterus.    Stuhl  etwas  entfärbt,  im  Urin   GallenfarbstofT. 


—      127     — 

21.  2.  Heute  wieder  sehr  reiclilicher  Gallenfluss.  Beim  Ausspülen 
wieder  reichlich  schleimig-eitrige  Flüssigkeit,  anscheinend  aus  dem 
äusseren  Teil  der  Gallenblase,  der  sich  sanduhrförmig  von  der  übrigen 
Gallenblase  abgeschnürt  hat,  stammend.  Letzte  Nacht  vorübergehend 
Schmerzen  in  der  Gallenblase. 

22.  2.  Heute  wieder  starker  Gallenfluss;  Einlegen  eines  Rohres 
in  die  Gallenblase  wegen  des  reichlieh  schleimig-eitrigen  Sekretes. 
Temperatur  normal.     Stuhl  gefärbt. 

23.  2.  Verband  durch,  aber  nur  mit  Sekret,  keine  Galle.  Entfernen 
des  Rohres,  Ausspülung  der  Gallenblase.  Kuhn'sche  Durchspülnn^ 
des  Choleuochus  gelingt  nicht. 

25.  2.  Nochmals  Kuhn'sche  Dnrchsptilnug  der  Gallengünge  ver- 
sucht, ohne  Erfolg.    1  Stunde  danach  leichter  Schüttelfrost  mit  Fieber. 

26.  2.  Heute  gelingt  die  Dnrchspülung,  es  werden  ^li'Ltv,  Koch- 
salzlösung durchgespült.  1  Stunde  später  leichter  Schüttelfrost  und 
Schmerzen.  Temperatur  38,0,  Abends  Temp.  37,6".  Stuhlgang  ist. 
noch  hell,  im  Urin  GallenfarbstoflT,  massiger  Ikterus. 

1.  8.  Da  beim  Ausspülen  immer  wieder  stinkendes  schleimig- 
eitriges Sekret  und  dann  erst  Galle  sich  entleert,  wird  heute  wieder 
ein  Nelatonkatheter  in  die  Gallenblase  eingeführt,  welcher  einige  Tage 
liegen  bleiben  soll.  In  den  letzten  Tagen  keine  Schmerzen,  normale 
Temperatur. 

2.  3.  Seit  gestern  etwa  180  ccm.  leicht  getrübte  Galle  mit  Schleim- 
flockenbeimischung gelaufen;  keine  Schmerzen  eingetreten. 

3.  3.  Verbandwechsel.  Ausspülen  der  Gallenblase,  wobei  noch 
reichlich  eitrige  Flocken  entleert  werden.  Danach  Nölaton  wieder 
eingelegt. 

5.  3.  Fortlassen  des  Nelaton,  Ausspülen  der  Gallenblase,  die  dies- 
mal   nur    wenig  Sekret    enthält;    leichte  Tamponade  der  Gallenblase. 

7.  3.  Gleicher  Befund.  Sämtliche  Galle  in  den  Darm  gelaufen ;  keine 
Schmerzen  aufgetreten.  Beim  Ausspülen  der  Gallenblase  läuft  keine 
Galle.  > 

8.  3.  Verband  stärk  durch.  Fat.  hat  2  Mal  Erbrechen  im  An- 
schluss  an  kolikartige  Schmerzen.  Ausspülung  der  Gallenblase,  deren 
Inhalt  wieder  stärker  eitrig  ist  und  foetide  riecht.  Spiritusverband. 
Ol.  Ricini. 

9.  3.  Nochmals  Ol.  Ricini.  Spiritusverband.  Einlegen  eines 
Drains  in  die  Gallenblase.' 

Fat.  ist  in  den  letzten  Tagen  sehr  heruntergekommen,  der  Gallen- 
ausfluss  stinkt,  Appetit  sehr  gering;  es  ist  deshalb  Zeit,  dass  radikal 
vorgegangen  wird.  Bei  dem  schlechten  Befinden  denkt  man  auch  an 
Carcinom. 

10.  3.  04.  Operation.  Gute  Chloroform-Sauerstoff-Narkose  (30  gr). 
Dauer  der  Operation  30  Min.    Hakenschnitt   Czernys.     Man    findet    ein 


—     128     — 

Carciiioiii  der  Grallenblase,  das  bereits  die  Leber  ergriffen  hat.  Netz 
sehr  verdickt.  Bei  seiner  Lösiia^  reisst  die  (xalleublase  ein.  2  Nähte. 
Tamponade.     Bauchwandnaht. 

Verlauf:  Befinden  nach  der  Operation  gut.   Abendtemperatur  37.5. 

11.  3.  04.  Verband  mit  serös-eitrigem  Sekret  durchtränkt;  Wechsel 
der  oberflächlichen  Verbandschichten.  Pat.  erbricht  mehrmals  geringe 
Schleimmengen.  Blähungen  gehen,  Leib  weich;  wegen  Schmerzen 
Morphium.     37,4-37,6»  C. 

12.  3.  Pat.  sieht  sehr  verfallen  aus.  Nochmals  mehrmals  etwas 
Schleim  mit  Spuren  von  Blutbeimengung  erbrochen.  Puls  sehr  klein, 
flatternd  140—150.     Blähungen  gehen.    Morphium  36,9—37,1*'  C. 

13.  3.  Da  Verband  stark  durch,  Wechsel  der  oberen  Schichten. 
Ausspülung  der  Gallenblase,  wobei  stark  stinkendes  schmierig-eitriges 
Sekret  entleert  wird.  Puls  sehr  klein,  160,  Atmung  ziemlich  flach 
und  etwas  beschleunigt.  Gegen  Abend  lässt  die  Herzkraft  nach, 
und  IP/4  Uhr  nachts  erfolgt  unter  dem  Zeichen  der  Herzschwäche 
der  Exitus  letalis. 

Die  Revision  der  Wunde  ergibt  ein  weit  vorgeschrittenes  Carcinom, 
welches  bereits  die  mediale  Fläche  der  Gallenblase  perforiert  hat.  Die 
Tamponade  schliesst  die  Bauchhöhle  völlig  ab;  diese  ist  frei  von  Ent- 
zündung. In  der  Gallenblase  selbst  stinkendes  Sekret,  rechter  Leber- 
lappen von  vielen  Krebsknoton  durchsetzt.  Eine  Sektion  der  Brust- 
höhle wurde  nicht  erlaubt. 

Epicrise:  Pat.  bekam  12  Jahre  nach  einer  Cystostomie 
ein  Carcinom  der  Gallenblase.  Der  Fall  spricht  gegen  die 
Fistelbildung  und  für  die  Eetomie.  Pat.  wurde  nach  der 
Probeincision  immer  schwächer  und  ging,  ohne  dass  Erschei- 
nungen von  Seiten  des  Peritoneum  sich  geltend  machten,  an 
Schwäche  zu  Grunde.  Die  Jauchung  aus  der  Gallenblasen- 
fistel bestand  fort.  Es  ist  interessant,  den  Verlauf  nach  der 
ersten  Operation  zu  verfolgen.  Die  Seidenfäden  haben  sich 
doch  wahrscheinlich  noch  im  Jahre  1892  in  die  Gallenblase 
abgestossen  und  sich  sofort  inkrustiert.  Trotzdem  blieb  Pat. 
4  Jahre  lang  frei  von  Beschwerden:  Die  Steine  verhielten 
sich  latent.  Dann  —  i.  J.  1893  —  trat  die  Cholelitliiasis 
aus  dem  Stadium  der  Latenz  heraus  und  wurde  aktuell. 
—  Unter  meinen  sehr  zahlreichen  Oystostomien  (mehr  als  800) 
ist  mir  übrigens  nur  noch  ein  Fall  bekannt  geworden,  bei  dem 
sich  nachträglich  ein  Carcinom  entwickelt  hatte;  in  diesem  Falle 
bestand ,  wie  ich  glaube ,  schon  bei  der  Operation  das 
Carcinom. 


—     129     — 

VI.  Die  secundäre  Cholecystectoraie 

ibesonders  wegen  Beseitigung  von  Schleim-  und  Eiterfisteln). 

^r.  68.     A.  B.,  39  j.  Bergworkbesitzersfrau  aus  Leipzig. 

Aufgen.:  1.  27.  Jl.  1903.     IL  1.  12.  1903. 
Operiert:  4.  12.  1903.     Cysticotomie.     Ectomie. 
Entlassen:  8.  1.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet  gewesen,  1  Kind,  13  Jahre 
alt,  an  Nierenleiden  gestorben.  Mutter  an  Gallensteinen  operiert  und 
gestorben. 

Pat.  war  mit  17  Jahren  schon  in  einer  Nervenheilanstalt  und  ist 
immer  sehr  nervös  gewesen.  Sie  leidet  öfter  au  leichten,  rheumatischen 
Beschwerden  und  an  „Reissen"  in  den  Gliedern.  Vor  etwa  8  Jahren 
merkte  Pat.,  dass  ihr  Magen  verschiedene  Speisen  nicht  mehr  vertragen 
konnte,  sie  hatte  öfter  Druck  und  Brennen  in  der  Magengrube,  besonders 
dann,  wenr^^sie  grossen  Hunger  hatte;  die  Schmerzen  wurden  unmittel- 
bar nach  dem  Essen  besser;  nach  einiger  Zeit,  wenn  die  Verdauung  in 
Gang  kam,  gingen  die  Schmerzen  wieder  los.  Dabei  litt  Pat.  sehr 
viel  an  schmerzhaften  Blähungen,  die  nicht  abgehen  wollten.  Sie  will 
während  der  Schmerzen  oft  „Knollen"  in  der  Magengrube  gefühlt  haben. 
Dabei  bestand  starkes  Aufstossen,  welches  aber  keine  Erleichterung  ver- 
schaffte. Vor  6  Jahren  Karlsbader  Kur.  Das  Leiden  wurde  nun  allmählich 
immer  schlimmer,  bis  vor  1  Jahr  die  ersten  Koliken  kamen;  dieselben 
begannen  gewöhnlich  nachmittags  und  dauerten  3  Tage  an.  Sie  kamen 
oft  jede  Woche.  Allemal  nach  deft  Koliken  ist  Pat.  leicht  ikterisch  gewesen, 
Stuhl  blieb  immer  dunkel,  Urin  sedimentiert  stark,  war  aber  sonst 
normal.  Die  Ärzte  konstatierten  Leberschwellung  und  Gallensteine.  Am 
23.  April  wurde  in  Leipzig  von  einem  Chirurgen  die  Cystostomie  vor- 
genommen. Viele  kleine  und  ein  grösserer  Stein.  Cystectomie  wurde 
wegen  bestehender  Verwachsungen  nicht  ausgeführt.  Am  2.  Tage  nach 
der  Operation  begann  der  Gallenlluss  sehr  reichlich  und  dauerte  etwa  bis 
Anfang  August,  wo  diei  Wunde  zuheilte.  In  derS.  Woche  nach  der  Operation 
hatte  Pat.  nachts  einen  etwa  7  Stunden  lang  anhaltenden  Kolikanfall. 
Die  Wunde  war  etwa  2  Wochen  zugeheilt,  da  fühlte  Pat.,  dass  sich 
unter  der  Narbe  wieder  etwas  ansammelte,  zugleich  stellten  sich  wieder 
drückende  Schmerzen,  besonders  nach  dem  Essen  ein.  Daher  musste 
Ejnde  August  die  Narbe  wieder  etwas  geöffnet  werden  (Arzt  auf  dem 
Lande),  dabei  entleerte  sich  zumeist  wässrige,  dann  gelbliche,  dann 
grüne  Flüssigkeit  in  grosser  Menge  und  unter  grossem  Drucke.  Im  Sep- 
tember wurde  durch  den  Operateur  in  Leipzig  die  Fistel  durch  Laminaria- 
stifte  erweitert,  dabei  durch  Sondierung  ein  Stein  festgestellt,  mit  der 
Kornzange  zerdrückt  und  in  Trümmern  herausgeholt.  Pat.  bekommt 
aber  immer  wieder  Kolik,  sowie  die  Fistel  sich  schliessen  will.  Da  Pat. 
das  Leiden  nun  definitiv  los  werden  möchte,  sucht  sie  unsere  Klinik  auf. 

Befund:  8  cm.  lange  Narbe  im  rechten  M.  rectus  abd.;  in  deren 
Mitte  feine  Fistelöflnung.  Mit  der  Sonde  gelangt  man  nur  schwer  ia 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  9 


130 


der  Gallenblase:  ein  Stein  ist  nicht  zu  fühlen.  In  der  Gallenblase  trüb- 
flockiger  Schleim.  Einlegen  eines  Laminariastiftes.  Nachts  wege  i 
Schmerzen  Morphium. 

28.  11.  03.  Heute  ein  stärkerer  Laminariastift  eingeführt.  Mit- 
tags wegen  Schmerzen  Morphium.  Gegen  Abend  Erbrechen.  Da  der 
Stuhl  angehalten  ist  und  Blähungen  nicht  gehen,  wird  Ricinus  gegeben. 

29. 11.03.  Entfernendes  Laminariastiftes;  es  läuft  keine  Galle.  Ein- 
legen eines  Drains,  Pat.  wird  auf  Wunsch  für  2  Tage  nach  Hause  entlassen. 

1.  12.  03.  Pat.  wieder  aufgenommen.  Zustand  unverändert;  keine 
Galle.  Fortlassen  des  Drains  und  Vorbereitung  zur  Operation.  (Ab- 
führen, Magenspülung  etc.). 

Diagnose:  Schleimfistel,  Stein  im  Cysticus. 

Operation:  4.  12.  03.  Hakensclmilt  Czerny's.  Gallenblasen- 
wand sehr  verdickt,  mit  Magen  (Pylorus)  verwachsen..  Im  Hals  der 
Gallenblase  fühlt  man  hinter  der  verdickten  Cysticusdrüse  einen  Stein. 
Cysticotomie.  Entfernung  des  Steines  in  2  Hälften.  Da  die  Gallenblase 
sehr  wandverdickt  ist,  wird  sie  entfernt.  Loslösung  der  mit  einem 
Gazestreifen  ausgestopften  Gallenblase.  Hals  sehr  verdickt,  wird  isoliert, 
Art.  cystica  für  sich  unterbunden.  Cysticus  sehr  eng.  Abbindung. 
Der  Abstand  des  dnctns  cysticus  yon  der  arl.  cystica  beträgt  4  cui. 
2  Uiiistechnugen  blutender  Leberbettgefässe.  1  Tampon  in  das  Foramen 
Winsloiwii,  1  auf  die  Suturen.  Heraiisleitung  der  Tamponade  durch 
den  alten  Cystostomieschnitt,  das  Loch  der  Fistel  ist  gehörig  cr- 
weitei't  worden.  Längs-  und  Querschnitt  der  Bauchdecken  werden 
genau  genäht.  (Fig.  5.)  Dauer  der  Operation  1  Stunde.  Gute  Sauer- 
stoff-Chloroformnarkose (40  gr.). 

Fig.  5.  Fig.  6. 

Muse.  red.  äbd. 

dexier     _  sim'ster 

rv 


Geschwür 
im  Hals  der 
Gallenblasr- 


b  bi  b2  Czcrny 's  Hakenschnitt, 
a.  Cystostomiofistel. 


Gallenblasenwand 
sehr  verdickt. 


Die  entfernte  Gallenblase  ist  sehr  wandverdickt,  teilweise  bis 
zu  1  cm;  da  wo  im  Hals  der  Gallenblase  der  Stein  steckte,  befindet 
sich    eine   tiefe   Ulceration.     Cysticus   sehr   eng.    Zwischen  Hals    und 


—     131     — 

Fundus    der  Gallenblase    eine  Einschnürung,    sodass   eine   Sondierung 
des  Steines  nicht  möglich  war.     (Fig.  6.) 

Der  Befund  (path.  Institut  in  Marburg)  war  folgender: 
Die  Gallenblase  hat  eine  innere  Höhe  von  45  mm.,  sie  ist  in  ihrem 
oberen  Abschnitte  sanduhrartig  verengt,  sodass  ein  Dritte)  des  Lumens 
oberhalb,  zwei  Drittel  unterhalb  der  Verengerung  liegen.  Die  Wan- 
dung des  unteren  Abschnittes  ist  hochgradig  verdickt,  ca.  10  mm.,  die 
Wand  dabei  auffallend  hart.  Am  Übergang  zum  Cysticus  hört  die 
Schleimhaut  mit  scharfem  Rande  auf.  Der  Cysticus  ist  erweitert,  seine 
Innenfläche  erscheint  geschwürig  verändert.  In  der  eigentlichen  Gallen- 
blase sieht  man  einige  tiefe  Gruben  von  mehreren  Millimetern  Länge. 
Auf  Durchschnitten  sieht  man,  dass  dieselben  zu  kleinen,  schwärzlich 
gefärbten  Herden,  die  in  den  äusseren  Schichten  der  Blasenwand  liegen, 
hinführen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  vor  allem ,  dass  die 
Schleimhaut  des  ductus  keineswegs  überall  ulceriert  ist,  sondern  im 
Gegenteil  sehr  starke  papilläre  Verdickungen  und  Faltenbildungen  auf- 
weist. Das  Stroma  dieser  Zotten  und  Falten  ist  hochgradig  von  Lym- 
phocyten  und  Leucocyten  infiltriert.  Diese  Infiltration  reicht  durch 
die  Muskelschicht  bis  in  die  äusseren  Bindegewebshöhlen  hinein.  Auf- 
fallend reich  ist  der  Gehalt  an  eosinophilgekörnten  Leucocyten  in 
diesem  Granulationsgewebe.  Das  Epithel  ist  meist  einreihiges  Zylinder- 
epithel, wie  das  Oberflächenepithel  des  Dickdarms  oder  des  Magens. 
An  einzelnen  Stellen  findet  sich  starke  Leucocytendurchwanderung, 
an  anderen  Stellen  ist  das  Epithel  mehrschichtig,  und  äusserst  wech- 
selnde plumpe  Zellformen  treten  auf,  sodass  hier  an  die  ersten  Stadien 
einer  beginnenden  Carcinomentwicklung  gedacht  werden  muss.  Doch 
liegt  eine  wirklich  bösartige  Wucherung  noch  nicht  vor.  Schnitte  aus 
der  eigentlichen  Blasenwand  zeigen,  dass  der  Unterschied  zwischen 
dem  oberen  und  den  unteren  beiden  Dritteln  nur  auf  der  starken  Ver- 
dickung der  äusseren  Wandschichten  in  den  unteren  zwei  Dritteln  be- 
ruht. Die  Schleimhaut  und  die  Muskulatur  ist  überall  gleichmässig 
und  gut  entwickelt,  die  Schleimhaut  mit  deutlichen  Falten  und  diese 
selbst  mit  einer  zusammenhängenden  Lage  von  hohem  Zylinderepithel 
bedeckt.  In  dem  Schleimhautstroma  besteht  eine  Vermehrung  der 
Bindegewebszellen,  sowie  eine  Anhäufung  gewöhnlicher  Leucocyten. 
Der  wesentliche  Unterschied  zwischen  dem  oberen  dünnwandigen  und 
dem  unteren  dickwandigen  Abschnitt  ist  der,  dass  in  dem  letzteren 
zahlreiche,  divertikelartige  P]pithelausstülpungen  bis  in  das  verdickte 
Peritoneum  hinein  vorhanden  sind,  um  welche  herum  mit  grosser 
Regelmä  sigkeit  reichliche  Anhäufungen  eosinophilgekörnter  Leuco- 
cyten gefunden  werden,  sodass  es  den  Anschein  gewinnt,  als  wenn 
gerade  auf  dem  Wege  dieser  Divertikel  ein  Transport  der  Zersetzungs- 
produkte der  gestauten  oder  bakteriell  infizierten  Galle  in  das  perito- 
neale Gewebe  stattgehabt  und  eine  Entzündung  desselben  bewirkt  habe. 

Verlauf:  5.  12.03.  Fat.  ist  fieberfrei.  Heute  Morgen  etwas 
galliges  Erbrechen;  Magenspülung  fördert  wenig  Galle  zu  Tage. 

9* 


—     132     — 

10.  12.  03.  Pat.  hat  noch  bis  gestern  öfters  Galle  gebrochen. 
2mal  Magens püliiug.  Seit  gestern  rechte  Seitenlage^  seitdem  sistiert 
das  Erbrechen.     Heute  abgeführt. 

15.  12.  03.  Entfernen  der  Tamponade  und  der  Hautnähte.  Aus- 
spülung der  Wunde,  hinter  den  Tampons  etwas  eitriges  Sekret, 
ebenso  unter  einigen  Hautnähten.  Sonst  überall  Prima  reunio.  Alte 
Fistelöffnung  wird  wieder  locker  tamponiert. 

20.  12.  03.  Entfernung  sämtlielier  langen  Fäden.  Keine  Sekretion 
aus  der  Wunde  mehr. 

25.  12.  03.     Pat.  steht  auf. 

8.  1.  04.  Völlig  geheilt  entlassen.  Wunde  geschlossen,  Appetit 
und  Verdauung  gut.  . 

Epicrise:  Ein  typischer  Fall  von  secundärer  Cystectomie. 
Die  Grallenblase  war  so  verändert,  dass  statt  der  Cysticotomie 
die  Exstirpation  der  Blase  gemacht  wurde.  Die  Einschnürung 
am  Hals  der  Gallenblase,  das  Ulcus  hätten  die  Funktionsfähigkeit 
der  Gallenblase  sicher  in  Frage  gestellt.  Der  Bauch  wandschnitt 
ist  als  Hakenschnitt  besser,  als  wenn  man  den  Wellenschnitt 
macht  und  die  Fistel  umschneidet.  Das  Cystostomieloch  wurde 
zur  Durchführung  der  Tampons  benutzt. 

Nr.  69.     A.  S.,  44  j.  Direktor  aus  Avesta  in  Schweden. 

Aufgen.:  17.  11.  1903. 

Operiert:   21.  12.  1903.     Ectomie.     Appendicectomie. 
Bauchbruch  excision. 

Entlassen:  20.  2.  1904.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet  und  hat  4  gesunde  Kinder. 
Ein  congenitaler  Leistenbruch  wurde  im  6.  Lebensjahre  operiert.  Sonst 
immer  gesund  gewesen.  Vor  8  Jahren  hatte  Pat.  zum  1.  Male  einen 
kolikartigen  Schmerzanfall  in  der  Lebergegend,  der  etwa  6—8  Stunden 
dauerte  und  Morphiuminjektion  nötig  machte.  Danach  befand  sich 
Pat.  4  Jahre  vollständig  wohl.  Im  Januar  1899  Magendarmkatarrh 
mit  Gewichtsabnahme,  im  März  desselben  Jahres  ein  Kolikanfall  von 
gleicher  Art  wie  der  erste.  Im  Juni  sucht  deshalb  Pat.  Karlsbad  auf. 
Im  Juli  hatte  er  dann  wieder  einen  neuen  Kolikanfall.  1900  und  1901 
wieder  Karlsbader  Kuren.  .  Pat.  fühlte  sich  jetzt  wieder  ganz  gesund 
und  konnte  alles  vertragen.  Oktober  1902  4  Anfälle  in  einer  Woche, 
beim  letzten,  sehr  starken,  war  er  bewusstlos.  Es  war  bisher  nie 
Ikterus,  Stuhl-  oder  Urinvorfärbung  eingetreten.  Ende  Oktober  1902 
entschloss  sich  Pat.  zur  Operation,  die  von  Herrn  Prof.  Lennander 
in  üpsala  ausgeführt  wurde.  Sie  fand  erst  etwa  1  Woche  nach  dem 
letzten  Anfalle  statt,  da  von  diesem  her  noch  etwas  leichte  Bauch- 
fellentzündung bestand.  Es  fand  sich  eine  eitergefüllte  Gallenblase 
mit  4  erbsengrossen  Steinen ;  die  Hälfte  der  Gallenblase  wurde  rese- 
ziert und    eine  Cystostomie   angelegt,   da   man    den   Choledochus   für 


—     133     - 

frei  von  Steinen  hielt.  Einige  Verwachsungen  wurden  gelöst,  die 
Wunde  mit  grossen  Tampons  tamponiert,  deren  letzter  6  Wochen  post 
op.  entfernt  wurde.  Mitte  Dezember  brach  wieder  in  die  Fistel,  die 
keine  Galle  mehr  entleert  hatte  und  fast  geschlossen  war,  Galle  durch, 
dasselbe  wiederholte  sich  Anfang  Januar.  Am  21.  Jan.  03  war  die 
Fistel  ganz  geschlossen  und  Pat.  wurde  gesund  entlassen.  Pat.  er- 
holte sich  und  nahm  an  Gewicht  zu.  Mitte  April  bekam  Pat.  zeit- 
weise Schmerzen  in  der  Narbeugegend,  im  Mai  mehrere  Schwindelan- 
fälle lind  14  Tage  lang  Diarrhoe.  Ende  Juni  03  ins  norwegische  Ge- 
birge zur  Erholung;  daselbst  die  Schmerzen  schnell  schlimmer  geworden, 
Urin  zeitweise  etwas  dunkel  gefärbt;  nach  Abführen  leichte  Besserung. 
Danach  in  einer  Woche  3  Anfälle  von  Koliken,  beim  letzten  Anfall 
Urin,  schwarzgrün  und  40"  Fieber.  Am  6.  Juli  von  Herrn  Prof.  Berg 
in  Stockholm  wegen  eines  grossen  Abscesses  in  der  alten  Wundgegend 
operiert ;  dabei  entleerte  sich  viel  braune  Galle ;  Pat.,  der  damals  an- 
geblich leicht  pyämisch  war,  wurde  längere  Zeit  wieder  tamponiort 
und  fühlte  sich  ganz  wohl.  Da  die  Fistel  sich  nicht  schliessen  wollte, 
erweiterte  Mitte  August  Herr  Prof.  Lennander  (Upsala)  die  Fistel  mit 
Sonde  und  Messer,  gleich  danach  Anfall  von  Magonkolik  durch  coagu- 
liertes  Blut,  das  die  ÖfiFnung  verstopfte.  Am  1.  September  legte  Herr 
Prof.  Lennander  ein  Dauerkatheter  ein.  worauf  sich  Pat.  wieder  wohl 
fühlte.  Ein  zweimaliger  Versuch,  die  Fistel  durch  Tamponade  abzu- 
schliessen,  löste  nach  2  bis  3  Tagen  Nervosität  und  Druckgefühl  aus. 
Ende  September  leichter  Anfall  von  Appendicitisf?). 

Herr  Prof.  Berg  in  Stockholm,  der  es  nicht  für  ausgeschlossen 
hielt,  dass  ein  Stein  im  Choledochus  stecken  könnte,  überweist  den 
Pat.  der  Klinik. 

Pat.  hat  im  ganzen  etwa  40  Pfund  an  pewicht  abgenommen, 
davon  aber  in  den  letzten  Wochen  wieder  6  Pfund  eingeholt. 

Befund:  Grosse  Narbe  im  rechten  Hypochondrium.  Grosse  Hernie 
im  weitklaffenden  rechten  musc.  rect.  abd.  Gallen-Schleimfistel.  Kein 
Ikterus. 

Verlauf:  17.  11.  Entfernen  des  Katheters  aus  der  Fistel;  Aus- 
spülen der  Gallenblase  und  Stöpselung  der  Fistel. 

18.  11.  Nach  Ausspülung  statt  des  Stöpsels  heute  zur  Erweiterung 
ein  Laminariastift  eingelegt.  Es  fliesst  ebenso  wie  gestern  alle 
Galle  in  den  Darm,  ohne  dass  Schmerzen  oder  Fieber  auftreten. 

19.  11.  Einführen  eines  etwas  stärkeren  Laminariastiftes.  37,6  bis 
38,1 »  C. 

20.  11.    Fistel  heute  lose  tamponiert. 

21.  11.  Nur  wenig  Galle  im  Verband.  Befinden  dauernd  gut. 
Versuch,  anter  niedrigem  Druck  Wasser  in  den  Darm  einlaufen  zn 
lasstji)  gelingt  nicht.    Wunde  lose  tamponiert.     Stuhlgang  normal. 

22.  11.  Einführen  eines  dickeren  Laminariastiftes  in  die  Fistel. 
Nachts  entstehen  bei  der  Quellung  Schmerzen ,  sodass  Morphium 
nötig  wird. 


—     134 

23.  11.  Der  Stift  sitzt  »o  fest  und  tief,  dass  erst  eine  Spaltanj? 
der  Fistelränder  (mit  Schleicii)  nötig  wird,  ehe  sieh  derselbe  entfernen 
lässt.  Hinter  demselben  her  fiiesst  etwas  Eiter,  dann  klare  üalle, 
Lose  Tamponade  mit  Gaze. 

24.  11.    Nochmals  lose  tamponiert.    Es  fliesst  keine  Galle. 
26.  11.    Tamponade  fortgelassen. 

8.  12.  Fistel  zugeheilt;  keine  Beschwerden  wieder  aufgetreten. 
Pat.  tritt  die  Heimreise  an,  bekommt  aber  in  Berlin  Schmerzen  und 
kehrt  zurück. 

11.  12.  Er  hat  jetzt  Übelkeit,  Appetitlosigkeit  und  Schmerzen 
in  der  Blinddarmgegend.  Pat.  sieht  ziemlich  angegriffen  aus.  Fistel 
zugeheilt.  In  der  Blinddarmgegend  kleine  Resistenz,  etwas  schmerz- 
haft. Bettruhe;  flüssige  Diät.  Vielleicht  gehen  die  Beschwerden  von 
der  Hernie  aus  oder  es  besteht  Appendicitis  simplex.  Gallensystem 
scheint  in  Ordnung  zu  sein.  Trotzdem  dem  Pat.  die  Operation  als 
sehr  schwer  und  ziemlich  gefährlich  hingestellt  wird,  besteht  er  auf 
derselben,  da  er  sich  schwer  krank  fühlt  und  er  für  seine  Erwerbs- 
fähigkeit fürchtet. 

Operation:  21.  12.  03.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose,  vor- 
her 0,01  Morphium.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  prall  gefüllt, 
nicht  ausdrückbar.  Aspiration  von  trüber  Galle.  Choledochus  zart, 
frei,  Ectomie  der  im  Hals  narbig  verränderten  Gallenblase.  Diese  ist 
sehr  gespannt  und  fest  am  perlt,  pariet.  fixiert.  Appendix  krank  (A. 
simplex),  geknickt,  wird  entfernt.  Der  Muse.  rect.  abd.  wird  frei  ge- 
macht, sodass  der  Verschluss  der  Hernie  gelingt.  Starke  Blutung 
aus  dem  Leberbett.  Eine  Unterbindung.  Tamponade.  Sehr  schwierige 
Operation  von  70  Min.  Dauer.     Puls  hinterher  gut. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  in  Marburg  ergibt  folgenden 
Befund : 

Makroskopisch  erscheint  die  Gallenblase,  wenigstens  in  dem  vor- 
liegenden gehärteten  Zustande,  relativ  klein  und  die  Wandungen  ver- 
dickt. Die  mikroskop.  Untersuchung  zeigt,  dass  diese  Verdickung  im 
wesentlichen  durch  einen  starken  Kontraktionszustand  bedingt  ist. 
Die  äussere  elastische  Schicht  sowie  die  darauf  folgende  Muskulatur 
treten  sehr  kräftig  hervor.  Die  Schleimhaut  ist  deutlich  gefaltet, 
überall  mit  gut  erhaltenem  Cylinderepithel  versehen,  welches  nur  hier 
und  da  auf  der  Höhe  der  Falten  anscheinend  mechanisch  entfernt  ist. 
In  dem  Bindegewebsgerüst  der  Schleimhaut  besteht  eine  deutliche 
Zellvermehrung,  die  besonders  im  Ductus  stärker  hervortritt,  doch 
fehlen  die  Zeichen  akuter  Entzündung.  Insbesondere  ist  die  Dunih- 
wanderung  durch  das  p]pithel  sehr  gering.  Sehr  deutlich  ausgeprägt 
ist  die  Fettresorption  in  den  Epithelien,  deren  basale  Abschnitte  ganz 
mit  Fettkörnohen  erfüllt  sind.  Auch  in  den  Bindegewebszellen  findet 
sich  hier  und  da  Fett. 

Vorlauf:  Abends  Puls  120,  aber  ziemlich  kräftig.  Nachts  mehr- 
mals etwas  galliges  Erbrechen,  daher  Magenspülung,  die  aber  nur  fast 
klare  Flüssigkeit  in  geringen  Mengen  zu  Tage  fördert 


—     135     — 

22.  12.  Morgens  38,4.  Puls  108.  Mehrmals  Erbrechen  von  klarem, 
schleimigen  Wasser,  dem  feine  Blutcoagula  beigemengt  sind.  Da  Nach- 
mittags das  Würgen  noch  besteht,  Magenspülung,  die  etwas  reichlicher 
klare  schleimige  Flüssigkeit,  ohne  Galle,  aber  mit  massig  vielen  Blut- 
gerinnseln vermengt,   zu  Tage  fördert. 

Abends  Temp.  38,0.    Puls  104-108. 

23.  12.  In  der  Nacht  noch  viel  Würgen,  etwas  Erbrechen  von 
gallig  gefärbter  Flüssigkeit.  Magenspülung,  im  Magen  etwas  Galle 
und  auch  Spuren  alten  Blutes.  Puls  120,  ziemlich  klein.  3  mal  Kochsalz- 
infusion, Cognakklystiere  und  Kochsalzklystiere  2  stündlich,  Strophantus 
3  mal  10  Tropfen.  Im  Laufe  des  Tages  sehr  viel  Würgen,  ab  und  zu 
Erbrechen  von  etwas  Galle.  Abends  nochmals  Magenspülung,  im 
Magen  Spuren  von  Galle.  Verband  ziemlich  stark  mit  Blut  und  Galle 
durchtränkt.    Verbandwechsel.    Wunde  sieht  sehr  gut  axis. 

Pills  wird  abends  sofort  kräftiger,  als  Bläliangen  reichlich  zn 
gehen  anfangen. 

24.  12.  Puls  heute  kräftig,  108—116.  Morgens  viel  Würgen 
nochmals  Magenspülung,  im  Magen  etwas  Galle.  Danach  Ruhe.  Keine 
Excitantien,  kein  Kochsalz  mehr. 

25.  12.    Befinden  gut. 

26.  12.    Führt  ab. 

29.  12.  Erster  eigentlicher  Verbandwechsel.  Tampons  riechen 
fitark,  lassen  sich  leicht  entfernen.  Der  vorliegende  Magen  sieht  rein 
aus,  dagegen  an  der  Unterfläche  der  Leber  Belag  und  etwas  Nekrose. 
Übrige  Wunde  heilt  per  primam.  Allgemeinbefinden  jetzt  sehr  gut. 
Puls  kräftig,  72-76. 

1.  1.  04.  Entfernung  sämtlicher  Hautnähte.  Wundtrichter  sondert 
noch  reichlich  Sekret  ab.    Ausspülung  und  Einlegen  eines  Drains. 

13.  1.    Pat.  steht  auf. 

24.  1.  Sekretion  hat  stark  nachgelassen.  Drain  fort,  nur  noch 
■dünner  Gazestreifen  eingeführt. 

26.  1.  Da  hinter  dem  Tampon  leichte  Retention  eintritt,  wird  statt 
desselben  wieder  ein  düni^es  Drainrohr  eingeführt. 

28.  1.  Heute  abends  39,4°,  Unterhalb  der  Tamponadestelle  fängt 
<lie  Bauchhaut  sich  an  zu  röten,  ein  kleiner  Bauchhautabscess  ist  in 
Ausbildung  begriffen. 

29.  1.  Incision  des  Abscesses  mit  Schleich,  es  entleert  sich  fast 
kein  Eiter.    Umgebung  schmerzhaft  und  gerötet.     Abends  39,8°  C 

30.  1.  Temperatur  abgefallen.  Im  unteren  Teil  der  Narbe  heute 
noch  eine  kleine  Incision  angelegt,  da  daselbst  etwas  Rötung  und 
Schwellung  besteht;  es  findet  sich  aber  nur  Ödem. 

8.  2.  Jede  Tamponade  bleibt  fort;  es  bestehen  nur  noch  ober- 
flächliche Granulationen. 

20.  2.  Vollkommene  Heilung  eingetreten.  Narbe  vollkommen  fest. 
Vorzügliches  Befinden.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Dass  noch  ein  Stein  im  Choledochus  steckte, 
war  immerhin  möglich;  wahrscheinlicher  war,  dass  die  Gallenblase 


—     136     — 

entzündlich  verändert  war  und  dass  Adhäsionen  die  Beschwerdeir 
hervorriefen.  Die  Hernie  und  die  erkrankte  Appendix  mögen 
die  Schmerzen  erhöht  haben.  Pat.  wünschte  dringend  die 
Operation,  trotzdem  ihm  alle  Gefahren  auseinandergesetzt  waren. 
Die  Appendicitis  wird  dadurch  entstanden  sein,  dass  der  Wurm- 
fortsatz, durch  die  vielen  Verwachsungen  beeinträchtigt,  in 
seiner  Peristaltik  gestört  wurde  und  dadurch  eine  Infektion 
in  ihtn  festen  Fuss  fassen  konnte. 

Nr.  70.     H.  C.  L.,  54j.  Kaufmann  aus  Flensburg. 

Aufgen.:  2.  7.  1901. 

Operiert:  4.  7.  1901.  Resektion  des  rechten  Rippen- 
bogens, Auskratzung  eines  alten  subphrenischeu 
Abscesses.     Ectomie. 

Entlassen:  26.  8.  1901.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  war  früher  immer  gesund.  Oktober  1894  er- 
krankte er  mit  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  kein  Erbrechen,  kein 
Fieber,  kein  Ikterus.  Nach  Morphium  schwanden  die  Schmerzen,. 
Aviederholten  sich  aber  am  nächsten  Tage.  Wieder  Morphium.  Die 
Anfälle  kamen  in  Pausen  bis  zu  '/*  «Jahr,  später  stellte  sich  Übelkeit 
und  Aufstossen  dabei  ein,  einmal  wurde  leichte  Gelbfärbung  der  Con- 
junctiven  beobachtet.  Am  Stuhl  und  Urin  fiel  nichts  auf,  Steine  wurden- 
nicht  gefunden.  1895  und  1896  Kissingen.  1898  Karlsbad,  dort 
1  Anfall. 

1898  erkrankte  er  mit  Erscheinungen  von  Pleuritis,  Herr  Dr. 
Schädel- Flensburg  fand  bei  einer  Probepunktion  Eiter  und  legte 
einen  Schnitt  unterhalb  und  parallel  dem  Rippenbogen  an.  Frühjahr 
1899  machte  derselbe  die  Laparotomie  mittels  eines  auf  den  vorigen 
aufgesetzten  Längsschnittes,  gab  die  Operation  aber  auf,  da  er  wegen 
Verwachsungen  nicht  an  die  Gallenblase  herankommen  konnte. 

Sommer  1899  operierte  er  noch  einmal,  öffnete  die  Gallenblase 
und  tastete  sie  ab,  fand  aber  keine  Steine;  der  Schnitt  verlief  parallel 
dem  Rippenbogen,  die  Gallenblase  wurde  drainiert.  Nach  5  Wochen 
trat  ein  schweres  Erysipel  an  der  Wunde  auf,  nach  Ablauf  desselben 
eine  Pleuritis,  Pat.  war  '/« — ^h  Jahr  bettlägerig.  Die  Gallenblasenfistel 
hat  sich  seitdem  nicht  geschlossen.  Ausgesprochene  Koliken  hat  Pat. 
seitdem  nicht  mehr  gehabt,  wohl  aber  kleinere  länger  dauernde  Schmerz- 
attacken. Wenn  sich  die  Fistel  einmal  schloss,  traten  bald  Schüttel- 
frost, Übelkeit,  Schmerzen  in  der  Magengrube,  Kopfschmerzen  auf^ 
dann  fand  das  angesammelte  Sekret  einen  Ausweg  nach  aussen,  und 
der  Anfall  war  vorüber. 

Pat.  hat  sich  1'/«  Jahre  laug  die  Gallenblase  selbst  ausgespült^ 
manchmal  soll  der  Ausfluss  gallig  gefärbt  gewesen  sein,  meist  war  es 
wenig  farbloser  Schleim.    Seit  4  Wochen  spülte  er  nicht  mehr  aus,  di»^ 


—      137'    — 

Fistel  schloss  sich,   am  29.  6.  hatte  er  einen  Anfall,  und  in  der  Nacht 
ging  die  Fistel  wieder  auf. 

Herr  Dr.  Schädel  riet  ihm  hierherzukommen. 

Befund:  Grosser  kräftiger  Manu  in  gutem  Ernährungszustand, 
kein  Ikterus.  Starkes  Fettpolster.  Unterhalb  des  rechten  Rippen- 
bogens findet  sich  eine  T-förmige  Narbe,  am  Treffpunkt  beider 
Schenkel  liegt  eine  stark  eingezogene  Fistelöffnung,  von  der  aus  man 
ca.  10  cm.  tief  gelangt.    Ein  Stein  ist  nicht  zu  fühlen. 

Urin  frei  von  pathol.  Bestandteilen,  Puls  48,  Temp.  normal.  Herz 
und  Lungen  gesund. 

Diagnose:  Eiterfistel  bedingt  durch  Cysticusstein  oder  vielleicht 
auch  durch  Verzerrung  und  Abknickung  der  Gallenblase. 

Operation:  4.  7.  1901.  Wellenschnitt.  Der  Fistelgang  führt 
nicht  in  die  Gallenblase,  sondern  zwischen  sehr  verdicktem  Perito- 
neum pariet.  und  Leber  nach  oben.  (Es  hat  also  früher  ein  snbphre- 
niscber  Abscess  bestanden.)  Nach  vielen  Unterbindungen  und  Trennung 
von  Verwachsungen  (Resektion  des  Rippenbogens  nach  Lannelon^'iie) 
kommt  man  endlich  auf  die  prall  gefüllte  Gallenblase.  Im  Hals  der- 
selben fühlt  man  einen  walnussgrossen  Stein,  der  in  den  Fundus  der 
Gallenblase  gedrückt  wird.  Trotzdem  bleibt  die  Gallenblase  prall  ge- 
spannt. Aspiration  darminhalt  ähnlichen,  stinkenden  Sekrets.  Excision 
des  Steines.  Es  wurde  das  Schlauchverfahren  beschlossen,  der  Cysti- 
cus  fühlte  sich  aber  so  fest  an,  dass  das  Vorhandensein  eines  zweiten 
Steins  wahrscheinlich  war.  Deshalb  Ectomie.  Beim  Hervorziehen  der 
Gallenblase  reissen  die  Gefiisse  am  Cysticns  ein.  Kolossale  Blutung, 
Da  die  Unterbindung  in  so  enormer  Tiefe  kaum  möglich,  werden 
5  lange  König'sche  Klemmen  liegen  gelassen,  mit  vieler  Silbergaze 
umwickelt.  Der  Gang  nach  dem  Subphrenium  hin  wird  ebenfalls 
tamponiert.  Bei  der  Naht  der  Bauchdecken  gibt  eine  Klemme  nach, 
bedeutende  Nachblutung.  Neue  Anlegung,  neue  Tamponade.  Fat., 
der  während  der  Narkose  immer  cyanotisch  war,  ist  jetzt  sehr  anämisch. 
Puls  100,  klein.  Naht  bis  auf  die  Stelle,  wo  die  Tamponade  durchge- 
leitet wird.    Verband.    EssTglappen  auf  den  Mund. 

Verlauf:   4.7.    Abends  37,1. 

5.  7.  37,3.  Puls  72.  Einmal  etwas  Erbrechen.  Fühlt  sich  kräftig 
und  sieht  zwar  etwas  blass,  aber  sonst  wohl  aus.  Verband  durch- 
geblutet.   Wechsel  der  oberen  Schichten.     37,7. 

6.  7.  37,4.  Puls  60.  Blähungen  im  Gang.  Wohlbefinden.  Ver- 
band trocken.    38,4. 

7.  7.  38,0.  Puls  84.  Gestern  abend  starkes  Würgen  und  infolge- 
dessen heftige  Schmerzen  an  der  Wunde.  Morphium.  Danach  guter 
Schlaf.    Heute  morgen  etwas  Hitzegefühl,  sonst  Wohlbefinden. 

9    7.     Abführen. 

11.7.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  der 
liegen  gebliebeneu  Klemmen,  filinige  Fäden  haben  sich  abgestossen. 
Ausspülung. 


—     138     — 

12. — 25.  7.  Täglich  Verbandwechsel.  Der  Verband  ist  täglich 
mit  einer  schmutzig-grauen ,  bisweilen  leicht  galligen  Flüssigkeit 
von  wenig  fäkulentem  Geruch  durchtränkt.  In  den  nächsten  Tagen 
wird  der  Gallenzusatz  reichlicher,  schliesslich  ist  es  reine  Galle.  Wahr- 
scheinlich handelte  es  sich  iu  den  ersten  Tagen  um  ein  kleines  Locli 
im  Duodenum,  das  infolge  Verletzung  der  Serosa  nach  der  Operation 
entstanden  war. 

1.  8.  Pat.  steht  auf.  Verbandwechsel  alle  2— 3  Tage,  der  Gallen- 
fluss  sistiert  vollkommen.  Die  Wundhöhle  hat  sich  zu  einem  schmalen 
Spalt  zusammengezogen. 

8.  8.  Pat.  hat  am  linken  Bein  sehr  starke  Krampfadern.  Die 
V.  saphena  wird  in  einer  Länge  von  ca.  50  cm.  unterhalb  des  Knies 
bis  zur  Einmündungsstelle  in  die  V.  femoralis  reseciert.    Naht. 

16.  8.     Herausnahme  der  Nähte. 

20.  8.    Steht  auf. 

26.  8.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Zuerst  Cholecystitis  purulenta,  dann  subphreni- 
scher  Abscess;  ob  infolge  von  Perforation,  Hess  sich  nicht  nach- 
weisen. Da  bei  den  ersten  3  Operationen  die  Gallenblase  nicht 
gefunden  wurde,  kam  der  Fall  nicht  zur  Ausheilung.  Es  wäre 
richtiger  gewesen,  sich  mit  der  Cystostoraie  zu  begnügen,  da 
aber  der  Cysticus  so  hart  war,  glaubte  man  an  einen  zweiten 
Stein  und  machte  die  Cystectomie.  Die  Gallenblase  war  sehr 
entzündet,  das  Bett  des  Steines  im  Hals  der  Gallenblase  zeigte 
ein  dekubitales  Geschwür.  Wegen  der  Verwachsungen  bot  der 
Fall  grosse  technische  Schwierigkeiten,  wie  kaum  ein  zweiter. 


VII.  Die  Resection  der  Gallenblase. 

Nr.  71.     A.  P.,  60  j.  Witwe  aus  Dessau. 

Aufgen.:  4.   12.  1898. 

Operiert:  5.  12.  1898.     Resektion  der  Gallenblase. 

Entlassen:  22.  1.  1899.  Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Besonderheiten.  Frau 
A.  F.  war  ganz  gesund,  bis  seit  etwa  3  Jahren,  etwa  einmal  im  Jahre, 
ein  Magenkrampf  sich  einstellte.  Vor  Z  Jahren  trat  auch  Gelbsucht 
hinzu.  Im  Juni  1898  setzte  ein  äusserst  heftiger  Magenkrampf  ein, 
der  ca.  einen  Tag  anhielt  und  von  Gelbsucht  gefolgt  war.  Nach 
14  Tagen  waren  die  Gelbsucht  und  die  Schmerzen  vorüber.  Es  wurde 
Gallensteinkrankheit  konstatiert.  Unter  dem  rechten  Rippenbogen 
wurde  eine  Geschwulst  festgestellt.  Der  Magen  war  sehr  empfind- 
lich. Die  Gelbsucht  blieb.  Frau  A.  P.  ist  abgemagert  und  hat  stets 
Druck   in    der  rechten  Oberbauchgegend. 


—     139     — 

Befund:  Mittelgrosse,  nicht  ikterische,  ziemlich  gutgenährte 
Frau.  Organe  gesund.  In  der  rechten  Oberbauchgegend  ein  undeut- 
lich abgrenzbarer  Tumor  palpabel,  der  für  die  verwachsene  Gallenblase 
gehalten  wird.    Harn  normal. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.    Empyem.     Adhäsionen. 

Operation:  Chloroformnarkose.  15  cm.  langer  Längsschnitt  im 
rechten  Muse.  rect.  abdom.  Netz  mit  dem  Rande  des  rechten  Leber- 
lappens verwachsen,  so  dass  die  Gallenblase  verborgen  ist.  Beim  Lösen 
der  Verwachsung  am  Leberrande  in  der  Gegend  der  Gallenblase  tritt  bald 
ein  ca.  haselnussgrosser,  dunkler  Gallenstein  zu  Tage.  Es  wird  beim 
weiteren  Suchen  ein  zweiter  Stein  herausbefördert  nebst  Eiter,  der 
sofort  aufgetupft  wird.  Jetzt  zeigt  sich  eine  Perforationsöffnung  in 
der  Blase,  aus  der  ein  dritter  gleicher  Stein  extrahiert  wird,  während 
die  Entfernung  eines  vierten  nur  in  Trümmern  gelingt.  Es  fliesst 
Galle.  Die  Sonde  weist  Steine  nicht  mehr  nach.  Abtragung  der  sehr 
zerreisslicheii  Blase  iu  der  Höhe  des  Blasenhalses.  Einführung  eines 
Drains  in  den  Stumpf,  welches  festgenäht  wird.  Tamponade.  Schluss 
des  unteren  Teils  der  Bauchwunde  mittelst  durchgreifender  Knopf-  und 
Hautnähte.     Dauer  40  Min. 

Glatter  Verlauf.  Geringer  Gallenausfluss.  Fistel  Mitte  Januar 
fest  geschlossen.    Vorzügliches  Allgemeinbefinden.    Geheilt  entlassen. 

Nr.  72.     H.  P.,  32  j.  Forstbetriebsdirektor  aus  Piatra-Neanetz 
(Rnmäuien). 

Aufgen.:  17.  11.  r902. 

Operiert:    19.  11.  1902.     Resektion    der    Gallenblase. 

Entlassen :   20.  12.  1902.     Zur   weiteren   Behandlung-. 

Anamnese:    Vor  2  Jahren   heftige    Kolik,    Schmerzen    in    der 

Gallenblasengegend    nach    links,   sowie  zum  Rücken  und  in  die  Brust 

ausstrahlend,   mit  Übelkeit,    Aufstossen,    danach  Ikterus.     Die  Anfälle 

wiederholten  sich  häufig,  aber  ohne  Ikterus. 

November  1901  heftiger  Anfall,  8  Tage  dauernd,  mit  Ikterus.  Ab- 
gang eines  erbsengrossen  Steines.  Dezember  Kur  in  Karlsbad,  danach 
einige  Monate  verhältnismässige  Ruhe.  Seit  diesem  Anfall  im  November 
1901  blieben  dauernd  nagende,  bohrende  Schmerzen  in  der  Gallenblasen- 
gegend bestehen,  die  manchmal  nachliessen,  manchmal  so  stark  waren, 
dass  Fat.  nicht  auf  der  rechten  Seite  liegen  konnte.  Im  Juli  1902  be- 
gannen wieder  Koliken,  zunächst  von  geringer  Intensität  und  kurzer 
Dauer,  aber  sehr  häufig  kommend.  September  1902  Karlsbader  Kur, 
dort  fast  täglich  Anfälle,  kein  Ikterus,  aber  bisweilen  Acholie  der 
Faeces.  Zu  Hause  wurden  die  Anfälle  wieder  seltener,  doch  bHeb  der 
gleichmässige  bohrende  Schmerz  bestehen.  Bei  den  Anfällen  bisweilen 
Schüttelfröste,  auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  öfter  leichtes  Frostgefühl. 
Herr  Dr.  E.-Wien  erklärte  im  Oktober  d.  J.,  dass  ein  Stein  im 
Cysticus  sässe,  riet  aber  vorläufig  von  der  Operation  ab.  Trotzdem 
auch  die  übrigen  Ärzte,  die  den  Fat.  behandelten,  von  einer  Operation 


—     140     — 

abrieten,  kommt  er  mit  dem  Wunsche,  operiert  zu  werden,  hierher, 
da  die  dauernden  Sehmerzen  seine  Arbeitsfähigkeit  herabsetzen. 

Befund:  Leber  niclit  gross,  kein  Tumor  der  Gallenblase,  kein 
Ikterus.  Excessive  Druckempfindliehkeit  der  Gallenblase.  Urin  frei. 
Sehr  starker  und  fetter  Mann. 

Diagnose:  Chronische  recidiv.  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  19.  11.02.  Wellenschnitt.  Gallenblase  klein,  ge- 
schrumplt,  um  Steine  kontrahiert,  enthält  ca.  sechs  haselnussgrosse 
Steine  und  Schleim.  Die  Ectomie  wird  versneht,  die  Gallenblase  vom 
Leberbett  abgelöst,  der  Cyslicus  liegt  aber  so  tief  und  die  Narkose 
ist  so  sehleclit  (Pat.  presst  fortwährend),  dass  die  Ectomie  iindnrch- 
fiihrbar  ist.  Wo  die  Gallenblase  am  Fnndns  eingerissen  ist,  wird 
dieser  reseciert  und  sonst  das  SchlanchTerfahren  angewandt.  Im  Cysticus 
fühlt  mau  einen  Stein,  doch  gelingt  es  nicht,  ihn  herauszudrücken. 
Reichliche  Tamponade.  ä/4  stündige  Operation  im  Beisein  des  Herrn 
Dr.  Erik  Lind-Stockholm. 

Verlauf:  Gut. 

27.  11.  Temperaturen  normal.  Pat.  klagt  fortgesetzt  über- Magen- 
druck. Heute  Entfernung  der  Tamponade.  Wundtrichter  in  sehr 
gutem  Zustand.    Danach  wesentliche  Besserung  der  Beschwerden. 

30.  11.  Ein  Stein  ist  mit  der  Sonde  zu  fühlen,  scheint  locker 
zu  sitzen. 

5.  12.  Heute  zwei  kleine  Steinbröckel  beim  Ausspülen  abgegangen. 
Mit  der  Sonde  kein  Stein  mehr  zu  fühlen. 

9.  12.  Einlegen  eines  Laminariastiftes  in  die  Gallenblase  bis  au 
den  Cj'sticus.  Viel  Schmerzen  in  den  ersten  Stunden.  3  mal  0,02  Mor- 
phium subkutan. 

10.  L2.     Stift  entfernt.     Stein  nicht  zu  fühlen.    Galle   läuft  nicht. 
15.  12.    Wunde  wesentlich  kleiner.    Mit  dem  Spülkatheter  ist  die 

Gallenblase  nicht  mehr  zu  erreichen. 

17.  12.  Verbandwechsel.  Hinter  der  Tamponade  liegt  ein  kleines 
Steinsplitterchen.     Es  scheint  etwas  Galle  zu  laufen. 

18.  12.     Galle  läuft  massig  stark. 

20.  12.  Zur  weiteren  Behandlung  zu  Herrn  Prof.  von  Eisels- 
b  e  rg-Wien. 

Epicrise:  Ob  Pat.  seine  Steine  sämtlich  losgeworden  ist, 
erscheint  mir  fraglich.  Bei  Empyem  der  Gallenblase  ist,  wenn 
man  es  mit  starken  und  fetten  Patienten  zu  tun  hat,  die  Ectomie 
kaum  möglich,  man  muss  sich  mit  der  Cystostomie  begnügen 
und  kann  dann  leicht  einen  Stein  im  Cysticus  zurücklassen. 
Die  beste  Technik  ist  oft  nicht  im  stände,  in  solchen  Fällen 
eine  völlige  Heilung  zu  garantieren,  und  die  Fälle  von  Chole- 
dochusverschluss  geben,  was  die  Dauerheilungen  anlangt,  viel 
bessere  Resultate  wie  der  Cysticusverschluss  mit  Hydrops  und 
Empyem,   wenn   die  p]ctomie    undurchführbar  ist.   —  Auf  eine 


—     141     — 

Anfrage  im  Januar  1904  antwortete  Pat.,   dass   er  mit  seinem 
Zustande  sehr  zufrieden  sei.     Fistel  ist  geschlossen. 

Nr.  73.     R.  J.,  37  j.  Hauptmann  aus  Danzig. 

Auf  gen.:  5.   1.  1903. 

Operiert:  6.  1.  1903.     Resektion  der  Gallenblase. 

Entlassen:  12.  2.  1903.     Gebessert. 
Anamnese:  Pat.  ist  früher  immer  gesund  gewesen.    Sein  Vater, 
welcher  noch  lebt,  hat  angeblich  vor  12  Jahren  einmal  an  Magenkoliken 
gelitten,    die    sich   jedoch   nach    einer    Karlsbader   Kur   nicht   wieder 
einstellten. 

Pat.  litt  im  Februar  1902  an  einer  heftigen  Influenza  mit  14  tag. 
hohem  Fieber.  Nach  diesen  14  Tagen  stellte  sich  plötzlich  ein  heftiger 
Anfäll  von  kolikartigen  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  ein, 
Schmerzen,  die  Pat.  für  Magenkrämpfe  hielt.  Es  folgten  in  den  nächsten 
Tagen  noch  einige  leichtere  Anfälle.  Von  dem  behandelnden  Arzte 
wurde  eine  auch  äusserlieh  sichtbare  Schwellung  der  Gallenblase  fest- 
gestellt. Pat.  wurde  3  Wochen  lang  mit  heissen  Umschlägen  und 
Morphium  behandelt.  Er  fühlte  sich  dann  völlig  wohl  und  machte 
darauf  eine  Kur  in  Neuenahr  durch.  Eine  Zeit  lang  traten  keine  neuen 
Anfälle  mehr  auf,  dann  aber  stellten  sich  doch  wieder  einige  leichte, 
kurze  Anfälle  (etwa  6—7)  ein.  Am  12.  November  1902  trat,  nachdem 
am  Tage  vorher  ein  leichter  Anfall  vorhergegangen,  ein  gleichheftiger 
Anfall  von  kolikartigen  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  auf, 
wie  im  Februar  1902.  Seitdem  hat  Pat.  dauernd  leichte  Schmerzen  in 
der  Gegend  der  Gallenblase  und  der  Magengrube.  Verschiedentlich 
wurde  bei  Pat.  eine  Vergrösserung  der  Leber  diagnostiziert.  Pat. 
sucht  aus  freien  Stücken  unsere  Klinik  auf,  um  sich  operieren  zu  lassen. 
Gelbsucht  hat  nie  bestanden.  Steine  wurden  trotz  sorgfältigsten  Suchens 
nicht  gefunden.  Die  kolikartigen  Anfälle  haben  sich  angeblich  immer 
nach  kaltem  Trinken  eingestellt,  jetzt  hat  Pat.  nach  jeder  Mahlzeit 
Schmerzen.  Auch  beim  Reiten  stellten  sich  stets  stärkere  Schmerzen 
ein.    Pat.  hat  bis  jetzt  Dienst  getan. 

Befund:  Tumor  der  Gallenblase,  prall  gespannt  und  schmerzhaft. 
Leber  nicht  vergrössert.     Kein  Ikterus.     Urin  frei. 
Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase. 

Operation:  6.  1.  03.  Schnitt  im  äusseren  Teil  des  rechten 
Muse.  reet.  abd.  Leber  nicht  gross.  Gallenblase  allseitig  verwachsen. 
Sehr  schwierige  Lösung.  Gallenblase  sehr  morsch,  reisst  ein;  es  ent- 
leert sich  Eiter.  Im  Hals  der  Galleublase  ein  haselnussgrosser  Steiu. 
Resektion  der  Gallenblase  bis  zum  Hals  der  Gallenblase.  Entfernung 
des  Steins.  Zwischen  Leber  und  Gallenblase  ein  A.bscess.  Tamponade. 
Sehr  schwierige,  fast  2  stund.  Operation.  Naht.  Verband.  Die  Nar- 
kose   ist  durch  viel  Pressen  und  Würgen  gestört. 

Verlauf:  Gut. 


—     142     — 

18.  1.  03.  l.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons  und  ein- 
zelner langer  Fäden.  Hinter  den  Tampons  etwas  stinkendes  eitriges 
Sekret.    Tamponade.    Befinden  abends  gut. 

20.  1.  03.  2.  Verbandwechsel.  Entfernung  sämtlicher  Nähte.  Ein 
Faden  sitzt  noch  fest.     Wunde  gut.    Tamponade. 

24,  1.  03.  In  der  Tieie  des  Wundtrichters  sieht  man  noch  Reste 
der  Gallenblasenschleimhaut.    Cysticus  nicht  zu  sondieren. 

25.  1.  03.    Steht  auf. 

1.  2.  03.  Es  läuft  etwas  Galle.  Über  Nacht  leichte  Magen- 
schmerzen.   Der  letzte  Faden  geht  ab. 

3.  2.  03.    Keine  Galle  im  Verband. 

12.  2.  03.  Wird  mit  kleinem  granulierenden  Wundtrichter  ent- 
lassen.   Schleimflstel. 

Epicrise:  Nach  der  Operation  entwickelte  sich  eine 
Schleimfistel,  die  vorübergehend  heilte,  dann  aber  wieder  aut- 
brach. Entweder  steckt  noch  ein  Stein  im  Cysticus,  oder  es 
ist  an  der  Gallenblase  zu  viel  Schleimhaut  stehen  geblieben, 
während  der  Cysticus  obliteriert  ist.  Es  ist  eben  unmöglich,  in 
solchen  Fällen  immer  eine  Heilung  herbeizuführen,  es  sei  denn, 
dass  man  unter  allen  Umständen  die  Ectomie  wagt.  Dann 
bringt  man  aber  das  Leben  in  zu  grosse  Gefahr  — ,  lieber 
eine  Schleimfistel,  als  die  Möglichkeit,  bei  der  Operation  das 
Leben  zu  opfern.  Pat.  hat  mit  seiner  Schleimfistel  im  Herbst  1903 
das  Manöver  mitgemacht  und  fühlt  sich  sehr  wohl ;  er  ist  mir 
sehr  dankbar,  dass  ich  mich  mit  einer  Cystostomie  begnügt  habe. 


Vin.    Der  Verschluss  kompleter  Gallenfisteln. 

Nr.  74.     E.  W.,   44  j.    Spezialarzt    für    Magen-,    Darm-    und 
Stoffwechsel-Krankheiten  aus  Düsseldorf. 

Aufgen.:  7.  12.  1901. 

Operiert:  9.  12.  1901.     Cystostomie. 

30.  1.  1902.     Fistelverschluss. 

Entlassen:  15.  2.  1902.  Geheilt. 
Die  Anamnese  stammt  vom  Pat.  selbst  und  lautet: 
„Vater  starb,  54  Jahre  alt,  an  einem  Herzleiden.  Mutter,  69  Jahre 
alt,  lebt  und  ist  gesund.  Vor  18  Jahren  ist  sie  an  einem  Mamma- 
carcinom  mit  Erfolg  operiert  worden.  Ein  jüngerer  Bruder  erkrankt© 
vor  wenigen  Jahren  an  paroxysmalen,  krampfartigen  Schmerzen  in 
der  Magengegend,  die  von  dem  behandelnden  Arzt  als  Gallenstein- 
koliken gedeutet  wurden.  Nach  einer  einmaligen  Brunnenkur  in 
Karlsbad   sind    keine  Anfälle   mehr  aufgetreten.     Meine  noch  lebend© 


—     143     — 

Schwester  hat  vor  ca.  10  Jahren  an  einer  schweren  Appendicitis  und 
Perityphlitis  gelitten,  ist  aber  seitdem  vollständig  gesund. 

Von  meinen  vier  Kindern  ist  eines,  1  Jahr  alt,  an  Dysenterie, 
ein  anderes,  4  Jahre  alt,  an  Basalmoningitis  gestorben.  Die  beiden 
anderen  Kinder  von  6  und  1  Jahr  sind  gesund. 

Ich  habe  als  Kind  an  Keuchhusten,  Scharlach,  Masern,  Unter- 
leibstyphus, als  Student  und  dann  später  noch  einmal  als  Arzt  an 
Diphtherie  gelitten.  Im  Herbst  1892  und  93  erkrankte  ich  an  einer 
Perityphlitis,  die  nach  ca.  5  Wochen,  ohne  Beschwerden  zu  hinterlassen, 
heilte.  Ein  schweres  Recidiv  derselben  trat  im  Oktober  1899  ein. 
Die  Resorption  des  Exsudats  war  zwar  schon  nach  ca.  3  Wochen  er- 
folgt, doch  blieben  in  der  Ileocoecalgegend  dumpfe  unbestimmte  Schmer- 
zen zurück ;  durch  ca.  10  Fangopackungen,  denen  ich  mich"  auf  den 
Rat  des  Herrn  Prof.  H.  Kl  emp  er  er- Berlin  unterzog,  wurden  auch  diese 
beseitigt.  Nach  Wiederaufnahme  meiner  Tätigkeit  traten  bald  von 
neuem  schmerzhafte  Empfindungen  in  der  Blinddarmgegend  auf,  die 
allerdings  vorübergehender  Art  waren,  indessen  so  häufig  sich  zeigten, 
dass  ich  mich  auf  Klemperer's  Rat  an  Herrn  Prof.  J.  Israel-Berlin 
wandte,  der  mir  in  Anbetracht  des  fehlenden  objektiven  Befundes  eine 
Probelaparotomie  vorschlug,  die  am  19.  Februar  1900  ausgeführt  wurde. 
Dabei  wurde  das  Cöcum  nach  vorne  hochgeschlagen  gefunden,  so  dass 
es  mit  seinem  Fundus  unmittelbar  unterhalb  der  Leber  lag.  Die 
Appendix,  die  zunächst  gar  nicht  aufzufinden  war,  lag  vollständig 
eingebettet  in  fibrinöses  Gewebe,  war  chronisch  verdickt,  stark  ulceriert 
und  perforiert,  und  das  distale  Ende  fehlte  vollständig.  Appendix 
wurde  entfernt.  Abgesehen  von  einer  Nekrose  eines  Teiles  der  unteren 
Rectusfascie,  die  nachträglich  durch  Curettement  entfernt  wurde,  ver- 
lief die  Heilung  vollkommen  fieberlos. 

Mein  jetziges  Leiden  begann  im  Mai  1891  (also  1—2  Jahre  vor 
dorn  ersten  Perityphlitisanfall)  mit  einem  abendlichen  Anfall  sehr 
heftiger,  stechender  und  bohrender  Schmerzen  im  Epigastrium,  die 
nach  dem  Rücken  hin  ausstrahlten,  zu  Schweiss  und  Erbrechen  führten, 
aber  sehr  bald  vorübergingen.  Nach  4 — 6  Wochen  wiederholten  sich 
solche  Attaquen  und  traten  dann  eine  Zeit  lang  fast  an  jedem  Abend 
(resp.  Nacht)  auf,  wurden  aber  durch  subcutane  Anwendung  von 
Morfin  (0,01  —  0,02)  sehr  schnell  beseitigt.  Obwohl  mein  Appetit  durch 
das  Leiden  nicht  nennenswert  beeinflusst  wurde,  verlor  icli  dennoch 
an  Gewicht  ca.  25  Pfund.  Über  die  Diagnose  „Gallensteinkohk"  im 
Klaren,  ging  ich  im  Sommer  1891  und  auch  in  dem  darauf  folgenden 
Jahre  zur  Kur  nach  Karlsbad.  So  lange  ich  dort  Brunnen  trank  und 
badete,  blieben  die  Anfälle  fast  ganz  weg,  kehrten  aber  nach  meiner 
Rückkehr,  in  die  Heimat  in  gleicher  Häufigkeit  und  gleicher  Intensität 
wie  vorher  wieder.  Ich  habe  dann  noch  etwa  5  Sommer  hindurch  zu 
Hause  Karlsbader  Brunnen  getrunken  und  sehr  vorsichtig  gelebt,  ohne 
einen  nennenswerten  Nutzen  davon  zu  sehen.  Eine  innerhalb  dieser 
Zeit  begonnene  interne  Ölkur  (200  gr.  pro  die)  musste  ich  abbrechen, 
weil  mein  Magen  zu  sehr  darunter  litt ;    etwas  mehr  Nutzen  scheinen 


—      144     — 

mir  Öleinläufe  (50  mal  ä  50ü  ccm)  gebracht  zu  haben;  wet)igstens 
wurden  die  Anfälle  etwas  schwächer,  traten  auch  nicht  mehr  so  häufig 
auf  als  anfangs,  so  dass  ich  nur  selten  zu  Morphium  zu  greifen  brauchte. 

Im  Juni  1900  gesellte  sich  zu  diesen  Beschwerden  ein  häufiges, 
zitterndes  Aufstossen,  das  so  lange  anhielt,  als  die  Magen verdauung 
dauerte  und  besonders  anfangs  mit  sehr  heftigem  Sodbronnen  sich 
vergesellschaftete,  das  zuweilen  im  unteren  Teil  der  Speiseröhre  ein 
recht  unangenehm  brennendes  Gefühl  erzeugte.  Die  Untersuchung 
des  Magens  ergab  am  6.  12.  1900  folgendes  Resultat: 

Magengrenzen  normal;  Mageij  im  nüchternen  Zustande  leer. 
Eine  Stunde  nach  Ewald'schem  Probefrühstück,  werden  etwa  75  ccm. 
gut  verdauten  Speisebreies  ausgehebert.  Die  Gesamtacidität  des 
Magenfiltrats  betrug  100,  freie  H  Gl  :=  78,  gebundene  H  Gl  =  15, 
saure  Salze  =;  7.  Nach  Gebrauch  von  Vichywasser,  anderen  Alkalien 
und  geeigneter  Diät  schwand  das  Sodbrennen  fast  ganz,  während  das 
Aufstossen  immer  noch  besteht,  in  der  Häufigkeit  seines  Auftretens 
aber  grossem  Wechsel  unterliegt.  Die  Ursache  dieser  Hyperchlorhydrie 
führe  ich  selbst  teils  auf  Verwachsungen  des  Magens  mit  anderen 
Abdominalorganen,  sei  es  infolge  der  Perityphlitis,  sei  es  der  Chole- 
cystitis resp.  Pericholecystitis,  teils  auf  Überreizung  des  Gesamtnerven- 
systems zurück,  die  nach  so  vielen,  schweren  Leiden  nicht  ausbleiben 
konnte. 

Von  Zeit  zu  Zeit  werde  ich  auch  seit  Jahren  von  Trigeminus- 
neuralgie  geplagt;  in  letzter  Zeit  sind  diese  Schmerzen  seltener  auf- 
getreten. 

Seit  ungefähr  P/2  — 2  Jahren  ist  es,  zum  Teil  infolge  Morphium- 
gebrauchs, zu  besonders  heftigen  Koliken  nicht  mehr  gekommen.  Die 
Bosch  werden  traten  dafür  aber  häufiger  auf  und  waren  von  längerer 
Dauer.  Rechtsseitige  Lage  im  Bett  wurde  mir  unbequem,  und  selbst 
beim  Gehen  hatte  und  habe  ich  das  Gefühl,  als  ob  ein  grösserer  Fremd- 
körper unter  der  Leber  sitze  und  auf  diese  drücke. 

In  den  letzten  Wochen  bin  ich  nur  selten  ganz  ohne  Beschwerden 
gewesen.  Die  Gallenblase,  die  immer  während  der  akuten  Anfälle 
druckempfindlich  und  als  Tumor  zu  palpieren  war,  nach  Morphium 
aber  sehr  bald  wieder  abschwoll,  blieb  jetzt  tagelang  fühlbar.  Die 
letzte  Morphiuminjektion  machte  ich  mir  am  80.  11.,  aber  noch  am 
4.  12.  konnte  ich  die  Vesica  als  prall  elastischen  Tumor  deutlich  fühlen 
und  mich  von  ihren  respiratorischen  Verschiebungen  überzeugen. 

Während  der  ganzen  Dauer  des  Leidens  haben  Beziehungen  der 
Schmerzen  zur  Qualität  der  Nahrung  nicht  bestanden;  zuweilen  schien 
die  Quantität  der  Speisen  einengewissen  (schmerzsteigernden)  Einüuss 
darauf  zu  haben.  Die  akuten  Anfälle  entwickelten  sich  alle  bis  auf 
einen  immer  erst  in  den  Abend-  oder  Nachtstunden.  Fieber  und 
Ikterus  sind  nie  vorhanden  gewesen.  Steine,  nach  denen  nur  anfangs 
gesucht  wurde,  sind  nicht  gefunden  worden. 

Der  Appetit  ist  sehr  gut;  Neigung  zu  Obstipation,  ohne  dass  Ab- 
führmittel häufig  notwendig  sind.    Der  Schlaf  ist  bald  gut,  bald  unruhig." 


—     145     — 

Befund:  Urin  frei.  Befund  an  der  Gallenblase  bis  auf  geringe 
Bruckempfiadiichkeit  negativ.  Kein  Tumor  der  Gallenblase,  kein  Ikterus. 

Diagnose:  Chron.  recid.  Cholecystitis.  Infektion  augenblicklich 
erloschen. 

Operation:  9.  12.  Ol.  Gallenblase  mittelgross,  keine  Adhäsion. 
In  der  Gallenblase  teerartige,  eingedickte,  zähe  Galle  und  3  Steine  von 
Walnussgrösse,  einer  im  Hals  der  Gallenblase.  Cystostomie  mit  Draht. 
Galle  fliesst.     Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Verlauf:  Gut. 

1.  1.  02.  Täglich  Verbandwechsel.  Immer  sehr  reichlicher 
€rall«nfliiss.  Pat.  klagt  heute  Nacht  über  leichte  Koliken.  Galle  klar. 
Leichter  Schleimhautprolaps. 

6.  1.  02.    Täglich  Verbandwechsel.     Keine  Schmerzen  mehr. 

15.  1.  02.  Imuier  noch  sehr  reichlicher  Galleuflnss.  Stuhl  schwach 
gefärbt.    Stöpselexperiment. 

16.  1.  02.  Verband  ist  trocken.  Keine  Beschwerden.  Der  bis- 
lang sehTrach  gallig  gefärbte  Stulü  heute  dunkler.  Stöpsel  bleibt 
liegen.  ._ 

17.  1.  02.    Stöpsel  entfernt. 

18.  1.  02.  Vorband  wieder  stark  mit  Galle  durchtränkt.  Leichte 
Tamponade. 

22.  1.  02.  (ralleufluss  in  den  letzten  Tagen  wechselnd  stark;  tag* 
lieh  Ätzung  des  J^chleimhautprolapses. 

29.  1.  02.  Da  der  Schleimhautprolaps  nicht  zurückgeht,  der 
Grallenfluss  nicht  sistiert,  so  wird  am 

30.  1.  02  in  Chloroformnarkose  die  Wunde  umschnittcD,  die  Fistel 
freipräpariert  und  abgetragen.  Die  Gallenblase  wird  durch  Seidenknopf- 
nähte über  Draht  geschlossen.  Die  freie  Bauchhöhle  wird  dabei  nur  an 
kleiner  Stelle  eröffaet.  Verkleinerung  der  Bauch  wunde.  Tiefdrängeu 
der  Gallenblase  durch  Tamponade.    Verlauf  fieberfrei. 

3.  2.  02.    Führt  ab. 

8.  2.  02.  Nähte  entfernt.  Gallenblase  geschlossen.  Wunde  in 
guter  Granulation. 

15.  2.  02.  Wunde  durch  Granulation  verkleinert.  Bei  sehr  gutem 
Allgemeinbefinden  entlassen. 

Epicrise:  Pat.  hat  sich  sehr  gut  beobachtet,  und  man 
kann  aus  der  von  ihm  selbst  niedergeschriebenen  Anamnese 
sehr  viel  lernen. 

Zur  Zeit  der  Aufnahme  hatte  Pat.  gar  keine  Beschwerden, 
und  es  fehlte  jeder  Untersuchungsbefund.  Trotzdem  drängte 
der  Kollege  zur  Operation. 

Die  sich  nach  der  Cystostomie  ausbildende  Gallenflstel 
wäre  bei  geduldigem  Abwarten  wohl  noch  spontan  zum  Ver- 
schluss gekommen ;  aber  da  der  Gallenfluss  den  Pat.  beunruhigte, 
verschloss  ich  die  Fistel.    Ich  rate,  diese  Operation  nicht  unter 

Kehr,  Technik  der  Oallonsteinoperationen.  10 


—     140      - 

Schleich 'scher  Anaesthesie  vorzunehmen,  sondern  unter  all- 
gemeiner Narkose.  Bei  der  Lokalanästhesie  ist  es  schwer,  sich 
zu  orientieren,  während  bei  allgemeiner  Narkose  die  Operation 
in  kürzester  Zeit  durchzuführen  ist. 

Jetzt  ist  Pat.  völlig  gesund  und  arbeitsfähig.  — 

Nr.  75.     M.  S.,  34j.  Maurermeistersfrau  aus  Pabstorf. 

Aufgen.:  27.  5.  1902. 

Operiert:    29.   5.   1902.     Cystostomie.     Cysticotomie. 

Netzresektion. 
Entlassen:  28.  7.   1902.     Gebessert. 
2.  Aufnahme:   12.  8.   1902. 

2.  Operation:  15.  8.  1902.     Gallenfistel- Verschluss. 
Entlassen:  28.  8.   1902.  'Geheilt. 

Anamnese:  Vor  9  Wochen  erkrankte  Pat.  plötzlich  mit  heftigen 
Sehmerzen  in  der  Magengegend  unter  Schüttelfrost  und  Fieber.  Herr 
Dr.  Klavehn  teilt  mit,  dass  er  damals  schon  die  Diagnose  Chole- 
cystitis purulenta  gestellt  habe.  Pat.  hatte  mehrere  Wochen  lang 
unter  Fiebererscheinungen  heftige  Schmerzanfäile,  welche  sich  auf  die 
Magengegend  und  die  Gegend  der  Gallenblase  lokalisierten.  Daneben 
bestand  schlechter  Appetit,  Erbrechen  und,  da  sie  viel  Opium  bekam, 
Stublverhaltung.  Allmählich  trat  vor  ca.  3  Wochen  Besserung  ein, 
indem  die  Schmerzanfäile  nachliessen  und  das  Fieber  aufhörte.  Da 
trat  jedoch  vor  4  Tagen  ein  erneuter  sehr  heftiger  Kolikanfall  mit 
hohem  Fieber  auf  unter  Erbrechen  und  sehr  grossem  Verfall  der  Herz- 
kraft. Jetzt  erst  entschloss  sich  Pat.,  dem  schon  lange  gegebenen 
Rat  des  Herrn  Dr.  Kläv  ehn-Pabstorf  zu  folgen  und  sich  behufs 
Operation  in  die  Klinik  bringen  zu  lassen. 

Befund:  Sehr  grosso  Herzjichwäehe.  Puls  frequeiit,  kleiu.  Im 
Abdomen  rechts  vom  r.  Leberlappen  abwärts  grosser  handbreiter,  bis 
über  Nabelhöhe  herabreichender,  druckempfindlicher  Tumor.  Tempe- 
ratur 37,8.     Fortwährend  Erbrechen.     Keine  Bliihuugeii. 

Kochsalzinfaslon.    Campherinjektionen. 

28.  5.  02   37,2-38,0.     Puls  104-116. 

Nach  kleiner  Dosis  Ol.  Ric.  Stuhlentleer.-ng.  Stuhl  braun.  Pnls 
nach  uiehrninliger  Kochsal/infnsion  voller  und  kräftiger.  Geringe 
Druckempfindlichkeit  des  sonst  weichen  Bauches. 

Befund:  Grosse  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend.  Kein 
eigentlicher  Tumor  mehr  fühlbar.     Kein  Ikterus.    Urin  frei. 

Diagnose:    Akute  Eiterung  in   und  an  der  Gallenblase.    Steine. 

Operation:  29.  ö.  02  im  Beisein  der  Herren  Dr.  Klavehn- 
Pabstorf  und  Prof.  Dr.  Stern-Philadelphia.  Wellenschnitt.  Zwischen 
Gallenblase  und  Perit.  parietale  einige  lockere,  spiunwebartige  Ver- 
wachsungen. Leichte  Lösung.  Leber  nicht  eigentlich  vergrössert,  nur 
die    über    der   Gallenblase    liegende    P'artie    (Riedel' scher    Lappen), 


_      147     — 

'Gallenblase  von  entzündetem  Netz  verdeckt.  Schwierige  Lösung^ 
Dabei  stellt  sich  heraus,  dass  eiu  Dnrchbrnch  des  Eiters  in  das  Netz 
nnd   in   das  Colon   transYersnm   stattgefunden   hatte.    Loch   im  Colon. 

6  Nähte.  Netz  überall  gallig  imbibiert.  Gallenblase  schlaff,  ent- 
hält ca.  20  erbsengrosse  Steine,  stark  entzündet.  Im  Cysticus  ein 
Stein  unverschiebbar,  wird  excidiert.  Cysticotomie.  1  Naht.  Vom  Netz 
wird  schliesslich  noch  die  entzündete  Partie  reseciert.  Ausgiebige 
Tamponade  des  Cysticussohnittes,  der  Colonnaht  etc.  Gallenblase  mit 
Rohr  versehen,  wird  um  das  Rohr  vernäht  (mit  Unterlegung  von 
Draht).  Naht  der  übrigen  Bauchwunde.  ^/4stündl.  Operation.  Sehr 
gute  Chloroformnarkose. 

Verlauf:  29.  5.  02.    Abends  37,1. 

30.  5.  02.    38,9-39,0.    Puls  120—140. 

Morgens  schwarzes  Erbrechen.  Sehr  kleiner  nnd  freqnenter  Puls. 
Magenspülung  ergibt  viel  Blut.  Weitere  Spülungen  am  Mittage  und 
Abend  zeigen,  dass  die  Blutung  aufgehört  hat.  Der  Puls  ist  abends 
besser,  weniger  frequent  und  voller.  Im  Laufe  der  Nacht  wird  der 
Puls  wieder  sehr  frequent  und  klein.  Magenspülung  ergibt  wieder 
Blut.     4  mal  Kochsalzinfusion.     Kampher  subkutan. 

31.  5.  02.    38,1-37,9.    Puls  120-108. 

Puls  etwas  besser.    Noch   immer  zeitweise  etwas  Blut  im  Magen, 

klagt  viel  über  Druck  im  Magen.  Der  Mageninhalt  ist  immer  sehr  reich- 
lich.    4  mal  Magenspülung,  4  mal  Kochsalzinfusion, 

1.  6.  02.    37,2-37,8.    Puls  100. 

Allgemeinbefinden  etwas  besser.  Leib  ist  weich,  wiewohl  noch 
keine  Blähungen  gehen.     Magendruck  immer  noch  vorhanden. 

2.6.02.    37,9-38,0.    Puls  96-108. 

Im  wesentlichen  unverändert.  Es  wird  Ol.  Riciu.  durch  die 
Magensondo  gelegentlich  Magenspülung  gegeben.  Dasselbe  findet  sich 
grösstenteils  abends  noch  im  Magen. 

3.  6.  02.    38,1-38,4.    Puls  112—104. 

Da  Fat.  fortgesetzt  über  Druck  auf  den  Magen  klagt  und  nach 
Flüssigkeitsaufnalime  hnmer  wieder  erbricht,  so  besteht  die  Absicht, 
die  Tamponade  zu  entfernen.  Es  wird  aber  davon  wieder  Abstand 
genommen,  da  trotz  reichlichster  Befeuchtung  die  Tampons  sich 
noch  nicht  lockern  lassen.  Mehrere  Wassereinläufe  fördern  etwas 
Stuhl.  Auch  Blähungen  gehen.  Die  Zunge  ist  feucht;  der  Puls  ist 
von  guter  Qualität.  Es  wird  mehrfach  Kochsalzlösung  subkutan  ge- 
geben und  Magen  gespült. 

6.  6.  02.  In  den  letzten  Tagen  immer  etwas  Stuhl  nach  Ein- 
laufen. Viel  Druck  auf  den  Magen.  Magen  jedoch  meist  leer,  trotz 
reichlicher  Flüssigkeitszufuhr. 

Es  werden  heute  die  Tampons  entfernt.  Einzelne  sitzen  noch 
fest.  Die  meisten  sind  jedoch  gelockert.  Aus  der  Gallenblase  fliesst 
trüber  Schleim,  aus  der  Wundhöhle  trübes  Sekret  ab. 

10* 


—     148     — 

Darnach  abends  plötzlich  sehr  hohe  Temperatur,  kleiner  frequenter 
Puls  bis  140.  3  mal  Kochsalzinfusion.  Kampher.  Im  Laufe  der  Nacht 
erholt  sich  Pat.  etwas. 

7.  6.  02.    37,8-38,2.    Puls  120. 

Puls  von  besserer  Qualität.  Pat.  nimmt  Flüssigkeit  in  reichlicher 
Menge  zu  sich,  ohne  zu  erbrechen. 

8.  6.  02.    38,0-38,4.    Puls  120. 

Nimmt  mittags  etwas  feste  Nahrung  zu  sich.  Abends  viel  Auf- 
stossen.    Im  Magen  ziemlich  viel  Inhalt. 

11.  6.  02.  Verbandwechsel:  Wunde  sieht  reiner  aus.  Es  läuft 
etwas  Galle  aus  der  Gallenblase. 

23.  6.  02.  Jeden  2.-3.  Tag  Verbandwechsel.  Nachdem  der  Gallen- 
fluss  mehrere  Tage  vöUig  versiecht  war,  läuft  jetzt  wieder  Galle  aus 
der  Gallenblase.  Die  Wundhöhle  in  vorzüglicher  Granulation.  Im  Urin 
geringe  Mengen  Albumen.  Leichte  Ödeme  der  Knöchelgegend.  -  Zeit- 
weise Durchfälle,     Herzaktion  sehr  labil. 

28.  6.  02.    Allgemeinbefinden  gut.    Urin  frei.    Steht  auf. 

10.  7.  02.  Verbandwechsel  noch  etwa  alle  2  Tage  nötig,  weil 
etwas  Galle  fliesst. 

15.  7.  02,    Sehr  verstärkter  Gallenfluss. 

28.  7,  02,    Wird  gegen  ärztlichen  Rat  aus  der  Klinik  abgeholt. 

Zu  Hause  sehr  starker  Gallenfluss,  der  täglich  1  —  2  Verband- 
wechsel erfordert,  Frau  S.  sucht  deshalb  am  12.  8.  die  Klinik  wieder 
auf.  Ihr  Befinden  ist  durch  den  starken  Gallenverlust  nicht  ver- 
schlechtert, sie  sieht  gut  aus  und  fühlt  sich  wohl,  nur  klagt  sie  bis- 
weilen über  Kopfschmerz.     Der  Stuhl  ist  heller  als  normal,  der  Urin  frei, 

13.  8.  02.  Nach  Reinigung  der  Wunde  und  Ansspfiluug  Stöpsel' 
experlment.  Pat.  klagt  im  Laufe  des  Tages  über  ein  nicht  sehr  er- 
hebliches Drncbgefühl,  keine  Schmerzen. 

14.  8.  02.  Pat.  hat  leidlich  geschlafen.  Der  Verband  ist  trocken.^ 
Nachmittags  Wechsel.  Herausnahme  des  Stöpsels,  hinter  diesem  eine 
kleine  Menge  Galle.  Der  Stuhl  ist  dunkler  als  an  den  Tagen  vorher, 
der  Urin  frei  von  Gallenfarbstoff,  Koliken  sind  nicht  aufgetreten,  so 
dass  es  als  sicher  gelten  kann,  dass  der  Choledochus  frei  ist.  Es  wird 
deshalb  beschlossen,  die  Gallenfistel  zu  beseitigen. 

Operation:  15.  8.  02.  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Banch- 
wand,  Resektion  des  narbigen  verdickten  Fnndus.  Verschluss  des 
Loches  der  Gallenblase  durch  8  Nähte,  die  lang  gelassen  werden, 
Operation  im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Klavehn-Pabstorf. 

Verlauf:  Gut.  Anfangs  etwas  Chloroformerbrechen.  Pat.  fühlt 
leichten  Druck  im  Epigastrium. 

20.  8.  02.    Abführen. 

22.  8.  02.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons,  Fäden 
und  Nähte.  Die  Gallenblasennaht  ist  gut  geheilt.  Leichte  Tamponade, 
Verband. 

24.  8.  02.    Steht  auf. 

28.  8.  02    Geheilt  entlassen. 


-      —     149     — 

Epicrise:  Als  die  Pat.  kam,  machte  der  Zustand  ganz 
den  Eindruck  eines  perforativen  Vorgangs.  Bei  der  Herz- 
schwäche war  an  eine  Operation  nicht  zu  denken.  Als  sich 
Pat.  erholt  hatte,  fand  man  die  greulichsten  Verwüstungen 
in  der  Bauchhöhle,  und  wenn  auch  durch  die  Etablierung  der 
€olon-Gallenblasenfistel  die  Hauptgefahr  beseitigt  war,  sass  doch 
der  kleine  Cysticusstein  so  fest,  dass  niemals  eine  völlige  Heilung 
erzielt  worden  wäre.  So  gut  aber  die  Gallenblase  in  das  Colon 
durchbricht,  so  leicht  kann  sie  auch  in  die  freie  Bauchhöhle  per- 
forieren! Ich  sehe  aber  ein,  dass  die  Indikation,  ob  man  in 
solchen  Fällen  operieren  oder  abwarten  soll,  sehr  schwer  zu 
stellen  ist.  Geht  der  Anfall  gut  vorüber,  so  ist  die  später 
ausgeführte  Operation  ungefährlicher:  man  operiert  nicht  in 
einem  so  inficierten  Gebiet.  Aber  die  Patienten  können  sich, 
wenn  sie  schmerzfrei  sind  und  sich  erholt  haben,  schwer  zur 
Operation  entsehliessen.  Dass  man  in  solchen  Fällen  sich  mit 
der  Cystostomie,  der  Beseitigung  des  Eiters  begnügt  und  nicht 
ectomiert,  habe  ich  schon  früher  auseinandergesetzt.  Kann 
man  den  Cysticusstein  entfernen,  so  ist  es  gut,  wenn  nicht,  so 
warte  man  ab.  Es  ist  sehr  schwer,  in  solchen  Fällen  das 
Eichtige  zu  treffen.  Meist  wird  zu  viel  getan,  eine  schonende 
Operation  ist  sehr  am  Platze.  Die  sich  ausbildende  Gallenfistel 
wurde  durch  die  Naht  beseitigt. 

Nr.  76.     0.  E.,  63  j.  Amtsrat  aus  Kleiu-Rosenburg. 

Aufgen.:  29.  3.   1901. 

Operiert:   30.  3.  1901.     Cystostomie.     Gallenfistel  ver- 
schluss (5.  6.  1901). 
Entlassene  13.  6.  1901.     Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  und  Vorleben  ohne  Belang.    Pat. 
neigte  zu  Durchfällen,  hatte  im  Frühjahr  immer  Asthma  und  Bronchitis. 
Mitte  November  190Ü  erkrankte  er  auf  einer  Fahrt   nach  Magde- 
burg ganz  plötzlich  unter  sehr  heftigen  Schmerzen  oberhalb  des  Nabels. 
Massiges  Fieber,    etwas  Brechreiz,  Flatus  und  Stuhlgang  gingen  nicht, 
Unterleib  etwas  aufgetrieben,  in  der  Gallenblasengegend  sah  man  eine 
etwas  hervorragende  Geschwulst.    Herr  Geh.-Rat  Aufrecht  diagnosti- 
zierte umschriebene  Bauchfellentzündung.    Unter  absoluter  Ruhe,  Um- 
schlägen und  Morphium  schwanden  die  Beschwerden,   doch  kamen  in 
der  nächsten  Woche  noch  mehrfach  kurze  Schmerzanfälle,   angeblich, 
wenn   die    Flatus    nicht   weitergingen.     Ikterus   war   nicht   da.    Man 
dachte  an  Darmstenose.    Im  Januar  war  das  Befinden  vorzüglich,  nur 
die  Stimmung  'schlecht.     Deshalb   und  wegen   der   alljährlich  wieder- 


—     150     — 

kehrenden  Bronchitis  wurde  dem  Pat.  empfohlen,  nach  Mentone  zw 
gehen.  Drei  Tage  vor  der  Abreise  kam  wieder  ein  sehr  heftiger  An- 
fall. Trotzdem  reiste  Pat.,  doch  war  die  Reise  schlecht,  in  Men- 
tone trat  wieder  ein  Anfall  ein.  Auf  Rat  des  früher  in  der  Klinik 
ebenfalls  an  Cholelithiasis  operierten  Herrn  Dr.  Oberländer-Dresden, 
den  er  in  Mentone  traf,  und  seines  behandelnden  Arztes,  des  Herrn 
Dr.  Schenk-Gross-Rosenburg,  entschloss  Pat.  sich  hierherzukommen. 

Befund:  Schlanker,  kräftig  gebauter  Pat.  Herz  gesund.  Urin 
frei  von  pathol.  Bestandteilen.  Puls  und  Temperatur  normal.  Bron- 
chitis. In  der  Gallenblasengegend  eine  Resistenz,  die  besonders  in 
tiefer  Narkose  deutlich  zu  fühlen  ist.     (Carcinom?) 

Diagnose:  Abgelaufene  Cholecystitis,  Steine  in  der  Gallenblase, 
augenblicklich  Cysticus  frei. 

Operation:  30.  3.  1901.  Längsschnitt  im  rechten  musc.  rect. 
abd.  Gallenblase  gross,  mit  Netz  verwachsen,  enthält  Steine.  Nach 
Lösung  der  Adhaesionen  Cystostomie.  30  Steine  in  der  Gallenblase. 
Dauer  der  Operation  ^jt  Stunde.     Essiglappen  auf  den  Mund. 

31.  3.    37,7.    Puls  108.     Kein  Erbrechen.  38,4.    Puls  112. 

1.  4.  38,7.  Puls  118.  Quälender  Husten,  auf  der  Lunge  noch 
nichts  nachzuweisen.  Abends  Chloral,  danach  Schlaf,  gegen  Morgen 
kommt  dann  der  Husten  wieder.  Seitens  der  Operationswunde  keine 
Erscheinungen.    Zunge  feucht,  Leib  weich,  Blähungen  gehen.    38,2. 

2.  4.    38,0.    Puls  116.     Befinden  wie  gestern.    Inf.  Senegae.    37,9. 

3.  4.  38,0.  Puls  100.  Es  ist  deutlich  Besserung  eingetreten.  Der 
Auswurf  löst  sich  leichter,  der  Husten  quält  weniger.  Gallenfluss  täg- 
lich gegen  250  gr.  Der  Verband  ist  gallig  durchtränkt,  Wechsel,  die 
Tampons  bleiben  liegen,  die  Bauchwandnaht  hat  trotz  des  vielen  Husten* 
gehalten.    37,9. 

4.  4.  37,8.  Puls  120.  Auswurf  etwas  bluthaltig.  In  der  Nacht 
viel  Husten  und  quälende  Blähungen.    Abführen.    Inf.  fol.  Digital. 

5.  4.  38,0.  Puls  120.  Husten  weniger,  auch  die  Blähungen  quälen 
weniger.     Guter  Schlaf.     38,0. 

6.  4.  37,5.  Puls  108.  Pat.  hat  gut  geschlafen,  hustet  noch  etwas. 
Wechsel  des  Verbandes  bis  auf  die  tiefsten  Schichten.  Nachmittags 
kurz  nach  2  Uhr,  bei  einem  sehr  heftigen  Hustenanfall,  hat  Pat. 
das  Gefühl,  dass  ihm  etwas  in  der  Wunde  gerissen  sei.  Sofort  Ver- 
band-Wechsel in  Chloroform-Narkose.  Fast  das  ganze  Nelz  uud  ein 
Teil  des  Dickdarms  liegen  ausserhalb  der  Uanchhöhle  nnter  dem  Ter- 
bände.  Die  unterhalb  der  eingenähten  Gallenblase  durch  Peritoneum 
und  Fascie  gelegten  Nähte  sind  ausgerissen.  Die  rorgefallenen  Teile 
werden  mit  Kochsalznasser  abgewaschen  und  mit  (jnze  zuriicligebracht» 
Die  Tampons  und  Nälite,  auch  die  die  (xallenblase  festhaltenden,  werden 
eutfernt,  die  Bauchhöhle  bleibt  offen,  es  wird  mit  Silbergaze  tampo- 
niert. Die  Wunde  wird  mit  starken  Heftpflasterstrelfen  zusammen- 
gezogen.   Verband.    Essiglappen  auf  den  Mund.    Abends  37,8.  Puls  108. 

7.  4.  38,4.  Puls  108.  Erbrechen  ist  nicht  dagewesen,  auch  der 
Husten    hat   eich    bis   heute    morgen    noch    uioht   wieder    eingestellt. 


—     151     — 

Kollern  im  Leibe,  auch  Blähungen  sind  gegangen.  Die  Nacht  war 
leidlich,  heute  früh  etwas  Schmerzen  in  der  Wunde.  Massiger  Gallen- 
fluss.  38,5. 

8.  4.  38,6.  Puls  100.  Gutes  Belinden,  nur  noch  etwas  Husten. 
Pat.  fängt  an  zu  essen.  Blähungen  -  im  Gang,  Leib  weich,  Zunge 
feucht.  38,5. 

9.  4.    38,0.    Puls  96.    Wohlbefinden.  38,3. 

10.  4.    38,7.    Puls  100.    Der  Husten  ist  leicht  und  löst.        37,8. 

11.  4.    37,9.     Puls  96.     Sputum  nicht  mehr  pneumonisch.     38,0. 
Verbandwechsel. 

14.  4.  37,5.  Puls  98.  Verband  trocken.  Es  fliessen  ca.  200  gr. 
Galle  täglich.  Allgemeinbefinden  gut.  Husten  nicht  mehr  als  vor  der 
Operation.     Sputum  schleimig.     Appetit  gut. 

21.  4.  Pat.  soll  heute  zum  1.  Male  aufstehen.  Bei  völligem  Wohl- 
befinden wird  der  Versuch  gemacht.  Als  er  einen  Augenblick  neben 
dem  Bett  gestanden  hat,  fällt  er  plötzlich  zarück.  Starke  Atemnot, 
Atmung  beschleunigt,  mühsam,  Gesicht  cyanotisch,  Augen  starr,  Be- 
wnsstsein  klar,  Puls  120,  anfangs  regelmässig,  später  unregelmässig 
und  von  wechselnder  Stärke.  Der  Zustand  höchster  Atemnot  geht  nach 
Morphium-Injektion  zurück,  die  Atmung  wird  ruhiger,  leiser,  die 
Cyanose  schwindet,  Pat.  spricht  ohne  grosse  Anstrengung,  doch  wird 
der  Puls  immer  schlechter.  Kampher-Injektionen,  Strophantus,  Sekt, 
starker  Kaffee,  später  zwei  Injektionen  von  Coffein,  natrio-benzoicum 
0,2.  Nachmittags  noch  ein  ähnlicher,  weniger  heftiger  Anfall. 
Abends  37,8. 

22.  4.  38,8.  Puls  114.  Heute  morgen  etwas  Atemnot,  des- 
halb Morphium  0,01,  nachmittags  noch  einmal  Coffein  0,2.  Befinden 
besser  als  gestern,  morgens  ein  Ballen  blutigeu  Auswurfs,  ebenso 
abends.  Puls  kräftig,  regelmässig.  Wechsel  der  oberen  Verband- 
schichten.   38,3.    Puls  114. 

23.  4.   37,9.  Puls  120.    Wieder  ein  Ballen  blutigen  Auswurfs.  37,5. 

24.  4.  37,8.  Puls  120.  4  mal  blutiger  Auswurf,  rechts  oben  leichtes 
Bronchialatmen.  Befinden  und  Appetit  gut.  Verband  durch.  Wechsel. 
Die  Wunde  verkleinert»sich. 

26.  4.    Wohlbefinden.    Abends  noch  etwas  Morphium. 
29.  4.     Täglich  Verbandwechsel.     Heute    macht   Pat.    den    Ver- 
such, sich  im  Bett  aufzurichten  und  die  Beine  heraushängen  zu  lassen. 

I.  5.    Steht  auf  und  sitzt  1  Stunde  ausser  Bett. 

5.  5.    Noch  immer  täglich  Verbandwechsel.     Geht  umher. 

II.  5.  Verlässt  die  Klinik.  Es  fliesst  noch  Galle,  Pat.  muss 
täglich  verbunden  werden. 

31.  5.  Pat.  stellt  sich  wieder  vor,  der  Gallenfluss  dauert  noch 
an;  durch  das  Stöpselexperiment  wird  das  Freisein  des  Choledochus 
festgestellt. 

4.  6.  Um  die  Fistel  zu  verschliessen,  wird  versucht,  unter  Schleich '- 
scher  Lokalanästhesie  die  Narbe  nach  oben  zu  spalten  und  die  Gallen« 
blase   vom    Peritoneum   abzulösen.    Doch   ruft   die  Spannung   in    dem 


—      152     — 

Narbengewebe  so  heftige  Schmerzen  hervor,  dass  dieser  Versuch  auf- 
gegeben werden  mnss. 

5.  6.  In  Chloroformnarkose  (V»  Stunde  —  18  gr.  Chloroform)  wird 
die  Narbe  nach  oben  gespalten,  die  Gralleublase  abgelöst,  die  Ränder 
geglättet  und  zusammengenäht.  Danach  rutscht  die  Gallenblase  etwa 
2  Finger  breit  in  die  Tiefe.  Tamponade.  Verband.  Essiglappen  auf 
den  Mund. 

Verlauf:  6.  6.    Gut. 

9.  6.    36,7.    Puls  92.    Fat.  steht  auf. 

12.  6.  Verbandwechsel,  Entfernung  der  Fäden.  Die  Wundränder 
werden  mit  einem  Heftpflaster  zusammengezogen. 

13.  6.    Fat.  wird  heute  nach  Hause  entlassen. 

16.  und  20.  6.  kommt  Fat.  zum  Verbinden  zur  Klinik.  Galle  hat 
sich  nicht  mehr  gezeigt.    Die  Wunde  ist  fast  geheilt. 

Epicrise:  Der  63jährige  Pat.  hatte  eine  „gute  Natur", 
sonst  hätte  er  die  Lungenembolie  nicht  überwunden.  Ich  hatte 
Sorge,  bei  der  Fistelverschliessung  wieder  Chloroform  anzu- 
wenden und  hoffte  mit  Schlei ch 'scher  Lokalanästhenie  aus- 
zukommen ;  aber  ich  niusste  den  Versuch  aufgeben,  da  die  Ein- 
spritzung zu  arge  Schmerzen  machte.  Pat.  war  im  Mai  1904 
in  meiner  Sprechstunde:  es  geht  ihm  ausgezeichnet. 


B)    Die  Operationen  am  ductus  cysticus. 

I.   Die  Cysticolithotripsie. 

Nr.  77.     M.  H.,  65  j.  Hauptmannsfran  aus  Erfurt. 

Aufgen.:  16.  9.  1896. 

Operiert:  18.  9.  1896  und  16.  10.  1896.     Zweizeitige 

Cystostomie  und  Cysticolithotripsie. 
Entlassen:  22.  11.  1896.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.,  kinderlos,  will  aus  gesunder  Familie  stammen  und 
selbst  stets  gesund  gewesen  sein.  Im  Frühjahr  95  erkrankte  sie  mit  heftigen 
Magenschmerzen  und  Erbrechen.  Auch  Ikterus  stellte  sich  ein.  Der 
Stuhlgang  war  angehalten,  von  brauner  Farbe,  nur  zur  Zeit  des  Ikterus 
weiss  gefärbt.  Der  hinzugezogene  Arzt  konstatierte  Gallensteine  und 
schlug  einen  Aufenthalt  in  Karlsbad  vor.  Pat.  wandte  sich  dorthin. 
Nach  6  wöchentlichem  Kurgebrauch  war  sie  von  ihren  Schmerzen  be- 
freit und  blieb  es  ^/i  Jahre  läng.  Da  trat  wieder  ein  heftiger  Anfall 
auf.  Abermals  wurden  die  Quellen  Karlsbads  aufgesucht,  diesmal 
aber  mit  geringerem  Erfolg,  denn  bereits  14  Tage  nach  vollendeter  Kur 
waren  die  alten  Schmerzen  in  unverminderter  Heftigkeit  wieder  da. 
Pat.  sucht  deshalb  die  Klinik  auf. 

Befund:  Kleine  hagere  Frau.  Herz-  und  Lungenbefund  normal. 
Zur  Zeit  kein  Ikterus.  Die  Leber  ist  nicht  vergrössert,  in  der  Gallen- 
blasengegend besteht  starke  Druckempfindlichkeit.  Kein  Milztumor. 
Der  Stuhlgang  ist  brauli,  der  Urin  hell  gefärbt;  letzterer  enthält  kein 
Eiweiss,  keinen  Gallenfarbstoff,  keinen  Zucker.  Temperatur  ist  nor- 
mal, Puls  regelmässig,  mittelkräftig,  74  Schläge  in  der  Min. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  Verwachsungen. 

Operation  am  18.9.96.  Morphium-Atropin-Chloroform-Narkose. 
Längsschnitt  im  rechten  Muse.  rect.  abdomin.  Nach  Eröffnung  der 
Bauchhöhle  zeigt  sich  die  hoch  oben  unter  der  Leber  liegende,  kleine, 
geschrumpfte  Gallenblase.  Bei  dem  Tersnch,  dieselbe  abzntasteu,  setzen 
Puls  nnd  itniuug  ans.  Es  gelingt,  Steine  in  der  Galleublase  zn  fühlen. 
Pat.  verträgt  aber  die  Narkose  so  schlecht,  dass  von  einem  Aufsuchen 
der  tiefen  Gallengänge  abgesehen  wird.  Die  Gallenblase  einzunähen, 
ist  wegen  ihrer  Kleinheit  und  dos  straffen  Peritoneums  nicht  möglich. 
Auch  ist  die  Herztätigkeit  derartig  schwach,  dass  die  Operation  be- 
endet werden  niuss.    Es  wird  daher  die  nueröffiiete  Gallenblase  rechts 


—      154     — 

au  das  Peritouenm  angenäht,  die  übrige  Wunde  austaniponiert  und 
zam  Teil  darcti  Naht  geschlossen.  Verband.  Dauer  der  Operation 
';2  Stunde. 

Verlauf:  19.  9.  96.  Pat.  hat  wenig  gebrochen,  ist  fieberfrei. 
Leib  weich,  nicht  druckempfindlich. 

20.  9.  96.  Auf  Glycerin  gehen  heute  die  ersten  Blähungen  ab. 
Pat.  fühlt  sich  wohl.    Kein  Fieber. 

26.  9.  96.  Pat.  war  in  der  ganzen  Zeit  fieberfrei.  Da  sich  nun- 
mehr erwarten  lässt,  dass  die  Bauchhöhle  vollständig  abgeschlossen  ist,. 
wird  heute  ohne  Narkose  die  Gallenblase  eröffnet  und  aus  ihr  mehrere 
Steintrümmer  nebst  zähem  Sehleim  entfernt.  In  die  Fistel  wird  ein 
dünnes  Rohr  gelegt;  darauf  Verband.  Galle  fliesst  nicht.  Da  bei 
keinem  Verbandwechsel  Galle  fliesst,  immer  noch  Steintrümmer  aus- 
gespült, sogar  in  der  Tiefe  mit  der  Sonde  Steine  gefühlt  werden,  die 
aber  trotz  aller  Bemühungen  von  der  Fistel  aus  nicht  entfernt  werden 
können,  wird  am  16.  Oktober  wiederum  zur  Operation  geschritten: 

Eröffnnng  der  Bauchhöhle  durch  einen  Längsschnitt  in  der  Mittel- 
linie vom  Proc.  xiphoid.  bis  zum  Nabel.  Die  Orientierung  ist  durch 
zahlreiche  Verwachsungen  ausserordentlich  erschwert.  Mit  Mühe  ge- 
lingt es,  den  gefühlten  Stein  am  Übergang  der  Gallenblase  in  den  Duct. 
cysticus  zu  tasten,  und  da  ein  Zurückschieben  unmöglich  ist,  wird  die 
Cysticotomie  beschlossen.  Bei  der  Fixation  des  Steines  zwecks  Incisiou 
geht  das  Concrement  in  Trümmer.  Es  handelt  sich  also  uai  eine  un- 
freiwillige Cystico-Lithotripsie.  Die  Trümmer  werden  von  der  Gallen- 
blase aus  entfernt,  es  fliesst  sofort  Gallie.  Kein  weiterer  Stein  mehr 
fühlbar.    Schluss  der  Bauchwunde.     Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Verlauf:  Pat.  hat  den  Eingriff  gut  vertragen,  fiebert  nicht.  Nach 
10  Tagen  Verbandwechsel.  Die  Nähte  werden  entfernt,  reaktionslose 
Heilung.  Im  Verband  Galle.  Beim  Ausspülen  der  Gallenblase  entleeren 
sich  noch  kleine  Steintrüninier. 

30.  10.  96.  Heute  fliesst  plötzlich  keine  Galle  mehr;  ans  der 
Fistel  entleert  sich  Schleim.  Mit  der  Sonde  wird  kein  Stein  gefühlt; 
Einlegen  eines  Laminariastiftes. 

31.  10.  96.  Trotz  der  erweiterten  Fistel  ist  kein  Stein  zu  tasten; 
Verband. 

22.  11.  96.  Seither  ist  keine  Galle  geflossen.  Pat.  wird,  da  die 
Fistel  sich  vollständig  geschlossen  hat,  entlassen. 

Epicrise:  Wahrscheinlich  hat  der  Stein  im  Cysticus  ein 
(lecubitales  Geschwür  (Lithotripsie?)  gemacht,  welches  später 
geheilt  zur  Obliteration  des  Cysticus  geführt  hat.  Jedenfalls 
ist  die  Schleimfistel  versiecht,  und  Pat.  erfreut  sich,  wie  neuere 
Berichte  bekunden,   der  besten  Gesundheit. 


—      155     — 

II.   Die  primäre  Cysticotomie  (kombiniert  mit 
Cystostomie) 

Nr.  78.    H.  R*,  46 j.  Kutschersfrau  aus  Wegeleben. 

Aufgen.:  7.  7.  1902. 

Operiert:  8.  7.  1902.     Cysticotomie.     Cystostomie. 

Entlassen:  20.  8.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:  In  der  Familie  kein  Gallensteinleiden.  Pat.  hat 
9  Kindcy-.    Sie  hat  zweimal  Unterleibsentzündung  gehabt. 

Vor  ca.  4  Jahren  hatte  sie  etwa  8  Wochen  lang  Anfälle  von 
Schmerzen,  die,  im  Rücken  beginnend,  beiderseits  herum  nach  vorn 
strahlten.  Die  Anfälle  dauerten  '/*  bis  mehrere  Stunden,  kamen  in 
Pausen  von  einigen  Stunden  bis  zu  mehreren  Tagen,  besonders  häufig 
zur  Zeit  der  Menstruation.  Pat.  hatte  meist  Erbrechen  dabei,  Hitze- 
gefühl und  Schweiss. 

Im  vorigen  Jahre  hatte  sie  ein  Lungenleiden  mit  viel  Husten  und 
Auswurf,  sie  war  '/4  Jahr  krank. 

Vor  ca.  6  Wochen,  zur  Zeit  der  Menstruation,  begannen  die  An- 
fölle  wie  vor  4  Jahren  wieder.  Zugleich  wurde  sie  intensiv  gelb,  der 
Urin  dunkel,  der  Stuhl  war  angehalten,  seine  Farbe  heller  als  gewöhn- 
lich. Die  Anfälle  kamen  in  Pausen  wie  früher.  Seit  einigen  Wochen 
ist  unter  dem  rechten  Rippenbogen  eine  Geschwulst  hervorgetreten, 
seitdem  ist  Pat.  auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  nie  ganz  beschwerdefrei. 
Herr  Dr.  Renn  e  bau  m- Wegeleben   i;iet  ihr  dringend    zur  Operation. 

Befund:  Frau  in  mittlerem  Erni^hrungszustand,  Hautfarbe  leicht 
gelblich.  Unter  dem  rechten  Rippenbogen  ist  eine  über  faustgrosse, 
druckempfindliche,  wenig  bewegliche  Geschwulst  von  glatter  Ober- 
fläche und  praller  Konsistenz  sieht-  und  fühlbar.  Urin  frei  von  Ei- 
weiss,  Zucker  und  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Akute  serös-eitrige  Cholecystitis  calculosa,  Gallen- 
blase mit  der  Bauch  wand  bereits  verwachsen. 

Operation:  8.  7.  02  im  Beisein  des  Herrn  Prof.  Stern-Philadel- 
phia. Wellenschnitt,  Gallenblase  stark  mit  Bauchwand  verwachsen. 
Vor  der  Lösung  Aspiration  von  Schleim  und  Eiter  nach  Einlogung  von 
genähten  Tupfern.  Stein  im  Hals  der  Gallenblase  unverschiebbar. 
Deslialb  Cysticotomie.  6  Nähte,  nur  dnrch  verdickte  Serosa.  Zum 
Cysticns  kommt  mau  erst,  nachdem  man  die  Gallenblase,  die  flächen- 
haft  mit  dem  Dnodemim  verwachsen  war,  gelöst  hatte.  Ausräumung 
von  vielen  mittelgrossen  Steinen  aus  der  Gallenblase.  Diese  ist  so 
gross  und  wandverdickt,  dass  sie  sich  fest  in  die  Bauchwunde  einlegt, 
so  dass  auf  eine  Aunähnng  verzichtet  wird.  Tamponade  der  Cysticas- 
naht.  Rings  um  die  Gallenblase  feine  Streifen  Gaze.  Dauer  der  Ope- 
ration 1  Stunde.    Choledochus  frei. 

Verlauf:  Gut. 

20.  8.  02  geheilt  entlassen. 


—     156     — 

Epicrise:  Die  Entzündung  begann  vor  6  Wochen  mit 
Ikterus.  Ob  ein  Stein  in  den  Oholedochus  geworfen  wurde 
oder  nicht,  entzieht  sich  meiner  Beurteilung.  Der  Ikterus  lässt 
sich  aber  auch  durch  die  sehr  starke  Entzündung,  die  am  Hals 
der  Gallenblase  und  am  Ligamentum  hepato-duodenale  sich  ab- 
spielte, erklären.  —  Eine  Ectomie  wäre  in  diesem  Fall  6in 
sehr  schwerer  Eingriff  geworden,  ich  ziehe  die  Cystostomie 
und  Cysticotomie  in  solchen  Fällen  vor,  tamponiere  aber  jetzt 
die  Cysticusnaht. 


Nr.  79.     A.  T.,  37 j.  Landwirt  aus  Remkersleben. 

Aufgen.  2.5.  5.  04. 

Operiert :  26.  5.  04.     Cj'sticotomie.     Cystostomie. 

Entlassen:  28.  6.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Herr  Dr.  T  ii  ü  m  m  e  1-Seehausen  schreibt  über 
den  Patienten :  ^Überbringer  dieses  leidet  seit  2  Jahren  an  Gallen- 
steinkoliken, welche  in  den  letzten  Monaten  ungemein  häufig,  bis- 
weilen täglich  in  grösserer  oder  geringerer  Stärke  sich  eingestellt 
haben.  Wenngleich  Steinabgang  nie  nachgewiesen  worden  ist,  so  be- 
steht für  mich  kein  Zweifel  an  der  Diagnose,  da  mehrfach  nach  ein- 
getretenen Koliken  Ikterus  der  Conjunktiven  und  ikterisch  gefärbter 
Urin  beobachtet  wurden.  Die  Gallenblase  war  meist  sehr  gross,  deut- 
lich fühlbar  und  schmerzhaft ;  Tlie  Schmerzhaftigkeit  erstreckt  sich  in- 
des oft  weiter  als  im  Bereich  der  Gallenblase,  besonders  nach  der 
Ileoeoecalgegend  zu ;  bisweilen  auch  nach  Jinks  zur  Magengegend. 

Es  traten  auch  Schmerzen  in  der  Nierengegend  auf  und  verliefen 
scheinbar  mit  dem  rechton  Ureter,  so  dass  das  Vorhandensein  von 
Nierensteinen  in  Betracht  gezogen  werden  muss,  indes  ist  mir  diese 
Diagnose  noch  zweifelhaft.  Versucht  ist  vielerlei,  indes  der  Erfolg, 
ausser  bei  Morphiuminjektionen  (0,03j,  meist  gering.  Karlsbader  Mühl- 
brunnen, Sprudel,  Salz.  Glycerin  in  Vichy.  Olivenöl,  Massage,  Kata- 
plasmen  etc."  —  Dazu  ist  noch  zu  bemerken,  dass  Pat.  durch  die  schlaf- 
losen Nächte,  durch  die  Schmerzen  und  oft  geringe  Nahrungsaufnahme 
seit  Beginn  der  Krankheit  etwa  80  Pfund  abgenommen  hat.  Früher 
will  er  stets  ganz  gesund  gewesen  sein,  auch  aus  ganz  gesunder 
Familie  stammen.  Bei  den  Anfällen  tritt  stets  andauerndes  Aufstossen 
mit  Völlegefühl  in  der  Magengegend  ein,  zuweilen  spontanes  Er- 
brechen, manchmal  hilft  Pat.  durch  Einführen  des  Fingers  in  'den 
Schlund  nach.  In  den  letzten  Zeiten  oft  3—4  Anfälle  wöchentlich, 
am  Spätnachmittage  beginnend  und  fast  die  ganze  Nacht  anhaltend. 
Hat  in  den  letzten  Monaten  sehr  viel  Morphium,  als  Tropfen,  Pulver 
und  subcutan  verbraucht.  Vor  4  Wochen  eine  Schwitzkur,  die  aber 
aucii  niclits  half 


—      157     — 

Befund:  Patient  sieht  stark  angegriffen  aus,  ist  nicht  ikterisch. 
Gallenblase  ist  deutlich  als  prall  gespannter,  sehr  schmerzhafter  Tumor 
tastbar.    Puls  oft  aussetzend,  sonst  langsam.     Leber  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Acutes  Empyem  der  Gallenblase. 

Operation:  26.  5.  Sehr  gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose  35 gr. 
Vorher  0,02  Morphium.  Wellenschnitt.  Sofort  kommt  die  nirgends 
verwachsene  Gallenblase  zum  Vorschein.  Sie  ist  prall  gefüllt,  Aspi- 
ration ergibt  blutig  gefärbten  Eiter  in  reichlichen  Mengen.  Trocken- 
legung der  Gallenblase,  nachdem  diese  eröffnet  ist.  Die  an  der  Gal- 
leublase entlang  gefährte  linke  Hand  tastet  int  Hals  einen  grössern 
Stein,  fest  eingeklemmt  nn<I  gänzlich  unbeweglich.  Deshalb  Incisiou 
über  demselben.  Neben  dem  grossen,  sehr  rauhen  Stein  liegt  noch  ein 
zweiter  erl>sengrosser.  Entfernung.  Schnitt  wird  durch  einfache 
Serosanaht  (6  Nähte)  geschlossen.  Die  Fäden  bleiben  lang.  Gallenblase, 
jetzt  leer,  wird  mit  Rohr  versehen  und  lateral  am  perit.  parietale 
suspendiert.  Medial  wird  ein  Tampon  auf  die  Cysticnsnaht  gelagert, 
die  Fäden  werden  samt  den  Tampons  nach  aussen  geleitet.  Naht  der 
Bauchwunde.    Dauer  der  Operation  '/s  Stunde. 

Verlauf:  Am  Abend  38,8"  C.     Pat.  bricht  oft  Galle. 

27.  5.  38,2«— 38,4.  Häufig  Magenspülung,  weil  Pat.  fast  alle  10 
Minuten  Galle  bricht.  Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  die  tamponierende 
Gaze  sich  so  zwischen  Cysticusnaht  und  Duodenum  geschoben  hat, 
dass  letzteres  abgedrückt  wird.     Puls  90—100. 

28.5.  Puls  morgens  sehr  rasch.  (140-160.)  Temp.  38,4 »  C.  Cam- 
pher dreimal.  Danach  plötzlich  Atemnot  und  Cyanose  (Embolie?). 
Am  Abend  besser. 

29.  5.  Pat.  ist  fieberfrei.  Puls  90;  sieht  gut  aus.  Weiterhin  guter 
Verlauf. 

10.  6.  Entfernung  sämtlicher  Fäden  und  des  bis  auf  die  Cysticus- 
naht geführten  Tampons. 

12.  5.  Geringer  Gallenfluss.  Der  letzte  Cysticusfadon  hat  sich 
abgestossen. 

28.  6.    Geheilt  entlassen.    Pat.  hat  sich  sehr  erholt. 

Epicrise:  Ein  Fall,  bei  dem  das  akute  Empyem  der  Gal- 
lenblase leicht  zu  diagnostizieren  war.  Pat.  war  auf  der  Durch- 
reise nach  Karlsbad,  sein  Arzt  hielt  es  aber  für  besser,  dass 
er  erst  bei  mir  vorfrug.  Solche  Pat.  gehören  in  eine  chirur- 
gische Klinik  und  nicht  nach  Karlsbad.  Wegen  fester  Ein- 
klemmung des  Steines  Cysticotomie.  Eine  Ectomie  war,  da  es 
sich  um  einen  Mann  handelte  und  die  Gallenblase  schwer  infiziert 
war,  zu  gefährlich.  Es  gentigt  bei  der  Cysticusnaht,  wenn  die 
Fäden  nur  die  Serosa  fassen,  eine  gleichzeitige  Tamponade  ist 
das  sicherste  Verfahren. 

Der  Verlauf  in  den  ersten  Tagen  deutete  darauf  hin,  dass 
eine  lokale  Infektion  zwischen  Cysticusnaht  und  Duodenum  ein- 


—     158     — 

getreten  war.  Ich  empfelile  in  solchen  Fällen  nicht  zu  ver- 
binden, sondern  häufig  den  Magen  zu  spülen  und  durch  Koch- 
salzinfusionen die  Herzkraft  zu  heben.  Am  5.  Tage  befand 
sich  Pat.  so  wohl,  „als  ob  nichts  passiert  wäre". 

Nr.  80.     A.  M.,  37  j.  Yiehhändlersfrau  aus  Genthin. 

Aufgen.:  26.  9.  1901. 

Operiert:  27.  9.  1901.     Cysticotomie.    Cystostomie. 

Entlassen:  23.  11.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Seit  Frühjahr  dieses  Jahres,  ganz  unmerklich  be- 
ginnend und  aUraählich  intensiver  werdend,  stellten  sich  Beschwerden 
im  Leibe  ein.  Pat.  hatte  das  Gefühl  von  Völle,  sie  wurde  zeitweise 
stärker  um  den  Leib,  sodass  die  Kleider  zu  eng  wurden,  und  war  viel 
von  Blähungen  geplagt.  Eine  eigentliche  Stuhlverstopfung  bestand 
nicht.    Dagegen  hatte  Pat.  sehr  häufig  und  in  kleinen  Portionen  Stuhl. 

Ende  Juni  stellten  sich  abends  7  Uhr  plötzlich  sehr  heftige,  kolik- 
artige Schmerzen  im  Rücken  rechts  ein.  Nach  einigen  Stunden  Er- 
brechen. Im  Laufe  der  Nacht  wurden  die  Schmerzen  geringer.  Es 
bestand  damals  gerade  starke  Obstipation,  welche  durch  Klystiere  be- 
hoben wurde.  Pat.  hatte  danach  ca.  8  Tage  lang  geringere  Schmerzen, 
bis  sich  die  Beschwerden  wieder  hoben.  Der  Zustand,  wie  vor  den 
Anfällen,  bestand  jedoch  weiter. 

Vor  ca.  3  Wochen  hatte  Pat.  einen  zweiten  Anfall.  Derselbe  setzte 
abends  ein,  wie  der  erste.  Die  Schmerzen  waren  diesesmal  rechts  vorne 
unterm  Rippenbogen  mit  Ausstrahlung  nach  links  gegen  den  Magen 
und  nach  hinten  gegen  den  Rücken.  Erbrechen  wie  das  erstemal  und 
Nachlass  im  Laufe  der  Nacht.  Die  Auftreibung  des  Leibes  in  den 
oberen  Partieen  ist  diesesmal  stärker.  Die  Schmerzen  haben  sich  seit- 
dem nie  ganz  verloren.  Es  besteht  fortwährend  ein  leichter  Schmerz 
in  der  Gallenblasengegend. 

Ikterus  ist  nie  vorhanden  gewesen. 

Befund:  Grosse,  kräftige  Frau  in  gutem  Ernährungszustand. 

Rechts  unterm  Rippenbogen  in  der  Mammillarlinie  deutlich 
sichtbare  Vorwölbung  von  flacher  Form,  welche  einem  Tumor  ent- 
spricht, der  sich  am  Rande  des  rechten  Muse.  rect.  palpieren  lässt.  Der- 
selbe scheint  etwa  apfelgross,  sehr  derb,  von  ebener  Oberfläche,  ist 
seitlich  deutlich  verschieblich  imd  folgt  der  Atmung,  Leichte  Druck- 
empfindlichkeit.    Urin  frei. 

Diagnose:  Abgelaufene  akute  serös-eitrige  Cholecystitis.  Hy- 
drops resp.  Empyem  der  Gallenblase.    Stein  im  Cysticus. 

Operation:  27.9.01.  Welleuschnitt.  Gallenblase  faustgross,  mit 
Netz  verwachsen,  prall  gespannt.  Aspiration  von  Schleim  und  Eiter. 
Stumpfe  Lösung  der  Verwachsungen.  Grosser  Stein  im  Halse  der 
Gallenblase,  kleiner  im  Cysticus.  60  erbsengrosse  Steine  in  der  Gallen- 
blase.   Incislon  des  Cysticns,   ganz  nahe  am  Choledochns,   dieser  ganz 


—     159     — 

frei.  Cysticusnaht.  Tamponade.  Teilweise  Einnähung  der  Gallenblase 
nach  Einlegen  eines  Gummirohrs. 

Dauer  der  Operation  */4  Stunde. 

Verlauf:  28.9.01.  Viel  Erbrechen  und  Aufstossen.  Magen- 
spülung.   Danach  besser. 

30.  9.  Ol.    Fieberfreier  Verlauf.     Keiu  Erbrechen. 

1.  10.  Ol.  Puls  128.  Plätschern  bei  Palpatioii  des  Magens.  Tier 
Magenspülungen,  drei  Kochsalzinfasioneu.  Abends  140  Pulse,  Temp. 
38,4.    Seitenlagerung*.    Bauchlage. 

2.  10.  Ol.  Während  der  Nacht  Kochsalz,  Magenspülung.  Morgens 
140  Pulse,  Temp  38,5.  Puls  etwas  voller  und  kräftiger.  Subjektiv 
besser.    Magen  bei  der  Spülung  fast  frei  von  Inhalt. 

Abends  38,1.    Puls  128. 

Da  keine  Galle  floss,  wurde  das  Rohr  gekürzt,  die  äusseren  Ver- 
bandschichten werden  gewechselt.  Im  Laufe  des  Tages  vier  Koch- 
salzinfusionen, drei  Magenspülungen. 

3.  10.01.  Puls  112,  Temp.  37,7.  Morgens  Kochsalz.  Von  weiteren 
Infusionen ,  Magenspülungen  soll  einstweilen  abgesehen  werden. 
Diät:  Milch,  Fleischbrühe,  Wein.  (Die  akute  Mageudilatation  rührte 
vielleicht  von  zu  starker  Tamponade  her.)    Weiterhin  guter  Verlauf. 

23.11.01.    Nach  Hause  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Stein  im  Hals  der  Gallenblase  Hess  sich 
funduswärts  schieben,  der  im  Cysticus  sass  fest.  Deshalb 
Cysticotoraie.  Eine  Cystectomie  ist  in  solchen  Fällen  eine  zu 
eingreifende  Operation.  Früher  habe  ich  in  solchen  Fällen  von 
Cysticotomie  nicht  tamponiert,  doch  möchte  ich  die  Tamponade 
empfehlen;  sie  gibt  doch  grössere  Sicherheit. 

Nr.  81.    L.  B.,  34j.  Malersfrau  aus  Hecklingen. 

Aufgen.:  31.  3.  1900. 

Operiert :  9.  4.  1900.  Versorgung  einer  Gallenblasen- 
Pylorusfistel.     Cysticotomie.    Cystostomie. 

Entlassen:  l5.  5.  1900.  Geheilt.  Später  wieder  Be- 
schwerden. 

Anamnese:  Pat.  war  immer  gesund,  insbesondere  frei  von 
Magen-  und  Darmbeschwerden. 

Vor  ca.  11  Jahren  traten  zum  1.  Male  Anfälle  von  Schmerzen  in 
der  Gallenblasengegend  nach  dem  Rücken  ausstrahlend  auf,  mit  Er- 
brechen und  Fieber,  anfangs  ohne,  später  mit  Ikterus.  Die  Anfälle 
kamen  ohne  Zusammenhang  mit  der  Nahrungsaufnahme  anfangs  bis 
3  mal  täglich,  später  seltener,  und  dauerten  jedesmal  3  Stunden.  Die 
Pausen  zwischen  den  Anfällen  wurden  immer  grösser,  V<— V«  Jahr. 
Vor  5  Jahren  suchte  sie  die  Universitätsklinik  in  Halle  auf,  um  sich 
operieren  zu  lassen,  doch  wurde  ihr  die  Operation  verweigert,  da  der 
Anfall  bald  gänzlich  vorüberging.    Seit  4  Jahren  frei  von  Beschwerden. 


._     160     — 

Mitte  März  1900  plötzlich  wieder  ein  heftiger  Anfall  von  Schmerzen 
im  rechten  Oberbauch  und  Rücken,  Erbrechen,  Ikterus,  anfangs  an- 
geblich ohne,  später  mit  geringem  Fieber.  Der  Appetit  war  schlecht, 
der  Stuhl  angehalten.    Der  Anfall  dauert  noch  an. 

Auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Crampe-Hecklingen  kommt  sie  zur  Klinik. 

Befund:  Ziemlich  kräftige  Frau  in  mittlerem  Ernährungszustand. 
Haut  ikterisch.  Fat.  ist  sehr  schwach  und  hat  grosse  Schmerzen. 
Gallenblase  als  runder,  prall  gespannter  Tumor  am  unteren  Leberrand 
fühlbar.  Grosse  Druckempfindlichkeit  derselben.  Temperatur  38,4. 
Puls  100.     Im  Urin  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss. 

Diagnose:  Akute  Cholecystitis. 

1.  4.  Der  akute  Anfall  ist  vorüber.  Schmerzen,  Fieber,  Erbrechen 
sind  geschwunden.  Stuhl  bräunlichgelb,  Urin  enthält  noch  Gallenfarb- 
stoff. Gallenblase  nicht  mehr  zu  fühlen,  noch  leichte  Druckempfind- 
lichkeit dieser  Gegend. 

4.  4.    Subj.  Wohlbefinden.     Der  Ikterus   ist  völlig  geschwunden. 

Diagnose:  Abgelaufene  Cholecystitis.  Steinein  der  Gallenblase. 
Augenblicklich  Cysticus  und  Choledochus  frei. 

Operation:  9.  4.  1900.  Wellenschnitt.  Leber  nicht  verändert, 
Gallenblase  geschrumpft,  wandverdickt,  mit  Pylorus  verwachsen. 
Geheilte  Gallenblasen-Pylorus-Fistel.  Loch  iin  Pylorns  wird  über- 
näht.  Bei  der  Isolierung  der  Gallenblase ,  auf  deren  erhebliche 
Schrumpfung  man  nicht  gerechnet  hatte,  wird  das  Ifg.  hepato- 
daodenale  in  seiner  ganzen  Breite  isoliert,  resp.  als  Verwachsung 
zwischen  Gallenblase  niid  Pylorus  aufgefasst  und  wäre  beinahe  durch- 
schnitten worden,  (Choledochus,  Vena  portarum,  Art.  hepatica),  wenn 
nicht  noch  zur  richtigen  Zeit  die  unerwarteten  path.  anat.  Verände- 
rungen entdeckt  worden  wären.  Pankreas  in  gitnzer  Ausdehnung 
verdickt  (Kopf,  Körper  und  Schwanz  gleichniässig),  sieht  aus  wie  ein 
Maiskolben  und  fühlt  sich  sehr  hart  an.  (Pankreatitis  chron.  interst.) 
Im  Cysticus  ein  kleiner  Stein  tastbar.  Cysticotomie.  Cystostomie. 
Geringe  Tamponade  auf  den  Cysticusschnitt.  Bauchnaht  nach  Speucer- 
Wells.     Dauer  der  Operation  ca.  1  Stunde. 

Verlauf:  Gut. 

10.  4.    37,4.     Puls  88.    Urin  spontan,  Kollern  im  Leib.    37,4. 

Gänzlich  fieberfreier  Verlauf.     Geringer  Gallenfluss. 

23.  4.  Entfernung  der  Tampons.  Der  genähte  Teil  der  Wunde 
ist  per  primam  verheilt. 

3.  5.    Steht  auf.    Gallenfluss  hat  aufgehört. 

18.  5.  Geheilt  entlassen.  Soll  nach  neueren  Nachrichten  wieder 
Beschwerden  haben,  was  bei  der  Allgemeinerkrankung  des  Pankreas 
nicht  auffallend  ist. 

Epicrise:  Die  ursprüngliche  Affektion  war  die  Cholecy- 
stitis calculosa.  Es  ist  dann  zu  einem  Durchbruch  in  den  Pylorus 
gekommen.  Von  hier  aus  wurde  die  Infektion  im  Gallensystem 
resp.  Pankreas  unterhalten,   daher  die  Pankreatitis   chron- 


—     161     — 

interst.  Der  Befund  bei  Einlieferung  in  die  Klinik  hat  sich 
deshalb  so  rasch  geändert,  weil  zu  dieser  Zeit  die  Infektion  er- 
losch, das  geschwollene  Pankreas,  die  entzündete  Gallenblase  etc. 
sich  zurückbildeten.  Eine  Ectomie  habe  ich  damals  nicht  vor- 
genommen, weil  ich  die  Entstehung  einer  kompleten  Gallen- 
flstel  fürchtete  (Druck  des  Pankreaskopfes  auf  den  Choledochus). 
Doch  ist  diese  Sorge,  wie  ich  mich  an  späteren  Fällen  über- 
zeugen konnte,  fast  unnötig. 

Neue  auftretende  Beschwerden  in  solchen  Fällen  sind  natür- 
lich nicht  als  „Recidive"  aufzufassen;  nicht  von  Seiten  des 
Gallensystems  kommen  die  Rückfälle,  sondern  von  Seiten  des 
Pankreas.  Einstweilen  sind  wir  gegen  entzündliche  Affektionen 
des  Pankreas  noch  ziemlich  machtlos,  doch  scheint  eine  gründ- 
liche Beseitigung  des  Galleninfekts  durch  Cystostomie,  besser 
noch  durch  Hepaticusdrainage,  auf  die  Pankreatitis  einen  günsti- 
gen Einfluss  auszuüben. 


Nr.  82.     A.  D,,  44  j.  Postmeister  aus  Braunlage. 

Aufgen.:  19.  1.  1897. 

Operiert:    21.    1.    1897.     Cysticotomie.     Cystostomie. 
Incision  eines '  Gallenblasendivertikels. 

Entlassen:  2.  3.  1897.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  will  seitdem  Jahre  1875  an  Magenbeschwerden 
leiden;  dieselben  stellten  sich  besonders  nach  dem  Genuss  fetter  Speisen 
ein.  Erbrechen  und  eigentliche  Magenkrämpfe  traten  erst  im  Jahre  1883 
auf.  Der  Stuhlgang  wurde  damals  unregelmässig,  ausserdem  bestand 
Druckschmerz  in  der  Gallenblasengegend.  Da  Medizin  ihm  keine  Linde- 
rung brachte,  suchte  er  die  verschiedensten  Heilanstalten  auf.  Zu- 
nächst wurde  er  im  Jahre  1884  in  Kaltwasserheilanstalten  zu  Lauter- 
berg und  Thale  behandelt.  Kein  Erfolg,  daher  ging  Pat.  1885  nach  Karls- 
bad. Eine  dort  durchgemachte  4  wöchentliche  Kur  brachte  ihm  Linde- 
rung, aber  n\xr  auf  6  Wochen,  dann  erneuter  heftiger  Anfall.  In  den 
folgenden  5  Jahren  erfolgten  noch  mehrere  typische  Koliken  in  ganz 
verschiedenen  Zeiträumen.  Das  Gefühl  von  Vollsein  will  er  nie  recht 
losgeworden  sein,  1890  besuchte  er  eine  Naturheilanstalt  in  Berlin 
ohne  Erfolg,  1892  machte  er  in  Chemnitz  eine  Kneippkur  durch  mit 
demselben  Resultat,  1896  wurde  er  4  Wochen  lang  von  einem  „physio- 
logischen Chemiker"  mit  „Schwefel-Kalk-Eisenpräparaten"  behandelt. 
Nach  dieser  Kur  will  Pat.  3  Monate  schmerzfrei  gewesen  sein.  Ende 
Dezember  1896  wieder  heftiger  Anfall,  Pat.  entschloss  sich  daher  zur 
Operation.  Während  der  Anfälle  soll  immer  leichter  Ikterus  bestanden 
haben.  Der  Stuhlgang  war  dann  tonfarben,  der  Urin  bierbraun. 
Kehr,  Technik  der  GaHensteinoperationen.  H 


~     162     — 

Befund:  Grosser,  kräftig  gebauter  Mann.  Kein  Ikterus.  Herz- 
und  Lungenbefund  normal.  In  der  Gallenblasengpgend  ein  hühnerei- 
grosser  Tumor  zu  tasten,  der  sich  mit  der  Atmung  verschiebt.  Der 
Tumor  hat  glatte  Oberfläche  und  ist  von  prall-elastischer  Konsistenz; 
seine  untere  Grenze  steht  zwei  Finger  breit  oberhalb  des  Nabels,  die 
obere  Grenze  geht  in  die  Leberdämpfung  über.  Über  dem  Tumor  ge- 
dämpft tympanitischer  Schall.  Milz  und  Leber  nicht  vergrössert.  Der 
Stuhlgang  ist  braun  gefärbt,  ebenso  der^Urin;  letzterer  enthält  Spuren 
von  Gallenfarbstofif,  aber  kein  Eivp'eiss,  keinen  Zucker.  Kein  Fieber? 
Puls  regelmässig,  kräftig,  84  Schläge  in  der  Min. 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis,  Stein  im  Cysticus. 

Operation  am  21.  1.  97.  Morphium- Atropin-Chloroformnarkose. 
Längsschnitt  im  rechten  Muse.  rect.  abdomin.  vom  Rippenbogen  nach 
abwärts  bis  zur  Höhe  des  Nabels.  Eröffnung  der  Bauchhöhle,  sofort 
zeigt  sich  die  prall  gefüllte  Gallenblase;  sie  ist  mit  Netz  und  Duodenum 
verwachsen.  Die  Verwachsungen  werden  gelöst,  darauf  Punktion  der 
Gallenblase.  Es  entleeren  sich  70  ccm.  reiner  Schleim.  Nachdem  die 
Punktionsöffnung  durch  eine  etwa  l'/ä  cm.  lange  Incision  erweitert  ist, 
gelingt  es,  mit  der  Kornzange  etwa  8  haselnussgrosse  Steine  zu  ent- 
fernen. Arn  Gallenblaseuhals  sind  zwei  Divertikel  ausgebildet,  in 
welchen  2  Steine  Hegen.  Es  i.st  unmöglich,  dieselben  iu  die  eigent- 
liche Galleublase  zu  schieben,  daher  wird  auf  sie  eiageschnitteu,  dann 
werden  sie  extrahiert.  Im  Cysticus  wird  ein  etwa  bohnengrosser  Stein 
gefühlt;  derselbe  sitzt  so  fest  der  Wand  dieses  Gauges  au,  dass  er 
ebenfalls  nur  durch  lucision  des  Cysticus  entfernt  werden  kauu.  Beide 
lucisionswuudeu  werden  durch  Nähte  geschlossen.  Nachdem  man  sich 
teils  durch  Sondierung,  teils  durch  Abtastung  überzeugt  hat,  dass  keine 
Steine  mehr  zu  fühlen  sind,  wird  die  Gallenblase  an  das  Peritoneum 
parietale  angenäht;  darauf  teilweiser  Verschluss  der  Bauchwunde.  Ein- 
legen eines  dicken  Schlauches  in  die  Gallenblase.  Verband.  Dauer 
der  Operation  P/-2  Stunde. 

Verlauf:  Völlig  fieberfrei.  Pat.  hat  nicht  erbrochen,  Blähungen 
gehen  nach  48  Stunden  ab.  Puls  kräftig,  80  Schläge  in  der  Minute. 
Doch  ist  nie  Galle,  sondern  immer  nur  Schleim  geflossen.  Die 
bei  jedem  Verbandwechsel  vorgenommenen  Sondierungen  der  Gallen- 
blase wiesen  nie  einen  Stein  nach.  Es  wird  daher  angeuouimeu,  dass 
der  Cysticus  Yerschwolleu  oder  obliteriert  ist.  Die  Wundheiluug 
schreitet  mehr  und  mehr  fort,  die  Schleimflstel  schllesst  sich,  so  dass 
Pat.  am  2.  3.  97  geheilt  entlassen  werden  kauu.  Pat.  fühlt  sich  Immer 
wohl,  so  dass  eine  Obliteration  des  Ductus  cysticus  und  der  Gallenblase 
angenommen  werden  muss. 

Epicrlse:  Ich  würde  jetzt  —  7  Jahre  später  —  durch 
den  Wellenschnitt  das  (iallensystem  mir  ordentlich  zugänglich 
machen  und  die  ganze  Gallenblase  exstirpieren.  Aber  man  sieht, 
dass  man  auch  mit  der  wesentlich  einfacheren  Cystostomie  aus- 


—     163     — 

kommt  und  einen  vollen  Erfolg  erzielt,    denn  Pat.  ist,  wie  ich 
-erst  kürzlich  erfuhr,  ganz  gesund  geblieben. 

III.    Die  sekundäre  Cysticotomie. 

Hr,  83.    B.  St.,  33  j.  Banquiersfrau  aus  Unna,  Westfalen. 

Aufgen.:  1.  12.  1903. 

Operiert:  4.  12.  1903.    I.  Eröffnung  der  mit  der  Bauch- 
wand  verwachsenen,    vereiterten   Gallenblase.     II. 
Sekundäre  Cysticotomie.    10.  1.  1904. 
Entlassen:  7.  2.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:    Pat.   ist   verheiratet,    hat   3   gesunde  Kinder.    Das 
jüngste  Kind  ist  6  Monate  alt.     Menses  regelmässig. 

In  der  Familie  der  Mutter  vermutlich  auch  Gallensteinkrankheiten. 

Pat.  ist  immer  gesund  gewesen  bis  vor  3  Wochen,  doch  hat  früher 
ab  und  zu  mal  ganz  leichtes  Magendrücken  bestanden. 

Vor  3  Wochen  plötzlich  sehr  heftige  Kolikschmerzen,  die  von  der 
Magengrube  aus  beiderseits  in  den  Rücken  ausstrahlten  und  5  Tage 
lang  bald  schwächer,  bald  stärker  auftraten.  Am  ersten  Tage  einmal 
Erbrechen.  Es  bildete  sich  eine  Anschwellung  der  Gallenblase  aus. 
3  Tage  nach  dem  Anfall  leichter  Schüttelfrost,  Fieber  bis  38,8  {Vji  Tage 
dauernd).  Keine  Gelbsucht,  doch  war  der  Stuhl,  der  sonst  regelmässig 
.  und  gut  gefärbt  war,  angeblich  einmal  weiss.  Steine  im  Stuhl  nicht 
gefunden.  Appetit  schlecht,-  starke  Abmagerung.  Urin  dunkel,  in 
demselben .  kein  Zucker,  kein  Eiweiss,  aber  Gallenfarbstoff.  Pat.  fühlt 
sich  dann  wieder  wohler,  doch  bestand  Druck  in  der  Gallenblasen- 
gegend, öfters  Aufstossen.  Während  der  Anfälle  und  nachher  ab  und 
zu  abends  Morphium  (subcutan  und  als  Zäpfchen). 

Herr  Dr.  Bierbaum-Unna,  der  eitrige  Cholecystitis  diagnosti- 
zierte, zog  Mitte  November  Prof.  Kehr  zu  einer  Konsultation  zu. 
Daraals  bestand  bereits  Tumor  der  Gallenblase,  doch  wurde  von  sofortiger 
Operation  abgesehen,  dg,  eine  Rückbildung  zu  erhoffen  war.  Da  diese 
nicht  eintrat,  Transport  nach  Halberstadt. 

Befund:  Grosser,  wenig  beweglicher,  etwas  schmerzhafter  Tumor 
der  Gallenblase.  Kein  Ikterus.  Temp.  38,5.  Etwas  Erbrechen.  Im 
Urin  etwas  Albumen. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase;  diese  wahrscheinlich  schon 
mit  den  Bauchdecken  verwachsen. 

Operation:  4.  12.  03  in  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Bierbaum. 
Incision.  Gallenblase  mit  Perit.  pariet.  yerwachsen,  enthält  Elter  und 
eiuige  Steine.  Extraperitoneale  Eröffnung.  Von  einer  Revision  des 
Cysticus  wird  abgesehen.  Einige  Nähte.  Dauer  der  Operation  ^h  Stunde. 
18  gr.  Chloroform.     Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose. 

Verlauf:  5.  12.  03.     Galle   läuft   ziemlich  reichlich,   ist  fast  klar. 

7.  12  03.  Galle  läuft  weniger,  ist  ziemlich  trübe.  Temp.  gestern 
Abend  38,2,  heute  Früh  38,2,  abends  38,6. 

11* 


—     164     — 

8.  12.  03.    Temp.  morgens  37,T,  abends  37,7.     Pat  führt  ab. 

10.  12.  03.  Entfernung  des  Rohres  und  der  Tampons.  AusspUluug' 
der  Gralleu blase,  wobei  S  kirschgrosse,  3  kleinere  und  eine  Anzahl  ganz 
kleine  Steine  herausgespült  werden.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Ge- 
kürztes Rohr  in  die  Gallenblase. 

11.  12.  03.    Verband  etwas  durch. 

13.  12.  03.  Verbandwechsel.  Nur  wenig  Sekret  im  Verband^ 
keine  Galle.  Ausspülung  der  Gallenblase,  keine  Steine  herausgespült. 
'Entfernung  sämtlicher  Nähte. 

30.  12.  03.  Einlegen  eines  Laminariastiftes  in  die  stark  verengte 
GallenblasenöflFnung.    Nachts  Morphium. 

31.  12.  03,  Stift  entfernt,  Öffnung  bis  zu  Fingerstärke  erweitert^ 
Ausspülung  und  Sondierung,  die  bis  in  den  Hals  der  Gallenblase  sich 
ausführen  lässt,  lässt  keinen  Stein  auffinden.  Eingiessen  von  Ol  in 
die  Gallenblase,  leichte  Tamponade  derselben. 

1.  1.  04.     Keine  Änderung.    Nochmaliges  Anfüllen  der  Gallenblase 
mit  Ol  und  leichte  Tamponade  derselben. 

2.  1.  04.  Heute  ein  langer  Laminariastift  bis  in  den  Gallenblasen- 
hals eingelegt. 

3.  1.  04.  In  der  Nacht  zu  heute  wegen  Schmerzen  Morphium. 
Beim  Verbandwechsel  Stift  gut  gequollen,  es  ist  aber  mit  der  Sonde 
kein  Stein  zu  fühlen.    Ausspülung  der  Gallenblase.    Verband. 

7.  1.  04.  Täglich  noch  Ausspülung  und  Sondierung  durch  die  sehr 
enge  Fistel.  Merkwürdigerweise  glaubt  man  heute  beim  Ausspülen 
mit  dem  Spttlkatheter  deutlich  einen  Stein  zu  sondieren.  Es  stellt  sich 
aber  heraus,  dass  der  klingende  Ton  beim  Heraustreiben  von  Luftblasen 
durch  den  Spülkatheter  in  die  Gallenblase  entsteht. 

Da  alle  Bemühungen,  den  verschliessenden  Stein  herauszubefördern» 
umsonst  sind: 

II.  Operation  am  10.  1.  04.  in  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Bier- 
baum-Unna  und  Dr.  Pagenstecher-Mexico.  Längsschnitt  in  der 
Mittellinie  vom  proc.  xiphoideiis  bis  zum  Nabel.  Die  Gallenblasenflstel  war 
vorher  mit  dem  scharfen  Löffel  ausgekratzt,  ausgespült  und  tamponiert 
worden.  Provisorischer  Verschluss  der  Fistel  durch  eine  Sutnr,  die 
medial  und  lateral  von  der  Fistel  durch  die  Haut  geht.  Im  Hal^  der 
Gallenblase  ein  haselnussgrosser  Stein,  völlig  unverschieblich.  Deshalb 
Cysticotomie.  Gallenblase  ist  mit  Duodenum  sehr  fest  verwachsen, 
Lösung.  Naht  der  Cysticnsincision  durch  5  feine  Seidensnturen,  die 
lang  bleiben.  Cysticus  ist  sehr  eng,  nur  für  feine  Sonde  passierbar. 
2  Tampons,  lateral  und  medial  von  der  Cysticnsincision.  Rohr  in  die 
Gallenblase.  Schluss  der  Bauchwunde.  Dauer  der  Operation  l  Stünde. 
(45  gr.  Chloroform.)  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.  Der  Stein  ist 
sehr  hart  und  rauh,  haselnussgross. 

Verlauf:  Normal. 

11,  1.  04.    Es  ist  etwas  Galle  gelaufen  durchs  Rohr. 

15.  1.  04.  Verbandwechsel.  Entfernung  des  in  der  Gallenblase 
liegenden  Rohres,  Ausspülung  der  Gallenblase.  Durchs  Rohr  war  täg- 
lich nur  sehr  wenig  Galle  gelaufen. 


—     165     — 


17.  1.  04.  Leichte  Temperatursteigerungen  38,0—38,4°.  Verband- 
swechsel. Entfernung  der  Tampons  und  einzelner  Nähte  im  oberenWundteil 

18.  1.  04.  Terap.  morgens  38,1,  abends  38,8.  Verbandwechsel.  Im 
unteren  Teil  der  Wunde  eine  leichte  Fadeneiterung.    Appetit  schlecht. 

19.  1.  04.  Temp.  morgens  37,6,  abends  38,1.  Schmerzen  am  unteren 
Teil  der  Wunde.    Reichlich  Stuhl. 

20.  1.  04.  Temp.  morgens  38,0,  abends  38,3«.  Verbandwechsel, 
Entfernung  sämtlicher  Nähte.  Einige  Fäden  im  unteren  Wundteil 
haben  etwas  geeitert.  Zwischen  dem  unteren  Teil  der  Wunde  und 
der  alten  Fistel  eine  sich  bretthart  anfühlende,  wie  ein  Polster  sich 
vorwölbende  Anschwellung.  Viel  Schmerzen  am  unteren  Teil  der 
Wunde.  Sehr  schlechter  Appetit.  Nachmittags  einmal  reichliches  Er- 
brechen.   Im  Verband  etwas  Galle. 

21.  1.  04.  Temp.  morgens  37,8,  abends  38,0.  Noch  viel  Schmerzen. 
Vormittags  und  abends  reichliches,  galliges  Erbrechen.  Viel  saures 
Aufstossen.    Verbandwechsel.    Befund  unverändert. 

22.  1.  04.  Temp.  normal.  Schmerzen  geringer.  Kein  Erbrechen 
mehr.  Verbandwechsel.  Stichkanäle  secernieren  nicht  mehr.  Die 
harte  Anschwellung  zwischen  alter  Fistel  und  unterem  Wundteil  geht 
zurück.     Stuhl  nach  Einlauf.     Im  Verband  ziemlich  viel  Galle. 

24.  1.  04.  Heute  einmal  Erbrechen  von  etwas  Galle  und  Flüssig- 
keit. Etwas  Magendruck.  Anschwellung  neben  der  unteren  Wunde 
völlig  geschwunden. 

26.  1.  04.  Kein  Erbrechen  mehr.  Stuhl  nach  Einlauf.  Fat.  steht 
auf.  Bei  der  Anschwellung  neben  der  unteren  Wunde  hat  es  sich 
offenbar  um  eine  entzündliche  Infiltration  der  Bauchmuskeln  und  des 
Peritoneum  parietale  gehandelt,  welche  einen  Reiz  auf  den  Magen  aus- 
geübt hat.    Letzte  lange  Fäden  entfernt.    Keine  Galle  mehr  im  Verband. 

30.  1.  04.  Keine  Tamponade  des  Wundtrichters  mehr.  Befinden  gut. 

7.  2.  04.  Beide  Wundtrichter  durch  Granulationen  geschlossen. 
Pat.  wird  als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:   Es  handelte   sich  um  eine  akute  serös-eitrige 


Fig.  7. 


Duot.cy8ticus 


pundai  der 
Qalleablaae 


Fistel 


Cholecystitis,  bei  der  ich  ope- 
riere, wenn  die  Erscheinungen 
sich  nicht  gleichmässig  zurück- 
bilden. In  solchen  Fällen  die 
Gallenblase  herauszunehmen, 
dürfte  nicht  nur  schwer  fallen, 
sondern  auch  für  den  Pat.  von 
grosser  Gefahr  sein.  Ich  habe 
den  Eiter  entfernt,  ohne  die 
Bauchhöhle  zu  eröffnen:  damit 
ist  meiner  Indikation  Genüge 
getan.  Die  Steinentfernung  er- 
folgt während  der  Nachbehand- 


—     166     — 

lung  oder  durch  sekundäre  Operation.  Diese  bestand  in  der 
Cysticotomie,  da  die  Ectomie  sehr  eingreifend  gewesen  wäre. 
Zwischen  Fundus  und  Hals  der  Gallenblase  bestand  eine 
starke  Einschnürung,  wodurch  es  erklärlich  wird,  dass  man 
den  Stein  nicht  sondieren  konnte.     (Siehe  Fig.   7.) 

IV.  Die  Cysticectomie 

(die  Excision  des  ductus  cysticus). 

Nr.  84.     H.  Sp.,  31  j.  Kaufmannsfrau  aus  Rathenow. 

Aufgen.:  24.  9.   1901. 

Operiert:   26.   9.    1901.     Ectomie.     Cysticectomie. 

Entlassen:  29.  10.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Im  Winter  1892 — 93  hatte  Pat.  im  Wochenbett  einen 
14  Tage  lang  dauernden,  sehr  schweren  Anfall  von  Schmerzen  in  der 
Gallenblasengegend,  die  zum  Rücken  und  den  Schultern  ausstrahlten. 
Kein  Erbrechen,  kein  Fieber,  kein  Ikterus.  Dagegen  war  der  Urin 
dunkel,  im  Stuhl  wurden  Steinchen  gefunden,  Entfärbung  desselben 
wurde  nicht  beobachtet.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  in  kurzen 
Pausen.    Mai  1893  Karlsbad,  danach  Ruhe. 

Im  Winter  1894—95  begannen  die  Anfälle  wieder,  deshalb  im 
Sommer  1895  Karlsbad,  danach  wieder  Ruhe,  zur  Vorsicht  ging  Pat, 
im  Sommer  1896  noch  einmal  nach  Karlsbad.  Sie  war  anfallsfrei  bis 
vor  ca.  1  Jahr. 

Im  Herbst  und  Winter  1900—01,  etwa  alle  4  Wochen,  vor  Eintritt 
der  Periode,  ein  kurzer  Schmerzanfall.  Pat.  achtete  anfangs  nicht  weiter 
darauf,  Juli  1901  ging  sie  nach  Karlsbad,  wo  sie  zwei  derartige  Anfälle 
hatte,  ungefähr  4  Wochen  nach  der  Rückkehr  Anfang  September  ein 
sehr  heftiger,  5  Tage  dauernder  Anfall  mit  folgendem  Ikterus,  ein 
zweiter  vor  8  Tagen. 

Die  Schmerzen  sind  genau  wie  beim  ersten  Anfall  vor  8  Jahren,  nur 
heftiger,  Fieber  hat  Pat.  nicht  gehabt,  Erbrechen  soll  nur  nach  Mor- 
phium eingetreten  sein,  sonst  nur  Würgen  und  Aufstossen,  Ikterus 
nur  einmal  vor  ca.  14  Tagen.  Der  Urin  war  jedesmal  dunkelbraun,  im 
Stuhl  wurden  mehrmals  Steineben  gefunden,  bei  jedem  Anfall  soll  die 
Gallenblase  als  praller  Tumor  zu  fühlen  gewesen  sein.  Der  Stuhl  war 
immer  angehalten,  der  Appetit  ausserhalb  der  Anfälle  gut,  keine  Ab- 
magerung. 

Auf  Anraten  ihres  Hausarztes,  des  Herrn  Dr.  Grunert-Rathenow, 
entschliesst  sich  Pat.  zur  Operation. 

Befund:  Mittelgrosse  Frau  in  gutem  Ernährungszustand.  Herz 
und  Lungen  gesund.  Puls  und  Temperatur  normal.  Urin  frei.  Gallon- 
blasengegend etwas  druckempfindlich.  Kein  Tumor,  keine  Leberver- 
grösserung. 

Diagnose:  Chronisch-recidivierende  Cholecystitis. 


—     167     — 

Operation:  26.  9.  Ol.  Wellenschnitt.  Leber  normal.  Gallen- 
blase gross,  prall  gespannt.  Am  Cysticus  viele  Verwachsungen  mit 
Duodenum.  Nach  deren  Lösung  teils  stumpf,  teils  mit  der  Coop er- 
sehen Schere  lässt  sich  der  Cysticus  gut  isolieren.  In  ihm  2  kleine, 
unverschiebliche  Steine.  Excision  der  Gallenblase.  In  dem  zurückge- 
bliebenen Cysticusstnmpf  fühlt  man  noch  2  kleine  Steine.  Cysticec- 
tomie  bis  an  den  Clioledoclius  heran.  Dieser  frei.  Tamponade.  Naht. 
Verband.  Dauer  der  Operation  35  Min.  In  der  chronisch  entzündeten 
Gallenblase  trübe  Galle  und  16  kleine  Steine. 

Verlauf:  Noimal. 

29.  10.  Ol.  Wunde  noch  an  kleiner  Stelle  offen.  Kleiner,  gut 
granulierender  Trichter.  Entlassen.  Will  sich  zu  Hause  von  Herrn 
Dr.  Grunert  weiter  verbinden  lassen.    Befinden  der  Pat.  ist  tadellos. 

Epicrise:  Macht  man  in  einem  solchen  Falle  eine  Cysto- 
stomie,  so  bleiben  gewöhnlich  die  Steine  im  Cysticus  zurück. 
Beim  Ausspülen  der  Gallenblase  können  sie  in  den  Chole- 
dochus  geraten,  dann  entstehen  komplete  Gallenfisteln  resp. 
Recidive.  Für  die  Kuhn 'sehe  Dur'chspülung-  der  Gallengänge 
kann  ich  mich  nicht  recht  begeistern.  Nach  meinen  Erfahrungen 
fängt  sich  die  Spülflüssigkeit  meist  im  Hals  der  Gallenblase  und 
kommt  gar  nicht  in  die  Gänge  hinein.  Man  treibt  leicht 
infektiöse  Keime  in  die  Tiefe,  und  Kuhn  selbst  berichtet  über 
Fälle,  die  nach  der  Ausspülung  hohe  Temperaturen  bekamen; 
Kuhn  ist  ein  Freund  der  Cystostomie,  er  beweist  mir  damit, 
dass  seine  Erfahrungen  noch  nicht  umfassend  genug  sind.  Er 
wird  mit  der  Zeit  schon  der  Ectomie  den  Vorzug  geben  und 
dann  braucht  er  seine  Spülerei,  die  in  vielen  Fällen  eine  „Spielerei" 
ist,  nicht  mehr.  Die  Gallengänge  nach  erfolgter  Ectomie 
von  der  Choledochusincision  aus  auszuspülen,  das  ist  allerdings  ein 
sehr  nützliches  Beginnen.  Die  Cysticectomie  verdient  eigent- 
lich nicht  als  besondere  Operationsmethode  aufgestellt  zu  werden, 
da  jede  Ectomie  zugleich  in  einer  Excision  des  ductus  cysticus 
bestehen  soll,  um  eine  gründliche  Entfernung  aller  Steine  zu 
garantieren  und  um  der  Neubildung  eines  Gallenreservoirs  vor- 
zubeugen. 

Nr.  85,    F.  E.,  68j.  Majorswitwe  aus  Oeyuhausen. 

Aufgen.:   18.  6.   1904. 

Operiert:  21.  6.  1904.     Ectomie.    Cysticectomie.    He- 

patopexie. 
Noch  in  Behandlung. 
Anamnese.    Pat.  hat  5 normale  Geburten  durchgemacht.   Vater, 
der  viel  an  Gallensteinkoliken  litt,  ist  an  Lungenentzündung  gestorben. 


—     168     — 

Ein  Bruder   starb    mit   45  Jahren,  an    Gallensteinen.    Ein   Bruder    ist 
„magenleidend"  und  besucht  seit  3  Jahren  Karlsbad. 

Als  Kind  hatte  Pat.  eine  Lungenentzündung,  bald  danach  Typhus, 
später  Flecktyphus.    Pat.  hat  sehr  viel  an  rheumatischen  Beschwerden 
gelitten,  besonders  viel  an  Hexenschuss.    Seit  einigen  Jahren  Ischias, 
die  besonders  hochgradig   im  Jahre  1903   auftrat.    Von  dieser  hat  sie 
jetzt  noch  ab  und  zu  leichte  Beschwerden,  dumpfes  Druckgefühl  längs 
des  Nervenstammes.    Pat.  war  viel  nervös,  hatte  oft  Anfälle  von  Herz- 
schwäche mit  Aussetzen  des  Pulses,  viel  Ohnmächten  und  Schwindel- 
anfälle.    Vor  3  Jahren  wurde  ein  kleines   Cancroid  der   Mundgegend 
operativ  beseitigt.    In  den  letzten  Jahren  oft  Influenza.   Magenkrämpfe 
hat  sie  nie  gehabt;  ihr  jetziges  Leiden  datiert  vielleicht  schon  einige 
Jahre   zurück,   seit   welcher   Zeit   sie    zuweilen    einen   ausstrahlenden 
Schmerz  in  der  Brust  und  Lebergegend  hatte  und  im  Bette  nicht  auf 
der  rechten  Seite   liegen  konnte.    Pat.   hat  stets  an  Verstopfung  ge- 
litten,  hilft   seit  Jahren    dem    Stuhlgang   mit   Rhabarberpillen   nach; 
dagegen    soll  der  Magen    immer  gut  funktioniert  haben.    Der  Schlaf 
ist  schon  seit  längerer  Zeit  schlecht,  Pat.  hat  viel  Schlafmittel  genommen. 
Im  September  1903,    während   sie   an  Ischias  zu  Bette  lag,   spürte  sie 
plötzlich  krampfartige  Schmerzen,  die  sich  vom  Magen  zur  Brust  und 
zum  Rücken  hinzogen.    Der  Arzt  dachte  an  Darmentzündung,  es  fand 
sich  bei  der  Untersuchung   der  Leib   sehr  schmerzhaft  und  eine  ver- 
härtete Stelle  in  der  Gallenblasengegend.     Dabei  bestand  Fieber.    Es 
wurden  Abführmittel  gegeben,  Eisblase  aufgelegt  und  Morphiumtropfen 
"verordnet.     In  der  Nacht  liessen  die  Schmerzen  dann  nach.    Seitdem 
besteht  ein  ununterbrochener  leiser  Schmerz  in  der  Gallenblasengegend, 
der  manchmal  in  seiner  Intensität  wechselt.    Nie  Ikterus,  keine  Sluhl- 
oder  Urinentfärbung.    Herr  Dr.  Wegele -Königsborn  schickt  die  Pat. 
zur  Operation.     Ein  Arzt  hatte  geglaubt,    einen  faustgrossen  Stein    in 
der  Gallenblase  fühlen  zu  können. 

Befund:  Abgemagerte  Frau,  grosser,  sehr  druckempfindlicher 
Tumor  der  Gallenblase.    Kein  Ikterus,  Urin  frei. 

Diagnose:  Hydrops  event.  Empyem  der  Gallenblase.  (Carciuom 
am  ductus  cysticus?) 

Operation:  21.6-  1904.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  1  Std. 
(40  gr.)  Wollenschnitt.  Gallenblase  faustgross,  gespannt,  mit  Colon 
und  Netz  locker  verwachsen.  Trennung  mit  Schere.  4  Unterbindungen 
des  blutenden  Netzes.  Gallenblase  lässt  sich  herauswälzen,  wird  über 
einer  Schale  angrestochen,  doch  lässt  es  sich  niclit  Termeiden,  dass  etwas 
Eiter  über  die  Bauchdecken  resp.  über  die  untergelegten  Tampons  fliegst. 
Sehr  viel  Eiter  in  der  Gallenblase.  Nach  gründlicher  Reinigung  des 
beschmutzten  Gebietes  Abklemmung  der  Gallenblasenincision.  Leichte 
Ectomie.  Hals  der  Gallenblase  ist  mit  Duodenum  u.  lig.  hepato-duo- 
denale  locker  verwachsen,  enthält  einen  walnussgrossen  Stein.  Nach 
Isolierung  Abbindung  des  sehr  dünnen,  langen  Cysticus.  Dieser  wird 
bis  zum  Choledochns  frei  präpariert  und  dicht  am  Choledoclius  abge- 
schnitten. 2  Tampons.  Leberbett  blutet  lebhaft.  2  Suturen.  Dauer 
der  Operation  'jt  Stunde. 


—     169     — 

Die  Gallenblase  ist  sehr  gross,  zeigt  aufgeschnitten  im  Fundus 
zahlreiche  Blutaustritte  und  Ulcera,  im  Hals  ein  decubitales  Geschwür. 
Cysticus  zart  und  eng.  Der  Stein  sitzt  im  Hals  sehr  fest  ein- 
geklemmt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt  starke  Hypertrophie  der 
Muskulatur.  An  der  Innenfläche  Buckel  von  Granulationsgewebe  mit 
Epitheleinstülpungen.  In  den  äussern  Schichten  kleinzellige  Infiltration, 
teilweise  zeigt  sich  die  Muskelwand  ersetzt  durch  narbiges  Gewebe ; 
daneben  sieht  man  aber  doch  auch  gut  erhaltene  Schleimhaut,  die  an 
einzelnen  Stellen  ziemlich  starke  drüsenähnliche  Wucherung  des  Ober- 
flächenepithels zeigt.  Diese  Stellen  erscheinen  vielfach  zu  Gruppen 
angeordnet. 

Verlauf:     Fieberfrei. 

24.  6.  Verband  von  Galle  durchtränkt,  riecht  etwas;  deshalb 
Wechsel  der  oberflächlichen  Verbandsehichten. 

4.  7.  Entfernung  der  Tampons,  sämtlicher  Fäien.  Wunde  in 
bester  Verfassung.     Allgemeinbefinden  ausgezeichnet. 

Epicrise:  Ein  Arzt  will  einen  faustgrossen  Stein  ge- 
fühlt haben:  er  hat  die  enipyematöse  Gallenblase  gefühlt,  der 
hoch  im  Hals  sitzende  Stein  war  der  Palpation  nicht  zugänglich. 
—  Ich  habe  den  Eiter  durch  Iiicision  entfernt;  es  ist  be«iser, 
denselben  zu  aspirieren.  Die  Asepsis  wird  so  besser  gewahrt. 
-—  Der  Stein  sass  im  geschwürig  veränderten  Hals  der  Gallen- 
blase. Der  Cysticus  selbst  war  sehr  eng  und  normal,  enthielt 
klare  Galle. 


Nr.  86.     M.  S.,  41  j.  Kaufmannsfrau  aus  Wernigerode. 

Aufgen.:  21.  6.  04. 

Operiert :  23.  6.  04.     Ectomie.     Oysticectomie. 

Noch  in  Behandlung. 

Anamnese:  Eine  Schwester  der  Fat.  hat  an  Gallensteinen 
gelitten. 

Fat.  hat  mit  17  Jahren  Typhus  überstanden.  Vor  12  Jahren  litt 
sie  an  krampfartigen  Zuckungen  in  der  rechten  Seite  des  Leibes, 
deren  Ursache  nicht  festgestellt  werden  konnte.  Sonst'  war  sie  immer 
gesund. 

Vor  l'/2  Jahrea  erkrankte  Fat.  an  einer  Neuralgie  in  der  rechten 
Schulter.  3  Wochen  später  bekam  sie  eine  linksseitige  Rippenfellent- 
zündung. Zugleich  zogen  die  Schmerzen  in  der  rechten  Schulter  nach 
dem  Kreuz  hin  herunter.  Eines  Nachts  trat  dann  plötzlich  ein  heftiger 
Anfall  von  krampfartigen  Schmerzen  in  der  Lebergegend  und  beson- 
ders der  Gegend  der  Gallenblase  auf,  dabei  Erbrechen,  kalter  Schweiss. 
Fat.  war  eine  kurze  Zeit  bewusstlos.  Dieser  erste  Anfall  im  Februar  1903 
dauerte  IV«  Stunden. 


—     170     — 

Seitdem  traten  anfangs  alle  Monate,  später  seltener  die  gleichen 
Anfälle  auf.  In  den  Zwischenzeiten  fühlte  sich  Pat.  völlig  wohl. 
Mai/Juni  1903  Kur  in  Karlsbad.  Danach  kein  Anfall  bis  November  1903, 
dann  wieder  neue  Anfälle  in  Zwischenräumen  von  6—8  Wochen.  Im 
Februar  1904  Kur  bei  einem  Homoeopathen  in  Berlin. 

Anfang  April  1904  bekam  Pat.  ein  um  die  andere  Nacht  regel- 
mässig ziemlich  heftige  Koliken.  Mai  1904  Kur  in  Karlsbad.  Dort 
wurden  die  Anfälle  schlimmer  und  dauerten  länger.  Nach  den  An- 
fällen fühlte  sich  Pat.  verhältnismässig  wohl.  Nach  der  Rückkehr 
von  Karlsbad  vor  10  Tagen  stellten  sich  in  der  letzten  Woche  wieder 
alle  2  Nächte  Koliken  ein. 

Gelbsucht  ist  nie  vorhanden  gewesen.  Appetit  ist  massig.  Kör- 
pergewicht hat  erheblich  abgenommen.  Stuhl  ist  seit  der  Karlsbader 
Kur  regelmässig.  Ein  Arzt  in  Karlsbad  diagnostizierte  nervöse  Leber- 
kolik. Herr  Dr.  Fink-Karlsbad  riet  wegen  Gallensteinleidens  zur 
Operation. 

Befund:  Elend  aussehende  Frau  ohne  Ikterus.  Gurkenförmiger, 
schmerzhafter  Tumor  der  Gallenblase  leicht  tastbar,  Leber  in  toio 
nicht  vergrössert,  rechter  Leierlappen  steht  etwas  tief.     Urin  frei. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis. 

Nach  2  mal  Ricinus  wird  der  GallenbJasentumor  weniger  empfind- 
lich; er  ist  nicht  mehr  so  prall  gespannt  wie  beim  Eintritt  in  die 
Klinik. 

Operation:  23.6.04.  Gute  Säuerst  ofF-Chloroformnarkose.  öOMiir 
(30  gr.  Chloroform).  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  wandverdickt, 
am  Fundus  mit  Netz,  am  Hals,  in  dem  ein  grosser  Stein  steckt,  mit 
Duodenum  verwachsen.  Lösung.  Leichte  Ectomie.  Der  Cysticns 
wird  bis  an  den  Clioledochiis  heran  gespalten,  um  sicher  zn  sein,  dass 
er  frei  von  Steinen  ist.  Das  ist  der  Fall.  Dicht  am  Choledochii.H 
quere  Durchschneidnng  der  Cyslicnsschleimhaut  und  Enlferunng  des 
Cysticus,  2  Sutjiren  blutender  Gefässe.  2  Suturen  am  Leberbett 
(darunter  Draht).     2  Tampons.     Dauer  der  Operation  35  Min. 

Die  excidierte  Gallenblase  enthält  leimartige  dicke  Galle,  ganz 
zähe.  Im  Hals  festsitzend  ein  haselnussgrosser  Stein,  Schleimhaut 
ulceriert,  Cysticus  ganz  eng  und  fein. 

Verlauf:  Sehr  gut.  Am  6.  7.  Entfernung  der  Fäden  und  Tam- 
pons.    Wunde  in  guter  Verfassung. 

Epicrise:  Solche  Fälle  schicke  ich  nicht  nach  Karlsbad, 
sondern  operiere  sie.  —  Ich  habe  die  Gallenblase  exstirpiert, 
ohne  vorher  den  Inhalt  zu  entleeren,  doch  tut  der  wenig 
geübte  Operateur  gut,  die  Entleerung  zu  machen.  Schneidet 
er  während  der  Operation  die  Gallenblase  an,  so  kann  leicht 
Infektion  eintreten.  Der  Prozess  spielte  sich  nur  im  Hals 
und  im  Fundus  der  Gallenblase  ab,  der  Cysticus  war  ganz 
normal. 


—      171     — 

Nr.  87.     E.  K.,  55j.  Kaufmann  aus  Osnabrück. 

Auf  gen.:  22.  6.  1904. 

Operiert:  24. 6. 1904.   Ectomie.  Cysticectomie.  Appendi- 

cectomie. 
Noch  in  Behandlung. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  1  Kind.  Er  hat  vor  25  Jahren 
einmal  Blinddarmentzündung  gehabt,  ist  sonst  immer  gesund  gewesen. 
Im  Juli  1902  plötzlich  eines  Nachts  heftiges  Erbrechen,  das  er  auf 
eine  Verdauungsstörung  zurückführte. 

Im  April  1902  plötzlich  eines  Nachts  heftiger  Anfall  von  krampf- 
artigen Schmerzen  in  der  ganzen  Oberbauchgegend,  dabei  Würgen, 
Erbrechen.  Der  Anfall  wurde  sofort  als  GallensteinkoHk  erkannt  und 
dauerte  mehrere  Tage.  Auf  Anraten  des  Herrn  Prof.  Fraenkel- 
Berlin  gebrauchte  dann  Fat.  im  Mai  eine  4 wöchige  Kur  in  Karlsbad, 
während  welcher  jedoch  verschiedene  sehr  heftige,  bis  3  Tage  dauernde 
Kolikanfälle  auftraten.  Fat.  verlor  damals  17  Ffd.  an  Körpergewicht 
und  wog  nur  noch  140  Ffund,  das  gleiche  Gewicht,  das  er  auch  jetzt 
noch  hat.  Danach  Kur  in  St.  Blasien  (5  Wochen  lang),  wo  es  Fat. 
sehr  gut  ging,  und  er  nur  einen  viel  gelinderen  Anfall  hatte.  Dann 
aber  traten  wieder  sehr  häufige  schwere  Anfälle  auf,  in  der  Woche 
durchschnittlich  zwei.  Im  September  1902  gebrauchte  Fat.  eine  14tägige 
Kur  bei  Schürmayer,  bei  welcher  angeblich  viel  Gries  und  eine  Menge 
seifiger,  sich  mit  dem  Federmesser  schneidender,  weicher  Steine  abging. 

Nach  dieser  Kur  war  Fat.  P/4  Jahr  lang  völlig  frei  von  Anfällen 
und  fühlte  sich  wohl. 

März  1904  trat  dann  wieder  ein  leichterer  Anfall  auf,  der  einen 
Tag  und  eine  Nacht  dauerte. 

Vor  10  Tagen  trat  nochmals  ein  schwerer  Anfall  auf. 

Zur   Zeit   fühlt   sich    Fat.  schwach  und  krank. 

Angeblich  hat  1902  in  Karlsbad  leichte  Gelbsucht  in  den 
Augen  und  im  Gesicht  bestanden,  Urin  war  dabei  sehr  dunkel.  Der 
Stuhl  ist  regelmässig,  Appetit  gut.  Herr  Dr.  Tiemann-Osnabrück 
sendet  uns  den  Fat.  zu.* 

Befund:  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend.  Kein 
Tumor  tastbar.     Leber  etwas  vergrössert.    Kein  Ikterus.    Urin  frei. 

Diagnose:    Chron.  recid.  Cholecystitis. 

Operation:  24.6.04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose,  40 gr. 
WöUenschnilt.  Leber  lässt  sich  etwas  hervorziehen.  Gallenblase 
mittelgross,  enthält  geringe  Mengen  trübes  Serum  und  2  haselnuss- 
grosse  Steine.  Viele  Verwachsvmgen  mit  Netz,  Duodenum  und  Fylorus. 
Der  letztere  ist  sehr  hoch  gezerrt  und  am  Cysticus  resp.  lig.  hepato- 
duodenale  fixiert.  Schwierige  Lösimg.  Ectomie.  Da  bei  Schiirmayer 
fünfzig  Steine  abgegansrcn  sein  sollen^  wird  dem  Cysticus  und  Chole- 
dochus  ganz  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Der  Cysticus  wird 
bis  in  den  Citoledocling  hinein  gespalten,  nirgends  ein  Stein.  Ans  dem 
Choledochus  fliegst   ganz   klare   Galle.    Kein   Stein  palpabel  oder  son- 


—      172     — 

dierbar.  Cystlcnsschleimhaut  wird  dicht  am  Choledochas  quer  incidiert 
nnd  Ton  der  Unterlage  abpräpäriert.  Geringe  Blatang.  Abbindnng 
des  Cysticus  dicht  am  Choledochus.  Appendix  verwachsen,  chronisch 
entzündet,  wird  entfernt.  Dauer  der  Operation  50  Minuten.  3  Tam- 
pons auf  das  Leberbett.  Wegen  Iftorschheit  der  Leber  wird,  da  die 
Sntnren  darchschneiden,  auf  die  Hepatopexie  Terzichtet. 

Die  Untersuchung  der  verdickten,  ulcerierten  Gallenblase  ergibt, 
dass  die  Schleimhaut  des  Halses  sich  scharf  von  der  des  gesunden  Ductus 
cysticus  abhebt;  dieser  sehr  eng  und  zart.  Gallenblase  misst  im  Quer- 
durchmesser S'/a  cm,  ebenso  im  Längsdurchmesser.  Wandung  3 — 4  mm 
dick  am  Fundus;  an  der  der  Leber  anliegenden  Wand  2  linsengrosse, 
dicht  nebeneinanderliegende,  flache  Geschwüre.  Die  übrige  Schleim- 
haut stark  gerötet,  feinwarzig,  zum  Teil  mit  flachen,  glatten  Grübchen 
versehen.  Auch  sieht  man  hier  und  da  mehr  weissliche,  narbenartige 
Züge  in  der  Schleimhaut. 

Microsc.  Bef  un  d  :  Entzündliche  Verdickung  aller  Wandschichten, 
Hypertrophie  der  Muskulatur,  starke  Entwicklung  der  musculösen  Quer- 
bündel; an  einzelnen  Stellen  zeigt  sich  ein  sehr  hohes  Epithel,  an 
anderen  schwereZerstörungderSchleimhaut  mitteilweise  vollkommenem 
Verlust  derselben. 

Verlauf:  Ganz  ohne  Reaction. 

Pat.  hat  schon  wenige  Tage  nach  der  Operation  ausgezeichneten 
Appetit,  trinkt  Bier,  welches  er  seit  Jahren  gemieden  hatte,  mit  dem 
grössten  Behagen  und  fühlt  sich  sehr  wohl. 

Epicrise:  Die  50  Steine,  die  bei  Schürmayer  abgegangen 
sind,  waren  sicher  keine  Gallensteine.  Dazu  war  der  Cysticus 
viel  zu  eng  und  zart.  Pat.  hat  überhaupt  nie  mehr  wie  2  hasel- 
nussgrosse  Steine  gehabt,  und  der  Prozess  hat  sich  stets  auf 
FuJidus  und  Hals  der  Gallenblase  beschränkt.  Am  Zwerchfell 
resp.  am  Subphrenium  fehlten  die  nach  Angabe  des  Kranken 
von  Schürmayer  diagnostizierten  Adhäsionen.  Die  Operation 
war  schwierig  wegen  der  vielen  Verwachsungen ;  auch  die 
Appendix-Entfernung  war  nicht  leicht. 


C)  Die  Operationen  am  ductus  choledochus. 

I.    Die  Choiedocholithotripsie. 

Nr.  88.     F.  R.,  40j.  Crerichtsdienersfrau  aus  Tangermüude  a.  E. 

Aufgen.:  26.  1.  1899. 

Operiert:  27.  l.  1899.  Ectomie.  Choiedocholithotripsie. 

Hepaticusdrainag:e.     Hepatopexie. 
Entlassen:  19.  3.  1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Belang.  Pat,  in  früher 
Jugend  angeblich  schon  immer  viel  von  Krankheiten  heimgesucht, 
litt  seit  der  Konfirmation  an  Magenschmerzen,  Vielehe  krampfartig  ge- 
wesen sein  sollen,  abhängig  von  Erkältungen  und  schwerer  Arbeit 
und  von  kurzer  Dauer  waren.  Pat.  heiratete  81  Jahre  alt,  war  Mutter 
zweier  Kinder,  welche  gestorben  sind ;  1  Abort.  Die  Magenschmerzen 
wurden  mit  der  Zeit  häufiger  und  heftiger.  Nach  der  Verheiratung  besserte 
sich  der  Magen,  dann  aber  veröchlechterte  er  sich  wieder.  Im  Sommer 
1898  stellte  sich  abends  nach  dem  Essen  Magendrücken  ein,  dessen 
Heftigkeit  äusserst  gross  war.  Seit  Oktober  1898  lag  der  Appetit 
gänzlich  darnieder.  Im  Zusammenhang  mit  der  Menstruation  steiger- 
ten sich  die  Beschwerden.  Im  November  1898  trat  nach  einem  Magen- 
krampf Gelbsucht  ein.  Karlsbader  Salz  besserte  die  Gelbsucht.  Nach 
Weihnachten  ging  es  Frau  R.  besser;  etwa  8  Tage  lang  war  der  Appetit 
leidlich.  Am  19.  d.  M.  abends  ein  heftiger  Schmerzanfall,  der  in  der 
Magengegend  begann,  daun  aber  besonders  in  der  Lumbaigegend  seinen 
Sitz  hatte;  Frau  R.  erbrach,  danach  Besserung.  Gegen  Morgen  neuer 
Anfall,  welcher  bis  Nachmittag  anhielt.  Erneuter  Anfall  seit  22.  1., 
bis  derselbe  am  24.  1.  sehr  arg  wurde.  Am  25.  1.  wurde  Gelbsucht 
bemerkt.  Heute  (26.' 1.)  nur  Druckempfindlichkeit  in  der  Magengegend, 
keine  spontanen  Schmerzen.  Der  Stuhlgang  ist  gelb,  heller  als  normal, 
der  Urin  war  heute  früh  braun. 

Befund:  Herz,  Lunge  etc.  normal.  In  der  Gallenblasengegend 
ein  runder,  sehr  schmerzhafter  Tumor  (26.  1.  99).  Nach  Ricinusöl  ist 
er  am  nächsten  Tage  kleiner  und  unempfindlicher.  Leber  etwas  ver- 
grössert.  Geringer  Ikterus  (leichte  Gelbfärbung  der  Skleren).  Im  Urin 
Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Akute  Cholecystitis.  Vielleicht  Steine  im  Chole- 
dochus.   Ikterus  wahrscheinlich  entzündlicher  Natur  (?). 


—     174     — 

Operation:  Chloroformnarkose.  Längsschnitt  im  rechten  M. 
rectus  abdom.  Leber  beweglich. '  Gallenblase  vergrössert  infolge  Ent- 
zündung, welche  aber  bereits  wieder  im  Rückgang  ist.  Aspiration 
des  Gallenblaseninhaltes:  schleimige,  dunkle  Galle.  Incision  der  Blase, 
Tamponade  derselben.  Freilegung  der  mit  dem  Magen  verwachsenen 
Gallenblase  bis  zum  Cysticus.  Im  Choledochusoin  Concrement  nachweis- 
bar, daher  Incision  nach  dem  vergeblichen  Versuch,  den  Stein  in  die 
Blase  zu  drücken.  Unfreiwillige  Choledocholithotripsle,  Entleerung  der 
Trümmer.  Extractlon  kleiner  Steine  aus  der  Blase.  Abtragung  der 
Blase  nach  Trennung  von  der  Leber.  .  Versucii  der  Sondierung  des 
Choledochns  vom  Cysticus  aus  gelingt  nicht.  Isolierte  Catgutligatur 
von  duct.  cysticus  und  Art.  cystica.  Partielle  Naht  des  Choledochus. 
Drainage  des  Hepaticus  durch  kleinfingerdickes  Rohr.  Hepatopexie 
durch  6  Catgutnähte.  Tamponade.  Schluss  der  Bauchwunde  mit 
Spencer  WelPs  Naht.    Verband.     Dauer  2'/*  Stunden. 

Verlauf  sehr  gut.  Drainage  funktioniert  ausgezeichnet.  Am 
10.  Tage  Entfernung  des  Rohres.  Dann  täglicher  Verbandwechsel  und 
Ausspülen  des  Hepaticus,  wohei  immer  noch  einige  Concremente  zum 
Vorschein  kommen.  Ikterus  bald  fort.  Appetit  gut,  vom  15.  Tage 
an  fliesst  wenig  Galle  nach  aussen.  Die  ^Choledochusfistel  schliesst 
sich  rasch.    Am  19.  3.  entlassen. 

Epicrise:  Die  Steine  in  der  Gallenblase  und  im  Cysticus 
waren  klein  wie  Traubenkerne,  der  im  Choledochus  gross  wie 
eine  Nuss.  Dieser  Stein  sass  schon  lange  Zeit  im  Choledochus, 
der  sehr  erweitert  war  (Daumenstärke)  und  dünne  Wandungen 
hatte.  Er  hat  symptomenlos  im  Choledochus  gelegen:  die 
Latenz  der  Steine  im  Choledochus  mag  nicht  so  häufig  vor- 
kommen, wie  die  in  der  Gallenblase,  aber  sie  ist  sicher  häufiger 
als  man  glaubt.  Die  bestehende  akute  Cholecystitis  setzte 
sich  auf  den  Choledochus  fort  und  brachte  den  dort  befind- 
lichen, seit  Monaten  oder  länger  ruhig  liegenden  Stein  in  Be- 
wegung. Die  Hepaticusdrainage  habe  ich  der  Naht,  die  ver- 
sucht wurde,  vorgezogen,  weil  immer  wieder  Galle  sich  durch- 
pressen wollte  und  aus  dem  Hepaticus  deutlich  trübe  Galle 
abfloss.  Die  Einmündung  des  Cysticus  war  übrigens  ziemlich 
tief  im  Choledochus,  so  dass  die  Incisionsstelle  im  Choledochus 
leberwärts  vom  Cysticus,  also  im  Hepaticus  lag.  Der  Gang 
war  sehr  eng.  Die  Hepaticusdrainage  war  auch  deshalb  indi- 
ciert,  weil  der  Stein  in  Trümmer  gegangen  war  und  bei  einer 
Naht  leicht  ein  Recidiv  hätte  eintreten  können. 


—     175     — 

II.  Die  Choledochotomie  mit  Naht. 
1.    Die  primäre  Choledochotomie   mit  Naht. 

Nr.  89.     R.  W.,  43  j,  Lehrer  aas  Welslebeii. 

Aufgen.:  6.  1.  1897. 

Operiert:  8.  1.  1897.    Choledochotomie  mit  Naht  und 

Cystostomie  (Schlauchverfahren). 
Entlassen:  10.  2.  1897.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  wurde  von  Herrn  Dr.  Stephan  in  Welslebon 
■der  Klinik  überwiesen.  Er  will  aus  gesunder  Pamille  stammen  uud 
bis  vor  einem  Jahre  gesund  gewesen  sein.  Um  diese  Zeit  stellten  sich 
Schmerzen  in  der  Magengrube  ein,  die  nach  dem  Rücken  hin  aus- 
strahlten. Kein  Erbrechen,  der  Stuhlgang  war  angehalten.  Besonders 
heftige  mehrstündige  Koliken  hatte  Pat.  am  2.  Oster-  und  Weihnachts- 
feiertag durchzumachen.  Damals  war  auch  Ikterus  aufgetreten;  der 
Stuhlgang  war  während  der  Anfälle  grau,  der  Urin  braun  gefärbt. 
Seiner  Schmerzen  wegen  suchte  W.  Karlsbad  Mitte  Juli  auf.  Eine 
dort  durchgeführte  vierwöchentliche  Kur  brachte  ihm  nur  wenig  Lin- 
derung. Der  beständige  Schmerz  veranlasste  ihn  schliesslich,  sich  zur 
Operation  zu  entschliessen. 

Befund:  Grosser,  abgemagerter  Mann;  Conjunctiven  leicht  ikte- 
risch.  Sonst  kein  Ikterus.  Herz-  und  Lungenbefund  normal.  In  der 
Oallenblasengegend  Druckempfindlichkeit,  aber  kein  Tumor  zu  tasten. 
Die  Leber  überragt  um  2  Querfinger  den  Rippenbogen.  Keine  Milzver- 
grösserung.  Der  Urin  ist  von  brauner  Farbe,  enthält  kein  Eiweiss, 
keinen  Zucker,  aber  Gallenfarbstoflf.  Der  Stuhlgang  ist  braun  gefärbt. 
Kein  Fieber,  Puls  regelmässig,  kräftig,  82. 

Diagnose:  Wahrscheinlich  Stein  im  Duct.  choledochus ;  Adhäsionen. 

Operation  am  8.  1.  97.  Morphium -Atropin-Ohloroformnarkose. 
Läugsschuitt  im  rechten  Miisc.  rect.  abdomln.  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle, Schutz  derselben  durch  eingelegte  Kompressen.  Erst  nach 
mühevollem  Lösen  zahlreicher  fester  Verwachsungen  zwischen  Darm, 
Netz,  Magen  und  Gallenblase  gelingt  es,  letztere  zugänglich  zu  machen. 
Um  bequem  zu  ihr  zu  gelangen,  ist  es  nötig,  zur  ersten  Iiicisioii  senk- 
recht, eiue  zweite  in  Hiihe  des  Nabels  bis  zur  Uinschlagsfalte  döS  Peri- 
toneums zu  führen.  Jetzt  erblickt  man  hoch  oben  an  der  Unterfläche 
der  Leber  liegend  die  wenig  gefüllte,  geschrumpfte  Gallenblase.  Bei 
der  Punktion  werden  etwa  10  ccm  trübe,  eitrige  Galle  entleert.  Die 
Gallenblase  wird  angeschlungen  und  durch  einen  3  cm  langen  Schnitt 
an  ihrem  Fundus  vollständig  eröffnet.  Der  Duct.  cysticus  ist  stark 
verdickt,  er  fühlt  sich  steinhart  an,  ist  aber  frei  von  Steinen.  An  der 
Einmündungsstelle  desselben  in  den  Ductus  choledochus  fühlt  man 
deutlich  einen  etwa  taubeneigrossen  Stein.  Es  wird  auf  denselben 
eingeschnitten  und  iie  Incisionswunde,  nachdem  der  Stein  extrahiert 
ist,  durch  4  Nähte  geschlossen.    Die   zuvor  vorgenommene  Sondierung 


~     176     — 

des  Choledochus  ergibt,  dass  dieser  Gang  sowohl  nach  dem  Darm,  wie 
nach  dem  Duct.  hepaticus  zu  diie  Sonde  frei  passieren  lässt.  In  die 
Oallenblase  wird  ein  langes  Rohr  gelegt.  Ein  Einnähen  derselben  in 
das  Peritoneum  ist  ihrer  Lage  wegen  unmöglich.  Die  Umgebung  der 
Gallenblase,  wie  die  des  Choledochus  wird  fest  anstamponiert,  die 
Bauchwunde  selbst  zum  grössten  Teile  diuroh  Nähte  geschlossen.  Ver- 
band.   Dauer  der  Operation  2  Stunden. 

Verlauf:  Am  Morgen  nach  der  Operation  Temp.  39,4,  Puls  sehr 
beschleunigt,  klein.  Heftiges  Erbrechen  rotbrauner  Massen.  Der  Leib 
ist  weich,  nicht  aufgetrieben.  Galle  fliesst  nicht.  Pat.  ist  sehr  un- 
ruhig. Urinmenge  am  ersten  Tage  600  ccm,  sehr  konzentriert,  enthält 
viel  GallenfarbstoflF.  Darreichung  von  Excitantien.  Dieser  Zustand 
hält  4  Tage  an;  höchste  Abendtemp.  39,3,  höchste  Morgentemp.  38,7, 
Puls  wechselt  zwischen  125  und  144.  Plötzlich  am  5.  Tage  ist  die 
J'lasche  zur  Hälfte  mit  Galle  gefüllt.  Die  grosse  Unruhe,  unter  der 
Pat.  sehr  zu  leiden  hatte,  ist  geschwunden.  Die  Abendtemp.  beträgt  38,2, 
am  andern  Morgen  ist  Pat.  völlig  fieberfrei;  kein  Erbrechen.  Spontaner 
Abgang  von  Blähungen.  Beim  ersten  Verbandwechsel,  vorgenommen 
am  19.  1.,  zeigt  sich  eine  gut  granulierende  Wundhöhle.  Die  Naht  des 
Duct.  choledoch.  hat  gehalten;  in  die  Gallenblasenöffnung  wird  von 
neuem  ein  Rohr  geschoben,  ringsum  Tamponade.  Pat.  erholt  sich 
nun  zusehends;  am  29.  1.  verliess  er  zum  ersten  Male  das  Bett.  Die 
Wunde  verkleinert  sich  mehr  und  mehr.  Die  Gallenfistel  hat  sich  am 
31.  1.  geschlossen.  Am  10.  2.  97  wird  Pat.  mit  einem  granulierenden 
Wundstreifen  aus  der  Klinik  entlassen.  Die  am  17.  2.  98  von  dem 
sehr  dankbaren  Pat.  eingelaufenen  Nachrichten  bekundeten,  dass  er 
sich  des  besten  Befindens  erfreut. 

Epicrise:  Ein  Fall,  bei  dem  ich  noch  die  Choledochus- 
incision  genäht  habe;  die  Folge  davon  war  eine  Stauung  der 
Galle  im  Hepaticus,  wodurch  ein  sehr  bedrohlicher  Zustand 
den  Pat.  in  grosse  Gefahr  brachte.  Jetzt  würde  ich  Hepaticus- 
drainage  vornehmen  und  mir  dadurch  derartig  sorgenvolle 
Stunden  ersparen. 

Nr.  9().    J.  S.,  53  j.  Arbeitersfrau  aus  Quedlinburg. 

Aufgen.:  23.  9.  1903. 

Operiert:  25.  9.  1903.    Ectomie.    Cysticotomie.    Ent- 
fernung eines  Choledochussteines  vom  Cysticusquer- 
schnitt  aus. 
Entlassen:  28.  10.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  Eltern  in  hohem  Alter  gestorben.    Geschwister  ge- 
sund.   Ist  Mutter  von  6  gesunden  Kindern,   4  Kinder  an  den  Kinder- 
krankheiten gestorben;    alle  10  Geburten  normal;   war  nie  unterleibs- 
leidend.    Pat.  war   bis   vor  21  Jahren  gesund;    damals    hatte    sie    zum 
1.  Male   einen   Magenkrampf,   der   aber   leicht   verlief,   ohne   dass   sie 


—     177     — 

bettlägerig  wurde.  Kein  Erbrechen,  kein  Ikterus,  nur  etwas  Dunkel- 
färbung des  Urins.  Solche  Anfälle  hatte  nun  Pat.  im  Laufe  der  Jahre 
in  bald  kürzeren,  bald  längeren  Pausen.  Vor  2  Jahren  trat  der  Anfall 
zum  1.  Male  so  heftig  auf,  dass  sie  bettlägerig  wurde  für  3  Wochen; 
damals  angeblich  auch  Fieber  und  Schüttelfrost.  Urin  braun,  Stuhl 
hell,  Ikterus.  Der  Arzt  stellte  Gallensteinleiden  fest  und  verordnete 
Pulver  und  Umschläge.  Vor  1  Jahre  ein  gleich  schwerer  Anfall  unter 
den  gleichen  Erscheinungen.  Wieder  3  Wochen  arbeitsunfähig.  Danach 
die  Anfälle  wieder  leichter.  Letzter  Anfall  vor  4  Tagen,  dauerte  bloss 
3  Stunden. 

Da  ihre  Arbeitsfähigkeit  herabgesetzt  ist  (Pat.  hat  28  Pfund  an 
Gewicht  abgenommen),  entschliesst  sich  Pat.  auf  dringendes  Anraten 
ihres  Arztes,  des  Herrn  Dr.  Strokorb,  endlich  zur  Operation. 

Befund:  Dicke  Frau  ohne  Ikterus.  Leber  massig  gross.  Kein 
Gallenblasentumor.  Gallenblasengegend  druckempfindlich.  Urin  frei 
von  Eiweiss,  enthält  etwas  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  25.  9.  03  in  Gegenwart  der  Herren  Prof.  Lejars- 
Paris  und  Dr.  Münnich-Chile.  Wellenschnitt.  Sauerstoff-Chloroform- 
narkose  80  Min.  (40  gr.  Chloroform),  im  Anfang  durch  Collaps  gestört, 
sonst  gut.  Gallenblase  klein,  geschrumpft,  am  Fundus  mit  Netz  ver- 
wachsen, enthält  viele  Steine,  ist  am  Hals  narbig  verengt,  wird 
excidiert.  Im  Choledochns  ein  kirschkerngrosser  Stein  fühlbar,  mit 
der  Sonde  vom  Cysticnsqnerschnitt  aus  leicht  tastbar.  Die  Kornzange 
fasst  den  Stein  und  entfernt  ihn.  Cysticus  mUndet  sehr  tief  im  Chole- 
dochns, fast  retrodnodenal,  so  dass  eine  Choledochusiucision  ohne  Ver- 
letzung des  Duodenums  nicht  gut  möglich  gewesen  wäre.  Deshalb 
musste  auch  auf  die  Hepaticusdrainage  verzichtet  werden.  Der  Cysticus 
wird  vernäht.  Schwere  Blutstillung  der  art.  cystica.  2  Tampons. 
Naht,  Verband.  Dauer  der  Operation  1  Stunde.  Die  Gallenblase  ent- 
hält Schleim  und  Eiter  und  ca.  40  kleine  Steine.  Der  Befund  ist  fol- 
gender (pathol.  Institut  in  Marburg): 

Die  übersandte  Galle>iblase  zeigt  an  ihrem  Fundus  eine  divertikel- 
artige  Ausstülpung,  die  eine  unregelmässige  fetzige  Höhle  darstellt, 
welche  von  schwieligem  Bindegewebe  und  einem  Stückchen  Lebergewebe 
umgrenzt  wird.  Die  Ränder  dieser  breit  mit  der  Gallenblase  kom- 
municirenden  Höhle  sind  eigentümlich  gelb  gefärbt. 

Mikroskopisch  besteht  die  Wand  der  Höhle  aus  einem  grosszelligen 
Granulationsgewebe,  dessen  Zellen  vielfach  auf  das  dichteste  mit  fein- 
körnigem Fett  erfüllt  sind.  Bösartige  Wucherungen  des  Epithels, 
welches  erst  am  Übergang  zur  Gallenblase  auftaucht,  sind  nicht  zu 
finden.  Es  handelt  sich  also  um  ein  grosses  perforierendes  Ulcus.  Im 
übrigen  ist  die  Schleimhaut  mit  cylindrischem  Epithel  bedeckt,  das 
nur  hier  und  da  einzelne  Defekte  aufweist  und  vielfach  basale  Fett- 
resorption zeigt.  Die  Mucosa  etwas  zellreicher  als  normal,  Muskulatur 
kräftig  entwickelt,  Fasern  förmlich  hypertrophisch,  viel  Bindegewebe. 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  12 


—     178     — 

Verlauf:  Fieberfrei. 

16.  10.  03.  Pat.  steht  auf.  Wundtrichter  secerniert  wenig,  sieht 
rein  aus. 

27.  10.  03.  Es  besteht  nur  noch  oberflächliche  Granulation,  die 
geätzt  wird. 

28.  10.  03.  Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Stein  steckte  gewiss  schon  2  Jahre  im 
Choledochus;  der-  behandelnde  Arzt  hatte  eine  ganz  richtige 
spezielle  Diagnose  gestellt,  obgleich  Ikterus  zur  Zeit  fehlte. 
Anfangs  fühlte  man  den  Stein  im  Choledochus,  dann  nicht  mehr; 
auch  die  Sonde  fühlte  ihn  nicht.  Leicht  lässt  man  solche 
Steine  zurück,  dann  ist  das  Recidiv  fertig.  Eine  Hepaticus- 
drainage  war  unmöglich,  weil  der  Cysticus  tief,  fast  retro- 
duodenal  in  den  Choledochns  mündete.  Hätte  man  den  Stein 
nicht  vom  Cysticusquerschnitt  aus  fassen  könnea,  so  hätte  man 
den  Hepaticus  incidieren  (Hepaticotomie),  den  Stein  entfernen 
und  dann  von  der  Hepaticusincision  aus  die  Drainage  des 
ductus  hepaticus  ausführen  müssen. 

Nr.  91.    J.  N.,  28 j.  Technikersfrau  aus  Magdeburg. 

Aufgen.:  24.  2.  1903. 

Operiert:  25.  2.  1903.    Choledochotomie  mit  Naht.   Ec- 

tomie.    Cysticotomie. 
E:ntlassen:  1.  4.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Ein  Bruder  leidet  seit  2  bis  3  Jahren  wahr- 
scheinlich auch  an  Gallensteinen.  Nach  der  Geburt  des  1.  und  2. 
Kindes,  vor  10  und  7  Jahren,  hat  Pat.  längere  Zeit  an  Rückenschmerzen 
gelitten. 

Vor  4  Jahren  bekam  Pat.  einen  Anfall  von  kolikartigen  Schmerzen, 
die  vom  Rücken  her  nach  rechts  und  dann  ringsliorum  bis  in  die  Magen- 
gegend ausstrahlten.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  alle  paar  Monate, 
traten  vor  2  Jahren  sogar  eine  Zeit  lang  alle  14  Tage  auf.  Sie  dauerten 
ein  paar  Stunden  bis  '/«  Tag  lang  und  verschwanden  dann  wieder  nach 
heissen  Umschlägen  und  Morphium-Pulvern.  Pat.  machte  ausser  Karls- 
bader Kuren  eine  Ölkur  und  verschiedene  Kuren  mit  „Hausmitteln" 
durch.  Seit  2  Jahren  stellten  sich  die  Anfälle  wieder  nur  alle  paar 
Monate  ein,  der  vorletzte  im  September  1902,  die  beiden  letzten 
kurz  hintereinander  vor  4  Wochen.  Diese  letzten  beiden  dauerten 
etwa  je  '/«  Tag  lang.  Zugleich  mit  ihnen  trat  eine  Schwellung  der 
Gallenblase  ein,  die  bereits  früber,  vor  2  Jahren,  schon  einmal  bemerkt 
wurde.  Diese  Anschwellung  besteht  jetzt  noch,  macht  aber  der  Pat. 
keinerlei  Beschwerden,  vielmehr  fühlt  sich  Pat.  zur  Zeit  völlig  wohl. 
Fieber   hat   bei   den  Anfällen    nie   bestanden,   Erbrechen  ist  1—2  mal 


—     179     — 

nur  aufgetreten.  Leichte  Gelbsucht  war  einmal  bei  einem  Anfall  vor 
2  Jahren  vorhanden.  Stuhl  ist  immer  gut  gefärbt,  in  demselben  sind 
im  ganzen  über  100  kleine,  kantige  Steine  von  ca.  2  cbmm.  Grösse 
gefunden  worden. 

Befund:  Leber  gross,  gesenkt,  Gallenblase  deutlich  palpabel. 
Urin  frei.     Kein  Ikterus. 

Diagnose:  Hepatoptose,  Hydrops  der  Gallenblase. 

Operation:  25.  2.  03.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt,  Gallen- 
blase gross,  prall  gespannt,  enthält  im  Hals  einen  haselnussgrossen 
Stein.  Verwachsungen  zwischen  Hals  der  Gallenblase  und  Duodenum 
werden  gelöst.  Ectomie.  Spaltung  des  Cysticus  und  Choledochus. 
Dieser  sehr  eng  und  leer.  Hepaticus  eng,  so  dass  nvu:  ein  mittelstarker 
Nelaton  eingeführt  werden  kann.  Da  bei  Hepaticnsdrainage  die  Heilung 
der  langen  Choledochnsincision  sehr  lange  dauern  würde,  wird  die 
€holedochnsincision  tunlichst  geschlossen.  Tamponade.  Bauchnaht. 
Dauer  der  Operation  55  Min. ,  eine  starke  Veuenblutnng  bei  der 
ClioledochusincisioH  hatte  ziemlich  lang  aufgehalten.  Die  herausge- 
schnittene Gallenblase  ist  chronisch  entzündet,  im  Hals  steckt  ein 
haselnussgrosser  Stein,  dahinter  im  sehr  engen  Cysticus  2  kleine 
kantige  Steine.  Ca.  120  kleine  und  mittelgrosse  Steine  in  der  Gallenblase. 

Verlauf:  Gut. 

28.  2.  03.  Temp.  morgens  38,0,  abends  37,9.  Terband  mit  GaUe 
durchtränkt.     Wechsel  der  oberen  Lagen.    Befinden  gut. 

1.  3.  03.  Spontan  2  mal  Stuhl.  Temp.  normal.  Verband  täglich 
mit  Galle  durchtränkt.    Ikterus  noch  vorhanden. 

2.  3.  03.    Verband  heute  trocken.    Ikterus  geht  zurück. 

6.  3.  03.  Verband  seit  5  Tagen  trocken,  heute  durchtränkt.  Ver- 
bandwechsel.    Kein  Ikterus  mehr.     Befinden  gut. 

11.  3.  03.  Verband  meist  2— 3  Tage  trocken.  Befinden  gut.  Heute 
I.Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons,  der  Fäden  (bis  auf  den 
Faden  der  A.  cystica)  und  der  Nähte.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Tampons, 
besonders  die  im  Leberbett,  sassen  etwas  fest,  sind  mit  reiner  Galle 
durchtränkt.     Ausspülung.     Tamponade. 

13.  3.  03.  Verband  &tark  mit  Galle  durchtränkt.  Verbandwechsel 
{oberflächliche  Schichten).    Befinden  gut.    Stuhl  braun. 

17.  8.  03.  Verband  4  Tage  trocken.  Galle  läuft  wenig.  Wunde 
sieht  gat  aus,  verkleinert  sich.    Tamponade.    Verband.    Pat.  steht  auf. 

21.  8.  08.  Verband  trocken.  Verbandwechsel.  Galle  läuft  kaum 
noch.  Letzter  Faden  wird  entfernt.  Wunde  verkleinert  sich  schnell, 
bildet  nur  noch  einen  nicht  mehr  sehr  tiefen,  kleinen  Trichter. 

24.  3.  03.     Galle  läuft  nicht  mehr. 

1.  4.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem  granulierenden,  flachen  Wund- 
trichter als  geheilt  entlassen. 

Untersuchung  der  Gallenblase  im  Pathol.  Institut  zu  Göttingen: 
Die  Schleimhaut  ist  hochgradig  atrophisch,  die  Muskularis  verdünnt, 
das  Oberflächenepithel  verloren  gegangen.  Hier  und  da  findet  sich 
deutliche  Narbenbildung  an  der  Innenfläche. 

12* 


—     180     — 

Epicrise:  Weil  ca.  108  kleine  Steine  abgegangen  waren 
und  solche  im  Clioledochus  '  stecken  konnten,  wurde  Cysticus 
und  Choledochus  gespalten.  Das  war,  wie  sich  herausstellte, 
nicht  nötig,  aber  lieber  gründlich  operieren  und  einmal  den 
Choledochus  umsonst  aufschneiden,  als  Steine  dort  übersehen. 
Die  Choledochusincision  wurde  geschlossen,  da  die  Heilungs- 
bedingungen dadurch  gebessert  wurden.  Hätte  man  cystosto- 
miert,  so  hätte  man  die  kleinen  Steine  im  Cysticus  sicher  zurück- 
gelassen. 

Nr.  92.    A.  A.,  49  j.  Banqniersfran  aus  Kassel. 

Aufgen.:  18.  6.  1898. 

Operiert:  21.  6.  1898.     Choledochotomie  mit  Naht. 

Entlassen:  4.  9.  1898.     Geheilt. 

Anamnese:  Eltern  der  Pat.  tot,  3  Schwestern  leben  und  sind 
gesund.  Pat.  heiratete  1885,  ist  Mutter  von  1  Kind  (geb.  1889);  vor 
11  .Jahren  während  einer  Gravidität  Eklampsie,  welche  mit  Fehlgeburt 
endigte.  Seit  2  bis  3  Jahren  Magenbeschwerden,  welche  selten  auf- 
traten, Magendrücken,  später  krampfartig.  Ende  Januar  1898  nach 
einem  Diätfehler  das  1.  Mal  Anfall  von  Magenkrampf,  verbunden  mit 
Erbrechen;  der  Schmerz  dauerte  einige  Stunden,  darauf  Reise  nach 
Berlin,  dort  sehr  häufige  Schmerzanfälle  ohne  Gelbsucht.  23.  Februar 
erste  wirkliche  Kolik;  dieselben  wiederholten  sich  häufig,  keine  Gelb- 
sucht. Anfang  März  stellte  sich  Gelbsucht  ein,  deren  Intensität  wech- 
selte bis  zu  völliger  Entfärbung  der  Haut.  Die  Koliken  hinterliessen 
in  den  Zwischenzeiten  unbehagliche  Empfindung  in  der  rechten  Ober- 
bauchgegend. Viel  Morphium,  heisse  Umschläge,  Öl  innerlich.  Ende 
Mai  Reise  nach  Karlsbad;  sofort  nach  Beginn  der  Kur  stellten 
sich  andersartige  Schmerzen,  intermittierendes  Fieber  imd  Gelbsucht, 
Gürtelschmerz  und  Kreuzschmerz  ein.  Diese  Gelbsucht  blieb  in  etwas 
wechselnder  Stärke,  ohne  je  ganz  aufzuhören:  kein  Kurgebrauch  mehr,^ 
Kot  meist  entfärbt,  doch  bisweilen  vollständig  normal.  Abmagerung 
während  der  ganzen  Kranklieit  ca.  40|Pfd,  in  Karlsbad  allein  8  Pfd., 
hauptsächlich  durch  das  reichliche.  Erbrechen  während  der  Koliken. 
Urin,  öfters  untersucht,  frei  von  Eiweiss  und  Zucker  befunden.  Herr 
Dr.  Spitz  er- Karlsbad  dringt  auf  die  Operation  und  überweist  die  Pat.- 
der  Klinik. 

Befund:  Mittelgrosse,  ikterische  Dame  mit  starkem  Panniculus, 
Organe  ohne  Besonderheiten,  Herz  etwas  vergrössert,  Töne  rein,  Harn 
frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  enthält  GallenfarbstofT.  Gallenblasen- 
gegend kaum  druckempfindlich,  Leber  nicht  vergrössert,  kein  Tumor 
palpabel. 

Diagnose:  Lithogener  Choledochusverschluss. 

Operation:  Chloroformnarkose  unruhig,  1'/«  Stunden.  Grosser 
Längsschnitt  im  rechten  M.  rectus,  Stauungsleber  derb,  ikterisch,  nicht 


—     181     — 

vergrössert,  Gallenblase  verwachsen  mit  Netz  und  Magen,  geschrauipft, 
ohne  Steine,  bleibt  nneröffnet;  der  Choledochus,  welcher  nach 
Lösung  der  Adhäsionen,  die  zumal  in  der  Cysticusgegend  entwickelt 
sind,  gut  zugänglich  ist,  erweitert  auf  fast  Kleinfingerdicke;  grosser 
Stein,  bald  gefühlt  im  retrodnodenaien  Teil,  wird  durch  das  bimunnelle 
Verfahren  heraufgedrückt.  Incision  im  supraduod.  Teil  des  Chole- 
dochus, Extraktion  eines  länglichen  gelben,  granulierten  Cholestearin- 
steins  von  Pfirsichgrösse.  Es  fliesst  sofort  klare  Galle  aus  der  Öffnung, 
Sondierung  weist  weitere  Steine  nicht  nach.  Naht  des  Schnittes  mit 
7  feineu  Seideufädeu,  Tnmpouade  auf  die  Nahtstelle,  geschrumpfte 
Oallenblase  bleibt  unberührt,  Bauchdeckennaht  über  der  Leber  mit 
Durchstichknopfnähten,  in  der  Mitte  Öffnung  zur  Herausleitung  der  Gaze, 
unterer  Teil  der  Wunde  vernäht  mittelst  Muskel-Fascien-Peritoneal- 
nähten,  Hautnähte. 

Der  Verlauf  war  insofern  gut,  als  die  Choledochusnaht  hielt  und 
niemals  Galle  austrat,  der  Kot  braun,  der  Urin  gallenfarbstoffrei  wurde 
und  der  Ikterus  verschwand.  Temperatursteigerungen  traten  nur  ganz 
vorübergehend  auf  und  erreichten  nicht  mehr  als  38,0°.  Dagegen  ging 
die  Heilung  der  Wunde  nicht  ganz  in  erwünschter  Weise  von  statten. 
Die  Hautnähte  eiterten,  und  nach  ihrer  Entfernung  am  30.  2.  beim 
ersten  Verbandwechsel  wich  die  Hautwunde  auseinander.  Sie  musste 
der  Heilung  per  granulationem  überlassen  werden.  In  der  Folge 
mussten  häufige  Verbandwechsel  stattfinden,  dabei  wurden  einige  der 
tiefen  Nähte  extrahiert.  Das  Allgemeinbefinden  von  Frau  A.  war  stets 
vorzüglich,  der  Appetit  war  sehr  gut.  Fat.  nahm  zu  ihrem  Miss- 
vergnügen sogar  au  Körpergewicht  zu.  Am  4.  9.  wurde  Fat.  ent- 
lassen, nachdem  die  Wunde  sich  bis  auf  einen  schmalen  Granulations- 
streifen zusammengezogen  hatte.  Ihr  Sohn,  selbst  Chirurg,  verbindet 
sie  in  der  Heimat.  Der  Ikterus  war  bereits  innerhalb  2  Wochen  nach 
der  Operation  verschwunden. 

Epicrise:  Pat.  hatte  bei  ihrer  Aufnahme  nur  Ikterus,  die 
in  Karlsbad  so  häufig  aufgetretenen  Fieberattaquen  waren  vor- 
über, sie  fühlte  sich  so  wohl,  dass  sie  von  einer  Operation 
nichts  wissen  wollte.  In  einem  solchen  Fall  muss  man  —  wenn 
der  Tastbefund  negativ  ist  —  auf  Grund  der  Anamnese  die 
Diagnose  und  die  Indikation  zur  Operation  stellen.  Mir  unter- 
lag es  gar  keinem  Zweifel,  dass  chronischer  lithogener  Chole- 
dochus verschluss  vorlag,  und  deshalb  konnte  ich  nur  zur  Ope- 
ration raten.  Auch  hier  war  die  Incision  des  retrodnodenaien 
Teiles  des  Choledochus  durch  das  „bimanuelle  Verfahren" 
unnötig.  Ich  habe  in  diesem  Fall  die  Gallenblase  nicht  eröffnet, 
da  sie  geschrumpft,  leer  und  klein  war,  würde  sie  aber  heute 
doch  entfernen,  da  man  sich  auf  diese  Weise  am  besten  vor 
Entzündungsrecidiven  sichert. 


—     182     — 

Nr.  93.     M.  B.,  27  j.  Lehrerin  aus  Eisenach. 

Aufgen.:  24.  U.  1897. 

Operiert:   26.   11.   1897.     Choledochotomie   mit  Naht. 

Ectomie. 
Entlassen:  30.  12.  1897.     Geheilt. 

Anamnese:  Eltern  der  Pat.  sind  tot,  von  den  5  Geschwistern 
leben  noch  4,  sie  sind  gesund.  Pat.  litt  von  Kindheit  an  an  Magen- 
beschwerden, welche  später  in  Magenkrämpfe  übergingen  (1886).  Vor 
beinahe  4  Jahren  erfolgte  ein  Magenkrampfanfall  mit  Gelbsucht.  Der 
Sitz  des  Schmerzes  war  die  Mittellinie  oberhalb  des  Nabels.  Anfangs 
dauerten  die  Schmerzen  2  Stunden,  später  bis  zu  2  Tagen.  Anfälle 
mit  Gelbsucht  —  zweiter  1896  —  sind  ca.  8  aufgetreten.  April  und 
Mai  1897  machte  Pat.  in  Karlsbad  eine  Kur  durch,  die  den  Erfolg 
hatte,  dass  die  Koliken  wegblieben,  dagegen  blieben  Druckgefühl,  Stiche, 
Rückenschmerzen  bestehen.  Der  Mangel  an  Leistungsfähigkeit  in 
ihrem  Lehrberuf  veranlasst  Pat.,  in  die  Klinik  zu  kommen;  auch  Herr 
Prof.  Seydel-Jena  hatte  der  Pat.  im  Oktober  1897  geraten,  sich 
operieren  zu  lassen.  * 

Befund:  Massig  grosse,  hagere  Pat.  mit  starkem  Ikterus.  Herz, 
Lungen  normal,  Stuhl  ganz  hell,  im  Harn  aber  verhältnismässig  wenig 
Gallenfarbstoff.  In  Narkose  fühlt  man  von  rechts  her  in  die  Mittel- 
linie reichend  und  bis  zum  Nabel  sich  erstreckend  eine  harte  Geschwulst. 

Diagnose:  Cholelithiasis  und  Empyem,  chron.  der  Gallenblase. 
Choledochusstein. 

Operation:  Chloroformnarkose,  ca.  120  gr.,  Dauer  2  Stunden 
(ohne  Narkoseeinleitung  und  Verband  l'/a  Stunden).  Längsschnitt  von 
ca.  8  cm  Länge  im  rechten  M.  rectus  abdominis ;  man  findet  die  aus- 
gedehnte Gallenblase,  Bei  der  Punktion  wird  rötlicher  dicklicher  Eiter 
entleert  —  chron.  Empyem.  Nach  Incision  der  Blase  entleert  man 
9  Steine,  der  10.  verschliesst  den  Cysticus,  lä^st  sich  aber  vordrücken 
und  mit  der  Kornzange  herausziehen.  Der  Choledochus  ist  erweitert 
bis  auf  Dünndarmlumen,  er  wird  erst  mit  Hülfe  der  Probepunktion 
als  solcher  erkannt.  Hinter  dem  Duodenum  liegt  im  Choledochus  ein 
grosser  Stein  (fast  walnussgross).  Dem  Drnck  der  Finger  weicht  er 
nicht;  deshalb  Schnitt  im  snpradnodenalen  Teil  des  Choledochns.  Der 
linlie  Zeigefinger  wird  in  den  Clioledochus  geführt,  mit  der  rechten 
Hand  wird  von  den  Banchdecken  ans  der  Stein  durch  bimannelles  Ver- 
faliren  gelockert  und  hochgedrUckt,  so  dass  es  gelingt,  das  Concrement 
mit  der  Kornzange  zu  fassen  und  zu  extrahieren.  Naht  der  Chole- 
dochusincision.  Die  Blase  wird  wegen  Erkrankung  ihrer  Wand  exstir- 
piert,  der  Cysticusstumpf  übernäht.  Gazetamponade.  Naht  der  Bauch- 
wunde.   Verband. 

Die  Gallenblasensteine  sind  erbsen-  bis  haselnussgross,  der 
Choledochusstein  fast  walnussgross. 


—     183     — 

Der  Verlauf  ist  sehr  gut  (höchste  Abendtemperatiir  37,9°).  Am 
30.  12.  97  wird  Pat.  mit  gut  granulierender  Wunde  nach  Hause  ent- 
lassen mit  der  Weisung,  sich  dort  verbinden  zu  lassen. 

Epicrise:  Das  in  diesem  Fall  geübte  bimanuelle  Ver- 
fahren machte  die  Ablösung  des  Duodenum  und  seine  Ver- 
drängung nach  links  zwecks  Incision  der  retroduodenalen  Partie 
des  Choledochus  unnötig. 


b)  Die  sekundäre  Choledochotomie  mit  Naht 
(nach  vorausgegangener  Cystostomie). 

Nr.  94.     E.  A.,  4öj.  Arbeitersfrau  aus  Aderstedt. 

Aufgen.:  21.  8.  1896. 

Operiert:  26.  8.  1896.     I.  Cystostomie. 

IL  Sekundäre  Choledochotomie  mit  Naht.  27.  9.  1896. 
Entlassen:  27.  10.  1896.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.,  seit  4  Jahren  gallensteinleidend,  isl  seit  einer 
Woche  schwer  krank.  Ihre  früheren  Anfälle,  ca.  4  jedes  Jahr,  be- 
standen nur  in  Magenkrämpfen  ohne  Ikterus,  diesmal  traten  heftige 
Rückenschmerzen  auf  mit  Fieber  und  „unbeschreiblicher"  Schmerz- 
haftigkeit  in  der  Lebergegend.  Der  behandelnde  Arzt,  Herr  Dr. 
Klavehn,  stellt  die  Diagnose  auf  serös-eitrige  Cholecystitis  und  rät 
zur  schleunigen  Operation. 

Befund:  Grosse  Gallenblase,  druckempfindlich.  Dabei  starker 
Ikterus.  Wegen  der  Gelbsucht  wird  mit  der  Operation  gewartet,  aber 
die  Gelbsucht  wich  nicht,  der  Allgemeinzustand  hob  sich  nicht,  das 
Fieber  wurde   immer  höher.    Deshalb 

I.  Operation:  am  26.8.  Cystostomie.  Eitrige  Cholecystitis.  Im 
Hals  der  Gallenblase  oin^walnussgrosser  Stein.  Extraction  von  der  Fistel 
aus.  Dauer  der  Operation  40  Min.  Von  einer  Revision  des  Choledochus 
miisste  abgesehen  werden,  da  Pat.  sehr  schwach  war  nnd  ich  bei  dem 
putriden  Eiter  eine  Incision  des  Choledochus  scheute. 

Verlauf:  In  den  ersten  Tagen  läuft  keine  Galle,  nur  Schleim ;  die 
Temperatur  fällt  bis  auf  37,5".  Am  3.  Tage  reichlicher  Gallenfluss,  der 
fortwährend  anhält.  Am  5.,  8.,  12.  9.  Stöpselexperimeut.  Danach  stets 
Kolik,  Fieber,  Erbrechen.    Stein  im  Choledochus  wahrscheinlich. 

II.  Operation :  Am  27.  9.  sekundäre  Choledochotomie.  Gaze  in 
die  Gallenblase.  Eröffnung  der  Bauchliöhle  in  der  Mittellinie.  Viele 
Verwachsungen.  Die  Gallenblase  dient  als  Wegweiser  zum  Choledochus. 
Incision.  Extraktion  eines  haselnussgrossen  Steines  aus  dem  supra- 
duodenalen Teil.  Choledochusnaht  (7  Suturen).  Tamponade.  Dauer  der 
Operation  l'/2  Stunden. 


—     184     -■ 

Verlauf:  Glatt.  Die  Gallensekretion  nimmt  allmälich  ab,  ver- 
siechb  schon  am  18.  10.  völlig.    Am  27.  10.  gesund  entlassen. 

Epicrise:  Vor  8  Jahren  habe  ich  in  2  Zeiten  operiert; 
lieute  würde  ich  in  einer  Sitzung  Gallenblase  und  Choledochus 
entleeren. 


Nr.  95     E.  S.,  47 j.  Pastorsfrau  aus  Westeregeln. 

Auf  gen.:  12.  6.  1892. 

Operiert:  13.  6.   1892.     I.  Cystostomie. 

II.  Sekundäre  Choledochotomie  mit  Naht.  27.  4. 1893. 

Entlassen:  20.  5.  1893.  Geheilt. 
Anamnese:  Fat.  wird  von  Herrn  Dr.  Schi  ele- Westeregeln 
zur  Operation  überwiesen.  Vor  ca.  20  Jahren  maclite  Fat.  den  ersten 
Kolikanfall  durch,  dann  litt  sie  häufig  an  Migräne  und  Magendrücken. 
Vor  2  Jahren  der  zweite  Anfall  bei  Gelegenheit  eines  Besuchs  in 
Halberstadt.  Ca.  2  Monate  vor  der  Aufnahme  in  die  Klinik  be- 
kommt die  Fat.  einen  neuen  Gallensteinkolikanfall,  der,  von  wechseln- 
der Intensität,  ca.  14  Tage  anhält.  Es  tritt  massiger  Ikterus  auf. 
Abends  geringe  Temperaturerhöhung.  Der  Leib  ist  eine  Zeit  lang 
stark  aufgetrieben  (peritonitische  Reizungen),  der  Stuhlgang  retardiert, 
die  Gegend  der  Gallenblase  ausserordentlich  schmerzhaft.  Ich  habe 
damals  die  Fat.  mit  dem  behandelnden  Arzt  zweimal  in  Westeregeln 
gesehen  und  stellte  die  Diagnose  auf  Gallensteine  und  auf  schwere 
entzündliche  Frozesse  in  der  Umgebung  der  Gallenblase.  Ich  gab 
meinen  Rat  dahin  ab,  einstweilen  von  einer  Operation  abzusehen  und 
damit  so  lange  zu  warten,  bis  die  Reizungserscheinungen  von  Seiten 
des  Feritoneum  vollständig  gehoben  seien.  Nur  für  den  Fall,  dass  die 
Entzündung  einen  drohenden  Zustand  annehmen  würde,  hielt  ich  einen 
Eingriff  für  gerechtfertigt.  Unter  zweckmässiger  Behandlung  besserte 
sich  der  Zustand;  die  Fat.  erholte  sich  und  konnte  am  13.  6.  operiert 
werden,  Ikterus  war  nicht  vorhanden.  Die  Gegend  der  Gallenblase 
Avar  etwas  schmerzhaft,  sonst  war  nichts  Abnormes  nachzuweisen. 

I.  Operation:  13.6.92.  Längsschnitt  im  rechten  Rectus  abdo- 
minis;  die  Gallenblase  ist  mit  dem  Netz  sehr  breit  verwachsen,  die  Lösung 
gelingt  stumpf  und  ohne  erhebliclie  Blutung.  Die  Gallenblase  ist  sehr 
prall  gefüllt,  ihre  Wandungen  erheblich  verdickt.  Die  Pravaz'sche 
Spritze  eutleerte  ans  der  Galleublase  dicken  Eiter.  Wegen  der  starken 
prallen  Anfiillung  derselben  sickert  aus  dem  Panktioussticli  iniinor 
Eiter  nach,  so  dass  die  beschlosseue  /weizeitige  Operation  durch  die 
sofortige  Eröffnung  der  Galleublase  ersetzt  wird.  Die  Bauchhöhle  war 
natürlich  durch  Schwämme  sorgfältig  abgeschlossen  worden.  Es  werden 
15  kleine  weisse  Steine  entfernt;  um  eine  Infektion  zu  verhüten,  wird 
von  einer  Revision  des  Cysticas  Abstand  genommen  und  die  Gallen- 
blase mit  dem  Peritoneum  parietale  dicht  vereinigt.  In  die  Gallen- 
blase wird  ein  schmaler  Streifen  steriler  Gaze  eingelegt. 


-•-     185     - 

Verlauf:  Gut.  Während  der  Nachbehandlung  werden  noch 
einige  Steine  gefvinden.  Galle  fliesst  nie.  Nach  14  Tagen  steht  die 
Pat.  auf  und  verlässt  4  Wochen  nach  der  Operation  die  Klinik.  Sie 
hat  sich  dann  zu  Hause  immer  sehr  wohl  gefühlt,  die  Migräne  ist 
vollständig  geschwunden,  die  schleimsecernierende  Fistel  hat  sie  wenig 
belästigt.  Ich  hatte  schon  bei  der  Entlassung  die  Vermutung  ausge- 
sprochen, dass  noch  ein  Stein  im  Cysticus  sei.  Ich  wollte  aber  diesen 
Gang  erst  abschwellen  lassen  und  die  Ausstossung  des  Steins  der 
nachdrängenden  Galle  anvertrauen.  Mitte  November  war  die  äussere 
Fistel  derartig  verengt,  dass  der  sich  dahinter  ansammelnde  Schleim 
der  Dame  Beschwerden  machte.  Ich  habe  deshalb  am  1.  Dezember 
die  Fistel  gespalten  und  zwei  Steine  entfernt.  Im  Cysticus  selber 
fühlte  ich  mit  der  Sonde  einen  dritten  Stein,  von  dem  ich  nur  ein 
Stückchen  abkratzen  konnte. 

Seit  1.  Februar  1893  war  die  Fistel  allmälich  zugeheilt;  Wohlbe- 
finden war  bis  dahin  gut,  die  früher  so  quälende  Migräne  geschwunden, 
Icterus  nie  dagewesen;  seit  Mitte  März  wieder  Migräne,  seit  21.  März 
Koliken,  geringes  Fieber,  ganz  leichter  Icterus.  Am  29.  März  leichte 
Wiedereröffnung  der  Fistel,  ohne  Eröffnung  der  Bauchhöhle.  Die  Kaiich- 
vrand  wird  iu  der  alten  Narbe  gespalten,  man  fühlt  deutlich  dariiuter 
die  prall  gefällte  Gallenblase.  Eine  dicke  Nadel  wird  hier  einge- 
stochen, und  da  hydropische  Flüssigkeit  ausfliesst,  mit  einem  spitzen 
Messer  neben  der  Nadel  eingegangen.  Der  Stich  wird  dnrch  eine  ein- 
geführte Kornzauge  erweitert,  bis  der  Finger  eingeführt  werden  kann. 
Es  fliesst  viel  trübes  Serum,  ein  Stein  wird  mit  der  Sonde  nicht 
gefunden. 

Solort  lassen  das  Fieber  imd  der  Schmerz  nach,  der  Icterus  ver- 
schwindet. Am  31.  März  finde  ich  zu  meiner  freudigen  Überraschung 
den  Verband  von  Galle  durchtränkt :  der  Ductus  cysticus  war  frei, 
der  in  demselben  befindliche  Stein  ausgestossen.  Aber  wohin  ?  Im 
Verband  lag  er  nicht,  auch  konnte  ihn  die  Sonde  in  der  immer  noch 
sehr  geräumigen  Gallenblase  nicht  finden.  Ich  beruhigte  mich  einst- 
weilen damit,  dass  er  irgendwo  in  einer  Schleimhautausbuchtung  der 
Gallenblase  sich  festgesetzt  habe.  Allmählich  wurde  das  Gallelaufen 
aus  der  Fistel  profus,  der  Stuhlgang  tonartig ;  auch  Hess  der  Appetit 
bedeutend  nach,  der  Durst  war  gross,  Pat.  klagte  über  Magen- 
und  Rückenschmerzen,  zeigte  eine  sehr  gedrückte  weinerliche  Stim- 
mung. Es  stieg  der  Verdacht  in  mir  auf,  dass  der  Stein  aus  dem 
Cysticus  in  den  Choledochus  gerutscht  sei.  Ich  griff  zu  dem  Stöpsel- 
experinientj  ein  mit  Watte  umwickelter  konischer  Holzstöpsel  wurde 
iu  die  äussere  Oallenblasenflstel  gesteckt,  dnrch  Watte  und  Collodium 
befestigt.  Sofort  entstand  ein  Bild,  welches  mir  den  Verdacht  eines 
Choledochussteines  bestätigte.  Leichter  Ikterus,  grosse  Schmerzen 
und  ein  unter  Schüttelfrost  bis  40"  C.  steigendes  Fieber.  Der  Stuhl- 
gang zeigte  zwar  Streifen  von  galliger  Färbung,  im  grossen  und  ganzen 
blieb  er  tonartig.  Nach  Entfernung  des  Stöpsels  schwanden  sofort 
alle  Beschwerden  und  auch  das  Fieber,  sobald  ich  von  Neuem  die  äussere 


—     186     — 

Fistel  verschloss,  trat  wiederum,  Schüttelfrost  ein.  Die  Pat.  wurde 
immer  elender,  ihre  Stimmung  immer  verzweifelter,  so  dass  sie  meinen 
Vorschlag  zur  Operation  gern  annahm.  Ich  hatte  die  Absicht,  den 
Stein  im  Choledochus  durch  direkte  Incision  dieses  Gangs  zu  entfernen. 
II.  Operation:  27.  4.  93.  Eröffnung  der  Bauchhöhle  darch  einen 
Schnitt  in  der  Mittellinie,  welcher  vom  Processus  xiphoideus  bis  znni 
Nabel  reichte.  Da  ich  sofort  merkte,  dass  ich  dadnrch  nicht  genügend 
Übersicht  gewann,  fügte  ich  einen  Querschnitt  liinzn,  welcher  vom 
Nabel  beginnend  3  Finger  breit  unter  der  Gallenblasenfistel  nach  aussen 
verlief.  Der  Querschnitt  war  circa  10  cm.  lang  und  slaud  auf  dem 
Längsschnitt  senkrecht.  Den  so  gebildeten  Zipfel  klappte  ich  nach 
oben  und  aussen  um  und  befestigte  ihn  durch  eine  Sutur  an  der 
Brustwaud.  Es  lässt  sich  denken,  dass  die  Verwachsungen  in  der 
Bauchhöhle  sehr  erheblich  waren  und  der  Lösung  mannigfaltige  Schwie- 
rigkeiten darboten.  Es  gelang  mir  indes  nach  einstündiger  Arbeit, 
einen  Stein  von  der  Grösse  einer  kleinen  Haselnuss  im  Choledochus 
zu  finden  und  denselben  durch  Incision  des  Ganges  zu  entfernen. 
Acht  feine  Seidensutpren  schlössen  das  Loch  im  Choledochus.  Durch  die, 
durch  die  Branchen  einer  Kornzange  erweiterte  Gallenblasenfistel 
schob  ich  ein  dickes  Drainrohr  in  die  Gallenblase,  welche  übrigens 
ihren  Charakter  als  solche  nicht  verloren  hatte,  sondern  noch  schöne 
Birnform  zeigte.  Die  Längs-  und  Querwunde  der  Bauchwand  wurde 
durch  eine  tiefe  und  oberflächliche  Naht  vollständig  geschlossen. 

Verlauf:  Verhältnismässig  gut.  In  den  ersten  Tagen  bestand 
geringes  Fieber  bis  38,3,  der  Pals  erreichte  oft  160  Schläge  in  der 
Minute,  aber  es  handelte  sich  hier  mehr  um  nervöse  Zustände,  wie  ich 
sie  schon  bei  der  ersten  Opei'ation  beobachtet  hatte.  Der  Urin  wurde 
immer  spontan  entleert,  Erbrechen  trat  gar  nicht  ein,  ein  am  2.  Tage 
auftretender  ziemlich  hochgradiger  Meteorismus  verschwand  nach 
Applikation  einiger  Spritzen  Glycerin.  Am  5.  Tage  wurde  nach  Rici- 
nusöl  ein  sehr  reichlicher  braun  gefärbter  Stuhlgang  entleert.  Von 
da  an  trat  rasche  Besserung  ein.  Der  Stuhlgang  wurde  ohne  Nach- 
hülfe so  regelmässig,  wie  er  in  den  letzten  Jahren  überhaupt  nie 
war.  Die  Migräne  blieb  fort,  Pat.  verliess  am  12.  Tage  das  Bett  und 
konnte  am  20.  Tage  geheilt  entlassen  werden.  Die  Fäden  waren  am 
10.  Tage  entfernt  worden,  die  ganze  grosse  Wunde  war  per  primam 
geheilt,  auch  das  Drain  aus  der  Gallenblasenfistel,  welche  massige 
Mengen  Galle  entleert  hatte,  blieb  an  diesem  Tage  fort.  Das  Aus- 
sehen war  in  der  kurzen  Zeit  nach  der  Operation  ein  ganz  anderes 
geworden,  der  Appetit  und  der  Kräftezustand  hatten  sich  merklich 
gehoben. 

Epicrise:  Wodurch  war  nun  der  Stein  aus  dem  Cysticus 
in  den  Choledochus  gerutscht?  üie  Antwort  darauf  bleibe  ich 
schuldig;  vielleicht  durch  die  Manipulationen,  welche  bei  der 
Eröffnung  der  geschlossenen  Fistel  am  29.  März  nötig  waren. 
Ich  habe  aus  dem  Fall    die  Lehre  gezogen,    vor  allen  Dingen 


—     187     — 

ein  Mittel  zu  unterlassen,  welches  ich  früher  beim  Cysticusstein 
(in  diesem  Fall  habe  ich  es  übrigens  nicht  angewendet)  mit 
Vorliebe  gebrauchte,  das  Ausspritzen  der  Gallenblase.  Wie 
leicht  kann  man  den  Stein  tiefer  spritzen,  sodass  er  in  den  Chole- 
dochus  gerät!  Auch  mit  der  Sonde  und  anderen  ähnlichen 
Instrumenten  kann  man  ein  derartiges  Unglück  wohl  einmal 
anrichten. 


III.  Die  Choledochotomie  ohne  Naht  und  die  Hepaticus- 

drainage. 

L   Die    primäre    Hepaticnsdrainage. 
a)  mit  Cystostomie. 

Nr.  96.     J.  M.,  59j.  Kaufmann  ans  Brunn  (Mähren). 

Aufgen.:  13.  10.  1902. 

Operiert:  16.  10.  1902.    Choledochotomie    ohne    Naht 
mit  Tamponade.    Cystostomie. 

Entlassen:  21.  11.  1902.  Geheilt. 
Anamnese:  Vater  gallensteinleidend,  ebenso  eine  Schwester, 
eine  andere  hat  Nierensteine.  Juli  1901  Anfall  von  Sehmerzen  im  Ober- 
bauch, besonders  in  der  Lebergegend.  Mai  1902  Influenzapneumonie, 
4  Wochen  krank,  danach  erholte  er  sich  schnell.  Vor  6  Wochen, 
nachdem  er  sich  4  Tage  lang  unbehaglich  gefühlt  hatte,  kurzdauernder 
Scbmerzanfall  mit  Brechneigung,  Schweissausbruch,  am  2.  Tage  da- 
nach Gelbsucht.  Kein  Fieber.  Der  Ikterus  besteht  in  wechselnder 
Intensität  seitdem  fort,  sehr  quälendes  Hautjucken.  Urin  bierbraun, 
Stuhl  meist  acholisch,  selten  leicht  bräunlich.  Starke  Abmagerung. 
Sein  Arzt  schickte  ihn  nach  Wiesbaden,  wo  ihm  Herr  Prof.  Wein- 
traiid  und  Herr  Dr.  L&hnstein  zur  Operation  rieten. 

Befund:  Abgemagerter,  aber  noch  immer  leidlich  genährter 
Mann.  Deutlicher  Ikterus.  Urin  stark  gallenfarbstoffhaltig,  sonst  frei. 
Stuhl  entfärbt.  Leib  weich,  flach.  Leber  gross,  auffallend  hart,  wellig. 
Keine  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend  und  nach  der 
Mittellinie  hin. 

14.  10.  Mittags  erfolgt  ein  teils  entfärbter,  teils  dunkelbrauner 
Stuhl,  der  bald  danach  gelassene  Urin  ist  hell,  ohne  eine  Spur  von 
Gallenfarbstoff. 

15.  IQ.  Heute  früh  ist  der  Urin  wieder  ganz  dunkel,  der  Stuhl 
entfärbt.  Im  Stuhl  kein  Stein.  Das  starke  Hautjucken  ist  durch  ein 
Sodabad  nur  wenig  gelindert. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus.  Die 'Härte  der  Leber  lässt 
Verdacht  auf  Cirrhose  (event.  Carciiiom)  aufkommen. 


-     188     — 

Operation:  16.  10.02.  Im  Beisein  des  Schwagers  des  Pat.,  Herrn 
Dr.  Fiscbel,  Privatdozent  in  Prag.  Wellensohnitt.  Netz  breit  am 
Peritoneum  pariet.  verwachsen.  Trennung.  Gallenblase  geschrumpft, 
fest  niii  Steine  kontrahiert.  In  ihr  wenig  Eiter,  ca.  20  Itirschkern- 
grosse  Steine.  Am  Chcledochus  feine,  spinnwebartige  Adhäsionen- 
Lig.  hcpato-duodenale  sulzig  und  ödematös.  Nach  langem  Suchen 
findet  man  retroduodenal  einen  kirschkerngrossen  Stein,  der  sich  in 
den  supraduodenalen  Teil  des  Choledocbus  schieben  lässt,  wo  er  nach 
Inzision  entfernt  Mard.  Da  der  Hepaticns  sehr  eng  ist  und  eine  Drai- 
nage nicht  gestattet,  wird  auf  diese  verzichtet  und  nur  Tauiponade 
angewandt.  Rohr  in  die  Grallenblase.  Tamponade.  Naht  der  Bauch- 
decken. Verband.  Dauer  der  Operation  '/4  Stunden.  Gute  Chloroform- 
narkose. 

Verlauf:  Gut.  Kein  Erbrechen.  Urin  spontan.-  Blähungen 
kommen  am  1.  Tage  in  Gang.  Hautjucken  fast  geschwunden.  Galle 
lliesst  reichlich.  25.  10.  Herausnahme  der  Tampons,  die  Choledochus- 
incision  scheint  geschlossen  zu  sein.  In  den  nächsten  Tagen  fliesst 
aus  der  Gallenblasenöffnung  viel  Galle  in  den  Verband,  der  Stuhl  färbt 
sich   allmählich,   der  Gallenfluss  sistiert.     21.  11.  02.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  In  diesem  Fall  habe  ich  auf  die  Ectomie  ver- 
zichtet und  mich  mit  der  Cystostoniie  resp.  dem  Schlauch- 
verfahren begnügt.  Bei  grosser  Gallenblase  ist  die  laterale 
Annähung  an  das  Peritoneum  parietale  ohne  Schwierigkeit  durch- 
zuführen; in  einem  solchen  Fall  werden  an  der  medialen  Fläche 
der  Gallenblase  entlang  einige  Gazestreifen  bis  auf  die  Chole- 
dochusnaht  resp.  die  Choledochus-Incision  geschoben.  Hierbei 
die  Tamponade  gänzlich  fortzulassen,  halte  ich  für  zu  gewagt. 
In  jüngster  Zeit  habe  ich  solche  Operationen  nicht  mehr  aus- 
geführt, weshalb  ich  auch  auf  die  Beibringung  von  Kranken- 
geschichten verzichte.  Macht  man  einmal  Choledochotomie  resp. 
Hepaticusdrainage,  so  opfert  man  am  besten  die  Gallenblase, 
die  bei  der  Entfernung  der  Steine  und  der  Einlegung  der 
Tampons  nur  im  Wege  ist.  Da  die  Hepaticusdrainage  bei  der 
Enge  des  Gangs  schwierig,  ja  unmöglich  war,  wurde  in  obigem 
Fall  nur  die  Tamponade  angew^andt,  die  Choledochusincision 
aber  nicht  genäht. 

Der  obige  Fall  hätte  eigentlich  eine  besondere  Rubrik : 
Choledochotomie  ohne  Naht  mit  Cystostomie  erfordert,  doch 
wollte  ich  nicht  zu  viele  Einteilungen  schaffen  und  habe  des- 
halb den  Fall  hier  untergebracht. 

Für  die  primäre  Hepaticusdrainage  mit  Cystostoniie  führe 
ich  kein  Beispiel  arf,  da  die  betr.  Krankengeschichten  keine 
weiteren  Besonderheiten  aufweisen. 


—     189     - 

b)  Hepaticusdrainage  mit  Ectomie. 

Nr.  97.    Ph.  R..  36 j.  Arztfrau  aus  Altona-Elbe. 

Aufgen.:  22.  11.   1902. 

Operiert:  25.  11.  1902.    Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Hepatopexie. 
Entlassen:  23.  12.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  machte  in  ihrer  Kindheit  „gastrisches  Fieber* 
durch,  ^ie  hat  3  mal  geboren,  zuletzt  vor  10  Jahren.  Während  der 
ersten  Schwangerschaft  erkrankte  sie  im  Anschluss  an  einen  Magen- 
katarrh an  einer  katarrhalischen  Gelbsucht  von  ziemlicher  Intensität 
und  zirka  4 wöchentlicher  Dauer,  die  zur  Frühgeburt  führte,  nach  der 
Entbindung  aber  bald  in  völlige  Genesung  überging.  Seit  3—4  Jahren 
hatte  Pat.,  die  stets  völlig  magengesund  war,  gelegentlich  dyspeptische 
Beschwerden,  die  sich  in  Magendruck,  Aufstossen  und  Appetitmangel 
äusserten  und  sich  namentlich  -  durch  Intoleranz  gegen  Kaffeegenuss 
zu  erkennen  gaben,  regelmässig  aber  bald  völligem  Wohlbefinden 
wichen.  Vor  ca.  2  Jahren  hatte  Pat.  einen  sehr  heftigen  nächtlichen 
Kolikanfall  von  3 — 4  stündiger  Dauer,  der  zwar  keinen  Ikterus  hinter- 
liess,  aber  auf  Gallensteinkolik  sehr  verdächtig  war.  Mitte  April  d.  J. 
erkrankte  Pat.  an  anhaltenden,  sehr  lästigen  Rückenschmerzen,  die 
sich  an  eine  heftige  Erkältung  anschlössen  und  anfangs  für  rheurna- 
tische  gehalten  wurden.  Nach  3wöchentlicher  Dauer  dieses  Vorstadiums 
stellten  sich  heftige  Gallensteinkoliken  ein,  die  sich  in  den  ersten 
5—6  Wochen  fast  täglich  wiederholten,  zu  heftigen  Reizzuständen  in 
der  Gallenblasengegend  führten,  derartig,  dass  selbst  leichte  Kompressen 
nicht  vertragen  wurden  und  die  leichteste  Palpation  unerträgliche 
Schmerzen  machte.  Daneben  bestand  infolge  peritonitischer  Reizung 
heftige  Brechneigung,  sodass  fast  keine  Nahrung  vertragen  wurde  und 
Nährklystiere  gegeben  werden  mussten.  Nach  einem  besonders  hef- 
tigen Kolikanfall  stellten  sich  die  Erscheinungen  des  kompleten  Chole- 
dochusverschlusses  ein  mit  völlig  farblosen  Stühlen  und  einem  von 
Tag  zu  Tage  zunehmenden,  bald  sehr  hochgradigen  Ikterus.  Die  enorme 
Schmerzhaftigkeit  der  Gallenblasenregion  minderte  sich  jetzt,  die  Kolik- 
anfälle stellten  sich  in  5— Stägigen  Pausen  ein,  im  anfallsfroien  Inter- 
vall war  der  Appetit  leidlich,  an  einzelnen  Tagen  sogar  recht  gut,  doch 
waren  die  Kolikanfälle  jetzt  von  Fieber  begleitet,  das  in  der  Höhe  sehr 
schwankte,  sich  meist  kurz  nach  den  Kolikanfällen,  deren  Hauptschmerz 
im  Rücken  sich  lokalisierte,  einstellte  und  ca.  24  Stunden  anhielt. 
Alle  gereichten  Aniipyretica  vermochten  die  Fiebersteigerungen  nicht 
wesentlich  zu  beeinflussen.  Mitte  August,  also  nach  17  wöchentlicher 
Dauer  der  Krankheit,  Abgang  von  Eiter  und  Blut  mit  dem  Stuhlgang, 
der  wieder  gefärbt  wurde,  und  3  wöchentliches  fieber-  und  kolikfreies 
Intervall,  sodass  Pat.  sich  recht  erholte  und  das  Bett  verlassen  konnte. 
Dann  von  neuem  Kolik  mit  intensivem  Ikterus  und  hohen  Fieber- 
steigerungen. Zweimal  Schüttelfröste  mit  grosser  Herzschwäche  und 
Cyanose,  Temperatur  bis  41,2.    Mitte  September  war  Pat.  nach  allmäh- 


—     190     — 

lichem  Nachlassen  der  Erscheinungen  soweit  gekräftigt,  dass  die  Reise 
nach  Karlsbad  angetreten  werden  konnte,  die  gut  überstanden  wurde. 
Während  des  dortigen  Kuraufenthaltes  war  das  Gesamtbefinden  leid- 
lich, doch  traten  auch  hier  während  des  4'/*  wöchentlichen  Kuraufent- 
haltes 5 — 6  Kolikanlälle  mit  mehr  oder  weniger  hohem  Fieber  auf.  An 
den  fieberfreien  Tagen  war  das  Befinden  leidlich.  Kräfte-  und  Ernäh- 
rungszustand hoben  sich,  sodass  bei  der  Abreise  das  Gewicht,  das 
von  72  Kilo  auf  46  Kilo  gesunken  war,  56  Kilo  betrug.  Der  Ikterus 
war  schwankend,  nach  jedem  Fieberanfall  erheblich  verschlimmert  und 
nie  ganz  geschwunden.  Nach  der  Rückkehr  von  Karlsbad  blieb  der 
Zustand  ziemlich  unverändert,  Koliken  mit  massigen  bis  hohen  Fieber- 
erscheinungen; sehr  markanter  Ikterus.  Am  22.  Nov.  Aufnahme  in  die 
Prof.  Kehr'sche  Privatklinik, 

Befund:  Elende,  ikterische  Frau  mit  Druckempfindlichkeit  in  der 
Mittellinie  und  in  der  Gallenblasengegend.  Leber  vergrössert.  Kein 
Tumor  der  Gallenblase  palpabel.  Urin  enthält  Gallenfarbstoff,  Spuren 
von  Eiweiss. 

Diagnose:  Stein  im  Ductus  choledochus.  Choledochitis  circum- 
scripta. 

Operation:  25.  11.  02.  Einige  Stunden  vor  der  Operation  Kolik- 
anfall mit  Temperatur  bis  39,7.  Die  Operation  verlief  glatt,  gute  Nar- 
kose, es  wurde  ein  muskatnussgrosser  Stein  entfernt,  der  im  Duct. 
Choled.  dicht  unterhalb  der  Einmündungssteile  des  Duct.  cysticus  fest 
eingekeilt  sass.  überhalb  des  eingekeilten  Steines  erhebliche  Erweite- 
rung des  Choledochus  mit  reichlichem  retinierten  Eiter,  die  Leber  prall, 
die  Gallenblase  enthielt  keinen  Stein,  ebenfalls  keinen  Eiter,  war  klein, 
Schleimhaut  der  Gallenblase  hyperämisch,  nicht  ulceriert,  war  mit 
reichlichen  Adhäsionen  umgeben.  Die  Gallenblase  wurde  entfernt,  Hepa- 
ticusdrainage  angelegt.  Tamponade.  Hepatopexie.  Naht.  Dauer  der 
ganzen  Operation  35  Minuten. 

Verlauf:  Nach  der  Operation  Befinden  gut,  massiger  Wund- 
schmerz. Kein  Fieber.  Am  3.  Tage  p.  o.  heftiger  Mageugchmerz,  der 
durch  Mageuspüluiig  prompt  beseitigt  wurde.  Bis  zum  ersten  Verband- 
wechsel stets  gutes  Befinden,  kein  Fieber,  guter  Appetit,  schnelles  An- 
steigen des  Kräftezustandes.  Verbandwechsel  am  9.  Dezember.  Wunde 
überall  per  primam  geheilt,  sodass  sämtliche  Nähte  entfernt  werden 
können,  Wundhöhle  zeigt  kräftige  Granulationen.  Drainage  entfernt. 
Von  jetzt  ab  zweimal  wöchentlich  Verbandwechsel,  bei  denen  jedes- 
mal der  Befund  sehr  günstig  war,  die  Heilung  schnelle  Fortschritte  zeigte. 

Am  23.  Dezember  wurde  Pat.  bei  vortrefflichem  Allgemeinbefinden 
mit  kleiner,  trichterförmiger  Fistel  ohne  Gallenfluss  entlassen.  Zu 
Hause  trat  in  den  nächsten  Tagen,  wohl  durch  die  mit  der  Reise  ver- 
bundenen Anstrengungen  noch  weiter  reichlicher  Gallenfluss  ein.  An- 
fang März  war  die  Fistel  völlig  geschlossen.  Jetzt  nach  Ablauf  eines 
Jahres  ist  Pat.  völlig  beschwerdefrei,  hat  ein  Gewicht  von  75  Kilo  und 
von  der  langen,  schweren  Krankheit  nichts  weiter  mehr,  als  dass  sie 
ihre  einstige  körperliche  und  seelische  Spannkraft  noch  nicht  völlig 
wiedererlangt  hat. 


—  191  — 

Epicrise:  Ein  sehr  typischer  Fall  von  Choledochusver- 
schluss.  Bei  solch'  sicher  gestellten  Fällen  ist  es  gänzlich 
unnötig,  wenn  man  vorher  erst  Karlsbad  versucht.  Hier  kann 
nur  die  Operation  helfen.  Fat.,  deren  Körpergewicht  während 
der  Krankheit  92  Pfund  betrug,  wiegt  jetzt  150  Pfund.  — 
Bemerkenswert  ist  die  Geschwindigkeit  der  Operation :  Ectomie 
und  Hepaticusdrainage  in  35  Min. 

(Diese  Krankengeschichte  —  bis  auf  die  Epicrise  —  hat 
der  Gatte  der  Fat.,  selbst  Arzt,  nachträglich  niedergeschrieben.) 

Nr.  98.    F,  V.  P.,  67  j.  Hanptmannswitwe  aus  Stargard. 

Aufgen.:  8.  1.  1903. 

Operiert:   19.  1.  1903.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 
Hepatopexie. 

Entlassen:  13.  3.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  Herr  Dr.  Storch  schickt  uns  die  Pat.  mit  folgender 
Krankengeschichte  zu: 

„Frau  von  P.  von  hier  bekam  am  10.  Februar  1902  die  erste  aus- 
gesprochene Gallensteinkolik.  Anfälle  sind  wohl  nach  der  Beschreibung 
auch  früher  schon  dagewesen,  wurden  aber  nur  für  Magenbeschwerden 
gehalten.  Die  Anfälle  häuften  sich.  Frau  von  P.  war  nicht  zu  be- 
wegen, im  letzten  Frühjahr  Karlsbad  aufzusuchen,  sondern  musste 
erst  —  wie  leider  so  viele  andere  aus  hiesiger  Gegend  —  eine  Kur 
bei  einem  Kurpfuscher  in  Berlin  durchmachen.  Nach  dessen  Or- 
dination hat  Pat.  längere  Monate  Ol.  Terebinth.  in  Gelatinekap- 
seln und  Suppositorien  von  Opium  gebraucht.  Erst  als  sie  nicht  ge- 
sund werden  wollte,  wurde  ich  wieder  zu  Rate  gezogen.  Ich  drang 
auf  eine  sofortige  Abreise  nach  Karlsbad.  Trotz  sorgfältigen  Durch- 
suchens  der  Exkremente  wurden  niemals  grössere  Steine,  sondern  nur 

0      0 

0  °  o   kleine  Konkremente   von   nebenstehender   Grösse  gefunden.  — 

Als  Pat.  von  Karlsbad  zurückkam,  fühlte  dieselbe  sieh  zwar  erheblich 
besser,  aber  ich  stellte  objektiv  keine  Besserung  fest.  Starker  Ikterus, 
erhebliche  Abmagerung  und  stark  entfärbte  Stühle;  Schmerzen  in  der 
Gallengegend  nicht  sehr  erbeblich.  Pat.  musste  diät  weiter  leben; 
Priessnitz-Umscbläge  und  tägbch  einige  Gläser  Homburger.  Ikterus 
ging  ziemlich  zurück.  Seit  einiger  Zeit  tritt  derselbe  aber  wieder  in 
den  Vordergrund.  Ich  erlaube  mir  also,  Ihnen  die  Pat.  zu  überweisen, 
um  —  wenn  Sie  es  für  nötig  halten  —  zur  Operation  zu  schreiten. 
Hoffentlich  handelt  es  sich  nicht  um  eine  maligne  Neubildung." 

Dazu  ist  zu  bemerken :  Pat.  leidet  seit  langen  Jahren  an  Magen- 
schmerzen und  häufigem,  starkem  Aufstossen;  ab  und  zu  stellte  sich 
auch  Erbrechen  ein.  Pat.  hielt  ihr  Leiden  für  Magenkrämpfe.  Nach- 
dem sie  1879  Typbus  überstanden  hatte,  trat  angeblich  Besserung  ein. 


—      192     — 

Im  Juli  1901  plötzlich  heftiges  Erbrechen,  starke  kolikartige 
Schmerzen  in  der  Gegend  des  Magens  und  der  Magengrube,  die  nach 
dem  Rücken  ausstrahlten  und  einige  Stunden  andauerten.  Im  Sep- 
tember 1901  zog  Pat.  Herrn  Dr.  Storch  zu  Rate,  doch  konnte  damals 
kein  bestimmtes  Leiden  festgestellt  werden.  Im  Februar  1902  gleich- 
artiger Anfall  wie  im  Juli  1901;  zugleich  stellte  sich  Gelbsucht  ein. 
Seitdem  häuften  sich  die  Anfälle  und  traten  zeitweise  alle  4  Tage  auf. 
Der  Stuhl  war  im  Anfall  entfärbt,  in  ihm  wurden  während  einer  Öl- 
kur einmal  mehrere  kleine,  linsengrosse  gelbe  Körnchen  gefunden. 
Von  Juni  an  Kur  mit  Ol.  Terebinth.  nach  Vorschrift  eines  Kurpfuschers 
in  Berlin.  Pat.  konnte  jedoch  die  Kur  nicht  vertragen,  sie  magerte 
ziemlich  stark  ab.  Anfälle  traten  trotzdem  auf,  sollen  aber  leichler 
gewesen  sein.  Ende  September  auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Storch 
6 wöchige  Kur  in  Karlsbad.  Seit  Juli  andauernde  Gelbsucht,  die  in 
Karlsbad  noch  intensiver  wurde  und  bis  ins  Grünliche  ging.  Während 
dieser  Zeit  drei  leichtere  Anfälle.  Stuhl  dauernd  entfärbt.  Doch  erholte 
sich  Pat.  körperlich.  Nach  der  Rückkehr  aus  Karlsbad  wurde  die 
Gelbsucht  allmählich  weniger  intensiv,  verschwand  jedoch  nie  ganz. 
Seit  dem  28.  12.  02  wurde  die  Gelbsucht  allmählich  wieder  intensiver. 
Pat.  fühlte  sich  sehr  matt  und  magerte  stark  ab.  Der  Stuhl,  der  in- 
zwischen wieder  braun  geworden  war,  wurde  wieder  entfärbt.  Pat. 
entschloss  sich  daher  auf  Anraten  des  Herrn  Dr.  Storch  uns  auf- 
zusuchen. 

Befund:  Ziemlich  schwächliche,  abgemagerte  und  anämische 
Frau.  Leib  weich,  nicht  aufgetrieben.  Leber  nicht  vergrössert.  Ge- 
gend der  Gallenblase  druckempfindlich,  undeutliche  Resistenz  in  der 
Tiefe.  Stuhl  schwach  gefärbt.  Im  Urin  etwas  Albumen  und  Gallen- 
farbstoff. 

Wegen  Husten  und  Schnupfen  der  Pat.  kann  die  Operation  erst 
am  19.  1.  stattfinden. 

Operation:  19.  1.  03.  (Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Froriep- 
Halberstadt.)  Wellenschnitt.  Leber  normal.  Gallenblase  mittelgross, 
leer  von  Steinen,  mit  Duodenum  verwachsen.  Lösung.  Im  erweiterten 
Choledochus  2  grössere  Steine,  viel  Schlamm  und  trübe  Galle.  Extrak- 
tion. Hepaticusdrainage.  Gallenblase  am  Hals  mit  lig.  hepato-duod 
sehr  verwachsen,  lässt  sich  erst  isolieren,  nachdem  die  Verwachsungen 
mit  Schere  und  Messer  gelöst  sind.  Übernähung  des  Cysticus.  He- 
patopexie  mit2Fäden.    Tamponade.   Naht.   Dauer  der  Operation  35  Min. 

Befinden  nach  der  Operation  gut.  Puls  88.  Temp.  abends  87,5. 
Kein  Erbrechen.  Kein  Aufstossen.  Blähungen  gehen  von  selbst.  Galle 
läuft.    Husten  gering,  etwas  Auswurf. 

Vorlauf:  Gut. 

27.  1.  03.  Fieberfrei.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  ober- 
flächlichen seitlichen  Tampons  und  des  Rohres.  Rohr  gekürzt.  Tam- 
ponade.    Befinden  gut.    Etwas  Husten  und  Auswurf. 

30.1.03.  Täglicher  Verbandwechsel.  Gallo  läuft  reichlich.  Tam- 
pons bleiben  liegen.    Befinden  gut.    Sehr  wenig  Husten  und  Auswurf. 


—     198     — 

1.  2  03.  Entfernung  sämtlicher  Nähte,  Fäden  und  Tampons. 
Wunde  sieht  gut  aus.  Choledochus  liegt  sehr  oherflächlich  und  läset 
sich  nach  beiden  Richtungen  gut  spülen.    Tamponade. 

2.  2.  03.  Beim  Spülen  eutleeren  sich  aas  dem  Hepaticus  einzelne 
JSteintrümnierchen  bis  zn  Linsengrosse. 

5.  2.  03.  Ein  Steintrtimmerchen  von  Stecknadelkopfgrösse  wird 
lieransgespUlt.    Wunde  yerkleiuert  sich  ziemlich  schnell. 

6.  2.  03.    Pat.  steht  auf. 

13.  2.  03.  Zwei  kleine,  stecknadelkopfgrosse  Steintrüuimerchen 
werden  wieder  herausgespült.  Wunde  verkleinert  sich  schnell.  Galle 
läuft  noch  ziemlich  reichlich. 

19.  2.  03,    Wunde  mit  Watte-Collodium  verklebt. 

20.  2.  Oo.  Verband  heute  nur  ganz  wenig  durch.  Stuhl  braun. 
Keine  besonderen  Besehvs^erden.     Wieder  Oollodium-Watteverband. 

21.  2.  03.    Verband  heute  trocken. 

23.  2.  03.  Verband  3  Tage  trocken  gevi^esen.  Choledochus  bis  in 
den  Darm  für  Sonde  und  Bougie  durchgängig.  Tamponade,  kein  Col- 
lodium-Watteverband.  Pat.  klagt  seit  3  Tagen  über  stärkeres  Haut- 
jucken, besonders  an  den  Gelenken. 

24.  2.  03.  Verband  heute  etwas  weniger  durchtränkt.  Wunde 
verkleinert  sich.  Stuhl. braun.  Im  Urin  gestern,  als  Pat.  über  Haut- 
jucken klagte,  etwas  Gallenfarbstoff,  heute  kein  Gallenfarbstoff  im  Urin. 
Pat.  klagt  heute  nicht  mehr  über  Hautjucken. 

25.  2.  03.     Galle  läuft  wieder  stark. 

26.  2.  03.  Verband  wieder  mit  Galle  durchtränkt.  Einführung 
eines  Bougies  Ton  der  Wunde  aus  durch  Choledochus  und  Papille, 
welche  gut  durchgängig  ist,  in  den  Darm.  Pat.  hat  nachher  ziemlich 
heftige  Schmerzen  und  bricht  mehrmals.  Daher  Abends  Bougie  ent- 
fernt.    Tamponade. 

27.  2.  03.    Verband  heute  trocken. 

28.  2.  03.     Galle  wieder  reichlich  gelaufen. 

2.  3.  03.     Verband  täglich  mit  Galle  durchtränkt. 

9.  3.  03.     Verband  trocken. 

10.  3.  03.  Nur  eine  Spur  Galle  im  Verband.  Kleine  Wundöffnung 
anscheinend  geschlossen.  Stuhl  jetzt  braun.  Appetit  und  Allgemein- 
befinden sehr  gut. 

13.  3.  03.  Keine  Galle  im  Verband.  Wunde  völlig  geschlossen. 
Pat.  hat  sich  in  den  letzten  Tagen  auffallend  gut  erholt.  Appetit  gut. 
Stuhl  braun.    Kein  Ikterus  mehr.    Pat.  wird  als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Im  Choledochus  fand  man  neben  Steinen 
Schlamm.  Da  ist  die  Hepaticusdrainage  so  recht  am  Platze. 
Während  der  Nachbehandlung  konnte  man  noch  Steintrümmer 
herausspülen  und  durch  den  Choledochus  die  Papille  sondieren. 
Ein  Bougie  blieb  zwecks  Dilatation  der  Papille  einige  Stunden 
liegen.  Mehrere  solche  Fälle  haben  wir  in  diesem  Jahr  auf 
diese  Weise  behandelt. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  '3 


—     194     — 

Nr.  99.     Ch.  K.,  62j.  Fabrikbesitzer  ans  Nürnberg. 

Aufgen.:  30.  5.  1900. 

Operiert:  2.  6.  1900.      Hepaticusdrainage.   Ectomie. 

Entlassen.-  28.  7.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie.  Vater  angeb- 
lich an  „Wassersucht"  gestorben. 

Vor  12  und  6  Jahren  angeblich  Bauchfellentzündung.  Grosse 
Schmerzhaftigkeit  in  der  rechten  Oberbauchgegend,  kein  Erbrechen^ 
keine  Auftreibung  des  Leibes  oder  Fieber. 

Pat.  ging  früher  alljährlich  4  Wochen  nach  Baden-Baden,  dort 
hatte  er  Mai  1897  zum  erstenmale  Kolikanfälle,  er  reiste  nach  Hause 
und  wurde  wieder  auf  Bauchfellentzündung  behandelt.  Die  Schmerzen 
Sassen  in  der  Gallenblasengegend,  kein  Fieber,  kein  Erbrechen.  Nur 
einmal  Schüttelfrost,  etwa  '/2  Stunde  lang.  Auf  Rat  des  Herrn  Prof. 
V.  Heineke-Erlangen  ging  er  August  1897  nach  Karlsbad,  wo  er  von 
Herrn  Dr.  Reichel  behandelt  wurde.  Er  nahm  stark  an  Gewicht  ab, 
erholte  sich  aber  gut  und  ging  zur  Fürsorge  im  März  1898  wieder  hin. 
Von  hier  kam  er  weniger  wohl  zurück,  er  hatte  danach  viel  Beschwerden,^ 
Druck  in  der  Gallenblasengegend  und  Appetitlosigkeit,  im  November 
1898  ging  er  zum  drittenmale  nach  Karlsbad.  Er  erholte  sich  ziemlich 
gut,  nahm  auch  wieder  zu,  behielt  aber  den  dauernden  Druck. 
Juni  1899  4.  Reise  nach  Karlsbad,  danach  Wohlbefinden  bis  November, 
dann  hatte  er  wieder  14  Tage  stärkere  Schmerzen,  nachher  fühlte  er 
sich  wohl.  Ende  Januar  1900  traten  die  Magenbeschwerden  mehr  her- 
vor. Appetitlosigkeit.  Geringe  Schmerzen;  Pat.  magerte  wieder  ab. 
Er  konsultierte  Herrn  Prof.  Fleisch  er- Erlangen,  der  den  Magen  bei 
genauester  Untersuchung  gesund  befand.  Mitte  Februar  1900  Gelb- 
sucht mit  leichtem  Frost  eingeleitet,  kein  Erbrechen,  starkes  Hautjucken. 
Mattigkeit,  Appetitlosigkeit.  23.  Februar  bis  25.  März  wieder  Karlsbad, 
die  Gelbsucht  schwand  schon  am  3.  Tage,  die  Mattigkeit  und  Appetit- 
losigkeit aber  blieben.  Nachher  nahm  er  wieder  vier  Pfund  zu.  Mitte 
Mai  trat  abermals  Gelbsucht  auf,  die  jetzt  wieder  im  Schwinden  ist. 
Auf  Rat  des  Herrn  Prof.  v.  Heineke  und  des  Herrn  Dr.  Heinlein- 
Nürnberg  kommt  er  hierher. 

Befund:  Kleiner,  gracil  gebauter  Mann.  In  der  Gallenblasengegend 
leichte  Resistenz  und  Druckemplindlichkeit,  schwacher  Ikterus,  Haut- 
jucken. Im  Urin  wenig  Gailenfarbstoff,  kein  Eiweiss  und  Zucker. 
Stuhlgang  regelmässig.  Nach  gründlichem  Abführen  stellt  sich  der 
Befund  so:  Man  sieht  in  der  Lebergogend  zwei  flache  Hervorwölbungen, 
die  sich  mit  der  Atmung  verschieben.  Die  obere  ist  die  ziemlich  harte 
Leber,  die  untere  vielleicht  die  Gallenblase.  Die  Leberoberfläche  ist 
glatt.  Fundus  der  Gallenblase  steht  ca.  drei  Finger  breit  unterbau) 
des  Nabels.  Linker  Leberlappon  wenig  vorgrössert,  Herz  gesund.  Puls  60, 
kräftig;  kein  Fieber. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus,  Verwachsungen  wahrschein- 
lich.    Für  Caroinom  liegen  keine  Anhaltspunkte  vor. 


—     195     — 

Operation:  2.  6.  00.  Gute  Chloroformiiarkose.  Wellensehnitt. 
Leber  gross,  unterer  Rand  breit  mit  Netz  v€ifwachsen.  Doppelte  Unter- 
binduugeu.  Gallenblase  ist  selir  schwer  zu  fluden,  ist  walnnss^ross, 
selir  zerreisslicli,  enthält  Eiter  nud  24  manlbecrartige,  schwarze  Steine. 
Excisioii.  Cystica  liann  nicht  unterbanden  werden,  da  die  Sntnren  in 
dem  morschen  Gewebe  immer  wieder  dnrchschueiden.  Eine  Pean-Klemme 
bleibt  deshalb  liegen.  Im  Choledochus,  der  in  feste  Verwachsungen  ein- 
gemauert ist,  liegt  ein  haselnussgrosser  Stein.  p]xcision.  Hepaticus- 
drainage.  Hepaticus  sehr  eng.  Papille  frei.  Tamponade  um  das  Rohr 
und  die  Klemme.  Durchstichknopfnähte  der  Bauchwand.  Dauer  der 
Operation  */*  Stunde.  Sehr  schwierige  Operation,  da  die  Adhäsionen 
sehr  fest  waren.    Es  fliesst  klare  Galle  aus  dem  Rohr. 

Verlauf:  Abends  Puls  72,    Temp.  37,5.     Kein  Erbrechen. 

3.  6.  37,8.  Puls  80,  Erbrechen  ist  nicht  aufgetreten.  Der  Ver- 
barid ist  mit  blutiger  Flüssigkeit  durchtränkt.  Wechsel  der  oberen 
Schichten.  Leib  weich,  keine  Blähungen.  Abends  38,0.  Puls  84.  Etwas 
Unruhe.    Galle  500  gr. 

4.  6.  38,1.  Puls  88,  nicht  ganz  gleichmässig.  Nach  einer  Gly- 
zerinspritze beginnen  die  Blähungen,  Leib  weich,  subjektives  Wohl- 
befinden.   Verbandwechsel.    38,1.    Puls  £5.     Gallenfluss  550  gr. 

5.  6.  37,7.  Puls  92.  Der  Verband  ist  stark  durchtränkt  mit  sehr 
übelriechender  Wnndfliissigkeit.  Verbandwechsel.  Heransnahme  der 
Tampons,  die  schwärzlich  >  erfärbt  sind  und  sehr  übel  riechen.  Nene 
Tamponade.  Abends  noch  einmal  Verbandwechsel,  da  der  Verband 
^wieder  stark  durchtränkt  ist.  Blähungen  gehen.  Grosse  Unruhe 
Temp.  39.    Puls  104.    Alcoholica.    Etwas  Aufstossen.    Gallenfluss  600  gr. 

6.  6.  38,5.  Puls  96.  Pat.  ist  frischer  als  gestern,  der  Verband 
wieder  durchtränkt,  nicht  mehr  so  übelriechend,  Wechsel,  dabei  löst 
sich  der  Schlauch.  Ausspülen  der  Wnndhöhle,  in  der  Blutgerinnsel 
liegen.    Tamponade.    Verband.    Gallenfluss  700  gr. 

Abends  ist  der  Verband  mit  blutiger  und  galliger  Flüssigkeit 
durchtränkt,  Pat.  weniger  aufgeregt  als  morgens.    Temp.  37,7.    Puls  102. 

7.  6.  37,3.  Puls  96.  Verband  mit  Galle  völlig  durchtränkt.  Ver- 
bandwechsel, im  Grnnd^  der  Wnndhöhle  sieht  man  eine  kleine  Fistel 
Tom  Duodenum  münden.  Damit  ist  die  Infektion  erklärt.  Tamponad«. 
Ricinusöl.  Im  Laufe  des  Tages  ist  der  Verband  wieder  mit  Galle 
durchtränkt.  Abends  Nährklystier.  37,5.  Puls  82.  Um  eine  Infektion 
des  Gallensystems  von  der  Dnodenalflstel  zu  verhüten,  wird  der  Hepa- 
ticus wieder  drainiert,  es  fliesst  sofort  Galle. 

8.  6.  38,3.  Puls  108.  Gestern  ist  nach  Ricinusöl  kein  Stuhl  erfolgt, 
Pat.  hat  deshalb  eine  Seifenwassereingiessung  erhalten,  danach  2 mal 
reichlich  dunkler  Stuhl. 

Der  Verband  ist  wieder  durchtränkt.  Verbandwechsel.  Aus- 
spülung des  Hepaticus  und  Choledochus.  Wiedereinlegung  des  Gummi- 
rohres.   Pat.  isst  dicke,  breiige  Speisen,  sieht  gut  ans. 

Mojgens  und  abends  Nährklystiere,  vorher  Eingiessung,  mit  der 
reichlich  Blähungen  abgehen. 

13* 


—     196     — 

Abends  Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes,  es  fliegst 
Galle  durch  den  Schlauch  ab.  3  mal  Nährklystier.  Nachts  8  Strich  Mor- 
phium, etwas  Schlaf.    37,9.    Puls  108. 

9.  6.  37,3.  Puls  108.  Pat.  ist  matt.  Verband  stark  durchtränkt 
Mittags  Kochsalz,  ebenso  Abends.  2  mal  Verbandwechsel.  3  mal  täg- 
lich Nährklystier  von  ^s  1  Milch,  30  gr.  Pepton,  30  gr.  Amylnni.  2  mal 
täglich  40  gr.  steriles  Olivenöl  snbkntan.  3  mal  täglich  Kochsalzinfnsion. 
Abends  37,6.     Puls  112. 

10.  6.  37,3.  Puls  114.  Grosse  Mattigkeit.  Verband  durch.  Ver- 
bandwechsel, dabei  wird  versucht,  die  Darmflstel  durch  Naht  zu 
schliessen.  Ausspülung  des  Choledochus  und  Hepaticn«.  Kein  Schlauch. 
Nachmittags  wieder  Verbandwechsel,  der  Verband  riecht  nicht  so 
stark  wie  sonst  nach  Darminhalt. 

Kochsalz,  Oel,  Nährklystier  wie  gestern.    Abends  38,4.    Puls  112. 

11.  6.  37,3.  Puls  108.  Pat.  ist  heute  teilnehmender  als  gestern, 
hat  früh  2  Tassen  Kakao  und  etwas  Zwieback  zu  sich  genommen. 
Verband  wieder  durch.  Ebenso  nachmittags.  Appetit  etwas  reger. 
Kochsalz,  Oel,  Nährklystiere.     Abends  37,1.     Puls  108. 

12.  6.  37,9.  Puls  108.  Verband  wieder  durch.  Wechsel  3  mal. 
Nahrungsaufnahme  gering.    Kochsalz,  Oel,  Nährklystiere.    Abends  37,4. 

13.6.  Puls  102.  Verbandwechsel  2  mal.  Etwas  oberhalb  der  ersten 
Fistel  hat  sich  eine  neue  gebildet.  Augenscheinlich  handelt  es  sich 
nicht  nni  eine  vorher  bestehende,  bei  der  Operation  übersehene  Gallen- 
blasen •Dnodenalflstel,  sondern  es  ist  bei  der  Ablösung  der  Gallenblase 
der  Barm  an  einer  Stelle  geschädigt  worden,  und  es  bilden  sich  nun 
vielleicht  durch  Beeinträchtigung  seiner  Ernährung  Fisteln.  Ausserdem 
ziemlich  profuse  Bauchdeckeneiterung. 

14.  6.  Puls  100.  Pat.  ist  viel  frischer  als  gestern.  Verband- 
wechsel.   2  mal  Kochsalz,  Oel,  Nährklystiere. 

15.  6.  Weitere  Besserung.  Kochsalzinfusion  und  Oelinjektion 
werden  ausgesetzt. 

16.  6.  Verband  ist  nur  alle  2  Tage  von  Galle  durchtränkt.  Pat. 
erholt  sich  täglich  mehr,  zeigt  guten  Appetit;  Stuhlgang  täglich,  braun 
gefärbt.     Schlaf  noch  etwas  mangelhaft.     Duodenalfistel  geschlossen. 

20.  6.  Der  Gallenfluss  lässt  täglich  mehr  nach,  hat  am  25.  6.  ganz 
aufgehört.  Es  besteht  nur  noch  an  dem  äusseren  Wundrand  ein  Fistel- 
gang, der  etwas  Eiter  absondert.  Auskratzung  desselben,  weil  man 
einen  Seidenfaden  vermutet.     Nichts  gefunden. 

28.  7.  Pat.  wird  entlassen.  Das  Körpergewicht  hat  sich  um 
12  Pfd.  vermehrt,  blühendes  Aussehen,  Ikterus  völlig  geschwunden. 
Reist  nach  Nürnberg,  um  sich  von  Herrn  Dr.  Heinlein  weiter  ver- 
l)inden  zu  lassen. 

Am  29.  8.  kommt  die  Nachricht,  dass  das  Befinden  vortrefflich 
i^oi.    Appetit,  Schlaf  in  Ordnung. 

Epicrise:  Ein  sehr  schwieriger  Fall.  Der  Tumor,  der 
die  Gallenblase  vortäuschte,  war  durch  Netzklumpen  bedingt, 
die  zwischen  unterem  Leberrand  und  Colon  lagen.     Die  Gallen- 


—     197     — 

blase  selbst  war  geschrumpft,  für  die  Palpation  unzuc,'änglich.  — 
Der  Eingriff  als  solcher  war  sehr  kompliziert.  Bei  der  Lösuiij? 
der  Verwachsungen  ist  die  Diiodenalwand  schwer  geschädigt 
worden,  so  dass  es  zu  einer  Gewebsnekrose  an  dieser  Stelle 
kam.  Das  Duodenum  bekam  ein  Loch.  Und  nun  lief  Magen- 
inhalt und  Pankreassaft  in  die  Wundhöhle  und  drohte  das  Gallen- 
system zu  infizieren.  Durch  häufigen  Verbandwechsel  und  durch 
die  Hepaticusdrainage  gelang  es  uns,  einer  Infektion  vorzu- 
beugen, durch  viele  Kochsalzinfusionen  und  Einspritzungen  von 
sterilisiertem  Olivenöl  den  Pat.  über  Wasser  zu  halten.  Pat. 
bekam  Tage  lang  2  Mal  Olivenöl,  3  Kochsalzinfusionen  und 
3  Nährklystiere,  daneben  2  Verbandwechsel,  die  immer  20  Minu- 
ten in  Anspruch  nahmen.  Operiert  man  solche  Fälle  in  der 
Privatwohnung,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  sie  einen  un- 
günstigen Ausgang  nehmen,  es  sei  denn,  dass  mau  seine  ganze 
Zeit  einem  solchen  Fall  widmet.  Das  Loch  im  Duodenum  ist 
anstandslos  zugeheilt  Die  Versuche,  es  zu  schliessen,  waren 
eigentlich  überflüssig,  in  dem  infizierten  Gewebe  konnte  doch 
keine  Naht  halten. 

Nr.  100.   L.  A.,  46 jähr.  Landwirtsfrau  aus  Strassberg  a.  H. 

Aufgen.:  6.  2.   1902. 

Operiert:  8.  2.  1902.     Hepaticusdrainage.  Ectomie. 

t  18.  2.  1902    an  diffuser  Cholangitis. 

Anamnese:  Vor  drei  Jahren  Kolik  mit  Ikterus,  der  in  etwa 
zwei  Monaten  schwand.  In  der  Volgezeit  keine  Koliken,  jedoch  öfter 
undeutliche  Schmerzen.  Vor  einem  halben  Jahre  Anfall  mit  stärkeren 
Schmerzen,  inten.sivem  Ikterus,  peritonitischen  Erscheinungen,  erheb- 
lichem Kräfteverfall,  O^demen  und  Ascites.  Nach  ca.  4  Wochen  all- 
mähliche Besserung,  erst  nach  zwei  Monaten  konnte  sie  das  Bett  ver- 
lassen. Vier  Wochen  später  wieder  etwas  Schmerzen,  Zunahme  des 
noch  nicht  ganz  geschwundenen  Ikterus.  Herr  Dr.  Manneberg- 
Harzgerode  stellte  die  Diagnose  auf  Choledochusverschluss  durch  Steine 
und  riet  zur  Operation. 

Befund:  Hochgradig  ikterische,  ziemlich  elende  Pat.,  fühlt  sich 
sehr  matt,  hat  keinen  Appetit,  klagt  über  Hautjucken.  Leber  massig 
vergrössert,  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend  und  nach 
der  Mittellinie  hin.    Zur  Zeit  kein  Fieber. 

Diagnose:    CholedocLus-  und  Hepaticussteine.    Cholangitis. 

Operation:  Wellenschnitt,  Leber  massig  vergrössert,  Gallen- 
blase gross,  ödematös,  mit  Netz  allseitig  verwachsen,  wird  gelöst,  in 
ihr  zwei  Steine.  Exoision  der  Gallenblase.  Im  retroduodenalen  Teil 
des  Choledochns  ein  Stein,   wird  mit    einem  „Schwapp"  liociigedrückt, 


—     198     — 

verschwindet  im  Hepaticus,  wo  erscliwer  wiederziiftndeii  ist.  Endlicli 
—  nach  längerem  Sachen  —  gelingt  es,  ihn  in  den  siipraduodeualen 
Teil  zn  drüclten.  Eine  Sonde  wird  in  dem  Cysticusquerschnitt  bis  in 
den  Choledochus  vorgeschoben  und  auf  dem  Knopf  der  Sonde  der 
Choledochus  incidiert.  Entfernung  des  Steines.  Hepatiousdrainage. 
Starlie  venöse  Blutung,  schwierige  Blutstillung,  eine  Klemme  muss 
liegen  bleiben.  Tamponade.  Pankreaskopf  härter  als  normal.  Dauer 
der  Operation  l'/s  St.     Gute  Narkose. 

Verlauf:  Anfangs  günstig,  die  spärlich  ausfliessende  Galle  wird 
klarer,  der  Ikterus  schwindet,  Pat.  scheint  sich  zu  erholen.  Doch 
tritt  am  achten  Tage  post  op.  wieder  Schüttelfrost  auf,  es  fliesst  sehr 
wenig  eitriges  Sekret  aus  dem  Rohr.  Trotz  Kochsalzinfusionen  etc. 
tritt  am  zehnten  Tage  der  Tod  ein. 

Die  Sektion,  die  sich  auf  Leber  resp.  Bauchhöhle  beschränkte, 
zeigte,  dass  der  Wundtrichter  gut  abgeschlossen  war.  Hepaticusstamm 
und  Choledochus  frei.  Im  linken  Hepaticnsast  und  in  den  feineren  Verzwei- 
gungen 20  kleine  Steine,  in  den  Verästelungen  des  rechten  ca.  12  kleine 
Steine  bis  Kirschkerngrösse.  Überall  bis  in  die  feinsten  Oänge  Eiter 
und  Schleim.  Pankreaskopf  chronisch  entzündet,  Bauchhöhle  gänzlich 
frei  von  Entzündung.  Einige  frische  Adhäsionen  zwischen  L?ber  und 
Peritoneum  parietale. 

Epicrise:  Herr  Dr.  Manneberg  hatte  den  Fall  sehr 
gut  beobachtet  und  richtig  gedeutet,  die  Erscheinungen  der 
überstandenen  Entzündung  waren  allenthalben  vorhanden.  Die 
Operation  war  technisch  sehr  schwer,  das  Suchen  nach  dem 
Choledochusstein,  die  Blutstillung  machten  viel  Umstände. 

Wie  die  Sektion  ergab,  war  der  Tod,  der  erst  zehn  Tage 
post  op.  eintrat,  kaum  fernzuhalten.  Man  fand  diffuse  Cholan- 
gitis, die  bestimmt  schon  vor  der  Operation  bestand,  und  ausge- 
dehnte Steinbildung  in  der  Leber.  Diese  scheint  doch  nicht  so 
selten  zu  sein,  wie  ich  früher  annahm.*) 

Nr.  101.     M.  Seh.,  38j.  Gastwirtsfrau  aus  Nockwitz. 

Aufgen.:  9.  5.   1904. 

Operiert:  16. 5. 1904.  Hepatiousdrainage  (wegen  akuter 

Pankreatitis).     Ectomie. 
Entlassen:  20.  6.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:  Patientin  hat  4mal  geboren,    das   erste  und  dritte 
Mal   ein    ausgetragenes   totes    Kind.      Sie  will  sonst  stets  gesund  ge- 
wesen sein.    Familienanamnese  ohne  Belang.    Vor  4  Jahren  zu  einer 
Zeit,    als    sie    sehr    viel    zu   arbeiten   hatte,   traten    zum  ersten  Male 

*)  Vergleiche  die  soeben  erschienene  Arbeit  von  Beer:  Intra- 
liepatische  Cholelithiasis  im  Langenbeck'schen  Archiv.  74.  Band,  p.  115. 
( Anm,  während  der  Revision.    1.  8  04.) 


—     199     — 

Schmerzen  in  der  Lebergegend  ohne  Gelbsucht  auf.  Dieselben  waren 
nicht  kolikartig  und  hielten  etwa  '/-  Tag  lang  an.  Etwa  V2  Jahr 
später  traten  die  Schmerzen  etwas  heftiger  auf,  vergingen  aber  rasch 
nach  heissen  Umschlägen.  Die  Schraerzanfälle  kehrten  in  längeren 
Zwischenräumen  wieder,  wurden  allmählich  kolikartig  und  dauerten 
länger.  Vor  etwa  4  Wochen  begann  zuweilen  wieder  Druckgefühl  in 
der  Lebergegend  einzutreten,  bis  dann  vor  12  Tagen  ein  starker  Kolik- 
aufall einsetzte,  zum  ersten  Male  mit  starkem  Ikterus,  hellem  Stuhle 
und  dunkelbraunem  Urin.  Der  Anfall  begann  mit  starkem  galligen 
Erbrechen,  die  kolikartigen  Schmerzen  strahlten  nach  Rücken  und 
Schulter  hin  aus.  Dieser  Anfall  dauerte  mit  Unterbrechungen  beson- 
ders am  Vormittage  5—6  Tage  lang,  an  5  Abenden  bekam  Pat.  vom 
Arzte  Morphiuminjektionen.  Während  der  ganzen  Zeit  hat  Pat.  nichts 
genossen,  da  sie  sonst  sofort  erbrechen  musste,  und  lag  bis  gestern  zu 
Bett.  Seit  8—4  Tagen  wurde  die  Gelbsucht  und  das  Hautjucken  ge- 
ringer, der  Urin  heller  und  der  Stuhlgang  fing  an,  sich  wieder  zu 
färben.  Steine  wurden  in  demselben  trotz  eifrigen  Suchens  nicht  ge- 
funden. Pat.  will  in  den  letzten  14  Tagen  durch  die  geringe  Nah- 
rungsaufnahme stark  an  Gewicht  abgenommen  haben.  Herr  Dr. 
W  ömpner-Glesien,  der  die  Pat.  schon  bei  den  früheren  Anfällen  als 
gallensteinleidend  erkannt  hatte,  konstatierte  diesmal  stärkere  Schwel- 
lung der  Leber  und  schickte  die  Pat.  zur  Untersuchung  nach  Halberstadt. 

Pat.  wird  zunächst  vom  9.  5.  bis  16.  5.  beobachtet;  während  dieser 
Zeit  stellt  sich  heraus,  dass  zwar  der  Stuhlgang  sich  etwas  färbt, 
Steine  aber  nicht  abgehen.  Das  ist  auch  nicht  nötig,  denn  erstens 
kann  der  Stein  in  den  Choledochus  zurückfallen,  und  zweitens  kann  er 
im  Darm  zerfallen  und  deshalb  nicht  in  den  Faeces  gefunden  werden. 
Aber  der  Appetit  hob  sich  nicht  recht,  die  Gallenblasengegend  blieb 
empfindlich,  auch  der  Druckschmerz  in  der  Mittellinie  Hess  trotz  Thermo- 
phors nicht  nach.  Pat.,  die  als  Gastwirtsfrau  schwer  arbeiten  musste, 
wollte  unter  allen  Umständen  radikal  geheilt  sein  und  wünschte 
dringend  die  Operation.  Im  Urin  wurden  immer  noch  Spuren  von 
Gallenfarbstoff  gefunden,  4ie  Leber  blieb  gleichmässig  gross. 

Diagnose:  Abgelaufene  akute  Cholecystitis  und  Choledochitis 
(Pankreas  ?) 

Operation  16.  5. 04  im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Wömpner.  Wellen- 
schnitt. Leber  gesenkt,  gross,  lässt  sich  einigermassen  umkippen. 
Gallenblase  gross,  Wandungen  blaurot  verfärbt,  öderaatös,  mit  Netz 
verwachsen.  Lösung.  Uebernähiing  des  blutenden  Netzes.  Paukreas- 
kopf  sehr  hart,  einzelne  Läppchen  wie  Concremente  tastbar.  Freilegung 
des  Choledochus  im  supraduodenalen  Teil.  Der  Befund  ergibt  ab- 
geklungene Cholecystitis  wahrscheinlich  serös-eitriger  Natur,  daneben 
akute  Pankreatitis.  Ob  ein  Stein  im  Choledochus  steckt,  ist  durch 
Palpation  nachzuweisen  nicht  möglich,  deshalb  Choledochus  incidiert. 
Galle  fliesst  trübe  ab,  dicke  Sonde  passiert  die  Papille  nicht,  nur  die 
dünne  dringt  vorwärts.  Schleimhaut  des  Choledochus  geschwellt.  Ein 
Stein  ist  im  Choledochus  nicht  nachweisbar.      Im  Cysticus  sitzt  fest, 


—     200     — 

ganz  unverschieblich  eingeklemmt,  ein  erbsengrosses  Concrement. 
Gallenblase  wird  samt  Cysticus  entfernt ,  leichte  Unterbindung  der  art. 
cysticn.  Rohr  von  ca.  l  cm  Durchmesser  in  den  Hepaticus,  übriger 
Schnitt  des  Gholedochus  wird  wasserdicht  vernäht.  3  Tampons.  Da 
Pat.  sehr  fette  Bauchdecken  hat,  wird  nuterhalb  der  Tainpouade  nur 
Perit.  pariet.,  fascia  transversa,  niusc,  rect.,  fascia  externa  mit  durch- 
greifenden Nähten  genäht,  der  pannicnlns  adiposns  und  die  Haut  nicht. 
Oberhalb  der  Tumponade  wird  die  ganze  Diclce  der  Bauchwand  durch 
Durchstichltnopfnähte  vereinigt.  Dauer  der  Operation  ^j*  Stunde.  Die 
exstirpierte  Gallenblase  enthält  blutige,  trübe,  wenig  gallig  gefärbte 
Flüssigkeit,  ca.  200  erbsengrosse  Steine,  und  einen  bohnengrossen 
Stein ;  die  Gallenblasenwandung  ist  ödematös  geschwellt  und  verdickt. 
Das  path.  Institut  in  Marburg  schreibt  uns  über  die  Gallenblase 
Folgendes : 

Cholecystitis  chronica.  Diffuse  Verdickung  der  Blasenwand  mit 
stärkeren  Vorsprüngen  der  Falten  und  Leisten.  Im  Fundus  zwei  ge- 
schwürig, zum  Teil  narbig  veränderte,   5-Pfg.-Stück  grosse  Stellen. 

Mikroskopisch  zeigen  die  beiden  Geschwürstellen  ein  einfaches 
Granulationsgewebe,  welches  die  Muskulatur  durchsetzt  und  zum  Teil 
zum  Schwund  gebracht  hat.  Die  übrigen  Abschnitte  der  Gallenblase 
zeigen  eine  alle  Wandschichten  betreffende  entzündliche  Verdickung. 
Die  Schleimhautfalten  sind  kräftig  entwickelt.  Das  Epithel  auf  ihrer 
Spitze  vielfach  abgelöst,  in  den  Buchten  erhalten.  Es  sind  hohe 
Zylinderepithelien  mit  deutlicher  Schleimbildung,  hier  und  da  im  Aus- 
sehen ganz  den  Becherzellen  gleichend.  Am  ductus  cysticus  fehlt 
die  Schleimhaut  vielfach.  Desgleichen  ist  die  Muskulatur  durch 
Narbengewebe  ersetzt.  An  den  äusseren  Randschichten  noch  Reste 
der  Drüsenkörper. 

Verlauf:  17.  5.  Einmal  Erbrechen.  Magenspülung.  Leib  weich, 
Blähungen  spontan.     Galle  läuft  reichlich. 

Temperatur   normal.     Puls  etwas  klein,    100. 

18.  5.  Kochsalzeinläufe  rektal  alle  3  Stunden.  Gutes  Aussehen. 
Galle  läuft  trübe  ab. 

21.  5.  Pat.  erkrankt  an  einer  sehr  ausgedehnten  Urticaria.  Kein 
Fieber,     Puls  gut.     Galle  läuft  klarer  ab. 

25.  5.  Abends  39,0"  C.  Dabei  gutes  Allgemeinbefinden.  Galle 
läuft  reichlich.  Für  die  Temperaturerhöhung  wird  kein  Grund  ge- 
funden.    Vorband  bleibt  liegen. 

26.  5.  Temp.  87,8  °  C.   Appetit  gut. 

28.  5.  Tampons  und  Rohr  entfernt.  Alles  in  Ordnung.  Die 
tiefen  Fäden,  welche  unterhalb  der  Taniponade  Peritoneum,  Fascie 
und  Muskulatur  zusammenhalten,  werden  entfernt.  Die  im  Bereich  des 
panniculus  adiposus  weitklaffende  Wunde  wird  mit  Heftpflaster  zu- 
sammengezogen und  nur  in  den  untersten  Winkel  des  Schnitts  ein  feiner 
Gazestreifen  eingelegt. 

30.  5.  In  ganzer  Ausdehnung  ist  das  Fettgewebe  wie  bei  einer 
prima  intentio  verklebt,  der  Gazestreifen  im  unteren  Wundwinkel 
wird  entfernt. 


—     201     — 

8.  6.  Der  nicht  genähte  nntere  Teil  der  Wände  ist  überall  ver- 
klebt, die  Haut  ist  «nr  noch  '/^  cm  Ton  einander  entfernt.  Galle  läuft 
klar  ab,  Verband  nur  alle  2  Tage  von  Galle  durchtränkt.  Ausgezeich- 
netes Allgemeinbefinden. 

Weiterer  Verlauf  ohne  Besonderheiten. 

20.  6.  Geheilt  entlassen.  Fat.  sieht  blühend  aus. 
Epicrise:  Der  Inhalt  und  auch  die  Schleimhaut  der 
Gallenblase  Hessen  eine  Art  der  Cholecystitis  erkennen,  die 
man  als  hämorrhagische  bezeichnen  könnte.  Mit  der  Infektion 
im  Gallensystem  ging  Hand  in  Hand  eine  Infektion  des  Pankreas. 
Ich  überlegte  mir,  ob  ich  wegen  der  bestehenden  Pankreatitis 
die  Gallenblase  erhalten  sollte,  zwecks  Cysteuterostomie ;  aber 
da  die  Galle  auch  aus  dem  Hepaticus  trübe  abfloss,  zog  ich  die 
Hepaticusdrainage  als  radikaleres  Verfahren  vor.  Vielleiclit 
hatte  doch  ein  kleiner  Stein  die  Papille  zeitweise  verlegt,  zur 
Zeit  war  keiner  nachweisbar,  und  es  sind  ja  genügend  Fälle 
bekannt,  dass  auch  bei  einfacher  Cholecystitis  die  Bauchspeichel- 
drüse durch  dieselbe  Infektionsursache  erkranken  kann.  Ich 
habe  schon  im  Handbuch  der  praktischen  Chirurgie  von  v.  Berg- 
mann, V.  Mikulicz  und  v.  Bruns  darauf  hingewiesen,  dass  der 
Ikterus  bei  der  Cholelithiasis  in  vielen  Fällen  durch  gleich- 
zeitige Schwellungen  des  Pankreaskopfes  erklärt  werden  kann; 
ich  glaube,  ein  solcher  Fall  liegt  hier  vor, 

Nr.  102.    E,  B,,  42j.  Kaufmannsfrau  aus  Saiigerhausen. 

Aufgen.:  24.  5.  1904. 

Operiert:  25.  5.  1904.    Hepaticusdrainage.    Ectomie. 

Entlassen:  21.  7.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:    üe^er  die  Vorgeschichte  der  Patientin  findet  sieh 
in  einer  Arbeit  über  Recidive  nach  Gallensteinoperationen  von  Herr- 
mann-Karlsbad   („Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Med.  und 
Chir.  1900",  Band  VI.  Seite  343)  Folgendes: 

„B,,  38j.  Kaufmannsgemahlin  aus  Sangerhausen  im  Harz.  Fat. 
bekam  im  Jahre  1884  nach  der  Geburt  ihres  ersten  Kindes  plötzliche 
heftige  Schmerzen  in  der  Lebergegend ;  diesem  ersten  Anfalle  folgten 
dann  mehrere  Jahre  hindurch  alljährlich  2—3  gleichartige.  Sodann 
hörten  diese  Anfälle  allmälilich  auf,  und  es  blieb  nur  ein  andauerndes 
Schmerzgefühl  im  Unterleib  zurück.  Daneben  bestand  hartnäckige 
Obstipation.  Fat.  wurde  nun  mehrere  Jahre  hindurch  in  der  ver- 
schiedensten Weise  behandelt.  Da  alle  Heilversuche  erfolglos  blieben, 
zog  Fat.  Professor  v.  Bramann  in  Halle  zu  Rate,  welcher,  nachdem 
neuerlich  heftige  Schmerzanfälle,  diesmal  mit  Dunkel-  und  Gelbwerden 
des    Harnes,    auftraten,    die    Diagnose    Gallensteine    stellte    und   zur 


—     202     — 

Operation  riet.  Im  Juli  1896  wurde  die  Operation  von  Prof.  Bramann 
vorgenommen  und  2  walnussgrosse  und  36  erbsengrosse  Steine  ent- 
fernt. Wie  der  Operateur  der  Patientin  mitteilte,  wurde  die  Gallen- 
blase herausgenommen  und  auch  Steine,  welche  in  den  „Lebergängen" 
lagen,  entfernt.  Nach  der  Operation  befand  sich  Pat.  7  Monate  hin- 
durch im  besten  Wohlsein  und  war  absolut  schmerzfrei.  Im  April  1897 
trat  jedoch  ein  neuerlicher  Anfall  von  derselben  Beschaffenheit,  wie 
die  frühcion,  auf.  Auf  Empfehlung  des  Hausarztes  machte  Pat.  nun 
eine  Oelkur  durch,  während  welcher  6  kleinere  Steine  abgingen.  Die- 
selben waren  von  gelblicher  Farbe  und  wurden  vom  Arzt  als  Gallen- 
steine konstatiert.  Nach  dieser  Oelkur  unternahm  Pat.  im  Aug.  1897 
eine  4-wöchige  Trinkkur  in  Karlsbad.  Pat.  stand  während  derselben 
nicht  in  meiner  Beobachtung.  Nach  dieser  ersten  Kur  in  Karlsbad 
zessierten  die  Schmerzen  abermals  5  Monate;  sodann  empfand  Pat. 
neuerdings  eine  Schmerzhaftigkeit  der  Gallenblasengegend,  ohne  dass 
es  jedoch  zu  Anfällen  gekommen  wäre.  Prof.  Bramann,  welcher  neuer- 
lich konsultiert  wurde,  riet  nun  der  Pat.,  alle  4  Monate  eine  Karls- 
bader Kur  zu  Hause  durchzuführen.  Nach  der  ersten  so  gebrauchten 
Kur  ging  die  Schmerzhaftigkeit  der  Gallenblasengegend  zurück.  Das 
Jahr  1898  verbrachte  die  Pat.  leidlich,  ohne  Anfälle.  Da  jedoch  im 
Jahre  1899  sich  wiederum  typische  Anfälle,  darunter  einer  mit  Fieber 
und  Schüttelfrost,  einstellten,  kam  Pat.  April  1899  zum  zweitenmalo 
nach  Karlsbad  und  trat  dort  in  meine  Behandlung. 

Bei  der  Aufnahme  zeigt  Pat.  eine  30  cm  lange,  nach  oben  konvex 
verlaufende,  lineare  Operationsnarbe.  Dieselbe  beginnt  etwa  2  cm 
links  von  der  Mittellinie  und  verläuft  von  links  nach  rechts.  Etwa 
16  cm.  vom  Beginn  zeigt  die  Narbe  eine  bedeutende  Einziehung, 
welche  der  Stelle  entsprechen  soll,  an  welcher  das  Drainrohr  lag.  Die 
Leber  selbst  zeigt  perkutorisch  normale  Grenzen.  Bei  der  Palpation 
des  Unterleibes  ergibt  sich  an  2  Stellen,  und  zwar  5  cm  unterhalb  des 
Schwertfortsatzes  und  an  der  Stelle,  wo  die  Narbe  eingezogen  er- 
scheint, eine  Schmerzhaftigkeit  auf  Druck.  An  der  ersteren  Stelle 
fühlt  man  auch  eine,  jedoch  nicht  circumscripte  Resistenz. 

Zu  Beginn  der  Trinkkur  traten  zwei  leichtere  Schmerzanfälle 
auf.  Von  der  zweiten  Woche  ab  fühlte  sich  Pat.  vollkommen  schmerz- 
frei und  es  war  zu  Ende  der  4-wüchentlich6n  Trinkkur  sowohl  die 
Resistenz,  als  auch  die  Schmerzhaftigkeit  völlig  geschwunden.  Der 
Appetit  hatte  sich  gehoben  und  der  Stuhlgang  geregelt.  Pat.  verlässt 
nach  4  Wochen  in  völligem  Wohlbefinden  den   Kurort." 

üeber  den  weiteren  Verlauf  ihrer  Krankheit  berichtet  uns  die 
Pat.  selbst  Folgendes: 

Nach  Karlsbad  traten  die  Anfälle  bald  wieder  in  ihrer  alten  Art 
auf,  durchschnittlich  3—4  mal  im  Jahr;  Gelbsucht  trat  dabei  nicht 
auf;  1  oder  2  Anfälle  im  Jahre  sollen  mit  BauchfeUreizung  einher- 
gehen, sodass  Pat.  etwa  8  Tage  lang  jedesmal  zu  Bette  sein  und  eine 
Eisblase  auf  die  Gallenblasengegend  haben  muss.  Vor  2  Jahren  ein 
stärkerer   Anfall  mit  Bauchfellreizung,  sodass  sie  4  Wochen  zu  Bette 


—     203     - 

lag.  Danach  verordnete  der  Hausarzt  eine  Terpentinkur;  schon  am 
3ten  Tage  derselben  begannen  Koliken,  und  Pat.  bekam  einen  aus- 
gesprochenen Ikterus  mit  Braunfärbung  des  Urins  und  Graufärbung 
des  Stuhls.  Nach  einigen  Tagen  schwanden  diese  Erscheinungen 
wieder.  Auch  die  Druckschmerzen,  die  sie  ausserhalb  der  Anfälle 
häufig  in  der  Lebergegend  hatte,  kamen  nicht  wieder.  Bei  strenger 
Diät  traten  aber  dennoch  wieder  2—3  Anfalle  im  Jahre  auf.  Zuweilen 
bestand  bei  den  Anfällen  Erbrechen,  nie  wieder  Gelbsucht.  Der  letzte 
Anfall  trat  vor  4  Wochen  auf  und  verlief  wie  die  früheren.  Zwischen 
den  Anfällen  fühlt  sich  die  Pat.  ganz  wohl ;  von  seiten  der  Leber  kaum 
Druckgefühl.  Stuhlgang,  immer  etwas  angehalten,  Hess  sich  durch 
Obst  regeln.  Appetit,  ausser  bei  den  Anfällen,  stets  gut.  Pat.  gibt 
noch  an,  seit  etwa  4  Jahren  an  hysterischen  Beschwerden  aller  Art 
zu  leiden,  besonders  auch  an  hysterischen  Lähmungserscheinungen 
mit  Muskelschwund  vor  allem  am  rechten  Bein,  viel  Muskelzittern  etc. 
Oft  sollen  ihr  die  Beine  versagen,  sodass  sie  zusammensinkt.  Auch 
Zustände  von  Herzschwäche,  nicht  nur  nervöser  Natur,  will  sie  oft 
gehabt  haben.  Seit  mehreren  Jahren  Schlaflosigkeit,  seit  1'/«  Jahren 
überhaupt  keine  Nacht  ohne  Brom  geschlafen.  Ihre  hysterischen  Be- 
schwerden vor  allem  machen  sie  zu  jeder  Arbeit   so  gut  wie  unfähig. 

Befund;  Sehr  nervöse  Frau,  die  sich  selbst  hysterisch  nennt. 
Starke  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  In  der 
Quernarbe  eine  Hernie.  Kein  Ikterus.  Urin  frei.  Pat.  hat  durch  die 
Hernie  sehr  viel  Beschwerden  und  ist  lebensüberdrüssig.  Sie  will 
gesund   werden,   auch    wenn  die    Operation  „sehr  gefährlich"  ist. 

Diagnose:    Steine  (wo?),  Adhäsionen. 

Operation:  26.  5.  04.  Wellenschnitt.  Colon  und  Magen 
mit  Bauchwand  verwachsen.  Einige  versenkte  Silberdrähte  werden 
aus  den  Bauchdecken  entfernt.  Magen  mit  unterem  Leberrand  ver- 
wachsen. Mühsame  Lösung.  Allmählich  kommt  die  Gallenblase 
in  Sicht;  von  der  Leber  wird  sie  um  3  cm.  überragt,  sie  ist  aber  sehr 
gross  nnd  enthalt  Steine.  Cysticus  normal  und  eng,  Choledochus  im 
supraduodenaleu  Teil  erw«itert.  Ectomie.  Starke  Blutung  aus  der 
Art.  cystica.  Enger  Cysticus  wird  bis  in  den  Choledochus  hinein  ge- 
spalten. Weder  im  Cysticus  noch  im  Choledochus  ein  Stein.  Hepa- 
ticusdrainage  nach  wasserdichtem  Verschluss  der  Choledochusincision. 
3  Tampons.  Hernie  wird  vernäht.  (Tiefe  Fascien-Muskelnähte.)  Dauer 
der  Operation:  l'/i  Stunde.  Massige  Sauerstoff  -  Chloroformnarkose 
(55  gr). 

Die  excidierte  Gallenblase  ist  chronisch  entzündet  und  enthält 
2  Steine.     Aufgeschnitten  zeigen  diese  keine  Besonderheiten. 

Cysticus  sehr  eng  und  normal  aussehend. 

Das  pathol.  Institut  in  Marburg  schreibt  über  die  Gallenblase 
Folgendes : 

Die  Gallenblase  zeigt  ungefähr  in  der  Mitte  der  hinteren  Wand 
zwei  dicht  nebeneinanderliegende  strahlige  Narben.  Die  übrige 
Schleimhaut  ist  ganz  fein  papillär,  sammetartig  geformt. 


—     204     — 

Mikroskopisch  zeigt  die  Schleimhaut  leichte  Abplattung  der 
Falten,  dafür  aber  zahlreiche  kleinste  umschriebene  Verdickungen 
der  Schleimhaut,  hervorgerufen  durcli  drüsenartige  Einstülpung  des 
Epithels  wie  bei  der  Cystitis  cystica.  Auch  finden  sich  wieder  starke 
Ausbuchtungen  der  Schleimhaut  durch  die  Muskulatur  hindurch.  Im 
grossen  und  ganzen  ist  die  entzündliche  Zellanhäufung  in  der  Schleim- 
haut und  den  Serosaschichten  sehr  gering. 

Verlauf:  Die  ersten  Tage  Temperatur  bis  38,6°;  guter  Puls. 
Vom  5,  Tage  fieberfrei  und  normaler  Verlauf. 

8.  6.  04.  Tampons  und  Fäden  (bis  auf  einen)  werden  entfernt. 
Bauchwunde  per  primam  geheilt.    Fat.  fühlt  sich  sehr  wohl. 

15.  6.  04.  Fat.  steht  auf.  Verband  täglich  mit  Galle  durch.  Schlaf 
viel  besser,  ohne  Mittel.     Allgemeinbefinden  hebt  sich. 

21.  6.  04.    Wunde  sehr  eng.    Gallenfluss  gering. 

15.  7.  04.  Fat.  ist  sehr  munter,  kann  in  den  nächsten  Tagen 
entlassen  werden.  Wunde  ist  in  der  Tiefe  völlig  geschlossen.  Nerven- 
system sehr  gebessert. 

21.  7.  04.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Dass  v.  Bramann  die  Gallenblase  völlig 
exstirpiert  hat,  glaube  ich  nicht;  Patientin  wird  wohl  den 
Operateur  falsch  verstanden  haben.  Die  Gallenblase  war  sehr 
gross,  sass  fest  an  der  Leber.  Lässt  man  den  Cysticus  bei 
der  Ectomie  stehen ,  so  mag  sich  dieser  erweitern,  aber  die 
neue  Gallenblase  kann  sich  doch  nicht  mit  Peritoneum  über- 
ziehen und  in  der  Lebernische  wieder  festwachsen,  v.  Bramann 
wird  wohl  eine  Cystendyse  gemacht  haben  oder  er  hat  nur  den 
Fundus  reseciert.  Im  Jahre  1896  machte  man  allgemein  die 
Excision  der  Gallenblase  nur  partiell,  d.  h.  man  liess  ein 
grösseres  Stück  sitzen ;  heute  nimmt  man  den  Cysticus  mit 
fort.  Herrmann  giebt  das  Urteil,  dass  ein  echtes  Recidiv  vor- 
liegt, lediglich  auf  Grund  der  Angaben  der  Pat.  ab,  anstatt 
direkt  bei  dem  Operateur  Erkundigungen  einzuziehen.  —  Ich 
glaube  überhaupt  nicht,  dass  jemals  Steine  abgegangen  sind, 
sonst  sähe  der  Cysticus  anders  aus.  Aber  dieser  war  sehr  eng 
und  zart.  Die  Steine,  die  nach  der  Oelkur  abgingen,  können 
Oelklümpchen  gewesen  sein;  auch  bei  erfahrenen  Aerzten  kommen 
in  dieser  Beziehung  Verwechslungen  vor.  Mir  ist  es  am 
wahrscheinlichsten,  <lass  v.  Bramann  die  Galleublase  am  Hals 
quer  reseciert  und  dabei  die  beiden  von  mir  gefundenen 
vSteine  übersehen  hat.  Es  liegt  also  auch  hier  kein  echtes 
Recidiv,  sondern  nur  eine  unvollkommene  Operation  vor. 


—     205     - 

Nr.  103.    E.  M.,  56j.  Professor  aus  Flensburg. 

Aufgeil.:  8.  3.  1902. 

Operiert:  13.  3.  1002.     Hepaticusdrainage.  Ectomie. 

Naht  eines  Leberrisses. 
Entlassen:    12.  5.  1902.     Gehellt. 

Anamnese:  Pat.  war  früher  gesund.  Im  Januar  1900  nach 
leichtem  Unwohlsein  Ikterus,  nach  ca.  14  Tagen  ausgesprochene  Kolik, 
die  sich  häufiger  wiederholte.  Trotz  einer  Kur  in  Karlsbad  bestand 
der  Ikterus  noch  fast  bis  Ende  des  Jahres,  dabei  war  das  Allgemein- 
befinden ziemlich  gut.  Anfang  1901  ganz  beschwerdefrei,  ging  er  im 
Mai  wieder  nach  Karlsbad,  wo  nach  einem  grösseren  Spaziergange 
leichte,  bohrende  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend  auftraten.  Nach 
der  Rückkehr  im  Sommer  1901  nach  einer  Kegelpartie  Kolik  mit  Ikterus, 
der  seitdem  in  wechselnder  Intensität  bis  jetzt  besteht.  Stuhl  und 
Urin  dem  Grade  des  Ikterus  entsprechend  verfärbt.  Pat.  hat  seitdem  viel 
Koliken,  Steine  sind  nicht  gefunden  worden,  während  vor  2  Jahren 
eine  grössere  Anzahl  im  Stuhle  abging.  Pat  ist  sehr  abgemagert.  Die 
Herren  Geh.  Sau. -Rat  Jacques  May  er -Karlsbad,  Geh. -Rat  Prof. 
Quincke-Kiel  und  Dr.  Schädel-Flensburg  rieten  zur  Operation. 

Befund:  Stark  ikterischer,  elender  Mann.  Leber  gross,  kein 
Tumor  der  Gallenblase.  Druckempfindlichkeit  im  Epigastrium.  Im 
Urin  Gallenfarbstoff,  wenig  Albumen. 

Diagnose:     Chronischer  Choledochusverschluss  durch  Stein. 

Operation:  13.  3.  02.  Wellonschnitt.  Leber  gross.  Gallenblase 
mit  Pylorus  und  Netz  verwachsen,  enthält  8  Steine,  wird  exstirpiert. 
Im  Choledochus  und  Hepaticus  10  Steine  von  Kirschkerngrösse.  Hepa- 
ticusdrainage. Bei  der  Eröffnniig  der  Bauchhöhle  wird  durch  deu 
Rücken  der  Schere  die  Leber  eingeritzt.  2  Nähte.  Paiikreasläppchen 
sehr  deutlich  palpabel,  härter  als  normal.  Tamponade.  Dauer  der 
Operation  */4  Stunden. 

Verlauf  normal.  Reichlicher  Ausfluss  von  trüber  Galle.  18.  8. 
Abführen.  23.  8.  Verbandwechsel,  Entfernung  der  Tampons  und  des 
Rohres.  Ausspülung  des>  Hepaticus  und  Choledochus.  Neue  Tampo- 
nade. Seitdem  täglich  Verbändwechsel.  26.  8.  Die  Sonde  stösst  auf 
einen  Stein  in  der  Leber.  2  kleine  Steinchen  werden  Iieransgespült, 
doch  gelingt  es  nicht,  den  grossen  Stein  zu  fassen.  27.  8.  Der  Ikterus 
hat  zugenommen,  Pat.  ist  sehr  matt,  aus  dem  Hepaticus  fliesst  reiner 
Eiter.  Stein  nicht  zu  fassen.  Temperatur  Abends  89,8'*  C.  Puls  120. 
28.  3.  Verband  in  Narkose.  Der  Stein  ist  auch  nach  Spaltung  des 
Hepaticns  bis  zur  Leber  nicht  zu  fassen,  es  wird  deshalb  ein  Laminaria- 
Stift  in  den  rechten  Hepaticusast,  in  welchem  der  Stein  steckt,  ein- 
geführt. Abends  wird  er  wegen  heftiger  Schmerzen  herausgenommen, 
er  ist  stark  gequollen.  29.  3.  Es  gelingt  heute  3  Steine  von  Kirsch- 
kerngrösse und  mehrere  kleine  Trümmer  aus  dem  erweiterten  Chole- 
dochus zu  entfernen.  80.  8.  Aus  dem  rechten  Hepaticusast  fliesst 
wenig  Galle,  noch  immer  Eiter.    Pat.  ist  matt,  der  Puls  120,  aber  von 


—     206     — 

guter  Qualität,  Appetit  leidlich.  Es  wird  ein  Rolir  In  den  recliten 
Hepaticnsast  eingelegt,  aus  dem  anfangs  trübe,  vom  8.  4.  ab  kiare 
Galle  abfliesst,  tägliclie  Menge  etwa  200  gr.  Die  Temperatur  kehrt  zur 
Norm  zurück,  das  Allgemeinbefinden  hebt  sich  so,  dass  Pat.  am  17.  4. 
aufsteht.  Der  Gallenfluss  wird  geringer,  durch  Tamponade  der  äusseren 
Fistel  lässt  er  sich  ganft  hintanhalten.  Pat.  nimmt  an  Körpergewicht 
zu.  Am  12.  5.  verlässt  er  die  Klinik  und  geht  nach  Suderode,  von  wo 
er  2 mal  wöchentlich  zum  Verbinden  kommt.  Am  25.  6.  mit  völlig 
geschlossener  Fistel  aus  der  Behandlung  entlassen. 

Pat.  erholt  sich  weiter  sehr  und  ist  nach  2  Jahren  (1904)  ein 
blühender  Mann.  Im  Juli  1904  heftige  Kolik  mit  Abgang  eines  erbsen- 
grossen  Steines.  Auch  hier  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  noch  ein 
Stein  aus  den  Lebergängen  nachgerückt  ist,  als  dass  es  sich  um  eine 
Stein-Neubildung  handelt.  Wer  die  Krankengeschichte  mit  Aufmerk- 
samkeit durchliest,  wird  sich  nicht  wundern,  dass  ein  Stein  übersehen 
werden  konnte. 

Epicrise:  Ein  sehr  merkwürdiger  Fall.  Die  erste  Kolik 
führte  sofort  zum  chronischen  Choledochusverschluss,  der  zuletzt 
sehr  typisch  wurde. 

Der  Pat.  war  sehr  abgemagert,  als  er  in  meine  Behandlung 
trat,  nichts  als  Knochen  und  schlaffe  Haut.  Es  gelang  nicht 
sofort,  alle  Steine  zu  entfernen,  aber  die  Hepaticusdrainage 
ermöglichte  ihre  spätere  Beseitigung.  Da  der  rechte  Hepaticusast 
mit  Steinen  verstopft  war,  machten  sich  noch  längere  Zeit  die 
Symptome  der  Cholangitis  geltend.  Die  Entfernung  des  fest- 
sitzenden Steines  gelang  erst  nach  Einführung  eines  Lanii- 
nariastiftes,  welcher  allerdings  dem  Kranken  erhebliche 
Beschwerden  machte,  aber  schliesslich  doch  zum  Ziele  führte. 
Bei  der  Applikation  des  Laminariastiftes  wurde  der  Chole- 
dochus  ca.  3  cm.  lang  gespalten,  und  doch  lief  die  Galle, 
wenn  man  die  äussere  Fistel  mit  Oaze  zustopfte,  nach  dem 
Duodenum  ab. 

Der  Fall  ist  ein  schlagender  Beweis  für  die  grosse  Zweck- 
mässigkeit der  Hepaticusdrainage  bei  Cholangitis  und  hoch  im 
Gallensystem  steckenden  Steinen.  Nur  auf  diese  Weise  war 
dem  Patienten  das  Leben  zu  reiten.  — 

Xr.  104.     F.  Str.,  48 j.  Schlossersfran  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  13.  6.  1900. 

Operiert:  17.6.1900.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 
Entlassen:  ().  8.  1900.     Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie,  war  selbst  immer 
gesund.     Stuhlgang  stct<j  regelmässig. 


—     207     — 

Vor  zwei  Jahren  hatte  sie  den  ersten  Kolikanfall,  sehr  heftige, 
drei  Tage  anhaltende  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend  zum  Rücken 
ausstrahlend,  mit  Schüttelfrost,  Gelbsucht,  Erbrechen.  Nach  14  Tagen 
ein  kleinerer  Anfall. 

Dann  Pause  bis  Mitte  März  1900.  Damals  wiederholte  sieh  obiger 
Anfall  und  tritt  seitdem  jede  Woche  ein-  oder  mehrmals  auf;  der  erste 
Anfall  und  ein  anderer  vor  drei  Wochen  waren  besonders  heftig;  die 
übrigen  geringer.  Der  Stuhl  ist  seit  März  träge,  bei  den  Anfällen 
schwillt  der  Leib  an,  sie  fühlt  selbst  in  der  Gallenblasengegend  eine 
Geschwulst.  Der  Stuhl  ist  dann  entfärbt,  der  Urin  dunkel,  der  Leib 
überall  druckempfindlich,  besonders  in  der  Gallenblasengegend.  Auf 
heisse  Umschläge  schwanden  die  Schmerzen  meist.  Sie  nimmt  st-it 
längerer  Zeit  Karlsbader  Salz.  Auf  Rat  der  Herren  Dr.  Crohn  und 
Dr.  Spill  er  kommt  sie  zur  Klinik. 

Befund:  Sehr  blasse,  elende  Frau,  Puls  120,  klein,  abends  38,5°  C. 
Leber  gross,  Tumor  der  Gallenblase.  In  der  Mittellinie  Resistenz.  Im 
Urin  Gallenfarbstoff.    Skleren  nicht  gelb. 

Diagnose:  Cholecystitis,  Steine  im  Choledochus.  Schwere  Ent- 
zündung um  die  Gallenblase  herum. 

Operation:  17.6.1900.  Wellenschnitt.  Leber  etwas  vergrössert, 
rechter  Leberlappen  sieht  gesund  aus,  linker  mit  Magen  verwachsen. 
Bei  der  Lösung  kommt  Eiter  zum  Vorschein.  Linker  Leberrand  mit 
Netz  fest  adhaerent;  bei  der  Lösung  erscheint  auch  hier  eingedickter 
Eiter.  Gallenblase  sehr  gross,  enthält  viele  kleine  Steine  und  trübe 
seröse  Galle.  Besonders  der  Gallenblasenhals  ist  sehr  erweitert  und 
enthält  viele  Steine.  Im  Choledochus  ein  haselnussgrosses  Concrement, 
sowohl  im  Hepaticus  als  auch  im  Choledochus  viele  (ca.  10)  Steine. 
Nur  durch  weites  Aufschneiden  des  Hepaticus  lassen  sich  mehrere 
Steine  von  der  Bifurcationsstelle  hernnterholen.  Im  Choledochus  ist 
die  Galle  sehr  trübe  und  übelriechend.  Nach  Abtrennung  nnd  Exci- 
sion  der  Gallenblase  fand  man  auch  noch  im  Cysticus  einen  Stein. 
Tamponade.  Hepaticusdrainage.  Naht.  Dauer  der  Operation  ^(4  Stunde. 
Ob  sämtliche  Steine  aus  den  Hepaticnsästen  entfernt  sind,  ist  sel»r 
fraglich.  Da  ausgiebig  tamponiert  ist,  wird  die  spätere  Entfernung  der 
Steine  keine  erheblichen  Schwierigkeiten  bereiten. 

Verlauf:  Fieberfrei.  Am  26.  6.  wurden  die  Tampons  und 
die  Fäden  entfernt.  Wegen  grosser  Schwäche  in  den  ersten  Tagen 
wird  öfters  physiologische  Kochsalzlösung  und  steriles  Olivenöl  subkutan 
injiziert.  Galle  läuft  in  grossen  Mengen  (bis  600  gr).  Am  27.  6.  wird 
der  Hepaticus  sondiert,  mau  findet  nocli  zwei  erbsengrosse  Steine,  von 
denen  der  eine  mit  der  Kornzange,  der  zweite  durch  Ausspülen  ent- 
fernt wird.  Neue  Tamponade.  Im  übrigen  fühlt  sich  Pat.  wohl,  hat 
guten  Appetit  und  Stuhlgang. 

28.  6.  1900.  Beim  Ausspülen  des  Hepaticus  gehen  zwei  weitere 
Steine  ab.    Mit  der  Sonde  nichts  nachweisbar. 

29.  6.     Wieder  Ausspülen  des  Hepaticus   und  Choledochus. 

1.  7.  Mit  der  Sonde  lässt  sich  ein  Stein  oben  im  Hepaticus  fühlen^ 
Extraktionsversuch  aber  vergeblich. 


—     208     — 

2.  7.  Der  gefühlte  Stein  wird  «Inrch  AnsspUlen  des  Hepaticns 
entfernt. 

3.7.  7  cm.  oberhalb  der  Choledochusincision  fühlt  die  Sonde 
im  Hopaticus  wieder  ein  Konkrement.  Herabliolen  desselben  mit  dem 
Riedel'schen  Galleusteinfänger.  HerausspUlnng  des  Steines  dnrcli  Koch- 
salzlösnng.  Neue  Tamponade.  Die  Choledochusincision  ist  immer  noch 
—  am  Iß.  Tage  post  operat.  —  gut  zugänglich. 

Auch  der  Choledochus  resp.  die  Papille  des  Duodenum  lässt  sich 
noch  gut  sondieren.     Allgemeinbefinden  bessert  sich  täglich. 

4.  7.  Wiederum  fiihlt  die  Sonde  in  der  Tiefe  des  Hepaticns 
einen  Stein.  Es  werden  zwei  Konkremente  von  Erbsengrösse  heraus- 
gesprudelt. 

5.  7.     Wieder  ein  Stein  entfernt.     Neue  Tamponade. 

8.  7.  In  der  Tiefe  des  Hepaticns  liegt  noch  ein  Stein.  Heraus- 
sprndelung. 

10.  7.  Es  fliessen  immer  noch  Steinlrümmer  aus  dem  Hepati- 
cus  ab. 

12.  7.  Keine  Steine  mehr  nachweisbar.  Am  22.  7.  sistiert 
das  Gallenfliessen.  Stuhlgang  ganz  braun.  Wunde  schliesst  sich 
rasch.    Rasche  Erholung.     Am  6.  8.  1900  entlassen. 

Epjcrise:  Der  obige  Fall  war  für  die  Hepaticusdrainage 
combiniert  mit  der  Ectomie  wie  geschaffen ;  hätte  man  nur 
cystostomiert,  so  wären  die  Steine  im  Choledochus  zurück- 
geblieben. Nur  iiacb  der  Ectomie  fand  man  den  Cysticns- 
steiü  und  die  Choledochussteine.  Die  im  Hepaticns  stecken- 
den waren  sehr  schwierig  zu  entfernen.  Bei  der  ausgiebigen 
Tamponade  war  die  nachträgliche  Entfernung  der  zurückge- 
lassenen Steine  nicht  schwer.  Hätte  man  sie  nicht  entfernt, 
so  hätte  man  aus  diesem  Fall  leicht  ein  echtes  Recidiv 
konstruieren  können. 

Nr.  105.  S.  M.,  37  j.  Bahnwärtersfrau  aus  Ballenstedt. 

Auf  gen.:  2.  3.  1901. 

Operiert:  4.  3.  1901.     Hepaticusdrainage,  Ectomie. 

Entlassen:  6.  4.  1901.  Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  und  Vorleben  ohne  Belang.  Seit 
ca.  3  Jahren  hatte  Pat.  alljährlich  im  Winter  2—3  Anfälle  von  „Magen- 
krämpfen", Schmerzen  in  der  Magengrube,  die  etwa  1  Tag  anhielten 
und  mit  Erbrechen  einhergingen.  Gelbsucht  und  Erbrechen  sind  nicht 
beobachtet  worden.  Der  Stuhlgang  war  immer  etwas  träge.  Anfang 
Januar  kam  wieder  ein  solcher  Anfall,  der  an  1  Tage  vorüberging, 
eine  Woche  später  wieder  einer,  der  mit  sehr  heftigen  Schmerzen  und 
starkem  Erbrechen  einhorging  und  3  Tage  dauerte.  Die  Schmerzen 
Sassen  jetzt  mehr  nach  rechts  herüber  und  zogen  zum  Rücken.  Am 
3.  Tage  trat  Gelbsucht  auf,  die  seitdem  noch  nicht  ganz  geschwunden  ist. 


—     209 

ist.  Der  Stuhl  war  entfärbt,  der  Urin  dunkelbraun.  Es  blieben  Kreuz- 
sehmerzen und  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend  zu- 
rück. Pat.  nahm  14  Tage  Karlsbader  Salz  ohne  Erfolg,  dann  V*  ^  ^^ 
wonach  sie  Erleichterung  verspürte  und  Steine  abgegangen  sein  sollen. 
Ende  Februar  merkte  sie,  dass  ein  Anfall  kam,  unterdrückte  ihn  aber 
durch  Einnehmen  von  Öl.  Am  nächsten  Tage  jedoch  kam  er  wieder, 
hielt  1  Tag  an.  Die  Gelbsucht  wurde  wieder  stärker,  Kreuzschmerzenr 
und  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend  blieben.  Während 
der  Erkrankung  war  der  Appetit  schlecht,  Pat.  magerte  ab  (angeblich 
20  Pfd.).    Herr  Geh.-Rat  Dr.  Haring-Ballenstedt    schickt    sie  hierher. 

Befund:  Kräftige,  etwas  ikterische  Frau.  Herz  und  Lungen 
gesund,  Puls  und  Temperatur  normal,  Urin  frei  von  pathol.  Bestand- 
teilen, bis  auf  Gallenfarbstoff.  Die  Leber  ist  etwas  vergrössert,  in  der 
Gegend  der  Gallenblase  Resistenz  und  Schmerzhaftigkeit.  Kein  Tumor 
der  Gallenblase. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  4.  3.  Wellenschnitt.  Gallenblase  breit  mit  Duo- 
denum verwachsen,  schlaff,  enthält  Steine.  Im  supraduodenalen  Teil 
des  Choledochus  ein  bohnengrosser  Stein.  Excision.  Exstirpation  der 
ca.  100  Steine  enthaltenden  Gallenblase.  Hepaticusdrainage.  Drüse  am 
Choledochus  hart,  haselnnssgross,  Paiikreaskopf  sehr  induriert.  Dauer 
der  Operation  20  Minuten.  Tamponade.  Naht.  In  der  Gallenblase 
Steine  und  trübe  Galle.    Essiglappen  auf  den  Mund. 

Ve /lauf:  4.  3.    Abends  37,3. 

5.  3.  37,8.  Puls  102.  Kein  Erbrechen,  sieht  gut  aus,  Blähungen 
beginnen.  Abends  Erbrechen  schwarzer  blutiger  Massen.  37,8.  Puls  132. 
Magenausspülung.    Kochsalz.     Gallenfluss  235  g. 

6.  3.  37,6.  Puls  124.  Kochsalz,  das  Erbrechen  hat  aufgehört. 
Galle  75  g.  Frau  M.  ist  stärker  Ikterisch  als  vor  der  Operation.  Abends 
wieder  Erbrechen  dankler  Massen,  Magenspülnng.    Kochsalz.    38,5. 

7.  3.  38,1.  Puls  116.  Mittags  wieder  etwas  Erbrechen.  Magen- 
spülung.   Das  Erbrochene  ist  nicht  mehr  binthaltig.    Galle  50  g.    38,3. 

8.  3.  37,4.  Puls  100.  Wieder  etwas  Erbrechen,  Magenspülung. 
Galle  100  g.  -  37,6. 

9.  3.  37,3.  Puls  10^.  Abführen,  2  mal  Stuhlgang.  Abends  wieder 
Erbrechen.     Magenspülung.    Gallenfluss  200  g.  37,1. 

10.  3.  37,3.  Puls  116.  Erbrechen  nach  jeder  Nahrungsaufnahme. 
Magenspülung.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons.  Nach 
unten  schliessen  Verwachsungen  die  Bauchhöhle  ab,  aber  der  subphren. 
Raum  ist  noch  offen.  Das  Spülwasser  bleibt  zum  grossen  Teil  in  der 
Bauchhöhle.  Neuer  Verband.  Magenspülung.  Nährklystiere.  Gallen- 
fluss 50  g.  38,2. 

11.  3.    87,4.    Puls   96.    Kein  Erbrechen  mehr.     Gallenfluss  100  g. 

12.  3.    Gutes  Befinden. 
18.  3.    Verbandwechsel. 

28.  3.    Täglich  Verbandwechsel. 
2.  4.     Verband  trocken. 
6.  4.    Geheilt  entlassen. 
Kehr,  Teolinik  der  üallenateinoperationen.  14 


—     210     — 

Epicrise:  Das  Erbrechen  in  den  ersten  6  Tagen  post 
op.  ist  wohl  auf  die  etwas  ausgiebige  Taniponade  zurückzu- 
führen, denn  sofort  nach  dem  Yerbindeti  am  6.  Tage  hörte 
dasselbe  auf.  Für  g-ewöhnlich  wechseln  wir  den  Verband  erst 
10 — 14  Tage  post  op. ;  am  6.  Tage  post  op.  zeigte  es  sich^ 
dass  die  Verklebungen  noch  nicht  zu  einem  vollständigen  Ab- 
schluss  der  Bauchhöhle  geführt  hatten,  und  der  subphrenische 
Kaum  war  noch  zugänglich.  Da  bei  dem  Verbandwechsel  alle 
aseptischen  Massregeln  beobachtet  wurden,  hat  der  allzu  frühe 
Verbandwechsel  nicht  geschadet. 

Nr.  106.     A.  H.,  43j.  Oberstfrau  aus  Fürth  (Bayern). 

Aufgen.:  3.  10.  1902. 

Operiert:   5.  10.  1902.    Hepaticusdrainage,  Ectomie. 

Entlassen:  29.  11.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:  November  1900  sehr  heftige  Kolik,  Schmerzen  im 
Epigastrium,  Erbrechen,  Schüttelfrost  und  Fieber,  kein  Ikterus.  Am 
2.  Tage  danach  leichte  Kolik.  Januar  bis  März  19ÜI  wiederholt  leichte 
Anfälle,  dabei  magerte  sie  stark  ab.  April  1901  Kur  in  Kissingen,  gute 
Erholung.  Mai  und  Juni  1901  je  eine  Kolik  ohne  Ikterus,  bei  letzterer 
wurde  ein  Steinchen  im  Stuhl  gefunden.  Herr  Prof.  Penzoldt- 
Erlangen  verordnete  eine  Bandage.  Fat.  war  danach  fast  schmerzfrei,  nur 
bei  längerem  Gehen,  Bücken  etc.  kamen  kleinere  Attacken.  Mai  1902 
beim  Bücken  (Blumenpflückon)  leichter  Druck,  Qebelkeit,  unbedeutender 
Ikterus.  Gewichtsverlust  ca.  15  Pfd.  Der  Ikterus  schwand  und  trat 
Anfang  August  wieder  auf.  Ein  paar  Tage  vorher  hatte  Pat.  Fieber, 
keine  Kolik,  das  Fieber  hielt  4  Wochen  an,  zweimal  kamen  Schüttel- 
fröste. Der  Ikterus  besteht  seitdem  in  wechselnder  Intensität  fort, 
Pat.  ist  sehr  schwach  und  liegt  seit  2  Monaten  im  Bett.  Auf  Rat 
des  Herrn  Oberstabsarztes  Dr.  Loe  seh -Fürth  kommt  sie  hierher. 

Befund:  Gracile  Frau  mit  ausgeprägtem  Ikterus.  Leib  weich, 
flach.  Leber  vergrössert.  Druckempfindlichkeit  in  der  Mittellinie, 
sonst  kein  Befund.  Urin  bierbraun,  enthält  viel  Gallenfarbstoff,  leichte 
Eiweisstrübung,  kein  Zucker. 

Diagnose:    Stein  im  Choledochus. 

Operation:  5.  10.  02.  Sehr  gute  Chloroformnarkose.  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  geschrumpft,  verdickt,  am  Cysticus  mit  Duodenun> 
verwachsen.  Leber  nicht  wesentlich  vergrössert.  Lösung  der  Gallen- 
blase vom  Duodenum.  Hier  ist  die  Gallenblase  sehr  morsch,  und  es- 
tritt  Eiter  hervor.  Man  kommt  auf  einen  walnussgrossen,  im  Chole- 
dochus liegenden  Stein.  Der  Hepaticus  dahinter  ist  verengt.  Papille 
frei.  Kleines  Loch  in  der  Serosa  des  Vnodeiiuni.  Es  scheint  aber  noelt 
Iteine  Perforation  vorhanden  zu  sein,  doch  hat  man  den  Eindruck,  als 
ob  hier  eine  Choledoclioduodonalflstel  in  Entwiclilnng  begriffen  sei» 
Gallenblase   wird   exstirpiert.    Starke    Blutung   aus   der    Art.    cystica. 


—     211     — 

Ligatur.  Die  Gallenblase  ist  chronisch  entzündet,  wandverdickt,  Schleim- 
haut ulceriert  und  enthält  einen  haselnussgrossen  Stein.  Aus  dem 
Hepaticus  fliesst  schleimig-eitrige  Galle  nach.  Der  Defekt  am  Dnode- 
iinni,  das  spitzwinklig  nach  oben  gezerrt  ist,  wird  übernälit.  Tampo- 
nade. Kohr  in  den  Hepaticus.  Das  Einfiiliren  des  Rohres  ist  dnrch 
die  Verengernug  erschwert.  Naht  der  ßauchdecken,  Verband.  Dauer 
der  Operation  ',4  Stunden. 

Verlauf:  Am  Abend  des  Operationstages  schwerer  Collaps, 
Kochsalzinfnsioneu  nnd  -Einlänfe,  Kampferinjektionen,  heisse  Getränke, 
Excitantien.  Nach  Uebervvindung  des  Collapses  glatter  Verlauf.  Die 
anfangs  spärlich  nnd  sehr  trübe  abfliessende  Galle  klärt  sich  schnell 
nnd  wird  reichlich.  Am  12.  Tage  ist  die  abfliessende  Galle  goldklar, 
doch  bleiben  noch  abendliche  Temperatursteigerungen  von  39"  bestehen. 
Verbandwechsel  am  13.  10.  02  ergibt  keinen  Grund  dafür;  vom  17.  ab 
wird  der  Hepaticus  ausgespült,  die  Spülung  ist  schmerzhaft,  da  das 
Wasser  in  dem  engen  Kanal  nicht  am  Katheter  vorbei  abfliessen  kann. 
19.  10.  Der  Versuch,  den  Choledochus  bis  in  das  Duodenum  zu  sondieren, 
gelingt  nicht,  die  Instrumente  (Catheter,  Sonden  und  Bougies)  stossen 
in  10  cm.  Tiefe  auf  ein  Hindernis.  Da  die  Temperatur  hoch  bleibt 
der  Stuhl  sich  nicht  färbt,  wird  das  Sondieren  täglich  wieder  versucht 
Zunächst  ohne  Erfolg,  erst  am  29.  10.  gelingt  es,  ein  feines  Bongie 
dnrch  die  Papille  zu  schieben.  Es  bleibt  liegen.  In  den  nächsten 
Tagen  gelingt  es  wieder  nicht,  über  das  Hindernis  in  10  cm.  Tiefe 
hinaus  zu  kommen,  erst  am  2.  11.  dringt  ein  etwas  stärkeres  Rongie 
wieder  bis  in  den  Darm.  Es  bleibt  2  Tage  liegen  nnd  wird  dann 
dnrch  eine  ca.  4  mm.  starke  Sonde  ersetzt,  die  1  Tag  liegen  bleibt. 
Vom  7.  11.  ab  fängt  der  Stnhl  an  sich  zn  färben,  die  Gallensekretion 
nach  aussen  wird  immer  geringer.  Schliesslich  geht  die  Fistel  ganz 
zu,  und  Pat.  kann  am  19.  11.  02  geheilt  entlassen  werden. 

Epicrise:  Bemerkenswert  an  dem  Fall  ist  besonders  die 
Bougierung  der  Papille  von  der  Choledochiisincision  aus  während 
der  Nachbehandlung.  Sobald  die  Papille  gehörig  erweitert 
war,  hörten  das  Fieber  und  der  Gallenfluss  nach  aussen  auf. 


Nr.  107.    L.  S.,  51  j.  Hüttenarbeltersfraii  aus  Thale. 

Aufgen.:  30.  10.  1900. 

Operiert:  10.  11.  1900.   Hepaticusdrainage.   Ectomie. 
Entlassen:  21  12.  1900.     Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Belang.    Pat.  hat  6  gesunde 
Kinder,  2  sind  an  Bräune  gestorben.     Sie  war  selbst  stets  gesund. 

Vor  17  Jahren  litt  sie  ^j*  Jahr  lang  an  „Unterleibsentzündung". 
Der  näheren  Umstände  erinnert  sie  sich  nur  noch  undeutlich,  doch 
scheint  der  Anfall  ähnlich  verlaufen  zu  sein  wie  der  folgende. 

Vor  5  Jahren  erkrankte  sie  mit  Kolikschmerzen,  die  links  von  der 
Mittellinie  in  der  Magengegend  begannen,  von  da  zum  Rücken,  zwischen 

14* 


—     212     — 

die  Schulterblätter  und  zur  Brust,  ausstrahlten.  Die  Schmerzen  traten 
'1*  Jahr  lang  etwa  alle  2  Tage>  auf  und  dauerten  2—3  Stunden. 
Erbrechen  trat  nicht  immer  auf;  wenn  es  kam,  brachte  es  Erleichte- 
rung. Fieber  und  Gelbsucht  bestanden  nicht.  Sie  wurde  während  der 
Erkrankung  sehr  schwach,  hatte  keinen  Appetit  und  magerte  erheb- 
lich ab.  Der  behandelnde  Arzt  spülte  ihr  6  Wochen  lang  den  Magen 
aus,  danach  schwanden  die  Anfälle.    Pat.  erholte  sich  wieder. 

Sie  war  frei  bis  vor  5  Wochen.  Seit  dieser  Zeit  traten  die  An- 
fälle in  derselben  Weise  wie  vor  5  Jahren  wieder  auf,  sie  erhielt  heisse 
Umschläge,  Opium  in  Tropfen  und  Pulvern  und  Morphiuminjektionen. 
Seit  2  Tagen  hat  sich  das  Krankheitsbild  geändert,  die  Schmerzen 
sitzen  jetzt  rechts  in  der  Gallenblasengegend,  ohne  auszustrahlen,  sie 
sind  dauernd  da  und  werden  beim  Husten,  Niesen  etc.,  auch  schon  bei 
gewöhnlichen  Atembewegungen  schlimmer.  Dabei  ist  Fieber  aufgetreten 
und  leichte  Gelbsucht.    Gestern  nachmittags  Temperatur  40,2.  Puls  150. 

Herr  Dr.  Loew-Thale  empfiehlt  ihre  Aufnahme  in  die  Klinik. 

Befund:  Kräftige,  gut  genährte  E>au  von  fieberhaftem  Aussehen 
und  deutlichem  Ikterus.  Herz  und  Lungen  gesund.  Urin  enthält 
Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss  und  Zucker.    Temp.  38,4.    Puls  120. 

Die  Gallenblase  ist  als  praller,  rundlicher,  sehr  druckempfindlicher 
Tumor  etwas  über  Nabelhöhe  zu  fühlen,  bei  Hustenstössen  tritt  sie 
deutlicher  hervor. 

Diagnose:  Recidiv.  Cholecystitis,  vor  2  Tagen  wahrscheinlich 
Perforation  der  Gallenblase.    Abgekapselte  Peritonitis. 

\^  erlauf:  30.  10.  Abends  38,4.    Puls  120. 

31.  10.    37,9.    Puls  110.  38,6. 

1.11.  38.1.  Puls  120.  Starke  Schmerzen.  Heisse  Kataplasmen.  39,3. 

2.  IL  37,5.  Puls  108.  Nach  den  heissen  Umschlägen  Linderung 
der  Schmerzen.  38,4. 

3.  IL    37,3.    Puls  100.  37,8. 

4.  11.  37,3.  Puls  96.  Schmerzen  ganz  geschwunden.  Der  Tumor 
nur  noch  bei  tiefem  Eindrücken  palpabel.  37,4. 

5.  11.    37,5.    Puls  88.    Ikterus  fast  geschwunden.      37,6. 

6.  11.    37,2.    Jetzt  fieberfrei. 

Nachdem  Pat.  etwa  eine  Woche  fieberfrei  ist,  wird  sie  znr 
Operation  vorbereitet. 

Operation:  10.  IL  00.  Gewöhnlicher  Wellenschnitt,  starke  Fett- 
entwicklung in  den  Bauchdecken.  Gallenblase  von  mittlerer  Grösse, 
ihre  Wandungen  ödematös  verdickt.  Fundus  der  Gallenblase  mit  dem 
Netz  vorwachsen.  Lösung  dieser  Verwachsung  derart,  dass  etwa  2  cm. 
des  Netzes  in  Zusammenhang  mit  der  Gallenblase  bleiben.  Punktion 
und  Entfernung  zahlreicher  Steine  mit  der  Kornzange.  Ein  im  Chole- 
dochus  fühlbarer  Stein  wird  durch  Choledochotomie  entfernt.  Danach 
Exstirpation  der  Gallenblase.  Es  zeigt  sich  jetzt,  dass  in  dem  stark 
erweiterten  Choledochus  noch  mehrere  Konkremente  stecken,  davon 
ein  etwa  haselnussgrosses  in  einer  Ausbuchtung  des  Ganges  unmittel- 
bar vor  der  Papille.    Die  Entfernung  desselben  gelingt  erst  nach  eini- 


—     213     — 

gern  Mühen  dnrch  das  bimaunelle  Yerfahreu  in  der  Weise,  dass  der 
reclite  Zeigefluger  das  Dnodenum  tou  iiuteu  nnigreift  und  den  Stein 
dem  in  den  Clioledoclins  eingeführten  linken  Zeigefinger  entgegendrückt. 

Drainage  des  Hepaticus,  Verkleinerung  des  Choledochusschnittes  durch 
3  Nähte.  Tamponade  mit  mehreren  Streifen  Silbergaze.  Teilweise 
Naht  der  Bauchdeckenwunde. 

Die  Untersuchung  der  exzidierten  Gallenblase  ergibt  stark  ver- 
dickte ödematöse  Wandungen  und  in  der  Nähe  des  Fundus  eine  Per- 
forationsstelle, die  zu  einem  in  dem  adhaerenten  Netz  liegenden  kleinen 
Abscesse  führt.  Am  Gallenblasenhalse  ist  die  Wandung  an  einer  erbsen- 
grossen  Stelle  nekrotisch. 

Verlauf:    10.  11.  abends  37,0. 

11.  11.  38,1.  Puls  138.  Kochsalz,  Kampher.  Etwas  Aufstossen, 
kein  Erbrechen.  Kein  Kollern  im  Leibe.  Mittags,  nachmittags,  abends 
und  nachts  noch  je  einmal  Kochsalz,  2stündl.  Kampher.  Tee  mit 
Kognak.  Glycerin  und  Mastdarmrohr.  Galle  400  gr.  Abends  39,2.  Puls  158. 

12.11.  38,8.  Puls  150.  Nachts  Blähungen  spontan,  heute  morgen 
keine,  Leib  gewölbt,  ziemlich  schmerzhaft.  Puls  schnell,  klein.  Galle  läuft 
weniger,  75  gr.,  ist  dick  und  setzt  viel  orangefarbenen  Bodensatz  ab- 
Kochsalz  und  Kampher  weiter.  Heisser  Tee  mit  Kognak  und  Kaffee. 
Verband  etwas  durch.    Abends  38,3.    Pols  140. 

13.  11.  36,7.  Puls  126.  Blähungen  in  Gang,  Leib  flacher  und 
weicher  als  gestern.  Kochsalz  und  Kampher  werden  ausgesetzt.  Gallen- 
flues  sehr  gering. 

14.  11.  bis  19.  11.  Temp.  37,6-38,4.     Puls  90-110. 

20.  11.    37,9.    Puls  84.  Verbandwechsel.    Entfernung  der  Tampons, 

etwas  Eiterung  im  unteren  Wundwinkel.    Hier  liegt  das  Colon  vor.    38,3. 

21.  11.    37,4.    Puls  84.     Verbandwechsel.     Bei   der  Ansspttlnug  des 

Ilepaticns  und  Choledochus  entleeren  sich  trübe,  bröckelige  Massen.  37,8. 

22.  11.  37,3.  Puls  96.  Verbandwechsel.  Zwischen  Colon  und 
Bauchdecken  Nekrose  des  Unterhautzellgewebes,  ebenso  etwas  im 
oberen  Wundwinkel,  so  dass  mehrere  Nähte  entfernt  werden  müssen. 
Danach  sind  die  nekrotischen  Stellen  leicht  zugänglich,  Abtragung. 
Das  unten  vorliegende  Colon  ist  gebläht,  in  einem  markstückgrossen 
Bereich  fehlt  die  Serosa,  die  augenscheinlich  bei  Lösen  von  Adhäsionen 
verletzt  ist.  Eine  Perforation  ist  nicht  zu  finden.  Choledochus  und 
Hepaticus  werden  ausgespült,  das  Spülwasser  kommt  mit  klarer  Galle 
vermischt  zurück. 

23.  11.  bis  29.  11.  Täglich  Verbandwechsel.  Puls  90-100.  Temp. 
37,3-38,6. 

30.  11.  37,2.  Puls  92.  Fieberfreier  Verlauf.  Bisweilen  noch  etwas 
Erbrechen,  täglich  Verbandwechsel. 

8.  12.  Die  Wundränder  haben  sich  jetzt  fast  aneinander  gelegt, 
es  fliesst  noch  etwas  Galle,  Verbandwechsel  alle  Tage. 

19.  12.     Verband  heute  trocken. 

22.  12.     Verband  noch  immer  trocken.     Wechsel. 

24.  12.    Mit  granulierender  Wundfläche  entlassen. 
Die  weitere  Behandlung  übernimmt  Herr  Dr.  Low. 


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Am  1.  9.  1901  stellt  sich  Frau  S.  in  blühender  Gesundheit  in  der 
Klinik  vor. 

Epicrise:  Bei  der  Aufnahme  lagen  alle  Anzeichen  der 
Perforationsperitonitis  vor.  Es  war  aber  für  den  Ausg^ang  der 
Operation  sicher  besser,  mit  dem  Eingriff  zu  warten,  bis  die 
sdiweren  entzündlichen  Erscheinungen  zurückgegangen  waren. 
Trotz  des  beschleunigten  Pulses  (150)  gelang  es  doch  durch 
eine  sorgfältige  Nachbehandlung,  bei  der  die  Kochsalzinfusionen 
eine  grosse  EoUe  spielten,  die  Kräfte  der  Pat.  zu  erhalten 
und  einen  günstigen  Erfolg  herbeizuführen. 

Nr.  108.    S.  S.,  26 j.  Oberlehrersfrau  aus  Altona. 

Aufgen.:  30.  12.  1902. 

Operiert:  2.  1.    1903.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Entlassen:  21.  2.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:    Herr   Dr.  Schmalmack   sendet  uns   die   Pat.   mit 
folgender  Krankengeschichte  zu : 

„Frau  Dr.  S.,  26  Jahre  alt,  befindet  sich  seit  ca.  10  Wochen  un- 
unterbrochen in  meiner  Behandlung.  Die  Mutter  ist  „leberleidend", 
war  längere  Zeit  in  Karlsbad.  Pat.,  welche  2  mal  entbunden  ist,  war 
früher  stets  gesund.  Zu  Beginn  der  jetzigen  Behandlung  und  zweimal 
schon  zu  Anfang  dieses  Jahres  klagte  sie  über  plötzlicli  meistens  des 
Abends  oder  des  Nachts  auftretende  sehr  heftige  Schmerzen  im  rechten 
Hypochondrium.  Anfänglich  kamen  dieselben  ca.  alle  2—3  Wochen, 
später  häufiger  und  waren  stets  mit  Übelkeitsgefühl,  zuweilen  mit  Er- 
brechen verbunden.  Diese  Schmerzanfälle  dauerten  in  der  Regel  nur 
12  bis  14  Stunden  und  Hessen  ausser  einem  geringen  Mattigkeitsgefühl 
keine  weiteren  Störungen  des  Allgemeinbefindens  zurück.  Bei  der 
Untersuchung  war  durch  die  sehr  schlaffen  Bauchdecken  in  der  Tiefe 
des  Hypochondriums  ein  etwas  druckempfindlicher  beweglicher  Tumor 
zu  fühlen,  welchen  ich  für  die  gesunkene  rechte  Niere  hielt.  Beim 
Fehlen  jeglicher  ikterischen  Verfärbung  der  Haut  oder  der  Sklera  und 
beim  Fehlen  jeglicher  Veränderungen  der  Leber  brachte  ich  die  perio- 
disch auftretenden  Schmerzanfälle  mit  dieser  nachweisbaren  rechts- 
seitigen N'.erensenkung  in  ursächlichen  Zusammenhang  und  verordnete 
Bettruhe  und  Mastkur.  Diese  musste  aber  nach  ca.  3  Wochen  durch 
das  Auftreten  eines  an  Intensität  allmählich  zunehmenden  Ikterus 
unterbrochen  werden.  Anfänglich  bestanden  bei  letzterem  keinerlei 
Schmerzen  (auch  keine  Anfälle),  und  liess  die  objektive  Untersuchung 
der  Lebergegend  keine  besonderen  Veränderungen  nachweisen.  Vor  ca. 
4  Wochen  trat  aber  plötzlich  in  einer  Nacht  ein  heftiger  mit  Erbrechen 
verbundener  Schmerzaufall  auf,  und  mit  diesem  änderte  sich  auch  der 
objektive  Befund.  Am  nächsten  Morgen  nämlich  war  unmittelbar  unter 
den  dünnen  Bauchdecken,  dieselben  etwas  hervorwölbend,  der  Lage 
der  Gallenblase  entsprechend,  ein  taubeneigrosser,  sehr  druckempfind- 


—     215     — 

lieber  Tumor,  den  unteren  Leberrand  beträchtlich  überragend,  nach- 
weisbar, welcher  mit  absoluter  Bestimmtheit  als  die  mit  Gallensteinen 
gefüllte  Gallenblase  zu  erkennen  war.  Wegen  der  durch  längere  Zeit 
innegehaltenen  fettlosen  Diät  war  die  Abmagerung  der  Kranken  und 
der  Kräfteverfall  nicht  unerheblich  geworden,  so  dass  ich  nach  dem 
sicheren  Nachweis  der  Gallensteine  die  operative  Entfernung  vor- 
schlug, zumal  der  Ikterus,  abgesehen  von  periodischen  Schwankungen 
seiner  Intensität,  im  ganzen  zugenommen  hatte.  Der  zur  Konsultation 
hinzugezogene  Oberarzt  des  Hamburger  Krankenhauses,  Herr  Dr.  Kum- 
pel, erklärte  den  letzterwähnten  Tumor  ebenfalls  mit  Bestimmtheit  für 
die  mit  Steinen  gefüllte  Gallenblase  und  riet  in  Anbetracht  der  oben 
erwähnten  Gründe  ebenfalls  zu  operativem  Eingriff,  wenn  nicht  in 
kürzerer  Zeit  eine  merkliche  Abnahme  des  Ikterus  und  eine  erheb- 
liche Besserung  des  Allgemeinzustandes  zu  konstatieren  sei.  Die  Frist 
des  Abwartens  ist  nunmehr  abgelaufen,  ohne  dass  der  Zustand  der 
Pat.  sich  wesentlich  geändert  hat.  Der  Ikterus  besteht  in  gleicher  In- 
tensität. (Der  Kräftezustand  hat  sich  infolge  fettreicherer  Kost 
etwas  gehoben.)  Es  ist  demnach  meines  Erachtens  keine  oder  nur  sehr 
geringe  Hoffnung  auf  eine  spontane  Aufhebung  des  Hindernisses  für 
den  Gallenabfluss  vorhanden.  Da  in  der  Gallenblase  mit  Bestimmtheit 
Steine  gefühlt  sind,  ist  ferner  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  auch 
Gallensteine  das  Hindernis  für  den  Gallenabfluss  sind.  Ich  habe  des- 
wegen der  Pat.,  welche  selber  des  weiteren  Abwartens  überdrüssig 
geworden  ist,  nunmehr  dringend  zur  Operation  geraten,  zumal  auch 
ihr  Allgemeinzustand  und  die  Beschaffenheit  des  Pulses  zurzeit  noch 
durchaus  zufriedenstellend  sind." 

Befund:  Starker  Ikterus.  Pat.  abgemagert,  zeigt  allenthalben 
Kratzspuren.  Lunge  und  Herz  gesund.  Leber  etwas  vergrössert,  kein 
Tumor  der  Gallenblase  mehr  fühlbar. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  2.  1.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  schlaff,  gross, 
nicht  verwachsen.  Choledochus  leer.  Pankreaskopf  dick.  Im  Gallen- 
blasenhals 3  kirschkerngrosse  Steine.  Cysticus  sehr  eng.  Spaltung 
desselben  nach  Ectomie.  Choledochus  leer  und  sehr  eng.  Galle  etwas 
trübe.    Hepaticusdrainage.    Dauer  '/4  Stunde.    Gute  Narkose. 

Verlauf:  2.  1.  03.  Temp.  37,7.  Puls  56.  Allgemeinbefinden  gut. 
Es  läuft  Galle.    Einmal  3,6  gr.  Calciumchlorid  per  rectum. 

3.  l.  Temp.  morgens  38,4,  abends  38,1.  Puls  60-120.  Im  Laufe 
der  Nacht  etwas  Erbrechen  nicht  blutiger  Flüssigkeit.  Im  Laufe  des 
Vormittags  fortgesetzt  Übelkeit  und  Aufstossen.  Daher  gegen  Mittag 
Magenspülung.  Der  Magen  enthält  eine  überraschend  grosse  Menge 
blutiger  Fliissigtieit,  teils  frisches,  teils  geronnenes  Blut.  Abends  noch- 
mal Magenspülung.  Im  Magen  kein  frisches  Blut,  aber  reichlich  Flüssig- 
keit und  geringe  Reste  alter  Gerinnsel.  Puls  wechselnd,  nach  der 
Magenspülung  wieder  wesentlich  laugsamer.  Blähungen  gehen  nach 
Spritze  und  Kohr. 


—     216     — 

4.  1.  OB.  Temp.  38,3,  abends  38,6.  Puls  den  ganzen  Tag  wech- 
selnd, zwischen  60  und  120,  sehr  klein.  Der  grössere  Teil  der  Nacht 
war  rahig,  erst  gegen  Morgen  schwarzes  Erbrechen.  Im  Laufe  des 
ganzen  Tages  und  der  folgenden  Nacht  4  mal  Kochsalzinfnsion,  4  mal 
Magenspülnng.  Seitenlage.  Am  Abend  und  in  der  Nacht  3 mal  Campher 
subkutan. 

5.  1.  03.  Temp.  morgens  38,4,  Abends  38,1.  Puls  100-120.  Die 
Seitenlage  war  entschieden  von  günstigem  Einflass.  Am  Morgen  nur 
noch  wenig  Inhalt  im  Magen,  kein  frisches  Blut  mehr  bei  der  Magen- 
spülung. Um  die  Pat.  bequemer  lagern  zu  können,  wird  der  Verband 
gewechselt  und  das  Drainrohr  zwischen  dicken  Wattelagen  in  den 
Verband  mit  eingebnnden.  Danach  mehrere  Stunden  Bauchlage,  ab- 
wechselnd mit  rechter  Seitenlage.  Nachmittags  noch  einmal  Magen- 
spülung.   Magen  leer.    Im  Laufe  des  Tages  noch  3 mal  Kochsalzinfusion. 

6.  1.  03.  Temp.  mittags  37,6,  abends  38,1.  Puls  88.  Kein  Auf- 
stossen,  kein  Erbrechen,  keine  Übelkeit.  Allgemeinbefinden  ist  wesent- 
lich besser,  Puls  kräftig.  Verbandwechsel.  Watte  mit  klarer  Galle 
durchtränkt.  Es  wird  wieder  die  Flasche  angelegt  und  Pat.  in  Rücken- 
lage gebracht.    Blähungen  gehen  von  selbst. 

7.  1.  03.  Temp.  morgens  37,9.  Puls  84,  kräftig.  Heute  früh  Er- 
brechen von  etwas  Milch.  Befinden  gut.  Führt  ab.  Bricht  das  Ricinus 
jedoch  wieder  aus.  Temp.  abends  37,9.  Puls  80.  Befinden  gut.  Kein 
Aufstossen  mehr,  kein  Erbrechen,  reichlicher  Stuhl. 

8.  1.  03.  Temp.  morgens  37,3.  Puls  68.  Kein  Erbrechen,  kein 
Aufstossen.  In  der  Nacht  nochmals  Stuhlgang.  Befinden  sehr  gut. 
Temp.  38,3.     Leichte  Übelkeit. 

9.  1.  03.  Temp.  37,7.  Puls  80.  Etwas  Aufstossen,  in  der  Nacht 
keine  Übelkeit.     Galle  läuft.    Temp.  abends  38,1.     Puls  80. 

10.  1.  03.    Temp.   morgens  37,5.    Puls  80.    Abends  38,3,   Puls  84. 

11.  1.  03.  Temp.  morgens  38,2,  Puls  80.  In  der  Nacht  reichlich 
Stuhlgang.  Temp.  abends  38,5,  Puls  86.  Parulis  rechts.  Befinden 
sonst  gut. 

13.  1.  03.  Temp.  morgens  37,8,  Puls  78.  Parulis  geht  zurück. 
Eiter  entleert  sich  spontan.    Temp.  abends  38,4,    Puls  80.    Befinden  gut. 

14.  1.  03.  Temp.  37,7,  Puls  80.  Temp.  abends  38,4,  Puls  86.  Be- 
finden gut.  Verbandwechsel.  Nur  die  oberflächlichen  Tampons  worden 
entfernt.    Wunde  sieht  gut  aus.    Drainrohr  bleibt  liegen. 

18.  1.  03.  Temp.  morgens  37,5,  abends  39,3,  Puls  82-96.  Erster 
Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons,  der  langen  Fäden  und  Nähte. 
Nur  der  Cysticus-Faden  bleibt  liegen.  Wunde  in  gutem  Zustande. 
Hepaticus-Incision  sehr  gut  sichtbar.  Choledochus  und  Hepaticus  leicht 
durchgängig  für  die  Sonde.  Tamponade.  Temp.  abends  39,3.  Befinden 
sonst  gut.    Keine  Schmerzen. 

23. 1. 03.  Entfernung  des  Cysticus-Fadens.  Gallo  läuft  sehr  reichlieh. 

11,  2.  03.    Verband  heute  3  Tage  trocken  gewesen. 

15.  3.  03.  Wunde  sehr  klein.  Es  läuft  wenig  Galle.  Verband  alle 
2—8  Tage.    Heute  keine  Tamponade  mehr. 


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19.  2.  03.     Es  läuft  keine  Galle  mehr. 

21.  3.  03.  Fat.  wird  als  geheilt  mit  geschlossener  Fistel  und 
kleiner  granulierender  Wunde  entlassen. 

Epicrise:  Der  Choledochus  wurde  leer  vorgefunden,  dafür 
war  der  Pankreaskopf  sehr  vergrössert,  so  dass  dadurch  der 
Gallenabfluss  gehindert  wurde.  Der  Choledochus  war  sehr  eng, 
und  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  der  im  Hals  der  Gallenblase 
befindliche  Stein  resp.  die  dort  intermittierend  auftretende  Ent- 
zündung den  Choledochus  zeitweise  verlegte. 

Nr,  109.     E.  K.,  47j.  Arztwitwe  aus  Samara  (Russland). 

Aufgen.  :  28.  8.  1903. 

Operiert:  1.  9.  1903.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Entlassen:  15.  10.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  5mal  geboren,  drei  Aborte 
durchgemacht.    Menses  sind  regelmässig. 

Als  Kind  hat  Fat.  Masern,  Scharlach  und  Keuchhusten  über- 
standen, in  den  letzten  Jahren  hat  sie  angeblich  an  Malaria  gelitten. 
Vor  2  Jahren  Her:^beklemmungen,  Oedem  der  Beine,  Albuminurie, 
dabei  starke  Nervosität.    Kur  in  Bad  Nauheim  von  Erfolg. 

Im  16  Lebensjahr  litt  Fat.  2  Jahre  lang  an  Erbrechen,  das  nach 
Erregungen  auch  jetzt  noch  ab  und  zu  auftritt. 

Vor  21  Jahren  heftige  Gallensteinkolik  mit  Gelbsucht  von  einigen 
Tagen  Dauer;  nochmals  gleiche,  sehr  heftige  Kolik  mit  Gelbsucht  vor 
8  Jahren.  Im  letzten  Winter  (1902/1908)  zwei  Anfälle  von  Koliken, 
die  weniger  schmerzhaft  waren,  aber  länger,  etwas  3  Wochen  dauerten. 
Dabei  wiederum  Gelbsucht.    Danach  wieder  völliges  Wohlbefinden. 

Mitte  Juli  1908  bekam  Fat.  anfänglich  leichte  Schmerzen,  dann 
an  5  aufeinanderfolgenden  Tagen  heftige  Koliken  mit  allmählich  bis 
zu  grösster  Intensität  ansteigendem  Ikterus.  Harn  dunkel.  Stuhl  ton- 
farben.  Starkes  Hautjucken.  Abendtemperaturen  37,0—37,4.  Nach 
10—14  Tagen  Besserung  dfer  Besehwerden,  zeitweiliges  Nachlassen  des 
Ikterus,  Stuhl  wieder  mehr  gefärbt.  Nach  l'/^  Wochen  dyspeptische 
Beschwerden  (Übelsein,  Aufstossen),  bald  darauf  Schmerzen  im  rechten 
Epigastrium  von  wachsender  Intensität,  die  fast  konstant  bestehen. 
Zunahme  des  Ikterus.  Etwas  Zucker  im  Urin.  Stuhl  wieder  tonfarben. 
Abendtemperaturen  bis  37,4".  Deutliche  Leberschwellung.  Gallenblase 
nicht  palpabel.  Seitdem  vollständige  Appetitlosigkeit,  grosse  Mattig- 
keit. Seit  Jahren  besteht  Stuhlverstopfung.  Steine  im  Stuhl  wurden 
jetzt  nicht  gefunden.  Fat.  leidet  viel  an  Haemorrhoidal-Beschwerden. 
In  den  letzten  3*/»  Wochen,  s,eit  Rückkehr  von  Neuenahr,  ist  der  Zu- 
stand der  Fat.  im  grossen  ganzen  unverändert  geblieben.  Nur  einmal 
hat  Fat.  ein  geringes,  kurze  Zeit  dauerndes  Zurückgehen  der  Gelbsucht 
bemerkt,  auch  war  der  sonst  graue  Stuhl  dabei  braun.  Doch  dauerte 
die  Besserung   nur    einige  Tage.     Fat.    hat   keine  Schmerzen    gehabt. 


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nur  etwas  Unbehagen  in  der  Gegend  der  Magengrube.  Kein  Fieber, 
keine  Schüttelfröste.  Einmal  nu,r  Erbrechen.  Viel  Hautjucken.  Pat. 
hat  in  Neuenahr  eine  Ölkur  und  später  2'/«  Wochen  lang  Chologen 
gebraucht.  Das  Chologen  bewirkte  regelmässigen  Stuhlgang,  so  dass 
Pat.  sich  subjektiv  wohler  fühlte,  eine  sonstige  Besserung  trat 
aber  nicht  ein. 

Herr  Prof.  Renvers  und  Herr  Dr.  Boas  (Berlin)  senden  uns 
die  Pat.  zu. 

Befund:  Sehr  starker  Ikterus.  Leber  massig  vergrössert,  härter 
als  normal,  Druckempflndlichkeit  besonders  in  der  Mittellinie.  Kein 
Milztumor.  An  der  Aorta  ein  systolisches  Geräusch.  Urin  enthält 
massige  Mengen  Eiweiss,  viel  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  1.9.08.  In  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Holfelder- 
Wernigerode,  Dr.  Sto  n  e- Washington,  Dr.  Kurtz-Californien,  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  klein,  mit  Duodenum  verwachsen.  Leber  ver- 
grössert, derb  (biliäre  Cirrhose).  Choledochus  wird  freigemacht.  Re- 
troduodenal  festsitzend  ein  haselnussgrosser  Stein.  Incision.  Dabei 
fliesst  Eiter  aus  dem  Choledochus  ab.  Hepaticusdrainage.  Papille 
frei.  Ectomie  der  Eiter  und  einen  walnussgrossen  Stein  enthaltenden, 
ulcerierton,  geschrumpften,  wandverdickten  Gallenblase.  Der  Stein  ist 
leicht  zerbrechlicli  und  wird  in  Trümmern  entfernt.  Im  Cysticus  und 
im  Choledochus  Ulcera.  Am  Übergang  vom  Cysticns  in  den  Chole- 
dochus ein  erbseugrosser  Sclileimhautpolyp.  Excision,  Tamponade  mit 
4  Tampons.  Naht.  Verband.  Dauer  der  Operation  50  Min.  Gute 
Chloroform-Sauerstoffnarkose  (40  gr.). 

Verlauf:  Normal. 

14.  9.  03.  1.  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres,  sämtlicher 
Tampons,  die  ziemlich  locker  sitzen,  sowie  sämtlicher  Nähte.  Wunde 
sieht  sehr  gut  aus.  Wundtrichter  ziemlich  flach,  ausgezeichnet  über- 
sichtlich, Choledochns  -  Incision  sehr  oberflächlich  nud  gnt  sichtbar, 
ebenso  Cysticns  -  Stumpf.  Anch  das  Foramen  Winslowii  nnd  das  Liga- 
nientnm  hepato-dnodenale  gut  zu  übersehen.    Temp.  abends  37,6. 

15.  9.  03.  Verband  erst  abends  durch.  Verbandwechsel.  Tampons 
bleiben  liegen. 

26.  9.  03.  Jeden  Tag  Verbandwechsel  notwendig.  Pat.  klagt 
über  Appetitlosigkeit  und  viel  Aufstossen,  zuweilen  Erbrechen.  Gallen- 
fluss  noch  sehr  reichlich. 

28.  9.  03.     Pat.    steht   auf.     Ikterus    bedeutend    zurückgegangen. 
Wundtrichter  stark  verengert. 

5.  10.  03.    Heute  Verband  trocken. 

15.  10.  03.     Mit  kleiner  Granulation  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Im  Choledochus  befand  sich  reiner  Eiter;  eine 
tiefe  Ulceration  war  gut  zu  sehen,  da  der  Choledochus  weit 
aufgeschnitten  war.  Bei  der  schweren  Infektion  und  dem  Vor- 
handensein von  Eiter  im  Choledochus  konnte  nur  von  einer 
Hepaticusdrainage  die  Rede  sein. 


—     219     — 

Nr.  IKK    M.  D.,  5()j    Bareauvorsteher8:frau  aus  Torgau. 

Aiifgen.:  17.  7.  1903. 

Operiert:  21.  7.  1903.    Hepaticusdrainage.    Ectoraie. 

Hepatopexie. 
Entlassen:  2.  9.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  immer  gesund  gewesen. 

Vor  10  Jahren  mehrere  Anfälle  von  Magenkrampf  und  Magen- 
drücken, meist  von  Erbrechen  gefolgt.  Keine  Gelbsucht.  Pat.  trank 
damals  Karlsbader  Wasser,  bekam  Medizin. 

Seitdem  keine  Anfälle,  völliges  Wohlbefinden  bis  vor  Ostern  1903. 
Vor  Ostern  1903  kurzdauernder  Anfall  von  Magenschmerzen  und  Magen- 
drücken (in  der  Gegend  der  Magengrube),  dabei  auch  Rückenschmerzen. 
Erbrechen.    Nach  dem  Anfall  Gelbsucht. 

Seitdem  die  gleichen  Anfälle  von  einigen  Stunden  Dauer  etwa 
alle  8  —4  Wochen,  zuletzt  etwa  alle  14  Tage.  Die  Anfälle  sind  sämtlich 
ziemlich  leicht.  Die  Gelbsucht  bleibt  sich  stets  ziemlich  gleich,  war 
immer  deutlich  vorhanden.  Stuhl  ist  etwas  entfärbt,  es  besteht  massige 
Verstopfung.  Urin  ist  dunkel.  Appetit  ist  massig.  Letzter  Anfall 
vor  8  Tagen.  In  den  anfallsfreien  Zwischenzeiten  fühlt  sich  Pat. 
völlig  wohl.  Bei  den  Anfällen  Frieren  und  Schüttelfrost.  Pat.  wurde 
mit  heissen  Umschlägen,   Medizin   und  Neuenahrer  Wasser  behandelt. 

Herr  Dr.  Keil-Torgau  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Massig  genährte  Frau.  Leber  etwas  vergrössert,  geringe 
Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend.  Massiger  Ikterus. 
Im  Urin  viel  Gallenfarbstoff ,.  kleine  Mengen  Eiweiss.  Herz,  Lungen 
gesund. 

Diagnose:    Seit  Ostern   1903  Stein  im  Choledochus. 

Pat.  ist  nicht  in  der  Lage  nach  Karlsbad  zu  gehen,  was  ihr  nach 
meiner  Überzeugung  auch  keine  Heilung  bringen  wird.  Deshalb 
wiinscht  sie  selbst  die  Operation. 

Operation:  21.  7.  03.  40  gr.  Chloroform  mit  Sauerstoff.  Dauer 
der  Operation  60  Min.  Wellenschnitt.  Gallenblase  ist  leer  von  Steinen, 
ganz  über  das  Diiodennm  Jierübergeschlagen ,  wie  der  Sattel  über  den 
Pferderücken.  Bei  der  Lösung  wird  die  Gallenblase  verletzt,  es  tritt 
helle  Galle  in  Menge  aus.  Leber  ist  massig  vergrössert,  mehr  Hepa- 
toptose.  Im  Choledochus  2  haselnussgrosse  Steine ,  der  Choledochus 
sehr  erweitert;  Extraction,  Hepaticusdrainage.  Tamponade  nach  Ex- 
cision  der  sehr  morschen  Gallenblase.  Hepatopexie  mit  2  Suturen. 
Schluss  der  Bauch  wunde. 

Verlauf:  Fieberfrei.    Galle  läuft  ziemlich  reichlich. 

25.  7.  03.  Führt  ab.  Reichlich  Stuhl.  Ikterus  anscheinend  etwas 
stärker, 

30.  7.  03.  Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes.  Ent- 
fernung einiger  Nähte  am  oberen  und  unteren  Wundwinkel,  welche 
durchgeschnitten  haben  und  stark  spannten.  Galle  läuft  klar  und 
ziemlich  reichlich. 


—     220     — 

4.  8.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres, 
sämtlicher  Tampons,  die  nicht  sehr  fest  sitzen,  etwas  riechen,  sämt- 
licher Nähte  und  Fäden.  Aasspülnng,  dabei  wird  ein  kleiuhaselnuss- 
grosser  Stein  in  zwei  Hälften  hcrausgespült  (in  den  ersten  Tagen  nacii 
der  Operation  Ikterus  stärker!).  Choledochusincision  gut  sichtbar. 
Ausspülung  des  Hepaticus  und  Choledochus.  Galle  läuft  klar.  Tam- 
ponade. 

Nach   dem  Verbandwechsel  leichter   Frost.     Temp.   abends  39,2. 

5.  8.  03.    Temp.  wieder  völlig  normal.    Morgens  37,6,  abends  37,6. 
8.  8.  03.    Verbandwechsel.     Ausspülung  des  Hepaticus   und  Cho- 
ledochus.    Tamponade.     Fat.  steht  auf. 

12.  8.  03.  Massig  viel  Galle  im  Verband.  Verband  nicht  durch. 
Ausspülung  des  sehr  gut  sichtbaren  Hepaticus. 

19.  8.  03.  Beim  Ausspülen  wird  heute  ein  etwa  V*  erbsengrosser 
Steintrümmer  (anscheinend  noch  ein  Rest  des  am  4.  8.  herausgespülten 
Steines,  der  nicht  ganz  vollständig  abgegangen  war)  heransgespült. 
Galle  läuft  noch  reichlich.    Täglich  Verbandwechsel. 

24.  8.  03.  Galle  läuft  weniger.  Wundtrichter  sehr  eng  und  flach. 
Verband  meist  2  Tage  trocken. 

30.  8.  03.    Es  läuft  keine  Galle  mehr. 

2.  9.  03.  Fat.  wird  mit  kleinem,  gut  granulierendem  Wundtrichter 
entlassen. 

Epicrise:  Eine  Karlsbader  Kur  hätte  hier  nur  die  Chol- 
angitis beseitigen  können,  nicht  die  Steine.  Diese  waren  viel 
zu  gross.  Eigentümlich  war  die  Überlagerung  des  Duodenums 
durch  die  Gallenblase.  Wäre  die  Frau  reich  gewesen,  wäre 
sie  gewiss  auch  nach  Karlsbad  gegangen,  und  der  augenblick- 
liche Nutzen,  der  wahrscheinlich  nicht  ausgeblieben  wäre,  hätte 
leicht  eine  Heilung  vortäuschen  können.  Für  arme  Kranke  ^st 
die  Operation  richtiger  wie  Karlsbader  Kuren.  —  14  Tage 
post  operat.  wurde  ein  Stein  herausgespült! 

Nr.  111.    S»  A.,  31  j.  Kaufmannsfrau  aus  Grüneberg  (Schlesien). 
Aufgen.:  6.  7.  04. 
Operiert:    8.    7.    04.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Hepatopexie. 
Noch  in  Behandlung. 
Anamnese:    Pat.    ist    verheiratet,    hat   zweimal  geboren.    Ein 
Kind  lebt.    Ein  Bruder  der  Mutter  leidet  an  Gallensteinen. 
Pat.  ist  immer  gesund  gewesen. 

Aisjunges  Mädchen  häufig Magenbeschwerdenund  Magenschmerzen, 
zweimal  auch  Magenkrampf.    Dabei  auch  stets  Erbrechen. 

Vor  7  Jahren,  etwa  •/»  Jahr  nach  der  ersten  Geburt,  plötzlich 
krampfartige  Schmerzen  im  Leib,  die  etwa  16  Stunden  anhielten,  da- 
bei galliges  Erbrechen.    Keine  Gelbsucht.    Der  Arzt  konstatierte  Gal- 


—     221     — 

lensteine  und  eine  Anschwellung  der  Gallenblase.  Nach  noch  einem,  dies- 
mal sehr  leichten  Anfall  hatte  Pat.  dann  1  Jahr  Ruhe.  Danach  begannen 
wieder  die  Anfälle,  die  halb-  bis  vierteljährlich  in  gleicher  Art  auf- 
traten. Dabei  war  bei  den  Anfällen  fast  stets  Gelbsucht  vorhanden, 
meist  3—4  Tage  lang.  Vor  2  Jahren  gingen  nach  einer  Oelkur  16  fast 
erbsengrosse  Gallensteine  ab. 

.  Seit  1  Jahre  sind  die  Anfälle  häufiger,  meist  leichter.  Pat.  hat 
seitdem  eigentlich  fast  täglich  Schmerzen  und  Druckgefühl  in  der 
Magengrube.  Im  Laufe  des  letzten  Jahres  auch  einige  heftigere  An- 
fälle mit  Gelbsucht,  die  letzten  vor  8  und  14  Tagen.  Stuhl  war  da- 
bei weiss,  Urin  dunkel. 

Pat.  hat  in  den  letzten  Jahren  stark  an  Gewicht  abgenommen. 
Appetit  massig.    Stuhlgang  etwas  träge. 

Befund:  Elend  aussehende  Frau  ohne  Ikterus,  aber  mit  zahl- 
reichen Kratzspuren.  Leber  vergrössert,  sehr  hart.  Besoiiders  der 
rechte  Leberlappen  steht  sehr  tief,  3  cm.  unter  der  Nabelhorizontale. 
Tumor  der  Gallenblase  undeutlich.  Gallenblasengegend  druckempfindlich, 
ebenso  die  Mittellinie.  Urin  frei,  vielleicht  eine  Spur  von  Gallenfarb- 
stoff. Pat.  bekommt  Clilorcalciiim  3,6  als  Clysma,  kann  es  aber  nicht 
halten.  Anch  mit  Opinmtinktar  (10  Tropfen)  nnd  als  Stärkeklystier 
wird  es  wieder  entleert.  Deshalb  wird  vom  Chlorcalcinm  Abstand  ge- 
nommen. 

Diagnose:  Chronische  Cholecystitis,  Steine  im  Choledochus, 
biliäre  Cirrhose. 

Operation:  8.  7.  04.  In  Gegenwart  der  Herren  Professor  Dr. 
M.  Kousn et z off- Warschau  und  Dr.  Lumniczer-Budapest.  Wel- 
lenschnitt. Leber  gross,  cirrhotisch.  Mittelgrosse  Gallenblase,  am 
Peritoneum  parietale  eine  schmale  Adhaesion.  Trennung  mit  der 
Schere.  Gallenblase  allseitig  mit  Netz  verwachsen,  wird  gelöst.  Im 
Choledochus,  der  sehr  erweitert  ist  (Daumenstärke),  viele  Steine.  In- 
cision  im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus.  Es  tritt  klare  Galle 
aus.  Viele  kleine  Steine  im  Hepaticus,  duodenalwärts  ein  haselnuss- 
grosser  Stein.  Retroduodenaler  Teil  des  Choledochus  frei.  Eine  Korn- 
zange lässt  sich  dnrch  die*Papille  in  das  Duodenum  schieben;  ebenso 
eine  dicke  Sonde.  In  den  nunmehr  leeren  Hepaticus  wird  ein 
Streiten  Gaze  gelegt.  Dann  Ectomie.  Dabei  reisst  die  morsche  Gallenblase 
am  Fundus  ein,  und  es  treten  Steine  ans.  Diese  werden  entfernt. 
Trübes  Serum  läuft  in  die  Absperrnngstamponade.  Die  Grallenblase 
wird  cysticuswärts  abgeklemmt,  der  tiberragende  Teil  der  (xallenblase 
wird  fortgeschnitten.  Schwierige  Ectomie,  da  der  Hals  der  Gallen- 
blase sehr  starr  ist,  und  die  Unterbindung  der  Gefässe  dadurch  er- 
schwert wird.  Der  Ductus  cysticus  wii'd  dicht  am  Choledochus  quer 
abgetrennt,  wobei  noch  2  Steine  ans  dem  Cysticns  entfernt  werden, 
nnd  dann  der  Cysticusquerschnitt  durch  2  Suturen  geschlossen.  Hepa- 
topexie  mit  2  Fäden.  2  Umstechungsnähte  im  Leberbett.  Rohr  in 
den  Ductus  hepaticus.  Dichte  Naht  um  das  Rohr  herum.  4  Tampons- 
Dauer  der  Operation  1  Stunde.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (40  gr  ) 


—      222     — 

Die  excidierte  Gallenblase  ist  wandverdickt,  chronisch  entzündet, 
im  Cysticus  eine  Ulceration.    Sie  enthält  viele  kleine  Steine. 

Verlauf:  In  den  ersten  Tagen  Pulsbeschleunigung  (bis  140  Pulse) 
und  Temperaturerhöhung.  Sobald  die  Blähungen  am  3.  Tage  richtig 
in  Gang  kommen,  wird  der  Puls  langsamer,  die  Temperatur  normal. 

Weiterer  Verlauf  vollkommen  fieberfrei. 

21.  7.  Erster  Verbandwechsel.  Tampons  sitzen  sehr  locker. 
Ein  bohiieii^rosser  und  i  erbsengrosse  Steine  werden  ans  dem  Hepaticns 
ansgespUK.  Choledochusincision  liegt  ausserordentlich  frei  zugänglich, 
lässt  sich  sehr  gut  spülen. 

22.  7.      Gallenfiuss    sehr  stark.      Beim    Verbandweclisel   wird    ein 
erbseugrosser  Stein  heraiisgespfilt. 

24.  7.    Ein  bolinengrosser  Stein  wird  ans  dem  Hepaticns  ausgespült. 

26.  7.  Nocli  ein  erbsengrosser  Stein  beim  Ausspülen  entfernt.  Mit 
der  Sonde  werden  in  beiden  Hepatiousästen  keine  Steine  mehr  gefühlt. 

31.  7,     Pat.  steht  auf;   Choledochusincision    noch   gut   zugänglich. 

Rpicrise:  Ich  habe  mit  den  beiden  hospitierenden  Herren 
Collegen  vor  der  Operation  den  Fall  besprochen  und  meine 
spezielle  Diagnose  begründet.  Dass  so  viele  Steine  im  Chole- 
dochus  und  Hepaticus  steckten  und  kein  Ikterus  vorhanden 
war,  kam  ihnen  gewiss  überraschend.  Aber  man  konnte  aus 
der  Anamnese  und  aus  dem  Leberbefund  ganz  gut  die  richtige 
Diagnose  stellen.  —  In  technischer  Beziehung  bot  die  Ope- 
ration insofern  keine  grossen  Schwierigkeiten,  als  der  jetro- 
duodenale  Teil  des  Choledochus  frei  war;  die  Ectomie  war 
schwierig,  da  die  Leber  bei  ihrer  Festigkeit  wenig  auswich 
und  die  Gallenblase  selbst  sehr  morsch  war.  In  wenigen  Minuten 
war  das  Rohr  in  den  Hepaticus  eingefülirt  und  die  wasser- 
dichte Naht  angelegt;  jedenfalls  geht  das  rascher,  wie  eine 
gründliche  Naht  der  Choledochusincision.  Bei  den  vielen 
Steinen  im  Hepaticus  wäre  eine  völlige  Naht  geradezu  falsch 
gewesen,  wie  sich  ja  auch  bei  der  Nachbehandlung  gezeigt  hat. 

:.;)  Hepaticusdrainage  mit  Cysticotomie  und  Ectomie. 

Nr.  112.    M.  R.,    37j.  Pastorsfrau    aus  Bertingeii  bei  Mahi- 
winkel. 

Aufgen.:  9.  6.  1904. 

Operiert:    IL    6.    1904.     Hepaticusdrainage.     Cystico- 
tomie.    Ectomie. 
Entlassen:  22.  7.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:    Pat.    hat    5   Kinder.      Letzte    Geburt    April  1903. 
In  der  Familie  der  Pat.  sind  häufiger  Herzkrankheiten  vorgekommen. 


—     223     — 

Pat.  litt  mit  8  Jahren  an  Gelenkrheumatismus,  seitdem  besteht  ein 
Herzfehler.  Sie  war  bleichsüchtig  bis  zum  24.  Jahr.  Juli  1902 
6  Wochen  lang  Blinddarmentzündung,  desgleichen  Ok- 
tober 1902.  Doch  wurde  im  Wollmirstedter  Krankenhaus,  wo  Pat. 
nach  Ablauf  der  Erkrankung  operiert  werden  sollte,  eine  harte  An- 
schwellunng  in  der  Leber  bezw.  Gallcnblasengegend  festgestellt  und 
damit  auch  die  häufigen  Anfälle  von  Magenkrämpfen  als  Gallenstein- 
koliken erkannt. 

Nach  der  Geburt  des  1.  Kindes  18ö6  erster  Kolikanfall  („Magen- 
krampf") von  einigen  Stunden  Dauer.  Die  gleichen  Anfälle  in  den 
nächsten  Jahren  2— 3mal  jährlich,  öfters  dabei  Erbrechen.  Nach  der 
Geburt  des  8.  Kindes  19C0  wurden  die  Anfälle  länger  und  heftiger. 
1902  nach  den  beiden  Blinddarmentzündungen  wurden  die  Magen- 
krämpfe zuerst  als  Gallensteinkoliken  erkannt. 

Seit  Herbat  1902  wurden  die  Koliken  häufiger  und  heftiger,  traten 
zuletzt  alle  8  Tage  auf. 

Im  Februar  1904  trat  nach  einer  Kolik  Fieber  (Schüttelfröste) 
und  Gelbsucht  auf,  dabei  Leberschwellung.  Stuhl  weiss,  nach  Karls- 
bader Salz  regelmässig.  Urin  dunkel.  Steine  wurden  im  Stuhl  nicht 
gefunden.  Die  Gelbsucht  hielt  seitdem  an,  wechselte  jedoch  anfangs 
an  Intensität.  Koliken  traten  auch  weiterhin  auf,  die  letzte  heftige 
vor  14  Tagen.  Pat.  hat  an  Gewicht  erheblich  abgenommen,  fühlt  sich 
sehr  matt,  friert  leicht. 

Im  vorigen  Jahre  Chologen-Kur  (6  Schachteln  No.  1  und  2),  seit 
Februar  1904  nochmals  Chologen-Kur  (2  Schachteln).  Jedoch  keine 
erhebliche  Besserung. 

Herr  Dr.  Zander-Angern  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Elende,  stark  ikterische  Frau.  Leber  gross,  davor 
medial  undeutlicher  Tumor  der  Gallenblase  tastbar.  Mittellinie  bei 
Druck  schmerzhaft.     Im  Urin  Gallenfarbstoff,  etwas  Eiweiss. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  11.  6.  04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (40  gr). 
Wellenschnitt.  Hepatoptose.  Leber  lässt  sich  bequem  samt  der 
grossen,  mit  Netz  verwachseneu  Gallenblase  nuikippen.  Im  Choledochn* 
—  halb  im  retrodnodenalen  nnd  halb  im  siipradnodenaleu  Teil  ~  fest- 
sitzend ein  walnnssgrosser  Stein.  Derselbe  lässt  sich  leicht  in  den 
stark  erweiterten  Cysticns  hochdrücken,  aber  in  die  Gallenblase  lässt 
er  sich  nicht  verschieben.  Incision  auf  den  Stein,  nachdem  eine  ge- 
hörige Absperrungstamponade  vorgenommen  ist.  (Fig.  8)  Es  fliesst  sofort 
trübe  Galle  in  grosser  Menge,  die  weggetupft  wird.  Der  Stein,  wal- 
nussgross,  wird  entfernt.  Cysticuswärts  und  duodenalwärts  6  erbsen- 
grosse  Steine.  Die  Incisionsränder  werden  mit  2  König'schen  Klem- 
men gefasst;  es  stellt  sich  heraus,  dass  die  Incision  zu  zwei  Drittel 
den  bis  auf  Daumenstärke  erweiterten  Cysticns  nnd  zu  einem  Drittel 
den  CUoledochu.s  betrifft.  Man  sieht  deutlich  die  Scheidewand  zwischen 
Cysticns  und  Hepaticus  nnd  kann  von  dem  dicht  am  Duodenum  end- 
igenden  Schnitt  Im  Choledochus  ein  1  cm.  starkes  Giimmirohr   in    den 


a)  Stein  liegt  teilweise  retroduodenal,   lässt  sich  in  den  erweiterten 
ductus  cysticus  schieben,  so  dass  er  die  Lage  von 

b)  einnimmt.    Hier  wird  er  durch  Cysticus-  und  Oholedochus-Incision 
entfernt. 

c)  Art.  cystica. 

d)  Leber. 


Fig.  9. 


a)  In  si'"h  vernähte  Cysticussohleimhaut. 

b)  Hepaticusdrainage. 

c)  Unterbundene  art.  cystica. 

d)  Leber. 


—     225     — 

Hepaticns  vorschieben.  Dieser  frei  von  Steinen.  Papille  für  eine 
üterussonde  durchgängig.  Nun  erst  wird  die  (xalien blase  entfernt. 
Das  gelingt  in  2  Minuten.  Starke  IHntung  aus  dem  Leberbett,  resp. 
ans  den  Rändern  desselben.  3  Sutnren,  darunter  Draht.  Der  Cysticus 
ist  sehr  erweitert,  der  ca.  1  cm.  lange  zurückbleibende  Rest  wird  in 
sich  mit  drei  Nähten  vernäht.  Eine  Ligatur  an  die  starke  art.  cystica. 
Dichter  Verschluss  der  Choledochusincision  um  das  Hepaticusrohr 
herum.  (Fig.  9.)  4  Tampons.  Pylorus  drängt  sich  leicht  vor  und  wird  durch 
einen  fünften  Tampon  in  die  Tiefe  geschoben.  Appendix  wird  revidiert 
und,  weil  sie  völlig  normal  ist,  unberührt  gelassen.  Hepatopexie  ist 
nicht  nötig,  da  die  Tampons  die  Leber  genügend  hochdrücken.  Gallen- 
blase ist  sehr  geräumig,  Cysticus  so  weit,  dass  er  aufgeschnitten  ca. 
5  cm,  breit  ist.  Die  Steine  sind  sehr  fest  und  zeigen  nicht  die  geringste 
Einwirkung  des  Chologen.  Dauer  der  Operation  45  Min.  Puls  gut. 
Galle  läuft. 

Ueber  die  Gallenblase  schreibt  das  path.  Institut  in  Marburg 
Folgendes : 

Makroskopischer  Befund :  leichte  Verdickung  der  gesamten 
Gallen  blasen  wand.  Die  Schleimhaut  in  der  distalen  Hälfte  der  Blase 
besonders  glatt.  Am  Fundus  zeigen  sich  grünliche  Flecken  und  ein 
fast  linsengrosses  Geschwür  mit  divertikelartiger  Ausbuchtung  der 
Wand ;  sehr  weiter  Duct.  cysticus  (45  mm.  im  Umfang). 

Mikroskopische  Untersuchung  zeigt,  dass  das  Geschwür  den  gröss- 
ten  Teil  der  Wand  durchsetzt,  in  seiner  Umgebung  finden  sich  sehr  zahl- 
reiche Cholestearinkrystalle,  welche  von  zahlreichen  Fremdkörper- 
riesenzellen umgeben  sind.  Die  Schleimhaut  erscheint  auch  in  der 
Nähe  des  Geschwürs  vollkommen  zerstört.  Die  Muskulatur  wird  an  ein- 
zelnen Stellen  durchsetzt  von  schmalen,  mit  hohem  cylindrischen 
Epithel  ausgekleideten  Gängen. 

Verlauf:  Fieberfrei. 

Am  26.  6.  08  ist  der  Verband  stark  von  Blut  durchtränkt.  Verband- 
wechsel. Entfernung  der  Tampons.  In  der  Tiefe  der  Wunde  liegen 
viele  Blutgerinnsel.  Dieselben  werden  entfernt  und  die  Wunde  mit 
Kochsalzlösung  ausgespült.>  Choledochusincision  ist  gut  zugänglich. 
Neue  Tamponade.  Zwei  Mal  3,6  gr.  Chlorcalcium  als  Clysma.  Blutung 
wiederholt  sich  nicht  wieder. 

28.  6.  03.    Gallenfluss  bewegt  sich  in  massigen  Grenzen. 

3.  7.  03.  Es  fiiesst  keine  Galle  mehr.  Pat.  steht  auf  und  hat  sich 
schon   sehr  erholt.     Guter   Appetit.    Ikterus  fast  ganz  geschwunden. 

7.  7.  03.    Wunde  sehr  eng.    Guter  Allgemeinzustand. 

22.  7.  03.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Wurmfortsatz  war  ganz  normal;  die 
Appendicitis  wird  also  wohl  eine  Cholecj^stitis  gewesen  sein. 
—  Von  einer  Chologenwirkung  war  gar  nichts  zu  merken.  Auf- 
fallend war  die  erhebliche  Erweiterung  des  Ductus  cysticus, 
wie  ich  eine  solche  kaum  vorher  beobachtet  habe.     Die  Chole- 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  15 


—     226     — 

dochotomie  war  zu  ^/s  eine  Cysticotomie.  Da  die  Leber  sich 
gut  umkippen  liess,  konnte  der  Choledochus  ini  Niveau  der 
Bauchdecken  incidiert  werden.  Ich  habe  iu  diesem  Fall  zu- 
erst den  Choledochusstein  entfernt  und  dann  die  Gallen- 
blase exstirpiert. 

Nr.  113.    J.  Seh.,   34 j«    Arbeitersfrau    aus    Schmatzfeld    bei 
Wasserleben. 

Aufgen.:  18.  8.  1900. 

Operiert:   21.  8.   1900.     Hepaticusdrainage.     Cysticp- 

tomie.    Ectomie. 
Entlassen:  7.  10.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Die  Mutter  der  Pat.  war  angeblich  magenleidend. 
Seit  vielen  Jahren  hat  sie  stets  Magenbeschwerden.  Stuhl  träge.  Vor 
ca.  6  Jahren  trat  nach  einer  Entbindung  (IV.  Kind)  die  erste  Kolik 
auf,  sehr  heftige  nach  dem  Rücken  ausstrahlende  Schmerzen  in  der 
Magengrube,  mit  starkem  Ikterus  und  Erbrechen.  Auf  Fieber  hat  sie 
nicht  geachtet.  Die  Koliken  wiederholten  sich  in  Pausen  von  etwa 
'/4  Jahr  und  traten  besonders  stark  nach  Entbindungen  auf.  Vor 
V*  Jahr  VIII.  Entbindung,  danach  wieder  starke,  8  Tage  dauernde 
Kolik,  während  welcher  Pat.  viel  Morphium  bekam.  Dann  wieder 
Pause  von  mehreren  Wochen  und  vor  7  Wochen  sehr  heftige,  lUtägige 
Kolik  mit  starkem  Ikterus.  Wieder  viel  Morphium.  In  der  nächsten 
Zeit  kamen  1—2  Mal  in  der  Woche  Koliken  geringerer  Intensität,  die 
letzte  am  17.  8.  Der  Ikterus  wechselte  dabei,  bald  war  er  stärker, 
bald  schwächer.  Starke  Abmagerung.  Herr  Dr.  H  e  r  r  m  a  n  n-Wasser- 
lebeu  schickt  die  Pat.  zur  Operation. 

Befund:  Abgemagerte  Frau  von  leicht  gelblicher  Hautfarbe. 
Temp.  37,1.  Puls  72,  regelmässig.  Urin  frei  von  Eiweiss,  Zucker, 
Gallenfarbstoff.  Stuhl  gefärbt.  Geringe  Druckempfindlichkeit  imd 
Resistenz  in  der  Gallenblasengegend. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.  Stein  im  Choledochus 
wahrscheinlich. 

Operation:  21.8.  00.  Wellenschnitt.  Gallenblase  normal  gross , 
sehr  wandverdickt,  Fundus  mit  Netz  verwachsen,  Lösung.  Im  Cysticus 
ein  haselnussgrosser  Stein,  in  der  Gallenblase  viele  Steine,  fast  kein 
flüssiger  Inhalt..  Cysticotomie.  Der  Stein  ragt  mit  der  Kuppe  in  den 
Choledochus.  Es  fliesst  aus  dem  Hepaticus  trübe  Galle.  Im  Chole- 
dochus keine  weiteren  Steine.  Excision  der  morschen  Gallenblase.  Be- 
sondere Ligatur  der  art.  cystica.  Drainage  des  Hepaticus.  Verkleine- 
rung der  Choledochusincision  durch  Nähte,  die  lang  gelassen  werden. 
Tamponade.    Bauchdeckennaht.     Verband.     1  stund.  Operation. 

Verlauf:  Abends  37,2.    Puls  80. 

22.  8.  88,2.  Puls  88.  Kein  Erbrechen.  Gallenfluss  375  gr.  38,8. 
Puls  92. 


nichts  zu  hören. 

25. 

8. 

38,3. 

26. 

8. 

38,3. 

27. 

8. 

38,3. 

28. 

8. 

38,0. 

29. 

8. 

38,0. 

Wohlbefinden, 

—     227     — 

28.  8.  37,7.  Puls  76.  Blähungen  seit  gestern  Abend  im  Gange. 
Trinkt  Kaffee  mit  Milch,  kein  Erbrechen  oder  Aufstosseu.  Gallenfluss 
350  gr.    Abends  38,4. 

24,  8.    38,4.    Puls  80.     Etwas  blutiger  Auswurf,  über  den  Lungen 
Gallenfluss  300  gr.     Abends  38,*^. 
Puls  84.    Gallenfluss  350.    Abends  38,6. 
„100.  „  280.  „      38,9. 

„   100.  „  300.  „      38,3.   Abführen. 

„    96.  „  250.  „      38,6. 

„  104.  „  600.  „      38,5. 

aber  geringer  Appetit.    Vielleicht  darauf  znrück- 
znruhren,  dass  der  Gallenflnss  sehr  bedeateud  ist  (600  gr.) 

30.  8.  38,1.  Heute  sogar  750  gr.  Galle.  Die  Temperaturen  sind  auf 
eine  Fadeneiterung  zurückzuführen.  Sonst  ist  der  Leib  weich,  die  Wunde, 
wie  der  heutige  Verbandwechsel  zeigt,  in  Ordnung.  Die  Tampons 
werden  noch  nicht  entfernt.     Aussehen  der  Pat.  ist  gut,    Abends  37,6. 

31.  8.    37,5.    Puls  82.    Verband  ist  durchtränkt.   Wechsel.   37,8. 

1.  9.     36,3.    Puls  84.    Tampons  entfernt.  37,7. 

2.  9.  Puls  88.  Täglich  Verbandwechsel.  Beim  Ausspüleu  des 
Uepaticns  kouiineu  kleine  Steine  zum  Vorschein.    Ebenso  aui 

3.  9.    Im   Choledochus  sind  keine  Steine  mehr. 

5.  9.  Täglicher  Verbandwechsel.  Wenig  Galle.  Wunde  verkleinert 
sich,  Hepaticusloch  schon  sehr  eng,  aber  noch  zugänglich.  Da  die 
Galle  ganz  klar  abfliesst,  wird  auf  weitere  Ansspfilnugeu  verzichtet. 
Stuhlgang  ist  bereits  gefärbt.    Gutes  Allgemeinbefinden. 

6. — 10.  9.  Täglicher  Verbandwechsel.  Gallenfluss  ist  schon  sehr 
gering.     7.  10.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Auch  hier  sind  bei  der  Nachbehandlung  noch 
kleine  Steine  aus  dem  Hepaticus  herausgespült  worden ;  hätte 
man  hier  den  Cysticus  verschlossen,  so  wäre  es  wahrscheinlich 
der  Kraft  des  Gallenstroms  gelungen,  die  Concremente  in  das 
Duodenum  zu  treiben.  Aber  ebenso  gut  konnten  sie  liegen 
bleiben  und  sich  vergrössern.  Dann  gibt  es  „Recidive",  weil 
die  Operation  unvollständig  und  nicht  gründlich  genug  war. 
Siehe  meine  Arbeit  in  der  Berl.  Klinik:  „Über  Recidive  nach  Gal- 
lensteinoperationen". Dort  ist  ein  ganz  ähnlicher  Fall  (Frau 
St.,  pag.  16  bis  18)  veröffentlicht  worden. 

Nr.  114.     H.  L.,  44:j.  Agentenfrau  aus  Düsseldorf. 

Aufgen.:  10.  6.  1903. 

Operiert:  15.  6.  1903.    Hepaticusdrainage.     Cystico- 

tomie.     Ectomie. 
Entlassen:  4.  8.  1903.     Geheilt.  "     . 

A.namnese:  Seit  ca.  17  Jahren  Gallenstein-Koliken.  Anfälle  von 
Magenkrämpfen,   Schmerzen  in   der  Magengrube   nach   rechts  in   den 

15* 


—     228     — 

Rücken  ausstrahlend.  Vor  2  Jahren  sehr  schwere,  wochenlang  dauernde 
Erkrankung.  Dieselbe  begann  mit  Schmerzen  (Kolik)  im  Leibe,  dann 
setzten  Schüttelfröste  und  hohes  Fieber  ein,  denen  Ikterus  folgte. 
Wenn  nach  einigen  Tagen  das  Krankheitsbild  langsam  sich  besserte, 
und  die  Pat.  sich  wieder  wohler  fühlte,  der  Ikterus  etwas  abblasste, 
der  vorher  acholische  Stuhl  sich  wieder  färbte  etc.,  setzten  neue  Schüttel- 
fröste ein,  und  der  ganze  Symptumen-Komplex  spielte  sich  in  derselben 
Folge  wieder  ab.  Das  ging  wochenlang  ('/*  Jahr)  so  fort.  Dann  trat 
Besserung  ein.  Von  jener  Zeit  ab  traten  aber  diese  Anfälle  von  Schüttel- 
frost, Fieber,  dann  Ikterus  immer  wieder  auf.  Erstlich  alle  14  Tage, 
später  in  grösseren  Pausen.  Zuletzt  hatte  Pat.  von  Weihnachten  bis 
jetzt  Ruhe.  Während  einer  Karlsbader  Kur,  Mai  1903,  trat  infolge  Er- 
kältung ein  leichter  Katarrh  der  Liiftwege  auf,  der  zu  Husten  führte. 
Darauf  neuer  Anfall  von  Gelbsucht.  Seit  die  Anfälle  von  Ikterus  regel- 
mässig wiederkehren,  treten  fast  gar  keine  Schmerzen  mehr  auf.  Die  letz- 
ten Anfälle  waren  ganz  schmerzlos.  Steine  sind  nie  abgegangen.  Pat.  hat 
zahllose  Kuren  durchgemacht,  so  bei  Schür mayer-Hannover,  Cho- 
logenkur  von  Glaser. 

Befund:  Magere,  sehr  ikterische  Frau.  Leber  gross,  sehr  hart, 
Milz  gross.  Keine  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend. 
Urin  enthält  Gallenfarbstcff,  geringe  Mengen  Eiweiss.  Pat.  bekommt 
täglich  3,6  gr.  Chlorcalcium  per  clysma._ 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus.    Biliäre  Lebercirrhose. 

Operation:  15.  ö.  03  im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Unger-Leipzig. 
Wellenschnitt.  Leber  gross,  sehr  hart.  Etwas  Ascites.  Gallenblase  klein, 
mit  Netz  verwachsen.  Blatnng  bei  der  Lösung  schwer  zu  stillen.  Im 
Choledochus,  der  tief  liegt  und  in  Verwachsungen  eingehüllt  ist,  drei 
grosse  Steine.  Trübe  Galle.  Pankreas  hart.  Ectomie  der  kleinen, 
einen  Stein  enthaltenden  Gallenblase.  Hepaticusdrainage  nach  Spaltung 
des  ductus  cysticus.  Tamponade.  Dauer  der  Narkose  80  Min.,  der 
Operation  60  Min.  (60 gr.  Chloroform).  GuteSauerstoff-Chloroformnarkose. 

Verlauf:  Gut. 

29.  6.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  beiden  seitlichen  ober- 
flächlichen Tampons,  die  fest  sitzen.  Dabei  ziemlich  starke  Blntiing. 
Lockerung  der  übrigen  Tampons.    Verband. 

2.  7.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres  und  der  Tam- 
pons, die  sehr  festsitzen,  etwas  riechen.  Dabei  massig  starke  cholä- 
mische  Blutung.  Entfernung  sämtlicher  Nähte.  Wunde  sieht  gut 
aus.  Tamponade.  Verband.  Milz  nicht  mehr  palpabel.  Temp. 
abends  39,3. 

3.  7.  03.    Temp.  morgens  38,1,  abends  38,4. 

4.  7.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons.  Dabei  keine 
cholämische  Blutung.  Ausspülung  des  Choledochus.  Tamponade.  Temp. 
abends  38.0.  Choledochus  -  Incision  im  obersten  Winkel  des  Wnnd- 
trichters  gut'  sichtbar. 

6.  7.  03.     Pat.  steht  auf. 


—     229     — 

7.  7.  03.  Lauge  Fäden  bis  auf  zwei  werden  entfernt.  Galle  läuft 
klar.  Gelbsucht  geht  zurück.  Milz  nicht  fühlbar.  Stuhl  noch  grau. 
Appetit  gut.    Verband  täglich  durch. 

11.  7.  03.  Verband  täglich  nur  wenig  durch.  Stuhl  jetzt  leicht 
gefärbt.  Letzte  Fäden  werden  entfernt.  Wuudtrichter  verkleinert  sich 
jetzt  schnell. 

16.  7.  03.  Es  läuft  nur  noch  etwas  Galle,  Stuhl  meist  gefärbt. 
Verband  ist  nicht  durch. 

18.  7.  03.  Feste  Tamponade  des  sehr  engen  Wundtrichters,  dabei 
ziemlich  erhebliche  venöse  Blutung. 

21.  7.  03.  Keine  Galle  mehr  im  Tampon,  doch  läuft  nach  der  Ent- 
fernung des  Tampons  und  Ausspülung  klare  Galle  nach.  Dabei  wieder 
sehr  starke  Blutung  aus  zwei  kleinen  spritzenden  Venen.  Feste  Tam- 
ponade. 

25.  7.  03.  Nur  noch  geringe  Blutung  beim  Verbandwechsel  aus 
dem  Wundtrichter. 

27.  7.  03.  Es  läuft,  auch  beim  Ausspülen,  keine  Galle  mehr.  Keine 
nennenswerte  Blutung  mehr  beim  Tamponieren. 

4.  8.  03.  Fat.  wird  mit  kleinem,  gut  granulierendem  Wundtrichter 
entlassen.  Kein  Ikterus  mehr,  Stuhl  und  Urin  normal.  Leberschwellung 
etwas  zurückgegangen.    Milz  bedeutend  kleiner. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Gallenblase  durch  das  pa- 
thologische Institut  in  Marburg  ergibt  folgenden  Befund: 

Schnitte  durch  das  Gewebsstück  zeigen,  dass  dasselbe  hauptsächlich 
aus  lockerem,  nicht  der  eigentlichen  Blasenwand  angehörigem,  von 
grossen  Gefässen  durchzogenem,  gut  erhaltenem  Bindegewebe  besteht, 
dem  nur  noch  Reste  der  eigentlichen  Wand  in  Form  unregelmässig  vor- 
springender, durch  tiefe  Einschnitte  von  einander  getrennter  Buckel 
aufgelagert  sind.  Diese  Buckel  bestehen  zum  Teil  aus  zellig  infiltrierten 
Muskelresten,  zum  Teil  aus  reinem  chronischen  Granulationsgewebe. 
Nekrosen  sind  nicht  vorhanden.    Drüsen  fast  völlig  geschwunden. 

Epicrise  :  Da  in  der  letzten  Zeit  die  Koliken  wegblieben, 
wurden  die  behandelnden  Ärzte  verleitet,  die  Diagnose  Gallen- 
steine fallen  zu  lassen.  Das  Fehlen  der  Koliken  bei  chron. 
Choledochusverschluss  ist  nichts  Seltenes.  —  Sehr  rasch  er- 
folgte Rückgang  der  geschwollenen  Milz  und  Leber. 

Nr,  llf .    H.  S.,  5l^j.  Reutiersfraii  aus  New-York. 

Aufgen.:  23.  7.  1903. 

Operiert:  31.  7.   1903.     Hepaticusdrainage.    Cystico- 

tomie.   Ectomie.     Hepatopexie.     Hernienexcision. 
Entlassen:  16.  9.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:   Fat.  leidet  seit  12  Jahren  oft   an  Bronchitis.     1900 
ist  Fat.   von   Herrn   Frof.  H och en egg  wegen   linksseitigen   Ovarien- 
tumors,  der  starke  Schmerzen  in  der  linken  Seite  des  Unterleibes  und 


—     230     — 

heftige  Blutungen  verursacht  hatte,  operiert  worden.  Seitdem  keine 
Menses  mehr.  Seit  der  Operation  hat  Pat.  fast  dauernd  Störungen  der 
Darmtätigkeit,  bald  Verstopfung,  bald  heftige  Durchfälle,  und  auch  ab 
und  zu,  besonders  beim  Stuhlgang,  Schmerzen  in  der  linken  Unterleibs- 
seite. Ausserdem  hat  Pat.  viermal  an  Venenentzündungen  an  den 
Beinen  gelitten.  Auch  stellen  sich  seit  dem  Aufhören  der  Menses 
häufig  heftige  Kongestionen  ein. 

Die  Mutter  der  Pat.  ist  an  Gallensteinen  in  New-York  operiert 
und  gestorben. 

Im  Oktober  1902  eine  Woche  lang  häufige  Anfälle  von  Rücken- 
schmerzen und  Schmerzen  in  der  linken  Seite  (Herz-  und  Magengegend). 
Danach  völliges  Wohlbefinden  bis  März  1903. 

Im  März  1903  plötzlich  Anfall  von  äusserst  heftigen  Rücken - 
sclimerzen  („als  ob  der  Rücken  bräche")  und  Schmerzen  in  der  linken 
Seite  (Herz-  und  Magengegend).  Der  Anfall  dauerte  24  Stunden,  am 
nächsten  Tage  bereits  starke  Gelbsucht.  Die  Schmerzen  traten 
noch  10—12  Tage  anfallsvs^eise  auf.  Kein  Erbrechen,  kein  Fieber,  keine 
Schüttelfröste.  Die  Schmerzen  hörten  dann  auf.  Die  Gelbsucht  blieb 
jedoch  bestehen,  wechselte  aber  häufig  an  Intensität.  So  verschwand 
z.  B.  während  einer  Kur  zu  Neuenahr  im  Juni  die  Gelbsucht  fast  ganz, 
Pat.  fühlte  sich  wieder  wohl.  Nach  einiger  Zeit  trat  jedoch  Ikterus 
von  neuem  auf,  um  in  wechselnder  Intensität  bis  jetzt  anzuhalten.  Das 
anfänglich  starke  Jucken  am  ganzen  Körper  hat  seit  der  Kur  in  Neuen- 
ahr fast  gänzlich  aufgehört. 

Der  Stuhl  ist  meist  weiss  oder  grau,  ab  und  zu  jedoch  braun; 
teils  besteht  Verstopfung,  teils  treten  heftige  Durchfälle  auf.  Beim 
Stuhlgang  meist  Schmerzen  in  beiden  Seiten  des  Unterleibes  und  hef- 
tiges Brennen  in  der  Blase.  Der  Urin  ist  meist  dunkel,  war  jedoch 
während  der  Kur  in  Neuenahr  fast  ganz  hell. 

Seit  März  1903  hat  Pat.  ca.  20  Pfund  an  Körpergewicht  abge- 
nommen. Der  Appetit  ist  jetzt  besser  als  in  der  ersten  Zeit  der  Er- 
krankung. Pat.  ist  sehr  nervös,  fühlt  sich  häufig  matt,  doch  besteht 
auch  ab  und  zu  Wohlbefinden. 

Seit  4  Tagen  leidet  Pat.  wieder  an  Bronchialkatarrh.  Pat.  hat  eine 
Kur  in  Neuenahr  durchgemacht,  ist  mit  heissen  Umschlägen,  Ölkly- 
stieren  behandelt  worden,  dazu  wurde  Diät  innegehalten. 

Wegen  der  Bronchitis  wird  die  Operation  um  8  Tage  verschoben. 

Befund:  Leber  gross,  Gallenblasengegend  druckempfindlich.  Auch 
in  der  Mittellinie  Druckschmerz.  Ikterus  zur  Zeit  massig.  Während  des 
Aufenthalts  in  der  Klinik  gar  keine  Beschwerden.  Ikterus  ist  bedeutend 
zurückgegangen.  Stuhlgang  war  vom  28. — 30./7  braun.  Kleine  Hernie 
am  unteren  Ende  der  Laparotojnienarbe. 

Diagnose:  Bewegliche  Steine  im  supraduod.  Teil  des  Choledochus. 
Augenblicklich  fast  Latenz. 

Operation:  31,  7.  03.  In  Gegenwart  der  Herron  Dr.  Noble- Phi- 
ladelphia und  Dr.  Belz-Charkoff.  Schlechte  Sauerstoff-Chloroformnar- 
kose  (85  gr.  Chloroform).    Dauer  1'/«  Stunden,  durch  Husten  und  Pressen 


—     231     — 

oft  unterbrochen.  Wellenschnitt.  Lebet  wenig  vergrössert.  Gallen- 
blase sehr  gross,  prall  gespannt,  ohne  Verwachsungen.  Aspiration  von 
dicker  Galle.  Steine  in  der  Gallenblase.  Diese  werden  entfernt  und 
Gaze  in  die  Gallenblase  gestopft.  Im  Choledochus  ein  beweglicher  Stein 
fühlbar.  Incision  im  supraduodenalen  Teil.  Mit  Zeigefinger  und 
Danmen  der  linken  Haud  werden  aus  dem  retrodnodenalen  Teil  des 
Choledochus  noch  3  Steine  hochbefördert.  Die  Steine  haben  die 
Grösse  von  sehr  grossen  Erbsen.  Papilla  duodeni  dann  sondierbar. 
Hepaticusdrainage.  Excision  der  Gallenblase.  Der  Hals  ist  divertikel- 
artig  in  die  porta  hepatis  hochgezerrt.  Mühsame  Excision.  Im  sehr  er- 
weiterten Cysticus  noch  3  Steine.  Einer  gelangt  bei  dem  Palpieren 
neben  dem  Hepatieusrolir  vorbei  in  den  Clioledochus  und  wird  bei  der 
Tamponade  erst  bemerkt  und  herausbefördert»  Vernähung  des  Cysticus- 
stumpfs.  Gallenblase  ist  sehr  entzündet,  viele  Ulcerationen,  Cysticus 
sehr  erweitert.  Hepatopexie  mit  3  Suturen.  Im  ganzen  wurden  9  gleich 
grosse  Steine  entfernt.  Reichliche  T^mponade.  Naht.  Excision  der 
kleinen  Hernie  in  der  medialen  Laparotomienarbe.  Dauer  der  Gallen- 
steinoperation 1  Stunde,  der  Hernienoperation  15  Min. 

Verlauf:  Gut. 

11.  8.  03.-  Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes. 

15.  8.  03.  Entfernung  der  Tamponade,  Nähte  und  Fäden.  Gute 
Heilung.  Hepaticus  in  der  Tiefe  gut  zugänglich^  wird  gespült.  Chole- 
dochusincision  gut  sichtbar. 

17.  8.  03.  Verband  täglich  etwas  durch.  Verbandwechsel.  Aus- 
spülung des  Choledochus  ruft  leicht  Spannungskolikeu  hervor.  Tam- 
ponade.    Stuhl  noch  grau. 

19.  8.  03.    Fat.  steht  auf. 

21.8.03.  Wundtrichter  verkleinert  sich  schnell.  Keine  Ausspülung 
des  Hepaticus  mehr. 

27.  8.  03.  Wundtrichter  bereits  sehr  eng,  in  der  Tiefe  geschlossen. 
Es  läuft  weniger  Galle  (Verband  zwei  Tage  trocken).  Stuhl  braun. 
Appetit  gut. 

31.  8.  03.    Nur  noch  eine  Spur  Galle  im  Verband. 

6.  9.  03.     Galle  läuft  jiicht  mehr. 

10.  9.  03.    Die  letzten  beiden  Fäden  entfernt. 

14.  9.  03.    Wundtrichter  völlig  geschlossen. 

16.  9.  03.    Geheilt  entlassen. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  durch  das  path.  Institut  in  Mar- 
burg ergibt  folgenden  Befund: 

Die  in  allen  ihren  Teilen  (auch  Cysticus)  stark  dilatierte  Blase  ist 
mit  einer  sehr  atrophischen  Schleimhaut  ausgestattet,  der  stellenweise 
Epithel  und  Drüsen  fehlen.  Die  letzteren  senken  sich  zum  Teil  tief 
zwischen  die  Lücken  der  weit  auseinandergewichenen  Muskulatur  (die 
vielfach  in  fibröser  Degeneration  begriffen  ist)  in  die  Wand  hinein,  um 
sich  in  der  Tiefe  cystenartig  zu  erweitern.  Um  solche  Cysten  herum 
besteht  eine  stärkere  kleinzellige  Infiltration.  Im  übrigen  sind  die  ent- 
zündlichen Veränderungen  gering. 


—     282     — 

Epicrise:  In  Neueilalir  schwand  der  Ikterus,  d.  h.  der 
Stein  im  Choledochus  wurde  beweglich,  die  Entzündung  schwand. 
Aber  ein  Stein  ist  gewiss  nicht  abgegangen,  dazu  waren  dieselben 
zu  gross.  —  Augenblicklich  herrschte  fast  Kühe  im  Gallen- 
system. Die  Gallenblase  cummunicierte  durch  den  weiten  Cysticus 
mit  dem  Choledochus,  war  sehr  gross  und  prall  mit  Galle 
gefüllt.  Diese  war  dick  und  dunkel,  schien  aber  infektionsfrei. 
Wegen  der  Bronchitis  war  die  Narkose  sehr  massig. 

Nr.  116.    A.  L.,  36j.  Fabrikarbeiter  aus  Harzgerode. 

Aufgen.:  15.  2.  1900.  ' 

Operiert:    10.  4.   1900.     Hepaticusdrainage.     Cystico- 

tomie.    Ectomie. 
•Entlassen:  14.  5.  1900.     Geheilt. 

Familien-Anamnese  und  Vorleben  ohne  Belang. 

1887  leichter  Ikterus  ohne  Schmerzen,  schnell  vorübergehend, 
Pfingsten  1899  in  3  Tagen  2  Kolikanfälle  mit  Erbrechen  ohne  Ikterus 
und  Fieber,  danach  3  Wochen  Schwäche  zurückgeblieben. 

5.  2.  1900  heftiger  Kolikanfall  mit  Fieberfrost  ohne  Erbrechen, 
3  Tage  darauf  Ikterus.  Die  Schmerzen  bestehen  seit  dem  Anfall  in 
gleichmässiger  Stärke,  Ikterus  und  Schwäche  haben  immer  mehr  zu- 
genommen. Es  bestand  Fieber  bis  39,0.  Auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Manne- 
berg-Harzgerode kommt  Fat.  hierher. 

Befund:  Kräftig  gebauter  Mann  von  hochgradig  ikterischem 
Aussehen.  Grosses  Schwächegefühl,  Schmerzen  in  der  Lebergegend, 
die  sich  auf  Druck  steigern.  Die  Leber  ist  stark  vergrössert  und  reicht 
fast  bis  Nabelhöhe.  Gallenblase  nicht  zu  fühlen.  Temp.  39,8.  Puls  124. 
Im  Urin  reichlich  Gallen farbstoff,  Spuren  von  Eiweiss,  kein  Zucker. 
Stuhlgang  tonfarben. 

Diagnose:    Cholangitis. 


15.  2. 

39,8. 

Puls  112. 

■      39,6. 

16.  2. 

39,3. 

.     124. 

40,0. 

17.  2. 

38,4. 

„      120. 

39,0. 

18.  2. 

38,6. 

,      120. 

39,3. 

19.  2. 

38,8. 

.      124. 

39,2. 

20.  2. 

39,3. 

«      116. 

39,4. 

21.  2. 

39,0. 

„     116. 

39,4. 

22.  2. 

38,8. 

„      112. 

39,4. 

23.  2. 

38;7. 

„     116. 

Langsame  Besserung. 

6.  3.    38,3.    Puls  120.    Der  Ikterus  ist   fast  ganz  geschwunden. 
Pat.  fühlt  sich  wohl.    Appetit  gut.    Abends  39,0. 

7.  3.  39,0.  Puls  120.  „        39,0. 

8.  3.  38,7.  „116.  „       39,0. 

9.  3.  37,9.  ,112.  „        38,4. 


—     233     - 

10.  3.  87,9.  Puls  100.  Abends  38,3. 

11.  3.  37,0.  „      100.  ,        38,2. 

12.  3.  37,6.  r,      100. 

Die  Temperatur  geht  zur  Norm  zurück. 

31.  3.  Befund:  Der  Ikterus  ist  fast  ganz  geschwunden  und 
hat  einer  blassen,  nur  noch  grau-gelblichen  Hautfarbe  Platz  gemacht. 
Puls  und  Temperatur  sind  regelrecht.  Urin  frei  von  pathol.  Bestand- 
teilen, Stuhl  normal  gefärbt.  Appetit  und  Verdauung  sind  gut,  All- 
gemeinbefinden ebenfalls.  Es  besteht  noch  Druckempfindlichkeit  in 
der  Gallenblasengegend. 

Diagn  ose  jetzt:  Wahrscheinlich  steckt  noch  ein  Stein  im  Chole- 
dochus,  die  Passage  ist  aber  augenblicklich  frei.  Wieweit  die  Gallen- 
blase an  der  Steiubildung  beteiligt  ist,  entzieht  sich  der  Diagnose. 

Urin  frei  von  Eiweiss,  Zucker  und  Gallenfarbstoff. 

Operation:  10.4.1900.  Wellenschnitt.  Leber  sehr  gross,  rechter 
Lappen  vollständig  mit  dem  perit.  pariet.  verwachsen  (Folgen 
der  Cholangitis).  Gallenblase  klein,  leer,  wandverdickt,  ohne  Ver- 
wachsungen. Im  Hepaticus  fühlt  man  einen  Stein.  Ectomie.  Cystico- 
tomie.  Hepaticiisdraiiiage  nach  Extractioii  «les  erbseiigrosseii  Steines 
ans  «lern  rechten  Ast  des  Hepaticu.s.  Verkleinerung  des  Choledochus- 
schnitts  durch  die  Naht.  Bei  der  Spaltung  des  C5^sticus  starke  arterielle 
Blutung  (Anomalie  der  art  hep.).  Tamponade.  Bauchnaht  nach  Spencer- 
Wells.  Dauer  der  Operation  */4  Stunden  (im  Beisein  des  Herrn  Prof. 
Berg-Stockholm).    Abends  36,9. 

Verlauf:  11.  4.  37,4.  Puls  120.  Mattigkeit.  Nachts  einmal 
Erbrechen.    Nachmittags  Kochsalzinfusion.  37,7.     Puls  120. 

12.  4.  37,6.  Puls  1(X).  Nachts  einmal  Kochsalz,  ebenso  morgens 
und  mittags.    Stuhlgang  spontan. 

Gallenfluss  10.— 11.  4.    230  gr. 
11.— 12.  4.    210  gr. 

13.  4.  37,4.  Puls  92.  Sieht  heute  besser  aus,  Blähungen  und 
Stuhl  spontan.     Kein  Kochsalz.    Abends  3*7,2.    Gallenfluss  240. 

14.  4.    37,2.     Puls    88.     Gallenfluss  525.    37,7. 

15.  4.    37,8.        „       96.  „  600.    38,3. 

16.  4.    37,7.        „       92.  „  750.    37,5.     Abführen. 

17.  4.    37,7.       „      100.  „  800. 

Etwas  Erbrechen,  Pat.  hat  das  Ricinusöl  nicht  ganz  genommen, 
nur  einmal  Stuhlgang.     Abends  37,8. 

18.  4.    37,7.    Puls  92.    Gallenfluss  600  gr.    36,9. 

Abends  viel  Erbrechen,  Magenspülung  entleert  sehr  viel  Speise- 
reste ohne  Galle  oder  Blut.     Nährklystiere. 

19.  4.  37,0.  Puls  120.  Kochsalz  morgens,  mittags,  abends.  Ent- 
fernung der  Gaze,  Verbandwechsel.  Die  Naht,  welche  den  Schlauch 
hielt,  hat  sich  gelockert,  der  Schlauch  wird  wieder  eingeführt.  Gallen- 
fluss 200. 

20.  4.    37,1.    Puls  100.    37,2.    Puls  96. 

Nach  dem  Verbandwechsel  ist  kein  Erbrechen  mehr  aufgetreten. 
Der  Schlauch  schliesst  den  Hepaticus  nicht  mehr  ab,  die  meiste  Galle 


—     234     — 

ist   in    den  Verband   eingedrungen.     Verbandwechsel.     Der   Schlauch 
bleibt  weg.    2  mal  Kochsalz. 

21.  4.    37,4.    Puls  104    37,3. 

22.  4.    37,1.    Puls  108.    36,8. 

23.  4.    36,9. 

10.  5.  Bis  gestern  ist  der  Verband  täglich  mit  Galle  durchtränkt, 
täglich  Verbandwechsel.  Heute  zum  ersten  Male  ist  der  Verband 
trocken  geblieben. 

12.  5.    Verbandwechsel,  keine  Galle  im  Verband. 

14.  5.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Fest  eingekeilt  steckte  ein  Stein  in  dem  einen 
Ast  des  Ilepaticus.  Pat.  hat  sicher  eine  schwere  Infektions- 
Cholangitis  durchgemacht,  aber  er  ist  mit  dem  Leben  davon 
gekommen,  weil  nur  ein  Ast  des  Hepaticus  verschlossen  war; 
der  andere  war  frei.  Trotz  der  Vergrösserung  der  Leber,  des 
festen  Verschlusses  des  einen  Astes  des  Hepaticus  kein  Ikterus 
mehr!  Ein  abwartendes  Verfahren  hatte  wahrlich  keinen  Zweck! 
Die  Leber  war  noch  sehr  morsch  und  gross  und  zeigte  auf  der 
Oberfläche  die  Eesiduen  schwerster  Entzündung.   — 

Nr.  117.     A.  Seh.,  50j.  Holzliändlersfrau  aus  Berlin. 

Aufgen.:  IL  9.  1900. 

Operiert :  13.  9.   1900.     Hepaticusdrainage.     Cystico- 

tomie.     Ectomie. 
•Entlassen:  26.  10.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Eine  jung.  Schwester  ist  gallensteinleidend.  Pat. 
war  stets  nervös  und  litt  viel  an  Kopfschmerzen,  sonst  ist  sie  gesund 
gewesen.  Der  Stuhl  war  immer  etwas  träge,  seit  den  letzten  Jahren 
ist  er  regelmässiger. 

Seit  ca.  8—9  Jahren  hat  sie  nach  dem  Essen  öfters  ein  Gefühl 
von  Vollsein  gehabt. 

1.  1894  fühlte  sie  sich  ein  paar  Tage  unbehaglich,  dann  kam  ein 
Anfall  heftiger  Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  nach  dem  Rücken  aus- 
strahlend, der  etwa  1  Tag  lang  anhielt,  kein  Erbrechen,  kein  Fieber, 
danach  Gelbsucht,  der  Stuhl  war  aber  noch  nicht  ganz  entfärbt.  Sie 
ging  nach  Karlsbad,  doch  traten  die  Schmerzanfälle  danach  sehr  häufig 
auf,  es  war  „als  wäre  das  Leiden  dadurch  aufgerührt  worden". 

2.  1895  im  Frühjahr  kam,  nachdem  wieder  einige  kleinere  Anfälle 
vorausgegangen  waren,  nach  einem  Diätfebler  ein  sehr  heftiger  An- 
fall der  oben  beschriebenen  Schmerzen,  der  8  Stunden  dauerte.  Kein 
Fieber,  keine  Gelbsucht,  aber  sehr  heftiges  Erbrechen.  Später  traten 
vereinzelt  kleinere  Anfälle  auf.     1895  und  1896  Neuenahr. 

3.  1897  im  November  ein  schwerer  Anfall  wie  1895,  mit  Er- 
brechen,  ohne   Gelbsucht  und    Fieber.     Sie  hielt  danach  strenge  Diät. 


—     235     — 

machte  eine  homöopatische  Kur  durch  (Arsen,  Malzbier,  Diät),  gebrauchte 
Kneipp'schen  Tee  und  Heuumschläge  und  war  längere  Zeit  anfalls- 
frei. In  dieser  Zeit  erholte  sie  sich  sehr  und  gewann  an  Körperge- 
wicht wieder,  was  sie  vorher  verloren  hatte. 

Herbst  1899  Darmkatarrh,  Reise  nach  Cudowa,  danach  wieder  ein 
leichterer  Anfall,  ein  zweiter  Januar  1900.  Im  Juli  Aufenthalt  in 
Braunlage  (Harz). 

4.    28.   August    1900  wieder    schwere  Kolik.    Heftige  Schmerzen^ 
in    der   r.   Seite   und    im    Rücken,    in  wechselnder  Stärke  fast  2  Tage 
dauernd,    kein   Erbrechen,  kein  Fieber.     Am  2.  Tage  Gelbsucht,  Stuhl 
absolut  entfärbt. 

Auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Vogeler-Braunlage  kam  sie  gleich  damals 
hierher,  doch  wnrde  während  des  Bestehens  des  aknten  Choledochns- 
verschlusses  von  einer  Operation  abgesehen  und  der  Fat.  geraten, 
nach  Verschwinden  des  Iliterns  wieder  zu  kommen;  dementsprechend 
kommt  sie  heute  wieder. 

Befund:  Dame  in  gutem  Ernährungszustande.  Herz,  Lungen 
gesimd.  Leber  etwas  gesenkt.  Resistenz  in  der  Gallenblasengegend. 
Kein  Ikterus,  doch  gelbliche  Hautfärbung.     Urin  frei.     Stuhlgang  braun. 

Diagnose:    Chron.    recid.  Cholecystitis. 

Operation:  13.  9.  1900.  Wenig  gute  Chloroformnarkose.  Viel 
Würgen  und  Pressen.  Cyanose.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross, 
schlaff,  zwischen  Cysticus  und  Duodenum  verwachsen.  Leichte  Tren- 
nung. Isolierung  des  Cysticus.  Ablösung  der  Gallenblase  von  der 
Leber  ist  leicht.  Hals  der  Gallenblase  sehr  dick,  viel  Fett.  Dieses 
wird  frei  durchschnitten,  bis  nur  noch  die  Gefässe  übrig  sind,  die  dann 
leicht  ligiert  werden.  Nach  Spaltung  des  Cysticus  bis  in  den  Chole- 
dochus  findet  man  im  letzteren  Gang  zwei  Steine,  ebenso  tief  im 
Hepaticus  einen  dritten.  Entfernung.  Ein  vierter  Stein  im  Hepaticns 
wird  gefühlt,  doch  verschwindet  er  in  der  Tiefe.  Papille  frei.  Hepa- 
ticusdrainage.    Tamponade.    Verband.    Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Gallenblasenwand  verdickt,  enthält  trübe  (wahrscheinlich  infec- 
tiöse)  Galle  und  viele  Steine  (darunter  4  haselnussgrosse).  Im  Cysticus 
festsitzend  2  linsengrosse  ^eine.     Galle  im  Hepaticus  klar. 

Verlauf:  14.  9.  Fieberfrei.  Viel  Würgen  und  Erbrechen.  Dss- 
halb  Magenausspülung  mit  2''/o  Sodalösung.  Puls  gut,  Leib  weich. 
Abends  37,6,    Puls  116.     Nachts    erbrach  Pat.  einige  Male. 

15.  9.  Puls  klein,  126.  Temp.  38,0°  in  vagina.  Leib  aufgetrieben. 
Kein  Kollern,  Zunge  feucht,  macht  guten  Eindruck.  Die  Herzschwäclie 
ist  kaum  auf  peritoneale  Infektion  zurückzuführen ;  wir  haben  schon 
öfters  beobachtet,  dass  in  manchen  Fällen  die  Peristaltik  lange  auf 
sich  warten  liess.  Die  Atouie  führt  zu  einer  Stase  in  der  Darmwand, 
toxische  Stoffe  bleiben  liegen  resp.  werden  resorbiert,  und  so  kommt 
es  zur  Pulsfrequenz  und  Pulsschwäche.  Sobald  Flatus  gehen,  ändert 
sich  das  Bild.  Pat.  bekommt  schweren  Wein,  3  mal  Kochsalz,  alle 
Stunden  Campher,  trinkt  heisse  Milch,  Tee  und  Cognac.  Puls  hebt 
sich,  Kollern  und  Gurren  im  Leib  stellen  sich  ein,  derselbe  ist  nicht 
schmerzhaft.   Glycerin-Kiystiere,  Mastdarmrohr,  Wassereinläufe  wechseln 


—     236     — 

ab.  Das  Wartepersonal  hat  in  einem  solchen  Falle  fortwährend 
mit  der  Pat.  zu  tun.  Abends  132  Pulse.  Temperatur  38,0".  In  dor 
Nacht  noch  2  mal  Kochsalz,  viel  Glycerin.     Dann  spontane  Blähungen. 

16.  9.  Sobald  diese  im  Gange  sind,  wird  der  Puls  langsamer  (100). 
Temp.  morgens  37,5"  C.  Pat.  sieht  gut  aus,  hat  noch  etwas  Auf- 
stossen,  Leib  weich  und  eingefallen.  Am  14.  Tage  post  op.  Entfer- 
nung der  Tampons  und  des  Rohrs,  lleraussptilnng  yon  2  Steinen  aus 
dem  Hepaticus.    Weiterhin  guter  Verlauf,     Wunde  sehr  gut. 

Geheilt  entlassen  am  26.  10.  1900. 

Epicrise:  Als  Pat.  in  die  Klinik  kam,  war  keine 
Spur  von  Ikterus  vorhanden,  im  Urin  war  keine  An- 
deutung von  Gallentarbstoff.  Urin  hell  wie  Pilsener 
Bier,  unü  doch  steckten  2  Steine  im  Choledochus  und  3 
im  Hepaticus.  Cystöstomiert  man  in  einem  solchen  Fall  — 
und  die  grosse  Gallenblase ,  der  mangelnde  Ikterus  luden 
dazu  ein  —  so  entstehen  komplete  Gallenfisteln.  Zudem 
kamen  die  festsitzenden  Steine  im  Cysticus  wahrscheinlich  nie 
zum  Vorschein.  Pat.  bekommt  später  Recidive,  die  aber  auf 
unvollständige  Operation  zurückzuführen  sind.  Nur  durch  die 
Ectomie  in  Verbindung  mit  der  Hepaticusdrainage  ist.  man 
einer  gründlichen  Entfernung  sämtlicher  Steine  sicher.  Gelingt 
dieselbe  nicht  gleich  bei  der  Operation,  so  ist  es  doch  nachträglich 
leicht  möglich,  die  zurückgelassenen  Konkremente  herauszu- 
strudeln.  Jedenfalls  ist  die  Latenz  der  Steine  im  Choledochus 
viel  häufiger,  als  man  allgemein  annimmt. 

Auf  die  Pulsfrequenz,  2  Tage  nach  der  Operation,  mache 
ich  noch  besonders  aufmerksam.  Ich  habe  öfters  erlebt,  dass 
der  Puls  eine  Frequenz  annahm,  die  nichts  Gutes  ahnen  liess. 
Der  Leib  treibt  sich  auf,  und  es  sind  recht  kritische  Stunden, 
die  man  erlebt.  Im  Abdomen  herrscht  eine  unheimliche  Stille. 
Möglich  ist  es,  dass  eine  geringe  Infektion,  die  unter  Beihülfe 
der  Kochsalzinfusionen  etc.  überwunden  wird,  vorliegt.  Jeden- 
falls steht  fest,  dass_,  sobald  die  Blähungen  in  Gang  kommen, 
das  bedrohliche  Bild  schwindet. 

Nr.  118.     M.  K.,  37j.  Barbiersfrau  aus  (^uerfurt. 

Aufgen.:  6.  L  1903. 

Operiert:   8.  1.  1903.     Hepaticusdrainage.     Cystico- 

tomie.     Ectomie. 
Entlassen:  19.  2.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  Vor  8  Jahren  nach  einer  schweren  Geburt  bekam 
Pat.  häufiges  Magendrücken   und    Magenschmerzen,   die   sich  seitdem 
immer  wieder  einstellten. 


—     237     — 

Vor  etwas  über  einem  Jahre  bekam  Pat.  plötzlich  einen  Anfall 
von  kolikartigen  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  und  der 
Gallenblase,  die  nach  dem  Rücken  hin  ausstrahlten.  Gleichzeitig  stellte 
sich  Gelbsucht  ein,  im  Stuhl  wurde  ein  Stein  gefunden.  Diese  Anfälle 
wiederholten  sich  dann  häufiger,  zuletzt  6  —  14  tägig,  und  dauerten  einige 
Stunden  bis  einen  ganzen  Tag  lang.  Auch  in  den  Zwischenzeiten 
war  die  Gegend  der  Gallenblase  immer  sehr  schmerz-  und  druckem- 
pfindlich. Pat.  wurde  mit  heissen  Umschlägen,  Morphium  und  Karls- 
bader Wasser  behandelt  bis  zum  April  1902,  seitdem  hat  sie  kein 
Morphium  mehr  genommen.  In  den  letzten  Wochen  hat  sie  noch  eine 
Ölkur  durchgemacht  und  wurde,  da  diese  auch  keinen  Erfolg  hatte, 
von  Herrn  Dr.  Kornalewski  uns  zugeschickt.  In  der  letzten  Zeit 
haben  sich  die  Anfälle  in  8— 14tägigen  Zwischenräumen  eingestellt 
und  meist  einen  halben  Tag  gedauert.  Es  bestand  dabei  stets  Gelb- 
sucht, und  jedesmal  wurde  danach  ein  Stein  im  Stuhl  gefunden.  Pat. 
bringt  11  solche  erbsengrosse  und  etwas  grössere  Steine  mit.  Da 
Pat.  in  der  Führung  ihres  Haushaltes  dauernd  durch,  die  Koliken  und 
auch  durch  die  in  den  anfallsfreien  Zwischenzeiten  immer  vorhandenen 
leichten  Schmerzen  behindert  ist,   entschliesst  sie  sich  zur  Operation. 

Befund:  Leib  weich,  starkes  Fettpolster.  Gegend  der  Gallen- 
blase ziemlich  stark  druckempfindlich. 

Diagnose:  Steine  in  der  weichen  Gallenblase,  Choledochus 
augenblicklich  frei. 

Operation:  8.  1.03.  Wellenschnitt.  Grallenblase  liegt  fast  in 
der  Mittellinie,  Lieber  normal..  Hals  der  Gallenblase  mit  Magen  ver- 
wachsen. Viele  Steine.  Ectomie  in  5  Min.  Choledochus  anscheinend 
frei.  Spaltung  des  Cysticus.  Choledochus  frei.  Hepaticusdrainage. 
Hepatopexie.  Tamponade.  Schluss  der  Bauchwunde.  Dauer  der  ganzen 
Operation  40  Min.  Leidliche  Chloroformnarkose.  In  der  Gallenblase 
ca.  30  Steine,  grösser  wie  die  abgegangenen,  Gallenblase  chronisch 
entzündet. 

Verlauf.  Gut. 

21.  1.  03.  1.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tamponade.  Nähte 
und  Fäden  bleiben  liegen.*  Wunde  gut.  Tamponade.  Galle  läuft 
reichlich. 

24,  1.  03.  Verbandwechsel,  Entfernung  der  Nähte,  Fäden  bleiben 
noch  liegen.  Rohr  liegt  noch  gut  und  fest,  Ausspülung  durch  dasselbe 
leicht,  ruft  heftige  Kolik  hervor.     Galle  läuft  noch  reichlich. 

26.  1.  03.    Entfernung  des  Rohres.    Tamponade. 

80.  1.  03-  Entfernung  des  grössten  Teils  der  Fäden.  Galle  läuft 
noch  reichlich. 

31.  1.  03,  Ausspülung  des  Choledochus.  Galle  trübe  und  schleimig. 
Es  liegt  nur  noch  ein  Faden. 

6.  2.  03,  Der  letzte  Faden  geht  ab,  Galle  läuft  weniger  reich- 
lich, ist  klarer. 

9.  2.  03.  Im  unteren  Wundwinkel  stösst  sich  etwas  nekrotisches 
Gewebe  ab.     Galle  läuft  wenig  reichlich.    Verband  liegt  3  Tage. 


—     238     — 

16.  2.  03.    Wunde  in  der  Tiefe  geschlossen.    Galle  läuft  nicht  mehr. 
19.  2.  03.     Pat.  wird  als   geheilt  mit   gut   granulierender   kleiner 
Wunde  entlassen. 

Epicrise:  Die  Lage  der  Gallenblase  fast  in  der  Mittel- 
linie ist  selten.  Pat.  wäre  vielleicht  auch  ohne  Operation  ge- 
sund geworden,  wenn  die  gefundenen  30  Steine  noch  abgegangen 
wären.  Sie  hatte  aber  schon  zuviel  ausgehalten,  so  dass  sie  sich 
nach  Erlösung  sehnte.  —  In  solchen  Fällen  soll  man  den  Chole- 
dochus  incidieren,  damit  man  auch  gewiss  ist,  keinen  Stein 
übersehen  zu  haben. 


Nr»  119.     B.  H.,  56j.  Privatifere  aus  Nürnberg. 

Aufgen.:  2.  4.  1903. 

Operiert:   4.  4.  1903.      Hepaticusdrainage.     Cystico- 

toraiel     Ectomie. 
Entlassen:  9.  6.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  hat  als  junges  Mädchen  Typhus  überstanden, 
ist  sonst  immer  gesund  gewesen. 

Die  Mutter  der  Pat.  hat  wahrscheinlich  an  Gallensteinen  gelitten, 
eine  Schwester  leidet  an  solchen. 

Pat.  hat  seit  langer  Zeit  gichtische  Beschwerden  und  Ablagerungen 
von  Harnsäure,  besonders  an  den  Fingergelenken. 

Seit  34  Jahren,  zum  erstenmale  nach  einer  Frühgeburt,  hat  Pat. 
Gallensteinkoliken,  die  während  der  ersten  12  Jahre  als  Magenkrämpfe 
angesehen  und  behandelt  wurden. 

In  diesen  ersten  12  Jahren  traten  1—2  mal  im  Jahr  nur  kurz- 
dauernde Anfälle  von  kolikartigen  Schmerzen  in  der  Gegend  der 
Magengrube  auf. 

Vor  24  Jahren  sehr  heftiger  Kolikanfall,  der  mit  Unterbrechungen 
6  Wochen  lang  anhielt,  dabei  zum  erstenmale  Gelbsucht.  Das  Leiden 
wurde  nunmehr  als  Gallensteinleiden  erkannt  und  Pat.  mit  Karlsbader 
Wasser  und  Karlsbader  Kuren  behandelt.  Kein  Fieber,  kein  Erbrechen. 
Die  gleichen,  meist  einige  Wochen  dauernden  Anfälle  traten  dann  jedes 
Jahr  2— 3  mal  bis  vor  4  Jahren  auf.  Gelbsucht  trat  dabei  häufig  auf, 
der  Stuhl  war  dann  entfärbt,  der  Urin  ganz  dunkel.  Im  Stuhl  wurde 
am  Schlüsse  des  Anfalles  jedesmal  ein  durchschnittlich  über  erbsen- 
grosser  facettierter  Stein  gefunden.  Pat.  fühlte  sich  dann  wieder 
völlig  wohl  und  hatte  in  den  Zwischenzeiten  ausser  gichtischen  Be- 
schwerden keine  Klagen. 

Vor  4  Jahren  war  Pat.  fast  ein  Jahr  lang  anfallsfrei. 

Seit  3  Jahren  dann  wieder  Kolikanfälle,  aber  seltener  und  über- 
haupt leichterer  Natur.  Steine  im  Stuhl  wurden  nicht  mehr  gefunden. 
Im  Herbst  1902  wieder  ein  schwerer,  einige  Wochen  dauernder 
Kolikanfall  mit  Gelbsucht.    Stuhl   entfärbt,   Urin   schwarz.    Ein  Stein 


-     239     — 

wurde  jedoch  wiederum  nicht  gefunden.  Kein  Fieber,  Icein  Erbrechen 
(ausser  nach  Morphiumeinspritzung).  Seit  diesem  Anfall  fühlt  sich 
Pat.  nicht  mehr  ganz  wohl,  hat  ab  und  zu  Drücken  in  der  Gegend  der 
Magengrube  und  der  Leber,  hat  sich  auch  mit  der  Diät  sehr  in  Acht 
genommen.  Bis  Weihnachten  1902  kein  weiterer  Anfall.  Seit  Weih- 
nachten dann  häufiger  leichtere  Kolikanfälle,  die  nvu"  einige  Tage 
dauerten,  aber  auch  alle  paar  Tage  wiederkamen  und  die  Pat.  nie  zur 
völligen  Ruhe  und  Erholung  kommen  liessen. 

Vor  14  Tagen  wieder  schwerer  Anfall  mit  Gelbsucht.  Urin  dunkel, 
Stuhl  aber  gefärbt.  Der  Anfall  dauerte  fast  40  Stunden.  Ein  Stein 
wurde  nicht  gefunden.  Pat.  war  sehr  matt  und  war  bis  jetzt  bett- 
lägerig. Sie  hat  in  der  letzten  Zeit  erheblich  (ca.  20  Pfund)  abgenommen. 
Pat.  fühlt  sich  jetzt  wohl,  hat  keine  Beschwerden,  nur  ab  und  zu  etwas 
Stechen  und  Druckgefühl  in  der  Lebergegend,  Beschwerden,  die  sie 
aber  schon  lange  Jahre  ab  und  zu  gespürt  hat. 

Pat.  ist  mit  heissen  Umschlägen,  Karlsbader  Wasser,  Morphium, 
(Pulver,  zuletzt  Einspritzungen)  und  früher  einmal  mit  einer  Oelkur 
behandelt  worden. 

Herr  Oberarzt  Dr.  Schuh-Nürnberg  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Kein  Ikterus  (Urin  frei).  Gallenblase  als  schmerzhafter 
Tumor  zu  fühlen.     Leber  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Chron.  recid.  Cholecystitis,  event.  Stein  im  Chole- 
dochus  (augenblicklich  latent). 

Operation:  4.  4.  03  in  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Törnquist- 
Lund.  Wellenschnitt.  Leber  nicht  vergrössert,  Gallenblase  gross,  ent- 
hält trübe,  dicke  Galle,  Hals  'der  Gallenblase  ist  sehr  ausgebuchtet  und 
liegt  unter  dem  Choledochus.  Ectomie  der  Gallenblase.  Diese  lässt  sich 
gnt  stieleu,  eine  nennenswerte  Blutnng  aus  der  art.  cystica,  die  niclit 
anterbnndeu  wird,  tritt  nicht  ein.  Cysticus  reisst  ab,  nud  es  tritt 
ganz  dicke,  leiinartige  Oalle  aus  dem  Ciioledochus  heraus.  In- 
diesem  27  erbsengrosse  Steine,  teils  im  Hepaticus,  teils  retroduodenal. 
Ein  Stein  im  Hepaticus  ist  zu  fiihleu,  kauu  aber  mit  der  Kornzauge 
wicht  gefasst  werden.  Papille  sondierbar.  Ziemlieh  beträchtliche  Blu- 
tung ans  der  Choledochn^wand.  Cysticus  wird  gespalten,  ebenso  Chole- 
dochus bis  ans  Duodenum.  Hepaticusdrainage.  Hepatopexie  mit 
2  Suturen.  Tamponade  mit  4  dicken  Streifen.  Dauer  der  Operation 
1  Std.  10  Min.  Verband.  Gallenblase  enthält  47  Steine,  ist  chronisch 
entzündet,  zeigt  Hämorrhagien  auf  der  Schleimhaut;  der  Hals  ist  am 
Cysticus  vorbei  nach  oben  hin  sehr  ausgebuchtet. 

Verlauf:  Normal. 

17.  4.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel,  Gaze  etwas  mit  Galle 
durchtränkt.  Entfernung  sämtlicher  Tampons  (die  ziemlich  locker 
sitzen  und  beim  Herausziehen  wenig  Schmerzen  bereiten),  des  Rohres 
und  sämtlicher  Nähte.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Choledoehus-ln- 
eisiou  ziemlich  gut  in  der  grossen  Tiefe  sichtbar.  Ausspülung  und 
Sondierung  des  Hepaticus.  Ein  Stein  ist  im  Hepaticus  mit  der  Sonde 
nicht  nachweisbar.     Tamponade.     Verband. 


—     240     — 

20.  4.  03.  Temp.  morgens  37,5,  abends  38,1.  2.  Verbandwechsel. 
Sondierung  des  Hepaticus.  Ein  Stein  nicht  nachweisbar.  Klare  Galle 
läuft  ziemlich  reichlich.  Tamponade  nach  Entfernung  der  Drähte. 
Appetit  heute  besser.     Stuhl  abends  etwas  gefärbt. 

22.  4.  03.  Temp.  morgens  37,3,  abends  37,8.  Verbandwechsel. 
Verband  mit  Galle  durchtränkt.  Herausnahme  der  Tampons.  Letzter 
Faden  entfernt.    Tamponade.    Verband. 

23.  4.  03.  Temp.  normal.  Verbandwechsel.  Im  Hepaticus  mit 
der  Sonde  kein  Stein  nachweisbar.  Ausspülung  des  Hepaticus.  Tam- 
ponade. 

24.  4.  03.  Verbandwechsel.  Verband  durch,  doch  läuft  die  Galle 
weniger  reichlich.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Ausspülung,  dabei 
werden  zwei  über  erbsengrosse,  facettierte,  dunkle  Steine  lierausgespült. 
Sondierung  und  Ausspülung  des  Hepaticus,  keine  Steine  mehr  nachweis- 
bar.  Tamponade.    Befinden  sehr  gut.   Stuhl  ganz  braun.    Appetit  besser. 

25.  4.  03.  Verbandwechsel.  Sondierung  und  Ausspülung  des  He- 
paticus. Ein  Stein  ist  dabei  nicht  mehr  nachweisbar.  Galle  noch  mit 
Schleimflocken  vermischt. 

28.  4.  03.  Verband  täglich  durch.  Täglich  Verbandwechsel.  Aus- 
spülung des  Hepaticus.  Steine  nicht  mehr  nachzuweisen.  Wunde  ver- 
einigt sich  in  der  Tiefe  schnell.    Tamponade.     Pat.  steht  auf. 

5.  5.  03.  Verband  täglich  durch.  Ausspülung  des  Choledochus 
täglich.     Galle  noch  etwas  mit  Schleimfetzen  vermischt. 

8.  5.  03.  Trotzdem  der  Wundtrichter  bereits  sehr  eng  ist,  so  dass 
man  mit  Wundhaken  nicht  mehr  hineingelangt,  gleitet  der  eingeführte 
Spülkatheter  ohne  Leitung  des  Auges  sofort  leiciit  in  den  Choledochus. 
Täglich  Ausspülung.  Galle  noch  mit  etwas  schleimigen  Fetzen  ver- 
mischt.    Galle  läuft  weniger  reichlich. 

12.  5.  03.  Galle  läuft  erheblich  weniger.  Wundtrichter  sehr  eng, 
keine  Ausspülung  des  Choledochus  mehi-.  Leichte  Tamponade.  Be- 
finden dauernd  sehr  gut. 

15.  5.  03.    Verband  trocken.     Es  läuft  nur  noch  sehr  wenig  Galle. 

22.  5.  03.  Bei  fester  Tamponade  des  Wundtrichters  ist  der  Ver- 
band 2  Tage  trocken,  bei  lockerer  oder  ohne  Tamponade  läuft  wieder 
reichlich  Galle.  Wundtrichter  sehr  eng,  scheint  sich  in  der  Tiefe 
jetzt  ganz  durch  Granulationen  auszufüllen. 

25.  5.  03.  Galle  läuft  seit  2  Tagen  wieder  sehr  reichlich.  CoUo- 
dium-Verband.  Derselbe  hält  bis  abends  9  Uhr.  Beim  Aufstehen  vom 
Stuhl  löst  sich  der  untere  Rand  des  Verbandes  von  der  Haut.  Von 
da  an  läuft  Galle.  Bis  dort  war  Pat.  ohne  Beschwerden,  Verband 
trocken. 

27.  5.  03.  Ein  mit  Watte  und  CoUodium  befestigter  Stift  hält 
ebenfalls  nicht.     Doch  bestanden  keine  Schmerzen. 

3.  6.  03.  Gallo  läuft  weniger  reichlich,  trotzdem  keine  Gazelam- 
ponade  des  Wundtrichters  mehr  vorgenommen  wird.  Im  Wundtrichter, 
besonders  auch  im  obersten  Teile  desselben,  zeigt  sich  jetzt  reichliche 
Granulationsbildung. 


.    —     241     — 

5.  6.  03.  Man  gelangt  durch  den  sehr  engen  Wundtrichter  mit  dem 
Spülkatheter  sehr  leicht  in  den  Choledochus.  Ausspülung  ruft  starke 
Koliken  hervor.     Feste  Tamponade  des  Wundtrichters. 

7.  6.  03.    Verband  2  Tage  trocken,    Tamponade. 

9.  6.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem,  engen,  gut  granuherendem  Wund- 
trichter nach  Hause  entlassen.  Verband  nach  fester  Tampouade  2  Tage 
trocken.    Tamponade.     Verband. 

Epiciise:  Obwohl  viele  Steine  im  Choledochus  steckten, 
bestand  zur  Zeit  kein  Ikterus,  weil  die  Entzündung  augen- 
blicklich fehlte.  Ein  Stein  steckte  im  Hepaticus  so  fest,  dass 
er  nicht  sofort  entfernt  werden  konnte.  Er  wurde  während 
der  Nachbehandlung  aus  dem  Gange  herausgespült.  Ein  ein- 
ziger solcher  Fall  beweist  schon  zur  Genüge  die  grossen  Vor- 
teile der  Hepaticusdrainage. 

Zu  Hause  ist  in  kurzer  Zeit  die  Wunde  ganz  geheilt,  und 
der  Gallenfluss  hat  rasch  aufgehört. 

Xr.  120.    F.  H.,  30 j.  Friedhofgärtnersfraii  aus  Karlsbad. 

Aufgen.:  7.  6.  1903. 

Operiert :  9.  6.    1903.     Hepaticusdrainage.     Cystico- 

tomie.     Ectomie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  30.  7.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  früher  immer  gesund  gewesen,  hat  nur 
mit  27  Jahren  Diphtheritis  überstanden. 

Zwei  Brüder  leiden  vermutlich  gleichfalls  an  Gallensteinen. 
Dezember  1895  längere  Zeit  (bis  Februar  1896),  nachdem  Pat.  schon 
immer  mit  dem  Magen  „zu  tun"  hatte,  heftiges  Erbrechen  und  Übel- 
keiten, Magenschmerzen.  Keine  eigentlichen  Kolikanfälle.  Wegen 
Verstopfung,  Magenkatarrh  und  Magengeschwüren  längere  Zeit  damals 
behandelt,  verspürte  Pat.  nach  Magenausspülungon  stets  Erleichterung. 
Diese  sich  anfallsweise  okistellondcn  Magenschmerzen  bildeten  sich 
allmählich  zu  richtigen  Koliken  {'ji—^ji  Stunde)  aus.  Erster  sehr  hef- 
tiger Kolikanfall  iai  Jahre  1899  (Herbst).  Dann  wieder  Februar  1900. 
Die  Kolikschmerzen  strahlen  von  der  Gegend  der  Magengrube  in  den 
Rücken  und  nach  oben  in  die  Brust  aus  („bohrender,  zusammenzieh- 
ender Schmerz"),  dabei  Angstgefühl,  öfters  auch  Erbrechen.  Danach 
wieder  öfters  kleinere  Anfälle ,  im  Herbst  1900,  März  1901  (damals 
Karlsbader  Kur).  Während  der  ersten  Schwangerschaft  1901  —  1902 
öfters  kleine  Anfälle.  Mai  1902  sehr  schwere  Geburt  (Wehenschwäche, 
Geburt  durch  Zange  beendigt,  darauf  starke  Blutung,  Lösung  der 
Nachgeburt).  Nach  dem  gut  verlaufenen  Wochenbett  Gelenk -Rheu- 
matismus während  6  Wochen ;  seitdem  ab  und  zu  wieder  Gelenk- 
schmerzen. 

1902  einzelne,  massig  heftige  Kolikanfälle  mit  Spuren  -von  Gelb- 
sucht.   Die  Krämpfe  dauern  2  Stunden  bis  V^  Tag. 

Kehr,  Technik  der  GaUensteinoperationen.  lo 


—     242     — 

Anfang  Februar  bemerkte  Fat.  eines  Tages,  dass  sie  gelb  war. 
An  demselben  Tage  naebmittags  Kolikanfall  (sehr  heftig).  Am  nächsten 
Tage  bereits  intensive  Gelbsucht.  Urin  dunkelgrünschillernd.  Stuhl 
grau.  Seitdem  anfangs  weniger  häufige,  im  April  und  Mai  jedoch 
sehr  zahlreiche,  zuletzt  fast  tägliche,  meist  einige  Stunden  dauernde 
sehr  heftige  Kolikanfälle  mit  vielem  Erbrechen.  Die  Gelbsucht  wech- 
selte an  Intensität,  war  meist  nach  einem  Anfall  stärker,  dauerte  aber 
an.  Fat.  magerte  sehr  stark  ab,  wurde  sehr  schwach.  Fieber  bestand 
angeblich  nie.  Steine  wurden  nicht  im  Stuhl  gefunden.  Stuhl  unregel- 
mässig (Verstopfung),  jetzt  wieder  besser  gefärbt.  Auch  die  Gelbsucht 
jetzt  (seit  etwa  6  Wochen)  geringer.  Appetit  massig.  Letzter  Anfall 
vor  etwa  3  Tagen.  Fat.  wurde  mit  Karlsbader  Wasser,  heissen  Um- 
schlägen, Mooi-Umschlägen,  seit  vorigem  Jahr  auch  mit  Morphium- 
Tropfen  behandelt. 

Herr  .-Dr.  Ku  gler-Karlsbad  sendet  uns  die  Fat.  zu. 

Befund:  Sehr  abgemagerte  Frau  mit  massigem  Ikterus.  Lang- 
gestreckter Tumor  der  schmerzhaften  Gallenblase.  Leber  normal.  Im 
Urin  GallenfarbstofF. 

Diagnose:  Hydrops  der  Gallenblase  undCholedoohusverschluss. 
(Fankreastumor  ?) 

Operation:  9.  6.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  sehr  lang- 
gestreckt, mit  Netz  verwachsen,  wird  excidiert.  Sie  enthält  sehr  zähe, 
teerartige  Galle,  im  Hals  einen  walnussgrossen  Stein;  hier  ringförmige 
Ulceration  mit  aufgeworfenen  Rändern.  Cysticuswärts  noch  4^  erbseii- 
grosse  Steine.  Choledochusgalle  fliesst  trübe  ab.  Deshalb  Cystico- 
toinie  nnd  Choledochotomic.  Mau  hat  dann  und  wann  bei  Soiidierong 
des  Choledochns  das  (Jefühl,  als  ob  man  einen  Stein  berührte.  Der 
Choledochns  wird  deshalb  bis  znm  Duodenum  aufgeschnitten.  Kein 
Stein  nachweisbar.  Pankreas  hart.  Starke  Blutung  eines  Dnodeuum- 
gefässes.  Hepaticusdrainage.  Hepatopexie.  Tamponade.  Gute  Chloro- 
form -  Sauerstoffnarkose,  ^j*  Std.  45  gr.  Chloroform.  Dauer  der  Opera- 
tion  1  Stunde. 

V  erlauf :  Gut. 

22.  6.  03.  1.  Verbandwechsel,  Gallenfluss  bis  jetzt  reichlich.  Ent- 
fernung des  Rohres,  sämtlicher  Tampons,  die  völlig  trocken  sind, 
nicht  riechen,  sämtlicher  Nähte  und  des  Hepatopexie-Drahtes,  sowie 
einzelner  langer  Fäden.    Wunde  sieht  gut  aus.    Tamponade. 

23.  6.  03.  Verband  durch.  Verbandwechsel.  Choledochns  liegt 
sehr  oberflächlich,  Incision  desselben  gut  sichtbar.  Ausspülung  des 
Choledochus  mit  Spülkathoter.  liepaticus  und  Choledochus  bis  in  den 
Darm  hin  frei  und  leicht  durchgängig.    Tamponade.    Verband. 

28.  6,  03.     Verband  täglich  durch.    Täglich  Verbandwechsel.    Aus- 
spülung des  Hepaticus.    Tamponade.    Fat.  steht  auf. 

30.  6.  03,    Täglich  Verbandwechsel.    Keine  Ausspülung  des  Hepa- 
ticus mehr.    Wundtrichter  bereits  sehr  eng.     Keine  Tamponade  mehr, 
11.  7.  03.    Wundtrichter  fest  austamponiert.    Nachmittags  leichte 
bohrende  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  bis  rechts  in  den 
Rüwken  hinziehend  von  kurzer  Dauer, 


—     243     — 

12.  7.  03.  Verband  durch,  jedoch  nicht  so  stark  wie  bisher.  Feste 
Tamponade.    Mittags  wieder  leichter,  aber  ausgesprochener  Kolikanfall. 

13.  7.  03.  Stüpselversuch  mittels  fester  Tamponade.  Danach  bis 
Mittag  starke  Kolikanfälle.     Um  4'/2  Uhr  der  Verband  durch. 

14.  7.  03.  Wiederum  feste  Tamponade.  Keine  Koliken  nachher. 
Verband  nachmittags  4 — 5  Uhr  durch. 

17.  7.  03.  Feste  Tamponade.  Abends  ziemlich  starke  Kolik 
{2  Stunden).    Verband  bleibt  jedoch  trocken. 

18.  7.  03.  Verband  trocken.  Wundtrichtcr  sehr  eng.  Sondierung 
des  Choledochus  mit  an  der  Spitze  gebogener  Sonde.  Bougie  dringt 
ziemlich  leicht  bis  in  den  Dünndarm.  Ein  Steiu  ist  nicht  zu  sondieren. 
Oalle  läuft  völlig  klar.  Feste  Tamponade.  Abends  Kolikanfall.  Nach 
Mitternacht  starker  Gallenfiuss.     Verband  völlig  durch. 

20.  7.  03.  Abermals  Sondierung  des  Choledochus,  welche  ziemlich 
leicht,  auch  mit  dicker  Sonde  gelingt.  Ein  Stein  ist  nicht  zu  sondieren. 
Die  Sondenspitzo  gelangt  bis  zur  Papille.  Mit  dünnem  Bougie  gelangt 
man  nach  einigen  Vorsuchen  ziemlich  leicht  durch  die  Papille  m  den 
Darm.    Bougie  bleibt  liegen.    Galle  fliesst  ganz  klar.    Temp.  abends  37,5. 

21.  7.  03.  Temp.  morgens  39,0.  Verband  stark  durch.  Entfernung 
des  Bougios,  das  keine  Beschwerden  gemacht  hat.  Galle  läuft  klar 
nach,  dabei  wird  ein  etwa  crbseu8:rosser  brüclclicher  Stein  in  zwei 
Hälften  heransgespült.  Dicke  Sonde  gelangt  leiclit  in  den  Darm.  Feste 
Tamponade  mit  Gaze. 

23.  7.  03.  Verband  2  Tage  trocken  (keine  Koliken  mehr).  Heute 
früh  Verband  infolge  Herausgleilens  des  Tampons  durch.  Sonde  ge- 
langt leicht  in  den  Darm  durch  die  Papille.  Kein  Stein  mehr  nach- 
zuweisen.    Feste  Tamponade.    Stuhl  braun. 

26.  7.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Keine  Tamponade  des  sehr 
engen  Wundtrichters  mehr. 

28.  7.  03.  Nur  noch  Spur  Galle  im  Verband.  Wundtrichter  in 
der  Tiefe  geschlossen. 

30.  7.  03.  Pat.  wird  mit  kleiner,  oberflächlicher,  gut  granulierender 
Wunde  entlassen. 

Die  Untersuchung  »der  Gallenblase  durch  das  pathol.  Institut  in 
Marburg  ergibt  folgenden  Befund : 

Makroskopisch:  An  dem  Fundusteil  der  etwas  dilatierten 
Blase  sind  keine  wesentlichen  Veränderungen  zu  bemerken,  dagegen 
findet  sich  am  Hals  ein  zirkuläres  Druckgeschvvür  von  10—12  mm.  Höhe 
mit  unregelmässig  ausgezackten  Rändern  und  glattem,  grünlich  ge- 
färbtem Grund.  Dieser  Stelle  entsprechend  und  noch  über  dieselbe 
hinaus  nach  dem  Cysticus  hin  ist  die  Wand  bis  auf  das  dreifache  verdickt. 

Mikroskopisch  konstatiert  man 'an  dem  Geschwür:  Verlust 
des  Epithels  und  der  Muskulatur,  Begrenzung  der  Oberfläche  durch 
einen  breiten  Streifen  kernarmen  hyalinen  Gewebes,  Umwandlung  der 
darunterliegenden  Wand  in  ein  chronisch  entzündliches  Granulations- 
gewebe. An  den  Rändern  des  Defekts  beginnende  Regeneration  des 
Oberflächenepithels.     Die  Muskulatur  in  der  Umgebung  des  Geschwürs 

zeigt  interstitielle  Entzündung. 

16* 


—     244     — 

Epicrise:  Bei  dem  Ikterus  musste  man  an  einen  Stein 
im  Choledochus  denken.  Doch  fand  man  keinen,  oder  er  war  so- 
klein,  dass  er  weder  mit  der  Sonde  noch  mit  dem  Finger  ge- 
fühlt werden  konnte.  Der  Ikterus  kann  auch  so  entstanden 
sein^  dass  entweder  das  geschwollene  Pankreas  den  Abfluss  der 
Galle  störte  oder  der  grosse  im  Hals  der  Gallenblase  steckende 
Stein  den  Choledochus  komprimierte.  Für  solch  zweifelhafte 
Fälle  empfiehlt  es  sich  vielleicht  immer,  das  Duodenum  zu  spalten 
und  von  der  Papille  aus,  die  man  event.  stumpf  oder  scharf 
erweitern  kann,  den  unteren  Teil  des  Choledochus  auf  seinen 
Inhalt  zu  prüfen.  Die  Operation  ist  aber  eingreifend,  durch 
Eröffnung  des  Duodenums  ist  die  Möglichkeit  einer  Infektion 
vorhanden.  Trotzdem  dürfte,  wenn  man  die  Gründlichkeit  im 
Auge  hat,  die  kombinierte  Choledocho-Duodenotomie  und  Hepa- 
ticusdrainage  für  gewisse  Fälle  empfehlenswert  sein.  Es  i.^it^ 
wie  ich  mich  überzeugt  habe,  sehr  schwer,  den  unteren  Teil 
des  Choledochus  mit  Bestimmtheit  von  Steinen  zu  entleeren. 
Der  Verlauf  stellte  fest,  dass  doch  im  Choledochus  ein  Kon- 
krement* steckte.  Als  der  Gallenfluss  in  der  3.  bis  4.  Woche 
sehr  profus  wurde,  machte  man  das  Stöpselexperiment:  es  traten 
Koliken  auf  und  die  Galle  staute  sich,  weil  die  Papille  durch 
einen  Stein  verlegt  war.  Die  Bougierungder Papille  wurde  mehrere 
Mal  vorgenommen,  und  bei  der  zweiten  gelanges,  das  Konkre- 
ment herauszuspülen.  Bei  einer  Choledochotomie  mit  Naht 
hätte  man  wahrscheinlich  ein  Recidiv  bekommen;  so  bewahrte 
die  Hepaticusdrainage  die  Pat.  vor  weiteren  Schmerzen  und 
einer  zweiten  Operation.     Sehr  wichtiger  Falll 

Nr.  121.     M.  R.,  29j.  Pjistorsfrau  aus  Oberiii«)llern  i.  Th. 

Aufgen.:  7.  7.  1903. 

Operiert:    9.  7.  1903-     Hepaticusdrainage.     Ectomie.. 

Cysticotomie.  Hepatopexie. 
Entlassen:  17.  8.  1903.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  hat  als  Kind  von  5  Jahren  an  heftigem  Darm- 
katarrh  gelitten,  ist  sonst  immer  gesund  gewesen.  1901  ein  Anfall  von 
„nervösem  Herzkrampf",  der  einen  Tag  andauerte.  1902  Gelenkrheu- 
matismus (Fieber,  Herzklopfen).  Pat.  lag  8  Tage  krank,  hat  seitdem 
ab  und  zu  Golenkschmerzen. 

Kine  Schwester  leidet  an  Magenkrämpfen. 

Vor  7  Jahren,  als  sich  Pat.  wegen  Blutarmut  in  einer  Naturheil- 
anstalt (Wasserkuren)  in  Leipzig  aufhielt,  plötzlich  Anfall  von  heftigen. 


—     245     — 

krampfartigen  Schmerzen  im  ganzen  Leib  und  im  Rücken,  dabei  starkes 
Angstgefühl.    Der  Anfall  dauerte  etwa  '/*  Stunde. 
Seitdem  häufige  gleichartige  Anfälle. 

Vor  5  Jahren  sehr  gehäufte  Anfälle,  in  einer  Woche  oft  zwei  bis 
drei,  dabei  Erbrechen  und  ab  und  zu  leichte  Gelbsucht,  die  einige  Tage 
dauerte.  In  den  Zwischenzeiten  völliges  Wohlbefinden.  Damals  zwei- 
mal Kur  in  Karlsbad.  Danach  erhebliche  Besserung.  Die  Anfälle  sind 
seitdem  weniger  häufig,  etwa  zweimal  im  Jahre,  und  leichterer  Natur, 
■dauerten  höchstens  eine  Stunde.  Dabei  ab  und  zu  Erbrechen  und  nach- 
her leichte  Gelbsucht.  In  den  Zwischenzeiten  völliges  Wohlbefinden. 
So  blieb  der  Zustand  bis  vor  3—4  Wochen. 

Vor  S^ji  Wochen  drei  Tage  hintereinander  heftige  Anfälle,  der 
dritte  und  letzte  von  äusserster  Heftigkeit  dauerte  etwa  16  Stunden. 
Dabei  Erbrechen,  Gefühl  von  Völle  und  Schmerzen  in  der  Lebergegend. 
Nachher  einige  Tage  leichte  Gelbsucht.  Fat.  fühlte  sich  dann  noch 
einige  Tage  sehr  matt,  ist  jetzt  wieder  völlig  wohl,  hat  keinerlei  Be- 
schwerden. Stuhlgang  ist  unregelmässig  (Verstopfung),  angeblich  immer 
gut  gefärbt.     Appetit,  ausser  im  Anfall,  gut. 

Herr  Dr.  Löffler-Kösen  sendet  uns  die  Fat.  zu. 

Befund:  Kein  Ikterus.  Im  Urin  eine  Spur  von  Gallenfarbstoff, 
kein  Eiweiss.  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend,  kein 
deutlicher  Tumor. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  Cysticus  augenblicklich  offen, 
vielleicht  Stein  im  Choledochus  (?). 

Operation:  9.  07.  03.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (40  gr). 
Dauer  der  Narkose  45  Min.,  Dauer  der  Operation  35  Min.  Wellenschnitt 
Leber  normal,  Gallenbla"se  gross,  schlaft,  enthält  Steine.  Verwachsungen 
mit  Netz  werden  gelöst.  Im  Cysticus  kleiner  Stein  fühlbar.  Nach  Ec- 
tomie  (ca.  5  Min.)  Sondierung  des  Cysticus.  Keine  Steine  fühlbar. 
Spaltung  des  Cysticus  bis  in  den  Choledo^-hus  hinein.  Dnodenalwärts 
S  erbsengrosse  Steine.  Extractioii.  Papille  soiidierbar.  Hepaticus- 
drainage.  Nur  2  Tampons  (einer  ins  Foramen  Winslowii-nnd  auf  Leber- 
bett, der  andere  auf  das*lig.  hepato-duodenale  und  zwischen  Rohr  und 
Duodenum).    Hepatopexie  mit  1  Sutur. 

Verlauf :  9.  7.  03.    Abends  Tamp.  37,6,    Puls  80.    Kein  Erbrechen. 

10.  7.  03.  Temp.  morgens  37,0,  abends  37,3.  Fuls  96-100.  Zwei- 
mal Erbrechen  von  etwas  Tee  mit  Blutspuren.  Etwas  Übelkeit  und 
Aufstossen.  Magenspülung,  im  Magen  viel  Tee  und  ziemlich  viel 
altes  Blut.     Galle  läuft  ziemlich  reichlich,  ist  klar. 

11.  7.  03.    Kein  Erbrechen  mehr.    Befinden  gut,  Blähungengehen. 
.    14.  7.  03.    Führt  ab.    Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes. 

23.  7.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres, 
sämtlicher  Tampons,  die  locker  sitzen,  und  sämtlicher  Nähte.  Wunde 
sieht  gut  aus.  Choledochus-Incision  gut  sichtbar.  Ausspiihing  des 
Uepaticns.    Tamponade.    Temp.  abends  38,2. 


—     246     — 

26.  7.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Entfernung  der  Fäden  und 
des  Hepatopexie-Drahtes.  Choledochus  -  Incision  gut  sichtbar.  Aus- 
spülung des  Choledochus.    Tamponade. 

27.  7.  03.  Gestern  starke  Kopfschmerzen.  Temp.  normal.  Ver- 
band heute  stark  durch.    Verbandwechsel. 

28.  7.  03.  Verband  wieder  stark  durch.  Letzter  langer  Faden 
entfernt. 

29.  7.  03.    Steht  auf. 

1.  8.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Wenig  Galle  im  Verband. 
Wundtrichter  bereits  sehr  eng. 

14.  8.  03.     Galle  läuft  nicht  mehr. 

17.  8.  03.  Fat.  wird  mit  kleinem,  engen,  gut  granulierenden 
Wundtrichter  entlassen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Gallenblase  durch  da;  pa- 
thologische Institut  in  Marburg  ergibt  folgenden  Befund : 

An  der  zahlreiche  Steine  enthaltenden  Blase  fällt  makroskopisch 
eine  etwas  grobe  Zeichnung  der  Zotten  auf.  Mikroskopisch  konstatiert 
man  eine  Abstossung  des  Epithels  auf  der  Höhe  der  Zotten,  eine  chro- 
nische Hypertrophie  der  Schleimhaut  und  der  gesamten  Wand,  die  in 
allen  Schichten  kleinzellig  ist. 

Epicrise:  Zur  Zeit  war  der  Cysticus  offen,  die  Galle  klar, 
daher  fast  gar  keine  Beschwerden.  Der  Cysticus  war  eng,  so 
dass  der  Befund  der  Choledochussteine  überraschend  war.  Der 
Fall  ist  wiederum  ein  Beweis  von  der  Häufigkeit  der  Latenz 
der  Choledochussteine  und  von  der  Notwendigkeit  der  Chole- 
dochusincision,  wo  irgend  möglich. 

Nr.  122.    A.  Seh.,  53j.  Gelbgiessersfrau  aus  Zerbst. 

Aufgen.:  1.  4.  1904. 

Operiert:   3.  4.   1904.     Hepaticusdrainage.    Ectomie. 

Cysticectomie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  14.  5.  1904.     Geheilt." 
Anamnese:  Fat.  hat  3  Kinder,  3  sind  klein  gestorben. 
Fat.    hat    viel    an    Schwäche   und    Blutarmut  gelitten ;  eine  Zeit 
lang   bestand   auch    Husten    und    Auswurf,    so  dass  der  Arzt  an  Aus- 
zehrung glaubte.    Doch  erholte  sich  Fat.  wieder. 

1872  angeblich  Gelenkrheumatismus.  1873  heftige  Durchfälle 
(„Cholera").     1878  Lungen-  und  Brustfellentzündung. 

Fat.  hat  schon  öfters  an  Magenschmerzen,  besonders  nach  dem 
Essen  gelitten.  Vor  5  Jahren  wegen  eines  Gebärmutterpolypen  ope- 
riert in  Dessau.  Einige  Wochen  später  Schmerzen  in  der  Leber- 
gegend mit  harter  Anschwellung  in  der  Leber-  bezw.  Gallenblasen- 
gcgend  (der  Arzt  wollte  ev.  operieren),  dabei  fürchterliche,  z.  T. 
krampfartige  Schmerzen.  (3  Wochen  lang.)  Keine  Gelbsucht.  Vor 
2  Jahren  nochmals  ein  gleicher,  nur  etwa  8  Tage  dauernder  Anfall. 
Keine  Gelbsucht. 


247     — 


Völliges  Wohlbefinden  bis  Dezember  1902.  Dann  begann  Schwäche 
Mattigkeit,  häufiges  Herzklopfen.  Dabei  nur  sehr  leichte,  drückende 
Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend.  Dann  wieder  Erholung.  August  1903 
wieder  Schmerzen,  jedoch  nicht  koHkartig,  Anschwellung  in  der 
Lebergegend  und  allmählich  Gelbsucht.  Stuhl  weiss.  Kein  Fieber. 
Gallensteine  im  Stuhl  wurden  nicht  gefunden.  Ikterus  schwankte 
sehr  seitdem,  die  Schmerzen  wurden  dauernd,  diesmal  auch  mehr  nach 
links  nach  dem  Magen  hin.  Appetit  schlecht.  Abmagerung.  Stuhl 
früher  immer  verstopft,  jezt  nach  Karlsbader  Wasser  regeln.ässig. 
Ikterus  zur  Zeit  sehr  gering. 

Befund:     Sehr    schwache    und    elende    Frau.     Geringer  Ikterus. 

Urin    frei,    ohne  Zucker    und    Eiweiss,    enthält   Gallenfarbstoff.     Leber 

gross,  rechter  Leberlappen  steht  tief.  Tumor  der  Gallenblase  undeutlich. 

Druckgefühl  bei  Palpation  mehr  in  der  Mittellinie.     Lunge,  Herz  gesund. 

Diagnose:  Stein  im  ductus  choledochus. 

Operation:  3.  4.04.  Gute  Chloroform-Sauerstoff-Narkose.  (60  gr. 
C'hloroform).  Dauer  der  Operation  °/4  Stunden.  Wellenschnitt.  Gallen- 
blase gross,  prall  mit  Steinen  gefüllt,  ringsum  mit  Netz  verwachsen. 
Schwierige  Lösung.  Starke  Blutung  aus  dem  Netz.  4  Unterbindungen. 
Sehr  wandverdickte  Gallenblase,  wird  excidiert.  Hinter  dem  im  Hals 
festsitzenden  Stein  wird  eine  gebogene  Klemme  angelegt  und  die 
Gallenblase  entfernt.  Im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  ein 
festsit?;ender  Stein.    Aufwiesen  wird  dicht  am  Duodenum  eingeschnitten, 

dabei  sehr  starke  arterielle 
Blutung  (art.  cystica  acces- 
soria).  PZntfernung  des  Steines. 
Hepaticus  frei.  Sondierung  der 
Papille  sehr  schwierig.  Um 
über  den  retroduodenalen  Teil 
des  Choledochus  Klarheit  zn 
beliommen,  wird  dieser  frei- 
gelegt. Kein  Stein  mehr  zu 
linden.  Feine  Sonde  passiert 
die  Papille.  Ductus  cysticns 
ist  sacliartig  erweitert,  die 
Schleimhaut  wird  excidiert. 
Rohr  in  den  Hepaticus.  Hepa- 
topexio.  4  Tampons.  Naht  der 
Bauchwunde.  Die  neben- 
stehende Skizze  erläutert  den 
Operations  bef  und. 

Die  Gallenblase  ist  sehr 
wandverdickt,  enthält  Eiter 
und  viele  kantige  Steine, 
Schleimhaut  ulcerös ,  Hals 
völlig  obliteriert. 
Das  path.  Institut  in  Marburg  schreibt  über  den  Befund  Folgendes: 


a)  Vorditkte  Gallonblaso;  Inhalt:  Eiter  und 
Steine. 

b)  Obliterierter  Hals  der  Gallenblase. 

c)  Sackartig  erweiterter  Cysticus. 

d)  Stein  im  supraduodenalen  Teil  des  Chole- 
donhus. 

e)  Art.  hepatica  propria. 

f)  Art.  cystica  accesf  oria. 

g)  Art.  cystica  propria. 
h)  Papilla  duodeni. 


—     248     — 

Die  übersandte  Gallenblase  mit  einem  ö'/«  cm.  lichten  Längs- 
durchmesser zeigt  ausserordentlich  verdickte  Wandungen,  welche 
zwischen  5  und  10  mm.  Dicke  schwanken.  Die  Höhle  zerfällt  in  3  Ab- 
schnitte, Ton  denen  der  mittlere  der  grösste  ist  und  ovale  Gestalt  auf- 
weist mit  einem  Durchmesser  von  2  cm.  Länge  und  3  cm.  Breite. 
Diese  mittlere  Höhle  zeigt  höchst  unregelmässige  Wandungen,  die 
mit  kleinen,  Hirnwindungen  ähnlichen  Wülsten  und  Furchen  besetzt 
sind.  Dieselben  sind  intensiv  buttergelb  gefärbt.  Die  buttergelbe 
Färbung  erstreckt  sich  bis  zu  5  mm.  in  die  Wand  hinein.  Nach  oben 
und  unten  schliesst  sich  je  ein  kleinerer  von  dem  mittleren  scharf 
abgegrenzter  Hohlraum  an  von  dem  Umfange  einer  Erbse  bez.  einer 
Bohne. 

Mikroskop.  Untersuchung  ergibt,  dass  in  dem  oberen  und  unteren 
Abschnitte  die  Muskulatur  noch  gut  erhalten  und  deutlich  hyper- 
tropisch ist.  Von  der  Schleimhaut  ist  nichts  zu  finden.  An  ihre 
Stelle  ist  ein  Granulationsgewebe  getreten,  nur  zwischen  den  Muskel- 
zügen finden  sich  hier  und  da  drüsenähnliche  Epithelzüge,  welche 
z.  T.  bis  in  das  subperitoneale  Gewebe  hineinreichen.  *  Letzteres  wie 
auch  das  Zwischengewebe  der  Muskulatur  ist  hochgradig  verdickt 
mit  Umbildung  der  Grundsubstanz  in  hyalin  glänzende  Massen,  welche 
in  breiten  Bändern  angeordnet  sind.  Auch  besteht  frische  zellige  In- 
filtration in  ausgedehntem  Masse.  In  dem  mittleren  Abschnitte  ist 
die  Muskulatur  völlig  zu  Grunde  gegangen  und  durch  ein  sehr  zell- 
reicbes  Granulationsgewebe  ersetzt.  Nach  innen  zu  geht  dies  in  eine 
eigentümlich  hyalin  aussehende  Substanz  über,  welche  an  die  hya- 
linen Platten  bei  Arteriosklerose  erinnert.  In  den  Sudanpräparaten 
zeigt  sich  das  Granulationsgewebe  ausserordentlich  fettreich.  Hier 
und  da  liegen  auch  grosse  Riesenzellen,  welche  Cholestearinmassen 
mit  feinen  Nadelbüschen  umfassen.  Das  Epithel  der  Gallenblase,  wo 
es  intermuskulär  noch  erhalten  ist,  ist  ein  einfaches  Cylinderepithel. 
Weder  an  dem  oberen  noch  an  dem  unteren  Abschnitt  liess  sich  die 
charakteristische  Struktur  des  Ductus  cysticus  nachweisen,  so  dass 
wahrscheinlich  die  Abtrennung  des  Präparates  zwischen  Hals  der 
Blase  und  Cysticusanfang  stattgefunden  hat.  Die  Erweiterung  des 
Duct.  cystic,  wäre  dann  als  Bildung  einer  Pseudogallenblase  nach  Art 
der  auf  dem  letzten  Chirurgencongress  erwähnten  angeblichen  Regene- 
ration  der   Gallenblase  aufzufassen. 

Verlauf:  16.4.  Nach  fieberfreiem  Verlauf,  in  den  ersten  Tagen  durch 
häufiges  Aufstossen  etwas  gestört,  heute  erster  Verbandwechsel.  Ent- 
fernen der  Tampons,  des  Rohres  und  der  Hautnähte  sowie  der  Hepatopexie- 
drähte.  Wunde  per  primam  geheilt,  Wundtrichter  rosig.  Ikterus  be- 
reits fast  ganz  geschwunden.  Kräfte  haben  bereits  zugenommen. 
Galle  bis  heute  reichlich  durchs  Rohr  gelaufen,  in  den  letzten  Tagen 
vollkommen  klar. 

17.  4.  Verband  von  Galle  durchtränkt.  Wechsel  der  oberfläch- 
lichen Schichten,  Weiterhin  ganz  glatter  Verlauf.  Gallenfiuss  bewegt 
sich  in  normalen  Grenzen, 


—     249     — 

24.  4.    Pat.  steht  zum  ersten  Male  auf. 

14.  5.     Mit   geschlossener  Wunde  in  bester  Gesundheit  entlassen. 

Epicrise:  Der  Hals  der  Gallenblase  war  völlig  oblite- 
riert; der  Cysticus  selbst  enorm  ausgedehnt,  so  dass  man  bei 
der  Operation  glaubte,  das  Duodenum  eröffnet  zu  haben.  Bei 
der  Incision  auf  den  Choledochusstein  war  die  art.  cystica 
accessoria  angeschnitten  worden,  so  dass  eine  heftige  Blutung 
entstand.  Der  Stein  im  Choledochus  versperrte  fast  völlig  den 
Gang,  die  sich  stauende  Galle  erweiterte  den  ductus  cysticus 
sackartig,  so  dass  eine  Orientierung  sehr  schwierig  war.  Der 
Fall  zeigt,  dass  der  Cysticus  sich  nach  einer  Excision  der  Gallen- 
blase erweitern  kann,  wenn  man  vom  ductus  cysticus  einige 
Oentimeter  stehen  lässt  und  die  Unterbindung  nicht  nahe  genug 
am  ductus  choledochus  vornimmt. 

Nr.  123.    £.  B ,  37j.  Haushälterin  aus  Oeliiihausen. 

Aufgen.:  21.  8.  1903. 

Operiert:  23.  8.  1903.    Hepaticusdrainage.    Ectomie. 

Cysticotoraie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  8.  10.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  litt  schon  immer  an  Verstopfung,  war  stets 
etwas  bleichsüchtig.  Ende  Oktober  1902  mehrere  einige  Stunden  dauernde 
Anfälle  von  kolikartigen  Schmerzen  im  Leibe,  besonders  in  der  Gegend 
der  Magengrube  Dabei  Erbrechen ,  kein  Fieber.  Bei  jedem  Anfall 
etwa  einen  Tag  lang  leichte  Gelbsucht.  Keine  Schüttelfröste.  Stuhl 
war  verstopft,  einigemale  sehr  hell  gefärbt,  Urin  dunkel.  Nachher 
fühlt  sich  Pat.  wieder  völlig  wohl,  hatte  keinerlei  Beschwerden  bis 
Mitte  Juni  1903. 

Mitte  Juni  1903  mehrere  (3—4)  den  früheren  gleiche  Anfälle  im 
Verlauf  von  14  Tagen,  jedoch  etwas  heftiger  als  die  im  vorigen 
Herbst.  Nachher  fühlte  sfch  Pat.  sehr  matt.  Seitdem  gehäufte  An- 
fälle, alle  8  Tage  und  öfter.  In. der  letzten  Woche  zweimal.  Die 
Anfälle  waren  zuletzt  weniger  heftig.  Steine,  etwa  erbsengross,  wurden 
in  letzter  Zeit  nach  den  Anfällen  im  Stuhl  gefunden. 

Pat.  fühlt  sich  jetzt  sehr  matt,  hat  ab  und  zu  Schmerzen  in  der 
Lebergegend,  besonders  auf  Druck.    Appetit  massig. 

Pat.  ist  mit  heissen  Umschlägen,  Morphiumeinspritzungen  (im 
Anfall)  und  Karlsbader  Wasser,  Olklystieren  und  Ölkur  behandeltworden. 
Herr  Sanitätsrat  Dr.  Kessler   in   Salzgitter   sendet   uns  die   Pat.   zu 

Befund:  Abgemagerte,  elende  Person.  Hepatoptose.  Kein 
Ikterus.  Gallenblasengegend  sehr  druckempfindlich.  Kein  Tumor. 
Urin  frei.     Herz,  Lunge  gesund. 

Diagnose:  Chron.  recid.  Cholecystitis. 


—     250     — 

Operation:  23.  8.  03.  Sehr  gute  Chloroformsauerstoff-Narkos& 
(40  gr.).  Dauer  der  Operation  50  Min.  In  Gegenwart  der  Herren  Dr. 
Offen bach-New-York,  Dr.  Eliot-Alden  vom  Lakeside-Hospital  in 
Cleveland,  Ohio  und  Dr.  Mc.  Henry  ebendaher.  Wellenschnitt.  Hepa- 
toptose.  Fast  der  ganze '  rechte  Lappen  lässt  sich  extraperitoneal 
lagern.  Gallenblase  gross,  langgestreckt,  am  Halse  fest  mit  Duodenum 
und  Netz  verwachsen.  Lösung.  Ectomie.  Gallenblase  stark  entzündet, 
enthält  im  Cysticus  mehrere  Steine.  Cysticotomie.  Choledochotomie, 
doch  ist  nirgends  ein  Stein  zu  finden.  Hepaticusdrainage.  Hepatopexie 
mit  2  Fäden.    Tamponade.    Verband. 

Verlauf:  Gut. 

5.  y.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons.  Wunde 
sieht  sehr  gut  aus.  Galle  läuft  reichlich.  Keine  Ausspülung  des 
Hepaticus.    Abends  38,7°.     Puls  92.    Etwas  Schwäche. 

6.  9.  03.  37,00.0.  Puls  80.  Verband  von  Galle  durchtränkt.  Er- 
neuerung des  Verbands.  Die  Tampons  bleiben  liegen.  Temp.  abends  37,6. 

7.  9.  03.  Verband  durch.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Nähte 
und  der  Tampons.  Temp.  normal.  Nachmittags  leichte  Angstzustände 
und  etwas  Unruhe.  Klagen  über  Schwäche.  Puls  120,  etwas  weich. 
Abends  fühlt  sich  Pat.  wieder  wohl.     Puls  108. 

9.  9.  03.  Verband  täglich  durch.  CJioledochiisincision  bei  der 
Enge  und  Tiefe  des  Wiiudtrichters  in'cl  t  sichtbar.  Keine  Ausspülung 
des  Hepaticus. 

12.  9.  03.  Verband  noch  täglich  durch.  Entfernung  des  grössten 
Teils  der  langen  Fäden. 

13.  9.  03.    Steht  auf. 

23.  9.  03.     Verband  seit  3  Tagen  trocken. 

8.  10.  03.     Wunde  geheilt,  Narbe  fest.    Entlassen. 
Epicrise:    Da    Steine    unter   Ikterus    abgegangen    waren, 

hielt  ich  eine  genaue  Revision  des  Choledochus  für  sehr  not- 
wendig. Ich  fand  aber  keinen  Stein  mehr.  Am  einfachsten  ist  es, 
auch  in  solchen  Fällen  die  Hepaticusdrainage  anzuwenden. 
Tamponieren  muss  man  doch,  da  macht  es  nicht  viel  aus,  ob 
man  noch  ein  Rohr  in  den  Hepaticus  schiebt.  Die  Indication 
zur  Operation  war  aus  sozialen  Gründen  gegeben.  Der  Stein 
im  Cysticus  war  zum    spontanen  Durchtritt  zu  gross. 

Nr.  124.  R.  W.,  44j.  Amlniaiiii  aus  Popperode. 

Aufgen.:  1.  1.  1904. 

Operiert:  21.  1.  1904.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Cysticotomie. 
f  2.  2.  1904  an  septischer  Cholangitis. 
Anamnese:    Pat.    ist    vorheiratet,    Vater    von    zwei   gesunden 
Kindern.     1  Bruder  und  1  Schwester  leiden  an  Gallensteinen.    Hat   in 
der  Jugend  Muskelrheumatismus  gehabt. 


—     251     — 

Vor  8  Jahren  zum  ersten  Mal  Kolikanfall,  seitdem  in  Zwischen- 
räumen von  etwa  '/4  Jahr  neue  Anfälle,  zuweilen  mit  ganz  leichter 
Gelbsucht.  Vor  5  Jahren  ein  Kolikantall  mit  intensiver  Gelbsucht, 
dunklem  Urin  und  hellem  Stuhl.  Vor  2  Jahren  bei  einem  Anfall  im 
Stuhl  2  Steine  gefunden,  der  grössere  davon  war  pferdebohnengross; 
bei  diesem  Anfall  wurde  auch  Morphium  nötig.  Pat.  war  7  mal  in 
Karlsbad;  der  erwähnte  letzte  Anfall  dauerte  am  längsten  von  allen, 
etwa  10  Stunden.  Nie  trat  Erbrechen  auf,  auch  keinerlei  Verdauungs- 
störungen. Pat.  war  die  letzten  2  Jahre  ganz  gesund,  da  traten 
vor-2'/2  Wochen  Abends  angeblich  nach  etwas  zu  reichlicher  Mahlzeit 
wieder  ganz  leichte  kolikartige  Schmerzen  auf ;  doch  konnte  Pat.  die  Nacht 
ganz  gut  schlafen.  2  Tage  später  angeblich  nach  Erkältung  ein  Schüttel- 
frost mit  hohem  Fieber.  Seitdem  fiebert  Pat.,  soll  bis  40"  Abends  ge- 
habt haben.  Herr  Dr.  Wal dsc h midt-Popperodo  verordnete  Bett- 
ruhe», '  kalte  Umschläge  auf  die  Lebergegend  und  Antipyretica.  Stuhl- 
gang erfolgte  in  den  letzton  beiden  Wochen  nur  auf  Einlaufe,  Urin 
war  etwas  dunkler  als  normal.  Herr  Dr.  Waldschmidt  schickt 
uns  den  Pat.  wegen  Empyem  der  Gallenblase  mit  folgendem  Brief  zu : 

„Pat.  hat  seit  einer  Reihe  von  Jahren  bald  mehr  bald  weniger 
heftige  Gallenkoliken  durchgemacht  mit  öfter  dazu  auftretendem  Ik- 
terus. Seitdem  er  Karlsbad  besuchte,  besserte  sich  der  Zustand.  Das 
letzte  Jahr  war,  trotzdem  Karlsbad  nicht  besucht  wurde,  befriedigend. 

Nach  Bericht  des  Pat.  begann  die  jetzige  Krankheit  am  17.  Dezember 
mit  einem  gelind  schmerzhaften,  jedoch  andauernden  Gallenkolikanfall. 
Es  stellte  sich  Frost  und  Fieber  ein  nebst  grosser  Abgeschlagenheit. 
Meine  erste  Untersuchung  am  24.  12.  stellte  morgens  11  Uhr  39,2'* 
Temperatur,  völlige  Appetitlosigkeit,  Mattigkeit  fest.  Dabei  war  die 
Leberpforte  auf  Druck  schmerzhaft,  und  ich  glaube  auch  die  vergrös- 
serte  Gallenblase  gefühlt  zu  haben,  ferner  bestand  massiger  Ikterus, 
der  im  Lauf  der  nächsten  Tage  allmählich  bis  auf  geringe  Spuren 
abnahm.    Die  Temperatur  stieg  am  24.  12.  abends  noch  auf  40,4. 

Das  Fieber  machte  mir  den  Eindruck  einer  Pyämie:  Unregel- 
mässige Fiebercurve,  die  mit  Frost  einsetzte,  dann  plötzlich  empor- 
schnellte, einmal  auf  40,7,  uild  nach  einiger  Zeit  unter  manchmal  sehr 
starken  Seh  weissen  naohliess.  Die  Leber  war  im  Anfang  ebenfalls 
schmerzhaft,  jedoch  kaum  vergrössert. 

Seit  der  Stunde,  da  die  Reise  nach  Halberstadt  beschlossen  war, 
blieb  die  Temperat.ir  gut. 

In  letzter  Zeit  trat  in  der  Gallengegend  nach  tiefer  Atmimg 
geringer  Schmerz  auf.  Eine  energische  Untersuchung  der  Gallenblase 
habe  ich  in  Jen  letzten  Tagen  nicht  vorgenommen  und  glaubte  sie 
vermeiden  zu  müssen." 

Befund:  Wohlbeleibter  Mann;  in  der  Gallenblasengegend  kein 
Tumor  fühlbar,  bei  stärkerem  Druck  Schmerzempfindlichkeit  und 
Resistenz.  Ganz  schwacher  Ikterus.  Puls  ziemlich  klein,  100.  Allge- 
meinbefinden gut.  Temp.  37,8°  C.  Im  Urin  etwas  Gallenfarbstoff, 
kein  Eiweiss.  Bettruhe,  Thermophor  früh  und  Abends  je  eine  Stunde; 
Oeleinläufe.    Flüssige  Diät. 


—     252     — 


2.  1.    37,8-38,3. 

3.  1.    38,3- 

4.  1.    38,3- 

5.  1.    37,8-38,5. 
unverändert. 

38,3-38,2. 
37,8-37,5. 
38,3-38,8. 
38,1-37,9. 


37,8  Abends  20  Tropfen  Morphium. 
38,0.    Puls  112,  vielleicht  etv^^as  kleiner.    Schläft  viel. 
Pat.  erhält  Strophantus  3  mal  8  Tropfen.  Befund 


Stuhlgang  täglich  auf  Oeleinlauf.    Ikterus  ganz 


6.  1. 

7.  1. 

8.  1. 

9.  1. 
schwach. 

10.  1.  38,6—39,0.  Puls  140,  weich,  ziemlich  klein.  Abends  etwas 
Frost.  Keine  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend.  Rechter 
Rippenbogen  der  Leber  entsprechend  etwas  vorgewölbt,  hinten  rechts 
unten  etwas  abgekürzter  Lungenschall. 

11.  1.    37,9-38,9. 

12.  1.    39,0-38,0  Spiritusverband. 

13.  1.  38,6-39,3.  Pat.  fühlt  sich  trotz  dos  Fiebers  vollkommen 
wohl,  hat  keine  Schmerzen,    massigen  Appetit. 

14.  1.    37,8-39,6.    Spiritusverband. 

)5.  1.  37,0—37,9.  Letzte  Nacht  wenig  geschlafen,  sehr  unruhig 
gewesen.     Unter  Schweissausbruch  Temperaturabfall  zur  Norm. 

16.  1.  Letzte  Nacht  wieder  etwas  Frösteln  und  Anstieg  auf  39,6°. 
Probepunktion  rechts  hinten  unten  fördert  leicht  getrübtes  goldgelbes 
Serum  zu  Tage.  Dämpfung  besteht  etwa  3  fingerbreit.  Punktion  am 
vorderen  etwas  vorgewölbten  Rippenbogen,  woselbst  die  Haut 
ödematös  ist,  bleibt  negativ.  Pat.  führt  heute  ab  mit  Ricinus,  bekommt 
flüssige  Diät. 

Fig  11. 


R.W.  44jähr.  Amfmann  aus  Popperode 

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—     253     — 

7.  1.    38,3-38,8°. 

18.  1.    37,7-39,4«. 

19.  1.  38,0-39,0".  Pat.  schläft  viel,  auch  tagsüber.  Druck- 
empfindlichkeit der  Gallenblasengegend  wieder  ausgesprochener. 

20.  1.     Pat.  führt  ab. 

Weiteres  Abwarten  ist  bei  dem  immer  wiederkehrenden  Fieber 
misslich;  der  Befund  ist  noch  ziemlich  negativ,  nur  geringe  Druck- 
empfindlichkeit der  Gallenblasengegend  vorhanden.  Pleuraexsudat  ist 
ziemlich  massig.  Puls  120  trotz  3  maliger  Dosis  von  Strophantus 
(10  Tropfen!). 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase,  die  wahrscheinlich  ge- 
schrumpft ist;  Cholangitis  (?). 

Operation:  21.  1.  04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.  (50 gr. 
Chloroform.)  Wellenschnitt.  Leber  sehr  massig  und  stumpf.  Gallen- 
blase klein,  langgestreckt,  verdickt,  sieht  aus  wie  eia  Processus  yeruii- 
foruiis.  Ist  fest  mit  Netz  verwachsen.  Nach  seiner  Lösung  bleibt  im 
Netz  ein  Defekt,  vom  Aussehen  eines  tiefen  Ulcus  ventriculi.  In  der 
Gallenblase  kleine  Steine  und  Eiter.  Auch  aus  dem  Cystiens  fliosst 
Eiter.  Deshalb  Spaltung.  Choledochns  enthält  trübe  Galle.  Aus  dem 
Hepaticus  fllesst  Eiter.  Hepaticusdrainage.  Papille  frei.  Ectomie. 
Gallenblase  sehr  geschrumpft.  Art.  cystica  ist  wegen  Starrheit  der 
Leber  nicht  zu  unterbinden,  es  bleibt  deshalb  eine  Klemme  liege«i. 
Dauer  der  Operation  50  Min.     Subphrenium,  soweit  übersichtlich,  frei. 

Verlauf:  Befinden  nach  der  Operation  gut.  Pat.  erhält  Kochsalz- 
eiiiläufe  und  Camphereinspritzungen. 

22.  1.  04.  Massig  viel  Aufstossen.  Galle  läuft  gut  ab,  gestern 
enthielt  sie  noch  ziemlich  viel  eitriges  Sediment,  heute  ist  sie  bereits 
ziemlich  klar.     Urin   spontan.     37,5—37,8. 

23.  1.  04.  Ueber  Nacht  Blähungen  reichlich  gegangen.  Pat.  fühlt 
sich  heute  bereits  ganz  wohl;  seit  Mittag  kein  Aufstossen  mehr. 
38,0—37,8.  Galle  läuft  reichlich,  klar.  Atmung  kaum  beschleunigt, 
nicht  schmerzhaft. 

24.  1.  04.  37,8-37,4.  Pat.  hat  ohne  Schlafmittel  gut  geschlafen; 
keine  Schmerzen,  sehr  gute^  Allgemeinbefinden. 

26.  1.  04.     Pat.  führt  ab.     Weiter  fieberfrei. 

29.  1.  04.  Heute  Temperatursteigerung.  Verband  durch,  wird 
überwickelt.  Da  Puls  wieder  kleiner  und  beschleunigter  ist,  wird 
wieder  Strophantus  gegeben.     Abends  38,8. 

30.  1.  04.  Pat.  hat  sehr  schlecht  geschlafen.  Verbandwechsel, 
Entfernen  sämtlicher  Tampons,  welche  ziemlich  stark  riechen;  keine 
Sekretverhaltung ;  die  grosse  Wundhöhle  sieht  rosig  aus.  Das  Rohr 
im  Hepaticus  bleibt  liegen.  Puls  immer  noch  sehr  beschleunigt,  136—140, 
und  klein.  Strophantus.  Nährklystiere.  Nachmittags  40  com.  Ol. 
Olivar.  subcutan.  Im  Stuhl  heute  anscheinend  etwas  altes  Blut. 
Appetit  noch  sehr  gering;  nachmittags  ziemlich  viel  Aufstossen. 

31.  1.  04.  Nachts  wenig  geschlafen;  heute  Morgen  Puls  viel 
kräftiger,  120.  Temp.  37,8.  Vormittags  noch  viel  Aufstossen.  Fühlt 
sich  seit  Mittag  bedeutend  besser.  2  mal  Ol.  Olivar.  je  30  com.  subcutan. 


—     254     — 

Abeuds  38,2"  C.    Fat.  ist  deutlich  ikterisch;   ziemlich  verfallenes  Aus- 
sehen. 

1.  2.  C4.  38,8-39,0.  Heute  sehr  matt;  Verbandwechsel,  Tampons 
riechen  stark  foetide,  die  tiefe  Wundhöhle  ist  etwas  belegt.  Ent- 
fernen des  Rohres  aus  dem  Hepaticus.  Punktion  der  Pleura  rechts 
ergiebt  klares  Serum.  Puls  120,  ziemlich  kräftig.  Beim  Verbinden 
leichte  Ohnmacht.  Campher;  Ol  Olivar.  subcutan  2  mal.  Aufstossen 
ununterbrochen.  Abends  Morphium  subcutan,  da  der  Singultus  nicht 
nachlässt. 

2.  2.  04.  In  der  Nacht  zum  2.  2.  zunehmendes  Nachlassen  der 
Herzkraft.  Singultus  besteht  fort;  trotz  reichlicher  Excitantien  be- 
ginnt heute  Morgen  6'/^  Uhr  die  Agonie,  um  7  Uhr  Exitus. 

Die  Revision  der  Hauchhöhle  12  Stunden  post  exitum  ergibt  ausser 
unbedeutender  Bauchdeckeneiterung  septische  Cholangitis.  Lebor  ganz 
morsch  und  matsch,  in  den  feinsten  (hängen  Eiter.    Keine  Steine. 

Epicrise:  Der  behandelnde  Arzt  h  itte  eine  ganz  richtige 
Diagnose  gestellt,  aber  da  Pat.  ziemlich  korpulent  war  und  einen 
schlechten  Puls  hatte,  wartete  ich  ab,  in  der  Hoffnung,  die 
Infektion  würde  zurückgehen.  Da  das  nach  3  Wochen  nicht 
eintrat,  Operation.  Man  fand,  wie  man  vermutete,  kleine  eiter- 
gefüllte Gallenblase  und  Eiterflocken  in  der  Hepaticusgalle. 
Der  Verlauf  war  zuerst  gut,  dann  traten  die  Zeichen  der  Sepsis 
wieder  in  den  Vordergrund.  13  Tage  post  op.  exitus;  die  Eevi- 
sion  der  Leber  ergab  difiuse  eitrige  Cholangitis. 


d)  Hepaticusdrainage  ohne  Inangriffnahme  der  Gallenblase. 

Nr.  125.     M.  A.,  56j.  Privatiersfraii  aus  Aussig. 

Aufgen.:  16.  2.  1904. 

Operiert:  19.  2.  1904.     Hepaticusdrainage. 

Entlassen:    2.  4.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Herr  Dr.  Tri  nks -Aussig  sendet  uns  die  Pat.  mit 
folgender  Krankengeschichte  zu : 

„Frau  M.  A.  steht  seit  3  Jahren  in  meiner  Behandlung. 
Früher  litt  sie  wiederholt  an  „Magenkrämpfen".  Vor  Jahren 
ein  Gelenkrheumatismus  durchgemacht,  von  dem  ein  systolisches 
Herzgeräusch  herrühren  dürfte.  Als  ich  sie  in  Behandlung  bekam, 
hatte  sie  eine  typische  üallensteinkolik  mit  Ikterus.  Derselbe  hielt 
damals  ca.  5—6  Monate  lang  an.  Die  von  mir  zum  erstenmale  auf 
eine  Cholelithiasis  bezogenen  „Magenkrämpfe",  derenthalben  ich  ge- 
rufen wurde,  wiederholten  sich  seitdem  nicht  mehr.  Pat.  hatte  nach 
mehrmonatlichem  Bettliogen  eine  Kur  in  Karlsbad  durchgemacht  und 
seitdem  alljährlich  wieder  Karlsbad  besucht.  Auch  der  Ikterus,  der 
schon  vor  der  ersten  Karlsbader  Kur  geschwunden  war,  trat  nie  mehr 


—     255     — 

auf.  Nach  der  Karlsbader  Kur  hatte  Pat.  zuhause  jedesmal  in  grös- 
seren Intervallen  Fieberanfälle,  zwischen  89— 40,  mit  Frösteln,  Mattig- 
keit, die  aber  stets  nur  wenige  Stunden  (fast  nie  länger  als  '/^  Tag) 
dauerten  und  6—8  Wochen  lang  aussetzten.  In  der  Zwischenzeit  voll- 
ständiges Wohlbefinden,  Die  Lebensweise  war  stets  ausserordentlich 
geregelt,  ebenso  eine  peinliche  Diät  (nach  Karlsbader  Vorschrift)  ein- 
gehalten worden;  eine  Zeit  lang  wurden  Trauben-  und  Mplkenkuren  etc 
von  der  Pat.  auf  eigene  Faust  hin  betrieben. 

So  ging  der  Zustand  durch  ca.  2'/2— 3  Jahre  seinen  gleichmässigen 
Gang,  bis  heuer  während  und  nach  der  Karlsbader  Kur  Störungen 
auftraten.  Dieselben  bestanden  einesteils  aus  Ohnmachtsanfällen,  die 
bei  verschiedenen  Gelegenheiten  auftraten  (im  ganzen  3  mal  innerhalb 
eines  halben  Jahres),  und  zweitens  in  einem  häufigen  Wiederkehren 
der  früher  sporadischen  Fieberanfälle ,  die  sich  jetzt  seit  ca.  drei  bis 
vier  Monaten  prompt  jeden  5.-6-  Tag  einstellen.  Auch  der  früher 
immer  gleiclimässig  gefärbte  Stuhl  wechselte  jetzt  wiederholt  die 
Farbe,  ein  ausgesprochener  Ikterus  trat  jedoch  nicht  auf,  wiewohl  seit 
langem  schon  leichte  Gelbfärbung  der  Skleren  besteht. 

Der  lokale  Untersuchungsbefund  ist  fast  negativ.  Keine  Leber- 
schwellung, kein  Gallenblasenturaor,  dagegen  leichte  Druckempfind- 
lichkeit in  der  Magengrube  rechts  von  der  Mittellinie.  Ebenso  etwas 
weiter  nach  auswärts  am  unteren  Leberrande.  Auch  wurde  bei  einer 
der  letzten  Untersuchungen  (vor  ca.  4—6  Wochen)  ein  Druckschmerz 
rechts,  etwas  unterhalb  des  Nabels  gegen  das  Darmbein  zu,  angegeben. 
Spontane  Schmerzen  hatte  si'e  während  der  ganzen  Zeit,  seit  ich  sie 
zu  beobachten  Gelegenheit  habe,  nie,  dagegen  immer  einen  leichten 
Druck  sowie  ein  „Nörgeln"  in  der  Gegend  der  Gallenblase,  die  siqh 
mit  dem  Einsetzen  des  Fiebers  meist  etwas  steigerten.  Der.  allge- 
meine Körperzustand  der  Frau  ist  ein  guter;  sie  ist  kräftig,  ja  fett, 
bei  gutem  Appetit  und  hat  unter  dem  Fieber  der  letzten  Monate  sehr 
wenig  gelitten.  Sie  geht  jedoch  seit  ca.  2  Monaten  nicht  mehr  aus. 
hütet  meist  das  Bett    und    ist   von    sehr  starker  nervöser  Reizbarkeit. 

Der  Zustand  aller  üj^rigen  Organe  ist  ein  guter  bis  auf  das  systo- 
lische (übrigens  nur  leichte)  Geräusch  an  der  Herzspitze.  Zur  Zeit 
des  starken  Ikterus  vor  3  Jahren  hatte  sie  neben  Pulsverlangsamung 
eine  Zeit  lang  einen  aussetzenden  Puls.  Es  blieb  jeder  8.  Herzschlag 
aus.     Doch  verlor  sich  das  später  wieder  völlig." 

Vor  der  Aufnahme:  Ikterus,  keine  Leberscliwellung,  kein  Gallen- 
blasentumor. 

Bei  der  Aufnahme:  Ikterus,  keine  Leberschwellung,  kein  Gallen- 
blasentumor. 

Befund:  Leichter,  aber  ausgesprochener  Ikterus.  Leichte  Druck- 
empfindlichkeit in  der  Magengrube  und  der  Gegend  der  Gallenblase. 
Keine  Leberschwellung,  kein  Gallenblasentumor.  Urin  frei.  Temp. 
normal. 

Diagnose:  Grosser  Stein  im  supraduodenalen  Teil  des  Chole- 
<Jochu8. 


—     256     — 

Operation:  19.  2.  04.  Gute  Sauerstoff- Chloroformnarkose. 
Wellenschnitt.  Lebernicht  vergrössert.  Oallenblase  klein,  geschrninpft, 
kaum  kirschengross,  leer,  mit  Netz  verwachsen.  Lösung.  Im  erwei- 
terten supraduodenalen  Teil  ein  walzenförmiger  Stein,  5  cm.  lang,  2  cm. 
dick.  Excision.  Es  fliesst  reichlich  trübe,  riechende  Galle.  Aus- 
tupfen. Hepaticusdrainage.  Galleublase  bleibt  nnberührt.  3  Tampons. 
Dauer  der  Operation  50  Min.     Bauchwand-Nabt. 

Verlauf  völlig  normal. 

25.  2.  04.  Abführen.  Stuhlgang  etwas  braun  gefärbt. 
1.3.04.  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten.  Verband  riecht 
etwas.  Temp.  abends  38,1.  Galle  fliesst  sehr  stark,  täglich  ca.  300— 4ü0ccm. 
3.  3.  04.  Entfernung  der  locker  sitzenden  Tampons  und  des 
Rohres,  mit  welchem  zugleich  sämtliche  langen  Fäden  abgehen.  Ent- 
fernung der  fielen  Bauchdeckennähte.  Wundtrichter  ist  sehr  tief, 
reicht  weit  nach  rechts  herüber,  sieht  sehr  gut  aus.  Choledochus- 
incision  nicht  sichtbar,     Tamponade. 

6.  3.  04.    Entfernung  auch  der  oberflächlichen  Bauohdeckennähte. 
Verband  täglich  ziemlich  stark  durch. 

24.  3.  04.     Galle  läuft  nicht  mehr. 

2.  4.  04.  Wunde  vollkommen  geschlossen.  Bei  vorzüglichem  Be- 
finden geheilt  nach  Hause  entlassen. 

Epicrise:  Ein  sehr  typischer  Fall  von  grossem  Stein  im 
ductus  clioledochus.  Wir  dachten  noch  an  eine  zugleich  be- 
stehende Gallenblasen-Duodenalflstel.  Aber  dann  hätten  die 
Zeichen  chronisciier  Infektion  vorgeherrscht.  So  erholte  sich 
Pat.  zwischen  den  Anfällen  immer  wieder  und  machte  auch  bei 
der  Aufnahme  in  die  Klinik  einen  guten  Eindruck. 

Nr.  126.  L.  P.,  47j.  Landwirtsfraa  aus  Dohndorf. 

Aufgen.:  'l6.  4.  1901. 

Operiert:     16.    4.    1901.      Hepaticusdrainage.      Ent- 
fernung eines  Polypen  aus  dem  Choledochus. 
Entlassen:  25.  5.  1901.      Geheilt. 
Anamnese:    Pat.  hat  4  Kinder  gehabt,  von  denen  3  leben.    Seit 
etwa  20  Jahren  hat  sie  Schmerzanfälle  gehabt,   die  für  Magenkrämpfe 
gehalten  wurden.     Die  Schmerzen  begannen  in  der  Gallenblasengegend, 
zogen  rechts  herum  nach   hinten  und   strahlten   bis  zur  Schulter  aus. 
Die  Anfälle  kamen   gewöhnlich  im  Sommer,  2— 3mal  im  Jahr,    später 
häufiger,  meist  bei  der  Feldarbeit,  dauerten  etwa  V«  Stunde.    Jedesmal 
war  Erbrechen  dabei,  nie  Fieber,  nie  Gelbsucht. 

Im  April  1900  hatte  sie  einen  besonders  heftigen  Anfall.  Die 
Schmerzanfälle  kamen  8  Tage  lang  fast  ohne  Pause,  sie  hatte  starkes 
Erbrechen  und  Fieberfrost.  Danach  Gelbsucht,  die  14  Tage  anhielt. 
In  der  nächsten  Zeit  war  sie  frei  von  Anfällen,  hatte  aber  dauernd 
eine   schmerzhafte   Empfindung   in   der  Gallenblasengegend,   die    sich 


—     257     — 

beim  Drücken  uad  Rumpfbewegungen  steigerte.  Der  Appetit  war 
anfangs  gut,  seit  Dezember  1900  ist  er  schlechter  geworden,  Pat.  ist 
erheblich  abgemagert.  Der  Stuhl  ist  sehr  träge.  Im  letzten  Winter 
hat  sie  mehrere  Monate  lang  Karlsbader  Salz  und  Karlsbader  Wasser 
getrunken,  aber  ohne  Erfolg. 

Mitte  März  1901  hatte  sie  den  zweiten  grösseren  Anfall,  der  wieder 
8  Tage  anhielt  und  mit  Erbrechen  und  Fieber  einherging ;  nach  kleiner 
Pause  wiederholten  sich  die  Schmerzen,  seit  14  Tagen  ist  sie  erst  frei 
davon.  Die  Gelbsucht  trat  beim  Anfall  auf  und  besteht  seitdem  in 
unverminderter  Stärke,  Pat.  hat  sehr  quälendes  Hautjucken.  Auf  Rat 
des  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Kah  lei  ss-Gröbzig  kommt  sie  hierher,  um 
sich  operieren  zu  lassen. 

Befund:  Stark  ikterisohe  Frau  in  massigem  Ernährungszustand. 
Herz  und  Lungen  gesund.  Puls  und  Temperatur  normal.  Urin  enthält 
reichlich  Gallenfarbstoff,  ist  sonst  normal.  Starke  Druckempfindlichkeit 
der  Magengrube,  geringere  der  Gallenblasengegend.  Man  fühlt  rechts 
oberhalb  des  Nabels  eine  nach  unten  rundlich  begrenzte,  glatte,  schmerz- 
hafte Geschwulst.  (Gallenblase  resp.  der  über  ihr  ausgezogene  Leber- 
lappen,) 

Diagnose:     Choledochussteine. 

Operation:  16.  4.  in  Beisein  der  Herren  Dr.  Madsen-Kopen- 
hagen,  Prof.  Bloch-Kopenhagen,  Prof.  Lennander-Upsala.  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  sehr  klein,  kaum  auffindbar,  Leberpartie  darüber 
narbig  verdickt.  Lig.  hep.-duod.  liegt  sehr  oberflächlich,  kanin  2  cuu 
vom  perit.  pariet.  entfernt.  Im  Choledochus  Steine.  Incision.  Im 
Hepaticns  festsitzend  ein  haselnnssgrosser  Stein  und  eine  polypöse 
Orannlation,  die  excidiert  wird.  Extraction.  Auch  im  intraduod.  Teil 
des  Choledochus  Steine,  die  entfernt  werden.  Unterbindung  einrr 
stark  blutenden  Vene  am  Choledochus,  Gallenblase  bleibt  unberührt. 
Hepaticusdrainage  nach  Verkleinerung  der  Choledochusincision.  Sämt- 
liche Fäden  werden  lang  gelassen.  Tamponade.  Naht.  Dauer  der 
Operation  '/4  Stunden.    Essiglappen  auf  den  Mund. 

Verlauf:  Abends  3?,0.     Puls  80. 

17.  4.    36,9.    Puls  84.     Kein  Erbrechen.    37,1. 

18.  4.    37,1.    Puls    60.    Blähungen  in  Gang.    Fieberfrei. 
21.  4.    Abführen.      Verlauf  ungestört. 

24.  4.  Verband  etwas  durch.  Wechsel.  Pat.  klagt  viel  über 
Schmerzen  im  Leib.  Deshalb  wird  beim  Verbandwechsel  das  Rohr, 
das  vielleicht  etwas  zu  tief  im  Hepaticus  steckte,  entfernt. 

26.  4.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons,  Fäden  und 
Nähte.  Das  Ligament  liegt  hier  so  oberflächlich,  dass  der  Hepaticus 
und  Choledochus  Ton  der  Wunde  aus  bequem  zu  übersehen  sind.  Von 
der  Öffnung  im  Choledochus  ans  gelangt  man  sowohl  aufwärts  in  den 
Hepaticus,  als  auch  nach  abwärts  durch  die  Papille  in  das  Duodenum. 
Ausspülung.    Verband. 

3.  5.  Verbandwechsel.  Seitdem  ist  der  Verband  alle  Tage  durch. 
Es  gelingt  noch  leicht,  mit  einer  Sonde  in  den  Hepaticus  und  durch 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationeu.  17 


—     258     — 

den  Choledochus  und  die  Papille  ins  Duodenum  zu  gelangen.    Starkes 
Ekzem  der  Bauchhaut. 

13.  5.    Verband  heute  trocken. 

14.— 17.  5.    Wieder  täglich  Verbandwechsel. 

21.  5.    Verband  trocken. 

24.  5.  Verbandwechsel.  Wunde  vollkommen  geschlossen.  Ekzem 
geheilt. 

25.  5.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Die  Steine  lag-en  sicher  schon  seit  April  1900 
im  Choledochus;  es  trat  aber  nach  den  Anfällen  immer  wieder 
Ruhe  ein.  Das  Ug.  hepato-daodenale  lag  so  oberflächlicli, 
dass  nian  es  für  eine  Adliaesion  zwischen  Cysticus  und 
Duodenum  hätte  halten  können.  Man  muss  sich  vorsehen, 
dass  man  nicht  einmal  im  blinden  Eifer  eine  solche  vermutliche 
Adhaesion  anschneidet.     Mir  wäre  das  einmal  beinahe  passiert. 

Nr.  127.    E.  W.,  51  j.  Kanfmannsfrau  aus  Trachau  bei  Dresden. 

Aufgen.:  2.  5.  1901. 

Operiert:  6.  5.  1901.     Hepaticusdrainage. 

Entlassen:  8.  7.  1901.     Geheilt.*) 

Anamnese:  Mutter  hat  an  „Magenkrämpfen"  gelitten,  einmal 
Ikterus  gehabt. 

Fat.  ist  Mutter  mehrerer  gesunder  Kinder;  bis  auf  eine  Pleuro- 
pneumonie im  Jahre  1879  war  sie  nicht  wesentlich  krank. 

Im  Juli  1883  hatte  sie  zum  ersten  Male  einen  Anfall  von  Gallen- 
steinen. Sie  hatte  Schüttelfrost,  sehr  heftige  Schmerzen,  die  in  der 
Gallenblasengegend  began_.en  und  nach  hinten  strahlten,  sowie  Er- 
brechen, nachher  Ikterus.  Urin  dunkel,  Stuhl  entfärbt.  Die  Anfälle 
kamen  anfangs  in  grösseren  Pausen,  aber  mit  heftigeren  Schmerzen, 
die  bis  zu  einigen  Stunden  anhielten.  Vor  ca.  10  Jahren  hatte  sie 
einen  sehr  heftigen  Anfall,  allmählich  nahm  die  Intensität  der  Anfälle 
ab,  doch  wurde  die  danach  auftretende  Gelbsucht  immer  stärker  un<1 
bestand  länger,  vor  2  Jahren  nach  einem  sehr  heftigen  Anfall  einmal 
4  Wochen  lang.  Starke  Anfälle  kamen  nur  etwa  alle  halben  Jahre, 
kleinere  Schmerzanfälle  ohne  Erbrechen  und  Ikterus  ütters  nach  Diät- 
fehlern.   Steine  sind  nie  gefunden  worden. 

Vor  ü  Wochen  heftiger  Anfall,  die  danach  aufgetretene  Gelbsucht 
besteht  noch,  ebenso  ist  das  Fieber  noch  einige  Zeit  geblieben.  Vor 
14  Tagen  wieder  ein  Anfall;  am  Abend,  nachdem  Pat.  hier  eingetroffen, 
wieder  einer.  Letzterer  unterscheidet  sich  von  den  früheren  dadurch, 
dass  die  Schmerzen  nicht  in  der   Gallenblasengegend,   sondern  in  der 


*)  Pat.  ist  1  Jahr  post  operat.  unter  den  Zeichen  septischer  Cho- 
langitis gestorben.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  trotz  der  gründlichen 
Operation  und  sorgsamen  Nachbehandlung  doch  noch  Steine  im 
Hepaticus  zurückgeblieben  sind. 


—     259     — 

Mittellinie  ihren  Ursprung  nehmen,  sonst  verläuft  er  ebenso  mit  Er- 
brechen, Schüttelfrost  (SU**),  am  nächsten  Morgen  ist  der  Urin  dunkel, 
der  Stuhl  entfärbt. 

Pat.  war  vor  ca.  10  Jahren  2  Jahre  hintereinander  in  Karlsbad, 
verspürte  jedoch  keine  Besserung.  Vor  2  Jahren  machte  sie  eine 
Elektrisier-  und  Massagekur  durch,  nach  welcher  sie  Erleichterung 
gefühlt  haben  will. 

Während  sie  sich  früher' nach  den  Anfällen  immer  schnell  wieder 
«rholte,  fühlt  sie  seit  Bestehen  der  Gelbsucht  ihre  Kräfte  abnehmen, 
ist  auch  etwas  abgemagert. 

Die  Herren  Geheimrat  Dr.  Fiedler,  Hofrat  Dr.  Rupprecht 
und  der  Hausarzt  Herr  Dr.  Zu  mpe-Dresden  rieten  Pat.  zur  Operation. 

Befund:  Stark  ikterische  Frau  in  ziemlich  gutem  Ernährungs- 
zustand. Herz  und  Lungen  gesund.  Puls  und  Temp.  im  Anfall  fieber- 
haft, am  nächsten  Tage  normal.  Urin  enthält  reichlich  Gallenfarb- 
stoff, kein  Eiweiss  oder  Zucker. 

Leib  weich,  eindrückbar,  in  der  Gallenblasengegend  etwas  resistent, 
Schmerzhaftigkeit  der  Gallenblase  und  noch  mehr  der  Magengrube. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus.    Cholangitis. 

Verlauf:  Am  2.  5.  abends  eine  Kolik.  Temp.  steigt  bis  39,7°  C. 
Schüttelfrost.    Am  3,-5.  5.  allmählicher  Nachlass  des  Fiebers. 

Operation:  Am  6.  5.  Ol.  Wellenschnitt.  Leber  gross  und  hart. 
Oallenblase  erbsengross,  enthält  keine  Steine.  Verwachsungen  mit 
<iem  Netz.  Choledochus  sehr  erweitert,  wie  ein  Hühnerei,  enthält 
2  walnussgrosse  und  ca.  200  kleine  Steine.  Der  Choledochus  ist  so 
erweitert,  dass  man  ein  Mastdarmspeculum  einführen  kann.  Im  Hepa- 
ticus  Schleim,  gangränöse  Schleimhautfetzen,  übelriechende  trübe  Galle. 
Ausräumung  des  Hepaticus.  In  dem  einen  Ast  sitzt  fest  ein  Concre- 
nient,  das  nicht  geloclcert  werden  kann.  2  stündige  Operation.  Die 
Oholedochusincision  3  cm.  lang,  wird  verkleinert.  Hepaticusdrainage. 
Tamponade,   Naht.     Grallenblase  bleibt   unberücksichtigt,   da   dieselbe 

TÖllig  Terödet  ist.    Essiglappen  auf  den  Mund. 

> 
Verlauf:   6.  5.    Abends  37,4. 

7.  5.  39,2.  Puls  144.  Kein  Erbrechen.  Etwas  Aufstossen.  Puls 
schnell  und  klein,  Aussehen  matt,  Stimme  aber  kräftig,  etwas  heiser. 
Leib  weich,  nicht  schmerzhaft,  Gallenfiuss  reichlich  300  gr.,  Galle  noch 
übelriechend,  Zunge  massig  feucht.  3  mal  Kochsalzinfusion,  stündlich 
Kampher.    Abends  39,8. 

8.  5.  38,5.  Puls  120.  Nachts  sind  reichlich  Blähungen  gegangen, 
der  Leib  ist  weich.  Der  Gallenfiuss  ist  seit  gestern  Mittag  sehr  ge- 
ring, 50  gr.  Die  Galle  riecht  noch  übel.  Kein  Erbrechen,  noch  2  mal 
Kochsalz.     Ikterus  nimmt  zu.    Abends  37,3. 

9.  5.  37,1.  Puls  100.  Kein  Erbrechen,  etwas  Übelkeit  und  Auf- 
stossen. Der  Verband  riecht.  Galle  fliesst  fast  gar  nicht.  Wechsel 
der  oberen  Verbandschichton.  Bei  dem  Versuch,  das  Rohr  auszuspülen, 
iliesst  fast  nichts  wieder  zurück.    37,0. 

17* 


-     260     ~ 

10.  5.  37,0.  Puls  100.  Verband  trocken.  Kein  Gallenfluss,  nacht» 
wieder  etwas  Übelkeit.  Gestern  abend  einmal  reichlich  Stuhlgang. 
Derselbe  ist  braun  gefärbt,  so  dass  anzunehmen  ist,  dass  die  Galle  am 
Schlauche  vorbei  in  den  Darm  fliesst.  Das  Rohr  wird  kurz  abg(>- 
schnitten.    B7,l. 

11.  5.  36,9.  Pul8*104.  Verband  aussen  trocken,  riecht  intensiv, 
Ikterus  hat  zugenommen.     Verbandwechsel. 

13.  5.     Wieder  Wechsel.    Die  Tampons  liegen  noch, 

14.  5.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons,  der  meisten 
Fäden  und  der  Nähte.  Ausspülung  des  Hepaticus  und  des  Choledochus. 
Aus  dem  Hepaticus  werden  noch  zahlreiche  Steine,  darunter  ein  über 
haselnussgrosser  (mit  der  Kornzange)  durch  SpUIung  entleert.  Nekrose 
in  dem  Gebiet  der  Naht.  Breite  Ansstopfnng'  des  Wundtrichters,  um  den 
Zugang  zu  erhalten,  da  noch  immer  Steine  im  Hepaticus  stecken^ 
Dauer  des  Verband- Wechsels  ^/4  Stunden. 

15.  5.     Wechsel  der  oberen  Verbandschichten. 

16.  5.  Verband-Wechsel.  Es  werden  wieder  teils  mit  der  Korn- 
zange, teils  durch  Ausspülung  gegen  20  Steine  aus  dem  Hepaticum 
entleert,  darunter  2  haselnnssgrosse. 

17.  5.  Verband-Wechsel.  Ein  erbsengrosser  Stein  wird  heraus- 
gespült, sonst  ist  der  Hepaticus  frei. 

21.  5.  Täglich  Verband-Wechsel  und  Ausspülung.  Steine  sind 
nicht  mehr  herausgespült  worden. 

22.  5.    Es  werden  wieder  einige  kleine  Bröckel  herausgespült. 
23.-27.  5.     Täglich  Verbandwechsel.     Ausspülung,    Tamponade. 

27.  5.    Beim  Ausspülen  entleeren  sich  einige  kleine  Bröckel. 

28.  5.  bis  4.  6.  Abwechselnd  Wechsel  der  oberen  Verbandschich- 
ten und  des  ganzen  Verbandes. 

5.  6.     Verband  trocken.    6.  6.  ebenso.     Wechsel. 

7.  6.    Verband  durch,  wieder  täglich  Verband -Wechsel. 

Vom  10.— 12.  6.  ist  der  Verband  trocken,  dann  muss  wieder  täg- 
lich verbimden  werden.  Galle  klar.  Der  Spülkatheter  lässt  sich  noch 
in  beide  Gänge  einführen  (15.  6.),  auch  gelingt  es,  den  Katheter  bis^ 
ins  Duodenum  vorzuschieben.     Das  Spülwasser  fliesst  klar  ab. 

19.  6.    Verband  heute  trocken. 

21.  6.  Verband -Wechsel,  Entfernung  der  Tamponade.  Während 
der  beiden  nächsten  Tage  fliesst  wieder  viel  Galle.  Deshalb  24.  6. 
Tamponade  der  Fistel  mit  feinem  Gazestreifen.  Mit  dem  Spülkatheter 
kommt  man  noch  in  den  Choledochus  und  Hepaticus. 

28.  6.  Verband  seit  4  Tagen  trocken.  Beim  Herausziehen  der 
Tampons  stürzt  Galle  heraus.    Ausspülung,  neue  Tamponade  der  Fistel. 

2.  7.  Verband-Wechsel.  Bei  Entfernung  der  Tampons  fliesst 
wieder  reichlich  Galle,  aber  weniger  als  beim  vorigen  Male. 

3.  7.  Nach  einer  körperlichen  Bewegung  fliesst  plötzlich  wieder 
Galle.    Verband  durch. 

4.  7.    Wechsel.    5.-6.  7.  Verband  trocken. 

7.  7.  Beim  Herausziehen  der  Tampons  stürzt  wieder  Galle  vor. 
Verband -Wechsel,  Ausspülung  des  Choledochus  und  Hepaticus. 


—     261     — 

8.  7.  Pat.  drängt  nach  Hause  und  wird  deshalb  entlassen.  Die 
Fistel  ist  noch  offen,  es  läuft  viel  Galle,  voraussichtlich  werden 
noch  8  —  14  Tage  vergehen,  ehe  die  Wunde  ganz  geschlossen  ist. 

Nach  der  Entlassung  bestand  der  Gallenfluss  mit  kurzen  Unter- 
brechungen fort  bis  zum  1.  August,  Vom  1.— 11.  8.  kein  Gallenfluss, 
■die  Wunde  heilte  auch  oberflächlich  zu,  da  brach  am  11.  8.  die  Fistel 
wieder  auf  und  es  entleerte  sich  viel  Galle.  Da  dies  anhielt,  suchte 
Pat.  am  16.  8.  die  Klinik  wieder  auf. 

16.  8.    Die  Sonde  fühlt  keinen  Stein.     Ausspülung  ergibt  nichts. 

17.  8.     Ebenso.     Es    wird    ein   dicker   Laminariastift    eingelegt. 

18.  8.  Ausspülnng  entleert  neben  mehreren  Bröckeln  2  über 
«rbsengrosse  Steine.  Ausspülung  des  Hepaticus  und  Choledochus; 
der  Weg  zum  Darm  ist  frei,  der  Spülkatheter  dringt  bis  in  diesen 
ein.    Tamponade.     Verband. 

19.  8.    Verband  trocken.     Ausspülung  entleert  nichts. 

20.  8.  Verband  trocken,  Stuhl  morgens  leicht  bräunlich,  abends 
dunkelbraun.     Ausspülung  entleert  nichts.    Steht  auf. 

21.  8.    Verband  ti  ecken. 

22.  8.    Ebenso.     Verbandwechsel.    Ausspülung. 

24.  8.    Entlassen.    Voraussichtlich  sind  die  Gallenwege  jetzt  frei. 

Am  13.  9.  schreibt  die  Patientin,  dass  seit  dem  5.  9.  die  Wunde 
mit  einem  Schorf  bedeckt  ist,  und  der  Gallenfluss  aufgehört  hat.  Pat. 
hat  seit  der  Entlassung  10  Pfund  an  Körpergewicht  zugenommen  und 
befindet  sich  äusserst  wohl. 

Epicrise:  Einer  der  bemerkenswertesten  Fälle  von  allen 
Hepaticusdrainagen. 

1.  Hepaticus  und  Choledochus  waren  mit  Steinen  voll- 
gepfropft, so  dass  es  selbst  nach  2 stündiger  Arbeit  nicht  ge- 
lang, alle  Steine  zu  entfernen.  Für  solche  Fälle  kommt  nur 
die  Hepaticusdrainage  in  Betracht. 

2.  Selbst  nach  8^/2  Monaten  war  es  noch  möglich,  von  der 
äusseren  Fistel  aus  sowohl  Hepaticus  wie  Choledochus  zu  son- 
dieren und  Steine  zu  entfernen. 

3.  Das  verdanken  wir  einer  ausgiebigen  Drainage  des 
Hepaticus  und  einer  breiten  Tamponade.  Die  Tamponade  muss 
nach  der  Hepaticusdrainage  derartig  umfangreich  sein,  dass 
man  noch  wochenlang  die  Gänge  kontrollieren  kann. 

4.  Heilt  die  äussere  Fistel  zu  schnell  zu  und  machen  sich 
wieder  Passagestörungen  in  den  Gallengängen  geltend,  so  kann 
man  leicht  mit  Laminariastiften  eine  Erweiterung  der  äusseren 
Fistel  erreichen  und  dann  durch  Sondieren  und  Spülen  zurück- 
gebliebene Steintrümmer  entfernen. 


—     2Q2     — 

5.  Für  die  chronische  recidiyierende  Form  der  Cholelithiasis 
halte  ich  wie  bisher  die  mit  der  Hepaticusdrainage  kombinierte 
Ectomie  für  das  beste  Verfahren.  Doch  erhalte  ich  auch  in 
gewissen  Fällen  die  Gallenblase  und  führe  die  Hepaticusdrainage 
bei  gleichzeitiger  Cystostoniie  aus. 


e)  Hepaticusdrainage  mit  Resection  der  Gallenblase. 

Nr.  128.     H.  H.,  53 j.  Gutüpächter  aus  Kl.  Eicklingen. 

Aufgen. :  10.  6.  1903. 

Operiert:  13.   6.    1903.     Resektion    der  Gallenblase. 

Hepaticusdrainage. 
Entlassen:  25.  7.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Die  ersten  Koliken  1884.  Pat.  war  dann  einige 
Jahre  frei  von  Anfällen,  später  stellten  sich  dieselben  jedoch  ab  und 
zu  wieder  ein.  Die  Koliken  waren  stets  gleichartig,  keine  Gelbsucht^ 
kein  Fieber,  kein  Erbrechen. 

1899  eine  Kolik,  danach  Ruhe  bis  Februar  1903. 

Am  18.  Februar  1903  plötzlicher  heftiger  Kolikanfall  von  einigen 
Stunden  Dauer,  danach  Gelbsucht.  Stuhl  grau,  Urin  dunkel.  Vierzehn 
Tage  später  ohne  jegliche  Schmerzen  plötzlich  Schüttelfrost,  gefolgt 
von  hohem  Fieber.  Dieser  Schüttelfrost  wiederholte  sich  die  vier  nächsten 
Tage.  Es  gingen  meist  jetzt  Schmerzen  in  der  Lebergegend  vorher, 
nachher  stellte  sich  stets  hohes  Fieber  ein.  In  den  folgenden  6  Wochen 
wiederholt  Schüttelfröste.  Gelbsucht  Hess  etwas  nach.  Verdacht  auf 
Malaria  bezw.  Wechselfieber. 

Anfang  Mai  wurde  Pat.  zur  Erholung  nach  Hannover  geschickt, 
hier  wieder  am  7.,  16.,  24.,  28.  Mai  und  2.,  4.  und  5.  Juni  ziemlich 
heftige  Koliken  mit  Schüttelfrost  und  nachfolgendem  Fieber.  Am 
6.  Juni  Rückreise  nach  Celle,  wiederum  Schüttelfrost,  zuletzt  heute 
auf  der  Reise  leichterer  Kolikanfall  ohne  Schüttelfrost. 

Pat.  wurde  mit  heissen  Umschlägen,  Karlsbader  Wasser,  Chinin, 
Aspirin  u.  s.  w.,  sowie  früher  in  den  Anfällen  mit  20  gtt.  Tinct.  Opii 
behandelt,  hat  auch  8  Tage  lang  Chologen-Tabletten  (Glaser)  genommen. 

Herr  Dr.  Lind  enberg-Celle  sendet  uns  den  Pat.  zu. 

10.  6.  03.    Temp.  abends  38,3. 

11.6.03.  Temp.  morgens  37,1,  abends  38,3.  Nachmittags  leichter, 
einige  Stunden  andauernder  Kolikanfall,  kein  Schüttelfrost. 

12.  6.  03.  Temp.  morgens  37,2,  abends  38,6.  Den  Tag  über  dau- 
erndes Unbehagen  in  der  Lebergegend. 

Befund:  Elend  aussehender  Mann.  Leber  etwas  vergrössert. 
Gallenblasengegend  sehr  resistent  und  äusserst  druckempfindlich. 
Urin  frei. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase  und  wahrscheinlich  Stein 
im  Choledochus. 


—     263     — 

Operation:  13.  6.  03  in  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Unger- 
Leipzig.  Gute  SauerstofiF-Chlorotbrmnarkose  l'/*  St.  60  gr.  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  klein,  mit  Hals  verwachsen.  Leber  voluminös. 
Bei  der  Lösung  der  Verwachsungen  fliesst  Eiter  in  den  untergeschobenen 
Tampon.  Gallenblase  sandnhrförinig,  Fiindns  euthält  Eiter  und  kleine 
Steine,  Hals  trübe  Galle.  Reselitiou  des  Fnndas  der  Gallenblase.  Spal- 
tung des  Halses  bis  Cysticus  und  Choledochus.  Pankreas  sehr  hart. 
Xach  langem  Suchen  fühlt  man  einen  Stein  im  Choledochus,  der  mit 
einem  Schnapp  wieder  verschwindet.  Wird  wieder  gefunden  und  nach 
Choledochotomie  entfernt.  Hepaticusdrainage.  Der  Hals  der  Gallen- 
blase bleibt  stehen,  da  wegen  der  enormen  Tiefe  eine  Ligalur  der 
Cysticusgefässe  sehr  schwer  sein  würde.  Sehr  reichliche  Tamponade. 
Naht.    Dauer  der  ganzen  Operation  ^j*  Stunden. 

Verlauf:  18.  6.  03.    Temp.  abends  37,3. 

14.  6.  08.  Temp.  morgens  37,6,  abends  38,0.  Puls  120—130,  sehr 
klein.  Abends  dreimal  Kochsalzinfnsionen,  zweimal  Magenspülung, 
im  Magien  sehr  viel  schwarzes  Blut.  Galle  läuft.  Blähungen  gehen, 
Pat.  ist  sehr  matt.     Etwas  Aufstossen,  kein  Erbrechen.    Galle  300  ccm. 

15.  6.  03.  Temp.  morgens  87,7,  abends  37,9.  Puls  morgens  120, 
abends  112,  etwas  Galle.  Pat.  sieht  besser  aus,  ist  nicht  mehr  so  matt. 
Noch  etwas  Aufstossen.  Magenspülung.  Im  Magen  kein  Blut  mehr. 
Kein  Erbrechen. 

16.  6.  08.  Temp.  morgens  37,5,  abends  37,7.  Puls  92-100,  ziemlich 
kräftig.  Befinden  gut.  Pat.  sieht  frischer  aus.  Kein  Aufstossen,  kein 
Erbrechen.     Galle  200  ccm. 

26.  6.  03.  Verbaudwechsel.  Entfernung  des  Rohres,  sämtlicher 
Tampons,  die  stark  mit  Sekret  durchtränkt  sind,  sehr  übel  riechen, 
und  locker  sitzen,  sowie  sämtlicher  Nahte  und  langen  F'äden.  Wund- 
trichter ist  sehr  tief.     Tamponade.    Verband. 

28.  6.  03.  Verband  täglich  stark  mit  Galle  durchtränkt.  Täg- 
licher Verbandwechsel.  Ausspülung  des  äusserst  tiefen  Wundtrichters. 
Dabei  entleert  sich  reichlich  sehr  trübe,  stinkende  Galle.  Tamponade. 
Puls    dauernd    etwas    klein.     Tinct.     Digital,    Tinct.    Strophant.    aa. 

4.  7.03-  Täglich  'Verband  durch,  doch  läuft  die  Galle  bereits 
etwas  weniger.  Choledochusincision  wegen  der  sehr  grossen  Tiefe 
des  Wundtrichters,  zumal  Pat.  bei  der  geringsten  Berührung  sehr  emp- 
pfindlich  ist,  nicht  sichtbar.  Täglich  Ausspülung.  Galle  noch  immer 
etwas  trüb,  riecht  jedoch  nur  noch  wenig. 

Pat.  sieht  wohler  aus.     Puls  kräftiger.     Appetit  besser. 

5.  7.  03.  Statt  der  Tamponade  Drainage  des  Wundtrichters  durch 
2  Rohre.    Galle  ziemlich  klar,  ab  und  zu  mit  Schleimfetzen  vermischt. 

7.  7.  03.     Pat.  steht  auf. 

8.  7.  03.    Drainrohre  im  Wundtrichter   bleiben   fort,   Tamponade. 
11.  7.  03.     Verband   täglich  nur  noch  wenig  durch.     Stuhl  etwas 

gefärbt. 

16.  7.  03.  Keine  Tamponade  des  Wundtrichters,  der  sehr  eng 
wird,  mehr.    Verband  täglich  nur  wenig  durch. 


—     264     — 

21.  7.  03.  Vorband  heute  trocken. 

22.  7.  03.    Es  läuft  keine  Galle  mehr. 

25.  7.  03.  Pat.  wird  mit  kleiner,  gut  granulierender  Wunde  nach 
Hause  entlassen.  Das  Allgemeinbelinden  hat  sieh  sehr  gehoben, 
Appetit  gut. 

Epicrise:  Mir  war  von  vorneherein  klar,  dass  der  Eiter 
in  der  Gallenblase  das  schwere  Bild  nicht  erklären  konnte. 
Da  das  Pankreas  hart  war,  konnte  der  Ikterus  durch  Schwel- 
lung dieser  Drüse  erklärt  werden.  Erst  nach  langem  Suchen 
fand  ich  den  beinahe  übersehenen  Stein.  Nur  Hepaticusdrainage 
und  sehr  ausgiebige  Tamponade  kommt  in  solchen  Fällen  in 
Betracht.  Was  man  durch  eine  aufmerksame  Nachbehandlung 
erreichen  kann,  beweist  dieser  Fall. 

f)  Hepaticusdrainage  unter  gleichzeitiger  Vornahme  operativer 
Eingriffe  an  Magen,  Darm,  Appendix  etc. 

Nr.  129.     Frau  v.  0.,  71j.  Laridratsfrau  ans  Wernigerode. 

Aufgen.:  28.  2.   1901. 

Operiert:   2.  3.  1901.     Hepaticusdrainage.     Ectomie. 

Versorgung   einer  Cysticus-Pylorusfistel. 
Entlassen:  6.  4.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  war  immer  zart,  aber  meist  gesund.  Sie  hat 
mehrmals  Rippenfellentzündung  gehabt.  Ihr  Stuhlgang  war  immer 
etwas  träge. 

Seit  8—10  Jahren  leidet  sie  an  „Magenkrämpfen",  zusammen- 
schnürenden Schmerzen  in  der  Magengrube  und  rechts  davon,  sowie 
im  Rücken,  die  in  Pausen  von  mehreren  Monaten  bis  zu  1  Jahr  auf- 
traten, etwa  1  Stunde  anhielten,  meist  mit  Erbrechen  endeten.  Gelb- 
sucht ist  nie  beobachtet  worden.  Vor  4—5  .Jahren  hat  sie  mehrmals 
Karlsbader  Mühlbrunneu  getrunken  und  danach  Erleichterung  gefühlt, 
ihre  Leber  soll  damals  geschwollen  gewesen  sein. 

Im  Sommer  1900  kamen  die  Anfälle  häufiger,  bis  zu  mehreren  im 
Monat,  von  Oktober  bis  Dezember  war  sie  frei  davon,  seit  Januar 
haben  sie  wieder  begonnen  und  kommen  jetzt  mehrmals  täglich,  sie 
sind  von  verschiedener  Intensität  und  Dauer  bis  zu  2  Stunden.  Sie  enden 
mit  PCrbrechen.  Bisweilen  wurde  leichte  Gelbsucht  danach  beobachtet, 
doch  war  der  Stuhl  gefärbt,  der  Urin  nornal,  kein  Hautjucken.  Auch 
leichte  Temperatursteigerungen  kamen  dabei  vor.  Frau  v.  0.  hat  als 
Narcoticum  Opium  angewandt,  nie  Morphium.  Herr  Dr.  Holfeld  er- 
Wernigerode riet  ihr,  hierher  zu  kommen. 

Befund:  Kleine,  alte,  gebrechliche  Dame.  Leber  überragt  den 
Rippenbogen,  in  der  Gallenblasengegend  ist  uudeutlich  ein  schmerz- 
hafter Tumor  zu  fühlen.  Kein  Ikterus.  Herz  und  Lungen  gesund. 
Urin  frei. 


—     265     — 

Diagnose:  Chron.  Cholecystitis  mit  akuten  Schüben. 

Operation:  2.  3.  1901.  Wellenschnitt.  Rechter  Leberlappen 
gross.  Gallenblase  klein,  ihr  Fundus  in  eine  Cyste  umgewandelt. 
Cysticos-Pylornsftstel.  Trennung.  Daruiiitiht.  Im  Choledochus  ein 
bohnengrosser  Stein.  Hepaticusdrainage  nach  Ectomie.  In  der  Gallen- 
blase 3—4  weiche  Steinchen.  Gallenblase  zeigt  Sanduhrform,  zwischen 
Fundusabschnitt,  der  in  eine  Cyste  umgewandelt  ist,  und  Cysticusab- 
schnitt  ist  die  Gallenblase  obliteriert,  darüber  Pylorusfistel.  In  die 
Serosa  der  Gallenblase  eingebettet  ein  Steinchen.  Galle  im  Hepaticus 
trübe.    Dauer  der  Operation  1  Stunde.     Essiglappen  auf  den  Mund. 

Verlauf:  2.  3."  abends.    36,9.    Puls  104. 

3.  3.  38,0.  Puls  124.  Erbrechen  einmal  nachts,  etwas  Blut  im 
Erbrochenen.   3  mal  Kochsalz,  3  stdl.  Kampher.  Galle  200  gr.    37,6. 

4.  3.  37,5.  Puls  112.  Blähungen  im  Gang,  kein  Erbrechen  mehr. 
Galle  150  gr.  37,4. 

5.  3.  36,7.  Puls  92.  SchwächegefUhl,  sonst  gutes  Befinden.  Galle 
100  gr.  36,8. 

e.  3.    36,7.     Puls  92.     Galle  125  gr.  37.0. 

7.  3.    37,0.    Puls  88.     Abführen.    Galle  150  gr. 

8.  3.    Stuhlgang  erst  nach  Eingiessung.    Fieberfreier  Verlaut. 

14.  3.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons,  der  Nähte 
der  meisten  langgelassenen  Fäden. 

15.  3.    Jetzt  täglich  Verbandwechsel. 

28.  3.     Steht  auf.     Verband  seit  2  Tagen  trocken. 
3.  4.     Verband  dauernd  trocken. 

6.  4.     Geheilt. 

Epicrise:  Der  Stein  im  Choledochus  war  klein,  dieser 
weit,  so  dass  nur  leichter  Ikterus  auftrat.  Zudem  funktionierte 
die  Cysticus-Pylorusflstel,  so  dass  die  Diagnose  auf  Choledochus- 
stein  unmöglich  war.  Patientin  wurde  immer  elender,  weil  die 
Infektion  der  Gallengänge  durch  die  Fistel  unterhalten  wurde. 

Nr.  130.     0.  Cr..  22j.  Lehrersfrau  aus  Gross-Ottersleben. 

Aufjren.:  4.  1.  1900. 

Operiert :  6. 1. 1900.  Ectomie.  Pyloroplastik.  Hepaticus- 
drainage 
Entl. :  13.  2.  1900.     Geheilt. 
Anamnese:  Vater  an  Gelenkrheumatismus  f.    Mutter  lebt,  leidet 
öfter  an  Magenkrämpfen  und  Erbrechen. 

Pat.  hat  1897  im  November  5  Tage  nach  der  1.  Entbindung  einen 
Anfall  von  krampfartigen  Schmerzen  in  der  Magengegend  gehabt, 
welcher  sich  im  November  1898  nach  der  2.  Entbindung  wiederholte. 
Seit  Mai  1899  sind  häufiger  Schmerzen  in  der  Magengegend  aufge- 
treten, jedesmal  ohne  Erbrechen.  Erst  in  den  letzten  Monaton  traten 
4  richtige  Gallensteinkoliken    mit  Erbrechen  auf.     Ikterus  hat  nie  be- 


—     266     - 

standen,  auch  ist  nie  das  Abgehen  eines  Steins  beobachtet  worden^ 
obwohl  Pat.  seit  1898  darauf  aufmerksam  gemacht  ist. 

Befund:  Druckempfindlichkeit  und  Resistenz  in  der  Gallen- 
blasengegend, plätscherndes  Geräusch  im  Magen.  Urin  frei  von  patholog. 
Bestandteilen. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  Magenerweiterung,  Peri- 
pyloritis. 

Operation:  6.  1.  00.  Längsschnitt  in  der  rechten  Bauchseite. 
Gallonblase  mittelgross,  enthält  Hunderte  von  schrotkorngrossen  Steinen. 
Ebensolche  liegen  zahlreich  im  Cysticus.  Cystectomie.  Spaltung  de& 
Choledochus  ergiebt  keine  weiteren  Steine.  Hepaticusdrainage.  Pylorus 
sehr  eng,  Perypyloritis,  Pyloroplastik.  Tamponade.  Naht  der  Bauch- 
wunde mit  Durchstichknopfnähten. 

Verlauf:  7.  1.  37,2.     Puls  lOü.    37,5.     Gallenfluss  250  gr. 

Klagt  über  Magenschmerzen,  etwas  Erbrechen. 

8.  1.  37,1.  Puls  120,  klein,  kaum  fühlbar.  Kochsalzinfusion. 
Magenschmerzen  und  Übelkeit  bestehen  noch.  Magenausspülung  er- 
giebt keinen  nennenswerten  Inhalt.  Gallenfluss  100  gr.  Blähungen 
spontan,  Leib  weich. 

Mittags  Puls  136,  Temp.  37,5.    Kochsalzinfusion. 
Abends  Puls  134,  Temp.  37,9.    Kocbsalzinfusion. 

9.  1.     Während  des  Schlafes  Puls  112. 
26.  1.    Stehtauf. 

13.  2.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Worauf  die  Pulsbeschleunigung  am  8.  und  9.  1. 
—  3  Tage  nach  der  Operation  —  beruhte,  lässt  sich  schwer 
sagen.  Peritonitische  Erscheinungen  waren  nicht  vorhanden ; 
wir  dachten  an  arterio-mesent.  Diiodenalverschluss,  aber 
der  Magen  war  leer.  Patientin  war  eine  schwache,  elende 
Person,  so  dass  wohl  lediglich  Herzschwäche  vorlag.  Die 
Kochsalzinfusionen  erwiesen  sich  hier  sehr  nützlich. 

Nr.  131.     E.  Seh.,  49j.  Baumeister  aus  Meissen. 

Aufgen.:  19.  1.   1904. 

Operiert:   22.  1.  1904.    Hepaticusdrainage.    Ectoniie. 

Cysticotomie.    Appendicectoinie. 
Entlassen:  22.  3.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  hat  5  gesunde  Kinder. 
Mit  20  Jahren  schwere  Blinddarmentzündung,   Pat.  war  mehrere 
Monate   bettlägerig.     Seitdem  jedes   Jahr    einmal    Schmerzen   in   der 
Blinddarmgegend,    die  nach  Umschlägen  u.  s.  w.  verschwanden;    Pat. 
war  dabei  nicht  bettlägerig.    Vor    4  —  5  Jahren    noch    ein    Anfall   von 
Blinddarmentzündung. 

Pat.  musste  damals  viel  auf  hohe  Gerüste  steigen  und  führt  da- 
rauf den  vor  4  Jahren  plötzlich  auftretenden  Kolikanfall  zurück.   Pat. 


—     267     — 

bekam  plötzlich  krampfartige  Schmerzen  in  der  Magengrube,  die  nach 
oben  in  die  Brust  und  rechts  in  die  Lebergegend  bis  in  den  Rücken 
hin  ausstrahlten.  Kein  Erbrechen,  kein  Fieber.  Der  Anfall  wird  für 
Gallensteinkolik  erkannt,  Morphium  subkutan  gegeben.  Später  Kur 
in  Karlsbad. 

Seitdem  hat  Fat.  sehr  häufig,  zeitweise  fa>t  täglich,  Schmerzen 
in  der  Gegend  der  Magengrube.  Schwerere  Anfälle  traten  jährlich 
etwa  1  mal  auf,  Fat.  war  dann  14  Tage  bettlägerig. 

Im  letzten  Jahre  5  leichtere  Anfälle,  jedesmal  wie  wohl  auch 
früher,  mit  Anschwellung  in  der  Lebergegend.  In  den  Zwischenzeiten 
fast  täglich  Anfälle  von  Schmerzen  und  Druckgefühl  in  der  Magen- 
grube, nach  rechts  bis  in  den  Rücken  ausstrahlend. 

Vorletzter  Anfall  vor  8  Wochen  nach  einer  Erkältung.  Danach 
3  Tage  ausgesprochene  Gelbsucht.  Stuhl  tonfarben,  Urin  sehr  dunkel. 
Fat.  war  wieder  14  Tage  bettlägerig.  Kurz  darauf  Gichtanfall  mit 
Anschwellungen  in  beiden  Fussgelenken  und  später  in  den  grossen 
Zehen. 

Weihnachten  letzter,  ganz  leichter  Anfall,  Fab.  war  nicht  bett- 
lägerig. 

"Vor  8  Tagen  Röntgenaufnahme  ohne  Ergebnis.  Danach  wieder 
Schmerzen  in  der  Magengrube  und  stärkere  Anschwellung  in  der 
Gallenblasengegend.  Fat.  ist  durch  seine  Schmerzen  direkt  arbeits- 
unfähig. Appetit  ist  leidlich.  Leichte  Abmagerung  im  letzten  Jahre 
(beim  vorletzten  Anfall  9  Ffund,  seitdem  wieder  etwas  Zunahme). 
Stuhl  ist  regelmässig.  Steine  wurden  darin  nicht  gefunden,  vor 
10  Wochen  einmal  mehrere  Krümel.  In  letzter  Zeit  häufig  nach  dem 
Essen  Magendruck  und  Schmerzen.  Fat.  hat  3  mal  eine  Kur  in  Karls- 
bad durchgemacht,  im  vorigen  Monat  eine  Ölkur.  In  den  Anfällen 
Morphium  subkutan. 

Die  Herren  Sanitätsrat  Kröner  und  Dr.  M4il  ler-Grothian 
(Meissen),  sowie  Dr.  Berger-Dresden,  senden  uns  den  Fat.  zu. 

Vor  der  Aufnahme:  Einmal  Ikterus,  keine  Leberschwellung, 
Gallenblasentumor  (?). 

Bei  der  Aufnahme :  TCein  Ikterus,  keine  Leberschwellung,  kein 
Gallenblasentumor. 

Befund:  Man  fühlt  in  der  Gegend  der  Gallenblase  eine  schmerz- 
hafte Resistenz,  ohne  sicher  einen  Tumor  nachweisen  zu  können. 
Urin  frei. 

Diagnose:   Chronische  recid.  Cholecystitis. 

Operation:  22.  1.  04.  Massige  Sauerstoff- Chloroformnarkose 
65  gr.  Wellenschnitt.  Starker  Fanniculus  adiposus.  Leber  massig, 
überragt  aber  nicht  den  Rippenbogen.  Gallenblase  liegt  sehr  hoch, 
mit  Netz  verwachsen,  kaum  zugänglich.  Cysticus  wird  frei  gemacht. 
Aspiration  von  etwas  Eiter  aus  der  Gallenblase.  Excision  der  stark 
wandverdickten,  geschrumpften,  mit  vielen  kleinen  Steinen  erfüllten 
Gallenblase.  Im  Cysticus  festsitzend  ein  Stein.  Gallenblasenschleim- 
haut stark  ulceriert,  teilweise  haben  sich  die  Steine  ordentlich  in  die 


—     268 


Fig.  12. 


Gallenblase  hineingefressen.  Sehr  mühsame  Ectomie.  Ans  dem  ('hole- 
dochiis  fliesst  trübe,  dicke  Galle  ab,  deshalb  Cysticotomie  und  Choledocho- 
tomie  bis  fast  ans  Vnodennm.  Choledoctins  wandverdickt,  aber  an- 
scheinend  frei  Ton  Steinen.  Hepatiens  sehr  eng,  nur  Nclaton-Katheter 
eiuführbar.  Da  der  Choledochiis  sehr  eng  ist,  klafft  die  Choledochns- 
incision   Toni  Hepaticas   bis   Dnodenuni   sehr   stark.    Von   einer   Naht 

Ti'ird  abgesehen,  da 
leicht  eine  zn  starke 
Verengerung  zn  Stande 
kommen  würde.  Tam- 
ponade des  stark  bluten- 
den Leberbetts  (bei  der 
Exoision  war  ein  Stück 
der  morschen  Leber 
mitgenommen  worden). 
Appendix  verwachsen, 
enthält  Kotsteiue,  ist 
chroniscli  entzündet. 
(Appendicitis        chrou. 

Simplex.)     Appendicec- 

Aufgesohnit-     ^       .      „        ,  j      i  j. 

tener,  nicht  gp-  tomie.  Bauch  wandnaht. 

"^^do'chSs^"^'''  D«"©"*     d^»"     Operation 
r/2  Stunden. 

Die  excidierte  Gallen- 
blase ergiebt  folgenden 
Befund  (path.  Institut 
Marburg): 
In  den  mikr.  Bildern  findet  man  nur  hier  und  da  noch  erhaltene 
Schleimhaut.  Die  Falten  sind  verstrichen,  das  Epithel  ganz  niedrig 
kubisch.  Auffallend  ist  die  grosse  Zahl  kleiner  drüsenförmiger  Ein- 
stülpungen, welche  überall  als  Querschnitte  innerhalb  der  Muskulatur 
auftauchen.  Das  Schleimhautbindegewebe  ist  zelUg  infiltriert.  Die 
Muskulatur  und  das  elastische  Fasernetz  stattlich  entwickelt.  An  den 
übrigen  Stellen,  wo  die  Schleimhaut  fehlt,  bestehen  richtige  Geschwüre, 
welche  die  ganze  Muskulatur  durchbrechen  bis.  in  die  Subserosa 
reichend.  Es  sind  mehr  geschwürige  Ausbuchtungen,  deren  Wan- 
dungen aus  einem  äusserst  zellreichen  Granulationsgewebe  bestehen. 
Die  Zellen  derselben  sind  in  ausgedehntestem  Masse  mit  Fett  erfüllt. 
Oft  finden  sich  knötchenförmige  Anordnungen  des  Granulationsgewebes, 
im  Zentrum  eine  oder  mehrere  Riesenzelleu  enthaltend,  die  sich  als 
Fremdkörperriesenzollen  um  kleinste  Gallenpigmentkrümel  erweisen. 
Verlauf:  22.  1.  04.  Temp.  Ab.  37,4.  Puls  96,  ziemlich  kräftig. 
Galle  läuft.     Etwas  Husten  und  Auswurf. 

23.  1.  04.  Temp.  morgens  38,0,  abends  38,4».  Puls  mittags  108, 
abends  116—120.  Nachmittags  viel  Aufstossen,  dreimal  Erbrechen  von 
etwas  Tee  und  Galle.    Wenig  Husten  und  Auswurf. 

24.  1.  04.  Temp.  morgens  38,0,  abends  38,2  Puls  108-104  Husten 
und  Auswurf  sehr  gering.    Noch   etwas    Aufstossen,   kein  Erbrechen. 


—     269     — 

Blähuni^n  gehen.    Galle  läuft  ziemlich  reichlich,   ist  trübe,   mit  Eiter 
gemischt. 

25.  1.  04.  Temp.  morgens  37,9,  abends 38,0.  Puls  104- 108,  etwas 
weich  und  klein.  Kaum  noch  Husten.  Galle  reichlich,  trübe.  Koch- 
salzeinläufe.    Tinct.  strophant.  >\  mal  tägl.  10  gtt. 

26.  1.  04.     Puls  kräftig.  Befinden  gut. 

27.  1.  04.     Führt  ab. 

30.  1.  04.  Verbandwechsel.  Wunde  sieht  gut  aus.  Lockerung 
der  Tampons.  Beim  Husten  entleert  sich  neben  den  Tampons  reich- 
lich trübe,  etwas  übelriechende  Galle.     Temp.  morgens  37,8  abends  38,4. 

31.  1.  04.  Temp.  morgens  38,0,  abends  38,8.  Entfernung  sämt- 
licher Tampons.  Rohr  bleibt  liegen.  Wundtrichter  sehr  tief,  erstreckt 
sich  weit  nach  oben  unter  den  Rippenbogen,  sieht  sehr  gut  aus. 

.1.  2.  04.     Temp.  morgens  37,8,  abends  38,0. 

2.  2.  04.  Temp.  morgens  37,7,  abends  38,4.  Täglich  Verband- 
wechsel. Entfernung  des  Rohres.  Ein  kleiner  kantiger  Stein  wird 
herausgespült.  Es  fliesst  reichlich  trübe,  übelriechende  Galle.  Ent- 
fernung sämtlicher  Nähte. 

3.  2.  04.  Hente  wiederum  ein  kleiner  und  ein  grösserer,  über 
erbsengrosser  Stein  herausgespUlt.  Leichte  Bauchdeekeneiterung  im 
unteren  Teile  der  genähten  Wunde.  2  Drainrohre  in  den  etwas 
engen  Wuudtrichter. 

4.  2.  04.  Statt  der  Drainrohre  wieder  Gazestreifen  in  den  Wund- 
trichter. 

9.  2.  04.  Verband  noch  immer  stark  durch.  Sehr  trübe  Galle 
fliesst  noch  reichlich.  An  dem'  unteren  Wundteile  noch  immer  etwas 
Bauchdeekeneiterung,  einzelne  nekrotische  (Fascien-)  Fetzen  stossen 
sich  noch  ab.  Keine  Drainage  mehr.  Tamponade.  Appetit  noch 
dauernd  schlecht,  Pat.  fühlt  sich  noch  sehr  matt.   Steht  heute  etwas  auf. 

11.  2.  04.  Beim  Spülen  wird  heute  wieder  ein  etwa  bohncu- 
grosser,  imregelmässig  geformter  Stein  heraiisgespüU.  Galle  noch 
sehr  trübe.     Stuhl  braun. 

16.  2.  04.  Galle  jetzt  klarer,  doch  noch  mit  viel  Schleimfetzen 
vermischt.  Gallenfluss  erhdblich  geringer.  Stuhl  dauernd  gut  gefärbt. 
Appetit  noch  schlecht.    Nur   leichte    Tamponade    des    Wundtrichters. 

20.  2.  04.  Ein  über  erbsengrosser,  nnregelmässig  geformter  Stein 
wird  heraiisgespült. 

26.  2.  04.  Gallenfluss  lässt  nach ,  Galle  noch  mit  Schleim  ver- 
mischt. Appetit  erheblich  besser,  Pat.  fühlt  sich  frischer.  Wund- 
trichter sehr  eng. 

2.  3.  04.  Verband  heute  zum  ersten  Mal  trocken.  Nachmittags 
plötzlich  Schüttelfrost,  heftige  kolikartige  Schmerzen  in  der  Ober- 
bauchgegend, besonders  der  Magengrube,  nach  dem  Kreuz  hin  aus- 
strahlend, nachdem  schon  einige  Tage  vorher  leichte,  undeutliche 
Schmerzen  im  Rücken  geklagt  waren.  Morphium  subkutan,  danach 
Besserung.  Gegen  Abend  nochmals  Anfall  von  Kolikschmerzen.  Temp. 
abends  38,7.    Puls  120. 


—     270     — 

3.  3.  04.  Temp.  morgens  38,0.  Puls  88.  Verband  ziemlkh  stark 
durch.     Wieder  leichte  Rückensohmerzen. 

3.  3.  04.  Nachmittags  wieder  ein  Schüttelfrost  und  dauernde 
Rückenschmerzen.    Temp.  abends  39,3. 

4.  3.  04.  Temp.  morgens  37,8,  abends  37,9.  Leichte  Rücken- 
schmerzen noch,  sonst  Befinden  erheblich  besser.  Sehr  reichlich 
brauner  Stuhl.  Verband  stark  durch.  Bei  der  Ausspülung  des  Wund- 
trichters entleert  sich  viel  dicker  Schleim. 

7.  3.  04.  Fat.  steht  wieder  auf.  Keine  Rückenschmerzen  mehr. 
Temperatur  normal.  2  maliger  Stöpselversuch.  Galle  fliesst  gänzlich 
in  den  Darm  ab.  Stuhl  braun.  Keine  Schmerzen  nach  dem  Stöpseln. 
Keine  Tamponade  des  Wundtrichters  mehr. 

22.  3.  04.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Die  Operation  war  technisch  sehr  schwierig, 
da  die  Gallenblase  sehr  hoch  lag.  Es  bestand  neben  Chole- 
cystitis auch  Cholangitis,  denn  die  Galle  floss  aus  dem  Cysticus 
sehr  trübe  ab.  —  Nach  früheren  Erfahrungen  musste  der  ca.  2  cm. 
lang  aufgeschnittene  Choledochus  gut  zuheilen,  obwohl  von 
einem  röhrenförmigen  Gebilde  keine  Rede  mehr  war,  sondern  die 
ganze  Choledochusschleimhaut  flächenhaft  dalag.  Wie  der  Ver- 
lauf zeigte,  litt  Fat.  noch  an  Lebersteinen,  und  deshalb  war 
6S  sehr  zweckmässig,  dass  die  Choledochusincision  nicht  genäht 
war.  So  konnte  ein  Austritt  der  Steine  nach  aussen  hin  leicht 
stattfinden.  Fat.  ist  natürlich  vor  einem  Recidiv  nicht  völlig 
geschützt. 

Nr.  132.  L.  E.,  52j.  Kaufmannsfrau   aus  Czernowitz  (Buko- 
wina) . 

Aufgen.:  8.  3.  1900- 

Operiert:    10.  3.   1900.     Ectomie.     Lösung  von  Adhä- 
sionen.   Versorgung  einer  Gallenblasen-Pylorusfistel. 
Hepaticusdrainage. 
Entlassen:  27.  4.  1900.     Geheilt. 
Die  Anamnese  stammt  von  Herrn  Dr.  Anhauch,  Schwiegersohn 
der  Fat.,  und  lautet  folgendermassen : 

„Der  Vater  der  Kronken  erlag  einem  Schlaganfalle  in  seinem 
70.  Lebensjahre.  Die  Mutter  starb  nach  achttägiger  Krankheit  aus 
unbekannter  Ursache,  sie  soll  nie  vorher  krank  gewesen  sein  und  acht 
Tage  vor  ihrem  Tode  an  absoluter  Stuhlverhaltung,  Koterbrechen  und 
■starker  Gelbsncht  gelitten  haben.  —  In  der  Familie  sollen  Gallensteine 
nicht  vorgekommen  sein. 

Die  52jährige  Kranke  hatte  vor  28  Jahren  nach  einer  Entbindung 
i\n  „Magenkrämpfen"   gelitten,   welche   sich  damals  —  durch  ein  Jahr 


—     271     — 

fast  —  häufig  wiederholten,  dann  aber  nicht  wiederkehrten.  Vor 
-ca.  6  Jahren  litt  die  Kranke  an  „rheumatischen"  Schmerzen  in  beiden 
Kniegelenken,  die  nach  einer  Kur  in  Trenczin-Teplitz  schwanden. 
Yor  ca.  4  Jahren  litt  die  Kranke  wieder  an  Kolikschmerzen  mit  nach- 
folgendem, fast  6  Wochen  anhaltendem  Fieber,  welcher  Zustand  von  den 
Ärzten  bald  als  Typhus,  bald  als  Geschwürsbildung  im  Magen  ge- 
deutet wurde. 

In  den  folgenden  drei  Jahren  fühlte  sich  die  Kranke  vollkommen 
gesund.  Im  März  1899  erkrankte  sie  unter  den  Erscheinungen  eines 
Magenkatarrhs.  Sie  klagte  über  anhaltende  Appetitlosigkeit,  gestei- 
gertes Durstgefühl  und  starkes  fauliges  Aufstossen.  Fieber  und 
Schmerzempfindungen  oder  Druckgefühl  waren  nicht  vorhanden.  Die 
Zunge  war  stets  dick  gelblich  belegt.  In  der  Magengegend  bis  zur 
Nabelhühle  fast  immer  Plätschern,  sonst  nichts  Abnormes  nachweisbar. 
Dieser  Zustand  hielt  ununterbrochen  fast  6  Wochen  an  und  ging  auf 
Karlsbader  Wasser  zurück. 

Im  Mai  1899  bekam  die  Kranke  einen  starken  Kolikanfall  ohne 
l'ieber  und  ohne  Ikterus,  welchem  nach  wenigen  Wochen  ein  anderer 
folgte.  Hierauf  kamea  abwechselnd  bald  Schmerzanfälle  mit  Schüttel- 
frost und  Fieber,  bald  wieder  ein-  bis  zweitägiges  Fieber  (38—38,8") 
ohne  Schmerzen.  —  Im  Juli  1899  trat  zum  ersten  Male  nach  einem 
fieberfrei  verlaufenden  Kolikanfalle  geringe  subikterische  Verfärbung 
der  Skleren  ein.  Inzwischen  war  das  Körpergewicht  von  72  kg  auf 
^0  kg  gefallen.  Während  dieser  Zeit  war  die  Leber  etwas  vergrössert 
und  die  Gallenblase  undeutlich  palpabel.  —  Ende  Juli  ging  die  Kranke 
nach  Karlsbad,  wo  sie  sich  sehr  wohl  fühlte  und  erholte  und  während 
ihres  vierwöchentlichen  Aufenthaltes  .3  kg  zunahm.  Nach  Karlsbad 
hatte  die  Kranke  fast  2  Monate  Ruhe,  während  welcher  Zeit  weder 
Leber  noch  Gallenblase  palpabel  waren. 

Seit  Oktober  1899  begannen  in  immer  kürzeren  Pausen  Kolik- 
schmerzen aufzutreten,  die  nur  sehr  selten  mit  Fieber  und  Ikterus 
vergesellschaftet  waren.  Nie  hatte  der  Ikterus  einen  höheren  Grad 
erreicht  und  war  immer  v^n  sehr  kurzer  (2— Stägiger)  Dauer.  Während 
des  Anfalles  war  die  Gegend  der  Leber  wohl  etwas  mehr  druckem])- 
findlich,  doch  war  weder  Leber  noch  Gallenblase  palpabel.  Zeitweilig 
war  während  des  Anfalles  die  Magengegend  aufgetrieben  und  der 
Magen  deutlich  gebläht,  und  einmal  hörte  nach  einem  sehr  reichlichen 
Erbrechen  sofort  der  Kolikschmerz  auf  und  die  Magengegend  wurde 
flach.    Sonst  trat  bei  den  Anfällen  Erbrechen  nicht  ein. 

Die  Anfälle  leiten  sich  zumeist  mit  einem  leichten  Druckgefühl  in 
der  Magengegend  ein,  welches  neben  allgemeinem  Unbehagen  fast 
2  Stunden  anhält.  Zu  diesem  Druckgefühle  in  der  Magengegend  tritl 
dann  ein  Schmerz  im  Kreuze  hinzu,  von  wo  aus  gürtelartig  den  Leib 
umgreifend,  paroxysmonweise  durch  mehrere  Minuten  heftige  S;chmerzen 
ausstrahlen,  und  wenn  diese  umschnürenden  Schmerzen  am  stärksten 
geworden  sind,  hört  dann  auf  einmal  der  ganze  Anfall  auf.  Der  ganze 
Anfall  pflegt  6—14  Stunden  zu  dauern.    Die   Anfälle   waren  während 


—     272     — 

der  ganzen  Krankheitsdauer  gleichartig,  nur  bei  den  beiden  letzten 
Koliken  hatte  die  Kranke  im  Anfalle  auch  Stechen  beim  Atmen  xmd 
zwar  rechts  im  Rücken.  —  Nie  konnte  objektiv  ein  Reibegeräusch 
weder  im  Anfalle  noch  nach  diesem  über  Leber  und  Gallenblase  kon- 
statiert werden. 

Während  der  Anfalle  bestand  immer  starker  Harndrang.  Der 
Harn  ist  nur  zeitweilig  nach  den  Anfällen  stark  gallig  tingiert.  In 
der  ersten  Zeit  der  Erkrankung  enthielt  er  keine  Gallenbestandteile, 
in  letzter  Zeit  durch  ca.  4  Wochen  nur  in  minimaler  Menge  Gallen- 
farbstoff. —  Der  Stuhl  war  nur  sehr  selten,  wenige  Tage  nach  den 
Anfällen  lehmartig,  in  dpn  letzten  4  Wochen  ist  er  etwas  lichter  als 
normal  und  mit  dunklen  harten  Stücken  gemischt.  Gallensteine  wurden 
im  Stuhle  nie  gefunden.  —  Seit  ca.  4  Wochen  ist  Ikterus  in  sehr  ge- 
ringem Grade  anhaltend  vorhanden,  dabei  aber  in  der  Intensität 
wechselnd,  so  dass  nach  jedem  Anfall  1 — 2  Tage  die  Gelbsucht  deut^ 
Hoher  hervortritt.  Seit  Monaten  stört  heftiges  Hautjucken  den  Schlaf. 
Das  Jucken  besteht  in  geringem  Grade  auch  dann,  wenn  kein  deut- 
licher Ikterus  vorhanden  ist.  —  In  den  letzten  3  Wochen  Leber  wieder 
vergrössert  und  der  Rand  deutlich  palpapel.  —  Das  Körpergewicht  hat 
bedeutend  abgenommen." 

Befund:  Leber  wenig  vergrössert,  von  härterer  Konsistenz. 
Gallenblase  z.  Z.  nicht  fühlbar,  Druck  nicht  schmerzhaft.  Im  Urin 
kein  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss.  Sonstige  Organe  gesund.  Pat., 
di^  auf  Rat  ihres  Schwiegersohnes,  des  Herrn  Dr.  Anhauch  in  Czer- 
iiowitz  sich  zur  Operation  entschlossen  hat,  ist  wenig  von  der  Reise 
angestrengt,  fühlt  sich  sogar  ganz  wohl,  so  dass  schon  am  2.  Tage 
zur  Operation  geschritten  werden  kann.  Die  Diagnose  war  auf 
chron.  Choledochusverschluss  durch  Steine,  ev.  Gallenblasen- 
Darmfistel,  Adhäsionen  und  kleine  Gallenblase  gestellt. 

Operation:  10.  3.  00.  ^/i  Stunde.  Gewöhnlicher  Schnitt.  Gallen- 
blase klein,  leer,  mit  Netz  verwachsen.  Trennung.  Cysticns-Pylorus» 
flstel.  Trennung.  Im  Choledochus  haselnussgrosser  Stein.  Extraktion 
nach  Choledochotomie.  Ectomie  wegen  der  Fistel.  Hepaticusdrainage. 
Übernähung  der  Pylorusfistel.     Tamponade. 

Verlauf:  Ohne  jede  Besonderheit  ganz  normal. 

27.  4.     Verlässt  geheilt  die  Klinik. 

Epicrise:  Die  Diagnose  stimmte  ganz  genau.  Die  Ab- 
magerung, das  Jucken,  die  Fieberbewegungen  sprachen  für  Chole- 
dochusstein ;  weil  Icterus  immer  nur  massig  war,  wurde  eine  Fistel 
zwischen  Gallenblase  und  Darm  angenommen.  Auch  das  stimmte. 
Leber  war  wenig  vergrössert,  die  Gallenblasengegend  gar  nicht 
schmerzhaft.  Hätte  Pat.  nicht  den  weiten  Weg  aus  der  Bukowina 
hierher  gemacht,  so  hätte  sie  sich  wahrscheinlich  nicht  zur 
Operation  entschlossen,  da  augenblicklich  das  Befinden  zufrieden- 
stellend war. 


—     273     — 

Nr.  133.     B.  P»,  38  j.  Kaufmannsfrau  aus  Warschau. 

Aufgeii.:  30.  8.  1902. 

Operiert:  2.  9.  1902.  Ectomie.  Hepaticusdrainage. 
Versorgung  einer  Colon-Gallenblasenfistel.  Hepa- 
topexie. 

t  28.  9.  1902  an  Tnanition. 
Anamnese:  Vor  zwölf  Jahren  Cholecystitis  calculosa,  danach 
vollständige  Ruhe,  auch  während  dreier  Graviditäten,  die  in  diese  Zeit 
fielen.  Anfangs  April  d.  J.  heftige  Kolik  mit  stark  ausgesprochenem 
Ikterus.  Pat.  war  damals  gravida  im  neunten  Monat,  nach  vier 
Tagen  fand  eine  Frühgeburt  statt,  nachdem  Tags  vorher  Schüttelfrost 
und  Temperatur  bis  41  *•  aufgetreten  war.  Nach  der  Entbindung  hörte 
der  Schmerz  auf,  das  Fieber  dauerte  noch  4—5  Tage  an,  dann  schwand 
es  ebenfalls,  der  Ikterus  nahm  ab.  Jedoch  bald  wieder  Verschlimme- 
rung. Seitdem  alle  8— 10  Tage  Schüttelfrost,  einige  Tage  hohes  Fieber, 
danach  Abnahme  der  Beschwerden.  Seit  15  Tagen  erbricht  Pat.  alles, 
auch  flüssige  Nahrung,  sie  wird  durch  Klysmen  ernährt,  ist  aber 
natürlich  sehr  schwach  und  hinfällig.  In  den  letzten  Tagen  hat  sie 
Hypodermalklysmata  mit  Hayem'scher  Lösung  erhalten.  Auf  Rat  des 
Herrn  Dr.  Mint  z- Warschau  kommt  sie  hierher.  Auf  der  Reise  ist  es 
ihr  etwas  besser  ergangen,  sie  hat  gegessen,  ohne  zu  erbrechen. 

Befund:  Sehr  stark  abgemagerte,  anämische  und  äusserst  liin- 
fälligfi  Frau.  Puls  kaum  zu  fühlen,  104,  regelmässig.  Leib  flach, 
weich,  in  der  Gallenblasengegend  und  nach  der  Mittellinie  hin  druck- 
empfindlich.    Pankreas  undeutlich  als  querer  Wulst  zu  fühlen.  Urin  frei. 

Diagnose:  Chronischer  Choledochusverschluss  durch  Stein.  Ab- 
knickung  des  Duodenum. 

Operation:  2  9.02.  Wellenschnitt.  Gallenblase  klein,  am  Fun- 
dus mit  Colon  verwachsen.  Colon-Gallenblasenfistel.  Zerstörung  der- 
selben. Darmnaht.  Stein  im  Choledochus,  haselnussgross.  Diiodeunni 
ist  weit  nach  oben  gezerj't,  spitzwinkelig  abgeknickt,  wird  gelöi^t. 
Zahlreiche  Unterbiadongeii.  Bin  Stein  im  Choledochus.  Excision. 
Trübe,  eitrige  Galle  fliesst  nach  Hepaticusdrainage.  F^xcision  der  ver- 
dickten, sonst  leeren  Gallenblase.  Naht  des  Cysticusquerschnitts. 
Hepatopoxie.     Tamponade.     Naht.     Dauer    der    Operation    50  Minuten. 

Verlauf:  Pat.  hatte  schon  vor  der  Operation  einen  kaum  fühl- 
baren Puls,  nach  der  Operation  ist  er  noch  schlechter.  Kochsalz 
subcutan  und  per  rectum.     Hochlagerung  der  Beine.  Abends  37,0. 

3.  9.  38,4.  Puls  nicht  zu  fühlen.  Nachts  gegen  2  Uhr  grosse 
Schwäche.  Eiskalte  der  Extremitäten.  Kochsalz.  Heisser  Tee  mit 
Cognak.     Kampher.    Wärmflaschen. 

Morgens  8  Uhr.  Pat.  hat  sich  etwas  erholt,  sieht  nicht  schlecht 
aus.  Puls  ist  jedoch  nicht  zu  fühlen.  Galle  trübe,  fliesst  reichlich. 
Fortsetzung  der  Anwendung  von  Excitantien.  Tagsüber  8  mal  Koch- 
salz, stündl.  Campher,  2  stündl.  Klysmen  von  heissem  Kochsalzwasser; 
Kelir,  Technik  der  GaUensteinoperationen.  18 


—     274     — 

Tee   mit  Cognak  als  Getränk.    Feste  Einwiekelung  der  Beine  zwecks 
Autotransfusion. 

Abends  fängt  Pat.  an  zu  erbrechen. 

4.  9.  37,7.  Puls  heute  schwach  fühlbar,  beschleunigt,  ca.  140. 
Allgemeinbefinden  besser  als  gestern.  Erbrechen  hat  nach  Magen- 
spülung aufgehört.  Fortsetzung  der  Behandlung  mit  Excitantien. 
Blähungen  im  Gange.    Gallenfluss  reichlich. 

5.  9.  36,8.  Puls  120.  Befinden  gut.  Pat.  sieht  frisch,  wenn 
auch  noch  etwas  blass  aus.    Noch  2  mal  Kochsalzinfusion. 

6.  9.    36,7.    Puls  112. 

7.  9.  Abführen.  10.  9.  Wechsel  der  oberen  Verbandschiohten. 
11.  9.  Verband  durch.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tamponade, 
einige  Fäden  haben  sich  schon  abgestossen.  Ausspülung.  Der  ganze 
Verband  riecht  nach  Mageninhalt,  es  finden  sich  2  kleine  eben  für 
den  Sondenknopf  durchgängige  Löchelchen  im  Duodenum  nahe  dem 
Magen,  aus  denen  Flüssigkeit  quillt.  Es  scheint  sich  um  Stellen  zu 
handeln,  an  welchen  Gefässe  unterbunden  wurden.  Die  Choledochus- 
incision  kann,  da  Pat.  zu  unruhig  ist,  nicht  gefunden  werden. 
Tamponade. 

Im  unteren  Teil  der  Wunde  ist  das  Abdomen  vorgewölbt,  man 
hat  das  Gefühl,  als  sei  Luft  in  der  Haut.  Schon  beim  gestrigen  Ver- 
bandwechsel fiel  dies  auf,  und  wurde  deshalb  ein  Faden  entfernt.  An 
dieser  Stelle  entleert  sich  heute  mit  Luftblasen  vermischt  eine  Menge 
kotig-eitriger  Massen,  so  dass  es  klar  ist,  dass  auch  die  Naht  der 
Colonfistel  aufgegangen  ist. 

Kochsalz-  und  Ölinfusionen,  Nährklystiere,  Kochsalzeinläufe,  Ver- 
ringerung der  Flüssigkeitszufuhr  per  os.     Puls  116,  ziemlich  klein. 

12.  9.  Verband  massig  nass,  meist  nur  Galle  im  Verband.  Aus- 
spülung der  Wunde,   neue  Tamponade. 

Im  unteren  Teil  der  Wunde  werden  die  Nähte  entfernt.  Tamponade. 

13.  9.  Verband  stark  durchtränkt.  Wechsel.  Die  Löcher  im 
Duodenum  sind  grösser  geworden.  Schluss  derselben  mit  5  Nähten. 
Im  unteren  Teil  der  Wunde  sind  die  Bauchdecken  weithin  untermi- 
niert, überall  quillt  Eiter  heraus.  Bei  der  Untersuchung  reissen  die 
sehr  dünnen  Verwachsungen  ein,  und  man  gelangt  in  die  freie  Bauch- 
höhle. Tamponade.  Verband.  Grosse  Schwäche,  Puls  kaum  fühlbar, 
3  Kochsalzinfusionen.  Muss  katheterisiert  werden.  Im  Laufe  des 
Tages  erholt  sich  Pat.  leidlich. 

14.  9.  37,0.  Puls  120,  klein.  Pat.  hat  gut  geschlafen,  Leib  flach, 
weich,  noch  keine  Blähungen  wieder.  Im  Verband  Galle,  Wechsel 
desselben.  Ausspülung.  Die  Naht  am  Duodenum  hat  gehalten. 
Kochsalz-  und  Ölinfusionen  fortgesetzt. 

16.  9.  37,3  Puls  120.  Ein  kleines  Loch  im  Duodenum  wird 
übernäht. 

17.  9.  36,8.  Puls  120.  Es  werden  2  DrainageöfiFnungen  angelegt, 
um  die  Eiterung  im  unteren  Wundwinkel  zu  beseitigen.  Befindet» 
besser.    Gallenausfluss  massig.    Kochsalz-  und  Ölinfusionen  bleiben  weg. 


—     275     — 

18.  9.  87,5.  Puls  120.  Der  Verlauf  ist  jetzt  so,  dass  man  Hoffnung 
auf  einen  günstigen  Ausgang  haben  kann. 

19.  9.  38,2.  Puls  120.  Das  Loch  im  Duodenum  ist  wieder  offen 
und  wird  zum  dritten  Male  übernäht.  Nährklysmen,  Kochsalzin- 
fusionen. 

20.  9.  37,5.  Puls  120.  Die  Naht  hat  gehalten,  es  ist  wieder 
Hoffnung  auf  Heilung  vorhanden. 

21.  9.  37,3.  Puls  120.  Verband  wieder  stark  mit  Mageninhalt 
durchtränkt.  Wechsel.  Das  Loch  im  Duodenum  klafft  weit.  Da  es 
unmöglich  ist,  es  durch  die  Naht  zur  Heilung  zu  bringen,  wird  die 
Oastroenterostomia  posterior  ansgefülirt.  Fat.  ist  so  matt,  dass  keine 
Narkose  dazn  nötig  ist.  Die  Operation  wird  von  der  alten  Wunde 
aus  ohne  neuen  Hautschnitt  ausgeführt.  Nach  der  Operation  grösste 
Schwäche;  Kochsalzinfusionen,  Campher, Excitantien  per  os,  Einwickeln 
und  Hochlagern  der  Beine. 

22.  9.  37,8.  Puls  120.  Pat.  ist  heute  munterer,  es  scheint,  als 
sollten  unsere  Bemühungen  Erfolg  haben.  Doch  tritt  in  der  Nacht 
vom  22.  zum  23.  9.  grosse  Schwäche  ein,  Pat.  stirbt  am  23.  9.  Morgens. 
Keine  Sektion. 

Epicrise:  Die  Naturheilung  (Gallenblasen-Colonfistel) 
hatte  gar  nichts  genützt.  Durch  Zerrung  des  Duodenums  nach 
oben  kam  es  zu  häufigem  Erbrechen,  welches  die  Pat.  schliess- 
lich so  herunterbrachte,  dass  sie  wie  eine  Carcinomkranke  aus- 
sah. Die  Operation,  obgleich  technisch  sehr  schwierig,  hat 
kaum  1  Stunde  in  Anspruch  genommen.  Pat.  war  2  Tage  lang 
pulslos  und  eiskalt ;  durch  zahlreiche  Kochsalzinfusionen  gelang 
es,  sie  wieder  zu  beleben.  Dreimal  wurde  der  Defekt  im  Duo- 
denum vergeblich  zu  nähen  versucht,  schliesslich  die  Gastro- 
enterostomie gemacht.  Es  schien,  als  sollte  es  uns  gelingen, 
die  Kranke  über  die  Gefahren  der  Inanition  hinwegzubringen, 
doch  reichte  ihre  Lebesskraft  nicht  aus,  sie  erlag.  — 

\r.  134.    E.  W.,  50 j.  Oberpostsekretärsfrau  aus  Hildesheim. 

Aufgen.:  6.  3.  1903. 

Operiert:  8.  3.  1903.     Ectomie.     Hepaticusdrainage. 
Versorgung  einer  Gallenblasen-Duodenalfistel.    He- 
patopexie. 
Entlassen:  9.  4.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:    Pat.   hat  vor  13  Jahren  6  Wochen  lang   an  einer 
heftigen  Blinddarmentzündung   und   vor  7  Jahren   an  einer  schweren, 
hauptsächlich  rechtsseitigen  Nierenentzündung  und   an  Blasenkatarrh 
(7  Wochen  lang)  gelitten. 

Pat.  hat  14mal  geboren  und  3  Fehlgeburten  durchgemacht. 

18* 


—     276     — 

Bereits  vor  28  Jahren  während,  der  9  Monate  der  ersten  Schwanger-* 
Schaft  „Magenkrämpfe".  Vor  24  Jahren  die  erste  heftige,  als  solche 
erkannte  Gallensteinkolik.  Heftige  kolikartige  einige  Stunden  dau- 
ernde Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  die  nach  der  Brust  aufsteigen 
und  sich  rechts  nach  dem  Rücken  herumziehen.  Fieber  bestand  an- 
geblich bereits  bei  diesem  ersten  Anfall,  Erbrechen  stellte  sich  ein. 
Der  Stuhl  war  zur  Zeit  des  Anfalls  etwas  entfärbt.  Auch  leidet  Pat. 
dauernd  an  Verstopfung.  Die  gleichen  Anfälle  traten  während  eines 
Jahres  etwa  alle  14  Tage  ein.  In  den  Zwischenzeiten  fühlte  sich  Pat. 
völlig  wohl.  Vor  16  Jahren  traten  dann  die  gleichen  Anfälle,  aber 
heftiger  wieder  auf  und  zwar  2  Jahre  lang  etwa  alle  2  —  3  Wochen. 
In  den  Zwischenzeiten  fühlte  sich  Pat.  sehr  matt. 

Vor  11  Jahren  traten  dann  wieder  3  Jahre  lang  alle  5—14  Tage 
sehr  heftige  Koliken  auf,  die  erste  davon  während  der  Geburt  eines 
Kindes  in  der  Austreibungsperiode  so  heftig,  dass  Pat.  von  den  Wehen 
nichts  spürte. 

Dann  setzten  vor  4  Jahren  die  Anfälle  wieder  ein  (alle  4—8  Tage), 
seit  2  Jahren  traten  sie  in  grösster  Heftigkeit  ununterbrochen  und 
zwar  im  letzten  Jahre  mit  grosser  Regelmässigkeit  alle  2  Tage,  ein- 
mal sogar  an  8  Tagen  hintereinander,  auf.  Seit  P/a  Jahren  besteht 
allgemeine  Gelbsucht,  zeitweise  stärker,  zeitweise  schwächer,  und 
Hautjucken.     Der  Stuhl  ist  ganz  grau. 

Die  Anfälle  treten  meist  des  Abends  auf.  Pat.  verspürt  anfangs 
ein  Absterben  der  Hände  und  F'üsse,  -brennendes  Gefühl"  in  der  Leber 
dann  treten  Kolikschmerzeu  in  der  rechten  Seite  und  im  Rücken  auf, 
die  sich  genau  bis  zur  Mittellinie  hinziehen.  Darauf,  meist  nach  1  bis 
2  Stunden,  tritt  Würgen  und  Erbrechen  auf.  wonach  Pat.  etwas  Lin- 
derung verspürt.  Dann  stellt  sich  starkes  Frostgefühl  mit  Schüttel- 
frösten und  schliesslich  starkes  Hitzegefühl  ein,  bis  Pat.  in  Schlaf 
verfällt.  Die  Anfälle  dauern  bis  zu  5  Stunden.  In  den  Zwischenzeiten 
fühlt  sich  Pat.  ziemlich  wohl,  jedoch  matt.  Letzter  Anfall  vorgestern, 
etwas  weniger  heftig,  ca.  3*/«  Stunden  dauernd. 

Herr  Dr.  Sc  hn  eile- Hildesheim  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Sehr  blasse,  kaum  ikterische,  magere  Frau.  Herz  und 
Lunge  gesund.  Urin  frei.  Leber  sehr  gesenkt,  lässt  sich  vollständig 
nach  oben  umkippen  und  im  Bauch  von  rechts  nach  links  und  um- 
gekehrt schieben.    Kein  Tumor  der  Gallenblase.    Mittellinie  schmerzhaft. 

Diagnose:  Hepatoptose,  Steine  im  Choledochus. 

Operation:  8.  3.  03.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt,  Netz  mit 
kleiner,  geschrumpfter  Gallenblase  verwachsen.  Es  besteht  eine  Galleii- 
blaseii-Dnodenalflstel.  Trennung  nach  Abklemmung  der  Gallenblase 
und  Unterschiebung  mehrerer  Tampons.  Naht  des  Darmlochs.  Darüber 
etwas  Netz.  Im  Choledochus,  der  bis  zur  DUnndarmstärke  erweitert 
ist ,  ein  walnussgrosser  Stein  und  3  haselnussgrosse.  Elxcision.  Die 
Galle  steht  unter  sehr  grossem  Druck  und  läuft  sehr  trübe  ab.  He- 
paticusdrainage.  llel  der  Ectoinie  geben  die  Sutnren  an  der  Art.  cys- 
lica^  die  sich  erheblich  retrahlert  hat,  nach.  Kolossale  lUntnng.  Nur 
SO)  dass  man  den  Choledochus  dicht  au  der  porta  hepatis  auf  den  Finger 


—     277     - 

ladet,  geliugt  die  Blatstillnng  und  die  AnliBgnng  einer  r.  Bergmann- 
seilen  Klemme.  Von  einer  Ligatur  kann  keine  Rede  sein.  Die  Klemme 
bleibt  liegen.  Reichliche  Tamponade  ringsum  und  um  das  Hepaticus- 
robr.  Verkürzung  des  lig.  teres  und  Hochnähung  der  gesenkten  Tjeber. 
Naht  der  Bauchwand.  Appendix  vermif.  völlig  gesund.  Dauer  der 
Operation  65  Min.  Sehr  gute  Chloroformnarkose.  Die  herausgeschnit- 
tene, sehr  geschrumpfte  Gallenblase  hat   einen   obliterierten   Cysticus. 

Verlauf:  9.  3.  03.  Temp.  abends  36,7.  Pult  100.  Befindennach 
der  Operation  gut. 

11.  3.  03.  In  der  Nacht  Klagen  über  Atemnot.  Nach  Morphium 
guter  Schlaf. 

Wechsel  der  oberen  Schichten  des  Verbandes.  Klemme  liegt 
noch  gut.    Galle  läuft  reichlich  durchs  Rohr. 

20.  3.  03.    Temp.  morgens  38,0,  abends  30,1.     Puls  110-120. 

Verbandwechsel.  Verband  mit  Galle  durchtränkt,  die  etwas  stinkt. 
Entfernung  des  Rohres,  sämtlicher  Tampons  und  Fäden.  Tampons 
sitzen  massig  fest,  sind  mit  etwas  stinkendem  Sekret  durchtränkt. 
Wunde  sieht  gut  aus.  Wundhöhle  ringsum  abgeschlossen.  In  der  Tiefe 
der  Wundhöhle  im  obersten  ^Vinkel  die  ca.  2  cm.  lange  Öffnung  des 
Choledochus  sichtbar,  in  die  man  leicht  mit  dem  Spülkatheter  hinem- 
gelangt.  Ausspülung,  wobei  sich  einzelne  Steintrümmerchen  und  trübe 
Galle  entleeren.  Tamponade.  Verband.  Die  noch  liegende  Klemme 
Hess  sich  nach  Herausnahme  der  Tampons  leicht  entfernen,  sie  war 
am  unteren  Ende  etwas  von  Granulationen  umwuchert. 

Etwas  Husten.     Lungenbefund  normal. 

22.  3.  02.  Verband  täglich  mit  Galle  durchtränkt.  Verbandwechsel. 
Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Es  läuft  klare,  nicht  mehr  stinkende  Galle. 
Entfernung  der  Nähte.  Ausspülung  des  Choledochus.  Tamponade. 
Verband.     Befinden  sehr  gut. 

23.  3.  03.  Choledochus-Ötfnuug  in  der  Tiefe  nicht  mehr  sichtbar, 
man  gelangt  mit  dem  Spülkatheter  anscheinend  nicht  mehr  in  den 
Choledochus.  Galle  fliesst  ganz  klar,  riecht  nicht.  Tampouade.  Ver- 
band.   Wunde  verkleinert  sich  sehr  schnell.     Nähte   werden  entfernt. 

28.  3.  03.  Verbandwechsel  (Verband  ist  noch  trocken,  4  Tage 
lang).  Wunde  sehr  klein;  es  führt  nur  noch  ein  sehr  enger  und  nicht 
sehr  tiefer  Trichter  nach  oben  hin.  Ausspülung  desselben,  dabei  fliesst 
völlig  klare  Galle.     Taraponade.     Verband.     Pat.  steht  auf. 

8.  4.  03.    Verband  trocken.    Es  läuft  keine  Galle  mehr. 

9.  4.  03.  Pat.  wird  mit  kleinem,  gut  granulierenden  Wundtrichter 
entlassen. 

Der  mikroskopische  Befund  an  der  Gallenblase  war  folgender: 
An  mikrosk.  Schnitten  der  Gallenblase  erkennt  man  eine  starke  Atro- 
phie der  Schleimhaut  mit  ausgedehntem  Verlust  des  Epithels,  anderer- 
seits sehr  starke  Drüsenbildung,  die  die  Muskulatur  weithin  durchsetzt 
und  bis  in  die  Aussenschichten  reicht,  in  ähnlicher  W^eise,  wie  es  am 
Ductus  cysticus  der  Fall  zu  sein  pflegt. 


—     278     — 

Epicrise:  Trotz  der  grossen  Steine  im  Choledochus  be- 
stand fast  kein  Ikterus ;  ich  glaubte  erst,  die  Galle  würde  durch 
die  Gallenblasen-Duodenalflstel  abgeleitet.  Aber  der  Cysticus 
war  obliteriert.  Die  Blutung  aus  der  retrahierten  Cystica  war 
nur  auf  die  oben  geschilderte  Weise  zu  stillen. 

Nr.  135.  A.  R.,  Kaufmannswitwe  aus  Strassburg  i.  Westpr. 

Aufgen.:  19.  4.  1903. 

Operiert:  21.  4.  1903.     Ectomie.     Cysticotoraie.     He- 
paticusdrainage.     Hepatopexie.    Gastroenterostomie 
nach  Wölfler. 
Entlassen:  27.  5.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  nie  erheblich  krank  gewesen. 

Vor  4  Jahren  betam  Pat.  einige  Stunden  dauernde  Anfälle  von 
drückenden  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube,  die  auch  zu- 
gleich im  Rücken  nach  den  Schultern  ausstrahlend  auftraten.  Dabei 
Erbrechen,  Aufstossen,  Sodbrennen.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  alle 
paar  Monate. 

Vor  3  Jahren  die  gleichen  Anfälle,  jedoch  auch  mit  Schmerzen 
in  der  rechten  Seite  des  Leibes.  Die  Krankheit  wurde  für  Blinddarm- 
reizung angesehen.     Kissinger  Kur. 

Vor  2  Jahren  Konsultation  bei  Herrn  Dr.  Boas -Berlin,  der  die 
Diagnose  auf  „Gallensteine"  stellte.  Darauf  1901  und  1902  Karlsbader 
Kur.    Trotzdem  wurden  die  Anfälle  heftiger. 

Im  Sommer  1902  3  Monate  lang  Ruhe.  September  und  Weih- 
nachten 1902  neue  Anfälle  (ohne  Erbrechen).  Die  Anfälle  heftiger,  die 
Schmerzen  dauerten  6—8  Stunden  lang. 

Anfang  Januar  1903  neuer  4tägiger  Anfall.  Im  Februar  und 
März  2  mal  8  Tage  lang  jeden  Tag  vor  dem  Essen  auftretende  Druck- 
schmerzen in  der  Gegend  der  Magengrube. 

Am  8.  und  9.  April  1903  letzter  Anfall,  2  Tage  hintereinander. 
Gelbsucht  hat  angeblich  nie  bestanden,  ebensowenig  Fieber.  Stuhl 
stets  regelmässig,  im  Sommer  1902  angeblich  einmal  weiss.  Steine 
im  Stuhl  wurden  nicht  gefunden.  Pat.  hat  in  den  letzten  4  Jahren 
30  Pfund  abgenommen  (jetzt  111—112  Pfund  Körpergewicht).  Im 
Februar  1903  soll  angeblich  eine  Anschwellung  der  Gallenblase  be- 
standen haben,  weshalb  auch  der  Pat.  zu  einer  Operation  geraten 
wurde. 

Herr  Dr.  Schendell- Brom berg  sendet  uns  die  Pat.  zu,  die  augen- 
blicklich keine  Klagen  hat,  sich  überhaupt  in  den  Zwischenzeiten 
zwischen  den  Anfällen  immer  völlig  wohl  fühlte. 

Befund:  Völlig  negativ.  Keine  Dilatation  des  Magens.  Kein 
Ikterus.  Pat.  ist  durch  die  Häufigkeit  der  Koliken,  durch  den  immer 
notwendigen  Morphiumgebrauch  in  ihrer  Lebensfreude  sehr  gestört 
und  wünscht  dringend  die  Operation.     Urin  frei. 


—     279     -• 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase,  augenblicklich  Cysticus 
offen,  altes  Ulcus  pylori  (Verwachsungen  zwischen  Gallenblase  und 
Pylorus). 

Operation:  21.  4.  03.  Sehr  gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose, 
50  gr.  Dauer  der  Narkose  2  Stunden.  Dauer  der  Operation  I  '/*  Stunden. 
Wellenschnitt.  Gallenblase  allseitig  verwachsen.  Die  Adhäsionen  sind 
sehr  stark;  es.  hält  ungemein  schwer,  dieselben  zu  trennen.  Das  ge- 
lingt mit  Messer,  mit  stumpfer  Cooper'scher  Schere,  mit  den  Fingern, 
Zuletzt  reisst  der  Cysticns  etwas  ein,  so  dass  man  event.  an  Cysticus- 
Diiodeaalflstel  denkt.  Das  Duodenum  war  vom  Pylorus  bis  zum  mitt- 
leren Teil  völlig  mit  der  Gallenblase  verwachsen  und  narbig  verengt, 
Gallenblase  ganz  narbig,  enthält  im  Hals  einen  taubeneigrossen,  sehr 
schönen  Cholestearinsteiu.  Gallenblase  wird  bis  in  den  Cysticus  ge- 
spalten, Stein  entfernt.  Es  fliesst  sofort  Galle.  Spaltung  des  Cys- 
ticus bis  in  den  Choledochus  hinein.  Dieser  normal,  ist  frei  von 
Steinen.  Nelaton  in  den  Hepaticos,  der  übrige  Teil  der  Choledochas- 
incisiou  —  weil  der  Gang  eng  ist,  kommt  die  Schleimhant  flächenhaft 
zum  Vorschein  —  wird  vernäht.  Schwierige  Unterbindungen  der  Art. 
cystlca-iste.  Tamponade.  Hepatopexie  mit  einer  Sutur.  Wegen  der 
Dnodenalenge  Gastroenterostomie  nach  Wölfler-Eappeler  in  12  Min. 
(Naht.)  Dauer  der  ganzen  Operation  l'/i  Stunden.  Guter  Puls.  Die 
excidierte  Gallenblase  ist  narbig  degeneriert. 

Verlauf:  21,  4.  03.  Temp.  abends  36,8.  Puls  80.  Einmal  etwas 
dunkles  Blut  gebrochen,  sonstiges  Belinden  gut. 

22.  4.  03.  Gestern  Abend  noch  mehrmals  Erbrechen  von  etwas 
Blut.    Magenspülung,  im  Magen  noch  etwas  Blut.    Nachher  Ruhe. 

Heute  Früh  Temp.  37,9.  Einmal  Erbrechen  von  wenig  Blut. 
Magenspülung,  Reste  von  Blut  und  Galle  im  Magen.  Puls  120,  etwas 
klein.  Kochsalzinfusion.  Mittags  noch  einmal  Erbrechen  von  etwas 
Blut,  Magenspülung,  nur  sehr  wenig  Blut,  mehr  Galle  im  Magen. 

Nachm.  Temp.  38,3.  Puls  120,  etwas  kräftiger.  Zunge  feucht. 
Leib  weich.  Blähungen  gehen  etwas.  Pat.  ist  frischer  und  munterer 
als  heute  früh.     Kein  Erbrfechen  mehr. 

Verbandwechsel  der  oberflächlichen  Schichten.  Gaze  und  Tam- 
pons mit  Galle  durchdrängt.  Durchs  Rohr  keine  Galle  gelaufen.  Rohr 
wird  gekürzt.    Verband. 

23.  4.  03.    Temp.  mittags  37,3.    Puls  112,  etwas  kräftiger. 

In  der  Nacht  2  mal  Erbrechen  von  Spuren  von  Blut.  Leib  weich. 
Blähungen  gehen  reichlich. 

Temp.  abends  37,3.  Puls  116.  Mittags  einmal  Erbrechen  von 
etwas  Kaffee.    Befinden  sonst  gut. 

24.  4.  03.  Temp.  normal.  Puls  92-100,  kräftig.  Kein  Erbrechen 
mehr,  wenig  Aufstossen. 

25.  4.  03.  Befinden  gut.  Verband  mit  Galle  durchtränkt.  Wechsel 
der  oberen  Verbandschichten. 

26.  4.  03.     Fübrt  ab. 


—     280     — 

28.  4.  03,    Verbandwechsel.    Entfernung  des  N^laton. 

30.  4.  03.  Verband  wieder  täglich  durch.  Verbandwechsel  täglich. 

3.  5.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  sämtlicher 
Tampons,  die  locker  sitzen,  sämtlicher  Nähte  und  Fäden.  Wunde  sieht 
gut  aus,  Wundtrichter  ist  sehr  tief.     Ausspülung.     Tamponade. 

8.  5.  03.  Verband  täglich  durch.  Täglich  Verbandwechsel.  Wunde 
sieht  gut  aus.  Gute  Granulationsbild uug  in  der  Tiefe.  Täglich  Aus- 
spülung.   Tamponade.    Noch  etwas  Husten  anfallsweise.' 

15.  5.  03.    Steht  auf.    Befinden  gut.     Appetit  wird  besser. 

21.  5.  03.  Verband  2  Tage  trocken,  nur  massig  viel  Galle  im 
Verband.  Wundtrichter  infolge  sehr  guter  und  reichlicher  Granula- 
tionsbildung eng.     Stuhl  braun. 

28.  5.  03.  Wundtrichter  hat  sich  rasch  geschlossen.  Gallenfluss 
veisiecht.  Es  besteht  noch  kleine  granulierende  Wunde.  Wird  nacli 
Hause  entlassen. 

Epicrise:  Pat.  hatte  zur  Zeit  keine  Beschwerden,  weil 
Entzündung  fehlte  und  der  Cysticus  frei  war.  Der  Stein  spielte 
augenblicklich  auch  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle,  die 
Hauptsache  war  die  Duodenalstenose.  Diese  wäre  mit  der  Zeit 
sicher  noch  enger  geworden,  deshalb  Gastroenterostomie.  Über- 
haupt wäre  Pat.  wohl  niemals  ohne  Operation  gesund  geworden. 
In  solchen  Fällen  ohne  Befund  stellt  der  Arzt  resp.  der  Par. 
die  Indikation  aus  der  Anamnese. 


Nr.  136.  J.  H.,  60j.  Obersteigersfrau  aus  Neuwerk. 

Aufgen.:  25.  8.  1903. 

Operiert:  31.  8.  1903.      Ectomie.   Cysticotomie.     He- 

paticusdrainage.     Hepatopexie.  Appendicectomie. 
Entlassen:  22.  10.   1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Vor  8  Jahren  erster  Anfall  von  Kolikschmerzen 
in  der  Magengrube,  der  12  Stunden  dauerte.  Dabei  Erbrechen,  etwas 
Gelbsucht.     Pat.  wurde  3  Wochen  lang  mit  Karlsbader  Salz  behandell. 

Dann  völliges  Wohlbefinden  bis  vor  3—4  Jahren. 

Im  Sommer  vor  3—4  Jahren  wiederum  eine  gleiche  Kolik.  Ob 
Gelbsucht  dabei  vorhanden,  weiss  Pat.  nicht  anzugeben.  Während  der 
folgenden  4  Wochen  dann  noch  eine  bis  zwei  gleiche  Koliken. 

In  den  nächsten  Sommern  die  gleichen  Kolikanfälle. 

In  den  Zwischenzeiten  fühlte  sich  Pat.  ganz  wohl. 

Mitte  Mai  1903  wiederum  heftige  Kolik,  dabei  Erbrechen,  etwas 
Fieber  (kein  Schüttelfrost).  Gelbsucht.  Stuhl  grau.  Urin  dunkel. 
Dabei  Verstopfung. 

Seitdem  alle  8— 14  Tage  die  gleichen  Koliken,  jedesmal  mit  Gelb- 
sucht.   Mehrere  kleine  Steine  (erbsengrosse)  wurden  Im  Stuhl  gefunden. 


—     281     — 

Vor  3  Tagen  letzte  Kolik.  In  den  Zwischenzeiten  fühlt  sich  Pat. 
matt,  hat  keinen  Appetit,  ist  erheblich  abgemagert.  Schmerzen  sind 
nur  anf  Druck  in  der  Gallenblasengegend  vorhanden. 

Pat.  wurde  mit  Karlsbader  Salz,  Mühlbrunnen,  Morphium  (Pulver 
und  subkutan)  im  Anfalle,  heissen  Umschlägen  und  einer  Ölkur  be- 
handelt. 

Herr  Dr.  Seh ul te-0 verbek-Rübeland  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Pat.  klagt  über  dauernde  starke  Schmerzon  in  der  Harnblase"  und 
über  Brennen  beim  Urinlassen.  Urin  ist  klar,  in  der  Harnblase  keine 
Steine. 

30.  8.  03.  Temp.  39,1.  Noch  Klagen  über  Schmerzen  in  der  Harn- 
blase.    Thermophor.     Urotropin. 

Abends  Temp.  B7,3.     Keine  Schmerzen  mehr. 

Befund:  Tumor  der  Gallenblase,  sehr  schmerzhaft,  Leber  ge- 
senkt, auch  nach  der  Mittellinie  zu  fühlt  man  Resistenz  (Pankreas- 
Carcinom  ?)     Kein  Ikterus. 

Diagnose:   Empyem  der  Gallenblase  (Steine  im  Choledochos?). 

Operation:  31.  8.  03.  Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Stone- 
Washington.  Wellenschnitt.  Gallenblase  entzündet,  mit  knollig  ent 
artetein,  harten  Netz  verwachsen.  Sehr  schwierige  Lösung.  Adhäsionen 
sehr  hart,  werden  nach  dem  Cysticus  hin  immer  zarter.  Leber  gesenkt, 
veigrössert.  Ectomie.  Im  Hepaticus  ein  Stein.  Abflugs  von  trüber 
Galle  aus  dem  Choledochns.  Dieser  ist  so  weit,  dass  bis  zur  Papille 
eiu  Zeigefluger  eingeführt  werden  kann,  nachdem  Cysticiis  und  Chole- 
dochns gespalten  ist.  Kein  Stein  zu  fühlen.  Pankreas  sehr  verdickt. 
Hcpaticusdraiuage.  Das  anfänglich  tief  eingeführte  Rohr  wird,  da  Iteine 
Galle  abläuft,  hervorgezogen:  dann  läuft  Galle  ab.  Appendix  ver- 
wachsen, in  der  Mitte  obliteriert,  am  Ende  kolbig  verdickt,  wird  ent- 
fernt. Dauer  der  Ectomie  und  Hepaticusdrainage  25  Min.,  der  ganzen 
Operation  55  Min.  50  gr.  Chloroform.  Sehr  gute  SauerstofF-Chloroform- 
narkose.  Verband.  Die  stark  entzündete  und  verdickte,  besonders  im 
Fundus  ulcerierte  Gallenblase  enthält  25  erbsengrosse  Steine  und 
Eiter. 

Verlauf:  Gut. 

12.  9.  03.  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten.  Es  läuft  sehr 
wenig  Galle. 

14.  9.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres, 
sämtlicher  Tampons,  die  sehr  locker  sitzen,  sowie  der  Nähte.  Wunde 
sieht  sehr  gut  aus.  Wundtrichter  nicht  sehr  tief,  ausgezeichnet  über- 
sichtlich; Inclsiousstelle  im  Choledochus  sehr  gut  sichtbar,  ganz  ober- 
flächlich, ebenso  Cysticus-Stumpf.  Ausspülung  des  Choledochus.  Tam- 
ponade.    Temp.  abends  37,6. 

16.  9.  03.    Spülung  des  Hepaticus. 

1.  10.  03.  Verband  noch  täglich  durch.  Wundtrichter  bereits 
sehr  eng,  in  demselben,  ziemlich  oberflächlich,  das  Loch  im  Chole- 
dochus noch  gut  sichtbar. 

12.  10.  03.    Verband  heute  trocken. 


—     282     — 

22.  10.  03.  Galle  läuft  noch  etwas,  aber  in  bedeutend  geringerem 
Grade.  Wird  auf  ihren  Wunsch  in  weitere  Behandlung  des  Hausarztes 
entlassen. 

Epicrise:  Der  Choledochus  erwies  sich  sehr  weit,  ein 
Zeichen,  dass  vorher  Steine  durchgetreten  waren,  was  in  der 
Tat  auch  der  Fall  war.  Im  Augenblick  bestand  Cysticusver- 
schluss^und  Empyem  der  Gallenblase,  wahrscheinlich  wäre  es 
über  kurz  oder  lang  wieder  zum  akuten  Choledochusverschluss 
gekommen. 

Nr.  137.     54 j.  Schneiderineistersfrau  aus  Oardelegen.  *) 
Aufgen.:  11.  3.  1903. 

Operiert:    13.    3.    1903.     Ectomie.     Zerstörung   einer 
Cysticus-Duodenalüstel.     Duodenotomie.    Hepatico- 
Duodenostomie.    Hepatopexie.    Netzplastik. 
Entlassen:  11.  4.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  hat  vor  10—12  Jahren  Typhus  durchgemacht, 
ist  sonst  nie  erheblich  krank  gewesen. 

Im  Frühjahr  1902  war  Pat.  mehrere  Tage  lang  gelb  und  hatte 
häufig  Erbrechen.  Der  Stuhl  war  grau,  der  Urin  bierbraun.  Schmerzen 
hatte  Pat.  nicht,  auch  bestand  kein  Fieber.  Nach  dem  Trinken  von 
Karlsbader  Wasser  verschwand  die  Gelbsucht  nach  einigen  Tagen, 
das  Erbrechen  hörte  auf.  Pat.  fühlte  sich  wieder  völlig  wohl,  war  aber 
immer  etwas  matt. 

Nach  Weihnachten  1902,  als  ihr  Mann  gestorben  war,  fühlte  sich 
Pat.  sehr  schwach,  war  sehr  nervös.  Sie  wurde  mit  Medizin,  einmal 
auch  mit  Morphiumtropfen  behandelt.  Nach  letzteren  stellte  sich  an- 
geblich damals  ein  Magenkrampf  ein.  Der  Arzt  erklärte  ihr,  dass  sie 
leberkrank  sei;  sie  selbst  fühlte  häufig,  dass  in  der  rechten  Seite  des 
Leibes  eine  Geschwulst  auftrat,  „dass  die  Gallenblase  sich  vor  den  Magen 
legte".  Dabei  ist  sie  angeblich  ab  und  zu  leicht  gelb  gewesen.  Schmerzen 
hatte  sie  nicht  oder  nur  sehr  gering,  jedenfalls  keine  Koliken.  Fieber 
bestand  nicht,  auch  kein  Erbrechen.  Der  Stuhl  war  braun,  der  Urin 
gelb.  Pat.  Hess  sich  dann  wegen  ihrer  Schwäche  und  Nervosität  10 
Tage  lang  im  Kreiskrankenhause  zu  Gardelegen  behandeln,  wo  ihr 
Herr  Dr.  Linden  au  sagte,  dassi^ie  an  Gallensteinen  litte,  und  ihr  riet, 
uns  aufzusuchen. 

Befund:  Rechtsseitig  gesenkte  Niere.  Rechter  Leberlappen  volu- 
minös. In  der  Mittellinie  fühlt  man  einen  harten  schmerzhaften  Tumor, 
der  der  Gallenblase  anzugehören  scheint.  Pat.  sieht  sehr  elend  aus, 
grüngelb,  ohne  dass  eigentlicher  Ikterus  besteht.    Urin  frei. 

Diagnose:  Unsicher.  Empyem  der  Gallenblase  oder  Carci- 
noma hepatis  incipiens.  Man  kann  auch  an  Steine  im  Choledochus 
denken  und  an  daneben  bestehende  Fistel  zwischen  Gallenblase  und  Darm. 


*)  Fall  Nr.  137  hätte  auch  unter  dem  Abschnitt  „E)  Die  Anasto- 
mosen zwischen  Gallensystem  und  Intestinis"  Platz  finden  können. 


a)  Morsche  untere  Choledochuswand.    b)  Cysticus-Duodenalflstel 
c)  Papilla  duodeni.     d)  Unterbindungsstelle  des  ductus  cysticus. 

Pig.  U. 


Gallenblase  ist  entfernt,  die  fistulöse  Stolle  im  Duodenum  herausgeschnitten, 

die  morsche   untere  Choledochuswand  excidiert  und  eine   Anastomose  zwischen 

Hepaticus,  resp.  Choledochiis  und  Duodenum  hergestellt. 


—     284     — 

Operation:  13.  3.  03.  Wellenschnitt.  Sofort  stellt  sich  ein  Tu- 
raor  ein,  der  dem  Duodenum  angehört,  dicht  unterhalb  des  Pylorus. 
Auf  der  Gallenblase  liegt  eine  Drüse,  die  excidiert  wird.  Gallenblase 
allseitig  mit  Duodenum  verwachsen.  Bei  der  Lösung  kommt  man  auf 
eine  Fistel  zwischen  Cysticus  und  Duodenum.  Eben  sind  3  Steine  im 
Begriff,  von  der  Gallenbla-e  aus,  die  Eiter  enthält,  nach  dem  Duo- 
denum zu  perforieren.  Bei  weiterer  Lösung:  stellt  sich  heraus,  dass 
der  Eiter  auch  schon  zwischen  Mucosa  uud  Muskularis  des  Duodenum 
sich  verbreitet  hat.  Nacli  Excision  der  Gralleublase  zeigt  sich,  dass 
die  ganze  untere  Wand  des  Choledochus  im  snpra-duodeualen  Teil  sehr 
morsch  ist.  Sie  wird  in  der  ganzeu  Länge  vom  Cysticuseintritt  bis  an 
das  Duodenum  gespalten.  Choledochus  sonst  frei,  aus  dem  Hepaticus 
fliesst  klare  Galle.  Duodenum  wird  nach  dem  Pylorus  gespalten,  so- 
weit die  Eiterung  zwischen  Mnscularis  und  Mucosa  ging.  Dann  wird 
das  augefrischte  Duodenalloch  auf  die  untere  Choledochus-  und  Hepaticus- 
fläche  aufgenäht,  sodass  die  Galle  aus  dem  Hepaticus  durch  eine  breite 
Anastomose  direkt  in  das  Duodenum  fliesst.  (Siehe  Fig.  13  und  14.)  Naht 
verstärkt  durch  Netzplastik.  Tamponade  des  Leberbetts.  Hepatopexie. 
Dauer  der  Operation  ca.  l'/a  Stunde.  (Im  Beisein  des  Herrn  Prof. 
Tietze- Breslau.) 

Verlauf:  Gut. 

27.  3.  03.  1.  Verbandwechsel.  Verband  nur  wenig  mit  Sekret 
durchtränkt.  ICntfernung  der  Tampons,  welche  ziemlich  locker  sitzen 
und  mit  stinkendem  Sekret  durchtränkt  sind.  Entfernung  der  langen 
Fäden  bis  auf  einen  (Hepatopexie-Faden)  und  sämtlicher  Haut- 
nähto.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus,  Wundhöhle  sehr  eng,  nicht  tief. 
Tamponade.     Verband. 

30.  3.  03.  2.  Verbandwechsel.  Letzter  langer  Faden  entfernt. 
Wunde  sieht  gut  aus. 

4.  4.  03.  3.  Verbandwechsel.  Verband  trocken.  Sehr  geringe 
Wundsekretion.  Wundhöhle  sehr  klein  und  in  der  Tiefe  völlig  ge- 
schlossen. 

5.  4.  03.    Steht  auf. 

11.  4.  03.     Mit  kleiner  granulierender  Wunde  entlassen. 

Das  pathol.  Institut  zu  GÖttingen  teilt  uns  über  den  Gallenblasen- 
befund folgendes  mit : 

Wie  in  einem  schon  früher  berichteten  Fall  hat  sich  auch  hier 
ein  extramuskulär  gelegener  Galleuabscess,  der  zur  Verwachsung  der 
Blase  mit  der  Umgebung  geführt  hat,  nachweisen  lassen.  Die  Be- 
ziehung desselben  zum  Empyem  der  Gallenblase  soll  durch  weitere 
Untersuchungen  klar  gestellt  werden.  Die  Schleimhaut  entbehrt 
grösstenteils  des  Oberflächenepithels,  ist  atrophisch  und  sehr  stark 
von  Rundzellen  durchsetzt.  Ihre  Drüsen  dringen  stellenweise  zwischen 
die  Muskulatur  tief  ein,  die  ebenfalls  ausgedehnte  zellige  Infiltration 
aufweist. 

Epicrise:  Hätte  man  die  Fistel  zwischen  Cysticus  und 
Duodenum    diagnostizieren   können,    so    wäre   event.  Abwarten 


—     285     — 

besser  gewesen.  Zwar  fand  man  Eiter  unter  der  Muscularis 
des  Pylorus,  aber  die  Steine  wären  vielleicht  bald  abgegangen, 
und  das  Empyem  der  Gallenblase  wäre  ausgeheilt.  Vielleicht! 
Da  einmal  die  Operation  begonnen  war,  war  es  das  Richtige, 
die  sehr  kranke  und  vereiterte  Gallenblase  zu  exstirpieren  und 
eine  Anastomose  zwischen  Choledochus  resp.  Hepaticus  und 
Duodenum  vorzunehmen.  Der  grosse  Defekt  in  der  unteren 
Wand  des  Choledochus  liess  eine  Hepaticusdrainage  nicht  zu, 
auch  war  es  nicht  angezeigt,  das  Duodenalloch  zu  vernähen, 
weil  die  Ränder  sehr  morsch  waren,  oder  gar  das  Duodenum 
durchzuschneiden,  Duodenal-  und  Pyloruslumen  zu  schliessen 
und  die  Gastroenterostomie  zu  machen.  Dazu  war  die  Fat. 
zu  schwach. 

Nr.  138.  H.  B.,  40  j.  Cigarrenfabrikant  aus  Halberstadt. 

Aufgen. :  5.  7.     1900. 

Operiert:  14.  7.  1900.  Ectomie.  Cysticotomie.  He- 
paticusdrainage. Eröfinung  mehrerer  Bauchhöhlen- 
abscesse. 

1 14.  7.  1900  an  Pankreasnekrose,  multiplen  Eiterherden 

in  abdomine.    - 

Anamnese:  Vater  an  Magengeschwür  f.  Mutter  und  eine 
Schwester  gesund. 

Das  jetzige  Leiden  des  Pat.  begann  vor  l'/2  Jahren,  bis  dahin 
war  Pat.  nie  krank  gewesen.  Es  stellten  sich  plötzlich  Schmerzen 
in  der  Magengegend  ein ,  die  nach  beiden  Seiten  hin  aus- 
strahlten und  eine  Stunde  lang  anhielten.  Erbrechen  fehlte.  Nach 
diesem  Schmerzanfalle  ging  es  dem  Pat.  '/*  Jahr  lang  gut,  dann  wie- 
derholte sich  aber  der  .^Anfall,  die  Schmerzen  waren  heftiger  und 
dauerten  36  Stunden,  auch  erfolgte  heftiges  Erbrechen.  Der  dritte 
Anfall,  im  Juni  vorigen  Jahres,  verlief  mit  leichter  Gelbsucht,  die 
24  Stunden  anhielt.  Im  September  vorigen  Jahres  überstand  Pat.  eine 
leichte  Blinddarmentzündung,  die  4—5  Tage  Avährte.  Neue  Kolikan- 
fälle hatte  er  November  1899  und  1900,  die  beide  von  heftigem  Er- 
brechenbegleitet waren.  Pat.  hatte  dann  Rul'e,  bis  vor  jetzt  3  Wochen, 
als  er  auf  einem  Ausfluge  begriffen  war,  plötzlich  heftige  Koliken  ein- 
setzten. Er  musste  sofort  nach  Hause  zurückkehren,  die  Schmerzen 
Sassen  besonders  in  der  Magengegend,  es  erfolgte  heftiges  Erbrechen 
galliger  Massen,  am  2  Tage  sogar  Blutbrechen.  Der  Arzt,  Herr  Dr. 
Spiller,  dachte  an  Magengeschwür  und  verordnete  eine  leichte, 
weiche  Kost.  Der  Zustand  des  Pat.  besserte  sich  daraufhin  wieder 
Am  1.  7.  00  trat  jedoch  wieder  eine  Verschlimmerung  auf,  Pat.  bekam 
wieder   Koliken   mit   galligem   Erbrechen,   das   bis   zum  4.  7.  dauerte. 


—     286     — 

Seitdem  haben  die  Schmerzen  in  der  Magengegend  nachgelassen,  sind 
aber  in  der  Blinddarmgegend  um  so  heftiger  geworden.  Auch  heute 
ist  die  Blinddarmgegend  noch  sehr -schmerzhaft. 

Der  Appetit  des  Pat.  hat  stark  nachgelassen ;  der  Stuhlgang  war 
während  der  Anfälle  stets  angehalten. 

Befund:  6.  7.  Grosser  kräftiger  Mann.  Herz  und  Lungen  ge- 
sund. Haut  und  Conjunktiven  ikterisch  verfärbt.  Urin  enthält  eine 
geringe  Menge  Eiweiss  und  Gallenfarbstoff.  In  der  rechten  Bauch- 
seite eine  grosse  Resistenz  fühlbar,  die  von  der  Blinddarmgegend  bis 
zum  Rippenbogen  reicht  und  sich  bis  zur  Linea  alba  erstreckt.  Grosse 
Schmerzhaftigkeit.  Blähungen  und  Stuhlgang  stocken.  Pat.  hat  fort- 
während Aufstossen  und  Erbrechen  gallig  gefärbter  Massen. 

7.  7.  Das  Erbrechen  hält  an.  Auf  Seifeneinlauf  etwas  Stuhl- 
gang.   Temp.  Abends  37,6,  Puls  80. 

8.  7.  Wegen  kolikartiger  Schmerzen  Morphium  0,01.  Ausspülung 
des  Magens  und  Entleerung  grosser  Mengen  (l'/a  Liter)  grünlich 
schwarzer  Massen.  Temp.  37,4  morgens.  Nachmittags  wieder  Er- 
brechen, daher  wieder  Magenspülung,  es  wird  wieder  viel  entleert. 
Abends  37,6.  Puls  84.  Seifenklysma,  etwas  Stuhl.  Absolute  Absti- 
nenz.   2  mal  Kochsalzinfusion.    2  mal  Ol.  Oliv.  40,0  subkutan. 

9.  7.  38,7.  Das  Erbrechen  hat  nachgelassen,  nur  noch  geringes 
Aufstossen.  Wieder  heftige  Schmerzen.  Morph.  Abends  37,7.  Koch- 
salz und  Oel  wie  gestern. 

10.  7.  38,0.  38,3.  Kein  Erbrechen.  Morph,  wegen  heftiger  Schmer- 
zen.   Kochsalz  und  Öl. 

11.  7.  37,5.  37,7.  Puls  90.  Noch  etwas  Aufstossen,  Kollern  im 
Leib,  aber  keine  Blähungen.  2  mal  heftige  Schmerzanfälle.  Der  Tumor 
scheint  etwas  weicher  zu  werden.  Pat.  fängt  an,  wieder  zu  trinken. 
Im  Urin  viel  Gallenfarbstoif. 

12.  7.  37,5—37,5.  Morgens  Morphium  0,01,  Nachmittags  und 
Abends  desgl.  wegen  heftiger  Schmerzen.    Kochsalz  und  Oel  subkutan. 

13.  7.  2  heftige  Koliken.  Zunehmender  Ikterus.  Stuhlgang  nach 
Ricinusöl. 

Diagnose:  Cholecystitis  calculosa  mit  starker  peritonealer  Be- 
teiligung.    (Perityphl.  Exsudat?) 

Operation:  14.  7.  00.     Chloroformnarkose. 

Schwere  2'/«  stündige  Operation.  Gleich  nach  Eröffnung  des  Peri- 
toneum entleert  sich  trübe  seröse  Flüssigkeit.  Netz  überall  mit  Perit 
parietale  und  den  Intestinis  verwachsen,  sulzig  verdickt.  Lösung. 
In  der  Bursa  oinentalis  findet  sich  eine  grosse  Eitermenge.  In  dem 
Eiter  sciiwiitimt  ein  walaenförmiger  Körper,  wahrscheinlich  nekro- 
tisches Pankreas.  Ein  zweiter  grosser  Eiterherd  findet  sich  zwischen 
den  Dtinndarmschliugen,  ein  dritter  hinter  dem  Goecam.  Der  Pro- 
cessus vermiformis  selbst  ist  gesund ;  er  wird  nicht  entfernt.  Die 
Gallenblase  mit  der  Umgebung  verwachsen,  enthält  viele  Steine  und 
trübe  Galle.  Punktion  der  Gallenblase  und  Excision.  Um  zu  den  im 
Cysticus  steckenden  Steinen  zu   gelangen,    muss   dieser  «Rang  und  der 


—     287     — 

Ciioledochns  gespalten  werden.  Drainage  des  Hepaiicus.  Ausgiebige 
Tamponade  der  3  grossen  Abscesshöhlen.  Teiiweiser  Verschluss  der 
Bauchwunde. 

Verlauf:  Pat.  ist  nach  der  Operation  sehr  collabiert,  bekommt 
noch  auf  dem  Operationstische  Kochsalzinfusion  und  Campher.  Trotz- 
dem nimmt  die  Schwäche  zu.    Pat.  stirbt  1  Stunde  post.  op.  im  Collaps. 

Der  walzenförmige  Körper  wird  nach  Göttingen  zwecks  mikro- 
skopischer Untersuchung  geschickt.  Von  dort  erhalten  wir  folgende 
Nachricht : 

Wenn  auch  bei  der  völligen  Nekrose  sich  etwas  ganz  Sicheres 
nicht  sagen  lässt,  so  war  doch  festzustellen,  dass  es  sich  z.  T.  um 
haemorrliagisch  nekrotisches  Pankreasgewebe  handelt;  daneben  findet 
sich  nekrotisches  Fettgewebe. 

Epicrise:  Das  ursprüngliche  Leiden  wird  wohl  die  cal- 
culöse  Cholecystitis  gewesen  sein ;  die  sich  in  der  Gallenblase 
abspielende  Infektion  hat  zugleich  das  Pankreas  ergriften.  Das 
Endresultat  war  die  Pankreasnekrose. 

Die  hinter  dem  Coecum  und  zwischen  den  Dünndarnischlingen 
liegenden  Eiterdepots  sind  wohl  als  Metastasen  der  eitrigen 
Pankreatitis  zu  betrachten.  Im  Übrigen  bot  der  Fall  grosse 
diagnostische  Schwierigkeiten  und  hat  grosse  Ähnlichkeit  mit 
einem  von  Körte  mitgeteilten  (Verh.  der  fr.  Ver.  der  Chir. 
Berlins.     1899.  I.  pag.  29). 

g)  Das  Verfahren  nach  Rose-Kuhn. 

Nr.   139.     H.  S.,  62 j.  Hotelbesitzerswitwe  aus  Harzburg. 

Aufgen:  1.  1.  1902. 

Operiert:  3.  1.  1902.     Cystostomie.   Ausräumung  des 

Choledochus nach  Rose-Kuhn.  Hepaticusdrainage. 

Entlassen:   14.  3.  1902.     Geheilt. 

Anamnese:   Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie  und  war  stets 

gesund.     Sommer   1900  Appetitlosigkeit   und   häufige   Übelkeit.     Seit 

November  1900  Anfälle  von  Schmerzen   im  Epigastrium   und  Rücken, 

danach  Ikterus,  der  nach  einigen  Tagen  verschwand.    Im  Sommer  1901 

Häufung  der  Anfälle,  die  Gelbfärbung  ging  nicht  mehr  weg,  der  Urin 

blieb  braun,  jetzt  gesellte  sich  auch  Schüttelfrost  dazu,  Erbrechen  war 

nur  2  mal  da.    Der  Appetit  war  wechselnd,  meist  schlecht,  sodass  Pat. 

viel  an  Gewicht  verloren  hat. 

Befund:  Grosse,  schwach  ikterische  Frau  in  noch  immer  gutem 
Ernährungszustand.  Chronische  Bronchitis.  Leber  reicht  bis  Nabel- 
höhe, Gallenblase  nicht  zu  tasten,  keine  ausgesprochene  Druckempfind- 
lichkeit.    Urin  enthält  Spur  von  Albumen,  deutlich  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Chronischer  Choledochusverschluss  durch  Stein.  Chro- 
nische Cholangitis.     Carcinom  unwahrscheinlich. 


—     288     — 

Operation:  3.  1.  02.  (Anwesend  Herr  Dr.  Wessel-Düsseldorf.) 
Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  mit  Duodenum  verwachsen.  Aspi- 
ration von  viel  Galle.  Freilegung  des  Choledoohus  zwecks  Incision. 
Dabei  starke,  venöse  Blutung,  zahlreiche  Unterbindungen.  Es  gelingt, 
einen  Stein  von  dem  Umfang  einer  sehr  grossen  Walnuss,  der  im  supra- 
dnodenalen  Teil  liegt,  durch  den  weiten  Cysticus  in  die  Gallenblase  zu 
schieben.  Ein  zweiter,  haselnussgrosser  Stein  von  zackiger  Beschaffen- 
heit liegt  retrodnodenal,  lässt  sich  hochdrtickeu  und  ebenfalls  in  die 
Gallenblase  schieben.  Pankreaskopf  induriert.  Bei  näherer  Betrachtung 
stellt  sich  heraus,  dass  die  Gallenblase  am  Cysticus  eingerissen  ist. 
Von  hier  aus  wird  die  Uterussonde  in  den  Choledoohus  vorgeschoben 
und  der  Gang  auf  der  Sonde  gespalten.  Weitere  Steine  werden  nicht 
gefühlt.  Es  kommt  ein  Drain  von  dem  Cysticusschnitt  aus  in  den 
Choledochus  resp.  Hepaticus,  ein  zweites  in  die  Gallenblase.  Diese  wird 
mit  2  Seidendraht-Suturen  am  Perit.  parietale  lateral  befestigt.  Die 
Gegend  am  Choledochus,  das  Foramen  Winslowii  wird  reichlich  tam- 
poniert. Naht  der  übrigen  Bauchwunde.  Dauer  der  Operation  1  Stunde. 
Gute  Chloroformnarkose.     Es  läuft  Galle  in  die  Flasche. 

Verlauf:  Anfangs  Pneumonie.  Gallenfluss  reichlich  bis  500  gr. 
pro  die.  13.  1.  erster  Verbandwechsel,  seitdem  täglich  Ausspülung 
von  Hepaticus  und  Choledochus.  Die  Galle  ist  trübe,  mit  Schleim  und 
Eiterflocken  und  mit  weichen  Krümeln  bis  zu  Linsengrösse  vermischt. 
Mehrmals  wird  durch  Einlegen  eines  Laminariastiftes  die  äussere 
Fistel  erweitert  und  nach  einem  Steine  gesucht,  den  man  als  Ursache 
der  dauernden  Entzündung  vermutet :  doch  ohne  Erfolg.  Stöpsel- 
experiment am  22.  2.  ergiebt  die  Durchgängigkeit  des  Choledochus, 
später  genügt  lockere  Tamponade,  um  die  Galle  in  den  Darm  laufen  zu 
lassen.  Am  14.  3.  wird  Pat.  in  diesem  Zustand  bei  gutem  Allgemein- 
befinden nach  Hause  entlassen.  Am  12.  4.  ist  die  Fistel  laut  brief- 
licher Mitteilung  völlig  geschlossen. 

Epicrise:  Die  Diagnose  stimmte,  obg-leicli  eigentliche 
Koliken  fehlten.  Die  Ausräumung  des  Choledochus  von  der 
Gallenblase  aus  gelang.  Der  Cysticus  war  enorm  erweitert, 
vielleicht  Cysticus-Choledochusfistel.  Trotzdem  möchte  ich  das 
Rose-Kuhn'sche  Verfahren  nicht  empfehlen,  da  man  leicht 
Steine  im  Hepaticus  und  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus 
übersieht.  In  meinem  Falle  konnte  ich  mich  durch  den  Cysticus- 
Choledochusschnitt,  der  noch  extra  drainiert  wurde,  von  dem 
Freisein  der  Gallengänge  überzeugen.  Pat.  ist  zur  Zeit  völlig 
ohne  Beschwerden.  Ich  mache  besonders  auf  die  Schwierig- 
keiten der  Nachbehandlung  aufmerksam;  man  muss  oft  lange 
spülen,  ehe  die  Galle  klar  wird.  Bemerkenswert  ist,  dass  eine 
leichte  Tamponade  der  äusseren  Fistel  genügte,  um  der  Galle 
den  Weg   nach   dem   Darm  zu  weisen. 


—     289     — 

Nr.  140.  A.  0,  51  j.  Hauptsteueramtsrendantenfrau  aus  Schie- 
velbein  (Pommern). 

Aufgen.:  1.  8.  1900. 

Operiert:     3.    8.    1900.     Ectomie.     Ausräumung  des 
Choledochus  nach  Rose -Kuhn.    Hepaticusdrainage. 
Entlassen:  1.  10.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Familienanamnese  und  Vorleben  ohne  Belang. 

Seit  einigen  Jahren  leidet  Pat.  an  „Magenkrämpfen",  Schmerzen, 
die  in  der  Magengrube  beginnen  und  nach  dem  Rücken  hin  aus- 
strahlen; dieselben  waren  nicht  allzu  stark,  Erbrechen  ist  nie  dabei 
aufgetreten.     Die  Anfälle  wiederholten  sich  etwa  alle  2—3  Monate. 

Vor  ca.  5  Monaten  hatte  sie  nachts  einmal  dieselben  Schmerzen 
sehr  heftig,  am  nächsten  Morgen  bemerkte  sie,  dass  sie  gelb  war. 
Kein  Erbrechen,  Fieber  nicht  beobachtet.  Die  Gelbsucht  schwand  bald 
wieder,  doch  wiederholten  sich  die  Anfälle,  wenn  auch  in  geringerem 
Grade,  alle  5—6  Tage,  stets  ohne  Erbrechen,  aber  mehrmals  mit  Gelb- 
sucht. 

Seit  etwa  8  Wochen  ist  die  Gelbsucht  dauernd  da,  Pat.  hat  sehr 
starkes  Hautjucken,  die  Schmerzanfälle  sind  gering  und  äussern  sich 
nur  durch  ein  leichtes  Druckgefühl.  Gestern  letzter  Anfall,  dieser 
wieder  sehr  heftig  mit  Erbrechen,  sodass  zum  erstenmale  Morphium 
gegeben  wird. 

Herr  Dr.  Abend- Wiesbaden  empfiehlt  Pat.  hierher. 

Befund:  Bis  auf  Schmerzhaftigkeit  in  der  Gallenblasengegend 
negativ.  Ikterus  mit  starkem  Hautjucken.  Im  Urin  Gallenfarbstoflf, 
kein  Eiweiss  oder  Zucker.    Temperatur  37,2.    Puls  76. 

Diagnose:  Choledochusverschluss  durch  Stein  (Pankreas  ganz 
gesund?). 

Operation:  3.  8.  1900.  Wollenschnitt.  Lösung  von  Verwachsungen 
zwischen  Gallenblase  und  Netz,  Gallenblase  geschrumpft,  Pankreas 
in  toto  vergrössert  und  steinhart.  Bei  der  Palpation  findet  sich 
ein  Stein  im  Clioledoclms,  der  dabei  durch  den  weiten  Cysticns 
iu  die  Oallenblase  hinanfrückt.  Die  (xallenblase  wird  eröffnet  und  der 
Stein  eutfernt.  Von  dem  Schnitt  in  der  Gallenblase  aus  wird  durch 
den  Cysticus  hindurch  der  Choledochus  sondiert  und  auf  der  Sonde 
gespalten.  Aus  dem  Hepaticus  fliesst  trübe  Galle.  Enfernung  der 
Gallenblase,  isolierte  Unterbindung  der  A.  cystica  und  Drainage  des 
fingerdicken  Hepaticus.  Tamponade  des  Leberbettes  und  Schluss  der 
Bauchdecken  in  gewöhnlicher  Weise. 

1  stündige  Operation.     Chloroformnarkose  (120  gr).     Abends    37,3. 

Verlauf:  Bis  16.  8.  völlig  normal. 

17.  8.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Gazetampons  und  des 
Schlauches.  Die  Fäden  haben  sich  abgestossen.  Herausnahme  der 
der  Nähte. 

20.  8.     Täglich  Verbandwechsel.     Fieberfreier  Verlauf. 

24.  8.     Steht  heute  etwas  auf.    . 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  1" 


—     290     — 

25.  bis  30.  8.  Täglicher  Verbandwechsel,  weil  viel  Galle  läuft;  doch 
ist  der  Gallenfluss  in  den  letzten  Tagen  geringer  geworden.  Schlaf  gut, 
Appetit  leidlich,  Ikterus  fast  geschwunden.  Urin  hell,  Stuhlgang 
noch  grau. 

1.  bis  7.  9.  Gallenfluss  geringer.  Wunde  fast  geschlossen.  Stuhlgang 
etwas  gefärbt. 

7.  bis  10.  9.  Der  Verband  bleibt  trocken,  Stuhlgang  ganz  braun, 
Ikterus  fort.  Fat.  wird  mit  geheilter  Wunde  und  in  bester  Gesundheit 
am  1.  10.  entlassen. 

E  p  i  c  r  i  s  e :  Fälle  wie  der  obige  gehören  zu  der  unangenehmen 
Sorte.  Das  Steinleiden  im  Choledochus  compliziert  sich  mit 
Pankreatitis  chronica.  Durch  Entfernung  der  Steine  imd  Drainage 
des  Hepaticus  hofft  man  auch  die  Kückbildung  der  Pankreatitis 
zu  bewirken.  Gelingt  das  nicht,  so  behält  Pat.  eine  Gallenfistel. 
Hat  man  nicht  ectomiert,  so  kann  man  später  eine  Cholecyst- 
Enterostomie  ausführen.  Aber-bei  der  Cystostomie  ist  die  Drainage 
des  Gallensysteras  nur  ungenügend,  die  Pat.  behalten  ihren  Stein 
im  Choledochus,  der  oft  erst  nach  der  Cystectomie  entdeckt  wird. 

Es  gelang  in  diesem  Fall  den  Choledochusstein  nach  Rose 
von  der  Gallenblase  aus  zu  entfernen;  da  aber  aus  dem  He- 
paticus trübe  Galle  abfloss,  fügte  ich  noch  die  Hepaticusdrainage 
hinzu,  um  ganz  sicher  die  Cholangitis  zur  Ausheilung  zu 
bringen,  ßose's  Verfahren  ist  sehr  unvollkommen  und  wenig 
empfehlenswert. 


h)  Die  Drainage  des  ductus  hepaticus  und  des  ductus  choledochus. 

Nr.  141.    L.  D.,  52j.  Bäckermeistersfr.iii  aus  Duderstait. 

Aufgen.:  26.  4.  1904. 

Operiert:    29.    4.    1904.      Ectomie.     Hepaticus-   und 
Choledochus-Drainage.     Beseitigung  einer   Gallen- 
blasen-Duodenalfistel. 
Entlassen:  14.  6.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:   Pat.  bat  6  gesunde    Kinder,   2  Säuglinge  sind  ge- 
storben.    Mutter  starb  an  Brustkrebs,  Vater  an  Luiigenschlag,  4  Brüder 
sind  gesund.    Vor  5  Jahren   hatte  Pat.  einen  schweren  Typbus.    Seit 
dem  20.  Jahre    will   sie   magenleidend   sein,   d.  b.  an   Aufstossen  und 
Magenschmerzen  leiden.    Vor  etwa  4^/4  Jahren,  zu  Beginn  der  letzten 
Schwangerschaft,  konnte  Pat.  eines  Nachts  wegen  eines  starken  Haut- 
juckens  fast  nicht   schlafen,   am   andern  Morgen  merkte  sie,    dass  sie 
am  ganzen  Körper,   auch  in   den  Augen,  etwas  gelb   geworden  war. 
Schmerzen  hat  sie  damals  gar  nicht  gehabt.     Eine  leichte  gelbe  Haut- 


—     291     — 

färbe  hielt  dann  fast  dauernd  an,  der  Urin  war  meistens  dunkel,  der 
Stuhlgang  meist  entfärbt.  Einige  Monate  vor  der  Entbindung  bekam 
Fat.  abends  gegen  8  Uhr  einen  äusserst  heftigen  Kolikanfall,  die 
Schmerzen  strahlten  vom  Magen  nach  dem  Rücken  hin  aus,  Fat.  konnte 
nicht  liegen,  nur  ganz  gekrümmt  sitzen.  Vor  dem  Anfall  erbrach  sie 
mehrmals.  Der  zugezogene  Arzt  hielt  die  Schmerzen  für  Wehen, 
machte  keine  Morphiuminjektion,  sondern  bestellte  die  Hebamme.  Der 
Mann  der  Fat.  machte  ihr  andauernd  ganz  heisse  Umschläge,  worauf 
dann  gegen  4  Uhr  morgens  die  Krämpfe  aufhörten,  die  Schmerzen 
hielten  aber  noch  einige  Tage  an.  Nach  dem  Anfall  trat  stärkere 
Gelbsucht  als  bisher  auf.  Einige  Tage  später  ein  etwas  leichterer 
und  kürzerer  Anfall.  Vor  der  Entbindung,  die  2  Monate  später  normal 
und  leicht  von  Statten  ging,  noch  ein  leichter  Anfall.  Kurz  nach  der 
Entbindung  noch  2  Kolikanfälle.  Vor  3  Jahren  trat  dann  wieder 
Gelbsucht  auf,  ohne  Schmerzanfall ;  während  der  Zeit  schlaflose  Nächte, 
da  das  Hautjucken  äusserst  hartnäckig  auftrat.  Herr  Dr.  Röhrig- 
Duderstadt  verordnete  Karlsbader  Salz,  das  Fat.  aber  wenig  einnahm, 
da  es  ihr  nicht  bekam.  Kolikanfälle  hat  Fat.  dann  nicht  wieder  gehabt, 
wohl  aber  Gelbsucht  in  bald  längeren,  bald  kürzeren  Zwischenräumen, 
ihr  Urin  war  nur  selten  hell,  der  Stuhlgang  fast  stets  entfärbt.  Der 
Appetit  war  ausser  bei  stärkerer  Gelbsucht  immer  gut,  an  Gewicht 
will  Fat.  nicht  abgenommen  haben.  Vor  3  Jahren  schon  stellte  Herr 
Frofessor  Dam  sch-Göttingen  Gallensteine  fest,  Herr  Dr.  Bertram 
schickt  jetzt  die  Fat.  zur  Untersuchung  und  event.  Operation. 

Befund:  Elende,  grau  aussehende  Frau  mit  vielen  Kratzspuren 
an    den    unteren   Extremitäten.     Leber   gesenkt ,    fester    als   normal, 
Schmerzen   in   der   Mittellinie    bei  Falpation.    Urin  frei.     Am    Herzen 
ein  blasendes  systolisches  Geräusch.     Kein  Fieber, 
Diagnose:  Steine  im  ductus  choledochus. 

Operation:  29.  4.  04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.  50  gr. 
Wellenschnitt.  Leber  gesenkt,  ziemlich  hart.  Bei  Freilegung  der 
Gallenblase  quillt  reiner  Eiter  aus  der  Tiefe  hervor.  Gallenblase  klein, 
zeigt  nirgends  eine  Ferforation.  (Es  handelt  sich  um  eitrige  Feri- 
cholecystitis  ohne  Ferforation.)  Zwischen  Gallenblase  und  Duodenum 
eine  sehr  feste  Verbindung,  wahrscheinlich  obliterierte  Gallenblasen- 
Duodenaifistel  (Fig.  15  bei  a).  Trennung  mit  Eröffnung  der  Gallenblase. 
Aus  ihr  tritt  trübe  Galle,  und  viele  kleine  schwarze  Steine  kommen  zum 
Vorschein.  Am  Duodenum  entsteht  ein  Defekt  in  der  Serosa.  3  Nähte. 
Im  Cysticus  und  Choledochus  grosse  Steine.  Der  Schnitt  beginnt  am 
Cysticus,  geht  im  Bogen  über  den  Choledochus  hinweg  und  endet 
dicht  am  Duodenum.  Hier  wird  ein  sehr  stark  blutendes  Gefäss  (wahr- 
scheinlich die  art.  cystica  accessoria)  angeschnitten.  Schwierige  Blut- 
stillung. Die  Steine  werden  teils  in  Trümmern,  teils  ganz  entfernt. 
Choledochus  ist  selir  erweitert.  Gallenblase,  Cysticus  und  Choledochus 
bilden  gowissermassen  einen  Sack,  in  den  der  sehr  enge  Hepaticus 
hineinmündet.  Auch  der  retroduodenale  Teil  des  Choledochus  ist  sehr 
erweitert.    Drainage  des  Choledochus  bis  zur  Fapille  und  des  Hepaticus 

19* 


292 


mit  je  einem  starken  Nelaton-Katheter.    Vernähung  der  Choledochus- 
incision     bis    auf    die   Durchtrittsstelle    der   Katheter.     Ectomie    der 

sehr  morschen   Gallenblase. 
'*■    ■  3  Tampons.     Die  Duodenal- 

naht  bleibt  ausserhalb  der 
Tamponade.  NahtderBauch- 
wunde.  Dauer  der  Operation 
1  Stunde. 

Die  Figuren  15  und  16  er- 
läutern den  Befund  vor  und 
nach  der  Operation. 

Verlauf:  Gänzlich  fieber- 
frei. Galle  läuft  neben  dem 
Rohr  in  den  ersten  Tagen 
etwas  in  den  Verband,  in 
die  Flasche  täglich  200  bis 
300  gr. 

Am  7.  5.  Entfernung  der 
Schläuche,  da  bereits  die 
mit  Galle  durchtränkten 
Tampons  sich  sehr  leicht 
entfernen  lassen. 

Weiterer    Verlauf    voll- 
kommen normal. 

14.  6.  Geheilt  entlassen. 
Epicrise:  Die  erste  Choledochotoniie  nach  dem  Chirurgen- 
kongress  1904.  Von  einem  Umkippen  der  Leber  und  einem 
Operieren  vor  der 
Bauchwunde  konnte 
gar  keine  Rede  sein. 
Die  Entfernung  der 
Steine  bot  die  gröss- 
ten  Schwierigkeiten, 
und  wenn  man  sich 
derWorteßiedel's 
erinnert,  wie  leicht 
und  einfach  die  Cho- 
ledochotomie  sei,  so 
weiss  man  wirklich 
nicht,  was  man  zu 
einem  solchen  Aus- 
spruch sagen  soll.  Das  war  ungefähr  meine  220.  Choledocho- 
toniie, und  doch  hatte  ich  die  grössten  Schwierigkeiten  zu  über- 


a)  Obliterierte    Gallenblasen-Duodenalflstel. 

b)  Art.  cystica. 

c)  Sehr  starkes,  den  Choledochus   kreuzen- 
des Gefäss  (Art.  cystica  accessoria?) 

d)  Papilla  duodeni. 

e)  Sehr  enger  ductus  hepaticus. 


Fig.  16. 


-  Rohr  im  engen  Hepaticus. 


Rohr  im  erweiterton 
Oholedochus. 


—     293     — 

winden  und  war  froh,  wie  ich  die  Steine  heraus  hatte.  Gallen- 
blase, Cysticus  und  Choledochus  bildeten  gewissermassen  einen 
Sack,  in  den  der  schwer  auffindbare  Hepaticus  einmündete. 


Jfr.  14'i.    A.  M.,  31  j.  Bergmannsfrau  aus  Etgersleben  b.  Völpke. 

Aufgen.:  30.  11.  1902. 

Operiert:     7.    12.    1902.      Ectoniie.      Cysticectomie. 

Hepaticusdrainage.     Choledochusdrainage. 
Entlassen:  9.  1.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Herr  Dr.  Cupey  in  Völpke,  welcher  die  Pat.  zur 
Klinik  schickt,  schreibt  uns: 

„Überbringerin  dieser  Zeilen,  die  Bergmannsfrau  M.  aus  Etgers- 
leben, Hess  mich  am  21.  November  wegen  Magenkrämpfe  rufen;  bei 
der  Untersuchung  fand  ich  eine  prall  gespannte,  über  hühnereigrosse, 
äusserst  schmerzempfindliche  Gallenblase,  beginnenden  Ikterus  und 
Stuhlverhaltung;  ich  diagnostizierte  Choletithiasis,  Choledochusver- 
schluss  und  Cholecystitis,  verordnete  heisse  Unischläge,  Karlsbader 
Salz  und  empfahl  Operation,  da  Pat.  arm  und  auf  ihrer  Hände  Arbeit 
angewiesen  ist.  — 

Am  25.  November  starker  Ikterus,  Urin  und  Faeces  charakte- 
ristisch gefärbt.  Fieber.  Gallenblase  vreniger  schmerzempfindlich  und 
noch  derartig  vergrössert  wie  am  21.  November.  —  Pat.  willigt  in  die 
Operation.    — 

Am  29.  November  fieberfrei,  Allgemainbefindon  besser,  Gallenblase 
nicht  mehr  prall,  aber  hart  anfühlbar,  besondere  Druckempfitidlichkeit 
nach  der  Mittellinie  zu.  Starker  Ikterus,  Hautjucken,  bisher  kein  Steiu- 
abgang. 

Da  ich  unter  den  bestehenden  Verhältnissen  die  Operation  für 
angezeigt  halte,  erlaube  ich  mir,  Ihnen  die  Kranke  zur  Behandlung  zu- 
zuschicken." ' 

Pat.  gibt  noch  an,  schon  vor  4  Jahren  während  einer  Gravidität 
mehreremale  Anfälle  von  Magenkrämpfen  gehabt  zu  haben,  welche  jedes- 
mal mit  Erbrechen  endeten.  Dieselben  wiederholten  sich  während  der 
letzten  Schwangerschaft  im  Laufe  des  Sommers  (Pat.  vor  4  Monaten 
entbunden).  Pat.  hatte  hier  kein  Fieber.  Der  Stuhl  war  farblos.  Steine 
sind  in  demselben  nicht  gefunden  worden.  Der  Ikterus  schwankte 
während  der  Beobachtungszeit  (8  Tage)  etwas  in  der  Intensität.  Im 
Urin  ausser  Gallenfarbstoff  keine  abnormen  Bestandteile. 

Diagnose:  Akuter  Choledochusverschluss. 

Operation:  7.  12.  02.  Wellenschnitt.  Gallenblase  sehr  gross,  mit 
Netz  verwachsen,  enthält  trübe  Galle  in  grosser  Menge.  Aspiration  nach 
Lösung  "der  Verwachsungen.  Ectomie.  Spaltung  des  Cysticus.  Ex- 
cision  des  Cysticus.  Choledochotomie.  Viele  kleine  Steine  (ca.  10)  im 
Choledochus  duodenalwärts.     Pankreas  verdickt.    Drainage  des  Chole- 


—     294     —  • 

dochns  mit  Nelaton.    Drainage   des   Hepaticus  mit  dünnem  Rohr.    Es 

fiiesst  viel  Galle.     Tamponade.    Naht.     Dauer  der  Operation  '/«  Stunde. 
Gute  Narkose.    (Herr  Dr.  Auerbach). 

Verlauf:  Fieberfrei. 

20.  12.  Erster  Verband.  E]s  ist  Galle  bis  gestern  gelaufen.  Ent- 
fernung sämtlicher  Tampons  und  sämtlicher  langer  Fäden.  Es  blutet 
ziemlich  reichlich  aus  den  Granulationen.  Tamponade.  Entfernung  der 
Hautnähte. 

24.  12.  Sehr  tiefer  Wundtrichter,  der  schräg  nach  oben  unter  die 
Leber  verläuft.  Es  ist  nicht  möglich,  die  Choledochus-Oeflfnung  za 
finden.    Galle  läuft  sehr  stark. 

27. 12.  02.  Wundtrichter  verkleinert  sich  sehr  rasch.  Galle  läuft  noch. 

6.  1.  03.    Verband  seit  2  Tagen  trocken. 

7.  1.  03.  Gallenfluss  versiecht.  Gang  in  der  Tiefe  verschlossen. 
Es  besteht  noch  eine  kleine  granulierende  Stelle. 

9.  1.  03.    Wird  nach  Hause  entlassen. 

Epicrise:  In  diesem  Fall  wurde  sowohl  der  Hepaticus 
als  auch  der  Choledochus  drainiert.  Ausnahmsweise  war  es 
hier  nicht  möglich,  die  Gallengänge  bei  der  Nachbehandlung 
zu  spülen,  sie  lagen  zu  versteckt. 


Nr.  143.     E.  W.,  38j.  Superintendentenfrau  aus  Beeskow. 

Aufgen.:  6.  8.  1901. 

Operiert:    8.  8.  1901.     Ectomie.      Hepaticusdrainage. 

Choledochusdrainage. 
Entlassen:  18.  9.  1901.     Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  hat  seit  einigen  Jahren  fast  dauernd  be- 
sonders nach  dem  Essen  Schmerzen  im  rechten  Oberbauch  und  Rücken 
gehabt,  ohne  viel  Wert  darauf  zu  legen.  Im  letzten  Winter  waren  die 
Schmerzen  heftiger  als  zuvor. 

Ende  April  d.  J.  hatte  sie  zum  erstenmale  eine  Kolik:  Schüttel- 
frost, Erbrechen,  Schmerzen,  bohrend  und  brennend,  erst  in  der  Mittel- 
linie, dann  in  der  Lebergegend  und  im  Rücken,  Beklemmung,  damals 
noch  kein  Ikterus.  Die  Koliken  kamen  in  Pausen  von  8—14  Tagen, 
dauerten  6—12  Stunden,  seit  Mai  trat  nach  jeder  Kolik  Ikterus  mit 
lehmfarbenem  Stuhl  auf.    Nach  Steinen  ist  nie  gesucht  worden. 

Im  Mai— Juni  trank  sie  zu  Hause  3  Wochen  lang  Karlsbader 
Wasser,  aber  ohne  Erfolg,  danach  ging  sie  zur  Erholung  nach  Suderode, 
doch  fühlte  sie  auch  hier  keine  Linderung  und  entschloss  sich  zur 
Operation.  Sie  hat  seit  April  ca.  20  Pfd.  abgenommen  und  ist  sehr 
schwach  geworden.    Den  letzten  Anfall  hatte  sie  vor  8  Tagen. 

Befund:  Gracil  gebaute  Frau  von  ikterischer  Gesichtsfarbe, 
Skleren  nicht  ikterisch.    Herz  und  Lungen  gesund.  Puls  und  Temperatur 


—     295     — 

normal,  ürin  enthält  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss,  keinen  Zucker. 
Leib  weich,  flach.  In  der  Gallenblasengegend  fühlt  man  einen  un- 
deutlichen, druckempfindlichen  Tumor. 

Diagnose:  Steine  im  Choledochus  (augenblicklich  latent).  Chro- 
nische Cholecystitis  (Hydrops  der  Gallenblase). 

Operation:  8.  8.  1901.  Wellenschnitt.  Gallenblase  mittelgross, 
ohne  Verwachsungen,  wandverdickt,  enthält  im  Cysticus  einen  Stein. 
Im  Choledochus  3  Steine  von  ^ji  cm.  Durchmesser.  Hepaticnsdrainage. 
Drainage  des  Choledochus  dnodeualwärts.  Ectomie.  Gallenblase  sehr 
entzündet,  wandverdickt.  Dauer  der  Operation  47  Minuten.  Gute 
Chloroformnarkose. 

Verlauf:  8.  8.     Abends  37,1. 

9.  8.    37,2,     Kein  Erbrechen.    Urin  spontan.    37,2. 

10.  8.    37,0.    Blähungen  im  Gange. 

Verlauf  fieberfrei,  Gallenfluss  täglich  450—500  gr. 

13.  8.     Abführen.    Wechsel  der  oberen  Verbandschichten. 

18.  8-  Herausnahme  der  Tampons.  Ausspülung  des  Choledochus 
und  Hepaticus. 

19.  8.    Verbandwechsel. 

20.  8.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Nähte  und  Fäden. 
Ausspülung. 

21.  8.  Verbandwechsel.  HerausspUlnng  zweier  erbsengrosser 
Steinchen. 

22.  8.    Wechsel  der  oberen  Schichten. 

23   8.     Gallenfluss  geringer.    Stuhl  dunkelbraun. 

24.  8.  Verband  fast  trocken.  Entfernung  der  Gaze.  Der  Chole- 
dochusschnitt  ist  schon  verklebt.  Nochmalige  Aasspfilang,  bei  der  ein 
kleiues  Konkrement  zum  Vorschein  kommt.    Erneute  Tamponade. 

5.  9.    Noch  täglich  Verbandwechsel. 

13.  9.  Verband  heute  sehr  stark  durch.  Wechsel.  Feste  Tampo- 
nade der  Fistel.    Verlband. 

14.  9.     Verband  trocken. 

15.  9.     Ebenfalls.    Fat.  fühlt  sich  sehr  wohl. 
18.  9.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Der  Ikterus  war  sehr  wenig  ausgesprochen; 
trotzdem  fanden  sich  drei  Steine  im  Choledochus,  die  den  Gang 
ziemlich  ausfüllten.  Die  Choledochussteine  machten  zur  Zeit 
keine  Beschwerden,  die  Schmerzen  waren  auf  die  Cholecystitis 
zurückzuführen.  —  Wie  gering  der  Druck  der  Galle  im  Chole- 
dochus ist,  beweist  die  Tatsache,  dass,  sobald  man  die  äussere 
Fistel  mit  einem  Gazestreifen  etwas  fest  ausstopft,  sofort 
sämtliche  Galle  in  den  Darm  abfliesst,  und  kein  Tropfen  in 
den  Verband  gelangt. 


—     296     — 

i)  Die  Drainage  des  ductus  hepaticus  und  des  ductus 
choledochus  durch   die  Papille  hindurch  bis  in  das  Duodenum. 

Nr.  144.  K.  H.,  34 j.  Arbeitersfrau  aus  Neundorf. 

Aufgen.:  23.  6.  1904. 

Operiert:  25.  6.   1904.     Ectomie.   Cysticotomie.  Cysti- 

cectomie.      Hepaticus-    und     Choledochusdrainage. 

Duodenotomie.    Choledochusfege.    Hepatopexie. 
Entlassen:  2.  8.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  P.  ist  verheiratet^  sie  hat  5  mal  geboren,  2  Kinder 
leben.     Sie  ist  immer  gesund  gewesen. 

Vor  6  Jahren  Anfall  von  heftigen  kolikartigen  Schmerzen  in  der 
Oberbauchgegend,  die  bis  in  den  Rücken  ausstrahlten.,  dabei  sehr  viel 
galliges  Erbrechen,  Atemnot,  Angstgefühl.  Keine  Gelbsucht.  Nach 
einigen  Tagen  fühlte  sich  Fat.  wieder  völlig  wohl  und  war  frei  von 
Anfällen  bis  vor  2  Jahren. 

Vor  2  Jahren  wiederum  ein  Anfall,  diesmal  hauptsächlich  von 
heftigen  drückenden  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube  und 
im  Rücken.  Vor  VJ2  Jahren  während  der  letzten  Hälfte  der  letzten 
Schwangerschaft  sehr  häufige  Anfälle  von  drückenden  Schmerzen  in 
der  Magengrube,  Atemnot  und  Angstgefühl.  3  Wochen  nach  der  Ent- 
bindung, August  1903,  ein  neuer,  heftiger  Anfall  und  noch  zwei  weitere 
bis  Weihnachten  1903. 

Seit  Weihnachten  1903  andauernde,  sehr  quälende,  drückende 
Schmerzen  in  der  Magengrube  und  Atembeschwerden.  Ab  und  zu 
kurze  Anfälle  von  heftigeren  Druckschmerzen,  in  den  letzten  14  Tagen 
z.  B.  zweimal.  Nach  Weihnachten  stellte  sich  nach  einzelnen  An- 
fällen leichte  Gelbsucht  ein,  die  teilweise  sogar  intensiv  gewesen  sein 
soll.  In  letzter  Zeit  ist  die  Gelbsucht  wieder  geringer  geworden, 
aber  noch  deutlich  vorhanden.  Seit  14  Tagen  besteht  Hautjucken. 
Urin  war  fast  immer  dunkel,  Stuhl  nach  den  Anfällen  weiss,  stark 
angehalten.  Bei  den  Anfällen  bestand  angeblich  höheres  Fieber.  Vor 
8  Tagen  nach  dem  letzten  Anfall  wurden  mehrere  kleine,  unregel- 
mässig geformte  Gallensteinchen  im  Stuhl  gefunden.  Appetit  ist 
gering.  An  Körpergewicht  hat  Fat.  seit  I'/a  Jahren  26  Pfund  ab- 
genommen. 

Befund:  Elende,  massig  ikterische  Frau.  Leber  steht  tief, 
Gallenblase  als  undeutlicher,  schmerzhafter  Tumor  tastbar.  Druck- 
schmerz in  der  MitteUinie.     Urin    enthält  Gallenfarbstoff,  sonst  frei. 

Diagnose:  Chronischer  Choledochusverschluss. 

Operation:  25.  6.  04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose,  70  gr. 
Dauer  der  Operation  l*/«  Stunden.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt. 
Magen  gross.  Pylorus  weit.  Gallenblase  mittelgross,  verdickt,  mit 
Netz  verwachsen,  enthält  Steine.  Ectomie.  Quere  Abtragung  des 
Cysticus.  Spaltung  des  Cysticus  bis  in  den  Choledochus  hinein. 
Entfernung   des    Cysticus    (Cysticectomie).     Retroduodenal   fühlt  man 


297 


2  grössere  und  einige  kleinere  Steine.  Von  der  Incision  im  snpradao- 
denalen  Teil  lassen  sie  sich  nicht  entfernen,  obwohl  es  möglich  ist, 
den  Choledochus  in  das  Niveau  der  Banchwunde  emporznziehen.  Des- 
halb Dnodenotomie  durch  qnere  Incision.  An  beiden  Seiten  der  Pa- 
pille werden  2  König'sche  Klemmen  angelegt  und  die  Papille  hoch- 
gezogen. Gehörige  Absperrnngstaoiponade.  Mit  der  Kornzange  lassen 
sich  2  Steine  von  der  Papille  aus  entfernen.  Die  übrigen  werden 
durch  Choledochusfege  herausbefördert.  Eine  Kocher'sche  Bruchsack- 
Klemme  wird  durch  die  Papille  so  in  den  ChoJedochus  eingeführt, 
dass  sie  aus  der  Incision  im  siipraduodenalen  Teil  zum  Vorschein 
kommt.  4  Mal  wird  feuchte  Gaze  durchgezogen  und  so  der  Choledochus 
ausgefegt,  wobei  stets  kleine  Steine  und  Steintrümmer  zum  Vorschein 
kommend  Dann  Vernähnng  der  Dnodenal-Incision.  Darüber  ein  Zipfel 
des  grossen  Netzes,  der  durch  2  Suturen  fixiert  wird.  In  den  Choledochus 

wird      duodeualwärts 
Fifir-  n.  ein  Gnmmirohr  so  ein- 

geführt, dass  es  durch 
die  Papille  hindurch- 
geht und  noch  2  cm. 
im  Darm  liegt.  Durch 
eine  Naht  wird  es  bei 
der  supraduodenalen 
Incision  an  der  Chole- 
dochnswand  befestigt. 
Der  Cysticus  mündet  so 
tief,  dass  es  nicht  ge- 
lingt, den  Hepaticus 
zu  drainieren.  Wegen 
möglicher  Verletzung 
der  Art.  gastroduode- 
nalis  wird  auf  eine  Er- 
weiterung der  Choledo- 
chnsincision  duodeual- 
wärts rerzichtet  und 
das  Choledochusrohr 
da,  wo  es  umbiegt,  mit 
einem  Loch  versehen, 
damit  die  Galle  durch 
dieses  Loch  in  das  Rohr 
und  weiter  in  das  Duo- 
denum fliessen  kann. 
(Siehe  Fig.  17.)  Was- 
serdichte Naht  um  das 
Rohr  herum.  Hepato- 
pexie  mit  3  Suturen, 
(darunter  Draht).  '  3  Tampons  auf  Leberbett,  oberhalb  des  Rohres  und 
medial  von  demselben.  Naht  der  Bauchwand.  Die  exstirpierte  Gallen- 
blase ist  wandverdickt,  im  Hals  ulceriert,  enthält  3  haselnussgrosse  Steine. 


aai  Papilla  duodeni,  bbibn  Choledochusrohr,     bei  bi 
Öffnung  für  den  Durchtritt  der  Galle. 


—     298     — 

Die  Untersuchung  in  Marburg  ergibt  folgenden  Befund: 

Die  Gallenblase  ist  S'/a  cm.  lang,  enthält  eine  pfennigstückgrosse 
Narbe  an  der  hinteren  Wand.  In  der  oberen  Hälfte  befindet  sich  ein 
anscheinend  in  Vernarbung  begriffener  Defekt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  herausgeschnittenen  Stücke 
zeigt  überall  ein  gut  erhaltenes  hohes  Epithel,  an  einzelnen  Stellen 
eine  starke  Anhäufung  von  Schleimdrüsen;  mehrfach  sieht  man  auch 
die  ganze  Muskulatur  durchsetzend  ziemlich  breite  mit  Cylinderepithel 
versehene  Gänge. 

Verlauf:  Völlig  fieberfrei.  Puls  anfänglich  etwas  klein,  vom 
2.  Tage  an  kräftiger. 

27.  6.  Viel  Galle  und  Darminhalt  In  der  Flasche.  Verband  gänz- 
lich trocken.     Gutes  Befinden. 

29.  6.  Die  Urinflasche,  welche  die  Galle  auffängt,  war  in  den 
letzten  24  Stunden  5  Mal  mit  Flüssigkeit  gefüllt;  es  wurde  also  fast 
aller  Magen-  und  Darminhalt  ausgehebert. 

30.  6.  Die  Flasche  war  7  Mal  gefüllt  (innerhalb  24  Stunden). 
Obwohl  die  Pat.  durch  das  Ausfliessen  des  Magen-  und  Darminhalts 
nicht  erheblich  geschwächt  wurde,  wurde  doch  das  Rohr  zugeklemmt, 
um  einer  drohenden  Inanition  vorzubeugen.  Der  Verband  blieb 
trocken  und  das  Befinden  besserte  sich.  Keine  Temperaturerhöhung. 
Weiterhin  Verlauf  normal. 

2.  8.  04.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  In  diesem  Fall  hat  die  Choledochusfege*) 
sich  bewährt  und  Steine  aus  dem  retroduodenalen  Teil  des 
Choledochus  herausbefördert,  die  mit  Kornzange  etc.  schwer  zu 
fassen  waren.  Da  das  Drain  bis  in  das  Duodenum  geführt 
war,  entleerte  es  grosse  Mengen  Darminhalt.  Obwohl  damit 
für  die  Operierte  nicht  der  geringste  Schaden  erwächst,  werde 
ich  in  zukünftigen  Fällen  nur  bis  an  die  Papille  und  nicht 
über  diese  hinaus  drainieren. 

Nr.  145.     S.  E.,  58  j.  Landgerichtsrat  aus  Leipzig. 

Aufgen.:    I.  2.  6.  1902.     IL  2.  11.  1903. 

Operiert:  I.  4.6. 1902.  Hepaticusdrainage.  Cystostomie. 

IL    23.    11.    1903.      Hepaticusdrainage.      Ectomie. 

Choledochusdrainage.  Choledocho-Duodenostomia  int. 
Entlassen:  L  19.  8.  1902.    IL  14.  1.  1904.    Geheilt. 

Anamnese:  Vor  10  und  8  Jahren  je  ein  Anfall  heftiger  Schmerzen 
in  der  rechten  Seite  und  im  Rücken.  März  1901  nach  einigen  Tagen 
leichten  Unbehagens  heftige  Kolik  mit  Schüttelfrost  und  Fieber, 
8  Tage  anhaltend.  Leberschwellung.  Kur  in  Karlsbad,  die  Leber 
soll  wieder  abgeschwollen  sein.     Januar  1902    allgemeines  Unbehagen 

*)  Zuerst  beschrieben  im  Centralblatt  für  Chirurgie.    1904.  Nr.  28. 


—     299     — 

und  Zustände  psychischer  Depressioa,  als  ob  seine  körperlichen  und 
geistigen  Kräfte  schwänden.  Ende  Februar  1902  plötzlich  Ikterus, 
Appetitlosigkeit,  Gefühl  von  Völle  im  Magen.  Abnahme  des  Körper- 
gewichts. Vorübergehende  Besserung.  Kur  bei  Herrn  Dr.  Oeder  in 
Niederlössnitz  mit  leidlichem  Erfolge,  doch  blieb  Ikterus  und  Fieber 
bestehen.  Herr  Med.-Rat  Dr.  Lindner  stellte  die  Diagnose  auf  Chole- 
dochusstein,  Herr  Dr.  Oeder  schickt  den  Fat.  hierher. 

Befund:  Abgemagerter,  leicht  ikteriseher  Mann.  Urin  enthält 
.Gallenfarbstoff,  sonst  ist  er  frei.  Leber  massig  vergrössert,  Druck- 
empfindlichkeit in  der  Gallenblasengegend. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  4.  6.  02.  (Anwesend  Herr  Dr.  Eggers-Grand 
Forks).  Wellenschnitt.  Gallenblase  geschrumpft,  mit  Netz  verwachsen, 
wird  gelöst.  Leber  unmerklich  vergrössert.  Gallenblase  ohne  Flüssig- 
keit, enthält  ca.  200  Steine,  darunter  einige  grössere.  Choledochus 
vollgepfropft  mit  Steinen,  ein  walnussgrosser,  ganz  unverschieblich 
hinter  dem  Duodenum,  lässt  sich  nur  mit  Mühe  aus  der  Choledochus- 
inoision  herausdrücken.  Ein  zweiter  grosser  steckt  im  Hepaticus  in 
der  Nähe  der  Bifurkation.  Sobald  er  gefasst  wird,  stürzt  eine  Menge 
fast  klarer  Galle  hervor.  Zwischen  den  beiden  grossen  im  supraduo- 
denalen Choledochus  ca.  20  kleinere  Concremente.  Hepaticusdrainage. 
Die  Ectomie  wird  begonnen,  es  stellt  sich  aber  heraus,  dass  der  Gallen- 
blasenhals sehr  verdickt  ist  und  sich  schwer  isolieren  lässt.  Es  wird 
deshalb  die  Ectomie  abgebrochen  und  das  Leberbett  tamponiert,  die 
Cystostomie  mit  Schlauch  gemacht  (Schlauchverfahren).  Ringsum 
Tamponade,  ebenso  ins  Foram.  Winslowii,  oberhalb  des  Lig.  hepato- 
duodenale,  am  Choledochusschnitt.  Bauchnaht.  Dauer  der  Operation 
45  Min.    Gute  Chloroformnarkose,  Anfangs  geringer  Collaps. 

Verlauf:  In  den  ersten  Tagen  Bluterbrechen,  Magenspülungen, 
Kochsalzinfusionen.  16.  6.  Entfernung  der  Tampons  und  Rohre.  Aus- 
spülung des  Hepaticus  entleert  neben  kleineren  Krümeln  2  erbsen- 
grosse  Steine.  Anfangs  täglich  Verbandwechsel,  später  seltener.  Die 
Heilung  wird  durch  rechtsseitige  trockene  Pleuritis  verzögert.  Geheilt 
entlassen  19.  8.  02. 

Epicrise:  Bemerkenswert  ist  an  diesem  Pralle  das  Fehlen 
des  Ikterus,  obwohl  der  Ch  iledochus  mit  Steinen  vollgepfropft 
war,  und  das  Fehlen  der  eigentlichen  Koliken.  Die  Entzün- 
dung war  im  Augenblick,  als  ich  operierte,  ziemlich  erloschen 
(Galle  fast  klar).  Ich  glaube,  dass  in  den  meisten  Fällen  der 
Ikterus  auf  eine  Infektion  zurückzuführen  ist.  —  Die  zuerst 
geplante  Ectomie  endete  als  Cystostomie,  man  soll  seine  Ein- 
griffe nicht  forcieren,  sonst  schadet  man  dem  Patienten.  — 

Nach  seiner  Entlassung  fühlte  Fat.  sich  bis  Weihnachten 
wohl,  hatte  aber  öfter  das  Gefühl,  dass  doch  noch  nicht  Alles  mit  ihm 
in    Ordnung   wäre.    Nach  Weihnachten    ab    und  zu  Unbehaglichkeits- 


—     300     — 

gefühl,  Neigung  zu  Frostgefühl.  Am  2.  März  1903,  nach  grösserer 
Anstrengung  am  Tage  vorher,  plötzlich  starker  Schüttelfrost,  der  ein 
paar  Stunden  dauerte.     Danach  zwei  Tage  Mattigkeit. 

Ende  Mai  2.  Schüttelfrost  abermals  nach  grösserer  Anstrengung. 
Weitere  Schüttelfröste  am  7,  Juni,  diesmal  ohne  vorherige  körper- 
liche Anstrengung.  Ferner  am  4.  August,  danach  Spur  Gelbsucht, 
Gefühl  von  Jucken  am  Körper.  Am  26/27.  August  weiterer  Schüttel- 
frost. Die  letzten  beiden  im  Sanatorium  von  Herrn  Dr.  K  o  th  e  in  Fried- 
richroda,  wo  Fat.  5  Wochen  sich  aufhielt.  Während  dieser  Zeit  Gewichts- 
abnahme von  8  Pfund.  Temperatur  einmal  im  Anfall  40".  Am  13.  Ok- 
tober heftiger  Schüttelfrost,  am  nächsten  Tag  Gelbsucht.  Stuhl  grau, 
Urin  dunkel.  Stärkeres  Hautjucken.  Konsultation  bei  Herrn  Professor 
Cur  seh  mann,  der  wegen  Katarrhs  der  Gallenwege  Diät,  Ruhe  und 
Trinken  von  Neuenahrer  Sprudel  verordnete. 

23.  Oktober  wieder  Schüttelfrost,  weiter  am  29.  Oktober.  Beide- 
mal einige  Tage  Gelbsucht.    Im. Stuhl  keine  Steine,  sehr  viel  Bakterien. 

Letzter  Schüttelfrost  am  31.  Oktober,  danach  keine  Gelbsucht, 
vielmehr  fühlte  Fat.  nach  diesem  Anfall  zum  ersten  Male  eine  gewisse 
Erleichterung.     Stuhl  wurde  nicht  untersucht. 

Appetit  während  der  Anfälle  schlecht,  in  letzter  Zeit  besser. 
Während  der  Anfälle  Stuhlverstopfung.  Körpergewicht  hat  sehr  ab- 
genommen. In  den  letzten  Wochen  ab  und  zu  Magendruck  nach 
dem  Essen  und  Aufstossen. 

Befund:  Fat.  sieht  gut  aus.  Ticib  weich.  Narbe  fest,  keine 
Hernie.  Leber  etwas  vergrössert.  Keine  Druckempfindlichkeit  in  der 
Gegend  der  Leber  und  der  Magengrube.  Kein  Ikterus,  nur  die  Con- 
junktiven  zeigen  ganz  leichten  gelblichen  Schimmer.  Stuhl  braun, 
regelmässig,    täglich    1  mal.     Urin    frei. 

Verlauf:  6.  11.03.  Bisher  völliges  Wohlbefinden.  Heute  Abend 
plötzlich  Schüttelfrost,  Temp.  39,4.  Abends  8  Uhr  40,0.  Keine  Schmer- 
zen,   Lebergegend   nicht  druckempfindlich,    ebensowenig  Magengrube. 

7.  LI.  03.  Nachts  ziemlich  guter  Schlaf.  Fat.  fühlt  sich  wieder 
ganz  wohl,  nur  Appetit  ist  noch  gering.  Conjunktiven  heute  deutlich 
gelb.  Stuhl  grau.  Urin  enthält  Gallenfarbstoff".  Temp.  M.  36,8, 
Ab.  36,8. 

8.  11.  03.  Völliges  Wohlbefinden.  Conjunktiven  zeigen  heute 
nur  noch  leichten  gelblichen  Schimmer.  Stuhl  braun.  Im  Urin  reich- 
lich Gallenfarbstofi'.  Appetit  besser.  Temp.  normal.  Abends  etwas 
Druckgefühl  und  Stechen  in  der  rechten  Seite. 

10.  11.  03.  Temp.  M.  36,8  Ab.  37,6.  Abends  leichtes  Frostge- 
fühl.    Schlaf  schlecht. 

11.  11.  03.  Temp.  M.  37,6,  Ab.  37,5.  Im  Laufe  des  Tages  mehr- 
mals  leichtes  Frostgefühl.    Appetit  etwas  schlechter. 

12.  11.  03.  Befinden  besser,  kein  Frostgefühl  mehr.  Stuhl  braun, 
täglich  regelmässig.     Appetit  noch 'massig. 

19.  11.  03.  Temp.  M.  37,2,  Ab.  39,2.  Den  Tag  über  Gefühl  von 
Frost  und  Unbehaglichkeit.    Gefühl  von  „Gänsehaut". 


—     301     — 

20.  11.  03.  Temp.  M.  37,3,  Ab.  38,0.  Stuhl  ziemlich  grau.  Im 
Urin  reichlich  Gallenfarbstoff. 

21.  11.  03.  Temp.  normal.  Appetit  schlecht.  Stuhl  noch  ziem- 
lich grau. 

Diagnose:    Choledochusstein   (falsches  Recidiv). 

Operation:  23.  11.  03  im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Peiser-Breslau. 
Spaltung  der  alten  Narbe.  Freilegung  der  Gallenblase.  In  ihr  zu- 
erst trübe,  dann  helle  Galle  in  grosser  Menge.  Choledochusincision 
nach  Lösung  der  circulären  Verwachsungen-  In  der  Papille  grosser  Stein. 


Fitf.  18. 


a)  Papilla  duodeni,  b)  Ende  des  Choledochusdrain,  c)  Ende  der  Hepaticus- 
drain,  d)  Duodenaloaht,  e)  und  f)  Tampons. 


Duodenotomie.  Nach  Entfernung  des  Steins  wird  in  den  Choledochns 
ein  kleintingerstarlies  Drainrolir  so  eingefüiirt,  dass  das  Ende  noch  im 
Dnodennm  liegt.  (Siehe  Fig.  18.)  Hepaticusdrainage.  Ectomie.  Duodenal- 
naht.  Tamponade  mit  3  Tampons.  Bauciinaht.  Sehr  gute  Sauerstofl- 
Chloroformnarkose.  50  gr.  Chloroform  in  l'/z  Stunden.  Puls  hinterher 
gut,  88.  Der  entfernte  Stein  hat  eine  weiche  Rinde  und  einen  harten  Kern; 
es  stellt  sich  deutlich  heraus,  dass  sich  um  einige  alte  Steintrümmer 
der  neue  Stein  gebildet  hatte;  es  handelt  sich  also  um  ein  falsches 
Recidiv. 

Die  Operation  konnte  vollendet  werden,  ohne  dass  die  Bauch- 
höhle eröftnet  warde.  Es  spielte  sich  alles  in  den  Verwachsungen 
ab,  deshalb  war  eine  Orientierung  recht  schwierig.  Die  Glallenblase 
wurde  excidiert,  damit  die  Tamponade  recht  ausgiebig  ausgeführt 
werden  konnte. 

Über  den  mikroskopischen  Befund  der  Gallenblase  schreibt  uns 
das  path.  Institut  in  Marburg  folgendes: 


—     302     — 

Dio  Gallenblase  zeigt  eine  hochgradige  Schrumpfung  und  starke 
Verdickung  der  Wand. 

Mikroskopisch  sieht  man  eine  starke  Hypertrophie  der  elastisch 
muskulösen  Bestandteile  der  Wand.  Die  Schleimhaut  ist  stark  zellig 
infiltriert,  die  Falten  springen  sehr  deutlich  vor.  Sie  sind  mit  einer 
einfachen  Reihe  hohen  Cylinderepithels,  welches  keine  Schleimreaktion 
gibt,  bedeckt.  An  zahlreichen  Stellen  stülpt  sich  das  Epithel  divei-- 
tikelartig  durch  Lücken  der  Muskulatur  bis  in  das  verdickte  subperi- 
toneale Gewebe  vor.  Hier  finden  sich  oft  kleine  Gruppen  von  Rund- 
zellenanhäufungen. An  einer  Stelle  der  Blasencircuraferenz  ist  die 
Schleimhaut  zerstört  und  auch  die  Muskulatur  so  gut  wie  völlig  ge- 
schwunden. Es  findet  sich  hier  eine  Verdickung  der  elastischen  Faser- 
streifen der  Wand. 

Verlauf:  24.  11.  03.  In  der  Nacht  massig  viel  Aufstossen.  Vor- 
mittags einmal  Erbrechen  von  etwas  Tee  und  Spuren  von  Blut. 
Magenspülung  ergibt  etwas  Blut  und  gallig  gefärbte  Flüssigkeit. 
Nachher  erhebliche  Besserung,'  wenig  Aufstossen,  kein  Erbrechen 
mehr.  Galle  läuft  reichlich.  Temp.  M.  37,4,  Ab.  37,6.  Puls  88-104, 
kräftig. 

25.  11.  03.  Befinden  gut.  Wenig  Aufstossen.  Nachmittags  gehen 
Blähungen. 

26.  11.  03.  In  der  Nacht  sehr  viel  Aufstossen.  Morgens  Magen- 
spülung. Im  Magen  etwas  Tee  und  deutliche  Spuren  von  Blut. 
Temp.  M.  37,5,  Puls  98.    Galle  läuft  reichhch. 

28.  11.  03.  Befinden  dauernd  gut.  Fat.  führt  ab.  Massig  reich- 
lich brauner  Stuhl. 

30.  11.  03.  Verband  ziemlich  stark  mit  Galle  durchtränkt.  Ver- 
bandwechsel.    Galle  läuft  nur  wehig  durchs  Rohr.     Stuhl  braun. 

1.  12.  03.  Viel  Darminhalt  in  die  Flasche  durch  das  Choledochus- 
Duodenalrohr  gelaufen,  vermischt  mit  reichlicher  Galle.  Entfernung 
der  Rohre  und  sämtlicher  Tampons,  die  sehr  locker  sitzen.  Chole- 
dochusincision  in  der  Tiefe  gut  sichtbar.   Keine  Ausspülung.    Tamponade. 

Temp.  Ab.  37,5.  Verband  massig  stark  mit  hellem  Sekret  (Darm- 
inhalt) durchtränkt.    Wechsel  der  oberen  Verbandschichten. 

2.  12.  03.  Verbandwechsel  Verband  reichlich  mit  Sekret  (Darm- 
inhalt)  durchtränkt. 

3.  12.  .03.  Verband  sehr  stark  mit  Darminhalt  durchtränkt.  Ver- 
bandwechsel. Aus  der  Tiefe  des  Wundtrichters  quillt  sehr  reichlich 
Dünndarminhalt.     Stuhl  etwas  grau. 

5.  12.  03.  Verband  etwas  weniger  mit  Sekret  durchtränkt.  Chole- 
dochusincision  gut  sichtbar,  ein  Loch  im  Duodenum  nicht  auffindbar. 
Abends  Puls  hochgradig  irregulär.  Strophantus. 

6.  12.  03.  Loch  im  Duodenum  heute  sichtbar.  Puls  wieder  regel- 
mässig, kräftig. 

7.  12.  03.  Ziemlich  feste  Tamponade  des  Wundtrichters.  Viel 
Aufstossen  und  einmal  etwas  Erbrechen,  vermutlich  durch  die  Tam- 
ponade hervorgerufen. 


—     303     — 

8.  12.  03.  Verband  weniger  durch.  Loch  im  Duodenum,  an- 
scheinend bereits  geschlossen.    Lockere  Tamponade. 

10.  12.  03.  Verband  nur  noch  wenig  mit  Sekret  durchtränkt. 
Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Choledochusincision  gut  sichtbar.  Aus- 
spülung des  sehr  weiten  Choledochus.  Spülkatheter  gelangt  deutlich 
durch  die  Papille  in  den  Darm,  das  Wasser  fliesst  dann  in  den  Darm, 
während  es  sonst  durch  die  Incision  des  Choledochus  herausquillt. 

12.  12.  03.  Wundtrichter  bereits  sehr  eng.  Keine  Ausspülung 
des  Choledochus  mehr.  ^ 

13.  12.  03.    Pat.  steht  auf. 

4,  1.  04.  Wundtrichter  sehr  eng.  Nur  noch  sehr  wenig  Galle 
im  Verband. 

14.  1.  04.    Fistel  geschlossen.    Stuhl   braun.    Urin   dauernd    hell. 

15.  1.  04.    Pat.  wird  als  geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Es  lag  ein  unechtes  Kecidiv  vor;  man  sieht, 
dass  auch  die  Hepaticusdrainage  nicht  völlig  vor  dem  Zurück- 
bleiben der  Steine  schützt.  Ich  habe  deshalb  in  diesem  Fall 
den  Choledochus  so  drainiert,  dass  das  Rohr  noch  durch  die 
Papille  in  das  Duodenum  geschoben  wurde,  so  dass  die  Papille 
weit  bleibt  und  aucli  das  retroduodenale  Ende  des  Choledochus 
gut  gespült  werden  kann.  —  Bemerkenswert  in  diesem  Fall 
ist  das  Fehlen  der  Schmerzen:  der  Hepalicus  war  weit,  so 
dass  eine  Dehnung  seiner  Wände  kaum  zu  Stande  kam.  Deshalb 
fehlte  der  Schmerz.  Obwohl  der  Fall  günstig  verlief,  würde 
ich  in  einem  zukünftigen  Fall  das  Drain  nur  bis  an  die  Papille, 
nicht  bis  in  das  Duodenum  hineinschieben,  um  das  zwecklose 
Ausfliessen  von  Magen-  und  Duodenalinhalt  zu  vermeiden. 


Nr.  146.   R.  V.,  45  j.  Brauersfrau  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  18.  l.   1904. 

Operiert:  21.  1.  1904.  Ectomie.  Zerstörung  einer 
Gallenblasen  -  Duodenalfistel.  Hepaticusdrainage. 
Choledochusdrainage.  Pylorusausschaltung.  Netz- 
plastik.    Gastroenterostomie.    Hepatopexie. 

Entlassen:  6.  3.   1904.     Geheilt. 

Anamnese:   Pat.  ist  immer  gesund  gewesen. 

Eine  Schwester  hat  an  Gallensteinen  gelitten. 

Pat.  hat  10  mal  geboren,  8  Kinder  leben.  .Menses  seit  etwa 
V»  Jahre  etwas  unregelmässig. 

Vor  5  Jahren  nach  der  Geburt  des  letzten  Kindes  Aufall  von 
krampfartigen  Schmerzen  in  der  Magengrube,  der  etwa  1  Stunde 
dauerte  und  von  Herrn  Dr.  Spiller  hier  für  Galleusteinkolik  erklärt  wurde. 


—     304     — 

Seitdem  keine  Koliken  mehr,  Pat  fühlt  sich  völlig  wohl.  Vor 
5  Monaten  begann  Pat.  an  Durchfällen  zu  leiden  (meist  täglich  2  mal 
ganz  dünner  Stuhl  bis  vor  etwa  4  Wochen.)  Kurz  vorher  hatte  Pat. 
sich  bei  Landarbeit,  bei  der  sie  mithalf,  sehr  angestrengt  und  glaubt, 
sich  dabei  erkältet  zu  haben.  Gleichzeüig  stellte  sich  etwas  Auf- 
stüssen  ein,  Appetit  wurde  schlechter.  Vor  4  Wochen  plötzlich  Gelb- 
sucht, nachdem  sie  schon  einige  Zeit  vorher  häufig  an  Frostschauern 
gelitten  hatte.  Die  Frostanfälle  wurden  dann  stärker,  traten  jetzt  an- 
geblich jeden  Tag  Nachmittags  auf.  Die  Gelbsucht  hielt  gleichmässig 
an,  wurde  sogar  noch  intensiver.  Seit  Beginn  der  Gelbsucht  Druck- 
gefühl  in  der  Magengrube,  Brennen  auf  der  Brust,  Gefühl  von  Völle, 
Aufstossen,  kein  Erbrechen.  Keine  Koliken,  keine  ausgesprochenen 
Schmerzen.  Appetit  sehr  schlecht.  Pat.  hat  sehr  stark  abgenommen 
(ca.  40  Pfund),  fühlt  sich  sonst  jedoch  noch  „ganz  kräftig".  Stuhl  ist 
jetzt  regelmässig,  etwas  hart,  tonfarben.  Urin  sehr  dunkel.  Steine 
im  Stuhl  wurden  nicht  gefunden.  Vor  8  Tagen  beim  Stuhlgang  viel 
hellrotes  Blut  (bis  i  Tassenkopf  voll),  aus  Hämorrhoiden  stammend. 

Befund:  Leber  gross,  in  der  Gegend  der  Gallenblase  ein  wnlnuss- 
grosser  Tumor.  Druckempfindlichkeit  der  Gailenblasengegend.  Ikterus 
stark.    Vom  18.  — 20,  1.    Chlorcalcium,     2  Mal  täglich  3,6  gr.  als  Clysma. 

Temperaturen  vom  18.— 21.  1.  1904  zwischen  37,6—38,1. 

Vorher:  Ikterus,  Leberschwellung,  kein  Gallenblasentumor. 

Bei  der  Aufnahme :  Ikterus,  Leberschwellung,  kein  Gallenblasen- 
tumor. 

Diagnose:  Cholecystitis,  Stein  im  Choledochus  (wahrscheinlich 
Papille.) 

Operation:  21.  1.  04.  Gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose.  90gr. 
Dauer  1^/«  Stunden.  Wellenschnitt.  Leber  gr.ss.  Der  walnussgrosse 
gefühlte  Tumor  ist  ein  Auswuchs  der  Leber,  genau  von  der  Con- 
figuration  der  Gallenblase.  Diese  ganz  klein,  geschrumpft,  mit  Duo- 
denum verwachsen.  Lösung.  Gralleublaseu-Dnodeualflstel.  Grosses 
Loch  im  Duodenum.  Gallenblase  wird  exstirpiert.  Hepaticusgalle  sehr 
trübe.  Hepaticusdrainage.  Im  Choledochus  viele  weisse  Steine  und 
trübe,  stinkende  Galle.  Sondierung  der  Papille.  Sonde  kommt  durch 
den  Duodenaldefekt  zum  Yorschein.  Duodenale  Schleimhaut  nlceriert, 
wird  entfernt.  So  entsteht  ein  Defekt  im  Duodenum,  der  fast  ^/s  der 
Circnmferenz  einnimmt.  Da  unter  diesen  Umständen  die  Naht  sehr 
schwierig  sein  würde,  wird  das  Duodenum  auch  an  der  hinteren  Wand 
durchtrennt,  Pylorus  für  sich  verschlossen  und  ebenso  Duodenum. 
Danach  Tamponade  des  Leberbettes.  Choledochus-  und  Hepaticus- 
drainage. Gastroenterostomie  nach  v.  Hacker.  Hepatopexie.  Auf 
Pylorus-  und  Dnodenalnaht  Netz.    Sehr  schwere  Operation. 

lieber  das  excidierte  Duodenalstück  schreibt  das  Marburger  path. 
Institut : 

Mikroskopisch  zeigt  das  Duodenum  an  einer  Stelle  eine  deutliche 
Geschwürsbildung,    welche    bis    in    die    Submucosa  reicht,    sodass  die 


—     305     — 

Brunnerschen  Drüsen  freigelegt  sind.  Leider  ist  die  Färbbarkeit  des 
Gewebes  an  dieser  Stelle  eine  sehr  schlechte,  sodass  dadurch  die  Ge- 
ringfügigkeit der  sichtbaren  Rundzelleninfiltration  erklärt  werden 
könnte.  In  den  äusseren  Wandschichten  findet  sich  eine  reichliche 
Entwickelung  von  faserigem  Bindegewebe.  Die  Muskelschicht  der 
Darmwand  ist  dadurch  vielfach  durchbrochen.  An  einer  Stelle  findet 
sich  auch  ein  frischer  von  aussen  bis  in  die  Submucosa  reichender 
mit  frischem  Blut  gefüllter  Riss.  Die  Färbbarkeit  des  Gewebes  ist 
mit  Ausnahme  des  Geschwürsgrundes  eine  relativ  gute,  die  Füllung 
der  Gefässe  ist  eine  sehr  starke. 


Fig  20. 


Fig.  19. 


Bei  a  Fistel  zwischen  Gallenblase  und 

Duodenum.    Exoision  desselben  von 

c  bis  b  und  d  bis  b. 


Quere  Durchtrennung  des  Duodenum,  völ- 
lige   VerSchliessung     beider     Darmlumina 
d— bund  c— b.  Gallenblase  ist  entfernt,  Hepati- 
cus  drainiert,  Gastroenterostomie  bei  o 
hinzugefügt. 


Verlauf:  21.  1.  04.   Galle  läuft.  Verband  mit  Galle  durchtränkt. 

23.  1.  04.  Verlauf  bisher  normal.  Temperatur  heute  Abend  38,7*". 
Puls  112—116.  Etwas  Husten.  Leib  etwas  hoch.  Blähungen  gehen 
wenig. 

24.  1.  04.  Temp.  M.  38,4,  Ab.  39,3,  Puls  M.  108,  Ab.  120,  kräftig. 
Nachmittags  etwas  mehr  Husten.  Blähungen  gehen.  Verband  stark 
mit  Galle  durchtränkt.     Verbandwechsel  der  oberen  Schichten. 

25.  1.  04.  Temp.  M.  38,4,  Ab.  39,3,  Puls  112-120,  kräftig.  Viel 
Husten  und  Auswurf.  Galle  läuft  reichlich,  ist  etwas  sanguinolent  und 
trübe. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  20 


—     806     — 

26.  1.  04.  Temp.  M.  39,0,  Ab.  38,9,  Puls  108-120,  kräftig.  Starke 
Bronchitis  über  beiden  Lungen.    Pat.   führt  ab. 

27.  1.  04.  Temp.  M.  39,0,  Ab.  38,9. 

28.  1.  (M.  Temp.  M.  38,7,  Ab.  39,1.  Verbandwechsel.  Verband 
stark  mit  nach  Darminhalt  riechendem  Sekret  durchtränkt.  Pneumonie 
des  rechten  Unterlappens.    Trübe   Galle  läuft  noch  ziemlich  reichlich. 

29.  1.  04.  Temp.  M.  38,7,  Ab.  39,1.     Sehr  viel  Auswurf. 

30.  1.  04.  Temp.  M.  39,0,  Ab.  39,3.  Vörbandwechsel.  Entfernung 
der  Tampons,  des  Rohres  und  des  Nßlaton-Katheters.  Wunde  sieht 
gut  aus.  Stumpf  des  lig.  teres  ist  stellenweise  nekrotisch.  Choledochus- 
Incision  in  der  Tiefe  gut  sichtbar.  Die  Nähte  der  beiden  Duodenal- 
lumina  sind  völlig  vom  Netz  bedeckt.  Wuudtrichter  nach  unten  gut 
abgeschlossen.    Tamponade. 

31.  1.  04.  Temp.  M.  38,0,  Ab.  39,0.  Verband  stark  mit  Sekret 
durchtränkt.     Ausspülung  des  Hepaticus. 

1.  2.  04.    Temp.  M.  38,^,  Ab.  39,0. 

2.  2.  04.  Temp.  M.  38,7,  Ab.-  38,6.  Verband  täglich  stark  durch, 
Wundtrichter  sieht  sehr  gut  und  gereinigt  aus.  Husten  und  Auswurf 
geringer. 

3.  2.  04.  Temperatur  geht  langsam  herunter.  Heute  Spülung  des 
Hepaticus.  Nelaton  gehiebt  sich  durch  den  Choledochns  bis  in  den 
Darm.     Spülung  des  Choledochus.     Entfernung  sämtlicher  Nähte. 

6.  2.  04.  Fieberfrei.    Spülung  des  Hepaticus  und    Choledochus. 

7.  2.  04.  Temp.  M.  38,5,  Ab.  39,1.    Etwas  mehr  Husten. 

8.  2.  04.  Temp.  M.  38,1,  Ab.  38,8.  Ausspülung  des  Hepaticus 
und  Choledochus.  Spülliatheter  gelangt  leicht  durch  die  Papille  in 
den  Darm. 

9.  2.  04.    Temp.  M.  37,9,  Ab.  39,0. 

10.  2.  04.  Eröffnung  eines  etwa  eigrossen,  abgekapselten,  mit 
dickem,  stinkendem  Eiter  gefüllten  Abszesses  zwischen  Nabel  und 
Wundtrichter.    Temp.  Ab.  38,1. 

11.  2.  04.  Temp.  normal.  Keine  eitrige  Sekretion  aus  der  Abszess- 
höhle mehr. 

Galle  läuft  weniger.  Gelbsucht  hat  erheblich  nachgelassen.  Stuhl 
noch  weiss.     Auswurf  noch  ziemlich  reichlich. 

18.  2.  04.  Stuhl  etwas  gelblich.  Wundtrichter  verengert  sich 
erheblich. 

21.  2.  04.  Sondierung  des  Choledochus,  Sonde  gelangt  leicht  in 
den  Darm. 

22.  2.  04.  Verband  heute  zum  ersten  Mal  trocken.  Pat. 
steht  auf. 

3.  3.  04.  Galle  läuft  nur  noch  sehr  wenig.  Verband 
trocken,  aber  noch  täglich  Verbandwechsel.  Wundtrichter  sehr  eng. 
Stuhl  gelblich.     Husten  noch  zfemlich  reichlich,  ebenso  Auswurf. 

6.  3.  04.  Verband  heute  trocken,  obwohl  keine  Tamponade  des 
Wundtrichters  mehr  ausgeführt  war.  Ikterus  fast  völlig  geschwunden. 
Stuhl  braun.     Pat.    hat   sich   sehr   gut  erholt,    nur  etwas  Husten  und 


—     307     — 

Auswurf  sind  noch  vorhanden.  Wundtrichter  fast  geschlossen,  Chole- 
dochusincision  nicht  sichtbar.  Pat.  wird  entlassen  und  soll  sich  in 
unserer  Klinik  noch  weiter  verbinden  lassen. 

Bei  Gelegenheit  des  Chirurgenkongresses  1904  wird  Pat.  völlig 
geheilt  vorgestellt. 

Epicrise:  Wieder  ein  Fall,  bei  dem  durch  die  Natur- 
heilung  (Gallenblasen  -  Duodenalfistel)  eine  schwere  Infektion 
eintrat.  Die  Duodenalnaht  hätte  bei  dem  grossen  Defekt  sicher 
nicht  gehalten,  das  verdächtig  veränderte  Stück  der  Duodenal- 
schleimhaut  wäre  später  sicher  nekrotisch  geworden.  Deshalb 
völlige  Durchschneidung  des  Duodenum  mit  Verschluss  beider 
Darmlumina  und  Gastroenterostomie.  Die  Operation  war 
sehr  eingreifend. 


2.    Die    sekundäre   Hepaticusdrainage. 

Nr.  147.    F.  K.,  47  j.  Landwirtsfraa  aus  Geiiz  b.  Cötlieo. 

Aufgen.:  20.  10.  1900. 

Operiert:  23.  10.  1900.     Hepaticusdrainage. 

Entlassen:  25.  11.  1900.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  am  2.  5.  1900  hier  operiert.  Es  wurde  damals 
die  Gallenblase  entfernt,  wobei  der  Hepaticns  an  einer  kleinen  Stelle 
einriss.  Dieser  Riss  wnrde  nicht  genäht,  sondern  mit  steriler  Gaze 
tamponiert.  Der  Gallenfluss  nach  aussen  hielt  24  Tage  stark  an.  Pat. 
wurde  am  4.  6.  00  entlassen. 

Bald  nach  der  Entlassung  hatte  sie  einen  Anfall  von  Schmerzen 
in  der  Gallenblasengegend,  der  bald  vorüberging,  kein  Fieber,  kein 
'Srbrechen,  keine  Gelbsucht.  Etwa  4  Wochen  darauf  kam  ein  ähnlicher 
Anfall,  ein  schwererer  Ende  August.  Bei  diesem  waren  die  Schmerzen 
heftiger,  sie  begannen  in  der  Gallenblasengegend  und  zogen  zum 
Rücken.  Starkes  Würgen,  Fieber,  kein  Ikterus,  der  Stuhl  war 
braun.  Das  Fieber  hielt  etwa  8  Tage  an,  während  deren  Pat.  im  Bett 
lag.  Anfang  Oktober  (vor  etwa  14  Tagen)  kam  abermals  ein  heftiger 
Schmerzanfall  mit  starkem  Würgen  und  Fieber,  der  Leib  war  auf- 
getrieben. Die  Schmerzen  dauerten  von  Mittag  bis  zum  nächsten 
Morgen,  das  Fieber  dauerte  ununterbrochen  bis  jetzt  an.  Der  Stuhl 
war  ein  paar  Tage  lang  entfärbt,  dann  wurde  er  wieder 
normal.  Gelbsucht  soll  jedoch  nicht  aufgetreten  sein. 
Herr  Sanitätsrat  Dr.  F  i  tzau-Cöthen  gibt  der  Pat.  den  Rat,  wieder 
hierher  zu  kommen. 

Befund:  Frau  in  massigem  Ernährungszustande.  Leib  flach, 
weich.  Im  Bereiche  der  Narbe  ist  eine  Resistenz  zu  fühlen,  Druck 
wird  hier  schmerzhaft  empfunden.  Puls  100.  Temp.  38,8.  Urin  enthält 
etwas  Eiweiss,  keinen  Zucker  oder  Gallenfarbstoff.  Keine  Spur  von  Ikterus. 

20* 


—     308     — 

Diagnose:  Übersehener  Stein  im  Choledochus  (aus  der  Gallen- 
blase dorthin  gedrückt).  Abscess  unterhalb  der  Leber  (zurückgelas- 
sener Gazestreifen?). 

Verlauf:  21.  10.    39,2.    Puls  104.  39,6.  39,4. 

22.  10.    38,8.    Puls  110.  39,7.  40,2. 

23.  10.    38,7.    Puls  108. 

Operation:  23.  10.00.  Die  alte  Narbe  wird  gespalten.  Viele 
Verwachsungen.  Nach  mühseliger  Trennung  liegt  der  Choledochus 
frei.  Bei  näherer  Palpation  fühlt  man  in  ihm  einen  rundlichen  Körper, 
der  aber  darmwärts  entschlüpft.  Es  handelte  sich  sicher  um 
einen  Stein.  Eröffnung  des  Choledochus  mit  dem  Messer.  Es 
fliesst  trübe  grüne  Galle.  Der  Choledochus  ist  kleinfingerstark.  Bei 
Sondierung  leber-  und  darmwärts  fühlt  man  keinen  Stein.  Der  Schnitt 
im  Choledochus  wird  duodenalwärts  verlängert.  Der  eingeführte  kleine 
Finger  fühlt  in  der  Tiefe  einen  weichen  Stein.  Extractiom  Keine 
weiteren  vorhanden.  Drainage  des  Hepaticus  und  Choledochus  durch 
je  einen  Schlauch.  Tamponade  mit  steriler  Gaze.  Naht  der  Bauch- 
decken. Dauer  der  Operation  '/4  Stunden.  Bei  näherer  Beslchtigang 
des  Steins  zeigt  sieh,  dass  derselbe  sich  um  ein  „Gazefiisselchen** 
inkrustiert  hat.  Beim  Zerdrüclien  finden  sich  zwei  ca.  3  cm.  lange 
Oazefaseru.  Der  Stein  ist  sehr  welch,  so  dass  er  sieh  mit  der 
Sonde  nicht  nachweisen  liess;  man  fühlte  ihn  weder,  noch  Iiörte  mau 
ein  Geräusch,  erst  bei  weiterer  Eröffnung  des  Choledochus  fühlte  ihn 
der  Finger,    die  beste  Sonde,  über  die  wir  verfügen. 

Verlauf:  Kein  Erbrechen.  Am  Abend  des  23.  10.  noch  40,1°  C. 
und  120  Pulse.    Pat.  sieht  aber  gut  aus. 

24.  10.  37,5°  C.  100  Pulse.  Kollern  im  Leibe.  Pat.  fühlt  sich 
sehr  wohl.  Gallenfluss  in  den  ersten  24  Stunden :  170  gr.  Spontan 
Blähungen.    Abends  37,9"  C     100   Pulse. 

25.  10.    37,5«  C.    94  Pulse.  Ausgezeichnetes  Befinden.  Galle  180  gr. 
25.  11.  00.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Ein  höchst  bemerkenswerter  Fall! 

Ich  habe  schon  früher  mitgeteilt,  dass  ich  Recidive  dadurch 
habe  entstehen  sehen,  dass  sich  Seidenfäden  in  die  Gallenwege 
abgestossen  und  zur  Inkrustation  geführt  haben.  Da  ich  diesen 
Vorgang  auch  einmal  nach  der  Ectomie  beobachtete ,  habe 
ich  den  Rat  gegeben,  sämtliche  Fäden  lang  zu  lassen  und  keinen 
zu  versenken,  damit  man  dieselben  beim  ersten  Verbandwechsel 
—  gewöhnlich  14  Tage  nach  der  Operation  —  entfernen  kann. 
Meistenteils  gelingt  die  Entfernung  bei  der  Übersichtlichkeit  des 
Operationsfeldes  ganz  gut,  wenn  nicht,  warte  ich  die  Abstossung 
mit  Geduld  ab.  In  der  vierten  Woche  sind  meistenteils  sämt- 
liche Fäden  entfernt. 


—     309     — 

In  diesem  Fall  hatte  ich  den  unbedeutenden  Riss  im  He- 
paticus  nicht  genäht,  sondern  mit  Gaze  tamponiert.  Es  ist  nun 
—  wahrscheinlich  sehr  bald,  wenige  Tage  nach  der  Operation  — 
von  der  Gaze  etwas  durch  den  Schlitz  im  Hepaticus  in  den 
Choledochus  gelangt,  so  dass  dadurch  der  24  Tage  andauernde 
Gallenfluss  sich  erklärt.  Dann  ist  die  Fistel  geheilt,  und  die 
kleinen  Gazefäserchen  haben  sich  inkrustiert.  Der  Stein  war 
aber  so  weich,  dass  er  niemals  einen  völligen  Verschluss  des 
Choledochus  bewirkte:  er  liess  immer  Galle  an  sich  vorbei,  so 
dass  niemals  Ikterus  auftrat.  Dafür  kam  es  zu  Koliken, 
Fieber  und  Schüttelfrösten,  weil  sich  die  Galle  inficierte  und 
cholangitische  Reizerscheinungen  auftraten.  Nur  einmal  war 
der  Gang  völlig  verlegt,  daher  der  weisse  Stuhlgang,  aber  es 
dauerte  nur  wenige  Stunden,  so  dass  Ikterus  sich  nicht  aus- 
bilden konnte.  Die  Koliken  können  nicht  durch  den  mecha- 
nischen -Reiz,  den  der  Stein  auf  die  "Wand  des  Choledochus 
ausübte,  erklärt  werden,  —  denn  dazu  war  er  viel  zu  weich  — 
sondern  nur  durch  die  akute  Dehnung  der  Gallengänge  oberhalb 
des  Steins,  der  immer  wieder  Galle  vorbeifliessen  liess. 

So  leid  mir  die  Frau  tat,  dass  sie  sich  zum  zweiten  Mal 
einer  Laparotomie  unterziehen  musste,  so  habe  ich  mich  doch 
sehr  gefreut,  dass  ich  Gelegenheit  hatte,  einmal  bei  einer  Kranken, 
die  vor  einem  halben  Jahr  eine  Ectomie  durchgemacht  hatte, 
die  Verhältnisse  des  Choledochus  zu  studieren.  Das  Ergebnis 
war,  dass  keine  Andeutung  von  einem  Wiederwachsen  der  Gallen- 
blase (de  Voogt)  vorhanden  war,  und  dass  nur  eine  mas- 
sige Ausdehnung  des  Choledochus  vorlag.  Und  diese  war  sicher 
auf  den  neuen  Stein  im  Choledochus  zurückzuführen. 

Die  Schwierigkeiten  der  zweiten  Operation  waren  zwar 
nicht  gering,  aber  immerhin  gut  zu  überwinden.  Die  Operation 
hat  nicht  länger  als  dreiviertel  Stunden  gedauert.  Die  Lösung 
der  Adhaesionen  machte  keine  besonderen  Umstände. 

Wenn  sich  nach  der  Ectomie  das  Gallenreservoir  wieder 
bildet,  so  kann  das  nur  dadurch  geschehen,  dass  man  Teile  vom 
Cysticus  stehen  lässt.  Bei  der  von  mir  geübten  Methode  der 
Ectomie  wird  der  Cysticus  dicht  am  Choledochus  abgeschnitten, 
so  dass  auch  nicht  der  geringste  Stumpf  zurückbleibt. 

Bei  der  mit  der  Ectomie  combinierten  Hepaticusdrainage 
kann   eine    Verschleppung   von   Gaze   in   den  Choledochus,  wie 


—     310    — 

ich  sie  in  dem  beschriebenen  Fall  beobachtet  habe,  nicht  vor- 
kommen, da  ja  das  Rohr  wasserdicht  liegt  und  durch  nach- 
trägliche Ausspülungen  des  Hepaticus  und  Oholedochus  dort 
liegende  Schleimpartikel,  zertrümmerte  oder  zurückgelassene 
Steinchen  oder  Gazefädchen  zum  Vorschein  kommen. 


3.  Die  transduodenale  Chol6dochotomie. 

(Siehe  auch  die  Fälle  von  Choledocho-Duodenostomia  interna 

unter  E.  II.) 

Nr.  148.     B.  K.,  38 j.  Förstersfrau  aus  Heteborn. 

Aufgen.:  2.  6.  1904. 

Operiert:  5.  6.  1904.-  Ectoraie.  Cysticotomie.  Hepa- 
ticus- und  Choledochusdrainage.  Mobilisierung 
des  Duodenum.  Transduodenale  Choledochotomie  • 
Choledochusfege. 
Entlassen:  16.  7.  1904.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet  und  hat  4  gesunde  Kinder- 
Mutter  und  eine  Schwester  an  Lungenschwindsucht  gestorben.  Pat. 
leidet  von  Kind  an  bis  heute  an  sehr  vielem  periodischen  Kopfschmerz, 
meist  mit  Erbrechen,  in  Pausen  von  2 — 3  Wochen.  Während  der 
Mitte  der  vorletzten  Schwangerschaft  traten  zum  ersten  Male  in  einer 
Viertelstunde  zurückgehende  Magenkrämpfe  auf.  Gegen  Ende  der 
Schwangerschaft  erster  richtiger  Gallensteinkolikanfall  (vor  6  Jahren). 
Die  Schmerzen  begannen  in  der  rechten  Rückengegend  und  zogen  sich 
nach  der  Magengrube.  Zu  Beginn  des  Anfalles  Erbrechen  von  Schleim 
und  Galle.  Die  Kolik  dauerte  12  Stunden  lang  und  hörte  erst  nach 
einer  Morphiuminjektion  auf.  Fieber  und  Ikterus  traten  nicht  auf.  Nach 
diesem  Anfalle  noch  8  Tage  lang  bettlägerig  wegen  Schmerzen  in  der 
Lebergegend  und  im  Rücken.  Die  Geburt  verlief  dann  normal  und 
Pat.  hatte  2  Jahre  lang  völliges  Wohlbefinden.  In  den  letzten  8  Jahren 
traten  alle  4—6—8  Wochen  leichtere  Koliken  auf,  die  keine  Morphium- 
injektion nötig  machten.  In  den  Zwischenzeiten  viel  Magendruck, 
Gähnen  und  Aufstossen.  Geringe  Nahrungsaufnahme  aus  Angst,  dem 
Magen  zu  schaden.  Sie  konnte  kein  Korsett  mehr  tragen,  da  ihr 
„alles  geschwollen  war,  alles  drückte".  Ende  August  1903  wieder  ein 
sehr  heftiger  Kolikanfall  mil  Morphiumeinspritzung  und  8  Tage  Bett- 
ruhe. Am  1.  Jan.  1904  starke  Kolik,  die  viel  Schmerzen  hinterliess.  In 
den  nächsten  3  Wochen  noch  4  heftige  Koliken,  die  förmlich  in  einander 
übergingen,  denn  Pat.  wurde  nie  ganz  schmerzfrei.  Viel  Erbrechen 
bei  den  letzten  Koliken.  Letzte  schwere  Kolik  vor  3  Wochen.  Seit 
dieser  besteht  ein  Schmerz  unter  der  rechten  Schulter,  besonders  bei 
Rückenlage.    Bei  den  Koliken  wurden  stets  heisse  Umschläge  gemacht, 


—     311     — 

zuweilen  wurde  Karlsbader  Salz  genommen.  Vor  4  Tagen  letzte  leichte 
Kolik,  zugleich  mit  einerri  Migräneanfall.  Herr  Dr.  Lehman  n-Kroppen- 
städt  riet  zur  Operation,  zu  welcher  sich  Pat.  jetzt  endlich  entschloss. 
Stuhlgang  ist  immer  etwas  angehalten.  Pat.  half  mit  Einlaufen  und 
Rizinusöl  nach.    Ikterus  bestand  uiemals. 

Befund:  Abgemagerte  Patientin  mit  roten  Backea  und  gesundem 
Aussehen.  Keine  Spnr  yon  Ikterns,  auch  keine  Spur  yon  Gallenfarb- 
stoflf  im  Urin.  Dieser  ganz  wasserhell.  Leber  gesenkt,  Druckschmerz 
ii)  der  Gallenblasengegend,  hier  Resistenz,  aber  kein  Tumor. 

Pat.  hat  4  Kinder,  muss  sich  sehr  um  den  Haushalt  bekümmern 
und  wünscht,  obwohl  es  ihr  augenblicklich  gut  geht,  dringend  die 
Operation.  „Sie  habe  die  Schmerzen  jetzt  satt."  Die  Operation  ist 
besonders  aus  sozialen  Gründen  indiziert. 

Diagnose:  Steine  in  der  Gallenblase.    Chron.  recid.  Cholecystitis. 

Operation:  5.  6.  04.  Sehr  gute  Chloroform-Sauerdtoffnarkose 
()0  gr.  Dauer  der  Operation  P/a  Stunde.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt, 
besonders  der  rechte  Lappen  voluminös,  sonst  normal.  Gallenblase 
mittelgross,  der  Fundus  fest  mit  Netz  verwachsen.  Man  geht  mit  dem 
Zeigefinger  der  linken  Hand  nnter  dns  Netz  nnd  ladet  es  so  auf  den 
Finger,  dass  die  Verwachsung  sich  gehörig  anspannt  nnd  eine  Trennung 
mit  Messer  und  Schere  gut  gelingt.  3  Sutnren  des  massig  blutenden 
Netzes.  Gallenblase  enthält  anscheinend  wenig  Flüssigkeit,  viele  Steine. 
Ectomie.  Gallenblase  schwer  von  der  Leber  zu  trennen,  es  bleibt  bei 
der  Excision  eine  dünne  Schicht  Leber  an  der  Gallenblase  zurück. 
Cysticus  ist  breit  und  weit.  Bei  der  Palpation  des  Choledochus,  der  gut 
zugänglich  ist,  findet  man  viele  bewegliche  Steine  im  supraduodenalen 
Teile.  Nach  Spaltung  des  Cysticus  und  Choledochus  Entfernung  der- 
selben. Retroduodenal  liegen  noch  mehrere  Concremente.  Mobilisierung 
des  Duodenum  nach  Kocher.  Im  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus 
liegt  ein  Stein  neben  dem  andern.  In  der  papilla  daodeni  fest- 
eingekeilt ein  Stein ,  der  völlig  unbeweglich  ist.  Auch  nach  völliger 
Beiseiteschiebung  des  Duodenum  lässt  er  sich  nicht  lockern.  Deshalb 
Duodenotomie.  Quere  Ineision  im  Hufeisen  dicht  am  Mesenterium. 
Papille  samt  Stein  wird  hervorgedrückt  und  nach  gründlicher  Ab- 
sperrungstamponade die  Papille  mit  2  König'schen  Klemmen  gefasst 
und  auf  den  Stein,  der  kleinhaselnnssgross  ist,  iucidlert.  An  Stelle 
der  König'scben  Klemmen  werden  2  Haltezügel,  die  die  Schleimhaut 
des  Choledochus  mit  der  des  Duodenum  vereinigen,  angelegt.  Nun 
entfernt  man  die  Steine  im  retroduodenalen  Teil  mit  Kornzange  teils 
von  der  Ineision  im  snpraduodenalen  Teil  des  Choledochus,  teils  vom 
Duodenum  aus.  Zuletzt  passieren  Kornzange  und  Sonden  glatt.  Eine 
Kocher'sche  Klemme  wird  vom  Duodenum  aus  durch  die  Papille  in 
den  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus  eingeführt,  sodass  sie  mit 
der  Spitze  durch  die  Ineision  im  supraduodenalen  Teil  zum  Torschein 
kommt.  Ein  schmaler,  feuchter  Gazestreifen  wird  mit  der  Klemme 
gefasst  und  durch  den  Choledochus,  die  Papille  und  das  Duodenum  nach 
aussen  gezogen.  Dabei  entfernt  man  viele  kleine  Steine  und  Steintrümmer. 


—     312     — 

Diese  Prozedur  muss  4  mal  wiederholt  werden,  ehe  der  Gholedochns  gauz 
rein  gefegt  ist.  Man  hat  also  ganz  wider  Erwarten  darch  diese  Chole- 
dochusfege  noch  eine  Menge  Steine  und  Steintrümnier  beseitigt,  die 
der  Sondierung  entgangen  waren.  Ein  Nelatonkatheter  wird  von  der 
Incision  im  supraduodenalen  Teil  so  in  den  Choledochus  eingeführt, 
dass  seine  abgeschnittene  Spitze  gerade  noch  aus  der  Papille  in  das  Duo- 
denum schaut.  Der  Katheter  wird  an  der  supradnodenalen  Incision 
mit  einer  feinen  Seidennaht  befestigt.  Schleimhautnaht  des  Duodenal- 
ächnitts,  nachdem  die  Haltezügel  an  der  Papille  entfernt  sind. 
Mehrere  Serosa-Muscularisnähte.  Auf  die  Naht  Netz.  Der  incidierte 
Cysticus  —  ca.  1^/2  cm.  lang  —  wird  in  sich  vernäht,  der  Hepaticus 
drainiert.  Es  fällt  auf,  dass  das  Rohr  sich  schwer  einschieben  lässt. 
Bei  genauerer  Palpation  findet  man  da,  wo  der  Hepaticus  in  dem  Leber- 
gewebe verschwindet,  noch  einen  grösseren  Stein.  Er  wird  chole- 
dochuswärts  verschoben.  Seine  Entfernung  gelingt  erst,  nachdem 
der  Hepaticus  nach  Incision  der  -Scheidewand  zwischen  Cysticus  und 
Hepaticus  zugänglich  gemacht  ist.  (Hepaticotomia  Interna.)  Bei  Son- 
dierung werden  weitere  Steine  im  Hepaticus  nun  nicht  mehr  gefunden. 

Ein  1  cm.  starkes  Gummirohr  wird  ca.  3  cm.  weit  in  den  Hepaticus 
vorgeschoben.  Die  aus  dem  Hepaticus  abfliessende  Galle  war  anfangs 
trübe,  zuletzt  goldklar.  Die  Choledochus-Incision  wird  möglichst 
wasserdicht  verschlossen.  Eine  stark  blutende  Vene  im  Leberbett  wird 
umstochen,  unter  den  Faden  Draht.  4  Tampons.  Bauchwaudnaht. 
Die  Tampons  werden  in  der  Mittellinie  herausgeleitet.  Aus  dem  Rohr 
fliesst  Galle.  Die  exstirpierte  Gallenblase  ist  wandverdickt,  Schleim- 
haut ulceriert,  Inhalt  trübe  Galle  und  viele  kleine  Steine.  Aus  dem 
Hepaticus  ist  ein  Stein,  aus  dem  Choledochus  sind  ca.  20  entfernt  worden. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  im  path.  Institut  in  Marburg 
ergibt  Folgendes: 

Gallenblase  2 — 2'/2  cm.  lang.  Die  Muskulatur  stark  kontrahiert.  Die 
Wandung  im  Ganzen  verdickt.  Die  Schleimhaut  leicht  wulstig  ver- 
dickt. An  der  einen  Seite  des  excidierten  Stücks  eine  pfennigstück- 
grosse  Partie  von  höckriger  Beschaffenheit  und  gelblicher  Verfärbung. 

Mikroskopische  Untersuchung:  Entzündliche  Verdickung  der 
ganzen  Wand,  starke  kleinzellige  Infiltration  der  Schleimhaut,  welche 
teilweise  geschwürige  Defekte  zeigt.  Die  elastischen  Fasern  weisen 
eine  sehr  starke  Vermehrung  auf,  nur  in  dem  Granulationsgewebe 
hat  eine  Zerstörung  der  elastischen  Elemente  stattgefunden.  Weiter 
sieht  man  bis  ziemlich  tief  in  die  Muskulatur  hineinreichend  drüsen- 
artige Hohlräume  mit  zylindrischem  Epithel. 

Verlauf:  Ganz  fieberfrei  und  reaktionslos.  Pat.  sieht  schon  am 
2.  Tage  post  op.  aus,  als  ,ob  nichts  passiert  wäre". 

16.  7.     Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Am  auffallendsten  an  diesem  Fall  ist  das  Fehlen 
des  Ikterus,  obgleich  der  Choledochus  voll  mit  Steinen  angefüllt 
und  die  Papille  fest  verschlossen  w^ar.    Die  Technik  ist  besonders 


—     313     — 

deshalb  bemerkenswert,  als  zum  ersten  Mal  die  „Choledochus- 
fege"  in  Anwendung  kam,  die  ich  von  nun  an  in  keinem  Falle 
von  transduodenaler  Choledoehotomie  versäumen  werde.  Der 
Fall  hat  mir  wieder  die  Nützlichkeit  der  Mobilisierung  des 
Duodenum  gezeigt,  doch  soll  man  statt  der  retroduodenalen 
Incision  die  transduodenale  wählen.  Ich  möchte  gerade  diese 
Operationsgeschichte  für  ein  eingehendes  Studium  empfehlen. 

Nr.  149.  L.  K.,  34j.  Gärtnersfrau  aus  Lemmie  bei  Hannover. 

Aufgen.:  29.  6.    1904. 

Operiert:  1.  7.  1904.  Ectomie.  Transduodenale  Chole- 
doehotomie. Choledochusfege.  Hepaticusdrainage. 
Choledochusdrainage.     Hepatopexie. 

Entlassen:  13.  8.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Herr  Dr.  Mey  e  r-Wennigsen  (Deisler)  schreibt  uns 
über  die  Patientin: 

„Pat.  bekam  im  April  1901  nach  der  Entbindung  den  ersten  Gallen- 
steinkolikanfall. Den  zweiten  Anfall  hatte  sie  im  Mai  und  Juni  1902. 
seitdem  bis  Ende  1902  alle  4  Wochen  einen  Anfall ;  die  Diagnose 
Gallensteine  ist  in  diesem  Falle  von  dem  Frauenarzt  Dr.  v.  Campe  ge- 
stellt, welcher  schon  damals  sofort  operieren  wollte.  Februar  1903 
ohne  typische  Anfälle.  Der  letzte  typische,  von  mir  täglich  be- 
obachtete Anfall  dauerte  vom  15.— 20.  Juni  des  Jahres  ;  dabei  war  die 
Leber  geschwollen  und  druckempfindlich,  die  Gallenblase  unter  dem 
Rippenbogen  enteneigross  fühlbar  und  druckempfindlich.  Puls  fieber- 
haft, häufiges  grasgrünes  Erbrechen,  enorme  Schmerzen,  welche  nur 
auf  Morphiuminjektionen  wichen.  Seit  dem  21.  Juni  ist  die  Frau 
ikterisch,  Schmerzen  sind  fort,  Leber  abgeschwollen,  Gallenblase  noch 
kirschengross,  empfindlich.  Puls  60,  Ernährungs-  und  Kräftezustand 
gut.  Steine  sind  bei  diesem  Anfall  trotz  genauesten  Suchens  nicht 
gefunden,  auch  früher  nicht.  Auch  in  den  Zwischenzeiten  hat  die 
Frau  dumpfen  Druck  in  der  Leber-  und  Magengegend;  sie  ist  jetzt 
„mürbe"  und  drängt  zur  Operation,  von  der  sie  auch  Wiederherstellung 
der  Arbeitsfähigkeit  erhofft.    Ich  habe  zur  Operation  dringend  geraten." 

Dazu  ist  noch  zu  bemerken :  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie 
und  ist  Mutter  von  3  gesunden  Kindern.  Als  junges  Mädchen  litt  sie 
stark  an  Bleichsucht.  Vom  18.— 20.  Jahre  hatte  sie  jährlich  1  bis  2 
mal  Magenkrampf.  Schon  der  erste  Gallensteinanfall  im  April  1901 
war  typisch,  mit  kolikartigen  nach  beiden  Seiten  und  dem  Rücken 
ausstrahlenden  Schmerzen  in  der  Gallenblasengegend.  Ikterus  trat  bis 
auf  den  letzten  Anfall  nie  auf,  desgleichen  war  der  Stuhl  nie  ver- 
färbt, dagegen  soll  sich  der  Urin  bei  den  Anfällen  rasch  vorübergehend 
hellbraun  gefärbt  haben,  doch  lange  nicht  so  stark  als  beim  jetzigen 
letzten    Anfall.      Der  jetzt    bestehende    Ikterus   ist  ziemlich  intensiv, 


—     314     — 

Stuhlgang  weiss,  Urin  dunkelbierbraun.  Pat.  hat  immer  an  Ver- 
stopfung gelitten;  der  Appetit  war  ausser  bei  den  Anfällen  immer 
gut.  Beim  letzten  Anfall  Fieber  und  Schüttelfrost,  was  sonst  nie  der 
Fall  war.  Hautjucken  vor  einigen  Tagen  sehr  stark,  jetzt  geringer. 
Gewichtsabnahme  um  einige  Pfund. 

Befund:  Stark  ikterische  Frau.  Leber  vergrössert.  In  der 
Gallenblasengegend  schmerzhafter  Tumor  palpabel.  Urin  frei  von  Ei- 
weiss  und  Zucker,  enthält  viel  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase.  Steine  im  Choledochus. 
Pat.  erhält  4  mal  Chlorcalciiim  3,6  gr.  als  Clysma. 

Operation:  1.  7,  04.  Wellenschnitt.  Leber  gross,  der  rechte 
Leberlappen  an  das  Perit.  parietale  durch  feine  Verklebungen  fixiert. 
Lösung.  Leber  sieht  auf  Cholangitis  sehr  verdächtig  aus  (gelbbraun.) 
Die  Gallenblase,  prall  gespannt,  ist  mit  Netz  fiächenhaft  verwachsen. 
Das  Netz  am  Perit.  parietale  adhärent.  Bei  der  Lösung  lebhafte 
Blutung  (5  Unterbindungen);  es -tritt  etwas  graugrüner  Gallenblasen- 
inhalt samt  einigen  kleinen  Steinen  in  die  untergelegten  Tupfer.  (Es 
bestand  also  bereits  eine  Perforation  der  eiterhaltigen  Gallenblase  in 
das  Netz.)  Sorgsame  Absperrungstamponade.  Aspiration  von  ca.  80  ccm. 
graugrünen  Eiters  aus  der  Gallenblase.  Nach  Entfernung  der  Hohl- 
nadel Abklemmung  des  Gallenblasenfundus.  Dann  Ectom  ie.  Dabei 
starke  Blutung  aus  Aesten  der  art.  cystica.  Ductus  cysticus  sehr 
kurz,  ulceriert,  wird  gespalten.  Auch  aus  dem  Choledochus,  der  3 
Steine  enthält,  tritt  graugrüner  Eiter  hervor.  In  der  Papille  fest- 
sitzeud  ein  ha'selnnssgrosser  Stein,  der  sich  nicht  hochdrücken  lässt. 
Deshalb  Duodenotomie.  Spaltung  der  Papille.  Entfernung  des  Steines. 
Choledochusfege  mit  feinem  (xazestreifen.  Nach  2maligem  Durch- 
ziehen ist  der  Gang  rein.  Drainage  des  Ductus  hepaticus,  aus  dem 
ebenfalls  Eiter,  keine  Galle  abfliesst.  Die  Drainage  des  Hepaticus  ist 
leicht,  nachdem  die  Wand  zwisclien  Cysticus  und  Hepaticus  eingekerbt 
ist  (Hepaticotomia  interna).  Rohr  in  den  Choledochus  bis  an  die  Pa- 
pilla duodeni  heran  (nicht  bis  in  das  Duodenum  hinein).  Verkleinerung 
der  Choledochusincision  durch  mehrere  Nähte.  Duodenalnaht  in 
2  Schichten.  Netz  auf  die  Naht.  3  Tampons,  (foram.  Winslowii,  Leberbett, 
Choledochusnähte).  Hepatopexie  mit  2  Suturen.  Bauchwandnaht. 
Dauer  der  Operation  Vjt  Stunden.  Gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose 
(50  gr.). 

Die  excidierte  Gallenblase  ist  sehr  entzündet  und  wandverdickt, 
enthält  viele  kleine  Steine  und  Eiter. 

Im  proximalen  Abschnitt  ist  die  Schleimhaut  von  unregel- 
mässigen, bis  über  stecknadelkopfgrossen,  dunkelrot  gefärbten,  wie 
Granulationen  aussehenden  Knötchen  besetzt.  Im  distalen  Teil  normales 
feinkörniges  und  feinfaltiges  Aussehen  der  Schleimhaut.  An  einer 
Stelle  narbenartige  Anordnung  der  Faltenzüge. 

Mikroskopischer  Befund :  Die  Muskulatur  erscheint  im  allgemeinen 
verdickt.  Die  subserösen  Schichten  durch  fibrilläres  Bindegewebe 
mächtig  verdickt.    Die  Schleimhaut  fehlt  bis  auf  geringe  drüsenartige 


—     315     — 

Reste.  Zwischen  den  Muskelschichten  ein  breites  Granulations-Gewebe. 
An  einer  Stelle  findet  sich  ein  kleines  Knötchen  mit  einer  Riesenzelle, 
welches  an  einen  Tuberkel  erinnern  könnte. 

Verlauf:  Völlig  fieberfrei.  Aus  dem  Hepaticns-  wie  ans  dem 
Choledochusrohr  fliesst  die  ersten  24  Stunden  gar  nichts  ab.  Das 
Choledochns roiir  wird  deslialb  abgelilemmt. 

2.  7.  04.  Aus  dem  Hepaticusrohr  fliesst  graugrüner  Eiter  (ca. 
100  ccm).    Befinden  tadellos. 

3.  7.  04.     Es  fliesst  trübe  Galle  in  die  Flasche. 

4.  7.  04.  Der  Gallenfluss  wird  reichlicher,  die  Galle  heller.  Ikterus 
nimmt  ab.     Befinden  tadellos.     Weiterhin  guter  Verlauf, 

13.  8.  04.  Geheilt  entlassen.  Ikterus  vollkommen  geschwunden. 
Allgemeinbefinden  sehr  gut. 

Epicrise:  Graugrüner  Eiter  fand  sich  sowohl  in  der 
Gallenblase,  wie  im  ductus  choledochus  und  hepaticus.  Der 
Stein  in  der  Papille  sass  unverschieblich  fest.  Die  „Chole- 
dochusfege"  bewährte  sich  auch  in  diesem  Falle  wieder. 

Die  Drainage  des  Choledochus  hat  weniger  den  Zweck, 
gestautes  Sekret  abzuleiten,  als  den  Gang,  der  während  der 
Hepaticusdrainage  ausser  Dienst  gesetzt  wird,  offen  zu  halten. 
Da  zudem  späterhin  Ausspülungen  nicht  nur  für  den  Hepaticus, 
sondern  auch  für  den  Choledochus  von  Nutzen  sind,  ist  die 
Drainage  auch  des  Choledochus  neben  der  des  Hepaticus  zu 
empfehlen.    Doch  habe  ich  nichts  dagegen,  wenn  man  sie  fortlässt. 

4.  Die  retroduodenale  Choledochotomie. 
Eine  Incision  im  retroduodenalen  Teil  des  Choledochus  habe 
ich  bisher  nicht  ausgeführt,  weil  ich  den  transduodenalen  Weg 
für  besser  halte.  Die  folgende  Krankengeschichte  kann  aber 
den  Weg  zeigen,  auf  dem  man  zum  retroduodenalen  Teil  des 
Choledochus  gelangt,  wenn  man  hier  incidieren  will. 

Nr.  150.    Th.  W.,  49jähi\  Brauereibesitzersfrau   aus  Wiehe. 

Aufgen.:  9.  5.  1904. 

Operiert:  13.  5.  1904.     Ectomie.     Hepaticusdrainage. 
Duodenalflstel  -  Verschluss.     Retroduodenale     Frei- 
legung    des    Choledochus  durch    Mobilisierung  des 
Duodenum.   Hepatopexie. 
Entlassen:  26.  6.  1904.     Geheilt. 
Anamnese:     Patientin    hat    drei    gesunde    Kinder,    4  Kinder, 
darunter  Zwillinge,  sind  gestorben.    Die   Mutter   der   Pat.   hat  viel  an 
Magenschmerzen  gelitten,  eine  Schwester  ist  an  Lungenschwindsucht 
gestorben.    Ausser  einem  Unterleibsleiden  (1896  ausgekratzt)  will  die 


—     316     — 

Pat.  immer  gesund  gewesen  sein.  Vor  4  Jahren  hatte  sie  zum  ersten 
Male  3  Tage  lang  Magenkrämpfe,  die  nach  beiden  Bauchseiten,  zum 
Rücken  und  zu  den  Schulterblättern  ausstrahlten.  Dabei  hatte  sie 
häufiges  galliges  Erbrechen  und  konnte  gar  keine  Nahrung  bei  sich 
behalten.  Der  Leib  war  angeschwollen  und  sehr  schmerzhaft,  im 
Bette  war  nur  Rückenlage  möglich.  Der  Arzt  konstatierte  ein  Magen- 
leiden und  bedeckte  den  ganzen  Leib  mit  Zugpflaster.  Dasselbe 
brachte  die  Patientin  sehr  herunter,  da  die  durch  dasselbe  gesetzten 
Wunden  sehr  lange  zum  Heiion  brauchten.  Doch  soll  es  die  ge- 
wünschte Wirkung  entfaltet  haben,  da  Pat.  danach  3  Jahre  lang  von 
jedem  Anfall  verschont  blieb.  August  1903  nach  einem  Spaziergang 
fühlte  Pat.  sich  sehr  matt  und  musste  sich  zu  Bette  legen.  Am  an- 
dern Morgen  Kolikanfall,  diesmal  mit  Schüttelfrost  einhergehend.  Der- 
selbe hielt  die  ganze  folgende  Nacht  noch  an  und  liess  am  Morgen 
erst  nach.  Patientin  wurde  ikterisch,  Urin  rot  und  Stuhlgang  weiss. 
Am  Abend  begann  dann  der  Anfall  aufs  neue,  bis  zum  andern  Morgen 
dauernd,  am  folgenden  Abend  desgleichen.  Danach  14  Tage  Ruhe  ; 
die  Gelbsucht  fing  an  zu  schwinden,  ebenso  die  Verfärbung  von  Urin 
und  Stuhl.  Dann  wieder  3  Tage  dauernder  Kolikanfall  mit  Gelbsucht. 
Anfang  September  1903  auf  Anraten  des  Herrn  Dr.  Kreisphysikus  K alk- 
hoff-KöUeda  zur  Kur  nach  Karlsbad.  Nach  3  Tagen  daselbst  4tägiger 
Kolikanfall  mit  Schüttelfrost  und  Gelbsucht.  14  Tage  später  ein 
gleicher  etwas  leichterer  Anfall  daselbst.  Sie  kam  wieder  krank  nach 
Hause  und  Anfang  Oktober  wurden  die  Koliken  schlimmer  denn  je,  Pat. 
wurde  ganz  braungelb.  Seitdem  alle  14  Tage  Koliken  mit  Ikterus  und 
Schüttelfrost  bis  zum  Februar  1904.  Seitdem  keine  Kolik  und  kein 
Schüttelfrost  wieder  aufgetreten;  dagegen  blieb  von  nun  an  die  grau- 
gelbe Farbe  der  Haut  bestehen  und  hellte  sich  nicht  mehr  auf.  Seit 
Februar  ist  sehr  starkes  Hautjucken  aufgetreten,  sodass  Pat.  durch  die 
fehlende  Nachtruhe  und  den  infolgedessen  mangelnden  Appetit  seit- 
dem sehr  heruntergekommen  sein  will  und  ganz  unfähig  zu  jeder 
Arbeit  wurde.  Vor  8  Tagen  gebrauchte  sie  eine  Oelkur.  Herr  Dr. 
Leffler -Kosen  schickt  die  Patientin  hieher. 

Befund:  Sehr  ikterische,  elende  Frau.  Urin  enthält  viel  Gallen- 
farbstoff, kein  Eiweiss.  Leber  gross,  kein  Gallenblasentumor  tastbar, 
Druckschmerz  in  der  MitteUinie  unterhalb  des  proc.  xiph. 

Diagnose:     Stein  im  Choledochus. 

Operation:    erst    am   13.   6.   04    wegen   sehr  profuser  Menses. 

Operation  in  Gegenwart  des  Herrn  Oberstabsarzt  Krämer-Halber- 
stadt. Sehr  gute  Chloroform-Sauerstoff narkose  (45  gr).  Wellenschnitt. 
Leber,  besonders  der  rechte  Lappen,  erheblich  vergrössert,  lässt  sich 
wenig  nach  aussen  lagern.  Die  Gallenblase  ist  klein  und  verdickt, 
mit  Duodenum  flächenhaft  verwachsen.  Leichte  Lösnug  mit  Messer 
und  Schere  bis  auf  eine  feste,  auf  Fistel  verdächtige  Stelle.  In 
der  Tat  liegt  eine  geheilte  Galleublasen  -  Dnodenalflstel  \or,  doch  ist 
es  nicht  möglich,  das  Duodenum  unversehrt  abzulösen.  Erbsengrosses 
Loch  im  Darm  wird  übernäht  (2  Sutaren.)  Im  Choledochus  retroduodenal 


—     317     — 

ein  haselimssgrosser  Stein,  der  mit  einem  Schwapp  hochkommt.  In- 
cision  im  snpradnodenalen  Teil.  Der  linke  Zeigefinger  nnd  Daumen 
des  Operateurs  fixiert  den  Stein,  es  wird  eingschnitten,  der  Stein 
entfernt,  und  nun  komprimiert  der  Operateur  den  Choledochns  hepa- 
tlcuswärts  und  lässt  die  Galle  schubweise  austreten.  Sie  wird  sofort 
fortgetupit.  Dann  wird  ein  Gazestreifen  in  den  Hepaticus  eingeführt. 
Die  Wundränder  der  Choledochusincision  werden  mit  König'schen 
Klemmen  gefasst.  Bei  der  Sondierung  des  retroduodenaleu  Teils  des 
Choledochus  hat  man  einmal  das  Gefühl,  dass  noch  ein  Stein  in  der 
Tiefe  steckt.  Deshalb  Freilegnng  des  retroduodenaleu  Teils  des  Chole- 
dochus nach  Spaltung  des  hinteren  Peritonealblattes  durch  langen  para- 
duodenalen Schnitt  (siehe  die  Abbildung  des  Herrn  Prof.  Payr  im  I.  Teil). 
Geringe  Blutung.  Fast  mit  Sicherheit  lässt  sich  feststellen,  dass  dieser  Teil 
frei  ist.  Die  Sonde  passiert  die  Papille.  Hepatiousdrainage.  Duodenum 
wird  wieder  zurückgelagert.  Die  Gallenblase  wird  exstirpiert,  stark 
entwickelte  Art.  cystica.  Cysticus  sehr  klein.  Ein  Tampon  auf  das 
Ijeberbett,  ein  zweiter  wird  so  gelagert,  dass  er  teils  vor  das  Foramen 
Wiuslowii,  teils  zwischen  Choldochusincision  und  Duodenum  oberhalb 
auf  das  Lig.  hepato-duodenale  zu  liegen  kommt.  A.uf  die  Dnodenal- 
naht  wird  ein  Zipfel  Netz  gelagert.  Hepatopexie  mit  2  Fäden.  Dauer 
der  Operation  65  Minuten. 

r>ie  exstirpierte    Gallenblase    enthält    nur  trübe,  riechende  Galle, 
keinen  Stein,  die  alte  Perforationsstelle  ist  noch  gut   zu  sehen. 
Das  pathol.  Institut  in  Marburg  schreibt  uns  Folgendes : 
Starke  Verkleinerung  der  Gallenblase.      Verdickung    der  Serosa- 
schichten.    Strahlige    Narbe    in    der  Schleimhaut,  die  feinwarzig  ver- 
dickt ist. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt  eine  sehr  starke  Hyper- 
trophie der  Muskulatur,  zwischen  deren  Spalten  die  Schleimhaut 
förmlich  ausgestülpt  wird,  sodass  epithelbekleidete  Fortsätze  der- 
selben an  zahlreichen  Stellen  die  ganze  Muskelsehicht  durchbohren. 
Die  im  ganzen  atrophische  Schleimhaut  besitzt  dennoch  ein  feines 
Faltensystem,  in  dessen  Buchten  kleine  wie  Schleimdrüschen  aus- 
sehende Gebilde  einmünden. 

Verlauf:  Galle  läuft  immer  sehr  reichlich.  Temperatur  stets 
normal.  Kein  Erbrechen.  Nur  der  Puls  ist  fünf  Tage  ziemlich  schnell, 
um    dann   vom   18.  5.   an  ron  120  Schlägen  auf  100  nnd  90  zu  sinken. 

Wunde  in  Ordnung. 

Am  20.  6.  ist  der  Verband  mit  Blut  durchtränkt.  Oberflächliche 
Lagen  werden  entfernt  und  erneuert.     Kein  Fieber. 

Am  22.  5.  starke  Blutung  in  den  Terband.  Die  Tampons  werden 
entfernt.  In  der  Tiefe  der  Wunde,  die  yöllig  reizlos  ist,  liegen  grosse 
Mengen  Blutgerinnsel.  Rohr  wird  entfernt.  Es  läuft  reichlich  Galle. 
Die  Choledochus -Incision  klafft  deutlich.  Neue  Tamponade.  Zweimal 
Chlorcaloinm  als  Clysma  4  gr.  Die  Blutung  steht.  Pat.  fühlt  sich 
nach  dem  Verbaudweehsel  wohler. 


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26.  5.  04.  Sehr  gutes  Allgemeinbefinden.  Blutung  hat  völlig  auf- 
gehört, Hepaticus  und  Choledochus  lassen  sich  bequem  spülen.  Galle 
ist  ganz  klar.     Temp.  normal. 

Weiter  sehr  gutes  Befinden.  Täglicher  Verbandwechsel.  Galle 
läuft  reichlich  und  klar.     Guter  Schlaf  und  guter  Appetit. 

5.  6.  04.  Verband  seit  3  Tagen  trocken.  Wunde  schon  sehr  eng. 
Fat.  geht  bereits  spazieren.     Ikterus  ganz  verschwunden. 

26.  6.  04.  Geheilt  entlassen. 
Epicrise:  Pat.  hatte  vor  4  Jalireii  eine  schwere  Chole- 
cystitis durchgemacht ;  damals  war  wahrscheinlich  die  Gallen- 
blase in  das  Duodenum  perforiert.  Ein  Stein  war  aber  zurück- 
geblieben und  gab  zur  Ausbildung  des  chron,  Oholedochus- 
Verschlusses  Veranlassung.  Bei  der  Operation  konnte  man  die 
geheilte  Gallenblasen-Duodenalfistel  feststellen.  Der  Inhalt  des 
Hepaticus  war  trübe  und  stank.  Die  Freilegung  des  retro- 
duodenalen  Teiles  des  Choledochus  machte  gar  keine  Schwierig- 
keiten, die  Blutung  war  unerheblich.  Ich  habe  mich  in  diesem 
Falle  (Gallensteinoperation  Nr.  918)  wiederum  überzeugt,  dass 
die  Mobilisierung  des  Duodenums  nach  Kocher  gut  gelingt,  dass 
aber  einer  retroduodenalen  Incision  aus  verschiedenen,  im  I.  Teil 
dieses  Buches  ausführlich  besprochenen  Gründen  zu  wider- 
raten ist. 


IV.  Die  Resektion  des  ductus  choledochus. 

Nr.  151.    K.  M.,  33 j.  Arbeitersfrau  aus  Wegeieben. 

Aufgen.:  29.  1.  1899. 

Operiert:   31.    1.    1899.     Resektion   des   Choledochus. 
Ectomie.     Hepaticusdrainage 

Entlassen:  12.  3.  1899.  Geheilt. 
Anamnese:  Mutter  der  Pat.  starb  an  Leberkrebs,  Vater  ist  ge- 
sund. 2  Geschwister  sind  gesund.  Frau  M.  war  früher  gesund ,  hei- 
ratete 22  J.  alt.  Mutter  3  gesunder  Kinder.  Vor  2 — 3  Jahren  Kolik- 
schmerzen, keine  Magenkrämpfe.  14  Tage  vor  Weihnachten  (1898) 
Schmerzen  krampfartiger  Natur  in  der  Magengrube  und  im  Rücken, 
danach  Gelbsucht.  Nächster  Anfall  Weihnachten.  Die  noch  bestehende 
Gelbsucht  nahm  noch  zu.  14  Tage  später  3.  Anfall.  22.  Januar  1899 
4.  Anfall.  Die  Gelbsucht,  w- eiche  sich  verringert  hatte,  nahm  wieder 
zu  und  besteht  z.  Z.  in  hohem  Masse.  Der  Stuhlgang  ist  hell,  lehm- 
farben.  Der  Urin  ist  bierbraun.  Der  Appetit  ist  gering.  Erbrechen 
trat  nicht  ein.  Pat.  ist  um  ca.  5  Pfd.  abgemagert.  Herr  Dr.  Kenne- 
baum schickt  die  Kranke. 


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Befund:  Kleine,  schwächliche,  stark  ikterische  Frau.  Organ- 
befund ohne  Besonderheiten  bis  auf  die  Leber,  die  zumal  im  rechten 
Lappen  stark  vergrössert  .ist.  Gallenblase  nicht  palpapel.  Urin  frei 
von  Eiweiss  und  Zucker,  stark  gallenfarbstofifhaltig. 

Diagnose:  Entzündlicher  Pankreastumor  infolge  entzündlicher 
Vorgänge  in  Gallenblase  und  Choledochus,  die  auf  Steine  zurückzu- 
führen sind,  möglicherweise  noch  Steine  im  Choledochus;  ikterische 
Stauungsleber  (Ulcus  duodeni?j. 

Operation:  31.  1.  99.  Gallenblase  gross,  weithin  mit  Netz 
und  Colon  verwachsen.  In  der  Gallenblase  Eiter  und  2  Steine. 
Im  Cysticus  ein  grosser  Stein,  der  eine  vollständige  Verlegung  des 
Choledochus  bewirkte.  Er  hat  wahrscheinlich  ein  Ulcus  gemacht,  so 
dass  an  der  Eintrittstelle  des  Cysticus  der  Choledochus  erheblich  strik- 
turiert  war.  Duodenalwärts  heller  eitriger  Schleim.  Choledochus  zur 
Cyste  verbreitert.  Incision.  Extraktion  eines  Steines.  Die  Strlktur 
im  Choledochus  wird  gespalten  und  dann  völlig  excidiert  (Resektion 
des  Choledochus).  Die  Hinterwand  des  vollständig  getrennten  Chole- 
dochus wird  soweit  genäht,  dass  nur  an  der  vorderen  Wand  ein  Loch 
zur  Hepaticusdrainage  bleibt.  Tamponade  nach  Excision  der  ulcerierten 
Gallenblase.  Auffällig  war,  dass  aus  dem  Hepaticus  keine  Galle  nach- 
floss.  Die  Leber  ist  so  insufficient,  die  Leberzellen  so  in  ihren  Funk- 
tionen gestört,  dass  sie  keine  Galle  hervorbringen.  Im  Pankreas  einige 
feste  Stellen.  Wir  überlegen  uns,  ob  nicht  besser  die  Choledocho-Duo- 
denostomie  anzuwenden  ist,  sehen  davon  ab,  weil  wir  hoffen,  dass  der 
Prozess  im  Pankreaskopf  nur  entzündlicher  Natur  ist.  Der  Schlitz 
im  Omentum  minus,  den  wir  anlegten,  um  den  Pankreaskopf  freizu- 
legen, wird  durch  Naht  wieder  geschlossen.  Das  Rohr  im  Hepaticus 
liegt  5  cm.  tief  und  wird  mit  einer  Sutur  fixiert.  Tamponade  ringsum. 
Dauer  der  Operation  VJ2  Stunden.     Gute  Narkose  mit  Chloroform. 

Verlauf:  Nie  Fieber,  Ikterus  schwindet  sehr  langsam,  was  auf 
die  lange  Dauer  der  Krankheit,  durch  welche  die  Leberzellen  schwer 
affiziert  sind,  zurückzuführen  ist.  Auch  aus  der  Fistel  fliesst  nur  wenig 
Galle  ab,  obwohl  die  Drainage  gut  funktioniert.  1.  Verbandwechsel 
am  12.  Tage,  Entfernung  der  Fäden.  Prima  intentio.  Allgemeinbe- 
finden gut,  Appetit  gering.  Die  Wunde  ist  seit  dem  10.  3.  geschlossen. 
Appetit  jetzt  gut,  Stuhlgang  braun,  Allgemeinbefinden  besser.  — 

12.  3.  99.    Geheilt  entlassen. 

Epicrise:  Striktiiren  im  Choledochus  sind  ausserordent- 
lich seltene  Befunde ;  so  gern  der  ductus  cysticus  obliteriert, 
so  schwer  hält  das  beim  ductus  choledochus,  weil  fortwährend 
Galle  durch  diesen  Gang  strömt  und  dieser  dadurch  immer 
offen  gehalten  wird. 

Häufiger  als  die  narbigen  Strikturen  sind  die  durch  eine 
Neubildung  bedingten ;    einen   solchen  Fall  teile  ich   jetzt  mit. 


—     320     — 

Die  Resektion  des  duclus  choledochus  und  hepaticus  wegen 
Carcinom  will  ich  an  der  Hand  eines  Falles  beschreiben,  den 
ich  am  21.  November  1902  operiert  habe.  Die  ausführliche 
Veröffentlichung  findet  sich  in  der  Münch.  med.  Wochenschrift 
1903,  Nr.  3. 

Ehe  ich  die  Technik  der  Operation  näher  beschreibe,  lasse 
ich  zunächst  die  Krankengeschichte  folgen: 

Nr.  152.    E.  L.,  53j.  Rektor  aus  Osnabrück. 

Aufgen.:  20.  11.  1902. 

Operiert:  21.  11.  1902.      Resektion  des  Choledochus. 
Hepatico-Duodenostomie.     Ectomie.     Hepatopexie. 
Entlassen:  24.  12.  1902.    Geheilt. 

Anamnese:  Familiengeschichte  und  Vorleben  ohne  Belang. 
Der  Stuhl  war  stets  träge. 

Vor  etwa  1  Jahr  nach  kaltem  Trinken  8  Tage  lang  Schmerzen 
im  Leibe,  nicht  kolikartig,  gleichmässig,  wenig  stark. 

Anfang  September  8  Tage  lang  Durchfälle,  Uebelkeit,  allgemeines 
Unbehagen,  keine  Schmerzen.  Danach  Ikterus,  der  seitdem  immer 
mehr  zugenommen  bat,  ohne  einmal  nachzulassen.  Der  Stuhl  meist 
weiss  oder  grau,  manchmal  aber  fast  normal  gefärbt,  der  Urin  bier- 
braun. Patient  leidet  besonders  unter  dem  Hautjucken,  das  ihn  nicht 
schlafen  lässt,  sonst  fühlt  er  sich  wenig  krank.  Fieber  oder  Frösteln 
hat  er  nie  gehabt,  docb  hat  er  in  8  Wochen  ca.  30  Pfund  abgenommen. 
Auf  Rat  der  Herren  Sanitätsrat  Dr.  Pelz  und  Dr.  Wilm  in  Osnabrück 
kommt  er  hierher.  Beide  Kollegen  haben  die  Diagnose  auf  Karzinom- 
verschluss  des  Choledochus  gestellt. 

Befund:  Sehr  stark  ikterischer,  magerer  Mann.  Herz  und  Lungen 
gesund.  Im  Urin  viel  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss,  kein  Zucker. 
Leib  weich,  flach.  Gallenblase  als  grosser,  sehr  praller,  gar  nicht  druck- 
empfindlicher Tumor  fühlbar.  Leber  erheblich  vergrössert,  Oberfläche 
glatt,  Herz,  Lungen  gesund.     Milz  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Chronischer  Choledochusverschluss  durch  Tumor  (viel- 
leicht Pankreatitis   chron.  interst.). 

Patient  bekommt  2  mal  3,6  gr.  Chlorcalcium. 

Operation:  21.  U.  02  in  Beisein  des  Herrn  Dr.  Erik  Lind- 
Stockbolm.  Wellenschnitt.  Leber  massig,  vergrössert,  starr,  nicht 
bucklig.  Gallenblase  (7  in  Fig.  21)  sehr  gross,  sehr  prall  ge- 
spannt, ohne  Adhäsionen.  Aspiration  wasserklaren  Inhalts.  Im 
Cysticus  (6)  ein  haselnussgrosser  Stein,  der  sofort  in  den  Fundus  der 
Gallenblase  gedrückt  wird.  Entfernung  desselben  nach  Incision.  In 
die  Gallenblase  wird  sterile  Gaze  eingeführt  und  die  Inzisionsstelle  ab- 
geklemmt. An  der  Bifnrkationsstelle  des  Cysticns  und  Hepaticus  fühlt 
man  einen  runden,  sehr  harten  Tumor,  der  zuerst  als  Drüse  imponiert. 
Nachdem  aber  diese  Stelle  dem  Auge  zugänglich  gemacht  ist,   stellt 


321     — 


sich  heraus,  dass  der  Tumor  dem  Choledochus  und  Hepaticus  ange- 
hört. Leberwärts  ist  der  Hepaticus  (3)  sehr  ausgedehnt,  von  der  Grösse 
einer  Walnuss,  und  bei  der  Incision  spritzt  die  klare  Galle    im  Bogen 

heraus.      Der   Tumor   ist 
^^  scharf  begrenzt  nach  üben 

und  nach  dem  Duodenum 
zu:  von  seiner  Unterlage, 
der  Vena  portarum,  lässt 
er  sich  abheben.  Die 
starre  Leber  ist  etwas  im 
Wege,  doch  gelingt  die 
Freilegung  des  Tumors 
gut.  Da  alles  für  Carcinom 
spricht,  wird  die  Resek- 
tion beschlossen.  Zuerst 
wird  das  duodenale  Ende 
des  Choledochus  (3)  dicht 
am  Duodenum  freige- 
macht und  mit  einer 
Kocher  sehen  Klemme 
abgeklemmt.  Dicht  vor 
dieser  wird  der  Chole- 
dochus quer  durchschnit- 
ten, bis  die  Vena  portarum 
(5)  zu  Gesicht  kommt.  Das  Gefass  schimmert  blau  hindurch,  ist  als 
fingerdicker  Strang  prall  mit  Blut  gefüllt  fühlbar.  Präparation  des  Cho- 
ledochus von  seiner  Unterlage  (Vena  portarum)  bis  zum  Hepaticus. 
Nur  eine  Unterbindung  ist  nötig.  Excision  der  Gallenblase  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  Cysticus  und  dem  resezierten  Choledochus  resp. 
Hepaticus,    Unterbindung  der  Art. 

cystica.    Eine  zirkuläre  Naht  zwi-  Pig-  22. 

sehen  Hepaticus  und  Choledochus 
ist  unmöglich,  weil  1.  der  Abstand 
beider  Lumina  sehr  gross  ist  (viel- 
leicht 6  cm).  Hepaticus  und  Chole- 
dochus, von  denen  etwa  3V2  cm. 
reseziert  sind,  haben  sich  beträcht- 
lich retrahiert.  2.  Weil  das  Lumen 
des  Hepaticus  weit  (kleinfinger- 
dick), das  des  Choledochus  sehr 
eng  ist  (bleistiftstark).  Es  wird  des- 
halb das  duodenale  Ende  des  Chole- 
dochus durch  eine  Ligatur  (3)  geschlossen  und  versenkt  (siehe  Fig. 22.) ;  es 
verschwindet  völhg  retroduodenal.  Der  Hepaticus  (1)  wird  in  das  Duo- 
denum (2)  implantiert;  die  Spannung  ist  nicht  unbedeutend,  doch  ge- 
lingt die  Naht  (erst  hintere  Naht,  dann  vordere  mit  feiner  Seide;  ein- 
fache Naht,  keine  Schleimhautnaht).  Auf  die  Naht  wird  ein  breiter, 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  21 


—     322     — 

beweglicher  Netzzipfel  aufgenäht.  Die  Naht  wird  nicht  tamponiert, 
sondern  nur  das  wunde  Leberbett.  Annähung  der  Leber  an  das  Peri- 
toneum parietale  mit  3  Seidensuturen  (darunter  Draht).  Verschlies- 
sung  der  Bauchwunde  mit  doppelt  armierten  Seidensuturen  nach 
Spencer- Wells  bis  auf  einen  kleinen  Spalt  in  der  Mitte  des  Schnitts, 
wo  die  tamponierende  sterile  Gaze  herausgeleitet  wird.  Verband. 
Dauer  der  ganzen  Operation  P/z  Stunden,  Puls  50—60,  kräftig.  Gute 
Chloroformnarkose. 

Das  herausgeschnittene  Präparat  bestand  aus  der  Gallenblase  (7) 
mit  dem  Cysticus  (6)  und  einem  1^2  cm.  langen  Stück  des  Chole- 
dochus  und  einem  2  cm.  langen  Stück  des  Hepaticus  (1 — 3).  Gerade 
an  der  Konfluenz  von  Cysticus  und  Choledochus  fühlt  man  eine  zirka 
haselnussgrosse  Härte.  Führt  man  eine  Sonde  von  dem  ca  1'/»  cm. 
weiten  Lumen  des  Hepaticus  ein,  so  kann  man  nur  unter  Schwierig- 
keit den  Choledochus  passieren,  dessen  Lumen  sehr  eng  ist  und 
kaum  2  mm.  beträgt.  Aufgeschnitten  zeigt  der  Kanal,  dass  die  Schleim- 
haut noch  intakt  ist,  die  Neubildung  aber  ringförmig  den  Gang  so 
verengt,  dass  eine  vollständige  Retention  der  Galle  erfolgen  musste. 
Oberhalb  der  Striktur  bedeutende  Erweiterung,  unterhalb  derselben 
hochgradige  Enge.  Auch  der  Cysticus  war  durch  die  Neubildung  der- 
artig verschlossen,  dass  er  nur  für  eine  feinste  Sonde  durchgängig 
war.  Das  pathologische  Institut  zu  Göttingen  hatte  die  Güte,  die 
mikroskopische  Untersuchung  des  Präparates  zu  besorgen  und  teilte 
uns  folgendes  Ergebnis  mit :  »Die  mikroskopische  Untersuchung  er- 
gibt die  Anwesenheit  krebsiger  Wucherungen  in  der  Wand  des  Ductus 
choledochus,  welche  dieselbe  diffus  durchsetzen  und  aus  schmalen 
spaltförmigen  Strängen  mit  z.  T.  hohem,  kubischem  Epithel,  z.  T. 
abgeplatteten  Zellen  bestehen,  die  anscheinend  den  Lymphspalten 
folgende  Stränge  darstellen." 

Verlauf:  Kein  Erbrechen.  Puls 70.  Temp.  38,1.  Kochsalzinfusion. 

22.  11.  Temp.  38,1.  Puls  92.  Befinden  gut.  Im  Verband  viel  Galle. 
Kein  Erbrechen  und  Aufstossen,  Urin  spontan.  Verbandwechsel. 
Kochsalzinfusion.  Nachmitt.  Temp.  38,4.  Puls  120.  Im  Leib  noch  kein 
Kollern.  Magenspülung  ergibt  viel  Inhalt,  etwas  Galle,  wenig  Blut. 
Kochsalzinfusion. 

23.  11.    Temp.  37,6.  Puls  100.    Etwas  Blähungen. 

24.  11.  Temp.  37,8.  Puls  90.  Befinden  gut.  Im  Verband  Galle. 
Es  erfolgt  spontane  Stuhlentleerung.     Stuhl  braun. 

27.  11.  Pat.  ist  immer  fieberfrei.  Puls  zwischen  80  und  90.  Pat. 
trinkt  reichlich  Milch.  Täglich  einmal  wenig  Erbrechen.  Magen  bei 
Spülung  immer  leer  von  Speisen,  der  Inhalt  gallig  gefärbt  (geringer 
Rückfluss  durch  Zerrung  des  hochfixierten  Duodenums). 

28.  11.  Gestern  Abend  Pulsbeschleunigung.  Sehr  grosse  Mengen 
(ca.  Vh  1)  Galle  im  Magen.  Ebenso  heute  Morgen.  Puls  120,  klein. 
Kochsalzinfusion  2  mal.  Pat.  wird  auf  die  rechte  Seite  gelegt.  Darnach 
kein  Erbrechen,  kein  Aufstossen  mehr.  Abends  Magen  leer  trotz  reich- 
licher Flüssigkeitszufuhr  im  Laufe  des  Tages.    Abends  Temp.  38,0. 


—     323     — 

29.  11.  Nacht  ruhig.  Puls  96.  Kein  Erbrechen.  Kein  Auf- 
stossen.  Fühlt  sich  heute  sehr  wohl.  Fortgesetzt  rechte  Seitenlage. 
Temp.  37,6-38,0. 

2.  12.  Fieberfrei.  Nimmt  seit  gestern  etwas  feste  Nahrung  zu 
sich.    Befinden  gut. 

4.  12.  Verbandwechsel.  Entfernung  der  Tampons  unter  reich- 
lichem Spülen  mit  Kochsalzlösung.  Wundtrichter  sieht  sehr  gut  aus. 
Naht  hat  gehalten.    Neue  Tamponade. 

5.  12.  Ausgezeichnetes  Befinden.  Verband  trocken.  Sehr  guter 
Appetit. 

9.  12.  Verbandwechsel.  Wenig  Sekret  im  Verband,  etwas  übel- 
riechend. Nach  Lockerung  der  Tampons  erscheint  an  der  tupfenden 
Gaze  etwas  Galle.  Neue  Tamponade.  Am  Nachmittag  die  untersten 
Verbandstücke  mit  heller  Galle  durchtränkt. 

10.  12.    Die  Durchtränkung  hat  nicht  zugenommen. 

11.  12.   Heute  ganz  trocken. 

12.  12.  Noch  trocken.  Sehr  gutes  Allgemeinbefinden.  Verband- 
wechsel. 

13.  12.  Wundtrichter  sehr  eng,  so  dass  nur  noch  ein  ganz  feiner 
Streifen  steriler  Gaze  eingelegt  werden  kann.  Seit  dem  10.  12.  hat 
sich  kein  Tropfen  Galle  mehr  im  Verband  gezeigt.  Die  am  9.  12.  aus- 
getretene Galle  dürfte  noch  aus  einem  offenen  Gallengang  im  Leber- 
bett herstammen.  Sekretion  wird  imimer  geringer,  Fäzes  gut  gefärbt. 
Appetit  sehr  gut.  Das  Jucken  hat  völlig  nachgelassen.  Fat.  steht 
etwas  auf.  Die  Heilung  der  Wunde  und  die  Besserung  des  Allgemein- 
befindens machen  solche  Fortschritte,  dass  Fat.  am  24.  12.  in  seine 
Heimat  entlassen  werden  kann. 

Ich  habe  bei  Gelegenheit  der  Bearbeitung-  des  Abschnittes 
der  chirurgischen  Krankheiten  der  Gallenwege  und  der  Milz  in 
dem  Handbuch  der  praktischen  Chirurgie  von  v.  Bergmann, 
V.  Bruns,  v.  Mikulicz  mich  bereits  eingehend  mit  den  Car- 
cinomen  der  Gallen wege  beschäftigt  und  kenne  die  Literatur 
über  diesen  Gegenstand  wohl  ziemlich  genau. 

Überall  stösst  man  nur  auf  recht  spärliche  Notizen  über 
diese  Krankheit,  und  so  häufig  bisher  primäre  Carcinome  der 
Gallenblase  beobachtet  wurden,  so  selten  findet  man  Angaben 
über  die  Carcinome  des  Choledochus. 

Schüppel  macht  auf  p.  71  einige  Bemerkungen  über  den  pri- 
inären  Gallengangskrebs;  er  erwähnt  die  Falle  von  Villardund 
Schreiber  und  fügt  einen  Fall  eigener  Beobachtung  hinzu,  welcher 
für  das  anatomische  Verhalten  des  primären  Gallengangkrebses  als 
Paradigma  dienen  kann.  Der  Krebs  sass  bei  dem  60  jähr,  stark  ikter- 
ischen  Mann  an  der  Bifurkationsstelle,  welche  auf  eine  2  cm.  lange  Strecke 
von  einer  festen  skirrhösen  Neubildung  eingenommen  war.  Das  Lumen 
des    Ganges    war    ein    sehr    enger   Spalt,   für   die  Sonde  nur  mühsam 

21* 


—     324     — 

durchgängig.  Einen  ähnlichen  Fall  habe  ich  vor  2  Jahren  operativ 
behandelt.  Es  gelang  mir,  die  karzinomatöse  Striktur  zu  dehnen  und 
so  die  gestaute  Galle  abzuleiten;  der  Pat.  erlag  aber  wenige  Wochen 
nach  der  Operation  seiner  Grundkrankheit. 

Nicht  viel  mehr  wie  bei  Schüppel  finden  wir  bei  Langen- 
buch und  Naunyn  über  den  Krebs  der  Gallenwege.  Naunyn 
sagt:  „Am  häufigsten  sind  die  Karzinome  am  Duodenalende  des  Duc- 
tus choledochus,  dann  an  der  Einmündungsstelle  des  Cysticus  in  den 
Choledochus  und  an  der  Bifurkation  des  Hepaticus.  Sie  stellen  sich 
meist  als  Infiltration  der  Wandung  des  Gallenganges  dar,  den  sie  ver- 
engern oder  verschliessen.  Die  Schleimhaut  ist  häufig  über  der  In- 
filtration noch  vollkommen  oder  fast  vollkommen  unversehrt  Es  sind 
diese  Veränderungen  an  den  Gallengängen,  wie  Schüppel  bemerkt, 
leicht  zu  übersehen  oder  zu  verkennen."  (pag.  155.)  „Zur  Entwick- 
lung von  Metastasen  kommt  es  selten,  weil  die  Neubildungen  lang- 
sam zu  wachsen  scheinen  und  die  absolute  Gallenstauung  schon  früher 
tödlich  zu  werden  pflegt."  Bei  Quincke  und  Hoppe-Seyler  findet 
man  auf  pag.  118  und  pag.  458  ebenfalls  nur  wenige  Notizen  über  die 
primär  in  den  Gallenwegen  vorkommenden  Krebse.  „Häufig  sind  sie 
mehr  ringförmig  (Willigk,  Deetjen),  oft  sehen  sie  mehr  polypös 
aus,  und  erst  die  genauere  mikroskopische  Untersuchung  erweist  ihren 
malignen  Charakter.  Der  Natur  der  Sache  nach  brauchen  sie  nicht 
gross  zu  sein,  um  erhebliche  Störungen  und  in  kurzer  Zeit  den  Tod 
eintreten  zu  lassen,  denn  sie  führen,  wenn  sie  am  Choledochus  oder 
Stamm  des  Hepaticus  sitzen,  rasch  zu  Gallenretention  und  zu  Cholämie 
und  auch  die  am  Cysticus  sitzenden  ziehen  bald  den  Hepaticus  und 
Choledochus  in  die  Krebsbildung  hinein,  so  dass  rasch  ein  totaler 
Verschluss  der  Gallenwege  und  so  die  Folgen  der  Gallenstauung  in 
der  Leber  entstehen."  Am  ausführlichsten  äussert  sich  Kraus  über 
die  Karzinome  der  Gallenwege:  „Wie  überhaupt  in  den  Gallenorganen 
gehören  aber  auch  hier  die  weitaus  häufigsten  und  wichtigsten  Ge- 
schwülste zu  den  Carcinomen.  Den  Ausgangspunkt  derselben  an- 
langend, konnte  wenigstens  für  eine  Anzahl  von  Fällen  der  mikro- 
skopische Nachweis  erbracht  werden,  dass  ihre  Bildung  von  den  Gallen- 
gangsdrüsen herrührt.  Die  grossen  Gallengänge  sind  hauptsächlich  in  ihren 
zentralen  Abschnitten  mit  Drüsen  ausgestattet.  Am  reichlichsten  sind 
solche  im  Hepaticus  vorhanden,  weniger  im  oberen  Teile  des  D.  chole- 
dochus; im  unteren  Teil  des  letzteren  nehmen  sie  ab.  Der  azinös  ge- 
baute Drüsenkörper  liegt  ähnlich  einer  Pinienkrone  in  der  bindege- 
webigen Wand  (Riess).  Man  spricht  demselben  eine  schleimartige 
Absonderung  zu,  von  welcher  noch  strittig  ist,  ob  sie  echtes  Muzin 
enthält.  Nach  Vergrösserung  der  Drüsenbläschen,  vielleicht  durch 
Zusammenfliessen,  wuchern  die  Zylinderepithelien  stark  und  durch- 
ziehen in  Form  von  Schläuchen  das  Lumen.  Damit  im  Zusammen- 
hange erfolgt  eine  Hineinwucherung  des  Stroma,  und  die  Drüsenbläs- 
chen werden  in  mikroskopisch  kleine  Krebsknötchen  verwandelt  (M. 
Howald).  Gewöhnlich  ist  das  Stroma  reichlich  vorhanden,  so  dass 
der    Krebs    die    BeschaflFenheit   des  Skirrhus  annimmt  (Dieckmann). 


—     325     — 

Die  Neubildung  stellt  sich  zunächst  als  Infiltrat  der  Wand  des  Gallen- 
ganges dar,  welchen  sie  verengert  und  weiterhin  verschliesst.  Die 
Schleimhaut  über  dem  Infiltrat  kann  lange  vollkommen  oder  teilweise 
unversehrt  bleiben.  Die  Neubildung  gestaltet  sich  entweder  ring- 
förmig oder  mehr  polypös,  bisweilen  zottenförmig.  Fast  immer  han- 
delt es  sich  bis  zum  Ende  um  Tumoren  von  geringer  Grösse.  Der 
Durchmesser  beträgt  oft  nicht  mehr  als  1  cm.  und  auch  die  Längs- 
ausdehnung ist  eine  verhältnismässig  geringe,  nur  in  der  Ausdehnung 
von  einigen,  bis  etwa  5  cm.  pflegt  die  Wand  ergriffen  zu  sein.  Doch 
sind  immerhin  Tumoren  über  Walnuss-,  ja  bis  Faustgrösse  gesehen 
worden.  Neben  der  verborgenen  Lage  ist  es  diese  Kleinheit,  was  die 
Palpation  der  Choledochusgeschwülste  fast  ausnahmlos  unmöglich 
macht.  Entsprechend  den  bekannten  Lokalisationsgesetzen  für  Krebse 
überhaupt  finden  sich  auch  in  den  Gallengängen  die  Karzinome  haupt- 
sächlich an  den  schmälsten  Stellen  des  Stromgebietes  (Choledochus- 
mündung,  Konfluenz  von  Cysticus  und  Hepaticus,  Teilungsstelle  des 
Hepaticus)."  In  den  von  Kraus  beobachteten  Fällen  mit  Obduktion 
handelte  es  sich  7  mal  um  eine  Geschwulst  in  der  Umgebung  des 
Diverticulum  Vateri,  3  mal  waren  es  Carcinome  in  der  (jegend  der 
Teilungsstelle  des  Hepaticus  und  Cysticus,  bloss  1  mal  des  Hepaticus. 
Weiterhin  ist  Kraus  nicht  der  allgemeinen  Ansicht,  dass  Krebse  des 
Choledochus  selten  zu  Metastasen  neigen,  im  Gegenteil,  nach  seiner 
Erfahrung  ist  „die  Entwicklung  von  Metastasen  4ine  sehr  regelmässige 
und  reichliche". 

Über  die  primären  Carcinome  der  Papilla  Vateri  hat  im  Jahre  1901 
Seh  Uli  er  aus  der  Czerny  sehen  Klinik  eine  ausführliche  Arbeit  ver- 
öfl"entlicht.  Er  konnte  bereits  41  Fälle  zusammenstellen.  Carcinome, 
die  an  anderer  Stelle  des  Choledochus,  d.  h.  also  nicht  an  der  Papille, 
sondern  im  freien  Teil  des  Choledochus  und  Hepaticus  sich  lokalisiert 
hatten,  kennt  Sc  hü  11  er  19.  Wegen  Carcinom  an  der  Papille  stellt 
Sc  hüller  10  Palliativoperationen  zusammen,  von  denen  keine  einen 
Erfolg  hatte.  Bei  der  einzigen  bisher  bekannten  Radikaloperation,  die 
Czerny  ausführte*),  gelang  es,  das  Carcinom  transduodenal  zu  exstir- 
pieren,  den  Ductus  choledochus  und  pankreaticus  unter  einem  in  das 
Duodenum  einzunähen.  Die  Nähte  wurden  insuffizient,  und  der  Patient 
erlag  der  dadurch  verursachten  Infektion.  Zum  Schluss  bemerkt 
Sc  hüller:  „Je  früher  und  je  häufiger  aber  bei  Erkrankungen  der 
Gallenwege  operiert  werden  wird,  desto  mehr  solche  Carcinome  werden 
vielleicht  in  einem  Zustand  zur  Beobachtung  kommen,  der  technisch 
eine  Radikaloperation  nicht  ausschliessen  wird.  Freilich  wird  nie  ver- 
gessen werden  dürfen,  die  anatomischen  Verhältnisse,  insbesondere 
auch  das  Verhalten  und  die  Durchgängigkeit  des  Ductus  Wirsungianus 
und  des  Ductus  Santorini  genau  zu  prüfen  und  die  Metastasen  in 
Rücksicht  zu  ziehen.  Trotz  der  sehr  zweifelhaften  Prognose  wird 
man  in  der  Erwägung,   dass  die  Krankheit   ohne   radikale  Entfernung 

*)  Seitdem  sind  Fälle  von  Halsted  und  Körte  publiziert.  Siehe 
im  ersten  Teil  das  Kapitel :  Die  Resektion  des  ductus  choledochus. 


—     326     — 

der  Ursache  immer  in  kürzester  Zeit  zum  Tode  führt,  berechtigt  sein, 
in  geeignet  scheinenden  Fällen  unter  jeweiliger  Modifikation  der 
Operationstechnik  und  Wundversorgung  den  Versuch  einer  Radikal- 
operation zu  machen." 

Courvoisier,  der  mit  einem  Fleiss  ohne  gleichen  bis  zum 
Jahre  1890  die  Erfolge  des  Messers  auf  dem  Gebiete  der  Gallenstein- 
chirurgic  zusammengestellt  hat,  konnte  nur  21  Neubildungen  des  Chole- 
dochus  zusammenstellen;  davon  waren  15  Carcinome.  19  mal  ist  der 
Sitz  in  diesen  Fällen  angegeben,  9  mal  ist  der  Anfangsteil  des  Ganges, 
nahe  an  der  Vereinigung  von  Cysticus  und  Hepaticus,  3  mal  die  Mitte 
7  mal  die  Pars  intestinalis  resp.  das  Ostium  genannt. 

Spangenberg  (1896)  nennt  noch  Fälle  beschrieben  von  van 
derByl,  Korczynski,  Sohüppel,  Niemeyer,  Howald,  War- 
fringe, och  Wallis,  Lindh  och  Köster,  Brunswig  und  2  Fälle 
aus  dem  pathologischen  Institut  in  Freiburg.  „In  Bezug  auf  den  Sitz 
der  Neubildung  scheint  keine  besondere  Prädilektionsstelle  vorhanden 
zu  sein". 

Heynen  (1896)  gibt  an,  dass  er  in  der  Literatur  nur  17  genauer 
beschriebene  Fälle  von  primärem  Krebs  der  Gallenwege  gefunden  habe. 

Ehe  ich  die  Symptome  des  Krebses  der  Gallenwege  be- 
spreche, möchte  ich  über  den  Zusammenhang  zwischen  Carcinom 
und  Gallensteinen  eine  kurze  Bemerkung  einflechten. 

Wie  bekannt,  entsteht  das  Carcinom  der  Gallenblase  häufig 
auf  dem  Boden  der  Cholelithiasis,  resp.  der  durch  die  Steine 
erzeugten  Ulcerationen.  Für  die  Krebse  des  Choledochus  ist  ein 
solcher  Zusammenhang  in  nur  wenigen  Fällen  bisher  nachweis- 
bar gewesen,  und  auch  in  meinem  Falle  glaube  ich  nicht,  dass 
durch  den  Reiz  des  Cysticussteins  der  Entstehung  des  Carci- 
noms  Vorschub  geleistet  wurde.  In  den  Fällen  von  Kraus, 
von  Du  rand -Fardel,  Brenner  ist  ein  Zusammenhang  zwi- 
schen Cholelithiasis  und  Carcinombildung  nicht  ganz  von  der 
Hand  zu  weisen,  ein  sicherer  ätiologischer  Zusammenhang  ist 
aber  bisher  noch  nicht  festgesellt. 

Ich  begnüge  mich  mit  diesen  Angaben  über  das  Vorkommen 
des  primären  Carcinoms  der  Gallenwege  und  gehe  dazu  über, 
für  den  Praktiker  wichtige  Punkte  hervorzuheben: 

1.  In  den  allermeisten  Fällen  gelingt  es  auf  Grund  der 
Anamnese  und  der  Symptomatologie  festzustellen,  ob  der  Chole- 
dochusverschluss  durch  einen  Stein  oder  durch  einen  Tumor 
bedingt  ist. 

2.  Die  allgemein  —  auch  von  mir  —  bisher  vertretene  An- 
sicht, man  solle  nur  beim  Verschluss  durch  Steine  operieren,  ist 
zu  verwerfen. 


-     327     — 

8.  Mein  Fall  zeigt,  dass  auch  die  bisher  noch  nicht  aus- 
geführte Kadikaloperatiou  des  Choledochuskrebses  technisch 
durchführbar  ist. 

Punkt  1  habe  ich  ausführlich  in  meiner  Anleitung  zur  Er- 
lernung der  Diagnostik  der  einzelnen  Formen  der  Gallenstein- 
krankheit besprochen.  Auch  bei  Kraus  findet  man  eine  ganz 
ausgezeichnete  Darstellung  der  diiferentiellen  Diagnostik  des  chro- 
nischen Choledochusverschlusses  bedingt  durch  Stein  oder  Tumor. 

Um  mich  möglichst  kurz  zu  fassen,  verweise  ich  auf  diese 
Arbeiten  und  bringe  die  Unterscheidungsmerkmale  zwischen 
Choledochusobstruktion   durch   Tumor   und  Stein  auf  folgender 

Tabelle  unter: 

(Siehe  Tabelle  nächste  Seite.) 

In  meinem  Fall  wurde,  wie  aus  der  Krankengeschichte  her- 
vorgeht, die  Diagnose  auf  einen  Tumor  am  Choledochus  resp. 
Pankreas,  eventuell  gutartiger  Natur  (Pankreatitis  chron. 
interst.)  gestellt,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen :  Gegen  einen 
Stein  im  Choledochus  sprach  der  sehr  intensive  Ikterus,  das 
Fehlen  vorausgegangener  Koliken  und  die  grosse  Gallenblase. 
Diese  war  allerdings  enorm  gespannt,  wie  man  das  bei  einfacher 
Gallenstauung  selten  findet,  aber  sie  war  absolut  nicht  schmerz- 
haft, ^und  Koliken  waren,  wie  gesagt,  nicht  vorausgegangen. 
Bei  dem  absolut  klaren  Inhalt  der  Gallenblase  niuss  man  an- 
nehmen, dass  auch  niemals  eine  Entzündung  in  der  Gallenblase 
sich  abgespielt  hat,  sondern  dass  ohne  Infektion  ganz  allmäh- 
lich die  Eintreibung  des  Steins  in  den  Hals  der  Gallenblase 
vor  sich  gegangen  war.  Die  Kombination  von  Hydrops  der 
Gallenblase  resp.  Cysticusverschluss  durch  Stein  mit  Chole- 
dochusobstruktion durch  Tumor  war  eine  ganz  zufällige:  Nie- 
mand wird  eine  solch'  spezielle  Diagnose  stellen  können.  Nur  den 
Choledochusverschluss  konnte  man  diagnostizieren,  und  dieser 
musste  nach  dem  ganzen  Verlauf  der  Krankheit  und  dem  Be- 
fund auf  einem  verschliessenden  Tumor  beruhen.  Ob  dieser 
gut-  oder  bösartiger  Natur  v^^ar,  liess  sich  auch  nicht  mit 
Sicherheit  sagen*),  und  ich  habe  genug  solche  Fälle  beobachtet, 
bei  denen  statt  des  vermuteten  Carcinoms  die  einfache  Pan- 
kreatitis chron.  interst.  aufgedeckt  wurde.    Die  Hoffnung,  diese 


*)   Der    überall    lebhaft   besprochene    Krankheitsfall    des    Herrn 
Waldeck-Rousseau   gelwrt  in  diese  Kategorie.     (Anm.  w.  d.  Korr.) 


328 


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_     329     — 

letztere,   heilbare  Krankheit  bei  der  Operation  zu  finden,   war 
der  Grund,  warum  ich  dringend  zur  Operation  riet. 

Wer  seiner  Diagnosenstellung  beim  chronischen  Choledochus- 
verschluss  die  obige  Tabelle  zu  Grund  legt,  wird  in  ca.  80  Proz. 
der  Fälle  das  Richtige  treffen.  Ich  brauche  aber  wohl  nicht 
darauf  hinzuweisen,  dass  es  keiner  Krankheit  einfällt,  nach 
schematischen  Vorschriften  zu  verlaufen,  und  dass  auch  der 
Choledochusverschluss  durch  Tumor  in  dieser  Beziehung  keine 
Ausnahme  macht.  Auch  die  Gallenblase  kann  hierbei  ge- 
schrumpft sein,  wenn  sie  früher  einmal  entzündet  war  und  sich 
nun  bei  der  Gallenstauung  nicht  ausdehnen  kann.  Und  wenn 
nun  z.  B.  ein  Empyem  oder  ein  Hydrops"  der  Gallenblase  sich 
mit  Choledochusverschluss  durch  Tumor  kombiniert,  dann  ist 
aller  diagnostische  Scharfsinn  umsonst:  kein  Arzt  kann  hier 
eine  genaue  Diagnose  stellen. 

Früher  hielt  ich  die  differentielle  Diagnosenstellung,  ob  der 
Choledochusverschluss  durch  Stein  oder  durch  Tumor  bedingt  sei, 
für  sehr  wichtig.  Ich  war  der  Meinung,  man  solle  bei  Tumor- 
okklusion  die  Operation  möglichst  einschränken,  da  der  Erfolg 
doch  mangelhaft  sei  und  dadurch  leicht  die  Gallensteinchirurgie 
in  Misskredit  kommt.  Auch  Kraus  u.  a.  ist  dieser  Meinung. 
Diese  Ansicht  vertrete  ich  heute  nicht  mehr,  seitdem  ich  ein- 
sehen gelernt  habe,^  dass  die  chronische  Pankreatitis,  wenn  sie 
im  Kopf  der  Bauchspeicheldrüse  sitzt,  dieselben  Erscheinungen 
machen  kann,  wie  ein  dort  lokalisiertes  Carcinom.  So  wenig 
aussichtsvoll  nun  auch  eine  Operation  wegen  des  letzteren 
Leidens  ist,  bei  der  chronischen  Pankreatitis  kann  man  durch 
die  Operation  nicht  nur  einen  augenblicklichen  Erfolg  erzielen, 
sondern  dauernden  Nutzen  schaffen. 

Ich  empfehle  also  bei  chronischem  Ikterus,  der  auf  ein 
Hindernis  am  Choledochus  oder  Pankreas  hindeutet,  die  Ope- 
ration immer,  in  der  Hoffnung,  auf  einen  Fall  von  Pankreatitis 
chron.  zu  stossen  und  so  den  Kranken  durch  die  Operation  zu  retten. 

Der  mitgeteilte  Fall  ist  die  erste  Resektion  des  kreb- 
sigen Choledochus.  Warum  sollen  diesem  nicht  weitere 
Fälle  folgen?  Mag  es  auch  selten  gelingen,  einen  geeigneten 
Fall  einmal  wieder  unter  das  Messer  zu  bekommen;  bei  einem 
unter  allen  Umständen  zum  Tode  führenden  Leiden  ist  man 
froh,   wenn  man  unter  100  Fällen  nur   2  oder   3  retten  kann, 


—     330     — 

und  deshalb  werde  ich  von  jetzt  an  in  jedem  Fall  von  Oarcinom 
des  Choledochus  den  Versuch  einer  radikalen  Operation  wagen. 
Dass  diese  bei  den  kleinen  Carcinomen,  die  den  supraduodenalen 
Teil  des  Choledochus  verschliessen,  möglich  ist,  habe  ich  durch 
die  Operation  meines  Falles  bewiesen. 

Jedenfalls  muss  ich  bei  der  schon  früher  öfters  aufge- 
stellten Forderung  beharren,  dass  man  bei  chronischem  Ikterus,- 
der  auf  eine  Verstopfung  des  Choledochus  hindeutet,  spätestens 
nach  3  Monaten  seit  Beginn  des  Ikterus  operieren  soll.  Ge- 
wiss gibt  es  Fälle  von  katarrhalischem  Ikterus,  die  länger  als 
3  Monate  bestehen  und  doch  noch  spontan  heilen,  —  aber  wo 
der  Ikterus  immer  intensiver  wird,  die  Gallenblase  als  prall  ge- 
füllter Tumor  die  Bauchdecke  hervorwölbt,  Kachexie  und  hoch- 
gradiger Kräfteverfall  eintritt,  soll  man  nicht  müssig  zusehen, 
wie  die  cholämische  Intoxikation  immer  weiter  um  sich  greift, 
und  darf  nicht  durch  Karlsbader  Kuren  und  grosse  Dosen 
Olivenöl  die  noch  vorhandene  Widerstandskraft  der  Patienten 
in  Frage  stellen.  In  solchen  Fällen,  bei  denen  alle  Zeichen  eines 
Verschlusses  durch  einen  Tumor  vorhanden  sind,  soll  man  ope- 
rieren. Denn  ohne  Operation  ist  jeder  Kranke  ver- 
loren; eine  innere  Behandlung  könnte  nur  symptomatischer 
Natur  sein  und  vorhandene  Schmerzen,  Appetitlosigkeit  etc.  be- 
kämpfen. 

Wie  stets  beim  Carcinom,  so  soll  man  auch  bei  dem  Ciiole- 
dochuscarcinom  in  erster  Linie  eine  Radikaloperation  an- 
streben, erst  in  zweiter  Linie  käme  eine  Palliativoperation  in 
Betracht. 

Bisher  ist,  wie  ich  bereits  oben  erwähnte,  bei  Krebsen 
des  Choledochus  und  Hepaticus  erst  ein  paar  Mal  (von  Czerny, 
Körte,  Halsted)  eine  Radikaloperation  ausgeführt  worden,  die 
in  der  Resektion  eines  auf  die  Papilla  duodeni  lokalisierten 
Krebses  bestand.  Um  so  häufiger  wurden  Palliativoperationen 
(Anastomosen  zwischen  Gallenblase  und  Darm,  zwischen  Chole- 
dochus und  Darm)  ausgeführt.  Die  Arbeit  von  Terrier  und 
Auvray  gibt  über  diese  Operationen  wohl  den  besten  Aufschluss. 

Die  Radikaloperation  eines"  Choledochuscarcinoms  muss  be- 
stehen in  der  Resektion  der  Gänge  mit  nachfolgender  zirkulärer 
Naht  oder,  wie  in  meinem  Falle,  mit  Verschliessung  des  duo- 
denalen  Endes   des   Choledochus    und    Hepatico-Enterostomie. 


—     331     — 

Resektionen  des  Ductus  choledochus  kenne  ich  nur 
zwei:  der  eine  Fall  stammt  von  Doyen,  der  andere  von 
mir.  Aber  beide  Male  handelte  es  sich  nicht  um  Resektion 
des  carcinomatösen  Choledochus,  sondern  die  Indikation  war 
durch  Steine  resp.  Obliterationen  des  Choledochus  infolge  von 
Druckusur  durch  Steine  gegeben.  Ich  will  auf  diese  beiden 
Fälle  nicht  naher  eingeben,  möchte  nur-  bemerken,  dass  von 
einer  Resektion  im  Doyen  sehen  Falle  eigentlich  nicht  ge- 
sprochen werden  kann  —  es  handelt  sich  vielmehr  nur  um  eine 
zirkuläre  Naht  des  Choledochus  — ,  und  dass  auch  in  meinem 
Falle  die  Resektion  des  Choledochus  nur  sehr  geringfügiger 
Natur  war.  Anders  in  dem  oben  mitgeteilten  Fall ;  hier  wurden 
fast  4  cm.  des  Choledochus  resp.  Hepaticus  entfernt,  und  der 
Fall  kann  als  erste  grössere  Resektion  des  Choledochus  gelten. 

Doch  will  ich  nicht  versäumen,  festzustellen,  dass  sowohl 
Ulimann  wie  Terrier  und  Auvray,  Hagen  und  Pantaloni 
die  Technik  der  Resektion  des  Choledochus  mit  nachfolgender 
zirkulärer  Naht  resp.  Hepatico-Duostenostomie  bis  ins  einzelne 
beschrieben  haben,  so  dass  ich  kaum  in  der  Lage  bin,  diese 
Vorschriften  durch  bessere  Vorschläge  zu  ergänzen. 

Dass  die  Resektion  des  Choledochus  bisher  beim  Menschen 
so  selten  zur  Ausführung  kam,  mag  besonders  daran  liegen,  dass 
die  Indikation  zu  einer  solchen  Operation  sehr  selten  vorhanden 
ist.  Und  dann  mag  die  gefährliche  Nachbarschaft  der  starken 
Vena  portarum  die  Lust  der  Chirurgen  zu  einer  solchen  Opera- 
tion einigermassen  eingedämmt  haben.  In  meinem  Falle  war  die 
Loslösung  des  Choledochus  von  dem  strotzend  gefüllten  Gefäss 
ziemlich  leicht,  unmöglich  wird  sie  sein,  wenn  im  Choledochus 
Steine  gesteckt  haben,  welche  Entzündungen  und  Verwachsungen 
machten  und  die  Loslösung  vereiteln.  Das  sieht  man  schon 
an  der  Gallenblase.  Eine  nicht  entzündete  oder  wenigstens 
durch  Entzündung  nicht  stark  veränderte  Gallenblase  ist  mit 
wenigen  Schnitten  aus  dem  Leberbett  gelöst,  während  eine 
chronisch  entzündete  und  ulcerierte  Gallenblase  festsitzt,  so- 
dass das  Messer  nur  schwer  den  richtigen  Weg  findet  und  oft 
die  Leber,  oft  die  Gallenblasenwand  verletzt.  Hat  man  aber 
bei  einer  Choledochusresektion  die  Vena  portarum  verletzt,  so 
kann  man  zwar  eine  Venennaht  machen  oder  sonst  durch  Tam- 
ponade die  Blutung  stillen,  wie  ich  in  einem  eigenen  Fall    das 


—     332     — 

vermochte,  meistenteils  wird  man  aber  auf  die  weitere  Opera- 
tion verzichten  und  das  Carcinom  zurücklassen  müssen.  Ich 
riskierte  in  meinem  Falle  die  Resektion,  weil  ich  sofort  den 
Tumor  als  Carcinom  erkannte,  und  ich  mir  sagte,  dass  ein  so- 
fortiger Tod  nach  oder  bei  der  Operation  für  den  Operateur 
zwar  recht  unangenehm,  aber  bei  dem  absolut  tödlichen  Leiden 
für  den  Patienten  als  eine  Erlösung  von  späteren  Qualen  zu 
betrachten  sei. 

Was  die  Technik  der  Operation  anlangt,  so  will  ich  nur 
einige  Punkte  berühren,  die  im  ersten  Teil  nicht  weiter  be- 
rücksichtigt wurden. 

Kranke  mit  chronischem  Ikterus  sind  an  und  für  sich 
wenig  widerstandsfähig,  besonders  wenn  die  Gelbsucht  auf  einem 
Carcinom  beruht.  Hier  kommt  sehr  viel  darauf  an,  dass  man 
schnell  operiert,  wenig  Chloroform  braucht  und  recht  zart  mit 
dem  Patienten  umgeht.  Schon  die  einfache  Choledochotomie 
steht  im  Rufe,  eine  recht  gefährliche  Operation  zu  sein,  und 
jüngst  erzählte  mir  ein  Kollege,  dessen  Frau  ich  operierte: 
Der  Chirurg  seiner  Stadt,  ein  sehr  geschickter  Operateur,  habe 
9  Choledochotomien  ausgeführt  und  sämtliche  Operierte  ver- 
loren. Ich  will  nicht  näher  erörtern,  wodurch  diese  hohe  Mor- 
talität bedingt  ist,  und  warum  ich  bei  der  Choledochotomie  resp. 
Hepaticusdrainage  nur  noch  mit  einer  Mortalität  von  ca.  3  Proz. 
zu  rechnen  brauche ;  aber  ich  muss  doch  darauf  hinweisen,  dass 
die  meisten  Choledochotomien  deshalb  letal  verlaufen,  weil  sie 
zu  lange  dauern.  Länger  wie  höchstens  eine  Stunde  soll  man 
den  Bauch  nicht  offen  lassen,  und  auch  in  meinem  Fall  habe 
ich  mich  nach  Möglichkeit  beeilt,  die  Operation  zu  Ende  zu 
führen.  Langsame  Operateure  werden  niemals  bei  Gallenstein- 
operationen gute  Erfolge  haben. 

Nur  wenn  das  Operationsgebiet  durch  den  Wellenschnitt 
gut  zugänglich  gemacht  ist,  ist  eine  Resektion  des  Choledochus 
resp.  Hepaticus  durchführbar.  Sitzt  also  der  Tumor  am  duo- 
denalen Teil  des  Choledochus,  so  wird  eine  solche  Operation 
sehr  schwierig,  ja  unmöglich  werden,  und  ergreift  die  Ge- 
schwulst den  Hepaticus  dicht  am  Eintritt  in  die  Leber,  so  tut 
man  gut,  den  Fall  als  inoperabel  zu  erklären.  Hier  käme  die 
von  Langenbuch  geplante  Hepatocholangiostomie  resp. 
Hepatocholangioenterostomie  in  Betracht.    Aber  wie  alle  Anasto- 


—     333     — 

mosen  bei  Carzinoni  der  Papilla  duodeni,  des  Pankreaskopfes, 
des  Duodenum  selber,  so  hat  auch  die  Langen  buch 'sehe  Opera- 
tion nur  den  Zweck,  die  gestaute  Galle  abzuleiten,  das  Wachs- 
tum des  Careinoms  wird  sie  wenig  beeinflussen.  Meine  Er- 
fahrungen, die  ich  bei  zahlreichen  Anastomosen  zwischen  Gallen- 
wegen und  Darm  resp.  Magen  gemacht  habe,  haben  mich  be- 
lehrt, dass  die  Operation  bei  Carcinom  sehr  geringen  Wert  hat, 
während  sie  bei  der  Pankreatitis  chron.  von  hervorragendem 
Nutzen  ist.  Wir  müssen  nur  bei  allen  Carcinomen  frühzeitig 
operieren  und  in  erster  Linie  eine  Radikalexcision  anzustreben 
suchen.  Eine  frühzeitige  Operation  setzt  aber  eine  frühzeitige 
Diagnose  voraus  und  gerade  der  praktische  Arzt,  der  den  Fall 
gewöhnlich  zuerst  sieht,  sollte  keine  Gelegenheit  unbenutzt 
lassen,    um   sich    in    der  Diagnosestellung  zu  vervollkommnen. 

Der  übrige  Gang  der  Operation  erhellt  aus  der  Kranken- 
geschichte resp.  den  beigeführten  Skizzen. 

Die  Anastomose  zwischen  Hepaticus  und  Duodenum  habe 
ich.  nicht  mit  dem  Murphyknopf  gemacht;  ich  verlasse  mich 
weit  mehr  auf  meine  Naht,  die  natürlich  etwas  länger  dauert, 
aber  jedenfalls  der  Einführung  des  schweren  Fremdkörpers 
vorzuziehen  ist. 

Ehe  ich  die  Gallenblase  in  meinem  Fall  exstirpierte,  über- 
legte ich  mir  genau,  ob  ich  dieselbe  nicht  zur  Ableitung  der 
Galle  in  den  Darm  verwenden  konnte.  Man  hätte  z.  B.  den 
Cysticus  samt  dem  Stück  carcinomatös  entarteten  Hepaticus 
und  Choledochus  entfernen  hönnen,  um  Hepaticus  und  Gallen- 
blasenhals in  Verbindung  zu  bringen  und  schliesslich  die  Galle 
durch  eine  Anastomose  zwischen  Fundus  der  Gallenblase  und 
Duodenum  abzuleiten.  Die  Operation  wäre  dann  eine  Hepatico- 
Oystostomie  mit  nachfolgender  Cysto-Duodenostomie  gewesen. 
Die  Gallenblase  war  aber  chronisch  entzündet  und  verhinderte 
ausserordentlich  das  Nähen  in  der  Tiefe,  so  dass  ich  mich  zur 
Langenbuch'schen  Operation  entschloss.  Ich  entfernte  also  in 
einem  zusammenhängenden  Stück  Gallenblase  und  den  strictu- 
rierten  Choledochus  und  Hepaticus  und  leitete  dann  die  Galle 
direkt  aus  dem  Hepaticus  in  das  Duodenum  ab. 

Dem  Pat.  geht  es  heute  —  fast  2  Jahre  nach  der  Operation 
—  ausgezeichnet.  Über  den  weiteren  Verlauf  nach  seiner  Ent- 
lassung aus  der  Klinik  berichtet  er  am  6.  August  1903  Folgendes: 


—     334     — 

„Die  Heilung  der  Wunde  schritt  ohne  Störung,  wenn  auch  lang- 
sam fort,  so  dass  die  Wunde  etwa  Mitte  Januar  1903  völlig  geschlossen 
war.  Die  Leibbinde  habe  ich  bis  etwa  Mitte  Juni  tagsüber  regel- 
mässig, von  Mitte  Juni  ab  nur  ausnahmsweise  bei  grösserer  An- 
strengung getragen.  Irgend  welche  Anzeichen  eines  entstehenden 
Bruches  haben  sich  bislang  nicht  gezeigt.  Fistelartige  Erscheinungen 
sind  an  der  Operationsstelle  nicht  vorhanden. 

Der  Schlaf  war  zur  Zeit  meiner  Heimkehr,  Sytvester  1902,  noch 
durch  häufiges  Erwachen,  etwa  alle  zwei  Stunden,  unterbrochen,  wurde 
aber  stetig  normaler,  so  dass  ich  etwa  von  Ende  Januar  ab  in  der 
Regel  7  bis  8  Stunden,  von  etwa  11  Uhr  bis  6  oder  7  Uhr  ruhig  und 
fest  durchschlief,  ohne  zu  erwachen. 

Eine  nicht  unerhebliche  Unbequemlichkeit  war  jedoch  mit  der 
Nachtruhe  verbunden.  Zwar  war  das  eigentümliche ,  durch  den  Ein- 
tritt der  Galle  in  das  Blut  hervorgerufene  Jucken  in  der  Haut  all- 
mählich verschwunden;  etwa  Mitte  Januar  merkte  ich  tagüber  nichts 
mehr  daran.  Sobald  ich  mich  aber  zu  Bett  legte,  machte  sich  auf  der 
Körperseite,  auf  der  ich  lag,  wieder  ein  heftiges  Jucken  bemerkbar 
und  dauerte  V*  bis  1  Stunde,  bis  das  Bett  die  Körperwärme  angenom- 
men hatte.  Diese  Erscheinung  hat  angehalten  bis  in  den  Juni  hinein, 
ist  jetzt  aber  auch  verschwunden. 

Der  Urin.  Die  in  der  ersten  Zeit  häufigen  Unterbrechungen  des 
Schlafes  hingen  wohl  auch  damit  zusammen,  dass  das  Bedürfnis  zum 
Urinieren  sich  nicht  selten  des  Nachts  zeigte  und  zwar  dann  sehr  häufig, 
alle  2  bis  3  Stunden.  Aber  auch  dies  änderte  sich  und  war  von  etwa 
Anfang  Februar  an  regelmässig.  Die  normale  Farbe  erhielt  der  Urin 
bereits  Anfang  Januar. 

Der  Stuhlgang  war  seit  meiner  Entlassung  aus  der  Klinik  durch- 
aus regelmässig.  Während  ich  früher  vielfach  an  trägem  Stuhlgang 
litt,  hat  derselbe  von  Anfang  Januar  bis  Ende  Juni  nicht  einen  Tag 
ausgesetzt  und  nie  irgend  welche  Beschwerden  gemacht.  Er  trat  ge- 
wöhnlich zweimal  am  Tage  ein  und  war  stets  leicht. 

Die   Zunahme  meines  Körpergewichts,   mit  der  die  Besserung  im 
Aussehen  gleichen  Schritt  hielt,  ergibt  sich  aus  folgender  Tabelle : 
Mein  Gewicht  betrug 

am  23.  Dezember   1902 110  ^ 

„31.         .  , 117  „ 

„   1.  Januar  1903 117  „  SöOgr. 

„   5.    .     .......  120  „  250  „ 

,8.    „     „ 123  „  300  , 

„11.   „ 125  „  300  „ 

.12.   r, 126  „  350  „ 

.15.    „     „ •  127  „  120  ., 

„19.   „     .......  130  „  100  „ 

„22.   „  „ 133  „  100  „ 

„26.    „     „ 135  „   -  „ 

„29.    „     „ 136  „  -  „ 


—     335     — 

am    2.  Februar     , 139  '^    —  gr. 

.5.        „  , 187  „    250  „ 

(Eine  in  zwei  Tagen  vorübergehende  influenzaartige  Erkältung 
verursachte  den  Rückschlag.) 

am    6.  Februar   1903 139  ST 

.9.        .  „ 140  „  250  gr. 

.12.        „  , 141  „    -    . 

.16.        „ 142  „    -    „ 

.19.        ,  ,       142  „  300   „ 

„28.        „  „ 144  ,    -    , 

.25.         „  , 144  „    -    „ 

,      4.     März  g 145  „     —    - 

.9.        „  „ 146  „    -    „ 

,13.        „  .      147  „     ~    „ 

.23.        „  .......    146  ,    300  „ 

„    25.  April  „ 151  ,     -    „ 

,      8.  Mai  „ 150  „     -    „ 

,    26.    „  „ löl  ,     -    „ 

„      9.  Juni  „ 150  „     —    „ 

,      2.  Juli  „ 151  „     -    „ 

Ich  bemerke  hierzu,  dass  die  Bestimmung  des  Gewichts  vom 
1.  Januar  an  mittels  einer  Apotheker-Dezimalwage,  stets  zu  derselben 
Tageszeit  —  morgens  zwischen  10  und  11  Uhr  —  und  stets  möglichst 
unter  denselben  Umständen  stattfand. 

Ernährnug  und  Appetit.  Aus  der  dauernden,  zeitweise  rapiden 
Gewichtszunahme  lässt  sich  schon  schliessen,  dass  mein  Appetit  ein 
sehr  guter  war.  Ich  erinnere  mich  nicht,  dass  ich  seit  meinem  zwanzig- 
sten Lebensjahre  je  mit  solchem  Genuss  meine  Mahlzeiten  verzehrt 
habe,  wie  in  dem  Monat  Januar  1903.  Natürlich  wurde  darauf  gesehen, 
dass  die  Speisen  möglichst  nahrhaft  waren ;  jedoch  bin  ich  auch  in 
dieser  Zeit  kein  übermässiger  Esser  gewesen.  Im  März,  April  sank 
der  Appetit  dann  wieder  auf  das  frühere  normale  Mass  herab,  und 
seitdem  lebe  ich  in  Bezug  auf  Essen  und  Trinken,  wie  ich  vor  meiner 
Krankheit  gelebt  habe. 

Die  Schularbeit.  Montag  den  12.  Januar  nahm  ich  meine  Schul- 
arbeit wieder  auf  und  zwar  mit  4  Stunden  für  die  erste  Woche;  die 
folgende  Woche  übernahm  ich  8  Stunden,  und  vom  26.  Januar  ab  bis 
Ostern  unterrichtete  ich  wöchentlich  12  Stunden.  Nach  Ostern  über- 
nahm ich  meinen  Unterricht  wieder  in  vollem  Umfange.  Die  Schul- 
arbeit hat  mir  von  Anfang  an  keinerlei  Schwierigkeitön  gemacht, 
sie  war  für  mich  eine  angenehme  Abwechselung. 

Auch  anderweitigen,  nicht  amtlichen  Beschäftigungen  konnte 
ich  mich  bald  wieder  widmen.  So  übernahm  ich  mit  dem  31.  Januar 
wieder  den  Vorsitz  in  den  Versammlungendes  Naturwissenschaftlichen 
Vereins  und  durfte  bereits  am  14.  Februar  einen  längeren  Vortrag  in 
dem  genannten  Vereine   halten. 

Die  Kräfteznnahme  ergibt  sich  aber  wohl  am  deutlichsten  aus 
den  unternommenen  körperlichen  Anstrengungen.    An  den  Sonnabend- 


—     336     — 

Nachmittagen  pflegte  ich  seit  Jahren  zu  kegeln.  Am  10.  Januar  1903 
konnte  ich  die  Kugel  kaum  mit  geringem  Druck  auf  die  Bahn  werfen. 
Am  17.  Januar  konnte  ich  dieselbe  wenigstens  bis  zu  den  Kegeln 
bringen,  aber  an  dem  Spiele  noch  nicht  teilnehmen.  Am  24.  Januar 
endlich  vermochte  ich  eine  Stunde  mitzukegeln. 

Anfang   April   —   den    Tag   kann  ich  nicht  mehr  genau  angeben 

—  bestieg  ich  zum  ersten  Male  wieder  das  Zweirad  und  fuhr  um  die 
Stadt.  Mitte  April  machte  ich  bereits  an  einem  Vormittage  eine  Rad- 
tour quer  über  den  Teutoburgerwald,  von  Osnabrück  nach  Lengerich 
i/Westf.  und  zurück,  zusammen  39  km.  Seitdem  habe  ich  zahlreiche 
kleinere  und  grössere  Radtouren  unternommen:  niemals  habe  ich  er- 
hebliche Ermüdung  oder  irgend  welche  unangenehme  Folgen  davon 
gespürt.  Das  Radfahren  machte  mir,  von  den  ersten  Versuchen  abge- 
sehen, nicht  mehr  Mühe  als  in  den  gesunden  Tagen  vor  meiner 
Krankheit. 

Aus  dem  Mitgeteilten  ist  es  erklärlich,  dass  alle  meine  bekannten 
hiesigen  Arzte  erstaunt  waren  über  meine  schnelle  und  völlige  Rekon- 
valescenz." 

Bei  Gelegenheit  des  Chirurgen-Kongresses  1904  habe  ich  den 
Patienten  in  Berlin  vorgestellt;  er  hatte  im  ganzen  seit  der  Operation 
51  Pfund  zugenommen  und  sah  blühend  und  gesund  aus. 

Es  sind  nunmehr  fast  2  Jahre  seit  der  Operation  vergangen,  und 
damit  schwindet  die  Gefahr  eines  Recidivs  immer  mehr.  — 

Literatur  zu  diesem  Fall. 

Brunswig:  Ein  Fall  von  primärem  Krebs  des  Ductus  chole- 
dochus.  Dissertation,  Kiel  1894.  —  Deetjen:  Ein  Fall  von  primärem 
Krebs  des  Ductus  choledochus.  Dissertation,  Kiel  1894.  —  Howald: 
Die  primären  Carcinome  des  Ductus  hepaticus  und  choledochus.  Dis- 
sertation, Bern  1890.  —  Schreiber:  Über  das  Vorkommen  von  pri- 
mären Carcinomen  in  den  Gallenwegen.  Berl.  khn.  Woohenschr.  1877, 
No.  31.  —  Schüller:  Zur  Kasuistik  und  Chirurgie  des  primären  Car- 
oinoms  der  Papilla  Vateri.  Beitr.  zur  klin.  Chirurgie  von  Bruns, 
31.  Bd.,  p.  683.  —  Ormerod,  Kleinertz:  Zwei  primäre  Krebse  der 
Gallenwege.  Dissertation,  Kiel  1901.  —  Krause:  Ein  Fall  von  primä- 
rem Krebs  des  Duodenums.  Dissertation,  Kiel  1901.  —  Quincke  und 
Hoppe  Seyler:  Krankheiten  der  Leber.  Wien  1899.  —  Naunyn: 
Klinik  der  Cholelithiasis.  Leipzig  1892,  p.  155.  —  Courvoisier:  Ka- 
suistisch-statistische Beiträge  zur  Pathologie  und  Chirurgie  der  Gal- 
lenwege. Leipzig  1890.  —  Schüppel:  Handbuch  der  Krankheiten  des 
chylopoetischen  Apparates.  II.  Leipzig  1880.  —  Brenner:  Über  das 
primäre  Carcinom  des  Ductus  choledochus.  Virchows  Archiv,  Bd.  158 
Berlin  1899,  p.  253.  -  Kraus:  Prager  med.  Wochenschr.  1894,  No.  39. 

—  Duran  d-Fardel:  Archives  de  Medicine  1840.  —  Kehr:  Ein  Rück- 
blick auf  720  Gallensteinlaparotomien,  unter  besonderer  Berücksich- 
tigung von  90  Hepaticusdrainagen.  Münch.  med.  Wochenschr.  1902 
No.  41,  42,43.  —  Spangenberg:  Über  primäres  Gallengangscarcinom 
und  seine  Beziehungen  zu  Gallensteinen.  Dissertation,  Freiburg  i/B.  1896. 


—     337     — 

—  Heynen:  Ein  Fall  von  primärem  Krebs  des  Ductus  choledochus. 
Dissertation,  Kiel  1898.  —  Marcel  Baudouin:  Les  Operations  nouvel- 
les  sur  les  voies  biliaires.  Paris  1897.  —  E.  Doyen,  Quelques  Ope- 
rations sur  le  foie  et  les  voies  biliaires.  Arch.  prov.  de  chir.  No.  2,  aoüt 
1892.  —  Pantaloni,  Chirurgie  du  foie  et  des  voies  biliaires.    Paris  1899. 

—  Uli  mann:  Über  Leberresektion.  Wiener  med.  Wochenschr.  1897, 
No.  47— 52.  —  Bir sch-Hirschfeld:  Lehrbuch  der  pathol.  Anatomie. 
II.  Aufl.  1882.  —  Terrier  und  Auvray;  Tumeurs  des  voies  biliaires, 
vesicule  et  canaux  bihaires.  Revue  de  chir.  1900,  Heft  2  u.  3.  — 
Hagen:  Zur  Kasuistik  und  Therapie  der  primär«n  Carcinome  des 
Ductus  choledochus.  Dissertation,  Kiel  1902.  —  Kehr:  Anleitung  zur 
Erlernung  der  Diagnostik  der  einzelnen  Formen  der  Gallensteinkrank- 
heit. Berl.  1899.  —  Langen  buch:  Chirurgie  der  Leber  und  Gallen- 
blase.   II.  Teil.    Stuttgart  1897. 


Kehr,  Technik  der  Galleustelnoperationen. 


99 


D)  Die  Operationen  am  ductus  hepaticus. 

Wie  man  Steine  aus  dem  ductus  hepaticus  entfernt,  ist  in  dem 
ersten  Jeil  ausführlich  auseinandergesetzt.  Bei  den  Hepaticus- 
drainagen  findet  man  mehrere  Krankengeschichten,  aus  denen 
die  in  Betracht  kommenden  Massnahmen  hervorgehen.  Im 
Folgenden  will  ich  einen  Fajl  anführen,  bei  dem  eine  Hepa- 
ticotomie")  gemacht  wurde,  um  Steine  zu  entfernen.  Einen 
zweiten  Fall  von  Hepaticotomie  schildert  No.  154;  hierbei  wurde 
der  Hepaticus  aus  Versehen  bei  einer  Ectomie  eröffnet. 

Ni\  153.  D.  B.,  57  j.  Privatiersfrau  aus  Hannöverisch-Münden. 

Aufgen.:  17.  9.  1901. 

Operiert:  19.  9.  1901.     Ectomie.    Cysticotomie.    Chole- 
dochotomie.     Hepaticotomie  mit  Naht.     Hepaticus- 
drainage. 
Entlassen:     26.  11.  1901    auf  Wunsch.     Noch   nicht 
ganz  geheilt. 
Anamnese:    Fat.    ist    sehr    schwerhörig.      Seit   ca.  20  Jahren 
„Magenkrämpfe".    Vor  15  Jahren  ein  grösserer  Kolikanfall  mit  leichtem 
Ikterus.    Fat.    trank   Karlsbader    Mühlbrunnen,    Sprudel    und    andere 
Brunnen    und    hielt    strenge    Diät,    es    sollen    viele  kleine  Steine  ab- 
gegangen   sein.      Vor  4  Jahren  fand  Herr  Prof.  D  roy  se  n- Göttingen 
eine  "Wanderniere  und  verordnete  eine  Binde,   die  aber  die  Beschwer- 
den nur  erhöhte. 

Vor  2  Jahren  wieder  heftige  Kolik  mit  leichtem  Ikterus,  Er- 
brechen und  Schüttelfrost  oder  Hitzegefühl  mit  Schweiss.  In  der 
folgenden  Zeit  kamen  fast  täglich  kleinere  Anfälle,  Fat.  erbrach  nach 
jeder  Mahlzeit.  Brunnenkuren  und  Oeleingiessungen  besserten  ihr 
.Befinden  etwas,  die  Anfälle  kamen  seltener,  der  letzte  vor  4—5  Wochen. 
Fat.  ist  in  den  letzten  Jahren  sehr  heruntergekommen,  ihr  Teint  wurde 
langsam  gelb.  Sie  hat  den  dringenden  Wunsch,  von  ihrem  Leiden  be- 
freit zu  sein. 


*)  Die    Technik  der    Hepatico-Diiodenostoinie   ist    in   No.  152  be- 
schrieben. 


—     339     — 

Befund:  Leber  gross,  resp.  gesenkt,  ihr  rechter  Lappen  sehr 
massig,  Gallenblase  rechts  unterhalb  des  Nabels  als  harter  Tumor  zu 
fühlen.    Kein  Ikterus,  L^rin  normal. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus  (jetzt  Ruhe). 

Operation  19.  9.  Ol:  (Anwesend  die  Herren  Dr.  Holbeck- 
Riga,  Co hn- Lodz,  Gärtner-Breslau).  Wellenschnitt.  Leber  ge- 
senkt, rechter  Lappen  reicht  sehr  tief.  Gallenblase  gross ,  am  Fundus 
eine  zweimarkstückgrosse  Kalkplaite,  enthält  2  walnussgrosse  und 
mehrere  kleinere  Steine,  wird  excidiert.  Trübe  Galle  in  der  Gallen- 
blase, Schleimhaut  chronisch  entzündet.  Cysticotomie,  Choledochotomie. 
4  Steine  von  Haselnussgrösse  im  supra-  und  retroduodenalen  Teil,  die 
teils  mit  der  Kornzange,  teils  mit  dem  Finger  bimanuell  entfernt 
werden.  Einige  kleinere  Trümmer  bleiben  zurück.  Im  Hepaticns  ein 
walzeuföriniger,  fast  walnussgrosser  Stein,  den  Gang  fast  vollstiindi; 
yerschliessend,  wird  durch  Hepaticotouiiö  entfernt.  Naht  dieses 
Schnittes.  Verkleinerung  der  Choledochusincision  duodenalwärts.  Ver- 
nähung  der  Cysticusschleimhaut.  Hepaticusdrainage.  Tamponade, 
Naht,  Verband. 

Verlauf:  In  den  ersten  Tagen  aknte  Magendilatation,  darch 
Mageuspülnngen  und  Lagerang  auf  die  rechte  Seite  mit  starker 
Neigung  nach  yorn  beseitigt.  30.  9.  Verbandwechsel.  Herausnahme 
<i,er  Tamponade,  Spülung  des  Hepaticus,  seitdem  täglich.  Am  3. 10.  werden 
2  erbsengrosse  und  ein  2  cm.  langer,  0,5  cm.  dicker,  walzenförmiger 
Stein  aus  dem  Hepaticus  heransgespült,  ebenso  am  7.  10.  ein  erbsen- 
grosser,  am  9.  10.  2  solche,  am  11.  10.  wieder  2  solche.  Der  Gallen- 
fluss  scheint  zu  versiechen,  beginnt  aber  am  5.  11.  wieder  reichlicher 
za.  werden.  Erweiterung  der  Fistel  mit  Laminaria.  Ausspülung  des 
Hepaticns  entleert  am  7. 11.  weiche,  schmutzig  grau-grüne  Krümelchen, 
am  8.  11.  ein  linsengrosses,  schwarzes  Steinchen  mit  Splittern  von 
solchen,  am  9.  11.  3  kleine  Steinchen,  am  18.  11.  ein  ebensolches,  am 
22.  11.  2  kleine  und  einen  kafifeebohueugrossen  Stein,  am  24.  11.  ein  ganz 
kleines  Steinchen,  am  26.  11.  trübe  Schlelmflocken  und  kleine  Krümel, 
darunter  ein  festes  Steinchen.  Fat.  verlässt  gegen  unseren  Rat  die 
Klinik,  um  sich  zu  Haus  weiter  verbinden  zu  lassen.*) 

Epicrise:  Trotz  des  walnussgrossen,  den  Hepaticus  an- 
scheinend völlig  verschliessenden  Steines  bestand  kein  Ikterus, 
da  augenblicklich  die  Entzündung  fehlte.  Die  Diagnose  wurde 
aus  der  Anamnese  richtig  gestellt. 


*)  Fat.  meldete  im  März  1904,  dass  sie  noch  eine  Gallenfistel  habe, 
im  Übrigen  sich  aber  leidlich  befände.  Wahrscheinlich  stecken  noch 
Steine  im  ductus  hepaticus;  aber  da  Fat.  sich  nicht  behandeln  lässt, 
kann  zu  der  Entfernung  der  Steine  auch  nichts  geschehen.  Durch 
Erweiterung  der  Fistel  und  Ausspülungen  würde  man  vielleicht  noch 
■den  definitiven  Schluss.dcr  Fistel  herbeiführen  können. 

22* 


—     340     — 

Noch  ca.  2  Monate  nach  der  Operation  gelang  es,  den  He- 
paticus  auszuspülen  und  kleinere  Steinchen  herauszubefördern. 
Die  Hepaticusdrainage  hat  sich  hier  herrlich  bewährt,  nur 
schade,  dass  die  Patientin  absolut  auf  ihrer  Entlassung  bestand. 

Nr.  154:.    E.  M,,  30  j.  Schlossersfrau  aus  Eilenburg. 

Aufgen.:  29.  3.  1901. 

Operiert:  1.  4.   1901.     Ectomie.     Hepaticotomie   mit 

Naht. 
Entlassen:  8.  5.  1901.     Fast  geheilt. 

Anamnese:  Mutter  leidet  an  „Magenkrämpfen".  Eine  Schwester 
ist  in  Halle  cystostomiert. 

Pat.  hat  3  Kinder  geboren,  die  alle  am  Leben  sind,  vor  5  Jahren 
Frühgeburt  von  Drillingen.  Sie  war  immer  gesund,  ihr  Stuhlgang 
stets  träge. 

Seit  9  Jahren  ist  sie  gallensteinleidend,  sie  hat  Anfälle  von 
Schmerzen,  die  in  der  Gallenblasengegend  beginnen,  zur  Magengrube 
und  in  den  Rücken  ziehen.  Die  Anfälle  kamen  in  Pausen  von  8  Tagen 
bis  ^l*  Jahr  und  dauerten  V"  Stunde  bis  '/^  Tag.  Erbrechen  war  an- 
fangs nicht  da,  später  regelmässig,  Fieber  war  nie  da,  ebenso  Ikterus. 
Während  der  Gravidität  waren  die  Beschwerden  immer  grösser.  Da 
die  Anfälle  sich  häuften  und  die  Schmerzen  heftiger  wurden,  entschloss 
sie  sich  zur  Operation.  Sie  wurde  vor  18  Woclien  in  Leipzig  cystosto- 
miert, es  wurden  104  Steine  entfernt,  einer  kam  nach  14  Tagen  aus 
der  Wunde.  Pat.  war  4  Wochen  dort  und  ging  dann  nach  Haus,  wo 
sie  weiter  verbunden  wurde.  Nach  im  ganzen  9  Wochen  war  die 
Wunde  verheilt,  zwei  Tage  danach  hatte  sie  wieder  einen  Anfall  sehr 
heftiger  Schmerzen,  sie  lag  2  Wochen  zu  Bett.  Dann  ging  sie  wieder 
nach  Leipzig,  hier  hatte  sie  noch  einen  sehr  heftigen  Anfall  mit  inten- 
siver Gelbsucht  und  hohem  Fieber.  Die  Wunde  wurde  wieder  aufge- 
macht. Steine  wurden  nicht  gefunden,  seitdem  läuft  nun  sehr  viel 
Galle.  Da  sie  dadurch  völlig  arbeitsunfähig  ist,  entscbliesst  sie  sich 
noch  einmal  zur  Operation.  Auf  Rat  des  Herrn  Dr.  Laaser-Eilen- 
burg  kommt  sie  hierher. 

Befund:,  Frau  in  leidlichem  Ernährungszuslande.  Rechts  oben 
vom  Nabel  befindet  sich  eine  10  cm.  lange  Narbe,  in  deren  oberem  Teil 
eine  Fistel,  aus  der  Galle  fliesst.  Kein  Ikterus.  Puls  und  Temperatur 
normal,  Herz  und  Lungen  gesund,  Urin  frei. 

Diagnose:  Steine  im  Choledochus  wahrscheinlicher  wie  Ab- 
knickung  des  Ganges  durch  Adhäsionen. 

Operation:  1.4.  1901.  Winkelsclinitt  nach  Czerny.  Gallenblase 
gross,  allseitig  verwachsen.  Im  Choledochus  kein  Stein  zu  fühlen. 
Pankreaskopf  etwas  hart.  Bei  Isolieruug  und  Abkleuiinuug  des  Cysticus 
wird  aus  Versehe»  der  Hepaticns  etwas  untgefas><t,   so  dass  iiiclit  mir 


-      341     —  ^ 

der  Cysticiis  qner  abgesclmitten,  sondern  auch  der  Hepaticus  aufge- 
schnitten wird.  Fixation  der  beiden  Hepaticns-Wundränder  durch 
einige  Nähte.  Cysticusstumpf- Versorgung.  Tamponade.  Die  Tampons 
werden  durch  das  Loch,  das  nach  Excision  der  Gallenblase  entstanden 
ist,  herausgeleitet.  Dauer  der  Operation  */<  Stunden.  Essiglappen 
auf  den  Mund.    Abends  38,1. 

Verlauf:  2.4.  37,7.  Puls  118.  Kräftig.  Erbricht  grünliche,  gallenhal- 
tige  Massen.  Blähungen  im  Gange.  Leib  weich.  2  mal  Magenspülung. 
Kochsalz.     Morphium.    38,0. 

3.  4.  37,3.  Puls  124.  Nachts  hat  Pat.  leidlich  geschlafen.  Da 
■das  Trinken  für  einige  Stunden  ausgesetzt  war,  hat  sie  wenig  er- 
brochen, erst  gegen  Morgen  wieder  etwas  wässrige  Massen.    37,9. 

4.  4.  37,3.  Puls  116.  Noch  immer  etwas  Erbrechen.  Magen- 
spülung.   Nachher  gutes  Befinden.    38,0. 

6.  4.    37,8.    Puls  100.    Abführen.    Verlauf  fieberfrei. 

16.  4.  Verband-Wechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  der  lang- 
gelassenen Fäden  bis  auf  einen  am  Cysticusstumpf,  Entfernung  der 
Nähte.    Ausspülung. 

18.  4.  Täglich  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten.  Alle  2—3 
Tage  Wechsel  des  ganzen  Verbandes  und  Ausspülung  der  Wunde. 

25.  4.    Pat.  steht  auf. 

7.  5.    Verband-Wechsel,  es  wird  nichts  mehr  eingelegt. 

8.  5.    Entlassen.    Soll  sich  zu  Hause  noch  weiter  verbinden. 
Wie  ich    zufällig  Anfang  September   hörte,   ist   die  Wunde  noch 

immer  nicht  ganz  zugeheilt.  Es  ist  mir  niclit  recht  lilar,  warnm  die 
Heilung  so  lange  aAf  sich  warten  lässt.  Yielleiclit  liegen  in  der  Tiefe 
noch  einige  Mullfasern,  die  den  Schluss  der  Wunde  verzögern.  Eine 
gehörige  Auskratzung  würde  bald  die  definitive  Heilung  herbeiführen. 
Epicrise:  Es  ist  nicht  ganz  selten,  dass  bei  der  Ectomie 
resp.  der  Ligatur  des  Ductus  cysticus  ein  Stück  Hepaticus  mit 
gefasst  wird.  Ich  kenne  einige  solche  Beispiele,  mir  selbst  ist 
das  früher  einmal  passiert.  Um  diese  Kalamität  zu  vermeiden, 
ist  es  absolut  notwendig,  den  Ductus  cysticus  und  die  Art.  cystica 
einzeln  für  sich  zu  unterbinden.  Der  Abstand  zwischen  beiden 
beträgt  oft  2 — 3  cm.  Fasst  man  beide  in  eine  Ligatur,  so  zerrt 
man  den  Choledochus  resp.  Hepaticus  weit  vor  und  dann  kann 
es  passieren,  dass  man  den  gemeinsamen  Gallengang  mit  ab- 
quetscht. Wenn  man  aber  einzelne  Ligaturen  anlegt,  so  kommt 
das  kaum  vor. 


E)  Die  Anastomosen  zwischen  Gallensystem 
und  Intestinis. 

I.  Die  äusseren  Anastomosen. 

a)  Die  Cysto-Gastrostomie. 

Nr,  155.     P.  Seh.,  50j.  Postdirektor  aus  Lissa. 

Aufgen.:  30.  12.  1902., 

Operiert:  1.  1.  1903.     Cysto-Gastrostomie. 

Entlassen:  30.  1.  1903.  Geheilt. 
Anamnese:  Vor  2 V<  Jahren  bekam  Fat.  plötzlich  eines  Tages 
sehr  heftige  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube,  welche  nach 
oben  und  besonders  nach  beiden  Seiten  bis  in  den  Rücken  ausstrahlten 
und  etwa  7—8  Stunden  andauerten.  Gelbsucht  bestand  nicht.  Stuhl- 
gang soll  regelmässig  gewesen  sein.  Ein  gleicher  Anfall  trat  am 
folgenden  Tage  auf  und  wiederholte  sich  alle  Vin  bis  zwei  Tage 
während  mehrerer  Wochen.  Die  Schmerzen  wurden  ärztlicherseits 
als  nervöse  angesehen  und  durch  Morphium  zu  unterdrücken 
versucht.  Fat.  war  dann  etwa  ein  halbes  Jahr  lang  frei  von  allen 
Anfällen,  bis  im  März  vorigen  Jahres  wiederum  ein  heftiger  Anfall 
von  gleicher  Art  wie  die  früheren  sich  einstellte.  Darauf  war  Fat. 
wieder  von  Anfällen  völlig  frei,  erholte  sich  auch  körperlich  wieder 
und  fühlte  sich  wohl.  Erst  jetzt  vor  5  Wochen,  also  nach  1'/*  Jahren 
stellte  sich  Nachts  wieder  ein  sehr  heftiger  gleichartiger  Anfall  ein, 
der  sich  am  nächsten  Tage  wiederholte.  Diesmal  dauerte  der  Anfall 
länger,  es  stellte  sich  gleich  am  folgenden  Tage  Gelbsucht  ein,  die 
allmählich  immer  intensiver  wurde.  Fat.  lag  3  bis  4  Tage  zu  Bett 
mit  Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  sodass  er  auf  der  rechten  Seite 
nicht  liegen  konnte.  Dann  hörten  die  Schmerzen  auf,  die  Gelbsucht 
wurde  immer  stärker,  starkes  Juckgefühl  am  ganzen  Körper  stellte 
sich  ein.  Fat.  konnte  Nachts  nicht  schlafen  und  magerte  in  ziemlich 
'starkem  Grade  ab.  Steine  wurden  im  Stuhl  nicht  gefunden,  der  Stuhl 
war  dauernd  lehmfarben.  Fat.  wurde  mit  Morphium,  später  mit  01- 
klystieren  behandelt,  es  folgte  dann  eine  Ölkur,  zuletzt  wurde  Calomel 
verordnet.  Da  dabei  der  Appetit  sehr  litt,  kam  Fat.  immer  mehr  her- 
unter und  zog  schliesslich  Herrn  Geh.  Rat  Frof.  Renvers  in  Berlin 
zu  Rate,  welcher  den  Fat.  uns  zuschickte. 


—     343     — 

Befund:  Fat.  stark  abgemagert.  Intensiver,  zitronengelber 
Ikterus.  Leber  nicht  vergrössert.  Deutliche  Druckempfindlichkeit  in 
der  Mitte  zwischen  Nabel  und  Schwertfortsatz.  Leib  weich.  Herz 
und  Lungen  gesund.  Kein  Tumor  der  Gallenblase.  Im  Urin  etwas 
.Eiweiss,  viel  Gallenfarbstoff. 

Bekommt   zur  Vorbereitung  3  mal  8,6  Calciumchlorid  per  Clysma. 

Diagnose:  Stein  im  Cboledochus  (papilla  duodeni)  und  Pan- 
kreatitis chron.  interst. 

Operation:  1.  L  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  gross,  liegt 
hinter  dem  Rippenbogen  versteckt,  nicht  verwachsen.  Leber  normal. 
Aspiration  von  200  gr.  Galle.  Retrodiiodeual  im  Choledochus  fest  ein- 
geklemmt ein  Stein,  der  sich  ausnahmsweise  in  die  Gallenblase  Ttr- 
schieben  lässt,  wo  er  durch  Cystotomie  entfernt  wird.  Da  zndem 
der  Pankreaskopf  sehr  verdickt  ist,  Cysto -Gastrostomie.  Dauer  der 
Operation  40  Min.  Gute  Chloroformnarkose.  Totaler  Verschluss  der 
Bauchwunde. 

Verlauf:  Völlig  fieberfrei. 

30.  1.  03.    Pat.  wird  geheilt  entlassen.*) 

Epicrise  :  Einer  jener  seltenen  Fälle,  bei  dem  es  gelang", 
den  Choledochusstein  durch  den  erweiterten  Cysticus  in  die 
Gallenblase  zu  schieben.  Da  zugleich  der  Pankreaskopf  sehr 
hypertrophisch  war,  benutzten  w  ir  die  aufgeschnittene  Gallen- 
blase zu  einer  Cysto- Gastrostomie.    Es  trat  völlige  Heilung  ein. 

Nr.  156.    Seh.  A.,  58j.  Dr.  der  Staatswissenschaften  aus  Frank- 
furt a.  M. 

Aiifgen. :  24.  2.  1904. 

Operiert:  28.  2.  1904.  Cysto-Gastrostomie.  Netzplastik. 

t  2.  3.  1904  an  Cholämie. 
Anamnese:  Mit  12  Jahren  erkrankte  Pat.  an  Gelenkentzündung 
im  1.  Fuss  und  litt  daran  mit  Unterbrechungen  fast  bis  heute.  Als  er 
27  Jahre  alt  war,  konstatierte  Herr  Prof.  Esmarch,  es  sei  eine  Gelenk- 
neurose, die  nicht  mit  Ruhe,  sondern  mit  viel  Bewegung  behandelt 
werden  müsse.  Einige  Jahre  später  bildeten  sich  einige  Absi,esse  am 
Fussgelenk,  mit  dem  34.  und  dem  40.  Jahr  wurde  je  einmal  excochleiert. 
Dieses  Leiden  und  auch  sein  Beruf  bedingten  für  den  Pat.  eine  abnorm 
stark  sitzende  Lebensweise.  Sonst  war  Pat.  gesund,  sein  Durch- 
schnittsgewicht schwankte  zwischen  76  und  82  kg.  Mitte  1903  begann 
langsame  Abmagerung,  Gewicht  am  22.  11.  72  kg.,  am  28.  12.  70  kg., 
am  14.  1.  04  69  kg.,  am  18.  2.  67  kg.,  am  22.  2.  66,7  kg.  Seit  Anfang 
Juni  1903  war  Pat.  wegen  stärkerer  Schmerzen  in  dem  kranken  Fusse 
gezwungen,  ganz  besonders  der  Ruhe  zu  pflegen.    Während  dieser  Zeit, 


*)  Pat.  stellt  sich  im  Juli  1904  in  bester  Gesundheit  vor.    (x\nm. 
während  der  Revision.) 


—     344     — 

etwa  Mitte  September,  bemerkte  Pat.,  dass  der  Stuhlgang  hellgelb 
war;  Urinveränderungen  bestanden  aber  noch  nicht.  Am  14.  10.  03 
Reise  nach  Montreu^f  zur  Erholung,  daselbst  begannen  Hämorrhoidal- 
beschwerden,  die  sich  nach  der  Rückkehr  nach  Frankfurt  verschlim- 
merten. Anfang  Dezember  trat  plötzlich  Gelbfärbung  der  Haut  und 
Dunkelfärbung  des  Urins  auf.  Einige  Tage  später  stellte  sich  auch 
Hautjucken  ein,  das  den  Schlaf  viel  störte.  Dagegen  wurde  vom  Haus- 
arzt Herrn  Dr.  Kirch  he  im,  welcher  katarrhalische  Gelbsucht  an- 
nahm, Bromwasser  innerlich  und  Bromoeollsalbe  zum  Einreiben  ver- 
ordnet. Dabei  Karlsbader  Mühlbrunnen.  Appetit  blieb  immer  gut, 
nie  Aufstossen  oder  Erbrechen.  Keine  Schmerzen,  Stuhlgang  regel- 
mässig, aber  entfärbt.  Vor  14  Tagen  Konsultation  von  Herrn  Professor 
Dr.  Kleiner,  der  gespannten  Gallenblasentumor  konstatierte.  Fieber 
bestand  nie,  doch  ist  Pat.  gegen  Temperaturschwankungen  sehr  emp- 
findlich. Ikterus  hat  in  letzter  Zeit  stark  zugenommen.  Herr  Geh.- 
Rat  Dr.  Emil  Pfeiffer  rät  zur  Operation  und  schickt  den  Pat. 
uns  zu. 

Befund  vor  der  Aufnahme:  Ikterus,  Lebervergrösserung,  Tumor 
der  Gallenblase. 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Ikterus,  Lebervergrösserung,  Tumor 
der  Gallenblase. 

Pat.  sehr  abgemagert,  stark  ikterisch.  Im  Urin  kein  Eiweiss  und 
Zucker,  viel  Gallenfarbstoff.  Sehr  grosser  beweglicher  Tumor  der  Gallen- 
blase von  geringer  Druckempfindlichkeit.  Leber  etwas  hart,  sonst  kein 
Tumor  tastbar. 

Diagnose:  Chron.  Choledochusverschluss  durch  Tumor  (event. 
Pankreatitis  chron.  interst.).  Chlorcalcium  3  Tage  lang  rectal  3,6  gr. 
pro  dosi. 

Operation:  28.2.04.  Wellenschnitt.  Gallenblase  sehr  gross, 
enthält  dicke,  zähe,  schwarze  Galle  und  im  freien  Hals  4  haselnuss- 
grosse  Steine.  Verwachsungen  mit  dem  Netz  werden  mit  der  Coop er- 
sehen Schere  gelöst.  Pankreaskopf  sehr  hart.  Cysto-Gastrostomie.  Netz 
auf  die  Naht.  Dauer  der  Operation  1  Stunde.  (40  gr.  Chloroform.) 
Gute  Ghloroform-SauerstoflFnarkose. 

Verlauf:  28.  2.  Puls  nach  der  Operation  gut,  80.  Chlorcal- 
cium weiter  gegeben. 

29.  2.  Pat.  beginnt  morgens  mit  Trinken:  Tee  mit  Milch,  Giess- 
hübler,  auch  Wein.  Trinkt  reichlich  ohne  aufzustossen.  Puls  kräftig,  84. 
Normale  Temperatur.  Abends  Leib  etwas  gespannt.  Blähungen  gehen 
nach.Glycerin-Spritze.  Urin  reichlich,  fast  schwarz  durch  Gallen- 
farbstofF.    Tagsüber  fällt  etwas  Unorientiertheit  des  Pat.  auf. 

L  8.  Heute  Benommenheit  ausgesprochener.  Kein  Chlorcalcium 
mehr.  Morgens  Puls  noch  kräftig,  Atmung  abends  zuweilen  etwas 
röchelnd,  bedingt  durch  schleimiges  Sekret  im  Rachen.  Abendtemp.  etwas 
niedriger  als  normal  86,8.  Puls  abends  deutlich  weniger  kräftig  als 
am  Mittag,  100  in  doi  Minute.  Verband  am  Mittag  neu  überwickelt. 
Leib  vollkommen  weich,  Blähungen  gehen.  Kein  Zeichen  für  Blutung. 
Champagner,  Wein,  Cognak.  Abends  ganz  benommen,  schluckt  aber  noch. 


—     345     — 

2.3.  In  der  Nacht  zunehmende  Verschlechterung  des  Pulses  und 
röchelndes  Atmen,  Kochsakinfusion subcutan,  Kampherätheriujektionen 
halten  den  zunehmenden  Verfall  nicht  auf,  und  morgens  10'/»  Uhr 
erfolgt  der  Exitus,  nachdem  unmittelbar  vorher  blutigschwarze  Flüs- 
sigkeit erbrochen   wurde. 

Sektion  leider  unmöglich.  Man  kann  aber  mit  Bestimmtheit 
annehmen,  dass  an  der  Wunde  ,und  im  Operationsterrain  alles  in 
Ordnung  ist. 

E[3icrise:  Die  Steine  in  der  Gallenblase  waren  ein  g-anz 
zufälliger  Befund:  der  schwere  Ikterus  wurde  lediglich  durch 
den  Tumor  am  Pankreaskopf  erklärt.  —  Die  Verwachsungen 
wiesen  auf  eine  Entzündung  hin,  und  dementsprechend  war 
der  Befund  der  Steine  nicht  überraschend.  Aber  diagnostizieren 
konnte  man  sie  nicht,  sie  befanden  sich  im  Stadium  der  Latenz. 
Man  kann  nur  das  vorherrschende  Krankheitsbild  erkennen, 
und  das  war  der  Choledochusverschluss,  bedingt  durch  Tumor. 
Dafür  sprach  das  Fehlen  der  Schmerzen,  des  Fiebers,  die  grosse 
Gallenblase,  der  nie  wechselnde  Ikterus.  —  Der  Tod  erfolgte 
unter  den  Symptomen  der  Cholämie. 

Nr  157.    B.  Ch.,  4Bj.  Kaiifiimiinsfraii  JiiisShaschkow  bei  Kiew. 

Aufgen.:  29.  5.  1904. 

Operiert:    1.  6.  1904.    Cysto-Gastrostomie.     Eröffnung 

eines  Pankreasabscesses. 
t  9.  6.  1904  an  Inanition. 

Anamnese:  Pat.  hat  vier  Geburten  durchgemacht,  hat  in  der 
Jugend  viel  an  Kopfschmerzen  gelitten.  Vor  zwei  Jahren  zum  ersten- 
male  nach  einer  Magenstörung  durch  zu  reichlichen  Früchtegenuss 
einige  Stunden  lang  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  aber  nicht  aus- 
gesprochen kolikartig.  Sie  trank  Karlsbader  Wasser  und  fühlte  sich  bald 
wieder  ganz  gesund.  Vor  2'/»  Monaten  begannen  Koliken,  ohne  Ikterus» 
in  der  Gallenblasengegend.  Seitdem  ist  Pat.  bettlägerig  geblieben.  Vor 
zwei  Wochen  begann  sich  Ikterus  einzustellen,  Urin  wurde  braun  und 
Stuhlgang  grau.  Vor  fünf  Wochen  konsultierte  Pat.  in  Kiew  einen 
Arzt,  der  bei  ihr  Gallensteinleiden  feststellte  und  zwar  Gallenblasen- 
tumor mit  Leberschwellung.  Bis  dahin  hatten  die  Ärzte  das  Leiden 
für  nervös  gehalten.  Seit  zwei  Wochen  bekommt  Pat.  Morphium 
(0,005-0,01),  in  den  letzten  zwei  Tagen  zweimal  täglich.  Erbrechen 
bestand  bisher  nicht,  nur  auf  der  Reise  hierher  wurde  zweimal  bald 
nach  dem  Essen  gebrochen.  Die  Schmerzen  sind  am  heftigsten  des 
Nachts.  Schüttelfröste  traten  nie  auf,  dagegen  einigemale  Temperatur- 
steigerungen bis  zu  38.4°  C.  in  den  letzten  Tagen.  In  den  letzten 
2'/«  Monaten  soll  Pat.  stark  abgemagert  sein,  besonders  wegen  ihres 
schlechten  Appetits.    Hautjucken  trat  sehr  wenig  auf;  der  Ikterus  soll 


—     846     — 

in  seiner  Intensität  gewechselt  haben.     Der  Stuhlgang  erfolgt  täglich- 
wenn  keine  Schmerzen  vorhanden  sind,  ist  der  Schlaf  gut. 

Befund:  Sehr  elende,  anämische,  ikterisohe  Pat.  Grosse  Leber, 
Gallenblasentumor  nur  undeutlich  palpabel.  Urin  enthält  Gallenfarb- 
stoff, kein  Eiweiss  oder  Zucker.  Temp.  am  29.  5.  38,5  <»  C.  Puls  100, 
klein.  Da  Pat.  das  Riciniisöl  ausbricht,  wird  der  Darm  nnr  durch  Clys- 
men  entleert.  Baden  fällt  wegen  grosser  Schwäche  fort.  Die  Bauch- 
wand wird  mit  Aether  und  Spiritus  gründlich  gereinigt.  Zweimal 
Magenspülungen,  zweimal  Kochsalziufusionen. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus,  daneben  Pankreatitis.  (Ulcus 
pylori  oder  duodeni  möglich.) 

Operation:  1.6.04  Wellenschnitt.  Leber  gross,  Gallenblase 
prall  gefüllt,  enthält  im  Fundus  einen  walnussgrosson  Stein;  ist  nir- 
gends verwachsen.  Aspiration  von  ca.  100  ccm.  tiefdunkler  Galle.  Cho- 
ledochus  gut  übersichtlich,  hier  kein  Stein  zu  fühlen.  Colon  am  Py- 
lorus  adhärent,  dahinter  ein  faustgrosser  harter  Tumor.  (Pankreatitis 
oder  perforiertes  Ulcus  pylori  oder  duodeni).  Mit  der  Kornzange  werden 
die  sulzigeu  Verwachsungen  getrennt,  Und  es  kommt  bröckliger  Eil  er  zum 
Voi'schein.  Die  mit  dem  Löffel  entfernten  Massen  stinken  aashaft. 
Taniponade.  Zwecks  Ableitung  der  (xalle  —  das  Hindernis  liegt  an  der 
Papilla  duodeni  —  Cysto-Gastrostomie.  Der  Magen  wird  ca.  3  cm.  ober- 
halb des  Pylorus  an  einer  gefässfreien  Stelle  dicht  an  der  curvatura 
minor  durch  einen  2  cm.  langen  Schnitt  eröffnet.  Ebenso  die  (xalleu- 
blase,  aus  welcher  der  Stein  aus  dem  Fundus  extrahiert  wird.  Zuerst  ca- 
G  hintere  Serosa-Mnscularisnähte ,  dann  Schleimhautnaht,  dabei  gehen 
einige  Nadeln  durch  die  ganze  Dicke  der  Grallenblasen-  resp.  Magen- 
wand hindurch.  Ein  in  die  Gallenblase  eingelegter  Gazestreifen  ver- 
hindert das  Ausfliesseu  der  Galle.  Magen  leer  (er  Mar  vor  der  Operation 
2  mal  ausgespült).  Vordere  Serosa-Muscularisnaht  nach  Entfernung  des 
Gazestreifens  aus  der  Galleublase.  Die  Bauch  wand-Peritoueal-Duplicatur, 
die  wie  ein  Hahneukamm  herabhängt,  wird  so  auf  die  Anastomose  gelegt 
und  hier  durch  3  Fäden  fixiert,  dass  die  ganze  Naht  bedeckt  ist  und 
von  der  Tamponade  nicht  berührt  wird.  Der  hinter  dem  Magen 
liegende  Abscess  wird  mit  einem  dicken  Gummidrain  drainiert, 
ringsum  wird  die  Bauchhöhle  durch  viele  (ca.6j  Gazestreifen  abgeschlossen. 
Zwischen  diese  und  Rohr  Krüllgaze.  Die  Bauchwand  wird  im  oberen 
(über  der  Leber)  und  unteren  Teil  durch  Durchstichknopf  nähte  geschlossen. 
Dauer  der  Operation  70  Minuten.  Sehr  gute  Chloroform-Sauerstoff- 
narkose (40  gr.  Chloroform).  Puls  ist  gut,  da  Pat.  vor  der  Operation 
2  Kochsalzinfusionen  bekommen  hatte. 

Verlauf:    L    6.   04.      Viel    galliges    Erbrechen.     Magenspülung. 

2.  6.  04.  Puls  104.  Temp.  37,6.  Verband  etwas  durch;  obere 
Schichten  werden  entfernt,  neue  Gaze  wird  aufgelegt.  Dreimal 
Nährklystiere.    Erbrechen  geringer.    Pat.  macht  einen  guten  Eindruck. 

5.  6.  04.  Täglicher  Verbandwechsel.  Es  fliesst  aus  dem  Rohr 
viel  Flüssigkeit  (Pankreassekret)  ab.  Ikterus  geht  dabei  zurück.  Pat. 
nimmt  reichlich  flüssige  Nahrung  zu  sich,  bricht  nicht  mehr. 


—     347     — 

ß.  6.  04.  Verbandwechsel.  Die  Krüllgaze  wird  entfernt,  die  Ab- 
sperrungstamponade bleibt  liegen.  Entfernung  des  Rohrs.  Spülung  mit 
Kochsalzlösung.  Es  kommt  viel  Jauche  lum  Vorschein  nebst  Gewebs- 
fetzen,  die  wie  nekrotisches  Pankreas  aussehen.  Ein  langer  Gazestreifen 
wird  in  die  retrogastrische  Höhle   eingelegt.    Temp.  38,1 "  C,  Puls  110. 

7.  6.  04.  Pat.  hat  reichlich  Stuhlgang  gehabt,  Aussehen  viel 
besser,  Puls  100,  kräftiger,  Wunde  in  guter  Verfassung,  beim 
Ausspülen  kommen  wueder  Gewebsfetzen  (nekrotisches  Pankreas)  zum 
Vorschein. 

9.  6.  04.  Puls  heute  morgen  ziemlich  beschleunigt.  Bei  dem 
Verbandwechsel  ergibt  sich,  dass  "die  Wundhöhie  mit  dem  Alagen  oder 
Darm  in  Verbindung  steht.     Tamponade. 

10.  6.  04.  Trotz  subkutaner  Injektion  von  Olivenöl  etc.  rascher 
Verfall  der  Kräfte.  Der  Verband  ist  immer  von  Mageninhalt  durch- 
tränkt. 

1 1.  6.  04.     Exitus  unter  den  Erscheinungen  der  Inanition. 

Eine  Revision  der  Wunde  ergibt,  dass  die  Wundhöhle  ringsum 
abgeschlossen  ist.  Peritoneum  glänzend  und  frei  von  Entzündung. 
Hinter  dem  Magen  eine  mit  nekrotischen  Fetzen  ausgekleidete  Höhlte. 
Diese  kommuniziert  mit  dem  Magen.  An  dessen  hinterer  Fläche  dicht 
oberhalb  des  Pylorus  ein  ulcerierendtjs  Carcinom.  Pankreas  —  beson- 
ders sein  corpus  —  in  nekrotischem  Verfall  begriffen. 

Epicrise:  Der  grosse  Stein  in  der  Gallenblase  spielte 
zur  Zeit  gar  keine  Rolle.  Vielleicht  lag-  früher  Chole- 
cystitis vor;  augenblicklich  war  der  Cysticus  offen,  die  Galle 
war  tiefdunkel,  aber  klar.  Der  Tumor  hinter  dem  Magen  ist 
entweder  verdicktes  Pankreas,  oder  es  ist  ein  Ulcus  pylori  oder 
duodeni  perforiert.  Nicht  gänzlich  ausgeschlossen  ist  ein  zer- 
fallendes Carcinom.  Die  Cysto- Gastrostomie  war  nötig  zur 
Ableitung  der  gestauten  Galle.  Die  Leber  war  sehr  ver- 
grössert.  Eine  gleichzeitige  Gastroenterostomie  wäre  ganz  gut 
gewesen,  doch  war  Pat.  für  diesen  Eingriff  zu  schwach.  Man 
konnte  hoffen,  dass  der  Pylorus  von  allein  wieder  durchgängig 
werden  würde,  wenn  die  Schwellung  am  Pankreas  zurückginge. 
Wenn  das  nicht  eintrat,  hätte  man  immer  noch  eine  sekundäre 
Gastroenterostomie  vornehmen  können.  Damit  die  Magen-  und 
Oallenblasennahtsich  nicht  inflcieren  konnte,  wurde  der„rett- 
purzel"  der  linea  alba  zur  Plastik  verwandt.  Leider  war 
die  Pat.  schon  so  geschwächt,  dass  sie  9  Tage  post  op.  an 
Inanition  zu  Grunde  s'ms:- 


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b)  Die  Cysto-Enterostomie. 

Nr.  158.     K.  H.,  28 j.  Arbeiter  aus  Stiege. 

Aiifg-en.:  28.  4.  1899. 

Operiert:  29.  4.  1899.     Cysto-Enterostomie. 

Entlassen:  29.  6.  1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Vater  und  Mutter  tot,  an  Tjphus  und  Pneumonie 
gestorben.  Vier  Geschwister  leben  und  sind  gesund.  Mit  17  Jahren 
Typhus.  Mit  23  Jahren  Drüsenvereitorung  in  der  rechten  Axilla.  Ein 
Jahr  später  begann  das  Leberleiden.  Fat.  wurde  häufig  ohnmächtig, 
verlor  den  Appetit,  bekam  Erbrechen  und  Drücken  in  der  rechten 
Seite  und  wurde  ikterisch  (März  1895).  Im  Herbst  desselben  Jahres 
Koliken  nach  eingenommener  Mahlzeit.  Viel  Erbrechen  (dabei  Blut). 
Die  Krampfanfälle  wiederholen  sich  alle  3  Wochen,  die  Schmerzen 
strahlen  nach  dem  Rücken  zu  aus.  Der  Stuhlgang  war  immer  grau 
oder  gelb,  nie  braun  (von  1895—99),  die  Gelbsucht  wechselte  aber.  Das 
Jucken  hat  in  der  letzten  Zeit  nachgelassen.  Seit  2  Jahren  haben  die 
Koliken  nachgelassen.  Appetit  wechselnd,  in  der  letzten  Zeit  auch 
nach  leichten  Speisen  Drücken.  Stuhlgang  im  allgemeinen  regelmässig. 
Urin  war  meist  braun.  Am  24.  Juni  1896  Aufnahme  des  Fat.  in  die 
chir.  Klinik  zu  Halle  a.  S.  Am  9.  Juli  Operation.  Entl.  am  21.  August. 
Fat.  kann  nicht  angeben,  welche  Diagnose  dort  gestellt  wurde  und 
welcher  Eingriff  zur  Ausführung  kam.  Der  Ikterus  ist  nicht  ge- 
schwunden, das  Gesamtbefinden  blieb  sich  gleich.  Manchmal  hat  Fat. 
bei  der  Defäcation  etwas  Blut  verloren.   Lues  wird  in  Abrede  gestellt. 

Befund:  Kleiner  schmächtiger  Mann  mit  intensivem  Ikterus. 
Im  rechten  Hypochondrium  eine  Quernarbe  (Leberrandschnitt  nach 
Courvoisier),  drei  Silberdrähte  sehen  aus  Granulationen  hervor.  Die- 
selben werden  entfernt.  Fat.  gibt  an,  dass  dieselben  schon  ein  Jahr 
lang  aus  der  Narbe  hervorsehen.  Milz  vergrössert.  Unterer  Leberrand 
reicht  bis  zur  Nabelhöhe.  Kein  Ascites.  Lungen  und  Herz  gesund. 
Im  Urin  Gallenfarbstoff. 

Die  Diagnose  wird  auf  Verschluss  des  Choledochus  durch  Narbe 
oder  Tumor  (Duodenalulcus)  gestellt.    Kein  Stein. 

Operation  am  29.  4.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  durch  den 
Czernyschen  Hakenschnitt  Freilegung  der  Gallenblase.  Diese  in  Ad- 
haesionen  eingehüllt.  Fankreaskopf  sehr  hart.  Leber  vergrössert,  aber 
nirgends  Knoten.  Kein  Stein  im  Choledochus.  Oysto-Ünodenöstomie 
schwierig,  weil  die  Gallenblase  sehr  morsch  ist  und  leicht  einreisst. 

Verlauf  fieberfrei.  Am  5.  Tage  Erbrechen  grosser  Mengen  blutig 
gefärbten  Mageninhalts.  Dasselbe  wiederholt  sich  am  C.  und  7.  Tage. 
Daher  Gelatine-Injection  1  "/o  unter  die  Brusthaut.  Erholung.  Der  Quer- 
schnitt weicht  auseinander  (schlechte  Ernährung  wegen  der  ersten 
Narbe).  Ikterus  schwindet,  Blutung  tritt  nicht  wieder  auf.  Guter 
Appetit. 

Am  29.  6.  mit  nur  noch  geringen  Spuren  von  Ikterus,  gutem 
Appetit,  erheblicher  Gewichtszunahme  entlassen. 


—     349     - 

Epicrise:  In  diesem  Fall  hat  sich  die  Injektion  von 
einer  l"/o  Gelatine-Lösung  sehr  bewährt.  Auch  in  anderen 
Fällen  haben  wir  bei  cholämischen  Blutung-en  gute  Erfolge  ge- 
sehen, so  dass  gerade  nach  Choledocliotomien,  bei  denen  Nach- 
blutungen wegen  der  bestehenden  Cholämie  nicht  ganz  selten 
sind,  die  Injektion  von  Gelatinelösung  sehr  zu  empfehlen  ist. 
In  neuerer  Zeit  habe  ich  bei  der  prophylaktischen  Anwendung 
von  Chlorcalcium  kaum  mehr  nötig  gehabt,  nachträglich 
Gelatine-Lösung  zu  injizieren. 


No.  159.     P.  H.,  41  j.  Gutsbesitzer  aus  Hof-Langenwiese  bei 
Freiburg  i/S. 
Aufgen.:  28.  12.  1899. 

Operiert:  31.  12.  1899.    Cysto-Enterostomie.    Gastro- 
Enterostomie.  Entero-Enterostomie.  Appendicectomie. 
Entlassen:  8.  2.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Vater  an  Urämie  j.  Mutter  an  Pneumonie  f.  Letz- 
tere litt  in  den  letzten  Jahren  ihres  Lebens  an  „Magenbeschwerden", 
bei  der  Sektion  wurde  in  der  Gallenblase  ein  Stein  gefunden.  Zwei 
Scbwestern  von  ihr  sind  ebenfalls  schwer  gallensteinleidend. 

Pat.  hat  ausser  einigen  Kinderkrankheiten  im  14.,  17.  und  18. 
Lebensjahre  Unterleibs-  resp.  Blinddarmentzündung  gehabt,  später  hat 
er  sehr  viel  an  Magenbeschwerden  gelitten.  Seit  1880  doppelseitiger 
Leistenbruch,  1881  Sturz  mit  dem  Pferde,  seitdem  Kolikanfälle  von 
2  —  10  Minuten  Dauer  mit  Schweiss,  Schwindel,  Ohnmacht,  danach  Drang 
zum  Urinlassen  und  zum  Stuhlgang.  1881  — 1885  jährlich  Mühlbrunnen 
getrunken,  1887  in  Karlsbad  wegen  Fettleibigkeit,  1893  ebenda  wegen 
akuten  Magenkatarrhs,  seitdem  trinkt  Pat.  kein  Bier  mehr,  sondern 
nur  leichten  Wein,  Fachinger  oder  Biliner  Wasser,  Tee.  1895  in 
Kissingen  wegen  „Verstimmung  der  Magennerven".  1897  Nikotinver- 
giftung. Februar  1898  heftiger  Magendarmkatarrh,  5  Wochen  in  Privat- 
klinik in  Dresden  (Herr  Dr.  Pioennies),  Gewichtsabnahme  (von 
229  Pfd.  auf  186  Pfd.).  Im  Juli  nach  einer  anstrengenden  Reise 
bei  Wagenfahrt  auf  schlechten  Wegen  Kolik  (Gallensteine?)  mit  Brech- 
reiz. Ende  September  wieder  Magenschmerzen,  S'/a  Wochen  zu  Hause, 
4'/«  Wochen  in  Dresden  bei  Herrn  Dr.  Pioennies;  hier  trat  die  erste 
ausgesprochene  Gallensteinkolik  auf.  Ende  Dezember  1898  konstatiert 
Herr  Dr.  K  e  11  i  ng- Dresden  starke  Neurasthenie  und  massige  Empfind- 
lichkeit der  Gallenblasengegend.  Am  23.  März  1899  stellt  derselbe  nach 
leichtem  Schmerzanfall  Steineinklemmung  im  Ductus  cysticus  fest. 
25.  März  Influenza,  nachts  beim  Wäschewechsel  plötzlich  sehr  heftiger 
Schmerz  oberhalb  des  Nabels.  Am  18./19.  4.  ausgesprochene  Gallen- 
steinkolik, im  Stuhl  etwas  Sand.    Am  3.  5.  Eiter,  später  helles  Blut  im 


—     350     — 

Stuhl.  Der  Hausarzt  diagnosticiert  Platzen  eines  Duodenalgeschwürs. 
24.6.  nach  Karlsbad,  wo  Herr  Dr.  Ritter  einen  stattgehabten  Durch- 
bruch der  Gallenblase  nach  dem  Querkolon  und  Verwachsungen  zwischen 
Duodenum,  Pylorus,  Gallenblase  und  Leber  annimmt.  In  Karlsbad  ein 
Anfall ;  sonst  Besserung,  Fat.  verlässt  Karlsbad  gekräftigt.     Am  30.  9. 

wieder  Kolik  mit  Erbrechen,    seitdem  immer  dumpfer  Schmerz  in  der 

Gallenblasengegend.     Am  12.  12.  letzter  Anfall. 

Ikterus  ist  nie  vorhanden  gewesen,  im  Urin  nie  Gallenfarbstofif 
gefunden  worden.  Dor  Stuhl  war  während  der  Anfälle  mehrmals 
1-2  Tage  entfärbt,  enthielt  einmal  nach  dem  Anfall  Sand. 

Die  Diagnose  wird  auf  Steine  in  der  Gallenblase,  die  früher 
perforiert,  jetzt  mit  einem  Darmabschnitt  durch  eine  Fistel  kom- 
munioiert,  gestellt.  Nach  der  Anamnese  muss  man  auf  Veränderungen 
des  Wurmfortsatzes,  ev.  auch  am  Duodenum  (Ulcus  duodeni)  gefasst  sein. 

Der  Befund  ist  bis  auf  geringe  Druckempfiadlichkeit  in  der 
Gallenblasengegend  negativ.  Leber  zur  Zeit  nicht  vergrössert,  Herz, 
Lungen  gesund.     Im  Urin  nichts  Pathologisches. 

Operation:  31-  12.  99.  (Die  letzte  im  19.  Jahrhundert.)  Längs- 
schnitt. Gallenblase  mit  Netz  und  Quercolon  verwachsen.  Lösung. 
Es  zeigt  sich,  dass  zwischen  Gallenblase  und  Colon  nur  noch  eine  feine 
Öffnung  besteht.  Versorgung  der  Colonfistel.  In  der  Gallenblase  ein 
grosser  Stein.  Extraction.  Zwischen  Duodenum  und  Choledochus  viele 
Verwachsungen.  Trennung.  Dahinter  der  steinharte  Pankreaskopf; 
derselbe  wird  freigelegt  nach  Spaltung  des  Omentum  malus.  Wegen  dieser 
Paukreatitls  chrou.  interst.  Cysto-Eiiterostomie,  Pylorus  eng,  Duodenum 
narbig  (altes  ülcns  duod.).  Deshalb  Gastroenterostomie  nach  y.  Hacker. 
Aufhängomethode  nach  Kappeier.  Trotzdem  gibt  es  einen  Sporn. 
Zur  Vermeidung  des  circ.  vitiosus  Eutero-Euterostomle  nach  Braun. 
Am  Colon  ascendons  einige  Verwachsungen.  Warmfortsatz  geknickt, 
■wird  entfernt. 

Also  a)  Versorgung  einer  Gallonblasen-  und  Colonfistel.  b)  Cysto- 
Enterostomie  wegen  Pankreatitis,  c)  Gastroenterostomie,  d)  Entero- 
Enterostomie.  e)  Resektion  des  proc.  vermiformis.  2'/»  stündige  schwere 
Operation.     150  gr.  Chloroform.     Puls  100,  leidlich  kräftig. 

Pat.  hatte  früher  einmal  eine  Perityphlitis  gehabt,  die  Galleustein- 
krankheit  wurde  kompliziert  durch  ein  Ulcus  duodeni,  welches  auch 
zu  der  Pankreatitis  chron.  beigetragen  haben  kann.  Jedenfalls  gab  es 
bei  dem  Kranken  viel  auszubessern.  Hätte  man  nicht  alle  erkrankten 
Organe  (Gallenblase,  Proc.  vermiformis,  Pankreas)  berücksichtigt,  so 
hätte  man  eine  vollständige  Heilung  resp.  Beseitigung  der  Beschwerden 
nicht  erzielt.  Ob  der  Eiter,  der  einmal  im  Stuhlgang  sich  fand,  die 
Folge  eines  Durchbruchs  der  vereiterten  Gallenblase  in  das  Colon  war, 
oder  ob  das  Ulcus  duodeni  in  dieser  Beziehung  eine  Rolle  spielte,  lasse 
ich  dahingestellt. 

Vorlauf:  Bis  5.  1-  ohne  Besonderheiten. 

5. 1.  Auf  Riziuusül  erfolgt  lamal  blutiger  Stuhlgaug  in  der  Nacht. 


-     351     — 

6.  1.  37,9.  38,8.  38,0.  Heute  morgen  Pals  140,  klein.  Leib 
weich.  Magenanssyttlung  ergibt  viel  Blut.  Infusion  von  150  gr. 
2*/o  Gelatine,  Eiuwicklung  und  Hochlageruug  der  Beine.  3  mal  Koch- 
sal^infusiou.  Opinmzäpfchen  0,05  alle  zwei  Stunden.  Absolute  Absti- 
nenz.   Eisblase  auf  den  Leib. 

7.  1.  38,1.  Puls  134.  38,0.  Puls  120.  Opiurazäpfchen  gestern 
bis  11  Uhr  abends,  heute  morgen  von  7  Uhr  ab  zweistündlich  weiter. 
Seit  gestern  morgen  ist  kein  Stuhlgang  mehr  erfolgt,  kein  Erbrechen. 
Pat.  erhält  Milch  mit  Kognak,  Sekt.  Heute  morgen  Puls  regelmässig, 
134,  ziemlich  kräft  g,  subjektives  Wohlbefinden. 

8.  1.  38,2.  Puls  124,  kräftig,  regelmässig.  38,2.  Klagt  wieder 
über  Schmerzen  im  Leib,  hat  nachts  meist  gut  geschlafen. 

9.  1.  Etwa  in  der  Mitte  der  Naht  hat  sich  ein  kleiner  Abscess 
gebildet.    39,0.    Eröffnung.     Puls  128,  kräftig.     38,7. 

Weiterhin  guter  Verlauf. 

22.  1.    37,0.    Steht  auf. 

8.  2.     Geheilt  entlassen. 

Stellte  sich  im  August  1900  in  bester  Gesundheit  vor;  die  sehr 
lange  Narbe  ist  an  2  Stellen  etwas  vorgewölbt.  4  Wochen  vorher  hatte 
Pat.  mit  der  Verdauung  zu  tun,  was  wohl  auf  die  Adhäsionen  zurück- 
zuführen ist.  Im  übrigen  ist  sein  Aussehen  vorzüglich,  bedeutende 
Gewichtszunahme.  Pat.  machte  ohne  Beschwerden  eine  Brockenpartie 
zu  Fuss. 

Epicrise:  Der  Fall  zeigt  recht  deutlich,  was  wir  Chi- 
rurgen unter  der  Fahne  der  Asepsis  zu  leisten  vermögen.  Nach- 
dem eine  Colongallenblasenfistel  zerstört,  das  Loch  im  Darm 
genäht  war,  wurde  der  Wurmfortsatz  entfernt,  eine  Cysto- 
Diiodenostomie,  eine  Gastroenterostomie  und  eine  Entero-Entero- 
stomie  ausgeführt.  Also  5  Operationen,  von  denen  jede 
einzelne  schon  einen  erheblichen  Eingriff  darstellt. 


c)  Die  Cystico-Gastrostomie. 

Die  Anastomosenbildung  zwischen  Ductus  cysticus  und 
Duodenum  resp.  Magen,  die  ich  einige  Male  ausgeführt  habe, 
unterscheidet  sich  in  technischer  Hinsicht  kaum  von  den  an- 
deren Operationen  dieser  Art.  Die  Cystico-Enterostomie  kommt 
nach  einer  Ectomie  in  Betracht,  wenn  eine  komplete  Gallen- 
fistel entstanden  (bei  Pankreatitis,  narbigem  Verschluss  der  Pa- 
pille, bei  Stein)  und  eine  direkte  Beseitigung  des  tiefen  Ver- 
schlusses unmöglich  ist.  Da  der  Ductus  cysticus  sehr  eng  ist 
und  deshalb  gern  zur  Obliteration  neigt,  ist  es  angezeigt,  die 
nötige   Anastomose    zwischen    Ductus   choledochus    selbst  und 


—     352     — 

Duodenum  herzustellen.  DieCystico-Enterostomie  vermeidet  man 
am  besten  dadurch,  dass  man  bei  ausgesprochener  Pankreatitis 
chronica  und  bei  sonstigen,  nicht  sofort  zu  beseitigenden  Ver- 
schlüssen des  Ductus  choledochus  die  Gallenblase  erhält,  damit 
man  diese  selbst  zu  der  viel  leichteren  Cysto -Enterostomie  be- 
nutzen kann. 

Ich  gebe  der  Vollständigkeit  halber  in  Fall  Nr.  160  eine 
Krankengeschichte  wieder,  bei  der  ich  eine  Cystico-Gastrostomie 
ausgeführt  habe. 


Nr.  160.  A.  K.,  27  j.  Ziuimermaiinsfrau  aus  Halberstadt. 

Aufgen.:  16.  2.  1898. 

Operiert:   17.  2.  1898.     Gallenblasenresektion. 

Entlassen:  22.  3.  1898.     Mit  Gallenfistel. 

Wiederaufgen. :  20.  5.  1898. 

Operiert:  24.  5.  1898.    Cystico-Gastrostomie.  Gastro- 

Enterostomie. 
Entlassen:   16.  7.  1898.     Geheilt. 

Anamnese:  Eltern  der  Fat.  tot  (Vater  Schwindsucht,  Mutter 
Magengeschwür),  zwei  Brüder  leben  noch ;  Fat.  heiratete  19  Jahre  alt, 
ist  Mutter  von  4  Kindern,  von  denen  3  leben  und  gesund  sind.  Im 
September  1897  bekam  Fat.  plötzlich  unter  Schmerzen  im  Magen  und 
zwischen  den  Schulterblättern  Atemnot.  Der  Arzt  konstatierte  Gallen- 
steinkolik, verordnete  heisse  Umschläge  ;  Abführmittel  wurden  aus- 
gebrochen. Endlich  erfolgte  auf  flüssige  Medizin  Stuhlgang,  und  damit 
besserte  sich  der  Zustand.  Gelbsucht  soll  nicht  dagewesen  sein.  Fat. 
war  seitdem  ganz  wohl,  vertrug  alle  Speisen.  Mitte  Januar  1898  be- 
kam sie  plötzlich  Magenschmerzen  ohne  Erbrechen,  jedoch  mit  Auf- 
stossen.  Die  Schmerzen  wechselten  einige  Tage  in  ihrer  Stärke,  bis 
am  3.  Tage  ihre  Heftigkeit  sehr  gross  wurde  und  sich  Kreuzschmerzen 
dazu  gesellten.  Wenn  Erbrechen  kam  —  derartige  Anfälle  traten  nun 
fast  jeden  Tag  ein  —  fühlte  sich  Fat.  wohler.  Bei  der  Aufnahme  38,7, 
Puls  96.     Von  Herrn  Dr.  Bottich  er  überwiesen. 

Befund:  Mittelgrosse,  ziemlich  magere  Frau,  leicht  ikterisch. 
Organbefund  normal,  Harn  frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  enthält  Gällen- 
farbstoff.  Ohne  Narkose  findet  man  in  der  r.  Oberbauchgegend  ver- 
mehrte Resistenz,  rechts  vom  Nabel  einen  ausgesprochenen  Druck- 
schmerz und  undeutlich  palpablen   Tumor. 

Diagnose:  Cholelithiasis,  z.  Z.  akute  Cholecystitis. 

I.  Operation:  am  7.  2.  1898.  Chloroformnarkose.  Dauer  65  Min. 
Kleiner  Längsschnitt  im  r.  M.  rectus  vom  Rippenbogen  abwärts.  Man 
stösst  auf  die  bis  in  Nabelhöhe  reichende  Leber;  diese  ist  der  vorher 


—     353     — 

gefühlte  Tumor.  Die  Gallenblase  ist  nicht  sichtbar,  ist  mit  dem  ent- 
zündlich verdickten  Netz  eng  verwachsen.  Es  gelingt  nur  schwer, 
die  Gallenblase,  welche  ferner  am  Magen  und  mit  dem  grössten  Teil 
der  Hinterfläche  am  Duodenum  adhärent  ist,  frei  zu  machen.  Dabei 
reisst  ihre  verdickte  und  mürbe  Wand  ein.  Es  treten  eine  Anzahl 
kleiner  bis  erbsengrosser,  rundlicher,  gelblicher  Steine  nebst  dickem 
Eiter  zu  Tage.  Gazekompressen  waren  zum  Schutze  der  Bauchhöhle 
vorher  eingelegt.  Die  Steine  werden  mit  der  Kornzange  entfernt. 
Man  beabsichtigt  die  Blase  zu  exstirpieren,  findet  aber  die  Ver- 
wachsungen an  der  Hinterfläche  sehr  schwer  lösbar;  ausserdem  zeigt 
sich,  dass  Durchbrüche  stattgefunden  haben  und  noch  Steine  hinter 
der  Blase  in  Adhäsionen  liegen,  deren  Entfernung  mühsam  ist ;  des- 
halb trägt  man  von  der  Blaseuivand  soviel  ab,  dass  im  Wesentlichen  nur 
die  schwielige  Hinterwaud  nnd  der  demCysticns  zunächst  gelegene  Blasen- 
teil  stehen  bleiben.  Dabei  entsteht  eine  starke  Blutung  aus  der  Art. 
cystica,  welche  durch  Unterbindung  gestillt  wird.  Nun  stecken  noch 
2  Steine  im  Cysticus,  die  sich  unter  grosser  Mühe  entfernen  lassen. 
Dann  wird  die  Blase  in  sich  vernäht,  einige  Netzstränge  werden  ligiert, 
ein  langer  Gazestreifen  auf  die  Nahtgegend  geführt  und  die  Bauch- 
wunde durch  Durchstichknopfnähte  und  einige  Hautnähte  geschlossen. 
In  der  Gallenblase  29  Steine. 

Verlauf:  Puls  sehr  klein,  100.  Pat.  bricht  in  den  folgenden 
Tagen  bis  zum  21.  2.  sehr  häufig  gallige  Flüssigkeit  aus ;  auf 
Magenspülungen  sistiert  das  Erbrechen.  Bauch  immer  weich,  kein 
Fieber.  Am  24.  2.  tritt  neuerdings  Erbrechen  auf,  welches  zu 
Magenausspülungen  nötigt.  In  der  Folge  klagt  Pat.  noch  öfters  über 
Magendruck,  zumal  nach  konsistenteren  Mahlzeiten.  Es  wird  auch 
am  3.  8.  wieder  einmal  nötig,  Magenauspüluogen  zu  machen ;  dann 
aber  erholt  sich  Pat.  langsam  und  verträgt  alle  Speisen,  allerdings  nur 
in  massigen  Mengen.  Beim  ersten  Verbandwechsel  am  26.  2.  zeigt  sich 
im  Verband  etwas  Galle.  Der  Gallenausfluss  wird  in  der  Folge  stärker, 
sodass  Verbandwechsel  bereits  am  28.  2.,  dann  am  5.  3.,  11.  3.,  15.  3., 
22.  3.  stattfindet.  Schon  am  15.  3.  ist  der  Ausfluss  von  Galle  sehr  ge- 
ring, daher  wird  Pat.  am  22.  3,  mit  kleiner  Granulation  und  etwas 
secernierender  Gallenfistel   entlassen. 

In  der  Folgezeit  kommt  Pat.  zum  Verbinden  in  die  Klinik;  die 
Fistel  secerniert  stets  Galle,  mitunter  sogar  sehr  reichlich.  Wird  die- 
selbe mit  Gaze  zugestopft,  oder  hat  sie  sich  sehr  verengt,  so  treten 
heftige  Magenschmerzen  mit  Erbrechen  gallig  gefärbten  Mageninhalts 
auf;  sobald  grosse  Mengen  Galle  aus  der  Fistel  gedrungen  sind,  tritt 
wieder  Wohlbefinden  ein.  Die  Bauchhaut  wird  in  grosser  Ausdehnung 
durch  die  Galle  wund;  deshalb  und  um  endlich  heil  zu  werden,  ent- 
schliesst  sich  Pat.  zu  nochmaliger  Operation. 

Wiederaufnahme  20.  5.  98.  Der  Fistelgang  wird  durch  Laminaria- 
stift  erweitert;  derselbe  am  Tage  darauf  entfernt;  es  fliesst  bald  Galle. 
Tamponade  der  Fistel. 

Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  23 


—     354     — 

Am  24.  5.  98  II.  Operation:  Medlausclmitt  vom  Proc.  eiisiforuiis 
bis  fast  zum  Nabel,  dann  nach  links  unten  in  der  Richtung  auf 
die  Spina  a.  s.  abweichend.  Der  grosse  Magen  ist  nach  rechts, 
besonders  in  der  Gegend  der  Narbe  am  Periton.  parietale  ad- 
härent.  Man  fühlt  oberhalb  der  grossen  Kurvatur  eine  Geschwulst, 
das  > erhärtete  und  yergrösserte  Pankreas,  welches  den  Choledochus 
stark  komprimiert;  ein  Stein  ist  nicht  nachweisbar.  Lösung  des 
Magens  vom  Bauchfell,  dabei  reisst  der  Magen  ein,  teilweise  Naht  des 
Lochs.  Der  Gallenblaseustumpf  wird  mit  dem  Magen  in  Anastomose 
gesetzt  an  der  Rissstelle  des  Magens.  Cystieo  -  (xastrostomie.  Darauf 
Gastroenterostomie  nach  Hacker  wegen  Magenerweiterung.  Er- 
weiterung des  Fistelgangs.  Gazetampon  in  das  Foramen  Winslowii. 
Schluss  der  Bauchwunde  durch  Durchstiehknopfnähte  nach  Excision 
des  Nabels,  einige  Hautnähte. 

Verlauf:  Am  Abend  des  Operationstages  ist  die  Temp.  37,2", 
am  folgenden  Tage  früh  39",  abends  39,1°.  Dann  fällt  die  Temperatur 
ab,  und  vom  28.  5.  bewegt  sie  sich  in  normalen  Grenzen.  Am  27.  5. 
zeigt  sich  der  Verband  stark  gallig  durchtränkt  und  wird  daher 
gewechselt.  Man  findet,  dass  die  Anastomose  an  der  vorderen 
Wand,  wo  die  Gaze  hinreichte,  nicht  gehalten  hat;  es  hat  sich  eine 
Gallen-  und  Magenflstel  etabliert.  Seitdem  muss  Fat.  täglich,  öfters 
2,  ja  3  mal  verbunden  werden.  Es  w^ird  mehrere  Male  versucht,  die 
Anastomose  durch  Naht  wiederherzustellen,  so  am  30.  5-,  1.  6.,  4.  6., 
es  gelingt  aber  nicht,  da  die  Nähte  durchschneiden,  und  daher  muss 
Fat.  weiter  häufig  verbunden  werden;  sie  wird  am  16.  7.  entlassen, 
ohne  dass  Heilung  erfolgt  wäre,  und  kommt  zum  Verbinden  täglich  in 
die  Klinik.  Dabei  bedeutende  Besserung  des  Allgemeinbefindens ,  die 
Frau  sieht  jetzt  blühend  aus,  verrichtet  sogar  Feldarbeit.  Seit  1/2  Jahr 
geht  es  Fat.  sehr  gut.  Sie  verbindet  sich  selbst  und  kommt  nur  alle 
4  Wochen  in  die  Klinik.  Gallenfluss  sehr^  minimal.  Mic  der  Zeit  hört 
auch  dieser  auf.  Die  Wunde  schliesst  sich  ganz,  und  es  tritt  völlige 
Heilung  ein.  Man  muss  also  annehmen,  dass  die  papilla  dnodeni  wieder 
durchgängig  geworden  und  die  chronische  Pankreatitis  sich  zurück- 
gebildet  hat. 

Epicrise:  Ich  würde  mich  heute  —  6  Jahre  später  — 
wahrscheinlich  mit  dem  Schlauchverfahren  begnüg-en.  Kommt 
es  dann  zur  kompleten  Gallenflstel,  so  ist  entweder  eine  Cysto- 
Enterostomie  indiziert  oder,  wenn  diese  wegen  Morschheit  und 
Kleinheit  der  Gallenblase  unmöglich  ist,  Excision  der  Gallen- 
blase mit  folgender  Choledocho-Duodenostomie.  Diese  Operation 
ziehe  ich,  wie  bereits  oben  bemerkt,  der  Cystico-Enterostomie  vor. 


—     355     — 

d)  Die  Choledocho-Duodenostomia  externa. 

Nr.  161.     I.  Ct.,  50 j.  Kaufmanusfrau    aus    Brottendorf   bei 
Rossleben. 

Aufgen.:  7.  7.  04. 

Operiert:  10.  7.  04.     Choledocho-Duodenostomia  ex- 
terna.    Netzplastik, 
t  17.  7.  1904  an  Cholämie. 

Anamnese:  Fat.  ist  verheiratet,  hat  zwei  gesunde  Kinder.  Pal. 
ist  immer  gesund  gewesen.  Vor  7  Wochen  bekam  Pat.  andauerndes 
Brennen  und  etwas  Druekgefühl  in  der  Magengegend  bezw.  Magen- 
grube, viel  Aufstossen,  ab  und  zu  Erbrechen,  dabei  bestand  Uebelkeit 
und  Appetitlosigkeit.  Nach  einigen  Tagen  begann  Pat.  dann  gelb  zu 
werden.  Die  Gelbsucht  wurde  immer  stärker  und  hielt  bis  jetzt  ohne 
bemerkbare  Intensitätsschwankungen  an.  Dabei  andauerndes  Brennen 
in  der  Gegend  der  Magengrube.  Niemals  Koliken.  Urin  war  dauernd 
dunkel,  Stuhl  stets  entfärbt.  Gallensteine  wurden  im  Stuhl  nicht  ge- 
funden. Stuhl  war  dabei  regelmässig.  Kein  Fieber.  Völlige  Appetit- 
losigkeit und  erhebliche  Gewichtsabnahme.  Sehr  starkes  Hautjucken. 
Herr  Dr.  Unbehauen- Rossleben  und  Herr  Prof.  v.  Me  bring- Halle 
hielten  Gallensteine  für  das  Wahrscheinlichste.  Herr  Dr.  Unbehauen 
sendet  uns  die  Pat.  zu. 

Befund:  Starker  Ikterus.  Leber  vergrössert.  In  der  Gallen- 
blasengegend und  etwas  medial  davon  fühlt  man  eine  starke  Resistenz. 
Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  enthält  GallenfarbstoflF.  Pat.  fühlt 
sich  sehr  elend  und  übel.  Chlorcalcium  (mit  Opium  und  Amylum) 
behält  sie  als  Clysma  nicht  bei  sich,  deshalb  3  mal  täglich  je  ein  Gramm 
per  OS.  An  Bauch  und  Extremitäten  zerstreut  viele  blaue  Flecken 
(Blutungen  in  der  Haut.     Cholämie).     Magenfunktionen  normal. 

Diagnose:  Stein  unwahrscheinlich,  wahrscheinlicher  Pankreas- 
oder  Duodenalcarcinom. 

Operation:  10.  7.  04  in  Gegenwart  der  Herren  Prof.  Dr.  Kous- 
netzoff  aus  Warschau  und  Dr.  Lumniczer  aus  Budapest.  Gute 
Sauerstoflf-Chloroformnarkose  (50  gr.).  Dauer  der  Operation  40  Min. 
Wellenschnitt.  Leber  gross,  Gallenblase  mittelgross,  mit  Duodenum  ver- 
wachsen. Choledochiis  erweitert,  wird  punktiert.  Aspiration  von 
ca.  160  ccm.  ganz  wasseriieller  Flüssigkeit.  Tumor  des  Duodenums,  sehr 
hart.  Wahrscheinlich  liegt  ein  von  der  Papilla  duodeni  ausgegangenes 
Carcinom  vor.  Qaerspaltang  des  Choledochns  dicht  am  Duodenum. 
Längsschnitt  im  Duodcnam  dnrch  Serosa  nnd  Mascalaris  bis  auf 
Mneosa.  Hintere  Serosa-Muscularls-Nalit.  Dann  Eröffnung  des  Duodenum. 
Man  sieht  nicht  weit  von  der  Incision  ein  Schleimhaut-Carcinom.  Einige 
Schleimhautnähte.  Dann  vordere  Naht.  Darüber  wird  kleines  Xetz 
mit  3  Siitnren  fixiert.  Gallenblase,  deren  Cysticus  obliteriert  zu  sein 
scheint  (.sie   ist  wandverdickt,    aber    sonst  leer)  wird    unbeachtet   ge- 

23* 


—     356     — 

lassen.    Völliger  Schluss  der  Bauchhöhle  durch  Durchstichknopfnähte, 
Puls  hinterher  gut. 

Verlauf:  Völlig  fieberlos. 

15.  7.  Sehr  profase  Menses.  3  mal  täglich  1  gr.  Chlorcalciiiiii. 
Pat.  führt  ab.    Stuhlgang  etwas  braun  gefärbt. 

16.  7.    Pat.  ist  fieberfrei,  doch  sehr  schläfrig. 

17.  7.  Deutliche  cholämische  Intoxication.  Atmung  sehr  langsam. 
Puls  ebenso,  sehr  klein.     Am  Abend  Exitus. 

Epicrise:  Die  Diagnose  war  zwar  mit  Wahrscheinlich- 
keit, aber  nicht  mit  Sicherheit  auf  ein  Carcinom  zu  stellen, 
deshalb  Probeincision.  Die  angelegte  Anastomose  konnte  grosse 
Erleichterung  bringen,  eine  Heilung  war  natürlich  unmöglich. 
Die  Galle  in  Hepaticus  und  Choledochus  war  wasserklar,  der 
Choledochus  sehr  erweitert,  sodass  die  Anastomose  bequem  quer 
angelegt  werden  konnte.  Das  kleine  Netz  Hess  sich  bequem 
auf  die  Naht  fixieren.    Der  Tod  erfolgte  im  Coma  cholämicum. 

Nr.  162.     Chr.  G.,  53  j.  Bäckermeister  aus  Blankenburg  a/H. 

Aufgen.:  17.  1.  1899. 

Operation:  18.  1.  1899.  Choledochotomie.  Choledocho- 

Duodenostomia  externa. 
Entl.:  26.  2.  1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Belang.  Pat.  war  stets 
gesund,  bis  er  ganz  ohne  Vorboten  Weihnachten  1897  einen  Magen- 
krampf bekam  von  2— 3  stündiger  Dauer  und  begleitet  von  Erbrechen. 
Diese  Anfälle  wiederholten  sich  bis  April  1898  4—5  mal.  Einmal  — 
im  Februar  —  war  Gelbsucht  dabei.  Im  Sommer  98  tadelloses 
Befinden,  Ausgangs  Oktober  oder  Anfangs  November  Wiederkehr  der 
Anfälle.  Mitte  oder  Ende  November  trat  Gelbsucht  hinzu,  die  seitdem 
ununterbrochen,  wenn  auch  in  wechselnder  Intensität,  fortbestand  und 
besonders  durch  Hautjucken  unangenehm  war.  Der  Stuhlgang  war 
zeitweise  ganz  grau,  dann  wieder  gefärbt,  jedoch  nie  normal  dunkel. 
Der  Urin  war  bierbraun.  Der  Appetit,  sonst  gut,  war  nach  den  An- 
fällen tagelang  sehr  schlecht.  Die  Abmagerung  beträgt  im  ganzen 
ca.  20  Pfund. 

Befund:  Mittelgrosser,  magerer,  etwas  schwächlicher,  stark 
ikterischer  Mann.  Organbefund  normal.  Urin  frei  von  Eiweiss  und 
Zucker,  reich  an  Gallenfarbstoff.  Leber  nicht  vergrössert,  Gallenblase 
nicht  palpabel,  Druckempfindlichkeit  in  der  Gegend  derselben. 

Diagnose:  Lithogener  Choledochusverschluss,  maligner  Tumor 
fast  sicher  ausgeschlossen. 

Operation:  18.  1.  99.  Längsschnitt  im  rechten  M.  rect.  abd. 
Gallenblase  klein,  mit  Netz  verwachsen.  Leber  gross.  Lösung  der 
Adhäsionen  nach  Unterbindung.     Cysticus  leer.    Supraduodenaler  Teil 


—     357     — 

des  Choledochus  lässt  sich  gut  freilegen.  In  ihm  ein  haselnussgrosser 
Stein.  Leichte  Extraction  nach  2  cm.  langer  Incision.  Pankreaskopf 
sehr  hart.  Nach  Durchtrennung  des  Omentum  majus  und  minus  lässt 
sich  der  Pankreaskopf  freilegen.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um 
entzündliche  Indui-ation  (Alterscirrhose),  möglicherweise  auch  um 
Carcinom.  Die  Choledochnsincision  wird  nicht  genäht,  sondern  zu  einer 
Anastomose  zwischen  Dnodennm  nnd  Choledochas  benatzt.  Choledocho- 
Daodenostomia  externa.  Tamponade  der  Naht.  Teilweise  Verse  hlies- 
sung  der  Bauchhöhle  durch  durchgreifende  Seidensuturen.  2  stündige 
schwierige  Operation.     Gute  Chloroformnarkose. 

Verlauf   sehr   gut   und   fieberfrei.    Ikterus  schwindet.     Bei    der 
Entlassung  ausgezeichnetes  Allgemeinbefinden.  — 

Epicrise:   Pat.  ist   seit  der  Operation   ganz   gesund  ge- 
blieben :  es  hat  sich  also  um  chronische  Pankreatitis  gehandelt. 


Nr.  163.     K.  K.,  53 j.  Kupferschmiedsfrau  aus  Goslar. 

Aufgen.:  29.  6.  1904. 

Operiert:  2.  7.  1904.     Ectomie.     Choledocho-Duode- 
nostomia  externa.     Netzplastik. 

Entlassen:  4.  8.  1904.  Gebessert. 
Anamnese:  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie,  hat  6  gesunde 
Kinder;  1  Kind  an  epileptischen  Krämpfen  gestorben.  Vor  20  Jahren 
machte  sie  ein  Kindbettfieber  durch.  Sonst  will  sie  stets  gesund  ge- 
wesen sein,  auch  nie  Magenkrämpfe  gehabt  haben.  Ihre  Krankheit 
begann  Weihnachten  1903  mit  Verdauungsstörung  von  selten  des 
Magens:  jedesmal  nach  den  Mahlzeiten  Gefühl  von  Völle  und  Druck 
in  der  Magengegend,  sodass  Pat.  das  Essen  ganz  aufgab  und  sich  nur 
von  Milch  nährte.  Nach  Neujahr  1904  begann  sich  Gelbsucht  einzu- 
stellen, der  Stuhlgang  entfärbte  sich,  Urin  wurde  dunkel.  Diese  Er- 
scheinungen nahmen  allmählich  zu.  Pat.  bekam  zunächst  4  Wochen 
lang  künstliches  Karlsbader  Salz,  danach  das  Befinden  eher  schlechter. 
Danach  4  Wochen  lang  Glycerin  per  os.  Im  März  24  Flaschen  Mühl- 
brunnen getrunken  und  Wärmflaschen  auf  die  Magengegend.  Zugleich 
bekam  sie  Siccokapseln;  seitdem  soll  sich  ihr  Appetit  wieder  gebessert 
haben  und  Pat.  konnte  ohne  Schmerzen  wieder  alles  vertragen.  Pat. 
hatte  bis  dahin  40  Pfund  (von  173  auf  133)  abgenommen;  dann  blieb 
das  Gewicht  auf  gleicher  Höhe,  und  in  den  letzten  Wochen  will  sie 
wieder  1  Pfund  zugenommen  haben.  Erbrechen,  Stuhlgangsbeschwerden 
hat  sie  nie  gehabt,  Fieber  soll  nie  dagewesen  sein.  Zur  Zeit  ist  der 
Appetit  wieder  ganz  gut,  sie  isst  und  verträgt  alles.  Hautjucken  ist 
ziemlich  viel  vorhanden,  besonders  des  Nachts  quälend.  Sie  hat  bis  kurz 
vorder  Erkrankung  an  Askariden  gelitten.  Herr  Dr.  Peters -Goslar 
schickt  die  Pat.  zur  Operation,  in  der  Annahme,  dass  möglicherweise 
ein  Ascaris  sich  im  Choledochus  aufhalte;  auch  hat  er  Verdacht  auf 
Carcinom. 


—     358     — 

Befund:  Sehr  elende,  hochgradig  ikterische,  dabei  anämische 
Frau.  Leber  gross,  Tumor  der  Gallenblase  sehr  hart,  gar  nicht  druck- 
empfindlich. Starke  Dilatation  des  Magens.  Lungen  gesund.  Urin 
frei  von  Eiweiss  und  Zucker,  enthält  viel  Gallenfarbstoff. 

Diagnose:  Verschluss  des  Choledochus  (wahrscheinlich  durch 
Carcinom). 

Operation.  2.  7.  04.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  (40  gr.), 
Dauer  der  Operation  1  Stunde.  Wellenschnitt.  Leber  gross.  Gallen- 
blase mit  Netz  verwachsen,  fest  kontrahiert  um  einen  fast  hühnerei- 
grossen  Stein.  Hals  der  Gallenblase  mit  Choledochus  verwachsen; 
Lösung.  Choledochns  prall  gespannt,  hat  den  Umfang  einer  geblähten 
Dünndarinschlinge.  Panktion  nnd  Aspiration  von  200  ccm.  dünner,  hell- 
grüner, schleimiger  Gfalle  aus  dem  Choledochns.  Dann  fällt  der  Chole- 
dochus zusammen.  Die  Choledochuswand  wird  mit  2  König'schen  Klem- 
men gefasät  und  dazwischen  1^/2  cm.  lang  incidiert.  Kein  Stein.  Sonde 
dringt  mit  einem  Rucke  durch  die  Papille.  Im  Pankreaskopf  einige 
harte  Knoten:  entweder  Carcinom  oder  Pankreatitis  chronica.  Anasto- 
mose zwischen  Choledochusincision  und  Duodenum.  Das  Duodenum 
wird  durch  eine  l'/2  cm.  lange  Querincision  geöffnet,  zuerst  die  Naht 
Ton  innen  und  dann  von  aussen  angelegt.  Über  die  Naht  wird  ein 
Zipfel  des  kleinen  Netzes  fixiert.  Dann  leichte  Ectomie.  Der  Cysticus 
wird  mit  2  Suturen,  die  lang  bleiben,  vernäht.  2  Tampons.  Schluss 
der  übrigen  Bauchwunde. 

Die  excidierte  Gallenblase  ist  wandverdickt,  der  Stein  füllt  die 
Blase  völlig  aus.    Cysticus  eng,  zart  und  normal. 

Die  stark  geschrumpfte  Gallenblase  zeigt  ulcerös  und  narbig  ver- 
änderte Schleimhaut. 

Mikrosk.  Untersuchung  ergibt  ein  vollkommenes  Fehlen  der 
Schleimhaut  und  fast  vollständige  Zerstörung  der  Muskelschichten, 
welche  durch  sehr  stark  fetthaltiges  Granulationsgewebe  ersetzt  sind. 

Verlauf:  Ohne  irgendwelche  Besonderheiten,  ganz  normal. 

15.  7.  Entfernung  der  Tampons  und  der  meisten  Fäden.  Die 
Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Der  Ikterus  ist  geringer,  Allgemeinbe- 
finden sehr  gut.    Reger  Appetit. 

4.  8.  04.  Mit  geschlossener  Wunde  entlassen.  Ikterus  fast  völlig 
geschwunden,  Appetit  sehr  gut. 

Epicrise:  Der  Stein  hat  sich  immer  latent  verhalten: 
Pat.  hatte  nie  Schmerzen  gehabt.  Der  Stein  war  im  Augen- 
blick auch  ein  völliger  Nebenbefund,  mit  dem  Ikterus  hatte  er 
nichts  zu  tun.  Der  Choledochus  war  kolossal  erweitert,  so  dass 
Punktion  und  Aspiration  am  Platze  war.  Das  Hindernis  sass 
an  der  Papille^  so  dass  Anastomose  zwischen  Choledochus  und 
Duodenum  nötig  war.  Wäre  Pat.  nicht  so  schwach  gewesen,  hätte 
man  das  Duodenum  weiter  spalten  und  sich  die  Papille  ansehen 
können.     So  war  Eile  am  Platze.    Bei  der  starken  Erweiterung 


-     359     — 

des  Choledochus  hätte  auch  eine  Querincision  des  Choledochus 
gemacht  werden  können,  dann  wäre  die  Anastomose  noch  leichter 
gewesen.  Die  Zukunft  rauss  lehren,  ob  der  Tumor  am  Pankreas 
carcinomatöser  oder  entzündlicher  Natur  ist. 

Nr.  164.     H.  D.,  44j.  Bankbeamter  aus  Friedenau. 

Aufgen.:  1.  9.  1903. 

Operiert:  10.  9.  1903.  Ectomie.  Cysticotoraie.  Oysti- 
cectoraie.  Choledocho-Duodenostomia  int.  Chole- 
docho-Duodenostomia  ext.  Hepatopexie. 

Entlassen:  19.  10.  1903.     Gebessert.*) 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  hat  Kinder.  Pat.  hat  1878 
an  Flecktyphus  gelitten.  Seit  langen  Jahren  „Herzrheumatis- 
mus",  der  ärztlicherseits  teils  auf  eine  Herzneurose,  teils  auf  angeb- 
liche Herzerweiterung  zurückgeführt  wurde.  -  Häufige  Anfälle  von 
Migräne  (etwa  alle  3  Monate),  meist  nach  beruflichen  Aufregungen, 
dabei  sehr  heftige  Kopfschmerzen,  Erbrechen  reiner  Galle,  Ohnmächten. 
Pat.  ist  hochgradig  nervös. 

Vor  17  Jahren  angeblich  Magengeschwür  (Gallensteinkolik '?),  da- 
bei Schmerzen  in  der  Magengrube  und  Anschwellung  dort,  die  nach 
6  Wochen  (Karlsbader  Kur)  zurückging. 

In  den  letzten  Jahren  ab  und  zu  gespanntes  Gefühl  in  der  Leber- 
gegend. Im  Herbst  (September)  1902  im  Seebad  Borkum  während 
eines  Seebades  plötzlich  sehr  heftige  krampfartige  Schmerzen  in  der 
Magengrube,  die  in  die  Brust  hinaufstiegen.  Dauer  2—8  Stunden.  Nach- 
her wieder  völliges  Wohlbefinden.  Vor  Weihnachten  1902  zweiter  sehr 
heftiger  und  anhaltender  Anfall  mit  Erbrechen. 

Anfang  Januar  1903  4  Tage  und  Nächte  lang  Koliken.  Schmerzen 
in  der  Gallenblasengegend,  dabei  Anschwellung  und  Entzündung  der 
Gallenblase.  Bis  Ende  Februar  war  Pat.  ausser  Dienst.  Im  Mai  Kur 
in  Karlsbad,  dort  plötzlich  Erleichterung,  ,als  ob  ein  Stein  abgegangen 
wäre"  nach  kopiösem  Stuhlgang. 

Seitdem  ab  und  zu  Druck  in  der  Gallenblasengegend  ohne  Schmerzen. 

Seit  4  Wochen  Ikterus,  der  allmählich  begann  und  imtner  stärker 
wurde.  Dabei  keine  Schmerzen,  kein  Fieber,  kein  Schüttelfrost.  Starkes 
Hautjucken.  Stuhl  weiss,  verstopft  (Abführmittel).  Urin  dunkel.  Kein 
Erbrechen,  aber  Brechneigung.  Seit  Januar  20  Pfund  Gewichtsab- 
nahme (von  152  auf  133  Pfund),  in  den  letzten  4  Wochen  10  Pfund, 
Ikterus  blieb  dauernd  gleich  stark.  Dabei  Mattigkeit,  viel  Hautjucken, 
Appetit  noch  befriedigend. 

Pat.  wurde  mit  Kur  in  Karlsbad,  heissen  Umschlägen,  Morphium 
subkutan  (nur  im  Januar- Anfall)  behandelt.    Ferner  gebrauchte  er  eine 

*)  Pat.  berichtet  am  1.  1.  04,  dass  es  ihm  sehr  gut  gehe;  er  sei 
wieder  in  seinem  Beruf  tätig. 


—     360     — 

Rettigkur  und  Hess  sich  wochenlang  in  Berlin  von  einem  Amerikaner 
ohne  Erfolg  mit  Tee  behandeln. 

Befund:  Starker  Ikterus.  Abgemagerter  Patient.  Gallenblase 
als  massig  grosser,  schmerzhafter  Tumor  zu  tasten.  Urin  enthält 
Gallenfarbstoff,  kein   Eiweis.     Leber   nicht    nachweisbar   vergrössert. 

Verlauf:  9.  9.  03.  Trotz  mehrmaligen  Abführens  (Ol.  Ricini) 
und  Thermophor  (morgens  und  abends)  keine  Aenderung  des  Zustandes. 
Stuhl  weiss,  Urin  dunkel. 

Diagnose:  Stein  in  der  Papille,  Steine  in  der  entzündeten 
Gallenblase  (Pankreas?). 

Operation:  10.  9.  03.  In  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Rennebaum- 
Halberstadt.  Wellenschnitt.  Gute  SauerstofF-Chloroform-Narkose  2  Stun- 
den. 60  gr.  Chloroform.  Dauer  der  Operation  Vji  Stunden.  Leber  nicht 
wesentlich  vergrössert.  Gallenblase  prall  gespannt,  ringsum  mit  Netz 
verwachsen,  wird  punktiert.  Aspiration  von  Eiter.  Eröffnung  der 
Gallenblase.  Extraktion  von  ca.  200  erbsen-  bis  haselnussgrossen  Steinen. 
Im  Cjstious  ein  kleiner,  erbsengrosser  Stein.  Cysticotomie.  Chole- 
dochus  wird  freigelegt.  Hinter  dem  Diiodennm  fühlt  mau  einen  wal- 
nnssgrosgen,  nicht  allznharten  Tumor.  Eröifnnng  des  Choledochus  im 
supradnodenalen  Teil.  Viele  gestaute  Galle  im  Gang.  Sondierung  er- 
gehnisios.  Freilegung  des  retroduodenalen  Tumors  durch  ünodeno- 
touile.  Der  Tumor  gehört  der  Papille  an,  ist  einmarliStücligros?es  Ulcus 
mit  zerklüfteten  Rändern.  Ausliratzung  mit  dem  scharfen  Löffel  zwecks 
mikroskopischer  Untersuchung.  In  der  Papille  ein  eckiger,  kleiner 
Stein.  Nach  dessen  Entfernung  durch  Incision  Vernähung  der  Duodenal- 
schleimbaut  mit  der  des  Choledochus  durch  4  Nähte.  Schluss  der 
duodenalen  Incision.  Choledocho  -  Duodenostomia  externa  zwischen 
Incision  im  supraduodenalen  Teil  und  Duodenum.  Ectomie.  Dabei 
starke  Verletzung  des  Leberbetts,  in  dem  die  Gallenblase  sehr  fest 
sitzt.  Diese  ist  sehr  entzündet  und  wandverdickt.  Tamponade  des 
Leberbetts.  Die  duodenalen  Incisionen  bleiben  ausserhalb  der 
Tamponade.    Naht  der  Bauchwunde. 

Die  Untersuchung  durch  das  pathologische  Institut  in  Marburg 
ergibt  folgenden  Befund : 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Gallenblasenwand  er- 
gibt sich  an  einer  Stelle,  die  als  ein  halbkirschgrosser  buttergelber 
Fleck  an  der  Aussenseite  erscheint,  eine  grössere  Abscessbildung  mit 
Beimischung  von  Galle;  wahrscheinlich  von  einer  divertikelartigen 
Ausstülpung  der  Schleimhaut  ausgegangen.  An  der  Schleimhaut 
stärkere  Infiltration  der  mucosa  mit  ausgedehnten  Epitheldefekten, 
Rundzellenanhäufungen  in  der  muscularis.  Keine  bösartigen  Wuche- 
rungen. 

Die  kleine  Geschwulst  am  Duodenum  ist  ein  foinpapilläres  Adenom, 
dessen  Epithelbelag  aber  von  der  normalen  Epithelauskleidung  der 
Zotten  und  Krypten  wesentlich  abweicht,  indem  an  Stelle  der  ty- 
pischen Becherzellen  und  saumtragenden  Epithelien  hohe  einfache  Cy- 
linderepithelien    oft    in    mehrfacher   Schichtung   getreten   sind.     Die 


—     361     — 

ziemlich  reichlich  vorhandenen  Kernteilungsfiguren  stehen  sehr  un- 
regelmässig und  vermehren  noch  den  Verdacht,  dass  hier  eine  zur 
Carcinombildung  neigende  Geschwulst  vorliegt,  wenn  auch  der  sichere 
Beweis  des  Tiefenwachstums  nicht  erbracht  werden  kann,  auch  der 
drüsige  Typus  noch  immer  gewahrt  ist. 

Verlauf:  Gut. 

19.  10.  03.    Fat.  wird  gebessert  entlassen.     Wunde  geheilt. 

Epicrise:  Obwohl  Pat.  gar  keine  Schmerzen  hatte,  steckte 
fest  in  der  Papilla  duodeni  ein  Stein.  Der  Ikterus  war  sehr 
hochgradig.  —  Ob  das  Ulcus  gutartiger  oder  bösartiger  Natur 
ist,  wird  der  Verlauf  zeigen.  Wegen  späterer  narbiger  Oblite- 
ration  der  Papille  war  die  Choledocho-Duodenostomia  externa 
notwendig.    — 

Die  Krankengeschichte,  welche  den  Fall  von  Hepato- 
Cholangio-Enterostomie  wiedergibt,  ist  bereits  im  ersten  Teil 
dieses  Buches  ausführlich  mitgeteilt  worden ;  wir  verweisen  auf 
das  dort  Gesagte. 

Ebenso  sind  dort  die  Ausführungen  über  die  Unterbindung 
der  Arteria  hepatica  wegen  Aneurysma  und  über  die  plastischen 
Operationen  an  der  Grallenblase  nachzulesen.  Ich  konnte  die 
Beschreibung  der  Technik  nicht  gut  von  den  betr.  Kranken- 
geschichten trennen  und  habe  die  letztere  gleich  im  ersten  Teil 
untergebracht. 

Die  Technik  der  Hepatico-Enterostomie  ist  bei  ^der 
Kesektion  des  Choledochus  (Nr.  152)  beschrieben  worden. 


II.  Die  Choledocho-Duodenostomia  interna. 

(Siehe  auch  die  Fälle  von  transduodenaler  Choledocbotomie 
Nr.  148  und  149  auf  p.  310—315.) 

Nr.  165.     A.  M.,  25  j.  Landwirtstochter  aus  Eilsdorf. 

Aufgen.:  15.  6.  1903. 

Operiert:  18.  6.  1903.   Ectomie,     Cysticotomie.   Hepa- 
ticusdrainage.     Choledocho-Duodenostomia  interna. 
Entlassen  :  3.  8.  1903.     Geheilt. 
Anamnese:  1901  bekam  Pat.  einen  kurzen,  nur  3  Min.  dauern- 
den Anfall  von  heftigen  Kolikschmerzen  in  der  Magengrube  und  Angst- 
gefühl. 

November    1902   zweiter,   gleichartiger   Kolikanfall,   der  etwa  10 
Min.  dauerte. 


—     362     — 

Am  5.  Februar  1903  nächster  Kolikanfall,  der  24  Stunden  dauerte 
und  sehr  heftig  war.     Dabei  viel  galliges  Erbrechen. 

2—3  Wochen  später  nochmals  ein  einen  Tag  dauernder  Kolikau- 
fall, nachher  noch  einige  Tage  Rückenschmerzen,  dann  wieder,  wie 
immer  in  den  anfallsfreien  Zeiten,  völliges  Wohlbefinden. 

Am  23.  Mai  eine  Nacht  lang  heftiger  Kolikanfall  mit  nachfolgender 
Gelbsucht.  Stuhl  grau,  Urin  dunkel.  Ob  Fieber  vorhanden  war,  weiss 
Pat.  nicht  anzugeben.  Die  Gelbsucht  hielt  weiter  an  bis  jetzt,  an- 
fangs bestanden  noch  etwas  Rückenschmerzen,  dann  blieb  ein  an- 
dauerndes Druckgefühl  („wie  ein  Stein")  in  der  Magengrube  bestehen. 
Seit  einigen  Tagen  umherziehende  Schmerzen  in  den  Hüften,  Knie- 
und  Fussgelenken.  Pat.  fühlt  sich  dabei  sehr  matt.  Stein  im  Stuhl 
wurde  nicht  gefunden. 

Pat.  ist  mit  heissen  Umschlägen,  Karlsbader  Wasser,  Ölkur,  Mor- 
phiumpulvern (in  den  Anfällen)  behandelt  worden. 

Herr  Dr.  H erb  s t-Eilenstedt  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

15.  6.  03.    Temp.  abends  38,6. 

16.  6.  03.  Temp.  mittags  38,5,  abends  .38,0.  In  der  Nacht  ziem- 
lich starke  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Magengrube,  die  am  Tage 
etwas  nachlassen. 

17.  6.  03.  Temp.  mittags  37,5,  abends  38,0.  Pat.  fühlt  sich  wohler, 
klagt  über  Schmerzen  im  rechten  Bein. 

Befund:  Mage.-e,  stark  ikterische  Pat.  Gallenblase  gross,  als 
Tumor  tastbar,  Lebersenkung.  Druckempfindlichkeit  der  Magengrube. 
Im  Urin  Gallenfarbstoff,  kein  Eiweiss.  Ueber  der  Herzspitze  ein  systo- 
lisches Geräusch  hörbar. 

Diagnose:  Akute,  serös-eitrige  Cholecystitis,  Steine  im  Chole- 
dochus,  wahrscheinlich  in  der  Papille. 

Operation:  18.  6.  03.  In  Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Herbst- 
Eilenstedt.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose  70  Min.  (40  gr.).  Operation 
55  Min.  Wellenschnitt.  Leber  gesenkt,  Gallenblase  gross,  nicht  ad- 
härent,  wird  excidiert,  enthält  ca.  300  kleine  Steine,  im  Hals  ein  grös- 
serer. Dort  decubitales  Ulcus.  Im  Choledochus  3  Steine,  nicht  extra- 
hierbar, nachdem  Cysticus  und  Choledochus  gespalten  sind.  Retro- 
dnodenal  mehrere  Steine  fühlbar,  aber  absolat  unbeweglich,  deslialb 
Duodenotoiiiie.  Spaltung  der  Papille,  durch  die  eiu  Stein  hiudnrch- 
schiuunert.  Excision  von  3  Steinen.  Umsänmung  der  Papille  mit 
3  Suturen.  Quernaht  des  Diiodenal-Längsschnittes.  Hepaticnsdraiuage. 
Tamponade.    Naht.    Glatter  Vorlauf  der  Operation. 

Verlauf:  Gut. 

2.  7.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres, 
der  Tampons,  dio  locker  sitzen,  etwas  riechen,  sowie  sämtlicher  langer 
Fäden.    Wunde  sieht  gut  aus.    Tamponade. 

5.  7.  03.  Entfernung  sämtlicher  Nähte.  Galle  läuft  noch  ziemlicü 
stark.    Ausspülung.    Tamponade. 

6.  7.  03.  Pat.  klagt  seit  gestern  über  Rumoren  im  Leib,  als  ob 
etwas  „aufgeplatzt"  wäre.    Verband  ist  durch,  riecht  etwas  nach  Dünn- 


—     363     — 

darminbalt.    Verbandwechsel.    Aus  deui  Wnndtrichter  eutweicht  Luft. 
Diinndarmnaht  offenbar  an  einer  nicht  sichtbaren  Stelle  etwas  defekt. 

Tamponade. 

Befinden  gut.    Appetit  gut.     Stuhl  regelmässig,  gut  gefärbt. 

7.  7.  03.    Verband  trocken.    Keine  Klagen  über  Rumoren  im  Leib. 

10.  7.  03.  Verband  4  Tage  trocken.  Verbandwechsel.  Befinden 
dauernd  gut.  Appetit  gut.  Stuhl  regelmässig.  Tampons  riechen  noch 
immer  etwas  nach  Dünndarminhalt. 

17.  7.  03.    Steht  auf.    Verband  stets  3—4  Tage  trocken. 

21.  7.  03.  Nur  noch  sehr  wenig  Galle  im  Verband.  Wundtrichter 
verkleinert  sich  allmählich.  Dünndarm  anscheinend  wieder  TÖllig  ver- 
klebt. 

25.  7.  03.  Verbandwechsel.  Einige  der  Duodenal-Nähte  werden 
beim  Ausspülen  mitherausgespült.  Sekretion  gering.  Wundtrichter 
sehr  eng  und  in  der  Tiefe  bereits  geschlossen. 

3.  8.  03.  Pat.  wird  mit  kleiner,  oberflächlicher,  gut  granulierender 
Wunde  entlassen. 

Epicrise:  Ein  Fall  von  akutem  Choledochusverschluss, 
bei  dem  wegen  Fieber,  dauernder  Appetitlosigkeit  die  Operation 
indiciert  war.  Wer  in  solchen  Fällen  wartet,  rechnet  nur  mit 
den  Launen  der  Naturheilung.  Die  Steine  in  der  papilla  duo- 
deni  sassen  so  fest,  dass  ihr  Abgang  vor  Monaten  nicht  zu 
erwarten  war.  Sie  Hessen  sich  nicht  von  der  Stelle  bewegen, 
so  dass  eine  Choledocho-Duodenostomia  int.  nicht  zu  umgehen 
war.  —  Der  kleine  Defekt,  der  in  der  Duodenalnaht  entstan- 
den war,  hat  keinen  grossen  Schaden  gebracht.  Bei  lockerer 
Tamponade  gelang  es,  das  Herausfliessen  von  Darminhalt  zu 
verhüten. 

No.  166.     A.  Seh.,  37  j.  Schriftsetzersf  rau  aus  Blaiikeuburg  a/H. 

Aufgen.:  18.  9.  1903. 

Operiert:  20.  9.  1903.  Ectomie.  Hepatopexie.  Chole- 
docho-Duodenostomia int.  Choledochotomie  mit  Naht. 
Netzplastik. 
Entlassen:  1.  11.  1903.    Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  bat  2  gesunde  Kinder.  2  Aborte. 
Eltern  und  Geschwister  gesund. 

Pat,  hat  nur  die  Kinderkrankheiten  durchgemacht,  ist  bis  vor 
einem  Jahre  gesund  und  stark  gewesen. 

Im  September  vorigen  Jahres  begannen  bei  der  Pat.  zum  ersten 
Male  „Magenkrämpfe",  die  so  schmerzhaft  waren,  dass  sie  immer 
Morphium  nötig  hatte.  Die  Schmerzen  sassen  in  der  Gegend  der 
Gallenblase,  strahlten  nach  dem  rechten  Schulterblatt,  nach  der  Lenden- 
gegend   und    auch   nach    der  linken  Bauchseite  hin  aus.    Ikterus  trat 


—     364     — 

damals  nicht  auf,  Pat.  war  4  Wochen  bettlägerig,  erholte  sich  aber 
wieder  vollkommen.  Im  Januar  dieses  Jahres  traten  zum  ersten  Mal 
unter  Gelbsucht  wieder  Magenkrämpfe  auf,  die  Anfälle  dauerten 
immer  ziemlich  lange,  oft  2  bis  3  Tage.  Damals  färbte  sich  auch 
der  Stuhl  weiss  und  der  Urin  braun.  Diese  Anfälle  plagten  in 
kürzeren  und  längeren  Pausen  die  Pat.  so,  dass  sie  38  Pfund  an  Gewicht 
abgenommen  hat.  Der  Ikterus,  weisse  Stuhl  und  braune  Urin  schwanden 
immer  kurz  nach  dem  Nachlassen  der  Anfälle.  Es  wurde  immer  auf 
Steine  im  Stuhl  geachtet,  doch  nie  einer  gefunden.  Schon  vor  '2  Jahr 
riet  der  behandelnde  Arzt,  Herr  Dr.  Moll,  zur  Operation  wegen  einge- 
klemmten Steines  im  Choledochus,  doch  konnte  Pat.  sich  noch  nicht 
dazu  entschliessen.  Jetzt  nach  langem  vergeblichem  Morphiumgebrauch 
(heissen  Compressen  etc.)  und  im  Ernährungszustand  stark  herunterge- 
kommen, entschliesst  sich  Pat.  auf  Anraten  der  Herren  Sanitätsrat 
Dr.  Klöppel  und  Dr.  Moll  zur  Operation.  Die  Gallenblasengegend 
soll  besonders  im  Anfall,  aber  auch  ausserhalb  desselben  auf  Druck 
recht  schmerzhaft  gewesen  sein. 

Letzter  Anfall  vor  5  Tagen,  2  Tage  andauernd,  es  besteht  noch 
starker  Ikterus. 

Befund:  Sehr  starker  Ikterus.  Leber  vergrössert.  Gallenblase 
nicht  tastbar,  Gallenblasengegend  druckempfindlich.  Im  Urin  Gallen- 
farbstoff, Spuren  von  Eiweiss. 

Diagnose:  Stein  im  ductus  choledochus. 

Operation:  20.  9.  03.  Wellenschnitt.  Gute  Sauerstoff-Chloro- 
formnarkose 45  gr.  in  ^/^  Std.  Leber  gross,  Gallenblase  klein,  mit  Netz 
verwachsen.  Ectomie;  Gallenblase  enthält  3  haselnussgrosse  Steine. 
Choledochus  mit  Duodenum  verwachsen,  welches  am  lig.  hepato-duod. 
hochgezerrt  ist.    Incision  im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus. 

Im  Choledochus  retrodnodeual  viele  Steine,  die  mit  dicker  Uterus- 
soude  nicht  zu  fühlen,  erst  mit  Kornzange  zu  fassen  sind.  Ein  Stein 
retroduodenal  festsitzend.  Duodenotomie.  Entfernung  sämtlicher 
Steine.  Choledocho-Duodenostomia  interna  mit  Netz  auf  die  Dnodenal- 
Naht,  Choledochus.  oberhalb  des  tief  mündenden  Ductus  cysticus  sehr 
eng,  reisst  bei  der  Ectomie  ein.  Choledochorrhaphie,  um  die  weit  aus- 
einandergezogenen Enden  des  Choledochus  einander  zu  nähern  und 
ungefähr  zu  fixieren.  Tamponade  mit  3  Streifen.  Naht.  Operation 
1  Stunde. 

Verlauf:  20.  9.  03.  37,0.  Puls  96.  Kein  Erbrechen,  kein 
Aufstossen. 

21.  9.  03.  37,2-39,0.  Puls  84-92.  Morgens  spontan  Flatus,  kein 
.Erbrechen,   Leib   weich,  Verband    trocken.    Abends    keine  Aenderung 

des  Befindens,  welche  das  Fieber  erklärt. 

22.  9.  03.    37,4-37,5.    Puls  120. 

Über  Nacht  und  morgens  viel  Erbrechen.  Magenspülung  fördert 
kolossale  Mengen  Flüssigkeit,  kaum  etwas  gallig  gefärbt.  Abends 
noch  immer  viel  im  Magen.    Rechte  Seitenlage. 

23.  9.  03.    87,7-37,5.    Puls  92-88. 


—     365     — 

Bei  rechter  Seitenlage  ruhige  Nacht.  Kein  Erbrechen.  Abends 
Magen  fast  leer,  nur  am  Schlüsse  jeder  Spülung  etwas  dicker  Satz 
von  Milchresten. 

24.  9.  03.  Fieberfrei.  Magen  heute  nicht  so  voll.  Allgemein- 
befinden gut. 

26.  9.  03.  Befinden  sehr  gut.  Fängt  vorsichtig  an  zu  essen. 
Gestern  spontane  Stuhlentleerung. 

27.  9.  03.  Verband  jeden  Tag  mit  Wundsekret  und  Galle  durch- 
tränkt. 

2.  10.  03.  Fat.  hat  abends  immer  noch  Temperatursteigerungen 
bis  38,3.  Täglich  2  maliger  Verbandwechsel.  Im  Verband  Mageninhalt. 
Kleine  Ölfnung  im  Duodenum  im  lateralen  Teile  des  Wundtrichters. 
Allgemeinbefinden  und  Appetit  gut.    Stuhl  normal. 

4.  10.  03.  Fat.  klagt  viel  über  Herzklopfen.  Beim  Terband Wechsel 
zeigt  sich  der  Magen  gebläht  und  mit  der  grossen  Curratur  nur  hand- 
breit oberhalb  der  Symphyse  stehend.  Magenansspülnng  fördert  grosse 
Massen  Speisereste  zu  Tage. 

8-  10.  03.  ÖCfnung  im  Duodenum  scheint  sich  geschlossen  zu  haben ; 
seit  gestern  kein  Darminhalt  mehr  im  Verband. 

12.  10.  03.  Verband  seit  vorgestern  trocken.  Magenektasie  zurück- 
gegangen.   Allgemeinbefinden  hebt  sich  sichtlich. 

13.  10.  03.  Wundtrichter  rein,  Duodenum  geschlossen.  Fat.  steht  auf. 

28.  10.  03.  Wundtrichter  stark  verengt;  Sekretion  nur  noch  ge- 
ring, dabei  wenig  Galle. 

29.  10.  03.     Fortlassen  der  Tamponade. 

30.  10.  03.    Verband  trocken. 

1.  11.  03.  Auf  Wunsch  entlassen;  es  besteht  nur  noch  ein  enger 
Fistelgang,  der  sich  voraussichtlich  bald  schliessen  wird. 

Epicrise:  Interessant  war,  dass  die  Sonde  im  Choledochus 
vordrang  itnd  doch  die  Steine  nicht  fühlte.  In  zweifelhaften  Fällen 
ist  dann  auch,  ohne  dass  man  einen  Stein  palpiert,  die  Duo- 
denotomie  gewiss  erlaubt.  Pat.  hat  sich  im  Mai  1904  vorge- 
stellt, sie  hat  ca.  40  Pfund  an  Gewicht  zugenommen  und  sieht 
blühend  aus. 

Nr.  167.  L.  Cz.,  60j.  Crräfln  ans  Löese  (Ungarn). 

Aufgen.:  14.  8.  1903. 

Operiert :  16.  8.  1903.   Ectomie.  Choledochusdrainage. 

Choledocho-Duodenostomia  interna.  Hepatopexie. 
Entlassen:  1.  10.  1903.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.  war  stets  gesund,  abgesehen  von  ihrem  Gallen- 
steinleiden. Mutter  an  Carcinom  gestorben.  Vor  10  Jahren  einmal 
eine  Attacke  von  Magenschmerzen.  Dann  wieder  2  Jahre  völlig  wohl. 
Vor  8  Jahren  infolge  Ausgleitens  auf  dem  Farkett  Fall  auf  die  ge- 
polsterte Lehne  eines  Stuhles  mit  den  rechten  untersten  Rippen.     In- 


—     366     — 

Fraktion  zweier  Rippen,  Pleuritis.  Kurz  nach  jenem  Unfall  die  erste 
Kolik.  Heftige  Schmerzen  in  beiden  Hypochondrien,  ausstrahlend 
nach  Rücken  und  Schultern.  Im  unmittelbaren  Anschluss  an  die  mit 
heftigem  Erbrechen  einhergehende  Kolik  mehrtägiger  Ikterus  mit 
weissem  Stuhl,  dunklem  Urin.  Seit  jener  Zeit  in  grösseren  oder  ge- 
ringeren Pausen  Anfälle  der  gleichen  Art,  welche  sich  oft  rasch  folgten, 
oft  längere  Zeit  ganz  ausblieben.  Zuletzt  war  Vji  Jahre  lang  völlige 
Ruhe  bis  Anfang  dieses  Jahres,  wo  wieder  mehrere  rasch  vorübergehende 
Anfälle  auftraten.  Pat.  ging,  wie  immer  seit  8  Jahren,  nach  Karlsbad, 
wo  sie  sich  ganz  wohl  fühlte.  Nach  Beendigung  der  Kur  begleitete 
sie  ihren  Manu  nach  Bad  Kissingen.  Schon  bei  der  Abreise  von  Karls- 
bad und  dann  während  des  ganzen  Aufenthaltes  in  Kissingen,  wo  sie 
jedoch  die  Kur  nicht  gebrauchte,  hatte  Pat.  Anfälle  von  heftigen, 
krampfartigen  Schmerzen  in  der  Magengegend,  ohne  Erbrechen,  ohne 
Ikterus.  Unmittelbar  nach  der  Rückreise  von  Kissingen  nach  Wien 
trat  ein  sehr  heftiger  Anfall  der  alten  Koliken  auf  mit  intensivem 
Ikterus  und  Fieber  (38,5  Achselhöhle).  Der  Ikterus  hielt  fast  3  Wochen 
an,  unter  steten,  in  3 — 4  tägigen  Pausen  auftretenden  Koliken.  Plötz- 
lich, nach  einer  sehr  heftigen  Attacke,  wurde  der  Stuhl  wieder  braun, 
der  Urin  hellfer  und  das  Allgemeinbefinden  besser,  so  dass  Pat.  nach 
Hause  reiste.  W^enige  Tage  nachher  trat  jedoch  der  alte  Zustand 
wieder  ein,  der  bis  jetzt,  im  ganzen  seit  über  7  Wochen,  anhielt.  Die 
letzte  Kolik  trat  vor  4  Tagen  auf.  Pat.  ist  in  den  letzten  3  Monaten 
durch  die  vielen  Schmerzen  sehr  heruntergekommen.  Der  Appetit 
war  sehr  wechselnd,  infolgedessen  die  Nahrungsaufnahme  sehr  un- 
genügend. Während  der  Anfälle  erhielt  Pat.  Morphium  subkutan.  So- 
wohl die  Herren  Hofrat  Breuer  und  Geh.  Rat  Nothnagel  in  Wien, 
als  auch  die  beiden  Hausärzte,  die  Herren  Dr.  Ritok  und  Dr.  Kalch- 
brenner  rieten  dringend  zur   Operation. 

Befund:  Grosse,  gut  genährte  Pat.  mit  massigem  Ikterus.  Leber 
kaum  vergrössert,  Ga'lenblasengegend  und  Mittellinie  druckempfind- 
lich.    Im  Urin  Gallenfarbstoflf  und  Spuren  von   Albumen. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

0  per  ati  0  n  :  16.  8.  03.  In  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Offen- 
b  ach-New-York  und  Dr.  Seiden  Ir  wi  n  Ra  i  n  forth -Baltimore. 
Wellenschnitt.  Gallenblase  klein,  Wand  verdickt,  eothält  im  Cysticus 
einen  rauhen,  runden  Stein  von  der  Grösse  einer  Victoriaerbse.  Chole- 
dochus anscheinend  frei,  aber  verdickt,  Iiicision  des  siipradnod.  Teils.  Stein 
nicht  sondierbar.  Endlicii  findet  man  dicht  an  der  papilla  dnodeni  einen 
'  unbeweglichen  Stein.  Dnodenotomie.  Choledocho-Duodeuostouiia  interna. 
Auf  die  mehrreihige  Naht  des  Duodenum  wird  ein  Netzzipfel  aufgenäiit. 
Hepaticus  nicht  drainierbar.  (Cysticus  mündet  sehr  tief,  fast  am  Duode- 
num, in  den  Choledochus.)  Deshalb  nur  Choledochusdraiiiage  mit  Nelaton- 
Kathetor.  Ectomie.  Spaltung  des  Cysticus.  Vernähung  desselben. 
Hepatopexie  mit  1  Sutur.  Tamponade.  Verband.  Dauer  der  Operation 
VJ2  Stunden.     Gute  Chloroformsauerstoff  -  Narkose  (55  gr,  Chloroform). 


—     367     — 

Verlauf:  17.  8.  03.  Temp.  abends  37,5.  Puls  100.  Ziemlich 
viel  Würgen,  kein  Erbrechen. 

18.  8.  03.  Temp.  morgens  37,5.  abends  37,3.  Puls  100-112.  Ziem- 
lich viel  Würgen,  Aufstossen  und  Übelkeit,  daher  Magenspülung  nach- 
mittags.    Im  Magen  viel  altes  Blut,  viel  Gase.     Galle  läuft  etwas. 

20.  8.  03.    Befinden  weiter  gut. 

31.  8.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres, 
der  Tampons,  die  locker  sitzen  und  etwas  riechen,  sowie  einzelner 
Nähte.  Wunde  sieht  gut  aus.  Wundtrichter  sehr  tief.  Temp.  abends 
87,5.     Pat.  ist  etwas  matt. 

1.  9.  03.  Verband  stark  durch.  Pat.  fühlt  sich  noch  immer  etwas 
matt.    Verbandwechsel. 

2.  9.  03.  Pat.  fühlt  sich  heute  wieder  wohl.  Verband  etwas 
durch.  Entfernung  der  Nähte  und  des  Hepatopexie- Fadens.  Wund- 
trichter sehr  tief.  Ausspülung.  Galle  noch  ziemlich  trübe,  mit  Schleim 
vermischt. 

4.  9.  03.     Galle  läuft  beim  Ausspülen  bereits  ziemlich  klar. 

5.  9.  03.    Entfernung  des  Hepatopexie-Drahtes. 

6.  9.  03.  Verband  täglich  etwas  durch.  Ausspülung.  Chole- 
dochnsincision  selbst  nicht  zu  erreichen  wegen  der  Tiefe  uud  Euge 
des  Wnndtrichters.    Pat.  steht  auf.    Appetit  noch  massig. 

10.  9.  03.  Entfernung  des  grössten  Teils  der  langen  Fäden.  Ver- 
band nur  noch  ganz  wenig  durch. 

15.  9.  03.  Verband  2  Tage  trocken.  Galle  läuft  nur  wenig.  Letzter 
langer  Faden  entfernt.  Galle  läuft  beim  Ausspülen  fast  klar.  Wund- 
trichter sehr  eng.     Stuhl  regelmässig,  gulUgefärbt. 

21.  9.  a3.  Verband  seit  3  Tagen  trocken.  Es  läuft  keine  Galle 
mehr.    Wunde  sehr  eng.     Keine    Tamponade   mehr. 

1.  10.  03.  Wunde  geheilt,  nur  noch  kleine  Granulation.  Geheilt 
entlassen  in  vorzüglichem  Allgemein-Befinden. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  durch  das  pathol.  Institut  in 
Marburg  ergiebt  folgenden  Befund: 

Im  Fundus,  wie  auch  in  den  übrigen  Teilen  der  Gallenblase  zeigt 
die  Mucosa  Atrophie,  stellenweise  auch  alte  Ulcerationen  der 
Wand  im  Übergang  in  narbige  Schrumpfung  begriffen.  An  solchen 
Stellen  finden  sich  neben  älteren  Blutungen  auch  frischere. 

Epicrise:  Erst  nach  langem  Suchen  fand  man  den  Stein 
in  der  Papille.  Bei  der  Incision  des  supraduodenalen  Teils  des 
Choledochus  floss  sehr  viel  Galle  ab,  so  dass  ein  tieferes 
Hindernis  vorliegen  musste.  Das  Pankreas  war  verdickt,  aber 
der  eigentliche  Verschluss  war  durch  den  festsitzenden  Stein  be- 
dingt. Dabei  war  der  Ikterus  nur  massig,  die  Entzündung 
fehlte  im  Augenblick. 


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Nr.  168.    L.  F.,  52 j.  Maurermeistersfrau  aus  Duderstadt. 

Aufgen.:  14  4.  1903. 

Operiert:  16.4.  1903.  Ectomie.  Cysticotomie.  Cystis- 
ectomie.     Hepaticusdrainage.     Choledocho  -  Duode- 
nostomia  int. 
Entlassen:  28.  5.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Fat.  ist  sonst  immer  gesund  gewesen. 

Seit  etwa  20  Jahren  „Magenkrämpfe",  die  vor  16  Jahren  als 
GallensteinkoHken  erkannt  wurden.  Vor  16  Jahren  eine  Zeit  lang  alle 
paar  Tage  Kolikschmerzen,  von  der  Mitte  des  Leibes  nach  rechts  her- 
überstrahlend. Der  Anfall  dauerte  oft  bis  1  Tag  lang.  Dabei  galhges 
Erbrechen.  Nach  dem  Anfall  stets  mehrere  Tage  Gelbsucht;  Stuhl 
weiss,  Urin  dunkel.  Fieber  bestand  jedoch  damals  angeblich  nicht. 
Es  gingen  dann  Steine  ab.  Fat.  gebrauchte  eine  Kur  in  Karlsbad 
und  fühlte  sich  danach  sehr  wohl,  hatte  weiterhin  bis  Mitte  Sommer  1902 
nur  sehr  selten  leichte  Kolikanfälle  von  ganz  kurzer  Dauer  (keine 
Gelbsucht  mehr). 

Seit  Mitte  Sommer  1902  öfters  leichte  Kolikanfälle,  die  stets, 
wenn  Fat.  erbrochen,  aufhörten.  Diese  Anfälle  wurden,  besonders  im 
Herbst,  häufiger. 

Weihnachten  1902  Influenza  mit  allgemeiner  Mattigkeit,  Fieber 
und  Gliederschmerzen.  Dabei  bei  jedem  Essen  Magenschmerzen. 
Nach  8  Tagen  stand  Fat.  auf,  fühlte  sich  jedoch  „weder  gesund 
noch  krank". 

Mitte  Januar  1903  heftigerer  Kolikanfall  mit  Schmerzen  in  der 
rechten  Seite  des  Leibes  und  Erbrechen.  Danach  Schüttelfrost,  Fieber 
(38,0-39,0)  und  Gelbsucht?  Stuhl  weiss,  Urin  dunkel.  Kolikanfall 
dauerte  V*  — V«  Tag,  die  Gelbsucht  2—4  Tage.    Steine  gingen  nicht  ab. 

Seitdem  die  ganz  gleichen  Anfälle  mit  Schüttelfrösten  und  Fieber, 
zunächst  etwa  alle  14  Tage,  später  sogar  alle  8 — 10  Tage.  Vorletzter 
Anfall  24.  März,  letzter  5.  April.  Steine  wurden  trotz  sorgsamen 
Suchens  nicht  gefunden.  In  den  anfallsfreien  Zeiten  fühlt  sich  Fat. 
matt  und  elend,  auch  hat  sie  an  Körpergewicht  abgenommen.  Der 
Appetit  ist  leidlich.     Stuhlgang  regelmässig. 

Fat.  wurde  mit  Karlsbader  Wasser,  Morphiumeinspritzungen  und 
Antipyreticis  behandelt. 

Herr  Dr.  Bertram-Duderstadt  sendet  uns  die  Fat.  zu. 

Befund  :  Ziemlich  negativ.  Kein  Ikterus.  Keine  Leberver- 
grösserung  (Hepatoptose).  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasen- 
gegend.   Urin  frei. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  16.  4.  03.  Wellenschnitt.  Hepatoptose.  Gallen- 
blase sehr  gross  und  mit  Steinen  gefüllt.  Fundusteil  mit  Netz,  Hals- 
teil mit  Duodenum  verwachsen.  Trennung.  Ectomie.  Trübe  Galle 
fliesst  aus  dem  Cysticusstumpf  in  die  untergeschobene  Compresse. 
Im  Choledochus  und  Hepaticus  45  Steine.    Spaltung   des   Cysticiis  und 


—     369     - 

Choledoclius  bis  au  das  Dnodenum  herao.  In  der  Papilla  dnodeiii 
ist  mit  der  Sonde  ein  Stein  zu  fühlen,  völlig  unbeweglich.  Duodenotoniie 
mit  Qnerspallung  des  Duodenum.  Die  Papille  wird  mit  einer  König- 
scheu  Klemme  gefasst  und  Torgezogen.  Papillotomie.  Die  Papille  resp. 
der  intraduodenale  Teil  des  Choledoehus  enthält  4  Steine,  und  die 
Papille  ragt  wie  eine  Portio  in  das  Duodenum.  Schnitt  in  die  Papille 
1  cm.  lang.  Umsäumung  mit  4  Fäden.  Naht  des  Querschnittes  im 
Duodenum.  Darüber  Netz.  Excision  des  Cysticus.  Hepaticusdrainage. 
Verkleinerung  des  Choledochussohnittes.  Tamponade  des  stark  blu- 
tenden Leberbettes,  (2  Umstechungen.)  Magen  sehr  gross.  He- 
patopexie  mit  2  Suturen.  Naht.  Dauer  der  Operation  1'/»  Stunden. 
Oute  Chloroform-Narkose.  Im  Beisein  des  Herrn  Dr.  Klein-Idstein, 
Taunus. 

Verlauf:  Gut. 

28.  4.  03.  1.  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres 
und  der  Tampons,  die  reichlich  mit  Galle  durchtränkt  sind,  nicht 
riechen  nnd  ziemlich  locker  sitzen.  Wunde  sieht  gut  aus.  Ausspülung. 
Tamponade,  Verband.  Beim  Ausspülen  wurde  ausser  viel  Schleim 
und  weichem,  bröclilichem  „Schotter"  ein  etwa  erbsengrosser,  fazet- 
tierter  schwärzlicher  Stein  heransgespUlt. 

29.  4.  03.  Verband  durch.  Bei  der  Ausspülung  des  Hepaticus 
werden  i  schwärzliche,  fazettierte  Steine,  darunter  zwei  erheblich  über 
Urbsengrösse,  herausgespült.  Galle  noch  mit  viel  weichem,  brücklichem 
Oerinnsel  vermengt.  Ausspülung  auch  des  duodenalen  Choledochus- 
Abschnittes.  Choledochus-Incision  sehr  gut  sichtbar,  liegt  ziemlich 
■oberflächlich.    Temp.  abends  37,9. 

30.  4.  03.  Entfernung  aller  Nähte  und  der  Fäden  bis  auf  einen. 
Bei  der  Sondierung  des  Hepaticus  ist  kein  Stein   mehr   nachzuweisen. 

2.  5.  03.  Verband  täglich  mit  Galle  durchtränkt.  Täglich  Aus- 
spülung des  Hepaticus  und  Choledoehus,  wobei  sich  noch  mit  Flocken 
Yermischte  Galle  entleert.    Letzter  Faden  ist  abgegangen. 

7.  5.  03.  Leichte  Pulsirregularität.  Pat.  klagt  über  grosse  Mattig- 
keit. Temperaturen  normal.  Strophantus.  Wein.  Häufige  Durchfälle. 
Urin  normal. 

8.  5.  03.  Pat.  fühlt  sich  heute  besser.  Nachmittags  jedoch  wie- 
-der  plötzliche  Pulsirregularität,  Schwitzen  und  Angstgefühl.  Digi- 
talisinfus. 

9.  5.  03.  Pat.  fühlt  sich  wieder  wohl.  Puls  wieder  regelmässig, 
kein  Aussetzen  mehr.  Keine  Angstzustände.  Durchfall  hat  aufgehört. 
Stuhl  geformt,  braun. 

Verbandwechsel.  Verband  2  Tage  trocken.  Wundtrichter  sehr 
•eng.  Ausspülung  des  Choledoehus,  in  den  man,  da  er  sehr  ober- 
fl.äclilich  liegt,  leicht  mit  dem  Spülkatheter  gelangt.    Tamponade. 

12.  5.  03.    Verband    3    Tage    trocken.     Ab   und   zu   noch   leichte 
Pulsirregularität,  sonst  Befinden  gut.     Pat.  steht  wieder  auf. 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  24 


—     370     — 

15.  5.  03.  Ab  und  zu  leichte  Pulsirregularität.  Puls  ziemlicb 
klein  und  weich.  Klagen  über  Mattigkeit  und  Herzklopfen.  Pat.  bleibt 
im  Bett.     Appetit  gut.     Stuhl  braun. 

17.  5.  03.  Pat.  fühlt  sich  etwas  wohlor.  Puls  noch  ab  und  zu 
irregulär. 

20.  5.  03.  Pat.  fühlt  sich  wieder  kräftiger,  keine  Klage  über 
Herzklopfen.    Puls  voll  und  weich,  nicht  mehr  unregelmässig. 

Wundtrichter  sehr  eng,  es  fliesst  nur  noch  eine  Spur  Galle. 

28.  5.  03.  Unter  Zunahme  des  Appetits  ist  in  den  letzten  Tagen 
eine  wesentliche  Besserung  des  Befindens  eingetreten.  Auch  die 
Herztätigkeit  ist  besser. 

Pat.  wird  mit  ganz  kleiner,  granulierender  Wunde  nach  Hause 
entlassen.     Gallenfiuss  hat  aufgehört. 

Epicrise:  Die  Diag'nose  wurde  genau  gestellt,  obgleich 
Ikterus  völlig  fehlte.  In  der  Papille  steckten  4  Steine,  und 
doch  bestand  kein  Ikterus;  im  Augenblick  fehlte  eben  die  Entzün- 
dung. Der  hospitierende  Kollege  konnte  sich  von  der  vortreftlichen 
Übersichtlichkeit  bei  der  angewandten  Schnittführung  übei  zeugen. 

Nr.  169.  A.  B.,  52j.  Privatier  aus  München. 

Aufgen.:  3.  8.  1903. 

Operiert:  5.  8.  1903.    Ectomie.    Cysticectomie.  Hepa- 

ticusdrainage.     Choledocho-Duodenostomia  interna. 

Netzplastik.     Hepatopexie. 
Entlassen:  13.  9.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  hat  mit  24  Jahren  an  Gelenk-Rheumatismus 
gelitten,  später  dann  noch  einmal  einen  leichten  Anfall  dieser  Krank- 
heit gehabt.  Vor  10  Jahren  bekam  Pat.  eine  Eiterung  in  der  linken 
Highmors-Höhle,  die  operativ  behandelt  wurde,  jedoch  in  leichtem  Grade 
noch  bis  1902  anhielt.    Sonst  ist  Pat.  stets  gesund  gewesen. 

Am  19.  Januar  1902  bekam  Pat.  plötzlich  abends  Übelkeit  und 
Erbrechen.  Nach  gutem  Schlafe  trat  am  nächsten  Morgen  ein  Anfall 
von  äusserst  heftigen  Kolikschmerzen,  die  quer  über  die  Oberbauch- 
gegend ausstrahlten,  auf,  so  dass  Pat.  sich  vor  Schmerzen  wand.  Zu- 
gleich hohes  Fieber  (38,6 — 39,8),  Pat.  war  fast  benommen.  Die  Schmerzen 
hörten  nach  einigen  Stunden  auf.  Das  Fieber  hielt  14  Tage  an,  ging 
dann  allmählich  zurück.  Nach  3  Wochen  trat  allmählich  am  Körper 
ausgosprocbene  Gelbsucht  auf  und  hielt  2  Wochen  an.  Put.  nahm  stark 
ab,  war  äusserst  elend.  Bis  Juni  1902  lag  Pat.  im  Diakonissenhaus 
(München)  und  erholte  sich  dann  langsam.  Darauf  Kur  in  Arolsen. 
Völliges  Wohlbefinden  bis  Anfang  Juni  1903,  nur  einmal  im  Februar 
Anfall  von  starker  Verstopfung,  die  Oberbauchgegend  war  brotthart, 
dabei  bestand  Brecluieigung  und  geringer  Appetit.  Dies  dauerte  etwa 
8  Tage. 


—     871     — 

Anfang  Juni  1903  bekam  Pat.  plötzlich  eines  Abends  Schüttelfrost, 
dabei  keine  Schmerzen.  Am  andern  Tage  allgemeine  Gelbsucht.  Stuhl 
weiss,  Urin  dunkel.  Starkes  Hautjucken.  Einigemale  auch  Erbrechen, 
Seitdem  durchschnittlich  alle  8  Tage  gleicher  Anfall  und  Schüttel- 
frost. Die  Gelbsucht  hielt  bis  jetzt  an,  wechselte  jedoch  sehr  an 
Intensität,  Stuhl  ist  bald  weiss,  bald  gefärbt,  Urin  bald  dunkel,  bald 
hell.  Nach  den  Schüttelfrösten  Gelbsucht  meist  stärker.  In  den 
Zwischenzeiten,  namentlich  wenn  die  Gelbsucht  geringer  ist,  fühlt  sich 
Pat.  ganz  wohl,  Appetit  ist  ziemlich  gut,  doch  hat  Pat.  seit  Anfang 
Juni  12  Pfund  abgenommen.     Stuhl  ist  regelmässig. 

Letzter  Schüttelfrost  vor  5  Tagen,  nur  sehr  leicht,  dabei  zum  ersten- 
male  leichte  Schmerzen  im  Rücken.  Seitdem  fühlt  sich  Pat.  sehr  wohl, 
so  wie  seit  Anfang  Juni  nicht  mehr.  Beim  Anfall  vor  5  Tagen  auf 
fallend  reichliche  Stuhlentleerung.  Auch  bei  den  früheren  Schüttel- 
frösten nachher  reichliche  Stuhlentleerung,  doch  nie  so  auffallend  reich- 
lich wie  beim  letztenmale. 

Pat.  klagt  zurzeit  hauptsächlich  über  Hautjucken,  fühlt  sich  sonst 
ganz  wohl,  Appetit  ist  gut. 

Pat.  hat  in  letzter  Zeit  Karlsbader  Salz  zur  Regelung  des  Stuhl- 
ganges genommen,  hat  sonst  keine  Kur  durchgemacht. 

Herr  Dr.  Ziller-Albaching/Oberbayern   sendet   uns    den  Pat.    zu. 

Während  der  Erkrankung  im  Anfang  vorigen  Jahres  bestand 
starke  Leborschwellung,  ebenso  Milzschwellung,  anscheinend  auch  Peri- 
karditis, ebenso  Nierenentzündung  (eine  Zeit  lang  viel  Eiweiss).  Später 
Juli  1903  etwa  14  Tage  heftiger  Urindrang,  dabei  etwas  Blut  beim 
Urinlassen.  Ab  und  zu  hat  Pat.  einmal  leichte  Schmerzen  in  der  rechten 
Seite  unterhalb  des  Rippenbogens.  Herr  Dr.  Ziller  schreibt  uns  über 
den  Verlauf  folgendes: 

„Im  Janmar  1902  plötzlich  schwere  allgemeine  septische  Erkrankung 
(vermutlich  von  der  Gallenblase  ausgehend),  hohes  intermittierendes 
Fieber,  soporöser  Zustand,  starke  Anschwellung  des  rechten,  geringere 
des  linken  Leberlappens,  grosser,  stark  druckempfindlicher  Tumor  in 
der  Gallenblasengegend,  geringgradiger  Ikterus,  Perihepatitis  h.  u.,  En- 
docarditis,  Omarthritis  rechts  und  links,  Nephritis  3—4  Wochen.  Her- 
nach langsame  Abnahme  der  Leberschwellung.  Verschwinden  der  Herz- 
und  Gelenkentzündungs-Symptome,  Besteheubleiben  von  Eiweiss  im 
Urin  und  Resistenz  und  Druckempfindlichkeit  in  der  Gallenblasengegend. 
Langsame  Kiäftezunahme.  Im  Juni  mehrwöchentliche  Hämaturie  mit 
schmerzhafter,  spastischer  Urinentleerung.  Seit  dieser  Zeit  bis  Juni  er. 
mehrmaliges  Auftreten  von  Attacken  von  Meteorismus,  hohem  Fieber, 
Stuhlverhaltung,  akuter  Leberschwellung,  Druckempfindlichkeit  des 
Bauches,  Dauer  3— 4  Tage,  hernach  Verschwinden  aller  Erscheinungen. 
In  der  Zwischenzeit  meist  gutes,  subjektives  Wohlbefinden.  Eiweiss  im 
Urin  verschwand  allmählich  vollständig.  Kolikartige  Anfälle  waren 
nie  zu  beobachten,  ebensowenig  Abgang  von  Gallensteinen  durch  den 
Stuhl. 

24* 


—     572     — 

Im  Juni  er.  neuer  heftiger  Anfall  mit  Fieber,  Meteorismus,  Schüttel- 
frost, Obstipation.  Starker  Ikterus,  Urin  eiweissfrei.  Seit  dieser  Zeit 
bestehen  die  Erscheinungen  des  Ikterus  fort." 

Befund:  Starkknochiger,  abgemagerter  Mann,  Ikterus  massig, 
Leber  nicht  vergrössert.  Druckempfindlicbkeit  der  Gall-enblasengegend 
und  der  Mittellinie.  Kein  Tumor  der  Gallenblase  nachweisbar,  Lungen, 
Herz  gesund.  Im  Urin  Spuren  von  Eiweiss,  viel  Gallenfarbstoff.  Starkes 
Hautjucken. 

Diagnose:  Abgelaufene  Cholecystitis,  Stein  im  Choledochus. 

Operation:  5.  8.03  im  Beisein  der  Herren  Dr.  Noble-Philadelphia 
und  Dr.  B  e  1  z -  Charkoff.  Gute  Sauerstoff-Chloroformnarkose.  50  gr.  in 
P/2  Stunden.  Wellenschnitt  bis  zur  Inscriplio  tendinea  unterhalb  des 
Nabels  mit  Schonung  der  Nerven.  Leber  v^enig  vergrössert,  überall 
mit  fibrinösen  Auflagerungen  bedeckt.  Gallenblase  ganz  in  Verwach- 
sungen eingehüllt.  Lösung  von  Duodenum  und  Netz,  einige  Unter- 
bindungen. Gallenblase  gross,  am  Fundus  ein  walnussgrosses  Traktions- 
divertikel,  wird  punktiert  imd  reichlich  trübe  Galle  aspiriert.  Supra- 
duodenalteil  des  Choledochus  wird  freigelegt  und  inzidiert.  Die  Drüsen 
sind  dick  nud  hart.  Nach  langem  Suchen  findet  man  einen  liaselnnss- 
grossen  Stein  in  der  Papilla  dnodeni  völlig  unverschieblich.  Choledo- 
üho-Duodenostomia  interna  mit  Umsänniung^naht.  Diictns  pankreaticns  er- 
weitert, dicht  daneben,  ist  sondierbar.  Hepaticusdrainage.  Ectomie. 
Cysticectomie  nach  Spaltung  des  Cysticus.  Netz  auf  die  Duodenal- 
naht,  an  4  Steilen  fixiert.  Hepatopexie  mit  1  Sutur.  Tamponade.  Naht. 
Dauer  der  Operation  1  Stunde  20  Min. 

Verlauf:  Normal  und  fieberfrei. 

19.  8.  03.  Verbandwechsel.  Entfernung  des  Rohres,  sämtlicher 
Tampons,  die  locker  sitzen,  stark  riechen,  sämtlicher  Nähte  und  langen 
Fäden  bis  auf  einen.  Chbledochusinzision  liegt  ziemlich  oberflächlich, 
ist  sehr  gut  sichtbar.  Wunde  sieht  sehr  gut  aus.  Beim  Ausspülen 
werden  zahlreiche  kleine  Steintrümmerchen  herausgespült.  Ausspülung 
des  Hepaticus.    Tamponade. 

20.  8.  03.  Verband  durch.  Letzter  Faden  wird  entfernt.  Beim 
Ausspülen  werden  wieder  einzelne  Steintrümmer  herausgespült. 

22.  8.  03.  Verband  täglich  durch.  Galle  riecht  sehr  stark.  Wund- 
trichter bereits  erheblich  enger.  Seitlich  nach  dem  Magen  zu  im  Wund- 
trichter die  3  Nähte  sichtbar,  welche  das  Netz  über  der  Dünndarmnaht 
fixieren. 

24.  8.  03.    Steht  auf. 

26.  8.  03.  Verband  jetzt  zwei  Tage  trocken.  Galle  läuft  weniger 
reichlich.     Wundtrichter  bereits  sehr  eng. 

31.  8.  03.    Es  läuft  nur  noch  eine  Spur  Galle. 

6.  9.  03.     Keine  Tarnponade  des  Wundtrichters  mehr. 

10.  9.  03.    Verband  3  Tage  trocken.    Noch  Spur  Galle  in  der  Gaze. 

13.  9.  03.  Es  läuft  keine  Galle  mehr.  Pat.  wird  mit  kleiner,  gut 
granulierender  Wunde  entlassen. 


—     373     — 

E  p  i  c  r  i  s  e :  Obgleich  der  Stein  völlig  fest  in  der  Papille 
steckte,  hatte  Pat.  gar  keine  Schmerzen.  (Fink's  Ansicht  über 
die  mechanische  Reizung  der  Steine  teile  ich  nicht.)  Pat.  muss 
eine  sehr  schwere  Cholangitis  durchgemacht  haben,  daher  die 
Perihepatitis.  Gegen  die  von  Berg  in  New- York  empfohlene 
Freilegung  des  papillären  Teils  des  Choledochus  ohne  Duodeno- 
tomie  und  gegen  die  retroduodenale  Incision  hege  ich  mehrere 
Bedenken,  die  ich  bereits  im  I.  Teil  erörtert  habe. 

Nr.  170.  E.  B.,  40j.  Oberlehrersfrau  aus  Hamburg.  " 

Aufgen.:  5.  6.  1903. 

Operiert:  8.  6.  1903.      Ectomie.      Cysticotomie.     He- 
paticusdrainage.  Choledocho-Duodenostomia  interna. 
^  Appendicectomie.     Hepatopexie. 

Entlassen:  16.  7.  1903.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  hat  als  Kind  von  11  Jahren  Typhus  und  Ruhr 
durchgemacht.  Sie  hat  seitdem  als  Kind  noch  später  häufig  an  Darm- 
blutung gelitten  und  noch  lauge  eine  druckempfindliche  Stelle  in  der 
rechten  Seite  des  Unterleibes  gespürt.  Auch  jetzt,  in  den  letzten 
Jahren,  besonders  während  des  Unwohlseins,  hat  Pat.  diese  Stelle  als 
druckempfindlich  empfunden. 

Im  17.  und  18.  Lebensjahr  zweimal  „Darmkoliken"  mit  Ver- 
stopfung und  Erbrechen  von  ca.  8  Tagen  Dauer.  Dabei  wieder  die 
Druckempfindlichkeit  rechts  unten  im  Leibe.  Ferner  litt  Pat.  an  Bleich- 
sucht. 

Pat.  hat  immer  an  „Magenschwäche"  und  unregelmässigem  Stuhl- 
gang gelitten  (teils  Durchfälle,  teils  Verstopfung). 

1892  stellten  sich  einige  Stunden  andauernde,  heftige  „Magen- 
krämpfe'' ein,  die  mehrere  Tage  lang  auftraten,  zugleich  Erbrechen. 
Hieran  anschliessend  mehrere  Tage  ausgesprochene  Gelbsucht,  Stuhl 
war  weiss.  Zugleich  bestand  dann  einige  Wochen  lang  eine  Leber- 
schwellung. Infolgedessen  wegen  Magen-Erweiterung  und  Erschlaffung 
sechswöchige  Kur  in  Kissingen.  Keine  erhebliche  Besserung,  Brunnen 
wurde  schlecht  vertragen.  Doch  hielt  Pat.  strenge  Diät.  Trotzdem  1893 
und  94  häufige  (etwa  alle  3 — 4  Monate),  einige  Stunden  lang  andauernde 
Magenkrämpfe,  teilweise  sehr  heftiger  Natur  mit  Erbrechen.  Damals 
wurde  die  Gallenblase  wie  eine  Birne  gefühlt  und  deshalb  Cholelithiasis 
vermutet.  Karlsbader  Wasser  vertrug  Pat.  nicht,  vielmehr  traten 
danach  die  Magenkrämpfe  häufiger  auf.  Die  Schmerzen  sassen  in  der 
Lebergegend  und  strahlten  nach  links  und  in  den  Rücken  aus.  Die 
Anfälle  von  Magenkrämpfen  stellten  sich  dann  noch  weiter  ab  und  zu 
ein.  Nur  während  der  Schwangerschaft  (Pat.  hatte  4  Mal  geboren) 
blieben  die  Anfälle  aus. 

1895  und  96  zweimal  Dickdarmkatarrh  mit  Abgang  von  Blut  und 
Schleim,  der  14  Tage  lang  anhielt. 


—     374     — 

Während  der  letzten  Schwangerschaft  1897  keine  Krämpfe.  Seit 
dieser  Zeit  häufig  „Schweregefühl"  in  der  Gegend  der  Leber  und  Magen- 
grube („wie  ein  Stein,  der  dort  liegt").  Dabei  leichte  Ermüdung, 
Schmerzen  und  Lähmungsgefühl  im  rechten  Arm,  schon  bei  leichten 
Hantierungen. 

Die  Krarapfanfälle  traten  dann  wieder  ab  und  zu  auf,  im  Winter 
häufiger  als  im  Sommer,  ^^ährend  der  Anfälle  Stuhl  meist  mit  Blut- 
flocken  vermischt. 

Vor  3  Jahren  wiederum  Leberschwellung,  die  8  Tage  anhielt. 
Dabei  angeblich  Fieber.    Stuhl  war  weiss.     Angeblich  keine  Gelbsucht. 

Vor  2  Jahren  Massage  des  Colon  ascendens  wegen  Katarrhs, 
danach  beim  Heimweg  sehr  heftiger  Kolikaofall,  so  dass  Pat.  nach 
Hause  getragen  werden  musste. 

In  den  letzten  2  Jahren  mehrten  sich  die  Anfälle,  besonders  im 
Winter.  Im  letzten  Winter  alle  8  Tage  Krampfanfälle,  die  etwa 
7  Stunden  andauerten.  In  den  Zwischenzeiten  fühlte  sich  Pat.  ziem- 
lich wohl.  Im  letzten  Winter  wiederum  14  Tage  dauernder  Darm* 
katarrh  mit  heftigen  Durchfällen  und  Schmerzen  in  der  linken  Seite 
des  Leibes. 

Seit  Weihnachten  1902  hat  Pat.  fast  dauernde  Schmerzen  und 
Druckgefühl  in  der  Gegend  der  Leber  und  der  Magengrube.  Sie  hat 
seitdem  bis  heute  ca.  30  Pfund  abgenommen. 

Am  15.  April  1903  M'iederum  sehr  heftiger  Kolikanfall,  der 
7  Stunden  dauerte.  Gallenblase  prall  gefüllt.  Gallensteinleiden  jetzt 
bestimmt  diagnostiziert. 

Pat.  wurde  dann  12  Tage  wegen  Magensenkung  und  wegen 
Magengeschwür  im  Sanatorium  Braunlage  behandelt.  Doch  trat  dort 
wiederum  ein  Krampfanfall  auf.  * 

Gestern  Mittag  letzter,  nur  einige  Minuten  dauernder  Krampf- 
anfall. 

Pat.  klagt  jetzt  über  dauernde  Schmerzen  und  Druckgefühl  in 
der  Gegend  der  Leber  und  der  Magengrube.  Die  Krampfanfälle  treten 
besonders  kurz  vor  oder  kurz  nach  dem  Unwohlsein  auf.  Dabei  hat 
Pat.  das  Gefühl,  dass  die  Gegend  der  Magengrube  anschwillt  und 
schmerzhaft  ist. 

Gelbsucht  hat  seit  1892  nicht  wieder  bestanden.  Fieber  ist  nicht 
vorhanden  gewesen.  Nach  Steinen  wurde  im  Stuhl  nicht  gesucht. 
Stuhlgang  ist  häufig  unregelmässig.     Appetit  wechselt. 

Herr  Dr.  G  r  u  we-Hamburg  sendet  uns  die  Pat.  zu. 

5.  6.  03.    Leichter,    etwa    10  Min.   dauernder  Kolikanfall    abends. 

Befund:  Ausser  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend 
alles  normal.    Urin  frei.    Kein  Ikterus. 

Diagnose:    Chronische  recidiv.  Cholecystitis  calculosa. 

Operation:  8.  6.  03.  Wellenschnitt.  Gallenblase  mit  Netz 
verwachsen,  wird  gelöst.  Leber  normal,  nicht  gross.  Gallenblase  im 
Hals  sehr  geknickt,  schwere  Lösung.  Ectomie.  Gallenblase  enthält 
im    Fundus   viele   kleine  Steine,  im  ulcerierten  Hals  einen  haselnuss- 


—     875     — 

grossen.  Galle  fliesst  aus  Cj^sticus  trübe  ab.  Cysticotomie.  Im  Chole- 
doclius  mehrere  kleine  Steine  in  der  Papille  festsitzend.  Choledocho- 
Diiodenostomia  interna.  5  Steine  entfernt.  Hepaticusdrainag^.  Hepa- 
topexie.  Appendix  in  der  Mitte  geknickt,  enthält  3  Kotsteine,  ist  am 
Ende  stark  entzündet.  Appendicectomie.  Tamponade  des  Leberbetts. 
Dauer  der  Operation  l'/4  Stunden.  Gute  Chloroform-Sauerstoff-Narkose, 
^5  gr.  Chloroform. 

V  erl  auf :  9.  6.  03.  In  der  Nacht  viel  Aufstossen,  starke  Übel- 
keit. Puls  130,  ziemlich  klein.  Magenspülung,  wobei  ziemlich  viel 
schwärzliches  Blnt  entleert  wird.  Galle  läuft  (80  ccm).  Blähungen 
gehen  nach  Spritze  nachmittags. 

Puls  abends  130.  Temp.  37,7.  Aussehen  gut.  Ma?enspUlang,  im 
Magen  nnr  noch  Reste  von  altem  Blnt,  das  offenbar  vom  Duodenum 
ans  in  den  Magen  zuriickgelanfen  ist. 

10.  6.  03.  Temp.  normal.  Puls  120-130.  Blähungen  gehen.  Kein 
Erbrechen.  Da  Puls  dauernd  etwas  frequent,  3  Mal  Kochsalzinfusionen, 
Kochsalzeinläufe.     Galle  80  ccm. 

11.  6.  03.    Puls  100,  kräftig.    Befinden  gut.     Galle  90  ccm. 

22.  6.  03.  1.  Verbandwechsel.  (1.  Verband  liegt  14  Tage.)  Ent- 
fernung sämtlicher  Tampons,  die  ziemlich  locker  sitzen,  des  Rohres, 
sämtlicher  Nähte  und  einzelner  langer  Fäden.  Wunde  sieht  gut  aus. 
Tamponade. 

23.  6.  03.  Verband  durch.  Verbandwechsel.  Choledochus-In- 
«ision  gnt  sichtbar.  Ansspülnng  des  Choledochns  mit  Sptilkatlieter. 
Hepaticns  und  Choledochus  bis  in  den  Darm  hin  frei  und  leicht  durch- 
gängig.   Tamponade.   Verband. 

26.  6.  03.  Verband  3  Tage  trocken.  Verbandwechsel.  Aus- 
spülung des  Hepaticus.  Tamponade.  Verband.  Letzte  lange  Fäden 
gehen  ab. 

28.  6.  03.  Verband  täglich  durch.  Galle  läuft  klar.  Keine  Aus- 
spülung des  Hepaticus  mehr.     Pat.  steht  auf. 

G.  7.  03.  Nach  festem  Austamponieren  des  sehr  engen  Wund- 
trichters bleibt  der  Verband  2  Tage  trocken. 

14.  7.  03.     Keine  Tamponade  des  sehr  engen  Wundtrichters  mehr. 

16.  7.  03.  Es  läuft  keine  Galle  mehr.  Pat.  wird  mit  kleinem, 
gut  granulierendem  Wundtrichter   entlassen. 

Pat.  wird,  nachdem  sie  noch  zweimal  in  der  Klinik  verbunden 
worden  und  die  Wunde  völlig  geschlossen  ist,  als  geheilt  entlassen. 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  im  path.  Institut  zu  Marburg 
ergab  folgenden  Befund: 

Makroskopisch:  Während  die  Wandung  der  Blase  im  mittleren 
Drittel  des  Corpus  von  annähernd  normaler  Stärke  ist  und  einen  un- 
veränderten Schleimhautüberzug  trägt,  finden  sich  am  Fundus  und 
Collum  unregeimässige  Verdickungen  der  Wand  und  Ulcerationen  der 
Oberfläche. 

Mikroskopisch  zeigen  die  erwähnten  veränderten  Partien  ein 
Fehlen  des  Epithels.     Nur  am    Collum  sind  noch  spärliche  Reste  des 


—     876      — 

Oberflächenepithels,  in  der  Tiefe  der  Wandung  dagegen  Gruppen  un- 
regelmässig ausgebuchteter  Drüsen  (ohne  Degeneration  der  Epithel- 
zellen) vorhanden.  Die  inneren  Abschnitte  der  Blasenwand  werden 
von  einem  narbendurchzogenen  und  kleinzellig  infiltrierten  Granu- 
lationsgewebe gebildet,  die  äusseren  von  hyalinen  Gewebsstreifen,  die 
von  diffusen  und  knötchenförmig  angeordneten  Lympbzellanhäufungen 
durchsetzt  sind.  Die  Muscularis  ist  völlig  zerstört.  An  den  Arterien 
starke  Wucherung  der  Intima.  Em  Fundusteil  ist  auffällig  der  Befund 
von  krystallinischen  Gallenablagerungen  in  der  Mitte  der  Wand,  um- 
geben von  vielkernigen  Fremdkörperriesenzellen.  Über  die  Bedeutung 
dieser  Tatsache  müssen  weitere  Untersuchungen  Aufschluss  geben. 

Epicrise:  In  der  Papille  steckte  fest  eingeklemmt  ein 
Stein,  trotzdem  kein  Ikterus.  Appendix  war  krank  und  musste 
heraus.  Die  trübe,  aus  dem  Cysticus  ausfliessende  Galle  wies 
darauf  hin,  dass  im  Choledoclius  ein  entzündlicher  Prozess  sich 
abspielte  und  Steine  daselbst  steckten.  Deshalb  Choledochotomie, 
obgleich  man  bei  der  Kleinheit  der  Steine  dieselben  kaum  pal- 
pieren  konnte.  Die  Choledocho-Duodenostomia  interna  ist  für 
solche  Fälle  die  beste  Methode. 


Nr.  171.    J.  F..  32 j.  Bureau- Assistentenfrau  aus  Magdeburg- 
Bnckau. 

Aufgen.:  6.   11.  1899. 

Operiert:    8.  11.  1899.     Ectomie.     Choledochotomie 

mit  Naht.     Choledocho-Duodenostomia  interna. 
Entlassen:   11.   12.   1899.     Geheilt. 

Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Besonderheiten. 

Pat.  ist  von  ihrem  5.  Lebensjahre  an  magenleidend  gewesen;  sie 
vertrug  nur  ganz  leichte  flüssige  Kost,  bekam  sofort  Erbrechen,  so- 
bald sie  den  Magen  um  das  Geringste  überfüllte.  Im  2ü.  Jahre  hörte 
das  Erbrechen  spontan  auf,  und  Pat.  fühlte  sich  7  Jahre  hindurch  ge- 
sund. Sie  verheiratete  sich  im  24.  Jahre  und  ist  Mutter  zweier  Kinder. 
Damals  im  27.  Jahre  traten  die  Magenschmerzen  wieder  auf,  nahmen 
aber  einen  mehr  kolikartigen  Charakter  an;  anfangs  kamen  sie  täg- 
lich, später  wurden  die  Pausen  grösser  und  nach  V^  Jahre  hörten  die 
Schmerzen  schliesslich  ganz  auf.  Die  Dauer  der  Schmerzen  betrug 
gewöhnlich  2  Stunden.  Von  Herrn  Dr.  Kambach-Buckau  wurde  die 
Diagnose  auf  Gallensteine  und  Leberanschwellung  gestellt;  es  wurde 
zunächst  künstliches  Karlsbader  Salz  verordnet,  später  trank  Pat. 
6  Wochen  lang  natürliches  Karlsbader  Wasser.  Nach  dieser  Kur 
schwanden  die  Schmerzen  und  Frau  F.  fühlte  sich  3  Jahre  völlig 
wohl.  Jm  Frühjahr  99  stellten  sich  dann  von  Zeit  zu  Zeit  wieder 
leise   Schmerzen    in   der   Oberbauchgegend   ein.    Endo   August  99  er- 


—     377      — 

folgte  plötzlich  ein  heftiger  Kolikanfall  mit  starkem  Erbrechen,  Ver- 
lust des  Appetits,  Stuhl  verbal  tung.  Solche  ca.  12  Stunden  dauernde 
Schmerzattacken  traten  Anfang  September  noch  zweimal  auf.  Kolik- 
artige Schmerzen  sind  seitdem  nicht  mehr  dagewesen,  dagegen  be- 
steht fortwährend  ein  dumpfes  Druckgefühl  in  der  Lebergegend.  Schon 
im  Frühjahr  99  trat  bald  nach  den  Schmerzen  ein  leichter  Ikterus 
auf;  nach  den  Kolikanfällen  im  September  nahm  derselbe  schnell  zu. 
Der  Appetit  ist  in  letzter  Zeit  sehr  schlecht  geworden,  Erbrechen 
tritt  noch  häufig  ein.  Pat.  ist  um  ca.  23  Pfund  abgemagert  und  fühlt 
sich  sehr  matt.  Der  Stuhlgang  ist  sehr  unregelmässig;  Steine  sind 
nie  gefunden  worden.  Der  Urin  ist  schon  seit  langem  dunkel  gefärbt. 
Mehrfach  soll  in  letzter  Zeit  Schüttelfrost  vorhanden  gewesen  sein. 
Ikterus  fast  immer  gleichmässig. 

Befund:  Kleine,  gracil  gebaute  Frau  in  schlechtem  Ernährungs- 
zustande. Herz  und  Lungen  gesund.  Im  Urin  kein  Eiweiss,  aber 
reichlich  Gallenfarbstoflt".  Starker  Ikterus.  Leber  massig  vergrössert. 
Gallenblasengegend  druckempfindlich.    Temperatur  normal. 

Diagnose:  Stein  im  Choledochus  (vielleicht  in  der  Papille 
festsitzend). 

Operation:  Längsschnitt  im  rechten  m.  rect.  abd.  Gallenblase 
gross,  ihre  Wandungen  ödematös,  ohne  Verwachsungen,  enthält  trübe 
Galle  und  Steine.  Im  Choledochus  hinter  dem  Duodenum  ein  Stein  fühl- 
bar. Eröffnung  des  suprad.  Teils  des  Choledochus.  Es  fliesst  viel  Galle. 
Stein  nicht  zu  entfernen.  Veslialb  Dnodeuotomie.  Stein  steckt  in  der 
Papille,  die  erweitert  wird.  Der  Stein  ist  erbsengross.  Längsschnitt 
im  Duodenum  wird  quer  vernäht.  Vorher  ist  die  Papille  mit  Seiden- 
sutnren  umsäumt.  Gallenblase  wird  excidiert,  Choledochusschnitt  ge- 
näht. Gazetamponado.  Anfangs  schlechte  Chloroformnarkose  mit  2  Col- 
lapsen,  dann  Äther. 

Verlauf  war  vollständig  fieberfrei.  Der  erste  Verbandwechsel 
fand  14  Tage  post  op.  statt;  die  Gaze  Hess  sich  nach  Spülen  mit 
Kochsalzlösvmg  leicht  entfernen.  Die  Fäden  wurden  herausgenommen. 
Nach  Austrocknung  des  Wundtrichters  wurden  neue  Gazestreifen  ein- 
gelegt. Heilung  unter  wenigen  Verbänden.  Entlassung  am  11.  12.  99 
ohne  eine  Spur  von  Ikterus.  Allgemeinbefinden  vorzüglich,  Appetit 
*und  Stuhlgang  ganz  in  Ordnung. 

Epicrise:  Meistenteils  gelingt  es,  den  Stein  aus  der 
Papille  in  den  supraduodenalen  Teil 'des  Choledochus  hoch  zu 
drücken,  wo  er  sich  bequem  herausschneiden  lässt.  Die  Chole- 
docho-Duodenostomia  interna,  wie  sie  zuerst  von  Kocher  und 
mir  geübt  wurde,  braucht  man  deshalb  nur  relativ  selten  auszu- 
führen ;  aber  die  Gefahr  der  Eröffnung  des  Duodenum  hat  sich 
mir  in  zahlreichen  Fällen  so  gering  ervi^iesen,  dass  man  diese 
Operation  nicht  „als  zu  gefährlich"  zu  fürchten  braucht. 


—     378      - 

Nr.  172.  H.  M.,  31j.  Kaufmannsfrau  aus   Danzig. 

Aufgen.:  4.  3.  1901. 

Operiert:  I.    6.  3.   1901.  Cystostomie.  IL  13.  5.  1901. 

Cysticotomie.    Ectomie.    Choledocho-Duodenostomia 

interna.     Hepaticusdrainage. 
Entlassen:  30.  6.  1901.    Nicht  völlig  geheilt. 

Anamnese:  Familiengeschichte  ohne  Belang.  Fat.  hat  schon 
als  junges  Mädchen  an  Magenkrämpfen  gelitten,  die  meist  zur  Zeit 
der  Menstruation  eintraten.  Diese  Magenkrämpfe  haben  sieh  ca. 
15  Jahre  lang  in  unregelmässigen  Pausen  wiederholt.  In  den  letzten 
3  Jahren  ist  sie  wegen  Adnexerkrankungen  in  frauenärztlicher  Be- 
handlung gewesen.  Im  September  und  Oktober  1900  hatte  sie  mehrere 
Anfälle  von  Schmerzen  in  der  rechten  Oberbauchgegend  mit  Er- 
brechen, das  Erbrochene  bestand  meist  aus  Speiseresten.  Ende 
Oktober  1900  kam  ein  heftiger. Anfall,  der  als  Gallensteinanfall  erkannt 
wurde.  Die  sehr  heftigen  Schmerzen  begannen  in  der  Gallenblasen- 
gegend und  zogen  zum  Rücken.  Der  Urin  war  danach  auffallend 
dunkel,  auf  den  Stuhl  wurde  nicht  geachtet,  Zeichen  von  Ikterus  sind 
nie  beobachtet  worden.  Die  Anfälle  wiederholten  sich  im  November 
und  Dezember  mehrmals.  Ende  Dezember  konsultierte  Pat.  Herrn 
Prof.  D  ührs  se  n- Berlin,  der  angeblich  2  Gallensteine  fühlte  und  zur 
sofortigen  Operation  riet,  doch  entschloss  sie  sich  damals  nicht  dazu. 
Am  10.  Januar  hatte  sie  einen  sehr  heftigen  Anfall  von  starken 
Schmerzen,  Erbrechen  galliger  Massen  und  zum  erstenmale  Fieber. 
In  der  Gallenblasengegend  war  eine  Geschwulst  fühlbar,  das  Fieber 
(bis  88,8  in  ano)  hielt  an,  die  heftigen  Schmerzen  schwanden  und 
machten  einem  unangenehmen  Druckgefühl  Platz ,  das  bei  der 
Lage  auf  der  rechten  Seite  sich  verstärkte.  Die  Geschwulst  ver- 
kleinerte sich,  leichte  Temperaturerhöhung  blieb  bestehen.  Anfangs 
war  der  ganze  Leib  hoch  und  stark  gespannt,  der  Stuhlgang  mehrere  Tage 
angehalten,  während  Pat.  sonst  zu  Durchfällen  neigte.  Pat.  ist  seit 
September  erheblich  abgemagert.  Sie  hat  gegen  die  Schmerzen  meist 
Morphium  und  heisse  Umschläge  gebraucht,  auch  Karlsbader  Salz  ge- 
nommen.    Herr  Dr.  Simon-Danzig  riet  ihr  zur  Operation. 

Befund:  Blasse  schwächliche  Frau.  Herz  und  Lungen  gesund. 
Urin  frei  von  pathol.  Bestandteilen.  Gallenblase  als  eiförmiger  Tumor 
von    geringer    Schmerzhaftigkeit    zu  fühlen.     Leber  nicht  vergrössert. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase. 

Operation:  6.  3.  1901.  Gallenblase  prall  gefüllt,  mit  Netz  ver- 
wachsen. Lösung.  Aspiration  von.  Eiter.  Viele  Steine  (ca.  100),  da- 
runter 2  grössere  von  Haselnussgrösse.  Cystostomie.  Drahtmethode. 
Dauer  der  Operation  ^/4  Std.  Essiglappen  auf  den  Mund. 

Verlauf:    6.3.    Abends  37,4.     Puls  92. 

7.  3.  36,8.  Puls  88.  Nachts  zweimal  etwas  Erbrechen.  Galle 
55  gr.     37,6. 


—     379     — 

8.  3.  36,9.  Puls  92.  Blähungen  gehen.  Gutes  Befinden.  Gallen- 
fluss  stockt.    Fieberfreier  Verlauf. 

11.  3.  Abführen. 

18.  3.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons  und  eines  Teils 
<ler  Nähte. 

1.  4,  Steht  auf.  Täglich  Verbandwechsel.  Gallenfluss  jetzt  ziem- 
lich stark. 

18.  4.  Noch  immer  täglich  Verbandwechsel,  der  Gallenfluss  be- 
ginnt abzunehmen.     Dabei  völliges  Wohlbefinden,  guter   Appetit. 

21.  4.  Morgens :  Fat.  hat  schlecht  geschlafen,  klagt  über  all- 
gemeines Mattigkeitsgefühl,  kein  Appetit,  sieht  schlecht  aus.  Nach- 
mittags, wird  sie  unruhiger,  klagt  viel,  keine  Schmerzen,  nur  all- 
gemeines Krankheitsgefühl.    Abends  40,6.    Puls   112. 

22.  4.  39,9.  Puls  108.  Kopfschmerzen.  Mattigkeit.  Appetit- 
losigkeit. Verband  zum  erstenmale  trocken.  Nachmittags  deutlicher 
Ikterus,  Urin  enthält  Spuren  von  Gallenfarbstoff,  Unruhe.  Stuhl  weiss. 
38,0.     Puls   114. 

23.  4.  37,9.  Puls  92.  Befinden  besser.  Kein  Gallenfluss.  Stuhl 
weiss.    Kein  Stein. 

24.  4.  37,0.  Puls  92.  Befinden  gut.  Verband  enthält  wieder 
Galle.  Wechsel.   Es  wird  ein  kleiner  scharfkantiger  Stein  herausgespült. 

25.  4.    Verband  durch.    Stöpselversuch.  —  Keine  Schmerzen. 

26.  4.  Im  Verband  etwas  Galle.  Stuhlgang  leicht  bräunlich. 
Noch  einmal  Stöpsel.  —  Keine  Schmerzen. 

27.  4.     Verband  trocken. 

28.  4.     Verband  innen  feucht.     Stuhlgang  noch  ungefärbt. 

29.  4.  Verband  aussen  noch  immer  trocken.  Wechsel.  Heraus- 
nahme des  Stöpsels.     Stuhl   braun. 

30.  4.    Verband  etwas  durch. 
1.-2.  5.     Wechsel. 

3.  5.    Verband  trocken. 

4.-8.  5.     Verband  durch.     Wechsel.    Stuhl  grau. 

9.  5.  Da  die  Galle  wieder  sehr  stark  läuft,  wird  wieder  ein 
Holzstöpsel  eingetührt,  um  festzustellen,  ob  im  Choledoclius  ein  Hin- 
dernis vorliegt  oder  nicht. 

10.  5.    Verband  trocken.    Stuhlgang  braun! 

11.  5.    Verband  trocken. 

Am  11.  5.  und  12.  5.  wird  die  Gallenblase  ausgespült.  Da  wieder 
viel  Galle  läuft,  wird  die  Operation  beschlossen.  Zunächst  konnte 
man  daran  denken,  einfach  die  Gallenblase  abzulösen,  zu  vernähen  und 
zu  versenken,  da  ja  nach  dem  Stöpselexperiment  ein  Stein  nicht  an- 
zunehmen war.  Ich  beschloss  aber,  um  recht  gründlich  zu  sein,  die 
Revision  des  Choledochus. 

Operation:  13.  5.01.  Schnitt  in  der  Mittellinie  zwischen  proc. 
xiphoideus  und  Nabel.  Dann  nach  rechts  durch  den  musc.  rect.  abd. 
bis  zur  alten  Narbe.  Ich  fühlte  sofort  im  Choledochus  einen  kleinen 
Stein,  auf  den  ich  einschnitt.    Bei  weiterem  Sondieren  fand  ich  5  Steine 


—     380     — 

im  Hepaticns  und  5  im  Choledochns ;  erst  nachdem  der  Clioledoclms  in 
einer  Ansdelinnug  von  3— 4  cm.  aufgesclinitten  war,  gelang  die  Extraction 
sänitliclier  Steine  ans  dem  Hepaticns.  2  Steine  steckten  liinter  dem 
Dnodennm  nnd  konnten  erst  nacli  Clioledoclio-Dnodenostomia  interna 
entfernt  werden.  Quere  Vernähung  der  duodenalen  Incision.  Im 
Cysticus  auch  ein  unverschieblicher  Stein.  Cysticotomie.  Ectomie 
nach  Ablösung  der  Gallenblase  von  der  Bauehwand.  Tamponade. 
Dauer  der  Operation  P/4  Stunde.  Fat.  ziemlich  collabiert.  Essig- 
lappen auf  den  Mund. 

Verlauf:  13.  5.    Temp.  37,0. 

14.  5.  37,0.  Puls  104.  Gegen  morgen  mehrmals  Erbrechen,  zum 
Abend  häufiger.    Puls  schneller.    3  mal  Kochsalz.     Galle  100  gr. 

16.  5.  38,0.  Puls  136.  Nachts  mehrfach  Erbrechen,  heute  morgen 
bluthaltig.  Kochsalz,  Magenausspülung.  Trinkt  Milch  mit  Kognak. 
Das  Erbrochene  ist  bluthaltig,  3  mal  Magenspülung,  3  mal  Kochsalz, 
Kampher;  Blähungen  gehen  noch  nicht,  doch  ist  der  Leib  weich,  die 
Zunge  feucht. 

16.  5.  38,1.  Puls  124.  Aussehen  besser,  nachts  noch  mehrmals 
Würgen,  das  Erbrechen  hat  aufgehört.  Magenspülung,  Kochsalz.  Im 
Mageninhalt  nur  noch  Spuren  von  Blut.  Leib  weich,  kein  Erbrechen 
mehr,  abends  fliesst  beim  Magenspülen  das  Wasser  klar  ab.  Kochsalz. 

17.  5.    37,4.     Puls  100.     Gutes  Befinden.    38,1.     Galle  300  gr. 

18.  5.    37,5.    Puls  82.    Normaler  Verlauf.     Stuhlgang. 

22.  5.  Verbandwechsel.  Herausnahme  der  Tampons.  Die  Darm- 
naht ist  am  unteren  Ende  eitrig  belegt,  aus  einer  kleinen  Öffnung 
fliesst  Darminhalt.  Ausspülung.  Tamponade.  Beschränkung  der  Flüs- 
sigkeitszufuhr. 

23.  5.    Verband  stark  von  Galle  durchtränkt.     Wechsel. 

24.  5.    Verband  wieder  durch.     Wechsel.    Herausnahme  der  Nähte. 

26.  5.  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten. 

27.  5.  Verbandwechsel  täglich.  Ausspülung  des  Hepaticus  und 
Choledochus,  die  sehr  schwer  zugänglich  sind. 

Täglich  Verbandwechsel. 

6.  6.  Gestern  Abend  etwas  Erbrechen  und  Rückenschmerzen, 
Urin  frei. 

10.  6.     Täglich  Verbandwechsel.     Stuhlgang  farblos. 

13.  6.  ist  der  Verband  zum  erstenmale  trocken. 

14.  und  15.  6.  Verbände  wieder  durch.  Stühle  haben  braune 
Farbe. 

16.  und  18.  6.  Wieder  viel  Galle  in  den  Verbänden,  Stuhlgang 
noch  gefärbt,  aber  holler  als  normal. 

19.  6.     Gallenfluss  erheblich  weniger. 

22.  6.  Im  Verbände  seit  2  Tagen  wieder  viel  Galle.  Stuhlgang^ 
farblos. 

24.  6.     Desgleichen.    Einlegen  eines  Gazestreifens  in  die  Fistel. 

25.  6.  Verband  trocken.     Stuhlgang  braun. 

30.  6.    Entlassen.     Allgemeinbefinden  zufriedenstellend. 


--     381     — 

Epicrise:  Ein  sehr  wichlig-er  Fall.  Es  war  sicher 
richtig,  die  Cystostomie  vorzunehmen,  da  Empyem  der  Gallen- 
blase vorlag-  und  eine  Ectomie  bei  der  Schwellung  am  Gallen- 
blasenhals und  lig.  hepato-duodenale  auf  die  grössten  Schwierig- 
keiten gestossen  wäre.  Die  Fistel  heilte  nicht,  und  das 
Stöpselexperiment  wies  darauf  hin,  dass  keine  Steine  im 
Choledochus  vorlagen.  Und  doch  steckten  im  tiefen  Oang 
10  Steine.  Das  Stöpselexperiment  gibt  also  nur  Aufschluss, 
wenn  noch  die  Infektion  im  Choledochus  besteht  und  ein 
Stein  vollständig  die  Papille  verlegt.  Dass  in  diesem  Falle 
niemals  Ikterus  bestanden  hat,  obgleich  10  Steine  im  Chole- 
dochus steckten,  ist  für  mich  nicht  mehr  auffallend.  Ich  habe 
die  Latenz  der  Steine  im  Choledochus  so  häufig  beobachtet, 
dass  ich  —  wenn  es  mir  irgend  möglich  ist  —  stets  Chole- 
dochus und  Hepaticus  aufschneide  und  abtaste.  Die  Choledocho- 
Duodenostomia  interna  war  in  diesem  Fall  in  sehr  kurzer  Zeit  aus- 
geführt. 

Nach  neueren  Berichten  hatte  sich  Fat.  sehr  gut  erholt 
und  9  Pfund  an  Gewicht  zugenommen.  Ende  August  ist  die 
Fistel  einmal  wieder  aufgebrochen  und  Galle  ausgeflossen,  doch 
glaube  ich  nicht,  dass  der  Vorgang  etwas  auf  sich  hat  resp. 
ein  Stein  zurückgeblieben  ist.  Bei  der  relativen  Enge  des 
Choledochus  kann  man  auch  an  die  Entstehung  einer  Striktur 
denken,  jedenfalls  ist  bemerkenswert,  dass  die  ca.  4  cm.  lange 
Choledochusincision  sich  spontan  geschlossen  hat. 


F)  Laparotomien 

bei  gleichzeitiger,  durcii  ChoIelitFiiasis 

bedingter   intraperitpnealer   Eiterung.*) 

Nr.  178.     Ch.  H.,  48j,  Arbeiter  aus  Klein- Wanzleben 

Aufgen.:  9.  2.  1900. 

Operiert:  11.  2.  1900.    Ectomie.    Hepaticusdraiiiage. 

Entlassen:  13.  4.  1900.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  war  sonst  stets  gesund,  bis  er  Anfang  Dezember 
plötzlich  mit  wühlenden  Schmerzen  im  Leibe  und  Erbrechen  erkrankte; 
Ikterus  und  Fieber  fehlten,  der  Urin  war  dunkelbraun,  der  Stuhl 
weiss.  Der  Anfall  hielt,  allmählich  schwächer  werdend,  14  Tage  an.  Ein 
2.  Anfall  Anfang  Januar,  ein  3.  Ende  Januar.  Auf  Rat  des  Herrn 
Dr.  Har  bo  wski-Klein-Wanzleben  kommt  er  zur  Klinik. 

Befund:  Kräftiger  Mann  mit  geringem  Fettpolster.  Kein  Ikterus. 
Leber  vergrössert,  Gallenblase  als  Tumor  zu  fühlen.  Urin  frei.  Herz 
und  Lungen  gesund.    Temp.  38,5. 

Diagnose:  Cholecystitis  sero-purulenta  (akutes  Empyem). 

Operation:  11.  2.  00.  Wellenschnitt.  Die  Leber  ist  erheblich  ver- 
grössert, die  Gallenblase  prall  gespannt,  es  wird  durch  Einstich  trübe, 
mit  Eiterflocken  vermischte  Galle  entleert.  Ectomie  der  Gallenblase, 
welche  stark  verdickte  Wandungen  besitzt,  und  in  der  dicht  am 
Cysticus  ein  grösserer  Stein  liegt.  Verwachsaiijren  zwischen  Gallen- 
blase null  Netz.  Bei  Lösung  der  letzteren  wird  ein  Abscess  eröffuet, 
welcher  stinkenden  Eiter  enthält.  Tamponade  der  Abscesshöhle  mit 
steriler  Gaze.  Der  Cysticus  wird  gespalten,  und  da  trübe  Galle  aus 
dem  Hepaticus  ausfiiesst,  die  Drainage  des  Hepaticus  ausgeführt.  Reich- 
liche Tamponade.  Verkleinerung  der  Bauchwunde  durch  Durchstich- 
knopfnähte.    Verband.     Dauer  der  Operation  l'/a  Stunden. 

Verlauf:  11.  2.  Abends  37,5.  Puls  120,  sehr  schwach,  deshalb 
abends  und  nachts  Koclisalzinfusion. 

12.2.  38.4.  Puls  120,  sehr  klein,  2  Mal  Kochsalzinfusion.  Nach- 
mittags häufiges  Aufstossen  und  Erbrechen.  Durch  Magenspülung 
wird  etwa  V»  1  dunkelgrüne  übelriechende  Flüssigkeit  entleert.  Gallo 
fliesst  reichlich.  Abends  38,9.  Puls  140,  sehr  schwach,  deshalb  in  der 
Nacht  3  mal  Kochsalzinfusion  und  stündlich  Karapher,  Wärmflaschen, 
heisser  Tee  mit  Cognak. 


*)  Siehe  auch  Nr.  138  auf  Seite  .285. 


-      383     — 

13.  2.  38,1.  Puls  110.  Kochsalzinfusion.  Aufstossen  und  Er- 
brechen, deshalb  Magenspülung,  durch  welche  wenig  von  der  oben 
beschriebenen  Flüssigkeit  entleert  wird.  Im  Leibe  alles  still,  keine 
Blähungen.  37,4. 

14.  2.  37,3.  Puls  104. 

15.  2.  38,0.  „     104.  Magenspülung.                             38,4. 

16.  2.  37,8  „      96.  Blähungen  gehen  spontan.        38,2. 

17.  2.  37,9.  „     108.  Stuhlgang  nach  Ricinus.            38,1. 

18.  2.  38,2.  „     108.  38,4. 

19.  2.  37,8.  „     108.  38,4. 

20.  2.  37,8.  „     108.  38,0. 

21.  2.  37,6.  „  104.  Verband -Wechsel.  Herausnahme  des 
Schlauches.  Die  Wunde  s'eht  gut  aus.  38,3. 

22.  2.  37,9.  Puls  100.  88,3. 

23.  2.    37,4.        „     100.    Der  Gallenfluss  sistiert.  38,1. 
Normaler   Verlauf.     Der   Gallenfluss   betrug  durchschnittlich    am 

Tag  250  gr. 

13.  4.     Verlässt  geheilt  die  Klinik. 

Epicrise:  Ich  habe  hier  die  Ectomie  ausgeführt, 
möchte  aber  für  derartige  Fälle  die  Cystostomie  empfehlen. 
Natürlich  muss  der  intraperitoneale  Abscess  gehörig  drainiert 
werden.  Man  wird  also,  wenn  man  cystostomiert,  neben  der 
angelegten  Gallenblasenfistel  die  Gaze  aus  der  Bauchhöhle  nach 
aussen  herausleiten. 

Bei  der  Nachbehandlung  haben  uns  in  diesem  Falle  Koch- 
salzinfusionen und  Magenausspülungen  recht  gute  Dienste 
geleistet. 

Nr.  174.  A.  M.,  56j.  Pastorsfraii  aus  Quedlinburg. 

Aufgen.:  29.  5.  1897. 

Operiert:  31.  5.  1897.     Cystostomie. 

Entlassen:  22.  7.  1897.  Geheilt. 
Anamnese:  Pat.,  Mutter  von  5  gesunden  Kindern,  wird  von 
Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Ihlefeld  der  Klinik  überwiesen.  Sie  will  bis 
vor  8  Jahren  stets  gesund  gewesen  sein.  Um  diese  Zeit  erkrankte  sie 
mit  Magenschmerzen,  Erbrechen,  Stuhl  Verstopfung.  Die  Gallenblasen- 
gegend war  stark  druckempfindlich.  Typische  Kolikanfälle,  aber 
alle  ohne  Ikterus,  hat  sie  12  durchmachen  müssen;  dieselben  waren 
von  vorschieden  langer  Dauer,  V«  Stunde  bis  2  Tage.  Seit  Weih- 
nachten 96  bemerkte  sie  eine  Geschwulst  im  rechten  Hypochondrium, 
die  sehr  schmerzhaft  war.  Da  trotz  Anwendung  der  verschiedensten 
Mittel  die  Schmerzen  nicht  weichen  wollten,  entschloss  sich  Pat. 
zur  Operation.  Irgend  welche  Abnormitäten  in  der  Beschaffenheit  des 
Stuhles  und  des  Urins  sind  der  Pat.  nicht  aufgefallen,  in  den  letzten 
10  Tagen  bestand  hohes  Fieber. 


—     384     — 

Befund:  Grosse,  kräftig  gebaute  Frau  von  leidlich  gutem  Er- 
nährungszustand. Kein  Ikterus.  Herz-  und  Lungenbefund  normal.  In 
der  Gallenblasengegend  ist  ein  eiförmiger  Tumor  von  glatter  Oberfläche 
und  prall  elastischer  Konsistenz  zu  tasten:  der  Tumor  verschiebt  sich 
mit  der  Atmung  und  geht  in  die  Leberdämpfung  über;  seine  untere 
Grenze  steht  2  Finger  breit  unterhalb  des  Nabels.  Keine  Milzvergrös- 
perung.  Stuhlgang  braun,  Urin  hellgelb  gefärbt,  enthält  keine  abnormen 
Bestandteile.    Temperatur  abends  39,1,    Puls  94,   kräftig,   regelmässig. 

Diagnose:  Akute  Cholecystitis,  wahrscheinlich  schon  purulenta, 
Cyslicusstein. 

Operation  am  31.  5.  97,  Chloroformnarkose.  Längsschnitt  im 
rechten  Muse.  rect.  abdominis  vom  Rippenbogen  an  bis  zum  Nabel. 
Die  Bauchhöhle  wird  erötfnet,  es  präsentiert  sich  die  grosse  Gallen- 
blase, deren  Oberfläche  von  peritonitischen,  fibrinösen  Auflagerungen 
bedeckt  ist;  ebenso  ist  das  Peritoneum  parietale  in  der  Umgebung  der 
Gallenblase  stark  injiziert,  verdickt,  belegt.  In  <1er  Tiefe  trübe,  eitrfge 
Flüssigkeit.  Von  der  Gallonblase  ziehen  breite  Verwachsungen  zum 
Quercolon  und  Netz.  Nachdem  dieselben  gelöst  sind,  wird  die  Gallen- 
blase punktiert  und  dabei  100  ccm.  Eiter  entleert.  Die  Punktionsöffnung 
wird  durchschnitt  erweitert,  die  Gallenblase  mit  Gazestreifen  ausgetrock- 
net, mit  Fäden  angeschlungen  und  nunmehr  aur  Abtastung  der  grossen 
Gallengänge  geschritten.  Im  Duct.  cysticus  fühlt  man  zwei  haselnuss- 
grosse  Öteine;  es  gelingt,  dieselben  in  die  GaHenblase  zu  schieben  und 
von  dort  aus  zu  entfernen;  sofort  fliesst  Galle.  Der  Hepaticus  und  Chole- 
dochus  ist  frei  von  Steinen.  Wegen  der  Peritonitis  und  der  Eiterung  in 
der  Gallenblase  wird  letztere  nur  zum  Teil  an  das  Peritoneum  parie- 
tale angenälit.  In  der  Tiefe  nach  der  Unterfläche  der  Gallenblase  zu 
wird  ein  Tampon  eingelegt.  Darauf  teilweisor  Verschluss  der  Bauch- 
wunde, Verband.     Dauer  der  Operation  1  Stunde. 

Verlauf:  Völlig  normal;  am  3.  Tage  floss  Galle  in  reichlichen 
Mengen  Täglicher  Verbandwechsel.  Pat.  wird  auf  Wunsch  aus  der 
Klinik  am  22.  7.  entlassen.  Die  Gallenfistel  schloss  sich  sehr  spät, 
erst  am  1.  9.  Zurzeit  ist  Frau  M.  völlig  beschwerdefrei  und  erfreut 
sich  guter  Gesundheit. 

Epicrise:  In  solchen  Fällen  von  Cholelitliiasis ,  die  mit 
peritonealer  Eiterung  einhergehen,  ist  die  Hauptsache  die  Be- 
schränkung der  Peritonitis.  Die  Steinentfernung,  so  sehr  sie 
anzustreben  ist,  kommt  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht. 

Nr.  175.  C.  8.,  42j.  Portier  aus  Quedlinburg. 

Aufgen.:  28.  8.  1900. 

Operiert:  29.  8.  1900.  Cystostomie.  (Schlauch verfahren.) 
Entlassen:  30.  9.  1900.     Geheilt. 
Anamnese:  Familienanamnese  und  Vorleben  ohne  Belang.  Pat. 
war  immer  gesund,  sein  Stuhlgang  stets  etwas  träge. 


—     385     — 

1895  hatte  er,  ohne  dass  Schmerzen  vorangegangen  waren,  an- 
geblich nach  Aerger  Gelbsucht,  die  14  Tage  bis  3  Wochen  anhielt. 
Danach  traten  Kolilcen  auf,  heftige  Schmerzen  unter  dem  rechten 
Rippenbogen,  die  nacii  dem  Rücken  ausstrahlten.  Dabei  war  ihm  sehr 
heiss,  meist  hatte  er  Erbrechen  gegen  Ende  des  Anfalles.  Er  hatte 
dauernd  leicht  gelbliche  Hautfarbe,  die  Gelbfärbung  verstärkte  sich 
jedesmal  nach  dem  Anfall.  Etwa  ein  Jahr  lang  kamen  die  Anfälle 
alle  Wochen  einmal,  nach  Diätfehlern  auch  häutiger.  Er  machte  Karls- 
bader und  Olivenölkuren  und  hielt  strenge  Diät.  Dann  wurden  die 
Anfälle  seltener,  kamen  in  Pausen  von  3—9   Wochen. 

Im  Januar  1899  kam  Pat.  nach  einem  Anfall  hierher  zur  Unter- 
suchung, der  Befund  war  jedoch  negativ,  und  er  verliess  die  Klinik 
wieder.  Bis  zum  Herbst  war  er  schmerzfrei,  im  Oktober  kam  wieder 
ein  Anfall  und  seitdem  noch  ca.  15  Anfälle.  Vor  5  Wochen  hatte  er  wieder 
einen  schweren  Anfall,  der  mit  Schüttelfrost  einsetzte,  er  blieb  14  Tage 
im  Bett  und  machte  eine  Karlsbader  Kur  durch.  Aber  schon  8  Tage 
nach  derselben  kam  angeblich  infolge  eines  Diätfehlers  wieder  ein 
Anfall.  Seitdem  haben  die  Schmerzen  nicht  wieder  aufgehört,  er  hat 
ausserdem  das  Gefühl  einer  Schwellung  in  der  Liebergegend,  leichter 
Ikterus  ist  aufgetreten.  Herr  Dr.  Str  o  korb -Quedlinburg  rät  zur 
Operation.  Das  Körpergewicht  ist  in  den  4—5  Jahren  seiner  Er- 
krankung um  ca.  40—50  Pfund  herabgegangen. 

Befund:  Kräftiger  Mann.  Puls  80.  Temp.  37,8.  Gesichtsfarbe 
und  besonders  Konjunktiven  leicht  ikterisch.    Urin  frei.     Stuhl  braun. 

Die  Lebergegend  ist  im  rechten  Hypochondrium  bedeutend  vor- 
gewölbt, man  fühlt  die  gespannte  Gallenblase  bis  Nabelhöhe  reichend. 
Druck  auf  dieselbe  ist  derartig  schmerzhaft,  dass  Pat.  bei  der  leisesten 
Berührung  zusammenfährt. 

Diagnose:  Cholecystitis  sero-purulenta  mit  starker  Beteiligung 
der  Nachbarschaft. 

Operation  29.  8.  Wellenschnitt.  Gallenblase  sehr  gross, 
mit  Netz  flächenförmig  verwachsen.  Punktion.  Serum,  dann  Eiter. 
Bei  der  Lösung  des  Netzes  von  der  sehr  wandverdickten,  stark 
injizierten  Gallenblase  gelangt  man  in  einen  intraperitouealen  ab- 
gekapselten ca.  V*  Liter  Eiter  enthaltendeu  Abszess.  Bei  weiterer  Ab- 
lösung der  Gallenblase  bis  zum  Cysticus  stellt  sich  heraus,  dass  dieser 
Gang  perforiert  ist  und  von  da  aus  noch  Eiter  hervordringt.  In  der 
Gallenblase  24  kleine  und  2  walnussgrosse  Steine.  Taniponade  der 
•  Abszesshöhle.  In  die  Gaileublase  Drain.  Da  die  Gallenblasenirand 
sehr  morsch  ist,  wird  auf  eine  Eiunähaug  der  Gallenblase  in  die  Bauch- 
wande  verzichtet  und  das  Schlanchyer fahren  zur  Anwendung  gebracht. 
Verkleinerung  der  ßauchdeckenwunde.     Dauer    der  Operation   50  Min. 

Verlauf:    30.  8.    38,1.     Puls  92.    Kein  Erbrechen.     Abends  37,9. 

31.  8.  37,8-  -Puls  88.  Blähungen  sind  im  Gange,  Leib  weich, 
kein  Erbrechen.    Abends  38,0. 

1. — 5  9.  Alles  in  Ordnung.  Pat.  hat  Stuhlgang,  isst  mit  Appetit. 
Kehr,  Technik  der  Gallensteinoperationen.  25 


-     386     — 

Ü.  9.  Verbandwechsel.  Die  Gaze  wird  entfernt.  Mit  der  Sonde 
fühlt  man  keinen  Stein.     Galle  fliesst.    Neue  Tamponade.  Abends  38,4. 

10.  9.  Verband  mit  Galle  durchtränkt.  Es  wird  neue  Gaze  auf- 
gelegt.   Abends  37,4.    Weiterhin  guter  Verlauf. 

30.  9.    Geheilt  entlassen. 

Bpicrise:  Pat.  hatte  kürzlich  eine  akute  serös-eitrige 
Cholecystitis  durchgemacht.  Der  Cysticus  war  perforiert ,  der 
Eiter  hatte  sich  zwischen  Grallenblase  und  Netz  ausgebreitet, 
so  dass  eine  allgemeine  Peritonitis  ausblieb.  Trotzdem  der 
Kranke  so  viel  Eiter  bei  sich  hatte,  war  kein  Fieber  vorhanden. 
(37,8°  C.  in  ano).  Er  hatte  bis  zuletzt  seine  Berufsptlichten  er- 
füllt. Die  ausserordentliche  Schmerzhaftigkeit  der  Gallenblasen- 
gegend, der  charakteristische  Tumor  ermöglichten  die  Diagnose  : 
akute  serös-eitrige  Entzündung.  Bei  der  Operation  derartiger 
Fälle  ist  es  ganz  unmöglich,  sich  über  die  Beschaffenheit  des 
Cysticus  und  Choledochus  ein  vollkommen  klares  Bild  zu  ver- 
schaffen. Wir  müssen  uns  begnügen,  den  Eiter  zu  entfernen 
und  die  Gallenblase  zu  säubern.  Durch  eine  recht  ausgiebige 
Tamponade  an  der  Gallenblase  entlang  bis  zum  Cysticus,  durch 
Ausstopfung  des  durch  den  Eiter  geschaffenen  Hohlraums  mit 
steriler  Gaze  beseitigen  wir  die  Gefahr  weiterer  Infektion  und 
setzen  uns  zugleich  in  den  Stand,  etwa  zurückgelassene  Steine 
später  entfernen  zu  können. 

Natürlich  sind  solche  Fälle,  bei  denen  der  Chirurg  ganz 
znletzt  erst  um  Hilfe  angegangen  wird,  recht  geeignet,  zu  sog. 
Eecidiven  zu  führen;  doch  trifft  hiebei  die  Schuld  nicht  den 
Chirurgen,  sondern  den  Patienten,  der  sich  so  spät  zur  Operation 
entschloss. 

Nr.  176.  E.  Gr.,  31j.  Arbeitersfrau  ans  Pabstorf. 

Aufgen.:  2.  12.  97. 

Operiert:  2.  12.  97.     Ectomie. 

Entlassen:  15,  1.  98.     Geheilt. 

Anamnese:  Mutter  lebt  noch  (gesund),  von  Geschwistern  leben 
noch  8,  gesund.  Frau  G.  hat  als  Kind  Drüsenleiden  gehabt  (Vater 
wahrscheinlich  tbc),  heiratete  25  Jahr  alt,  ist  Mutter  von  3  Kindern,  das 
älteste  skrophulös.  Seit  Ende  1896  hat  Pat.  Schmerzen  in  der  Magengrube, 
die  sich  als  zeitweiser  Druck  bemerkbar  machten.  Appetit  nicht  ge- 
stört, Hartleibigkeit  seit  ein  paar  Jahren.  November  1897  bemerkte 
Pat.  zunehmenden  Schmerz  in  der  rechten  Seite  (Gallenblasengegend), 
es  stellte  sich  ein  schmerzhafter   Knoten  unter   dem  rechten  Rippen- 


—     387     — 

rand  ein,  einen  Tag  —  ca.  8  Tage  nach  Beginn  —  brachte  Pat.  im 
Bette  zu.  Der  Appetit  war  jetzt  geschwunden,  viel  Durst.  Pat.  weiss 
nicht,  ob  sie  Fieber  hatte.  Der  Arzt,  Herr  Dr.  Klavehn,  ordnete 
nach  der  Untersuchung  die  [Jeberführung  in  die  Klinik  an  und  wohnte 
der  Operation  bei.  —  Pat.  kommt  gegen  Abend  am  2.  12.  97  an. 

Befund:  Kleine  magere  Frau,  alte  Narben  rechts  am  Halse. 
Bauch  etwas  aufgetrieben,  Tympanie,  in  der  Gallenblasengegend  deut- 
liche Resistenz,  Tumor  palpabel  bis  fast  in  Nabelhöhe,  Oedem  der 
Bauchdecken  rechts  oben.  Blähungen  sistieren,  Temp.  40,8,  Puls  130, 
klein.  Wegen  des  schlechten  Allgemeinbeflndens  wird  auf  Baden  und 
Abführen  yerzichtet  und  sofort  zur  Operation  geschritten. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase,  Pericholecystitis ,  diffuse 
eitrige  Peritonitis. 

Operation:  2.  12.  97.  Abends  '/«lO  Uhr.  Chloroformnai kose. 
Längsschnitt  im  rechten  M.  rect.  abdom.  Es  präsentiert  sich  die  mit  Netz 
verklebte  Gallenblase  als  ziemlich  grosser  Tumor.  Wand  eitrig  be- 
legt, desgleichen  die  sichtbaren  Darnischlingen.  In  den  tieferen  Par- 
tien der  Bauchhöhle  viel  trübe  Flüssigkeit.  Exstirpation  der  eiter- 
haltigen,  keine  Steine  enthaltenden  Gallenblase.  Ausgedehnte  Aus- 
stopfung der  Bauchhöhle.    Teilweiser  Verschluss   der  Bauchwunde. 

Verlauf:    In  den  ersten  Tagen  zweimal  je  1*/»  Liter   Kochsalz- 
lösung   subcutan.     Im   Verlaufe  nötigt    eine    vorübergehende    Blasen- 
lähmung zum  Katheterismus   mit   Ausspülung  der  Blase. 
Temp. 


3.  12.  39,1 

40.0 

12. 

38,5 

38,9 

4.    „    38,5 

38,5 

13. 

38,5 

38,5 

5.    „    37,9 

38,7 

14. 

37,8 

38,0 

6.    „    38,2 

38,7 

15. 

37,3 

38,4 

7.    „    37,8 

38,5 

16. 

37,5 

37,9 

8.    „    38,5 

39,5 

17. 

37,2 

37,5 

9.    „    38,3 

39,5 

18. 

37,3 

37,4 

10.    „    38,6 

39,5 

19. 

37,3 

37,3 

11.    „    39,0 

38.9 

.20. 

37,2 

37,7 

Weiterhin  normale  Temperaturen.    Geheilt  entlassen  am  15.  1.  98. 

E  p  i er  i  s  e :  Die  dififus-eitrige  Peritonitis  kam  langsam  zur 
Ausheilung.  —  Ueber  die  Behandlung  dieser  gefürchteten 
Krankheit  gehen  die  Ansichten  weit  auseinander.  Ich  will 
nicht  näher  auf  dieses  Thema  eingehen,  möchte  nur  erwähnen, 
dass  ich  neben  Ausspülungen  der  Bauchhöhle  mit  Kochsalz- 
lösungen die  ausgedehnte  Tamponade  verwende  und  von  sub- 
cutanen Kochsalzinfusionen  während  der  Nachbeiiandlung  einen 
häufigen  Gebrauch  mache.   — 

Der  folgende  Fall,  bei  dem  eine  intraperitoneale,  durch 
Pankreasnekrose  bedingte  Eiterung  beseitigt  wurde,  nimmt  in- 
sofern eine  Sonderstellung  ein,  als  eine  Operation  zur  Aus- 
führung kam,  wie  sie  bisher  noch  nicht  gemacht  wurde,  nämlich 

25* 


—     388     -- 

die    Einpflanzung:    eines  Pankreascysten-Fistelgangs    in    die 
Gallenblase  mit  nachfolgender  Cysto-Gastrostomie. 

Nr.  177.  C.  M.,  48j.  Fleisch  er  meister  aus  Berlinchen. 

Aufgen.:  21.  8.  1903. 

Operiert:     23.    8.    1903.      Cystostomie.      Pankreas- 

nekrosen-Operation. 
Entlassen:    31.  10.  1903.     Geheilt  bis  auf  Fistel. 
Wiederaufgen. :  9.  2.  1904. 

Operiert:  12.  2.  1904.  Anastomose  zwischen  Pankreas- 
.     Cyste  und  Gallenblase  und  Cysto-Gastrostomie. 
Entlassen:  9.  3.  1904.     Geheilt. 

Anamnese:  Pat.  ist  verheiratet,  hat  2  Kinder.  Er  wurde  vor 
ca.  10  Jahren  wegen  einer  Mastdarmfistel  operiert.  Schon  seit  vielen 
Jahren  leidet  er  an  Magendruck.  Seit  7  Jahren  Gallensteinkoliken. 
Dabei  mehrere  Stunden  dauernde  Kolikschmerzen,  von  der  Magengrube 
nach  rechts  hin  bis  ins  Kreuz  ausstrahlend,  oft  Erbrechen,  kein  Fieber. 
Nach  jeder  Kolik  leichte  Gelbsucht.  Stuhl  hell;  Steine  wurden  nicht 
gefunden.  Pat.  lag  oft  wochenlang  zu  Bett.  Kolikanfälle  in  den 
ersten  Jahren  alle  4  Wochen,  dann  seltener  (ein  paar  Mal  im  Jahre) 
und  „dumpfer".  In  den  Zwischenzeiten  Wohlbefinden,  keine  Gewichts- 
abnahme. In  den  letzten  Jahren  viermal  Kur  in  Karlsbad.  Die  letzten 
1 — IV2  Jahre  keine  Kolik  bis  Juli  1903.  Herr  Dr.  0  c  ke  r- Berlinchen 
schreibt  über  den  weiteren  Verlauf:  „Juni  1903  Kur  in  Karlsbad.  Am 
19.  Juli  1903  wiederum  ein  Kolikanfall  (100  gr.  Ol.  oliv,  innerlich, 
Morphium  subkutan.)  Anfall  sehr  heftig,  dauerte  1  Stunde.  Am 
29.  Juli  nachts  wiederum  ein  Anfall,  der  bis  30.  Juli  nachm.  dauerte. 
An  Morphium  erhielt  Pat.  in  viermaliger  Dosis  im  ganzen  0,06  subkutan. 
Es  stellten  sich  nun  die  Zeichen  einer  schweren  Leberinsuffizienz  ein. 
Der  Stuhl,  der  anfangs  angehalten  und  weder  durch  Einnahme  von 
Gel  noch  durch  hohe  Einlaufe  zu  erzielen  war,  ging  in  profuse  Diar- 
rhoeen  über,  Ikterus  der  Skleren  und  Haut,  subnormale  Temperaturen 
bis  34,8^  kalte  Extremitäten,  Puls  160—180,  unregelmässig,  nicht  fühl- 
bar. Abdomen  hochgradig  aufgetrieben,  Leber  bis  2  Querfinger  breit 
oberhalb  des  Nabels  deutlich  fühlbar.  Tannigen  mit  Opium,  Opium- 
suppositorien,  Aether,  Wein,  Kognak,  Kaffee,  Eisblase  aufs  Herz  wurden 
angewandt.  Der  bedrohliche  Zustand  bestand  vom  31.  Juli  bis  2.  August. 
Nach  Einnahme  von  Bismut.  subnitric.  änderte  sich  das  Bild.  Der 
Meteorismus  schwand,  die  Stühle  wurden  weniger,  Lebervergrösserung 
ging  zurück.  Stinkende  Stühle  wurden  kompakter.  Der  Puls  wurde 
kräftiger,  regelmässiger,  immer  noch  120 — 130.  Bei  sehr  vorsichtiger 
Diät  und  kleinen  Dosen  Opium  weitere  Besserung.  In  letzter  Zeit 
Einnahme  von  Eunatrol  0,25  zweimal.  Zurzeit  besteht  eine  beträcht- 
liche Lebervergrösserung,  andauernde,  äusserst  heftige  Schmerzen  im 
ganzen  Abdomen,  besonders  aber  in  der  Magengrube  und  nach  rechts 


—     389     — 

davon  in  der  Lebergegend,  dabei  alle  paar  Minuten  richtige  Kolik- 
schmerzen, zeitweise  grosse  Unruhe  (Puls  90—100).  Schlaf  Nachts  ge- 
ring, daher  immer  noch  0,01  Morphium  per  os  oder  auch  Chloral  mit 
Morphium.  Während  der  kritischen  Zeit  vom  29.  7.  bis  2.  8.  zeigte  sich 
Indikan  im  TJrin,  Eiweiss  in  Spuren,  am  29.  Juli  kein  Zucker,  am 
1.  August  Ijö^/o,  am  2.  August  0,b^lo,  am  5.  August  0*/o.  Fat.  ist  starker 
Fleischesser.    Potus  et  Infectio  negativ." 

Befund:  Elend  aussehender,  kleiner,  untersetzter  Mann.  (Körper- 
gewicht vor  der  Krankheit  158  Pfund.)  Spur  von  Ikterus ;  Puls  120, 
dabei  Temperatur  36,8—37,4**.  Im  rechten  Hypochondrium  grosser, 
sehr  schmerzhafter  Tumor;  Leib  sehr  aufgetrieben.  Der  Tumor  hat 
die  Form  der  Gallenblase,  doch  ragt  er  etwas  weit  nach  links  hinüber. 
Urin  frei.    Herz  und  Lungen  gesund. 

Diagnose:  Empyem  der  Gallenblase. 

I.  Operation:  23.  8. 1903.  Sehr  gute  Chloroform-Sauerstoffnarkose. 
Vorher  0,02  Morphium.  Dauer  der  Operation  VJ2  Stunde.  60  gr. 
Chloroform.  Operation  in  Gegenwart  der  Herren  Dr.  Offenbach  aus 
New- York,  Dr.  AI  den  und  Dr.  Henry  aus  Cleveland-Ohio.  Wellen- 
schnitt. Gallenblase  gross,  enthält  serösen  Eiter,  trübe  Galle  und 
viele  Steine,  ist  mit  Duodenum  und  Netz  verwachsen.  Hinter  dem 
Magen  ein  gewaltiger,  prall  elastischer  Tumor.  Fettnekrosen  im  kleinen 
Netz. 

Stampfe  Durchtrennung  des  kleinen  Netzes  dicht  über  der 
kleinen  Kurvatur  des  Magens  nach  Absperrungstamponade.  7*  Liter 
stinkender  Eiter  in  der  bursa  omentalis.  Pankreas  wird  in  2  ne- 
krotischen Stücken  (das  eine  12  cm.  lang  und  4  cm.  dick)  entfernt. 
Hinterher  sehr  lebhafte  Blutung.  Rohr  und  3  Tampons  in  die 
Bursa  omentalis.  Schlauch  in  die  Gallenblase.  „Suspension"  der 
Gallenblase  an  dem  Peritoneum  parietale.  Choledochus  anscheinend 
frei.  Tamponade  mit  3  Streifen,  Excision  eines  kleinen  Stückes  Netz 
(Fettnekrosen).  Naht,  Verband.  Puls  nach  der  Operation  besser  wie 
bisher. 

Verlauf:  23.  8.  1903.    Temp.  Ab.  38,1,  Puls  116. 

24.  8.  1903.    Temp.  Morg.  39,0,   Puls  140,   aber  ziemlich   kräftig. 
Leichte  Unruhe,  grosse  Mattigkeit.    Einmal  Erbrechen  von  etwas 

altem  Blut.  Magenspülung,  im  Magen  ziemlich  yiel  altes  Blut;  viel 
Gase.  Wechsel  der  oberen  Verbandschichten,  da  Verband  durch.  Es 
läuft  etwas  Galle  und  viel  Sekret  aus  der  Abscesshöhle.  Leib  weich, 
druckempfindlich.  Kampferinjektionen.  Kochsalzeinläufe.  Temp.  Nachm. 
39,6,  Puls  160,  weniger  kräftig.  Unruhe  und  viel  Aufstossen.  Magen- 
spülung ergibt  nur  Flüssigkeit  (Tee  usw.),  kein  Blut.  Kochsalzinfusion. 
Kognakklystier. 

25.  8.  1903.  Temp.  M.  u.  Ab.  38,8,  Puls  120-130,  wieder  kräftiger. 
Befinden  erheblich  besser.  Keine  Unruhe.  Kein  Erbrechen,  wenig 
Aufstossen.    Blähungen  gehen.    Noch    dreimal  Kochsalzklystiere. 

26.  8.  1903.    Temp.   M.  38,3,  Ab.  38,6,  Puls  110-120,  kräftig.    Be- 


-     390     — 

finden   gut.      Verband    stark   durch.     Es  läuft  viel  Galle  und  eitriges 
Sokret,     Verbandwechsel. 

29.  8.  1903.  Temperaturen  zwischen  38,2—38,4.  Verbandwechsel, 
da  Verband  wieder  stark  durch.  Es  läuft  täglich  ziemlich  viel  eitriges 
Sekret  und  Galle  durch  die   Rohre. 

1.  9.  1903.  Erster  eigentlicher  Verbandwechsel.  Entfernung  der 
Rohre,  sämtlicher  Tampons  bis  auf  einen,  der  längs  der  kleinen  Kur- 
vatur des  Magens  hin  nach  oben  liegt.  Tampons  riechen  stark.  Wund- 
höhle sehr  tief,  beim  Ausspülen  werden  zahlreiche  grössere  und  kleinere 
Fetzen  nekrotischer  Pankreas-Drüsensubstanz  herausgespült.  Loch  in 
der  Gallenblase  gut  sichtbar.  Ansspillung  der  letzteren,  wobei  melirere 
grössere  und  kleinere  Steine  herausgespült  werden.  Drainage  der  Bursa 
omentalis  durch  Rohr-Tamponade.  Temp.  Ab.  38,2,  Puls  140,  ziemlich 
klein. 

2.  9.  1903.  Verband  stark  durch.  Verbandwechsel.  Letzter 
Tampon  entfernt.  Ausspülung,  wobei  einzelne  nekrotische  Pankreas- 
fetzen  herausgespült  werden.  Temp.  M.  38,2,  Ab.  38,3.  Puls  120  bis 
130,  kräftiger. 

4.  9.  1903.  Entfernung  sämtlicher  Nähte  und  Fäden  samt  Drähten. 

6.  9.  1903.  Verband  täglich  durch.  Beim  Ausspülen  entleert 
sich  täglich  reichlich  trübes,  stinkendes,  eitriges  Sekret  und  noch  viele 
grössere  und  kleinere  Pankreasfetzen,  die  noch  mehr  oder  weniger 
deutlich  die  Struktur  der  Drüse  aufweisen.  Ausspülung  der  Gallen- 
blase, keine  Steine  mehr  in  derselben  nachweisbar.  Temp.  Ab.  noch 
38,0-38,2  0. 

10.  9.  1903.  Sekretion  etwas  geringer.  Temp.  fast  normal.  Heute 
wieder  grössere  Stücke  nekrotischer  Pankreassubstanz  entleert. 

13.  9.  1903.  Temperaturen  wieder  etwas  höher  38,0-38,6«.  Heute 
wieder  zwei  ziemlich  grosse  nekrotische  Pankreasfetzen  herausgespült. 

24.  9.  1903.  Temperaturen  vom  14.  9.  bis  heute  fast  normal 
(Abends  37,8—38,0.)  Verbandwechsel  noch  täglich.  Wunde  wird  enger. 
Es  fliesst  noch  reichlich  Sekret  und  Pankreassaft,  ab  und  zu  werden 
noch  kleine  Fetzen  nekrotischer  Pankreassubstanz  herausgespült. 

25.  9.  1903.  Rohr  wird  heute  fortgelassen.  Abends  Temp.  39,0. 
Schnierzen  im  Leib.    Hinter  der  Tamponade  erhebliche  Retention. 

2.  10.  1903.  In  den  letzten  Tagen  Allgemeinbefinden  etwas 
schlechter.  Abends  Temperaturen  bis  39,0.  Mehrfach  Aufstossen, 
Stuhlgang  in  Ordnung.  Schmerzhafte  Resistenz  in  der  lleocoecal- 
gegend. 

4.  10.  1903.  Resistenz  deutlicher.  Fluktuation  nicht  nach- 
weisbar. 

8.  10.  1903.  Pat.  ist  wieder  fieberfrei,  fühlt  sich  besser.  Appetit 
hebt  sich.  Galle  fliesst  ziemlich  reichlich,  auch  die  Sekretion  aus  der 
Fistel  ist  noch   beträchtlich. 

10.  10.  1903.  Resistenz  in  der  rechten  Bauchseite  wieder  so  gut 
wie  geschwunden.     Besserung  hält  an. 

14.  10.  1903.    Resistenz    unterhalb    der    Fistel    wieder   deutlicher. 


—     391     — 

Appetit  wieder  etwas  schlechter.  Temperaturen  Abends  wieder  höher 
bis  38,5 «. 

18.  10.  1903.     Pat.  wieder  fieberfrei. 

24.  10.  1903.  Resistenz  im  Abdomen  fast  ganz  verschwunden. 
Temp.  dauernd  normal.  Wundtrichter  so  eng,  dass  heute  das  Drain- 
rohr fortgelassen  werden  muss.     Pat.  steht  wieder  auf. 

27.  10.  1903.  Sekretion  geringer.  Geringer  Gallenfluss.  Befinden 
gut.     Appetit  gut.    Leib  weich.     Resistenz  geschwunden. 

30.  10.  1903.  Fistelgang  ganz  eng,  so  dass  er  den  Spülkatheter 
gerade  noch  passieren  lässt,  ca.  12  cm.  tief.  Sekretion  noch  ziemlich 
reichlich,  fast  ganz  klar.  Geringer  Gallenfluss.  Temperatur  dauernd 
normal.     Wird  in  die  Behandlung  seines  Hausarztes  entlassen. 

Epicrise:  Die  Diagnose  sUmmte  nur  teilweise.  Zucker  im 
Urin  kommt  auch  bei  Cholelithiasis  vor.  Auffallend  war  das 
Hinüberragen  des  Tumors  nach  links.  Das  hätte  unter  Berück- 
sichtigung des  schweren  Krankheitsbildes  auf  die  Diagnose 
einer  Pankreaseiterung  führen  können.  Der  Weg  durch  das 
kleine  Netz  war  hier  der  einfachste.  Umfassende  Tamponade 
ist  die  Hauptsache. 

Der  weitere  Verlauf  war  folgender:  Als  sich  der  Patient  im 
Dezember  1903  wieder  in  der  Klinik  vorstellte,  floss  aus  der  noch  be- 
stehenden, nur  noch  etwas  enger  gewordenen  Fistel  sehr  reichlich  an- 
scheinend reines  Pankreassekret  mit  einer  Spur  Galle.  Nach  Er- 
weiterung der  Fistel  durch  Laminaria  wurde  Pat.  wieder  nach  Hause 
entlassen.  Am  22.  Januar  1904  suchte  Pat.  wiederum  unsere  Klinik 
auf.  Aus  der  noch  immer  bestehenden  Fistel  floss  aber  jetzt  zur 
Hauptsache  reichlich  Galle,  vielleicht  mit  etwas  Pankreassaft  gemischt. 
Dem  Pat.  wurde  deshalb  geraten,  sich  nochmals  in  die  Klinik  auf- 
nehmen zu  lassen,  um  die  Fistel  operativ  zu  beseitigen. 

Befund:  9.  2.  1904.  Pat.  sieht  zurzeit  sehr  gut,  fast  blühend 
aus,  hat  seit  der  Operation  im  August  vorigen  Jahres  40  Pfund  zu- 
genommen. Schmerzen  hat  Pat.  nicht  mehr;  die  früher  noch  häufig 
auftretenden  Rückenschmerzen  haben  sich  seit  ca.  14  Tagen  nicht 
mehr  eingestellt.  Seitdem  ist  auch  der  noch  immer  sehr  reichliche  Aus- 
fluss  aus  der  Fistel  rein  gallig  geworden. 

10.  2.  1904.  Stöpselung  der  FistelöflFnung ,  aus  der  ziemlich  reich- 
lich anscheinend  reine  Galle  läuft.  Der  Fistelgang  ist  noch  etwa 
10  cm.  tief.  Der  Stuhl  ist  etwas  hell.  Im  Urin  kein  Eiweiss,  kein 
Zucker. 

11.  2.  1904.  Trotz  der  Stöpselung  der  Fistel  keine  Schmerzen. 
In  dem  Verband  nur  eine  Spur  Galle.  Nach  Entfernung  des  Stöpsels 
fliesst  erst  nach  Sondierung  der  Fistel,  wobei  die  Sonde  ofl"enbar  in 
die  Gallenblase  selbst  gelangte,  Galle.  Wiederum  Stöpselung  der  Fistel. 

12.  2.  1904.  Im  Verband  ziemlich  reichlich  Galle.  Es  wird  ver- 
mutet, dass  ev.  ein  Gallenstein  im  Choledochus  bezw.  in  der  Papille, 


392 


a.  Gallenflstel,  b.  Pankrea8C7Stenfi8tel. 
(Beide  mllndea  durch  die  Bauchwand  nach  aussen.) 

Fig.  24. 


Nach  Preipräparierung  der  beiden  Fisteln  ist  die  Pankroascystenflstel  in  die 
Gallenblase  eingenäht;  die  Gallenblase  ist  mit  dem  Magen  in  Verbindung  gebracht. 


—     393     — 

vielleicht  auch  ein  Pankreasstein  in  der  Papille  sich  findet.  Möglich 
ist  es  auch,  dass  eine  blosse  Zerrung  der  Gallenblase  infolge  der  seit- 
lichen Annähung  an  die  Bauchwand  den  Gallenfluss  verursacht.  Es 
wird  in  Aussicht  genommen,  1.  entweder,  falls  ein  Stein  sich  findet, 
diesen  zu  entfernen,  sonst  eine  Anastomose  auszuführen;  oder  2.  Ab- 
lösung und  Vernähung  der  Gallenblase. 

IL  Oper  atio  n:  12.  2.  1904.  Gute  Sauerstotf-Chloroforrnnarkose 
(120  Minuten  65  gr.  Chloroform).  Schnitt  in  der  alten  Narbe.  Exzision 
der  Fistelöffnung.  Ablösung  der  an  die  Bauchwand  herangezerrten 
Gallenblase,  gelingt  nur  etwa  in  der  oberen  Hälfte  derselben.  Durch 
Sondiervmg  lässt  sich  ein  Stein  nicht  nachweisen. 

Es  fliesst  dauernd  sehr  reichlich  klare  Galle.  Bei  der  versuchten 
weiteren  Ablösung  der  Gallenblase  stösst  man  an  der  medialen  Seite  auf 
einen  zweiten  Fistelgang,  aus  dem  klares,  helles  Sekret  (Pankreassaft) 
ziemlich  reichlich  hervorfliesst.  Nach  Sondieriiiig  des  Ganges  strömen  ans 
der  jetzt  weiten  Fistelöifnung  grosse  Mengen  des  offenbar  anter  hohem 
Druck  stehenden  Sekretes  im  Bogen  herans.  Eine  weitere  Ablösung 
der  Gallenblase  gelingt  nicht,  auch  lassen  sich  wegen  der  vielen  Ver- 
wachsungen weder  Cysticus  noch  Choledochus  durchfühlen.  Ob  ein 
Stein  dort  vorhanden,  muss  daher  dahingestellt  bleiben.  Die  Fistel, 
aus  der  das  Pankreassekret  dauernd  sehr  reichlich  hervorströmt,  ist 
offenbar  die  alte  Pankreasfistel,  nach  deren  vermutlich  in  der  letzten 
Zeit  erfolgten  Verheilung  sich  eine  Pankreasretentionscyste  ent- 
wickelt hat.  Für  das  weitere  operative  Vorgehen  kam  natürlich  die 
Drainage  der  beiden  Fisteln  nicht  in  Betracht,  wollte  man  nicht  den 
Zustand  vor  der  Operation  in  noch  verschlechtertem  Masse  wieder- 
herstellen. Ebensowenig  konnte  eine  Vernähung  der  Gallenblase 
bezw.  der  Fistel  in  Betracht  kommen,  da  bei  dem  erheblichen  Druck 
der  Sekrete  ein  Nachgeben  der  Naht  zu  erwarten  war.  Vielmehr 
konnte  es  sich  einzig  und  allein  um  eine  Anastomosen  -  Bildung 
zwischen  den  Fistelöffnungen  und  dem  Magendarmkanal  handeln.  Für 
die  Pankreasfistel,  die  dicht  an  der  medialen  Seite  der  Gallenblase 
endete,  war  technisch  nur  die  Einnähung  der  Fistel  in  die  mediale 
Seite  der  Oallenblase  möglich,  also  eine  Anastomose  zwischen  Fistel- 
gang einer  Pankreasretentionscyste  und  der  Gallenblase.  Diese  ge- 
lang denn  auch  bei  dem  ziemlich  weiten  Lumen  der  Fistelöffnung 
gut.  Nunmehr  galt  es,  eine  Anastomose  zwischen  Gallenblase  und 
Magendarmkanal  herzustellen.  Die  Bauchhöhle  war  aber  auch  nach 
unten  hin  durch  sehr  zahlreiche  Verwachsungen,  besonders  des  sehr  ver- 
dickten klumpigen  Netzes  mit  dem  Peritoneum  parietale  abgeschlossen. 
Zu  dem  Duodenum  zu  gelangen  war  unmöglich.  Auch  die  Absicht, 
zu  der  Anastomosen -Bildung  eine  Jejunum  -  Schlinge  zu  verwenden, 
musste  aufgegeben  werden,  da  es  sehr  schwierig  gewesen  wäre,  eine 
solche  Schlinge  herüberzuholen,  und  es  leicht  zu  einer  Abknickung 
derselben  hätte  kommen  können.  Es  blieb  also  nur  die  Anastomoseii- 
bildung  zwischen  Magen  und  Gallenblase  übrig.  Daher  nach  Durch- 
trennung  des  Ligamentum  leres  Cysto-Gastrostomie.    Magen    (Pylorus- 


—     394     — 

teil)  und  Gallenblase  legen  sich  verhältnismässig  gut  aneinander. 
Netzplastik  auf  die  Anastomosennaht.  Schluss  der  Bauchwunde,  nach- 
dem noch  zur  Beseitigung  der  bestehenden  Bauchhernie  seitlich  des 
Bauchschnittes  die  dünne  Partie  der  Bauchdecken  exzidiert  war. 

Verlauf:  12.  2.  1904.  Temp.  Abends  37,8.  Puls  108.  Einmal 
Erbrechen  von  etwas  Galle.  Nachts  noch  einmal  etwas  Galle  und 
Flüssigkeit  (Tee)  ausgebrochen. 

13.  2.  1904.  Temp.  morgens  38,6,  abends  39,9,  Puls  132,  abends 
150—160,  aber  ziemlich  kräftig.  Sehr  wenig  Aufstossen,  kein  Erbrechen. 
Etwas  Leibschmerzen,  Leib  weich,  nicht  druckempfindlich.  Blähimgen 
nach  Spritze. 

14.  2.  1904.  Temp.  morgens  39,3,  abends  38,4.  Puls  140,  kräftig. 
Befinden  gut,  nur  etwas  Unruhe.    Blähungen  spontan. 

15.  2.  1904.  Temp.  morgens  37,3,  abends  39,0.  Puls  104-120. 
Befinden  weiter  gut.    Einmal  gut  gefärbter  Stuhl. 

16.  2.  1904.  Temp.  morgens  38,6,  abends  38,0.  Verband  etwas 
durch.  Verbandwechsel.  Aus.  einem  der  Stichkanäle  in  der  Mitte 
der  Wunde  sickert  etwas  trübes  Sekret.  Nach  Entfernung  der  be- 
treffenden und  der  beiden  benachbarten  Nähte  wird  die  Wunde  an 
dieser  Stelle  etwas  geöffnet,  wobei  massig  reichlich  trübe  Flüssigkeit 
ausfliesst.  Ausspülung  mit  dem  Spülkatheter.  Drainage  mittels  zweier 
Drainrohre. 

17.  2.  1904.  Temp.  normal.  Befinden  gut.  Pat.  fängt  an  zu 
essen.    Stuhl  reichlich,  spontan,  gut  gefärbt. 

23.  2.  1904.  Verband  heute  trocken.  Nur  noch  etwas  Sekret  im 
Verband. 

28.  2.  1904,  Verband  täglich  fast  völlig  trocken.  Nur  noch 
etwas  Sekret  in  demselben. 

2.  3.  1904.  Der  kleine  Wundtrichter  beginnt  sich  zu  schliessen, 
aus  den  Stichkanälen  keine  Sekretion  mehr.    Pat.  steht  auf. 

9.  3.  1904.  Befinden  dauernd  gut.  Appetit  sehr  gut.  Täglich 
gutgefärbter  Stuhl,    Wundtrichter  geschlossen.     Geheilt  entlassen. 

Pat.  wird  bei  Gelegenheit  des  Chirurgenkongresses  1904  völlig 
geheilt  vorgestellt. 

Epicrise:  Pat.  war  durch  die  stark  fliessende  Fistel  sehr 
belästigt;  er  verlangte  ihre  Beseitigung,  obwohl  ich  ihm  die 
Schwierigkeiten  einer  zweiten  Operation  klar  und  deutlich  aus- 
einandergesetzt hatte.  Ich  nahm  an,  dass  ein  Stein  in  der 
Papille  den  Gallenfluss  nach  dem  Duodenum  hinderte  und  zu- 
gleich den  Ductus  Wirsungianus  komprimierte.  Meine  Absicht 
war,  den  Stein  in  der  Papille  zu  entfernen.  Aber  die  Adhä- 
sionen waren  so  stark,  dass  eine  Freilegung  unmöglich  war. 
Zur  Anastomose  stand  mir  nur  der  Pylorusteil  des  Magens 
zur  Verfügung.  Das  Duodenum  war  wegen  der  Verwachsungen 
unzugänglich.     Nach  Isolierung   des  Fistelganges    der  Bauch- 


—     395     ~ 

«peicheldrüse  wurde   dieser   in  die  Gallenblase  seitlich  implan- 
tiert und  dann  die  Gallenblase  mit  dem  Magen  verbunden. 

Solche  Cysto-Gastrostomien  habe  ich  bisher  in  12  Fällen 
gemacht,  ohne  dass  die  Galle  die  Magenverdauung  irgendwie 
gestört  hätte. 


Nachtrag. 

Nr.  7  (mit  Gallenfistel  entlassen)  ist  unterdessen  geheilt. 
Ebenso   sind  geheilt  entlassen :  Nr.  27,  28,  49,  52,  63,  66,  85,  86, 
87,  111. 


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Prof.  Fritsch,  Bonn,  schreibt  (Centralblatt  für  Gynäkologie  1895,  No.  39): 
Als  Gegengewicht  gegen   die    quantitative   Vermehrung  des  Lern- 
stoffes hat  man  vielfach  die  Lehrmittel  verbessert.     Es   sind  kurze  Kom- 
pendien, instruktive  Abbildungen  eingeführt. 

Diese  Tendenz  verfolgen  auch  die  bei  Lehmann  erschienenen  At- 
lanten. Einer  der  besten  ist  jedenfalls  der  von  S.  Ich  möchte  den 
Studenten  mehr  diesen  A.tlas  als  eines  der  modernen  Kompendien 
empfehlen.  Alle  Zeichnungen  sind  einfach,  übersichtlich  und  jedenfalls 
so  hergestellt,  dass  der  Lernende  auf  den  ersten  Blick  das  sieht,  was  ar 
sehen  soll.  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  diese  Atlanten  von  den 
Lehrern  überall  warm  empfohlen  würden. 


i 


J.  F.  Lehmanns  Verlag  in  München. 

Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 


Band  IV.  ^  Band  XIV 

Atlas  und  Grundriss  der 

Krankheiten   der  Mundhöhle, 


Atlas  und  Grundriss  der 


des  Rachens  und  der  Nase    KenlKOptKrankheiten 

von  Dr.  Ludwig  Orünwald  in  München 

Zweite  Auflage.  ;   Mit    48   farbigen  Tafeln   und   zahl- 

17    Bogen   Text,    42   farbige   Tafeln   1   '^«'^l^^".      Textillustrationen       nach 
uld  39  Textabbildunlen.  ^'^'"    b'I-u««  Keiih/! 

Preis  geb.  Mk.  12.—  |  Preis  geb.  Mk.  8.— 

Dem  oft  und  gerade  im  Kreise  der  praktischen  Aerzte  und  Stu- 
dierenden geäusserten  Bedürfnisse  nach  einem  farbig  illustrierten  Lehr- 
buche der  Kehlkopfkrankheiten,  das  in  knapper  Form  das  anschauliche 
Bild  mit  der  im  Text  gegebenen  Erläuterung  verbindet,  entspricht  das 
vorliegende  Werk  des  bekannten  ivlünchener  Laryngologen.  Weit  über 
hundert  praktisch  wertvolle  Krankheitsfälle  und  30  mikroskopische  Prä- 
parate, nach  Naturaufnahmen  des  Malers  Bruno  Keilitz,  sind  auf  den 
48  Volltafeln  in  hervorragender  Weise  wiedergegeben,  und  der  Text, 
welcher  sich  in  Form  semiotischer  Diagnose  an  diese  Bilder  anschliesst, 
gehört  zu  dem  Instruktivsten,  was  je  auf  diesem  Gebiet  geschrieben  wurde. 


Band  XIII. 

Atlas  und  Grundriss  der  Verbandslehre 

für  Studierende  und  Aerzte 


Dr.  Albert  Hoffa, 

a.   0.    Professor    an    der   Universität   Berlin,   Geh.    Medizinalrat,   Direktor 
der  Universitäts-Poliklinik  für  orthopädische  Chirurgie. 

Mit  148  Tafeln  nach  Originalaquarellen  von  Maler  Joh.  Fink. 

3.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage. 

Preis  gebunden  Mk.  8. — 

Dieses  Werk  verbindet  den  höchsten  praktischen  Wert  mit  vor- 
nehmster, künstlerischer  Ausstattung.  Das  grosse  Ansehen  des  Autors 
allein  bürgt  schon  dafür,  dass  dieses  instruktive  Buch,  das  die  Bedürfnisse 
des  Arztes,  ebenso  wie  das  für  den  Studierenden  Nötige  berücksichtigt, 
sich  bei  allen  Interessenten  Eingang  verschaffen  wird.  Es  liegt  bereits 
in  dritter  Auflage  vor.  Die  Abbildungen  sind  durchweg  nach  Fällen  aus 
der  Würzburger  Klinik  des  Autors  in  prächtigen  Originalzeichnungen 
durch  Herrn  Maler  Fink  wiedergegeben  worden. 


J.  F.  Lehmanns  Verlag  in  München. 
Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  VIII. 

Atlas  und  Grundriss 

der 

traumatischen   Frakturen 
und    Luxationen 

von 

Professor  Dr.  H.  Helferich  in  Kiel. 

Mit  76  Tafeln  und  195  Figuren  im  Text  von  Maler  B.  Keilitz. 

Sechste  verbesserte  und  vermehrte  Auflage. 

Preis  schön  und  dauerhaft  gebunden  Mk.  12.— 

Band  XVI. 

Rtlas  und  Qrundriss 

der 

chirurgischen  Operationslehre 

von 

Dr.  Otto  Zuckerkandl 

in  Wien. 


Dritte,  vermehrte  und  verbesserte  Anflage. 

Mit  46  farbigen  Tafeln  nach  Originalaquarellen  von  Maler  Bruno  Keilitz  und 

Maler  Gr.  Hamnierschmidt  und  309  schwarzen  Abbildungen  im  Texte 


1 


Preis  gebunden  Mk.  12. 


Band  XXV. 

Atlas  und  Grundriss  der  Unterleibsbrüche 

von  Professor  Dr.  Georg  Sultan^  Berlin. 

Mit  36  farbigen  Tafeln  und  83  schwarzen  Textabbildungen. 
Preis  elegant  gebunden  Mk.  10. — 


J.  F.  Lehmanns  Verlag   in  München. 
Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  XXIV. 

Atlas  und  Orundriss 

der 

Unter  Mitwirkung  von 

Professor  Dr.  A.  Politzer  in  Wien 

herausgegeben  von 

Privatdozent  Dr.  Gustav  Brühl,  Ohrenarzt  in  Berlin. 


Mit  244  farbigen  Abbildungen  auf  39  Tafeln  nach  Originalaquarellen  von 
Maler  G.  Hammerschmidt  und  99  Textabbildungen. 

Preis  elegant  gebunden  Mk.  12.— 

Dieser  Atlas  enthält  neben  einem  vorzüglichen  Grundriss,  der  alles 
Wissenswerte  über  Anatomie,  Pathologie  und  Therapie  in  klarer,  knapper, 
aber  doch  erschöpfender  Form  zur  Darstellung  bringt,  einen  Atlas  von 
seltener  Reichhaltigkeit.  Den  pathologischen  Präparaten  sind  meist  die 
normal  anatomischen  gegenübergestellt,  sodass  das  Verständnis  ungemein 
erleichtert  wird.  Die  Ausführung  der  Tafeln  wurde  von  den  ersten  Au- 
toritäten als  geradezu  klassisch  bezeichnet.  Der  Preis  ist  im  Verhältnis 
zu  dem  Gebotenen  erstaunlich  billig. 

Band  XXX. 

Lehrbuch  und  Atlas 

der 

Zahnheilkunde 

mit  Einschluss  der  Mundkrankheiten 

von  Dr.  med.  et  phil.  Gustav  Preiswerk,  Lektor  an  der 
Universität  Basel. 

Mit  44  farbigen  Tafeln  und  152  schwarzen   Figuren   nach  Originalen  von 
den  Malern  J.  Fink,  M.  Oser,  J.  Fiechter. 

Preis  schön  und  dauerhaft  gebunden  Mk.  14. — 
Das  ganze  Gebiet  der  Zahnheilkunde  ist  hier  erschöpfend  zur  Darstellung 
gebracht.  Unentbehrlich  für  die  Bibliothek  aller  Zahnärzte  und  vieler 
praktischer  Aerzte,  entspricht  das  Buch  auch  besonders  den  Bedürfnissen 
der  Studierenden,  da  es  namentlich  zur  Vorbereitung  für  das  Examen 
vorzüglich  geeignet  ist.  Der  Preis  ist  in  Anbetracht  der  prächtigen  Farb- 
tafeln ein  aussergewöhnlich  niedriger. 


J.  F.  Lehmanns  Verlag  in  München. 

Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  XXXII. 

Atlas  und  Grundriss 

der 

Kiiiderlieilknnde 

von  Dr.  R.  Hecker  und  Dr.  J.  Triimpp, 

Privatdozenten  an  der  Universität  München. 

30  Bogen  8".    Mit  48  farbigen  Tafeln  und  144  schwarzen  Textabbildungen. 

Preis  schön  und  dauerhaft  gebunden  Mk.  16. — . 

Die  Kinderheilkunde  eignet  sich  w^egen  der  Uebersehbarkeit  der 
Körperformtn  und  der  grossen  Zahl  der  auf  der  Oberfläche  des  Körpers 
sich  abspielenden  Erkrankungen  ganz  besonders  für  die  bildliche  Dar- 
stellung. Die  beiden  Autoren  vereirn'gen  in  wissenschaftlicher  wie  in 
künstlerischer  Beziehung  in  hervorr;  gendem  Masse  diejenigen  Eigen- 
schaften, die  sie  zu  einer  gedeihlichen  Lösung  ihrer  Aufgabe  befähigen. 
Wer  die  Schwierigkeiten  kennt,  die  bei  der  Herstellung  solcher  Tafeln 
zu  überwinden  sind,  wird  die  grosse  Mehrzahl  derselben  als  ganz  vor- 
züglich gelungen  bezeichnen. 

Dem  Atlas  ist  ein  Text  beigegeben,  dem  die  Abbildungen  gleich- 
sam ;.ls  Illustration  dienen.  Er  zeichnet  sich  durch  eine  klare,  knappe 
und  doch  angenehm  zu  lesende  Diktion,  sowie  durch  übersichtliche  An- 
ordnung und  Behandlung  des  Stoffes  aus.  Auch  Erfahrene  werden  zu- 
mal die  Kapitel  über  Allgemeinerkrankungen,  über  Infektions-,  Verdau- 
ungs-  und  Nervenkrankheiten  mit  Nutzen  lesen.  Es  ist  überflüssig, 
Einzelheiten  lobend  hervorzuheben,  das  Werk  empfiehlt  sich  selbst. 
Man  kann  jedenfalls  mit  Genugtuung  konstatieren,  dass  mit  dem  Er- 
scheinen dieses  Atlasses  ein  dem  Studierenden  wie  dem  praktischen 
Arzte  und  dem  Kliniker  gleich  willkommenes  Werk  geschaffen  wurde, 
das  einen  bedeutungsvollen  Zuwachs  der  deutschen  pädiatrischen  Litera- 
tur darstellt. 

Escherich- Wien,  Münchener  med.  Wochenachriß  JVb.  48,  vom  29.  Nov.  1904. 

Band  XXIII. 

Atlas  und  Grundriss 

der 

orthopädischen  Chirurgie 

von  Privatdozent 

und  Privatdozent 

Mit  16  farbigen  Tafeln  und  366  Textabbildungen. 
Preis  elegant  gebunden  Mk.  16.— 


J.  F.   Lehmanns  Verlag  in  München. 


Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  X[/X1L 

Atlas  und  Grundriss 

der 

Pathologischen  Anatomie. 

Von  Obermedizinalrat  Professor  Dr.  0.  V.  BoUin^er. 

In  130  farbigen  Tafeln  nach  Originalen  von  Maler  A.  Schmitson. 

2.  slark  vermehrte  Auflage. 

Preis  jedes  Bandes  elegant  gebunden  Hk.  12.— 

Der 

Einfluss  von  Boden  und  Haus 
auf  die  Häufigkeit  des  Krebses 

nach  Detailuntersuchungen  in  Bayern 
von  Dr.  med.  Karl  Kolb  in  München. 

=  150  Seiten  gr.  8".    Mit  9  Kartenskizzen.     Preis  geheftet  4  Mark.  ^= 

In  der  zur  Zeit  die  gesamte  Aerztewelt  so  vorzugsweise  beschäfti- 
genden Frage  nach  der  Aetiologie  des  Krebses,  in  welcher  bekanntlich 
in  Deutschland  nahezu  alle  pathologischen  Anatomen  gegen,  die  Kliniker 
und   praktischen  Aerzte   sich  vielmehr  für  den  parasitären  Ursprung  der 

vrankheit  aussprechen,  hat  der  Verfasser  schon  vor  2  .Jahren  Unter- 
suchungen   über    das  Vorkommen    der  bösartigen  Neubildungen    in  Süd- 

leutschland  —  örtliche  nnd  zeitliche  Schwaiiliuiigren  —  in  der  Zeitschrift 
:ur  Hygiene  veröSentlicht.  Die  damals  gefundene  ausserordentliche 
Häufigkeit  des  Krebses  im  süddeutschen ,  auch  österreichischen  und 
schweizerischen  nördlichen  Vorlande  der  Alpen,  welche  ihn  zur  Annahme 
eines  Zusammenhangs  mit  dem  Boden  führten,  hat  ihn  veranlasst,  durch 
Detailuntersuchungen  in  1 1  Bezirksämtern  und  Städten  Bayerns,  besonders 
in  der  Umgebung  Münchens,  auch  in  Niederbayern,  Schwaben,  Mittel- 
franken und  der  Pfalz,  nach  den  näheren  Grüifden  der  örtlichen  Häufungen 
zu  forschen  und  diese  Arbeit  hat  ihn  zur  Erkenntnis  der  auf  die  Häufig- 
keit des  Krebses  in  Boden  und  Haus  einwirkenden  Ursachen  geführt. 
Die  Untersuchungen  haben  zugleich  zu  einer  ungesuchten  Erklärung 
geführt,  warum  einzelne  Autoren  anscheinend  ganz  verschiedene  Eigen- 
schaften der  Oertlichkeiten  für  die  dort  gefundenen  Häufungen  verant- 
wortlich gemacht  haben;  sie  würden  auch  ebenso  ungesucht  eine  Er- 
klärung geben  für  die  wahrscheinliche  derzeitige  Zunahme  des  Krebses 
in  fast  allen  Ländern  und  können  ferner  für  die  verschiedene  Organ- 
lokalisation  der  Krankheit  bei  Mensch  und  Tier  Aufschlüsse  geben.  Zum 
Schlüsse  sind  die  Folgerungen  ausgeführt,  welche  teils  zwingend,  teils 
mehr  hypothetisch  aus  den  übrigens  für  parasitären  Ursprung  des  Krebses 
sprechenden  Ergebnissen  für  die  Prophylaxe,  allgemeine  und  individuelle 
Hygiene  gezogen  werden. 


J.  F.  Lehmanns  Verlag  in  München. 

Lehmanns  nnedizin.  Handatlanten. 

Band  XVII. 

AtlaH  der  gerichtlicheu  Mcilizin 

nach  Originalen   von 
Maler  A.  Schmitson 

mit  erläuterndem  Text  von 

Hofrat  Professor  Dr.  E.  Ritter  v.  Hof  mann 

Direktor  des  gerichtl.  medizin.   Instituts  in   Wien. 

Mit  56  farbigen  Tafeln  und  193  schwarzen  Abbildungen. 
Preis  elegant  gebunden  IWIk.  15. — 


Band  XIX. 

Atlas  und  C^rundriss  der  Ilafallheilkunde 

sowie  der 

Nachkrankheiten  der  Unfallverletzungen. 

Von  Dr.  Ed.  Qolebiewki  in  Berlin. 

Mit  40  farbigen  Tafeln,  nach  Originalen  von  Maler  J.  Fink  und 
141    schwarzen   Abbildungen. 

Preis  elegant  gebunden  Mk.  15.—. 


Dieses,  in  seiner  Art  ganz  einzig  dastehende  Werk  ist  für  jeden  Arzt 
von  tiefster  Bedeutung  und  von  ganz  hervorragendem,  praktischem  Werte. 
In  unserer  Zeit  der  Unfallversicherungen  und  Berufsgenossenschaften  kommt 
ein  Spezialwerk  über  dieses  Gebiet  einem  w^ahrhaft  lebhaften  Bedürfnisse  ent- 
gegen und,  so  wie  an  jeden  praktischen  Arzt  immer  wieder  die  Notwendigkeit 
herantritt,  in  Unfallangelegenheiten  als  Arzt,  als  Zeuge,  als  Sachverständiger  usw. 
zu  fungieren,  so  wird  auch  jeder  Arzt  stets  gern  in  diesem  umfassenden  Buche 
Rat  und  Anregung  in  allen  einschlägigen  Fällen  suchen  und  finden.  Von 
grösstem  Interesse  ist  das  Werk  ferner  für  Berufsgenossenschaften,  Bezirksärzte, 
Physici,  Vertrauensärzte,  Krankenkassen,  Landes-Versicherungsämter.  Schieds- 
gerichte, Unfallversicherungsgesellschaften  usw. 


J.  *P.  Lehmanns  Verlag  in  München. 
Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  XX/XXL 

Atlas  und  Grundriss 

der 

pathologischen  Histologie. 

Spezieller  Teil. 

120  farbige  Tafeln  nach  Originalen   des   Universitätszeichners  C.  Krapf 

und  reicher  Text. 

Von  Professor  Dr.  Hermann  Dürck  in  München. 
2  Bände  Preis  geb.  je  Mk.  11.—. 


Band  XXII. 

Atlas  und  Grundriss 

der 

Allgemeinen 

pathologischen  Histologie 

von  Professor  Dr.  Hermann  Dürck  in  München. 

Mit    77    vielfarbigen     lithographischen     und    31    zum    Teil     zweifarbigen 
Buchdruck-Tafeln    nach  Originalen  von  Maler  K.  Dirr   und  Universitäts- 
zeichner C.  Krapf. 

Preis  gebunden  Mk.  20.—. 

Der    Band    schliesst   sich    den    beiden    vorhergegangenen    über    spezielle 

pathologische  Histologie  an,  oder  vielmehr  die  letzteren  dienen  zu  seiner 

Ergänzung,    aber   seiner  Anlage   nach  kann  derselbe  auch  für  sich  allein 

als  abgeschlossenes  Ganzes  benutzt  werden. 


J.  F.  Lehmanns  Verlag  in  München. 

Lehmanns  medizinische  Handatlanten. 

Band  XXVI. 

Atlas  nnd  Grundriss 

der 

Histologie 

und  mikroskopischen  Anatomie 

des  Menschen 

von  Professor  Dr.  J.  Sobotta  in  Würzburg 


17  Bogen  Text.     80  farbige   Tafeln    und   68  Textabbildungen 
nach  Originalen  von  Maler  W.  Freytag. 

Schön  und  dauerhaft  gebunden  Mk.  20. — 


Dieses  neue  Werk  über  normale  Histologie  zeichnet  sich  vor  allem 
dadurch  aus,  dass  bei  weitem  die  grosse  Mehrzahl  der  Abbildungen,  ins- 
besondere i'ast  alle,  welche  gefärbte  Präparate  wiedergeben,  in  den  natür- 
lichen Farben  des  Präparates  reproduziert  sind.  Besonderes  Gewicht  wurde 
auf  die  Wiedergabe  von  Präparaten  bei  schwachen  Vergrösserungen 
(Uebersichts-  und  Situsbildern)  gelegt,  da  solche  in  den  bisher  vorzugs- 
weise gebrauchten  Lehrbüchern  entweder  ganz  fehlten,  oder  wegen  der 
Reproduktionsweise  grösstenteils  ungenügend  für  die  Orientierung  waren. 

Das  Schwergewicht  des  Werkes  liegt  in  den  Abbildnngen.  Trotzdem 
ist  der  beigegebene  Text  so  vollständig,  dass  er  als  ein  kurz  gefasster 
Grundriss  gelten  kann,  der  alles  bisher  Pestgestellte,  soweit  es  für  die 
Studierenden  und  Aerzte  von  Wichtigkeit  ist,  berücksichtigt  und  den 
ganzen  Stofl' ausserordentlich  klar  und  übersichtlich  zur  Darstellung  bringt. 

Es  hat  jahrelanger,  anstrengender,  mühsamer  Arbeit  des  Verfassers, 
des  Malers  und  der  lithographischen  Anstalt  bedurft,  diesen  Atlas,  der 
in  den  ärztlichen  Kreisen  der  ganzen  Welt  Aufsehen  erregen  wird,  zu 
Stande  zu  bringen.  Die  80  farbigen  Tafeln,  die  der  Atlas  enthält,  sind  so 
vollendet  schön  und  naturgetreu,  dass  man  die  Präparate  im  Original 
vor  sich  zu  haben  glaubt.  Da  es  bisher  für  unmöglich  galt,  Tafeln  in 
solch  hervorragend  schöner  Ausführung  auf  der  Schnellpresse  zu  drucken, 
kann  der  Sobotta'sche  Atlas  auch  in  drucktechnischer  Hinsicht  als  eine , 
einzigartige  Musterleistung  deutscher  graphischer  Kunst  gelten.  Durch 
den  Schnellpressendruck  war  es  möglich,  dieses  Kunstwerk  zu  einem 
relativ  so  ausserordentlich  niedrigen  Preis  herzustellen. 


J.  F.  ]jehrnanns   Verlag  in  München. 


Lehmanns  medizinische  Atlanten  in  4°. 


ATLAS 

der 

Ailmlii  des  ii: 


Von 

Dr.  J.  Sobotta, 

ao.  Professor  und  Prosektor  der  Anatomie  und  der  anthropotomischen 
Anstalt  zu  Würzburg. 


I.  Band  (Lehmanns  medizinische  Atlanten  Bd.  II): 
Knochen,  Bänder,  Oelenke  u.  Muskeln  des  menschlichen  Körpers. 

Mit  34  farbigen  Tafeln,  sowie  257  zum  Teil  mehrfarbigen  Abbildungen  nach 
Originalen  von  Maler  K.  Hajek  u.  Maler  A.  Schmitson  Gebunden  Mk.  20.— 

II.  Band  (Lehmanns  medizinische  Atlanten  Bd.  III): 
Die  Eingeweide  des  Menschen  einschliesslich  des  Herzens. 

Mit  19  farbigen  Tafeln,  sowie  187  zum  Teil  mehrfarbigen  Abbildungen 
nach  Originalen  von  Maler  K.  Hajek.     Gebunden  Mk.   16. — 

III.  Band  (Lehmanns  medizinische  Atlanten  Bd.  IV): 

Das  Nerven-  u.  Grefässsystem  u.  die  Sinnesorgane  des  Menschen. 

(Erscheint  im  Jahre  1905.) 

Grundriss  der  deskriptiven  Anatomie  des  Menschen. 

Von  Professor  Dr.  J.  Sobotta. 

(Ausführlicher  Text  zum  vorstehenden  Atlas  mit  Verweisungen  auf  diesen.) 

I.  Band  geheftet  Mk.  4.—,  H.  Band  geheftet  Mk.  3.—, 

III.  Band  erscheint  im  Jahre  1905. 

Jeder  Band  enthält  ausser  den  Abbildungen  ausführliche  Erklärungen 

derselben  nebst  Tabellen  und  kurzem  Text.     Ein  ausführlicher  Textband 

wird  jedem  Bande    des  Atlas,    also   in  3  Abteilungen,    beigegeben.     Diese 

Textbände  stellen  ein  kurzes  Lehrbuch  der  Anatomie  dar. 


Atlas  und  Grundriss 

ü. 


der  topograpliisclienü.  angewandten  Anatom 

von  Dr.  med.  Oskar  Schnitze,  Professor  der  Anatomie  in  Würzburg. 

(Lehmanns  medizinische  Atlanten  Band  I.) 
Mit  70  farbigen  Tafeln  nach  Originalen  von  Maler  A.  Schmitson  und 
Maler  K.  Hajek,  sowie  23  Textabbildungen.     Preis  gebunden  Mk.   16. — 

„Dieses  Werk  ist  nicht  für  den  Anatomen  geschrieben,  sondern  fUr  den,  der  ein 
Arzt  werden  und  sein  will."  Mit  diesen  Worten  führt  der  Autor  sein  Werk  ein  und 
bekennt  damit  gleichzeitig,  dass  er  nicht  nur  für  Studierende  geschrieben  taben,  sondern 
auch  den  in  der  Praxis  stehenden  Arzt  anatomisch  unterstützen  will.  Besonders  der 
Chirurg  wird  in  diesem  Werke  ein  zuverlässiges,  willkommenes  Handbuch  finden. 


J    F.  Lehmanns  Verlag  in  München, 


Die  typischen  Operationen 

und  ihre 

Uebung  an  der  Leiche. 

Kompondivim  der  chirurgischen    Operationslotiro. 

Von  Generalarzt  a.  D.  Dr.  E.  Rotter. 

Sechste  erweiterte  Auflage.     400  Seiten.     Mit   115  Abbildungen. 

Elegant  gebunden  Mk.  8.— 

Die  sechste,  vorzüglich  ausgestattete  Auflage  enthält  alle  neueren 
Eriungenschaften  der  operativen  Technik.  Dieselben  sind  durch  aus- 
gezeichnete Illustrationen  erläutert  und  bieten  reichen  Stoff  der  Belehrung. 
Die  gesamte  Fachpresse  hat  mit  seltener  Uebereinstimmung  die  Vorzüge 
dieses  Werkes  anerkannt. 

Grundzüge  der  Hygiene 

unter  Berücksichtigung  der  Gesetzgebung  des  Deutschen 
Reiches  und  Oesterreichs. 

Bearbeitet  von  Dr.  W.  Prausnitz, 

Professor  der  Hygiene  an  der  Universität  Graz. 
Für  Stiidit'iende  an  Universitäten  und  technischen   Hochschulen,   Aerzte 

Architekten,  Ingenieure  und  Verw^altungsbeamte. 

Siebente  erweiterte  und  vermehrte  Auflage.     Mit  580  Seiten  Text  und 

234  Original- Abbildungen. 

Preis  geheftet  Mk.  8.—,  geb.  Mk.  9.— 

Sehprobentafeln 

zur 

Bestimmung  der  Sehschärfe  für  die  Ferne. 

Für  die  Zwecke  der  Praxis  und  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Bedürfnisse  der  ärztlichen  Gutachtertätigkeit 

herausgegeben  von  Dr.  F.  v.  Ammou, 

Kgl.  Stabsarzt  u.  Augenarzt  in  München. 

Mit  6  Tafeln  und  einer  erlänternden  Textbeilage  Mk.  3. — 

Durch    Verfügung   des   Königl.   preussischen    KriegsmiDisteriums  vom  8.  Februar  1902, 
No.  88411  Ol  M.  A.  den  Militärärzten  zur  Anschaffung  empfohlen. 

Die  Begutachtung 

Erwerbsfäliieit  bei  Unfallviirletzuieii  der  Seliorpe. 

Von  Dr.  med.  Ammann,  Augenarzt. 
Preis  2  Mark. 

Das  Buch  wird  alJen  Aerzten,  diSpn  die  La^e  kommen  könuen.  ein  Gutachten 
in  dem  oben  genannten  Sinne  abzugeben  ein  nützlicher  Wegweiser  sein. 


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