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Presented to the
LIBRARY o///ie
UNIVERSITY OF TORONTO
by
DR. M. H. BRODER
Die in meiner Klinik geübte
Technik der Gallensteinoperationen
mit einem Hinweis auf
die Indikationen und die Dauererfolge.
Auf Grund eigener,
bei 1000 Laparotomien gesammelter Erfahrungen
bearbeitet von
Prof. Dr. Hans Kehr.
Mit 81 schematischen Zeichnungen im Text des I. Teils,
24 schematischen Zeichnungen im Text des II. Teils und
14 Tafeln am Ende des I. Teils.
J. F. Lehmann's Verlag.
MÜNCHEN 1905.
Alle Rechte, insbesondere das der Uehersetzung vorbehalten.
I
1
i
Seiner Excellenz
dem Wirklichen Geheimen Rat
Herrn Professor Dr, Rrnst v. Bergmann
gewidmet.
VorvsTort.
Das Geheimnis des Glückes ist:
Freude am Werk unserer Händel
Nachdem ich nunmehr 14 Jahre lang Gallensteinchirurgie
getrieben und am 14. 12. 04. die lOOOste Gallensteinoperation
ausgeführt habe, trete ich mit einem Buche vor die Öffentlichkeit,
in dem ich unter einem Hinweis auf die Indikationen zur Operation
und die augenblicklichen und Dauererfolge besonders die in meiner
Klinik geübte Technik der Gallensteinoperationen ausführlich
beschreibe. 1000 Gallensteinoperationen! Wer auf dem Gebiete
der Gallen stein Chirurgie auch nur einigermassen Bescheid weiss,
der kann die Mühe und Arbeit beurteilen, die nötig war, um
eine solche Arbeit zu bewältigen. Der kennt auch die schweren
und sorgenvollen Stunden, die solche Eingriffe mit sich bringen.
Neben den guten Erfolgen blieben die Misserfolge nicht aus,
aber sie kamen in einer solch' verschwindenden Minderzahl vor,
dass ich heute allen Grund habe, mit grösster Befriedigung
auf die vergangenen 14 Jahre zurückzublicken.
Ich habe durch die vielen Operationen viel gelernt.
Sie verschafften mir den richtigen Einblick in die patho-
logische Anatomie der Cholelithiasis, schärften meine diagno-
stischen Fähigkeiten und verhalfen mir zu einer Technik, die
mich heutzutage in die Lage versetzt, mich iu den schwierigsten
Fällen schnell zurecht zu finden und Operationen, zu denen ich
früher 3 — 4 Stunden brauchte, in V« his 1 Stunde zum guten
Ende zu führen. Ich kann mich glücklich schätzen , dass ich
mich in dieser Spezialität ausbilden konnte, und ich hoffe, wenn
ich gesund bleibe, noch viele Jahre lang zum Wohle der zahl-
reichen Gallensteinkranken das Messer führen zu können.
Zur Feier meiner lOOOsten Gallensteinoperation habe ich
mir selbst eine Festschrift geschrieben: sie befasst sich beson-
VI
ders mit der Technik der Gallensteinoperationen und der
Indikationsstellung. Ich hatte das Bedürfnis, die von mir
geübte Technik einer kritischen Prüfung zu unterwerfen und
festzustellen, ob sie den Anforderungen moderner Chirurgie ent-
spricht. Und dann wollte ich mir selbst über die von mir
aufgestellten Indikationen zur Operation Eechenschaft ablegen.
Ich hoffe, dass sowohl meine Technik als auch meine Indikations-
stellung in den Kreisen der Ärzte Anklang findet.
Wenn ich mich an dem Tage meiner lOOOsten Gallenstein-
operation meiner Erfolge freuen kann, so will ich nicht ver-
gessen, dass ich diese in erster Linie dem kollegialen Wohl-
wollen zahlreicher Ärzte verdanke. Dem Chirurgen werden die
meisten Kranken von den Hausärzten überwiesen. Ohne deren
Kat ist es nach meiner Erfahrung selten, dass einmal ein
Patient freiwillig eine chirurgische Klinik aufsucht. Gerade
auf dem Gebiete der Cholelithiasis ist ein einmütiges Zusam-
menarbeiten von Chirurgen und praktischen Ärzten dringend
notwendig, wenn man den Kranken die richtige Behandlung
angedeihen lassen will. Ich habe mich von jeher der Unter-
stützung vieler Kollegen erfreuen können, die mir eine grosse
Zahl Gallensteinkranker zuführten und dazu beitrugen, dass
ich die Gallensteinchirurgie zu einer Art Spezialität in meiner
Klinik ausbilden konnte. Die guten Erfolge, die ich erzielte,
kann jeder von diesen Ärzten getrost für sich beanspruchen.
Dankbaren Herzens schreibe ich diese Worte nieder in der
Hoffnung, dass auch in Zukunft das kollegiale Zusammenarbeiten
mit den praktischen Ärzten andauern wird.
In zweiter Linie verdanke ich die guten Erfolge meinen
Assistenten, die mir bei und nach der Operation treulich zur
Seite standen. Mit Wehmut gedenke ich meines ersten Helfers
in meiner Klinik, des verstorbenen Oberstabsarztes Dr. Saur-
brey, der nun schon vier Jahre in der kühlen Erde ruht.
Die andern sind — des freue ich mich — zum grossen Teile
tüchtige Chirurgen geworden, die selbstständig auf dem
Gebiete der Gallensteinchirurgie weiter arbeiten und bereits
über ansehnliche Erfolge berichten können. Allen meinen
Assistenten spreche ich auch an dieser Stelle meinen Dank aus
für die aufopfernde Mühe, die sie besonders bei der Nach-
behandlung meinen Kranken bei Tag und Nacht zukommen
Hessen. —
VII
Die zahlreichen Kollegen, die bei meinen Gallensteinopera-
tionen zugeg-en waren — ich hatte die Freude berühmte Ver-
treter der Chirurgie in meinem Hause begrüssen zu können — ,
sprachen fast sämtlich den Wunsch aus, eine von mir verfasste
Technik der Gallensteinoperationen zu besitzen. Ich habe mich
lange dagegen gesträubt, diesem Wunsche nachzukommen, da
ich der Meinung bin, dass eine noch so anschaulich geschriebene
Operationslehre nicht im Stande ist, den Nutzen, den das Zu-
sehen bei Operationen gewährt, zu ersetzen. Doch sehe ich
ein, dass nur wenige Arzte in der Lage sind, sich die Zeit zu
gönnen, an Spezialkliniken für Gallensteinchirurgie ihre Kennt-
nisse zu erweitern, und ich gebe auch zu, dass Chirurgen, die
sich sonst mit der Abdominalchirurgie beschäftigen, an einer ge-
schriebenen Technik genügenden Anhalt finden können, wie sie
sich bei der chirurgischen Behandlung der Gallensteinkrankheit
zu verhalten haben.
Immerhin muss ich ausdrücklich bemerken, dass ein Arzt,
auch wenn er die folgenden Auseinandersetzungen auswendig
lernt, noch lange kein Gallensteinchirurg wird. Für Studierende
und solche Kollegen, denen jede spezielle chirurgische
Ausbildung abgeht, ist die Technik nicht geschrieben; diese
mögen sich mit der Lektüre der Indikationen und der Dauererfolge
begnügen. Wer sich besonders für die pathologische Anatomie
der Cholelithiasis interessiert, dem werden die zahlreichen
mikroskopischen Untersuchungen der excidierten Gallenblasen
willkommen sein. Dieselben sind in dem pathologischen Institut
des Herrn Prof. Dr. Asch off in Göttingen und Marburg aus-
geführt worden, wofür ich auch an dieser Stelle dem verehrten
Kollegen meinen ergebensten Dank ausspreche.
Die Technik ist also lediglich für solche Ärzte bestimmt,
welche in der Chirurgie völlig Bescheid wissen und die Haupt-
operationen der Bauchhöhle (Gastroenterostomie, Darmresektion
etc.) gründlich beherrschen. Ich werde bei der Beschreibung
der Vorbereitungen zu einer Gallensteinoperation Gelegen-
heit finden, diesen Punkt noch ausführlich zu erörtern.
Ich wurde in dem Entschluss, eine Technik der Gallenstein-
operationen zu schreiben, durch den Umstand wesentlich bestärkt,
dass bisher die Gallensteinchirurgie in den bekannten Operations-
lehren (z. B. von Kocher, Sonnen bürg und Mühsam) nur
sehr stiefmütterlich behandelt worden ist; die beste, dem Zweck
VIII
des Buches entsprechend aber sehr kurze Darstellung der
Gallensteinchirurgie findet man bei v. Bergmann und Rochs.
Eine ausführliche Beschreibung der Operationstechnik der
Eingriffe am Gallensystem stammt von Riedel. Aber gerade
von diesem Chirurgen weiche ich in vielen Punkten wesentlich
ab (z. B. im Hinblick auf die Tamponade nach Ectomie, auf
die Choledochotomie mit Naht, Hepaticusdrainage, Schlauch-
vertahren, transduodenale Choledochotomie etc.). Ich werde
deshalb, damit der Leser unsere gegensätzlichen Ansichten
genau kennen lernt, auf diese näher eingehen müssen; ich
verfolge dabei nicht den Zweck, meine Erfahrungen in den
Vordergrund zu drängen, sondern ich will einen Ausgleich
herbeizuführen suchen zwischen zwei Chirurgen, deren Haupt-
tätigkeit es von jeher war, die Gallensteinchirurgie zu pflegen
und auszubauen. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht,
der wird gemerkt haben, dass Riedel in seinem Buch oft gegen
mich — ohne Nennung eines Namens — Stellung nimmt; ich
liebe im Kampf auch bei wissenschaftlichen Fragen die offene
Aussprache und verspreche mir davon für die Förderung der
Gallensteinchirurgie einen grösseren Gewinn, als wenn man
Seitenhiebe austeilt und durch versteckte Angriffe sich wehrt.
Riedel hat um die Ausbildung der Gallensteinchirurgie sich
grosse Verdienste erworben, die ich stets anerkannt habe. Nach
Langenbuch hat er diesen Teil der Chirurgie am meisten aus-
gebildet, aber von seinen Operations Vorschriften kann ich nicht
alle gut heissen.
Trotzdem empfehle ich jedem Chirurgen, Riedel's Buch
recht sorgfältig zu studieren, ich bitte aber auch mit dem
meinigen ebenso zu verfahren.
Jeder handle also nach dem Grundsatz: Prüfet Alles und
behaltet das Beste !
Ob meine Vorschriften besser oder schlechter sind wie die
Riedel 's, das wird die Wissenschaft entscheiden. Mag das Urteil
der Fachleute gut oder schlecht ausfallen, etwas Nutzen wird
mein Buch hoffentlich bringen und dazu beitragen, die Gallen-
steinchirurgie populärer zu machen. Nur wenige Chirurgen
beschäftigen sich mit ihr in grösserem Umfang; die meisten
scheuen die schwierige Technik und ziehen vielleicht aus diesem
Grunde die Indikationen zur Operation sehr eng. Ich hoffe von
meiner Arbeit, dass sie noch recht viele Chirurgen zu begeisterten
IX
Freunden der Gallensteinchirurgie macht. Das wäre der
schönste Lohn für die Mühe, die mir die Fertigstellung des
Buches bereitet hat. Ich bilde mir nicht ein, dass die von
mir beschriebene Operationstechnik in jeder Beziehung voll-
kommen ist. Wir wollen doch nicht vergessen, dass wir erst
im Anfang der Gallensteinchirurgie stehen und dass eigentlich
erst seit 22 Jahren — seit der ersten Ectomie Langen buch's —
die operative Behandlung der Gallensteinkrankheit in Fluss ge-
kommen ist. Noch gibt es genug an der Technik auszubessern!
Auch wenn man wie ich 1000 Gallehsteinoperationen gemacht
hat, kommen noch genug Fälle vor, denen gegenüber man
sich sehr als Anfänger fühlt, und oft genug werde ich
daran erinnert, dass ich trotz grosser Übung und Erfahrung
noch ein rechter Stümper bin.
Gerade diese Einsicht hat mich bewogen, meine Operations-
erfahrungen immer wieder kund zu geben, und ich hoffe dadurch
manchem Kollegen viel „Lehrgeld" zu ersparen und bei diesem
und jenem Gallensteinkranken die Gefahr des blutigen Eingriffs
erheblich zu mildern.
Die folgende Arbeit zerfällt in zwei Teile. In dem ersten
spreche ich von den Vorbereitungen zur Operation, der Opera-
tionstechnik, der Nachbehandlung und den Erfolgen. Die überall
im Text eingefügten Zahlen beziehen sich auf die im zweiten
Teil niedergelegten Krankengeschichten. Für jede Operations-
methode habe ich als Beleg mehrere Krankengeschichten an-
geführt, aus denen man zugleich die bei der Operation selbst
und hinterher bei der Nachbehandlung eintretenden Abweichungen
genau kennen lernen soll. Ich habe die Krankengeschichten
in einem besonderen Teil untergebracht, um nicht den Text im
ersten Teil unnötig zu zerreissen. Nur wenige Kranken-
geschichten, die meine Contraindikationen zur Operation erörtern
sollen, habe ich in dem Kapitel: „Indikationen" untergebracht;
ebenso findet sich der Fall von Plastik am Ductus choledochus,
von Aneurysma der Art. hepatica und von Hepato-Cholangio-
Enterostomie im ersten Teil dieses Buches. Der grosse Wert
einer guten Casuistik kommt gerade in der Gallensteinchirurgie
so recht zur Geltung, und eben deshalb habe ich im II. Teil
dieses Buches 1T7 Krankengeschichten zusammengestellt, aus
denen die Einzelheiten der von mir im I. Teil beschriebenen
Technik zu ersehen sind. „Die Krankengeschichten sind —
X
wie Lennander richtig sagt — Tatsachen, an die man sich
halten kann. Derjenige, der keine persönliche Erfahrung besitzt,
muss gute Krankengeschichten in Massen lesen und sich in
jede von ihnen hineindenken/' Dies ist auch meine Meinung
und mein Wunsch.
Die Anamnesen der Krankengeschichten stammen ent-
weder von den Ärzten, die mir die Kranken zur Operation
anvertrauten, oder von meinen Assistenten. Der Befund und
die Diagnose wurden stets von mir vor der Operation
niedergeschrieben. Der Verlauf der Operation wurde ebenfalls
von mir notiert, während den Verlauf nach der Operation die
Assistenten zu Protokoll brachten.
Ich bin bisher immer gewohnt gewesen, den Beruf wie
die Herku n f t meiner Kranken anzugeben und war sehr erstaunt,
dass ein Kritiker einer meiner früheren Arbeiten meine Gewohn-
heit abfällig kritisierte. Ich meine, es ist wichtig, dass man
Beruf und Geschlecht der Patienten kennt; ja es scheint mir,
dass diese Kenntnis nützlich ist. Hat doch Riedel in einer
Arbeit aus der Jenenser Klinik meine diesbezüglichen Angaben
gut verwerten lassen können, um über Ätiologie und Vorkommen
der Cholelithiasis Untersuchungen anzustellen. Wenn ich den Ort
angebe, woher die Patienten stammen, so habe ich dabei nicht
die Absicht, die Verbreitung der Cholelithiasis zu ergründen.
Das dient lediglich zu meiner Orientirung und zu der der-
jenigen Kollegen, die mir die Kranken zur Operation überwiesen
haben. Ich bin oft genötigt, bei späteren Arbeiten auf frühere
Krankengeschichten zurückzugreifen. Steht da nun : Herr S. B.
ausN., so muss ich erst alle Krankenbücher durchblättern, ehe ich
mich orientiere, steht aber da : S. B., Apothekenbesitzer aus
Nauheim, so weiss ich sofort, wer damit gemeint ist. Und
Kollegen, die meine Krankenjournale lesen, werden viel leichter
die Operationsgeschichte ihres Patienten finden. Ein Kritiker
sollte sich doch an solchen kleinlichen Äusserlichkeiten nicht
stossen, sondern mehr dem Inhalt und den Erfolgen sein Augen-
merk schenken. Ich bleibe also bei meiner Gewohnheit und
bin mir bewusst, dass ich es Allen niemals recht machen werde.
Bisher hat noch kein Patient sich „getroffen" gefühlt, dass
ich so ausführlich sein Leiden beschrieben habe. Selbstver-
ständlich habe ich Krankheiten wie Gonorrhoe und Lues etc.,
die man gern geheim hält, nicht erwähnt. Auch hat sich
XI
Niemand bisher gekränkt gefühlt, weil ich seine Lebercirrhose,
deren Entstehung ich auf Excesse in Baccho zurückführen
musste, diagnostiziert habe ; im Gegenteil : Die Patienten mit
Lebercirrhose, die ich durch die Talma' sehe Operation heilen
konnte, sind mir so dankbar, dass die von mir vertretene
Annahme des Potatoriums bestimmt keinen veranlassen wird,
mich deshalb „gerichtlich zu belangen".
Es war nicht leicht, die vielen Krankengeschichten in be-
stimmten Gruppen unterzubringen. Fälle, die z. B. in dem
Abschnitt transduodenale Choledochotomie erwähnt sind, konnten
ebensogut bei der Choledocho-Duodenostomia interna angeführt
werden und umgekehrt. Immerhin glaube ich, dass meine
Einteilung nicht ganz unpraktisch ist und bei einer raschen
Orientierung über die einzelnen Operationsmethoden gute
Dienste leistet.
Zahlreiche Abbildungen mögen zum bessern Verständnis
der von mir geübten Technik beitragen. Die schematischen
Zeichnungen sind von mir selbst entworfen und von einem
Zeichner des J. F. Lehmann 'sehen Verlags in München aus-
geführt worden. Einige Bilder habe ich den ausgezeichneten
Atlanten von Schnitze und Sobotta entnommen. Die
Skizzen, welche die retroduodenale Choledochotomie erläutern,
hat mir Herr Prof. Payr in Graz zur Verfügung gestellt,
wofür ich ihm meinen besten Dank ausspreche. —
Ich widme dieses Buch Seiner Excellenz dem Wirklichen
Geheimen Rat Herrn Professor Dr. Ernst von Bergmann.
Seine mit Hochs zusammen herausgegebene Operationslehre
ist so ziemlich die einzige, welche die von mir eingeführte
Hepaticusdrainage ausführlich beschreibt. Und dann hat mich
Herr von Bergmann von vornherein in meinen Bestrebungen
auf dem Gebiete der Gallensteinchirurgie so wohlwollend unter-
stützt, dass ich das Bedürfnis fühle, ihm durch ein äusseres
Zeichen meinen Dank auszudrücken. Als ich nunmehr vor zehn
Jahren auf dem Chirurgenkongress meine Jungfernrede hielt:
„Über die Entfernung des eingeklemmten Steines aus dem Ductus
cysticus durch Incision dieses Ganges", und der Vorsitzende
von Esmarch die Dauer der Vorträge am letzten Sitzungs-
tage auf 5 Minuten angesetzt hatte, da war es unser erster
deutscher Chirurg, der die Erlaubnis erwirkte, dass ich länger
als 5 Minuten reden durfte, und der für meine Methode ein
XII
sehr lebhaftes Interesse zeigte. Auch in späteren Jahren hat
der akademische Meister der ersten deutschen Universität mir,
dem Chirurgen einer kleinen Provinzialstadt, Zeichen seines
Wohlwollens zu teil werden lassen, wofür ich ihm auch an
dieser Stelle meinen ergebensten Dank ausspreche.
Ich verbinde mit der Widmung dieses Buches den Wunsch,
dass Ernst von Bergmann noch viele Jahre der deutschen
Chirurgie erhalten bleiben möge, der Wissenschaft zum Ruhme,
den Kranken zum Segen und den Ärzten zur Nacheiferung I
Halberstadt, 14. Dezember 1904,
am Tage der 1000. Gallenstein-Operation.
Prof. Dr. Hans Kehr.
I Teil.
Die Vorbereitungen zu einer Gallensteinoperation, die
Technik der verschiedenen Eingriffe, die Nachbehandlung
der Gallensteinoperierten und die augenblicklichen und
Dauererfolge nach Gallensteinoperationen.
Inhalt des ersten Teils.
Seite
A. Die Yorbereitungen zu einer Gallensteinop^ration . . 1
I, Die Yorbereitungen des Operateurs und seiner Assistenten 1
Über die wissenschaftliche Ausbildung eines
Gallensteinchirurgen S. 1. Ein Gallensteinchirurg
muss ein firmer Laparotomist sein S. 5. Dirigenten
kleiner Krankenhäuser dürfen nur unter bestimmten
Bedingungen Gallensteiuoperatiouen ausführen S. 7.
Zusammenwirken von praktischen Ärzten und
Spezialisten S. 8. Der Gynäkologe als Gallenstein-
operateur S. 9. Kuhn's Ansichten über Gallenstein-
sanatorien S. 10. Mein Urteil über dieselben S. 12.
Ohne gute Assistenz ist eine Gallensteinoperation
unmöglich S. 16. Kann man Gallensteinoperationen
auch in der Privatpraxis ausführen? S. 17. Ein-
richtung des Operationszimmers S. 18. Waschung
der Hände S. 19. Pflege der Hände S. 21.
II. Die Vorbereitnngen des Kranken 22
Psychische Vorbereitung S. 22. Einrichtung des
Krankenzimmers S. 23. Vorbereitungen, die sieh
auf den Körper des Kranken beziehen S. 24. Baden
S. 24. Ruhe S. 24. Diät des Kranken S. 25. Ab-
führen S. 26. Magenentleerung S. 26. Gewöhnung
an die Magensonde S. 27. Pflege der Zähne S. 27.
Vorbereitungen bei ikterischen Patienten S. 27.
Chlorcalcium, Gelatinelösung S. 28. Reinigung der
Bauchhaut des Patienten S. 29.
III. Die Vorbereitungen des Unterbindungsmaterials, des Ver-
bandzeugs und der Instrumente 30
Seide S. 30. Catgut S. 31. Sterilisierung des Ver-
bandzeugs S. 32. Kompressen zur Absperrungs-
tamponade S. 33. Kompressenzählung S. 34. Her-
stellung der Kompressen und der Tampons S. 37.
Tupfergaze, Watte, Cambricbinden, Kopftücher S. 39.
Instrumente S. 39, Operation ausserhalb der Klinik
S. 45.
XVI
B. Die Technik der Grallensteinöperationen 47
I. Die allgemeine Technik der Oallenstcinoperationen ... 47
1. Die Anatomie des Grallensystems ... 47
Normale Lage der Gallenblase S. 47. Anomalien
S. 48. Arteria cystica S. 49. Ductus cysticus S. 50.
Ductus choledochus S. 51. Zweck der Gallenblase
S. 51. Sitz der Gallensteine S. 52. Anatomie dea
Lig. hepato-duodenale S. 53. Arterien (Haasler) S. 55.
Venen S. 56. v. Büngner's Untersuchungen S. 57.
Lymphdrüsen S. 58. Nerven S. 58. ^
2. Die Narkose bei einer Gallen Steinope-
ration 58
Schleich's Anästhesierungs-Methode S. 58. Ather-
narkose S. 59. Chloroformnarkose S. 59. Chloroform-
Sauerstoffnarkose S. 59.
3. Die Verteilung der bei einer Gallen-
steinoperation nötigen Personen . . . 60
Beschränkung der Zuschauerzahl S. 60. Beschrän-
kung der Assistenz S. 6L Mein aseptisches Ope-
rationszimmer S. 62. Stellung der verschiedenen
Personen S. 62. Stellung des Operateurs S. 63.
4. Die Lagerung des Kranken bei einer
Gallensteinoperation 63
Verstellbarer Operationstisch S. 64. Bessere Zu-
gänglichkeit des Operationsterrains durch Unter-
schieben einer Rolle unter den Rücken des Patienten
S. 64. Kelling's Lagerung S. 64. Schutz gegen Ab-
kühlung des Patienten S. 64.
5. Die Schnitt führung durch die Baucb-
decken bei einer Gallensteinoperation 64
Schnitte von Lawson Tait, Riedel, Czerny, Cour-
voisier S. 64. Mein Wellenschnitt S. 64. Schnitt in
der Mittellinie S. 66. Langenbuchs Schnitt S. 67.
Schnitt nach Keen, Musser, Parkes, Böckel, Willet
S. 68. Schnitt nach Kocher S. 69. Schnitt nach
Bevan S. 70. Lannelongue's Rippenresektion S. 71.
Lumbaler Schnitt nach Mears, Tuffier S. 72. Schnitt
nach Bogajewski, Reboul, Tischendorf S. 72. Schnitt
bei sekundärer Gallensteinoperation S. 73. Schnitt
bei Situs transversus S. 74.
6. Über die Asepsis während einer Gallen-
steinoperation 74
Verstösse gegen die Asepsis S. 74. Zwirnhand-
schuhe S. 75. Gummihandschuhe S. 76. Punktion
xvn
der Gallenblase S. 76. Dieulafoy S. 76. Absperrungs-
tamponade S. 77. Ausspülung der Gallenblase ist
fehlerhaft S. 79. Häufige Reinigung der Hände wäh-
rend der Operation S. 79. Luftinfektion S. 80. Ge-
sichts- und Mundmasken S. 81.
7. Die Lösung der Verwachsungen am
Gallensystem 81
Inspektion und Palpation des Gallensystems S. 82.
Die Verwachsungen zwischen Gallensystem und In-
testinis S. 83. Warum sind die Verwachsungen zu
lösen? S. 84. Lösung der Verwachsungen bei Ek-
toniie und Choledochotomie S. 85. Zerstörung der
Gallenwege-Darmfisteln S. 87. Colostomie S. 88.
Gallenblasen-Duodenalfisteln S. 90. Die verschiede-
nen Arten der inneren Fisteln S. 90.
8. Die Wundversorgung- und die Naht
derBauchwand 91
Probeincision S. 91. Tamponade mit steriler Gaze
S. 91. Durchstichknopfnaht S. 92. Etagennaht S. 93.
Herausleitungsstelle für die Tamponade S. 93. Tam-
ponade durch den Lumbaischnitt S. 94. Kelling's
Aspirationsdrainage 6. 94.
9. Die Indikationen und Kontraindikationen
beiGallensteinoperationen 94
Beschränkung der Indikationen S. 95. Verschieden-
heit der Indikationsstellung bei Chirurgen und In-
ternen S. 96. Riedel's Indikationen S. 98. v. Wini-
warter's, Kocher's und Mayo-Robson's Indikationen
S. 99. Indikatiousstellung auf Grund der patholo-
gischen Anatomie S. 100. Meine Indikationen S.
101. Pathologische Anatomie der Cholelithiasis S.
102. Törnquist S. 102. Cholecystitis S. 103. Ver-
schiedene Formen derselben S. 104. Akute Chole-
cystitis 8. 107. Chronische Cholecystitis S. 107.
Steine im Ductus choledochus S. 108. Naunyn's
Choledochus-Duodenalfistel S. 109. Thesen über die
Indikationen S. 110. Die Frühoperation ist unnötig
S. 115. In welchen Punkten ich von Riedel ab-
weiche S. 115. Entfernung der Gallensteine bei
einer aus anderen Gründen indizierten Laparotomie
S. 127. Indikationen zur inneren Behandlung der
Cholelithiasis S. 128. Beseitigung der Entzündung
S. 129. Klemperer's Ansichten S. 130. Kontraiu-
dikationen S. 133. Akuter Choledochusverschluss
S. 134. Akute Exacerbation der chronischen Chole-
XVIII
cystitiB S. 138. Chronische Cholecystitis und Cho-
langitis S. 140. Manche- Fälle von chronischem
Choledochusverschluss S. 142. Andere Kontraindika-
tionen S. 145. Steriler Hydrops der Gallenblase S.
149. Naturheilungen (innere Fistelbildung) S. 154.
Relative Indikation S. 156. Innere Kuren S. 159.
Massage ist zu verwerfen S. 160. Glaser's Cholo-
genkur S. 162. Schürmayer's Kur S. 164. Zweck
der Gallensteinoperationen S. 167. Fink's Indika-
tionen S. 170.
II. Die spezielle Technik der Gallensteinoperatiouen . . . .171
1. Die Operationen an der Gallenblase . . .171
a) Die Punktion der Gallenblase 172
Gefahren derselben S. 172. Punktion bei deut-
lichem Bauchwandabszess S. 172. Punktion der
Gallenblase nach Eröffnung der Bauchhöhle S. 173.
Harley's Prozedur S. 173.
b) Die Cystendyse (ideale Operation) und ihre
Modifikationen 173
Technik S. 173. Methode nach Parkes, Carmalt
S. 174. Cystendyse mit Tamponade S. 175. Ver-
fahren nach Bloch S. 175. Verfahren nach Wölfler
und Senger S. 176.
c) Die zweizeitige Cystostomie 176
Technik S. 176. Indikationen S. 179. Vorteile,
Nachteile S. 180.
d) Die einzeitige Cystostomie 180
Cystostomie bei grosser Gallenblase mit freiem
Cysticas S. 181. Drahtmethode S. 185. Fistelanle-
gung nach Gersuny S. 186. Cystostomie bei Cysti-
cusverschluss S. 187. Unvollständige Cystostomie
(laterale Suspension der Gallenblase) S. 190. Schlauch-
verfahren S. 191. Netzplastik nach Lauenstein S.
192. Verfahren nach Landerer S. 192. Verfahren
nach Delag^ni^re S. 192. Cystostomie nach Ab-
lösung der Gallenblase von der Leber S. 193.
e)Die Ectomie der Gallenblase 193
Technik S. 193. Entleerung der Gallenblase bei
der Ectomie S. 194. Versorgung der Art. cystica
S. 197. Liegenlassen von Klemmen S. 197. Ver-
sorgung des Leberbetts S. 199. Tamponade S. 200.
Hepatopexie S. 200. Technische Schwierigkeiten
bei der Ectomie S. 201. Versorgung des Cystious-
stumpfs S. 203. Resektion der Gallenblase S. 203.
XTX
Verfahren von Mayo S. 203. Verfahren von Kott-
mann S. 204. Fundusresektion S. 204. Loreta's
Colecistorafia S. 204. Zweizeitige Ectomie nach
Shettle S. 204.
f)Die Eotomie bei Carcinom der Gallen-
blase 204
Pathologisch-Anatomisches S. 205. Technik S. 207.
Dauerheiluiigen nach Gallenblasencarcinomopera-
tionen S. 208.
2. Die Operationen am Ductus cysticus . . 209
a) Die Cy stic oli t hotrips i e 209
Nachteile derselben S. 209.
b)DieprimäreCysticotomie 209
Innere Cysticotomie nach Körte S. 209. Äussere
Cysticotomie S. 210. Technik S. 210. Naht bei
Cysticotomie S. 211. Greiffenhagen's ideale Cysti-
cotomie S. 211.
c)Die Cysticectomie (die Excision des
Ductus cysticus) 212
Technik S. 212. Auslösung der Mucosa des
Cysticus S. 212. Die Resektion des Ductus cysticus
S. 212.
8. Die Operationen am Ductus choledociius 212
a) Die Choledoc holith otripsi e 212
Nachteile derselben S. 213.
b) Die supraduodenale Choledochotomie mit
Naht und die Hep at icusdrai nage .... 213
Grosser Schnitt S. 214. Kleiner Schnitt nach
Mannoury und Richardson S. 214. Technik S. 214.
Behandlung der Gallenblase S. 215. Choledochus-
naht S. 220. Hepaticusdrainage S. 221. Chole-
dochus- und Hepaticusdrainage S. 222. Unmöglich-
keit der Hepaticusdrainage S. 223. Verschiedene
Kombinationen von Gallenblasenoperation und
Hepaticusdrainage S. 225. Notwendigkeit der Tam-
ponade S. 225. Technik derselben S. 226. Blutung
bei der Incision des Choledochus S. 227. Lumbai-
schnitt nach Tuffier bei der Choledochotomie S. 227.
Zweizeitige Choledochotomie S. 228. Verfahren von
Rose-Kuhn S- 228. AnfüUung der Gallenwege mit
Luft S. 229. Über Riedel's Choledochotomie mit Naht
ohne Taraponade S. 229. Vorzüge der Hepaticus-
drainage S. 232.
XX
c) Die transduodenale Oholedochotomie . . . 233
Riedel bestreitet die Notwendigkeit dieser Opera-
tion S. 233. Technik derselben S. 235. Transduo-
denale und retroduodenale Freilegung S. 236. Tech-
nik nach Colins, Mc. Burney, Kraske S. 237. Tech-
nik nach Kocher, Majo Rohson S. 238. Choledochus-
fege nach Kehr S. 238. Zeller's Verfaliren S. 239.
d) Die retroduodenale Oholedochotomie . . . 239
Nachteile der transduodenalen Oholedochotomie
S. 240. Eröffnung des Duodenums durch Längs- oder
Querschnitte S. 240. Technik der retroduodenalen
Oholedochotomie S. 241. Langenbuch's Vorgehen
S. 242. Kocher's Mobilisierung des Duodenum S.
242. Technik nach Berg S. 243. Technik nach
Haasler S. 244. Fall von De Quervain S. 244. Fall
von Payr S. 245. Meine Ansicht über die retro-
duodenale Oholedochusinzision S. 245.
e) Die Resektion des Ductus choledochus . 246
Die Fälle von Doyen und Kehr S. 246. Grund-
züge der Operationstechnik S. 247. Resektion an
der Papilla duodeni S. 248. Fälle von Ozerny,
Halsted und Körte S. 248.
4. Die Operationen am Ductus hepaticus 249
Hepaticotomie S. 249. Hepaticostomie, Hepatocho-
langiostomie , Hepatocholangioenterostomie S. 250.
Hirschberg's Operation S. 251. Kritik derselben
durch Berger S. 251. Mein Fall von Hepatocho-
langioenterostomie S. 256. Enderlen's Tierexperi-
mente S. 262. Hirschberg's Ausstellungen an der
Hepatocholangioenterostomie S. 264.
5. Die Anastomosen zwischen Galle n Sy-
stem undintestinis .265
Die verschiedenen Arten S. 265. Benutzung des
Murphyknopfes S. 265. Nachteile desselben S. 265.
Technik der Oysto-Gastrostomie S. 266. Majo-Rob-
son's Anastomose zwischen Gallenblase und Oolon
S. 267. Riedel's Technik S. 268. Erste Oholecysto-
Enterostomie nach v. Winiwarter, erste einzeitige
Anastomose nach Kappeier, Oysto-Gastrostomie
nach Gersuny S. 270. Dreizeitige Operation nach
Tillaux S. 270. Oystico-Gastrostomie S. 270. Ohole-
docho-Duodenostomie S. 270. Hepatico-Enterosto-
mie S. 271. Senn'sche Platten und Kautschukröhren
nach Duboury bei den Anastomosen unnötig S. 271.
XXI
Radsiewsky's Schlussfolgerungen S. 272. Modifi-
kationen der Anastomose nach Krause und Kruken-
berg S. 273. Ascendierende Cholangitis S. 273. Ana-
stomose eines Pankreasfistelgangs mit der Gallen-
blase S. 274.
6. D i e ]) l a s t i s c h e n Operationen an den
Grallenwegen 274
Enderlen's und Justi's Experimente S. 274. Tier-
versuche von Baldassari und Gardini S. 275. Netz-
plastiken bei Anastomosen S. 275. Kehr's Plastik
eines Choledochusdefekts S. 276. Technik S. 280.
Indikationen zu plastischen Operationen an den
Gallenwegen S. 281.
7. Die Unterbindung der Arteria hepa-
tica propria wegen Aneurysma 283
Die Arbeit Hansson's über das Aneurysma der
Art. hepat. S. 283. Kehr's Fall S. 283. Symptome
des Aneurysma S. 288. Diagnostik desselben S. 290.
Blutungen bei Cholelithiasis S. 291. Arbeiten über
das Aneurysma von Mester S.- 291. Langenbuoh
S. 293. Ehrhardt S. 297. Haussen S. 299. Kasuistik
S. 300. Technik der Operation S. 301. Fall von
Habs S. 305.
8. Die Behandlung der circumscri pten und
diffusen Eiterungen in der Bauchliöhle
bei Cholelithiasis 305
Perforationsperitoni tis S. 306. Abgekapselte und
diffuse Peritonitis S. 307. Hepatopexie S. 307. Gallen-
steinileus S. 307.
9. Die sekundären Operationen am Gallen-
systera (besonders wegen Schleim- und
Gallenfisteln) 308
Bauchwandabszess S. 309. Ursachen der Schleim-
fisteln S. 309. Verschwellung der Cysticusschleim-
haut S. 309. Obliteration des Ductus cysticus S. 310.
Stein* im Ductus cysticus S. 311. Carcinom des
Ductus cysticus S. 312. Abknickung des Ductus
cysticus durch Adhäsionen S. 312. Die Behandlung
der Schleimfisteln S. 313. Gallenfisleln S. 314. Ihre
Ursachen S. 314. Entzündlicher Prozess in der
Gallenblase S. 315. Steine in der Gallenblase S. 315.
Abknickung des Choledochus durch zu straflFe Fixa-
tion der Gallenblase an die ßauchwand S. 316
XXTI
Lippenfisbeln S. 817, Gallenfisteln durch Chole-
dochussteine bedingt S. 318. Andere Ursachen der
permanenten Gallenfisteln S. 318.
a) Die Sondierung der Gallenblase .... 318
Technik derselben S. 318.
b) Die Ausspülung der Gallenblase .... 319
Zweck derselben S. 319.
c) Die Stöpselung der Gallenblasenf ist ei . . 320
Technik S. 321.
d) Die sekundäre Cystectomie 322
Bauchdeckenschnitt S. 323. Technik S. 324.
e) Die sekundäre Cysticotomie 324
Technik S- 324. Operationen hei kompleter Gal-
lenfistel S. 325. Ablösung der Gallenblase von der
Bauchwand^S. 326.
f) Die sekundäre Choledochoto mie 326
g) Die sekundäre Cysto-Enterostomie .... 327
Technik S. 327.
10. Einige Winke über die Auswahl der ver-
schiedenen Operationsmethoden auf Grund
meiner Erfahrungen 328
a) Die Vorteile und Nachteile der verschiede-
nen Operationen des Gallensystems . . . 328
Keine Cystendyse S. 329. Zweizeitige Cystosto-
mie S. 330. Ectomie S. 330. Bei akuten eitrigen
Fällen Cystostomie S. 331. Choledochotomie S. 332.
Cholecyst-Enterostomie S. 333. Richardson's Stand-
punkt S. 333. Robson's Standpunkt S. 335. Vor-
teile der Cystostomie S. 336. Vorteile der Ectomie
S. 337. Vorteile der Hepaticusdrainage S. 338. Nach-
teile derselben. S. 339.
b) Die historische Entwicklung der Gallen-
stein-Chirurgie in meiner Klinik 339
Cystendyse S. 340. Cystostomie S. 340. Chole-
dochotomie S. 340. Anastomosen S. 341. Chole-
dochusfege S. 342. Cysticotomie _ S. 343. Statistik
über meine Operationen von 1890—1904 S 344.
C. Die Nachbehandlung der Oallensteinoperierten . . .345
I. Allgemeiner Teil der Nachbehaudlaiig . . 345
Wichtigkeit der Nachbehandlung S. 346. Opera-
tionen im Privathause sind möglichst einzuschränken
S. 346. Der erste Tag nach der Operation S. 349,
XXIII
Puls, Temperatur S. 350. Morphium S. 351. Magen-
spülung S. 351. Koehsalzinfusionen S. 351. Kom-
plikationen S. 352. Cholämische Blutungen S. 352.
Lungenerkrankungen S. 353. Peritonitis S. 354.
Erbrechen S. 354. Akute Dilatation des Magens
S. 355. Arterio- mesenterialer Darmverschluss S.
356. Schwarzes Erbrechen S. 359. -Beobachtungen
von Landow, M. Schmidt, Rodmann, Friedrich und
Hoömann, Sthamer S. 360. Casuistik des schwarzen
Erbrechens S. 361. Therapie S. 362. Zwei Fälle
nach Appendicectomieu S. 363. Ileus S. 364.
Diphtherie des Ileum S. 365. Subphrenischer Ab-
szess S. 365. Diät nach einer Gallensteinoperation
S. 366, Diät nach Cystostomie S. 369. Nach Bc-
tomie S. 370. Nach Choledochotomie S. 371. Ver-
bandwechsel S. 372. Riedel's Verbandwechsel S.
372. Ätherrausch beim Verbandwechsel. S. 374.
II. Spezieller Teil der Nachbehandlung 374
1. Die Nachbehandlung der Cystostomie . . 374
Art des Verbands S. 375. Wechsel des Verbandes
S. 376. Entfernung der Fäden S. 376. Dauer der
Heilung S. 377.
2. Die Nachbehandlung der Ectomie . . .377
Abweichungen im Verlauf S. 377. Blut im Verband
S. 377. Galle im Verband S. 379. Wundsekret im
Verband S. 380. Dauer der Heilung S. 381.
3. Die Nachbehandlung der Choledochotomie
undderHepaticusdrainage 381
Verbandwechsel S. 382. Spülung des Hepaticus
S. 383. Störungen des normalen Verlaufs S. 385.
Stöpselexperiment S. 386. Einführung des Lami-
nariastifts in den Hepaticus S. 387. Duodenalfisteln
S. 388. Entstehung derselben nach v. Cackovic u.
Lilienthal S. 389. Bougierung der Papilla duodeni
S. 390. Karlsbader Wasser-Trinken während der
Rekonvaleszenz unnötig S. 391. Fink's Standpunkt
S. 392.
D. Die Erfolge der Oallensteinoperationen 395
I. Die augenblicklichen Erfolge 395
Sterblichkeit nach meinen 1000 Gallensteinopera-
tionen S. 396. 3,2 "/o bei 697 reinen Gallenstein-
operationen S. 396. Tabelle der Einzeleingriffe S.
397. Resultate der Cystostomie (2"/o Mortalität) S.
XXIV
• 399. Resultate der .Eotomie (3— 4«/o) S. 899. Re-
sultate der Hepaticusdrainage (-i^/o) S. 399. Resul-
tate bei gleichzeitigen Eingriffen am Magen etc.
( 17 "/o) S. 400. Resultate bei gleichzeitigen Carci-
nomen (85 "/o) S. 400. Frühoperation des chroni-
nischen Choledochusversehlusses nötig S. 402. Unter-
schied der Sterblichkeit beim männlichen und weib-
lichen Geschlecht. S.403. Kritik meiner Erfolge. S.40r).
II. Die Dauererfolge 407
Zurückweisung der Meinung Schürmayer's S. 408.
Echte und unechte Recidive S. 409, Riedel's und
Petersen's Erfahrungen S. 413. Körte's Ansichten
S. 413. Kasuistik der sog. Recidive S. 416. Umfrage
bei meinen ersten 400 Operationen S. 419. Umfrage
bei meinen letzten 500 Operationen S. 420." Echtes
Recidiv S. 425. Fall von Klemperer-Karlsbad S. 427.
Fall von Körte-Herrmann S. 428. Gemeinsames V^or-
gehen der inneren Ärzte und Chirurgen bei Be-
handlung der Gallensteinkrankheit notwendig S. 429.
Literatur 431
Unter besonderer Berücksichtigung der grund-
legenden Arbeiten und der seit 1897 erschienenen
Abhandlungen nebst einer Aufzählung der aus
meiner Klinik hervorgegangenen Veröffentlichungen.
I. Teil.
A) Die Vorbereitungen zu einer Gallensteinoperation.
Jede Operation, gleichgültig-, ob es sich um die Eröffnung
der Bauchhöhle oder um die Entfernung einer Warze handelt,
verlangt gewisse Vorbereitungen, denen sich der Operateur und
der Kranke unbedingt unterziehen muss. Je schwieriger die
Operation ist, nm so umfassender müssen die Vorbereitungen
getroffen werden. Da die Gallensteinoperationen zu den schwie-
rigsten Eingriffen gehören, die überhaupt am Menschen vorge-
nommen werden, sind die Vorbereitungen mit dem Bewusstsein
grösster Verantwortung einzuleiten und mit allen zur Verfügung-
stehenden Mitteln zu vollenden.
Diese Vorbereitungen beziehen sich auf den Arzt, der die
Operation unternimmt, auf die Assistenten, welche dem Ope-
rateur helfend zur Seite stehen, auf den Patienten, welcher
sich dem Chirurgen anvertraut; aber schliesslich auch auf totes
Material, auf das Operationszimmer, das Verbandzeug, die
Instrumente und das ünterbindungsmaterial.
Wir sprechen zuerst von den Vorbereitungen, denen sich
der Arzt und seine Assistenten unterziehen müssen.
I. Die Vorbereitungen des Operateurs und seiner Assistenten.
Ehe ich zu meinem eigentlichen Thema übergehe, halte ich
es für zweckmässig-, einige einleitende Bemerkungen vorauszu-
schicken, um festzustellen, welche wissenschaftliche Vorbereitung
und Ausbildung der Arzt nötig hat, wenn er sich mit gutem
Erfolg der Gallensteinchirurgie widmen will. Manchem könnten
solche Erörterungen überflüssig erscheinen, da es doch als
selbstverständlich gelten muss, dass ein Arzt, der eine Gallen-
steinoperation unternimmt, auch die Technik solcher Operationen
völlig beherrscht und imstande ist, durch eine sorgfältige Nach-
behandlung seine Pflegebefohlenen der gewünschten Heilung
entgegenzuführen.
Nach meinen Erfahrungen wird diese Forderung aber nicht
immer erfüllt, und deshalb halte ich es für keineswegs über-
Kehr, Technik der Ganensteinoperationen. l
2
flüssig, wenn ich etwas ausführlich diesen Punlit erörtere. Ja,
ich glaube, dass solche Erörterungen von grossem Nutzen sind.
Ich habe mir auf den folgenden Blättern die Aufgabe ge-
stellt, durch eine genaue Beschreibung der Operationstechnik
der Gallensteinchirurgie zu grösserer Verbreitung zu verhelfen,
halte es aber auch für meine Pflicht, auf den Schaden, der
durch die Einmischung Unberufener ihr erwächst, hinzuweisen
und die Operationslust solcher zu dämpfen, die nicht genügend
vorbereitet eine Gallensteinoperation unternehmen.
Dabei leiten mich nicht etwa egoistische Absichten und
persönliche Interessen. Wie töricht ist doch die Annahme, ich
hätte Sorge, in meiner Lieblingsbeschäftigung und Spezialität
beeinträchtigt zu werden, wenn gar zu viel Ärzte sich mit der
Gallensteinchirurgie beschäftigten! Nun, wer die folgenden
Blätter mit Aufmerksamkeit liest, wird zu der gegenteiligen
Ansicht gelangen : mich beseelt lediglich der Wunsch, den
grossen Segen, der in der Gallensteinchirurgie steckt, immer
mehr zu verbreiten und dadurch den unzähligen von Schmerzen
geplagten Kranken zu nützen und zu helfen. Ein Segen er-
wächst den Kranken aber nur dann, wenn sie in die rechten
Hände kommen, wenn sie den richtigen Arzt finden, der gelernt
hat, Gajllensteinkranke zu operieren und — zu heilen.
Freilich hat jeder Mediziner, der das Staatsexamen absolviert
hat, die „juristische Berechtigung" Operationen vorzunehmen,
gleichgültig ob diese zur grossen oder kleinen Chirurgie ge-
hören. Das Recht, die chirurgische Kunst auszuüben, hat also
nicht nur der Leiter einer chirurgischen Universitätsklinik, nicht
nur der Spezialist für Chirurgie in seiner Privatklinik; auch
der Dirigent kleiner und kleinster Krankenhäuser, auch der
praktische Arzt, gleichgültig ob er in grosser Stadt eine ,,praxis
aurea" betreibt oder auf entlegenem Dorfe sein Dasein von
kläglicher Kassenpraxis kümmerlich fristet, ist berechtigt.
Gallensteine zu operieren, nota beiie, wenn er kann. Meinhard
Schmidt beantwortet die Frage: „Darf ein praktischer Arzt
Laparotomien machen?" ganz korrekt, w^enn er sagt: „Warum
nicht? wenn er kann!" In dem kleinen Wörtchen „kann"
stecken aber sehr viele Forderungen, deren Erfüllung nicht nur
vom Wissen und Können des Einzelnen, sondern von manchen
äusseren Umständen und Bedingungen abhängt. Der praktische
Arzt darf Laparotomien machen, wenn er die Technik der
— 3 —
Abdominalchiriirg-ie beherrscht, wenn er über eine zuverlässige
Assistenz verfügt, wenn er Gelegenheit hat, die Nachbehandlung
gewissenhaft und sorgsam zu überwachen. Wird eine dieser
Bedingungen nicht erfüllt, dann ist es um den Erfolg der
Operation schlecht bestellt.
Wie und wo der Arzt die Technik erlernt hat: auf eigene
Faust, aus Büchern, durch Zusehen bei Operationen anderer
Ärzte oder in der Schule eines Fachchirurgen, das ist schliesslich
seine Sache:
„Das wird sich bäldlich zeigen,
Wenn rechte Kunst ihm eigen
Und gut er sich bewährt,
Was gilt's, wer sie ihn gelehrt?"
Was Hans Sachs in den Meistersingern von dem hoffnungs-
vollen Bitter aus dem Frankenland singt, das gilt so recht
vom Chirurgen. Die rechte Kunst muss ihm eigen sein, wenn
er auf einen guten Erfolg seiner Tätigkeit hoffen will. Gar
Mancher erlernt die „rechte Kunst" niemals, und wenn er Jahre
lang die treffliche chirurgische Schule eines berühmten Meisters
besucht hat, und ein Anderer wieder „bewährt sich gut", obwohl
er nur kurze Zeit in der Chirurgie sich ausbilden konnte. Der
eine Jünger des Asculap, dem die Mutter Natur eine gute
chirurgische „Anlage" geschenkt hat, entwickelt sich in der
Tat in wenigen Monaten zum tüchtigen Operateur, während
ein zweiter sich viele Jahre lang in heissem Bemühen um-
sonst abquält und am Ende doch ein „Stümper" bleibt.
Ein Gallensteinoperateur muss aber ein fertiger Chirurg
sein; zwar kann eine Gallensteinoperation eine ganz einfache
Operation sein, die auch ein Arzt unternehmen kann, der sonst
in seiner Praxis nur gewohnt ist, ein Panaritium zu spalten
oder ein Atherom zu excidieren. Aber sie kann andererseits
auch sich höchst kompliziert gestalten, so dass sie nur ein
Chirurg unter Anwendung der höchsten psychischen und physi-
schen Kraft zum guten Ende zu führen vermag, der schon mehr
als 100 Gallensteinoperationen ausgeführt hat. Eine zweizeitige
Cystostomie, die doch weiter nichts darstellt als eine Incision
der Bauchdecken, ist technisch leicht, und wer ein Messer, eine
Hakenpinzette, einige Klemmen besitzt, bahnt sich schon einen
Weg bis an das Peritoneum. Wenn man es aber mit Chole-
dochussteinen zu tun hat, die retroduodenal in der Papilla
duodeni sitzen, wenn man auf geschrumpfte Gallenblasen stösst,
1*
(ieren Höhle mit dem Magen oder Darm in kommunizierende
Verbindung getreten ist, dann bedarf es hervorragender Technik,
um sich in solchen Verhältnissen zurecht zu finden und die
Wund Verhältnisse so herzustellen, dass eine Heilung möglich
ist. Hier handelt es sich um Fälle, die auch dem trockensten
Chirurgen den Schweiss aus den Poren pressen und an die
körperlichen Kräfte die höchsten Anforderungen stellen. Solche
Operationen werden nur Männer ausführen können, und wenn
erst die liebe Weiblichkeit sich mit der grossen Chirurgie be-
fasst, an diesen Fällen wird sie ihrer Schwäche recht bewusst
werden und neidlos dem stärkeren Geschlecht Euhm und Ehre
überlassen. Wer in solchen Fällen nicht ganz grosse Erfahrung
hat, operiert stundenlang bis zur grössten Erschöpfung. Gar
oft, wie aus den Operationsgeschichten im II. Teil zu ersehen
ist, wurde aus der geplanten Cystostomie eine Cystectomie,
man musste Darmnähte, eine Pyloroplastik oder Gastroentero-
stomie zu der eigentlichen Gallensteinoperation hinzufügen.
Niemand, auch der erfahrenste Gallensteinchirurg nicht, kann
vorher wissen, wie eine Gallensteinoperation verlaufen wird,
ob die gewöhnliche Cystostomie ausreicht oder komplizierende
Eingriffe am Magen, Darm nötig werden, und deshalb ist es
unverantwortlich, wenn ein Arzt an eine solche Operation
herantritt, der nicht die Technik der Pylorusresection, der
Gastroenterostomie, der lieberresection völlig beherrscht.
Diese Forderung wird aber, wie gesagt, niclit immer erfüllt.
Ich kannte einen Chirurgen, der von den gebräuchlichen Operations-
methoden am Gallensystem nur die Cystendyse, die sogenannte
ideale Operation ausübte; es schien ihm das einfachste,
die Gallenblase aufzuschneiden, ihren Inhalt auszuräumen, den
Schnitt zu vernähen und das Organ zu versenken. Von Ectomien
und Choledochotomien wollte er durchaus nichts wissen: für
solche schwierigen Eingriffe fehlte ihm jedes Verständnis und
mangelte ihm die Technik.
Ein solcher Operateur wird natürlich nicht viel Gutes
leisten ; seine Eingriffe bleiben unvollkommen, und dadurch bringt
er die Gallensteinchirurgie ebenso in Misskredit wie jener Kollege,
der auf einsamem Dorfe sass und die Operationen ganz gut
ausführte, die schliesslich jeder Arzt gelegentlich ausführen
muss: die Tracheotomie und die Herniotomie. Die Erfolge,
die er bei diesen Operationen hatte, Hessen seinen Ehrgeiz nicht
ruhen, er excidierte Maramacarcinome, liess aber die inficierten
Achseldrüsen zurück, und schliesslich operierte er auch die
-acute Cholecystitis — natürlich zweizeitig. Der Barbier oder
die Hebamrae des Dorfes waren seine Assistenten, der Arzt
cliloroformierte den Patienten an, und wenn er schlief, wurde
sich rasch gewaschen und die Bauchhöhle eröffnet. Das schliess-
liche Resultat seiner Cystostomien waren fast durchweg Schleim-
und Eiterflsteln , deren definitive Beseitigung die grössten
Schwierigkeiten bereitete. Das Publikum bekommt durch der-
artige Operationen keinen besonderen Respekt vor der Chirurgie,
im Gegenteil, dieselbe kommt, wie schon oben bemerkt, in einen
üblen Ruf, wenn Ärzte ohne besondere chirurgische Ausbildung
schwierige Operationen vornehmen. Denn auch der chirurgisch
Begabteste kann heutzutage einer gründlichen Ausbildung in
der Chirurgie kaum entraten : ein guter , Lehrer muss den
Schüler unterrichtet haben, ehe dieser sich auf eigene Füsse
stellt. Das gilt ganz besonders für die Bauchchirurgie und
ganz speziell für die Gallensteinchirurgie. Deshalb tut der prak-
tische Arzt, der sich direkt nach dem Staatsexamen nieder-
lassen und auf eine spezielle chirurgische Ausbildung verzichten
muss, gut, wenn er von vorno herein von der Ausübung der
grossen Chirurgie absteht und sich auf die allernotwendigsten
Operationen beschränkt. So hat er immer noch Gelegenheit,
seinen chirurgischen Neigungen nachzugehen.
In Summa : Gallensteinoperationen sollen also nur solche
Ärzte ausführen, die die Technik der verschiedensten Bauch-
operationen nach jeder Richtung hin beherrschen!
Diese Forderung erstreckt sich auch auf die Dirigenten
kleiner und kleinster Krankenhäuser. Überall im deutschen
Reich, in grossen und kleinen Städten, hat heutzutage das
Krankenhauswesen eine Entwickelung erreicht, auf die wir
stolz sein können. Selbst Städte unter 10,000 Einw^ohner haben
Krankenhäuser errichtet, die in Bezug auf die Hygiene nichts
zu wünschen übrig lassen, und die nicht selten von Ärzten ge-
leitet werden, welche speziell chirurgisch ausgebildet ebenso
gut einem grossen Krankenhaus in grosser Stadt zur Zierde
gereichen würden. Nicht selten sind aber die Dirigenten solch'
kleiner Krankenhäuser praktische Ärzte der betreffenden Stadt,
die als Chirurgen einen lokalen Ruf geniessen, und weil sie
beim Publikum von jeher als tüchtige Operateure galten, den
— 6 —
Vertrauensposten eines Krankenhäusarztes erhielten. Sie hatten,
ohne jemals längere Zeit chirurgfische Assistenten gewesen zu
sein, die Chirurgie in der Praxis erlernt, bewiesen ihre Tüch-
tigkeit durch manche glückliche Operation und erhielten nun
einen Posten, der ganz ihren Wünschen entsprach. Jetzt konnten
sie sich so ganz ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Chirurgie,
widmen! In der Tat zeigte mancher, der bisher grössere Ope-
rationen nicht ausgeführt hatte, dass in ihm viel chirurgisches
Talent steckte, denn die Erfolge der Operationen an Magen,
Leber und Uterus liessen nichts zu wünschen übrig. Andere
wiederum hatten mit ihren Laparotomien kein rechtes Glück!
Die meisten Patienten starben. Trotzdem betrachteten sie es
für eine Schande, einen Gallensteinpatienten abzuweisen und
ihm einzugestehen, dass sie bis dahin eine solche Operation
nicht gemacht hätten, und der Ehrgeiz Hess sie dann manchen
Eingriff ausführen, dem sie auf Grund ihrer Ausbildung nicht
gewachsen waren. Statt dass sich solche Arzte auf die Ver-
sorgung von Verletzungen, auf Amputationen und Resektionen,
Herniotomien, Tracheotomien, Empyemoperationen und viele
andere Eingriffe beschränkten, fühlten sie sich auch be-
rufen, die grosse Chirurgie zu pflegen. Welche Freude, wenn
einmal eine acu^e serös -eitrige Cholecystitis eingeliefert wurde!
Die Operation wurde gewagt, ja, sie musste gewagt werden,
denn was würde der Patient sagen, wenn man ihn zu einem
anderen Chirurgen schicken würde, und wie würde das Kura-
torium des Krankenhauses sich wundern, wenn es erführe, dass
der Arzt ihres Vertrauens noch nicht einmal eine „lumpige"
Gallensteinoperation ausführen könne. Der Erfolg der Operation
war schliesslich meist der, dass doch noch der Transport in ein
grösseres Krankenhaus oder in eine chirurgische Klinik nötig
wurde, wo eine sekundäre Operation die "definitive Heilung
unter schweren Gefahren des Lebens herbeiführte. Meistenteils
aber überstanden die Kranken die erste Operation überhaupt nicht.
Es wäre gewiss ein idealer Zustand, wenn jede kleine
Stadt von 10,000 Einwohnern ein Krankenhaus hätte, in dem
ein Arzt waltete, der die ganze operative Tätigkeit völlig be-
herrschte, und der unterstützt von mindestens zwei Assistenten
sich nur um seine Krankenhauspatienten zu bekümmern brauchte.
Aber wer soll solch' vortrefflich ausgebildete Ärzte derart
honorieren, dass sie standesgemäss leben, ihre Familie anständig
ernähren und für ihr Alter eine kleine Pension ersparen können?
Ob jemals die Zeit heraufdämmert, in der solch' ideale Zustände
herrschen ? Hoifen wir das Beste ! Einstweilen sind wir noch
weit genug- von dem oben geschilderten Ideal entfernt ! Noch
ist die Bauchchirurgie zu sehr in der Entwicklung begriffen,
als dass sie Allgemeingut aller Ärzte werden könnte, und mit
der Gallensteinchirurgie beschäftigen sich zur Zeit ausgiebig
nur wenige Chirurgen, deren Namen bald aufzuzählen sind. Es
wird noch viele Jahre dauern, bis sich auf diesem Gebiete ein
Umschwung vollzogen hat und alle Krankenhausärzte sich mit
diesem Zweige der Chirurgie befassen werden. Wie die -Verhält-
nisse nun einmal liegen — man kann doch unmöglich verlangen,
dass ein spezialistisch gebildeter Chirurg, der 4 — 5 Jahre
Assistent war, in eine kleine Stadt zieht und für 600 M. eine
Krankenhausstelle annimmt ! — scheint es mir das Richtige zu
sein, wenn zwischen Dirigenten kleiner Krankenhäuser und
SpezialChirurgen eine Arbeitsteilung eintritt, wie sie z. B. in
dem Bezirke, in dem ich tätig bin, von ganz allein sich voll-
zogen hat. Es besteht in der Tat zwischen den meisten
Dirigenten kleinerer Krankenhäuser und meiner chirurgischen
Privat -Klinik ein sehr schönes und verständiges Verhältnis.
Überall in der Umgebung, z. B. in Blankenburg, Quedlinburg,
Wernigerode, sind schöne Krankenhäuser erbaut, denen Ärzte
vorstehen, die in der Chirurgie sehr segenbringend wirken. Sie
sind häufig genug gezwungen, eine Stichverletzung der Leber,
einen üarra verschluss operativ anzugreifen, und die Erfolge sind
gut. Aber eine Magenresektion, eine Gallensteinoperation
lehneu sie ab und überweisen solche Kranken dem erfahrenen
SpezialChirurgen. Dadurch handeln sie gewiss mehr im Intei--
esse der Patienten, als wenn sie selbst die ihnen nicht ge-
läufige Operation unternehmen. Ich bin überzeugt, dass diese
Kollegen die Technik der Gallensteinoperation mit der Zeit be-
herrschen lernen ; aber es kommt hinzu, dass ihnen, da sie als
praktische Ärzte eine ausgedehnte Stadtpraxis zu versorgen
haben, die Zeit fehlt, die Nachbehandlung — ich komme
auf diesen überaus wichtigen Punkt noch zu sprechen! — mit
der gehörigen Sorgfalt zu überwachen. Fest angestellte
Assistenten, die im Krankenhaus wohnen, stehen ihnen meist
nicht zur Verfügung, und deshalb handeln sie ganz verständig,
wenn sie im grossen und ganzen auf die Bauchchirurgie ver-
ziehten. Sind doch Kranke mit Carcinom des Magens und
Darms und solche mit chronischer Appendicitis und Oholelithiasis
fast immer gut transportabel. Und wenn einmal in solch' ein
kleines Krankenhaus ein Fall eingeliefert wird, der nicht gut
transportiert werden kann (z. B. eine akute eitrige Cholecystitis
mit starker peritonealer Reizung), so wird der benachbarte Ab-
dominalchirurg auch unter Verzichtleistung auf ein Honorar
gern bereit sein, seinem Krankenhauskollegen mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen. Wo gute kollegiale Verhältnisse herrschen,
da ziehen den grössten Gewinn die Kranken. Schaut der Spe-
zialchirurg mit Geringschätzung auf den Dirigenten eines kleinen
Krankenhauses herab, und ist dieser wieder zu stolz, sich von
einem in der Technik höher Stehenden aushelfen zu lassen, so
muss der Kranke unter diesem unverständigen gegenseitigen
Benehmen schwer leiden.
Auch in der Gallensteinchirurgie ist ein kollegiales Zu-
sammenwirken zwischen praktischem Arzt und Spezialisten von
gTösster Bedeutung. In dem Bezirk, in welchem ich meine
chirurgische Wirksamkeit entfalte, kommt das so recht zur
Geltung. Weil ich jährlich mehr als hundert Gallensteinkranke
operiere, heisst es immer : „In Halberstadt und Umgebung muss
es ganz besonders viel Gallensteinkranke geben!*'* Ganz abge-
sehen davon, dass ca. ^/s der Kranken von weit her, aus aller
Herren Länder, mir zugeschickt werden, glaube ich nicht, dass
in der Provinz Sachsen es mehr Gallensteine gibt als z. B.
in Süddeutschland, aber ich habe die Überzeugung, dass die
Ärzte meines Bezirkes heutzutage viel mehr ihre Aufmerk-
samkeit der Oholelithiasis zuwenden, wie vor zehn Jahren, und
dass sie mit der Zeit gelernt haben, eine bessere Diagnose zu
stellen wie ehedem. Das glaube ich erreicht zu haben durch
zahlreiche Vorträge, die ich in der medizinischen Gesellschaft
zu Halberstadt gehalten habe, und durch die Zusendung von
jährlich erscheinenden Jahresberichten meiner Privat-Klinik.
Auf diese Weise hat sich auf dem Gebiete der Gallenstein-
krankheit ein kollegiales Zusammenwirken hergestellt, welches
schliesslich den Kranken am meisten zu Gute kam. Die Arzte
haben durch die Lektüre der Jahresberichte den Nutzen de.r
operativen Behandlung kennen gelernt und überweisen die Pa-
tienten bei Zeiten meiner chirurgischen Klinik. Gewiss kommt
es immer noch vor, dass Gallensteinkranke an Perforation und
— 9 —
Carcinom zu Grunde gehen, und es gibt auch noch Ärzte in
Halberstadt und Umgegend, die trotz der geringen Mortalität
von 3°/odie Patienten vor der „höchst gefahrvollen" Operation
warnen, aber das sind Ausnahmefälle. In der Regel wird
chirurgische Hülfe aufgesucht zu einer Zeit, wo noch ein guter
Erfolg erzielt werden kann.
Jedenfalls steht fest, dass in Halberstadt wie in der
ganzen Provinz Sachsen sich die Gallensteinchirurgie einer ge-
wissen „Popularität" erfreut. Im Salvatorkrankenhaus zu
Halberstadt, in dem noch vor wenigen Jahren kaum 3—4
Gallensteinoperationen ausgeführt wurden, werden jetzt jähr-
lich ca. 30 solche Operationen vorgenommen, und selbst die
Gynäkologen scheinen anzufangen, für diesen Zweig der Chirur-
gie Interesse zu bekommen. In Amerika findet man schon
lange unter den Gynäkologen zahlreiche Gallensteinoperateure.
Die Gallensteinkrankheit ist ja eine exquisite Frauenkrankheit,
und manche Gynäkologen beschränken eben ihre Eingriffe nicht
nur auf den Uterus und die Adnexe, sondern dehnen sie auch
auf Darm, Magen, Pankreas, Niere, Milz, Leber und Gallen-
blase, schliesslich auf die ganze grosse Bauchhöhle des Weibes
aus. Ob das richtig ist, will ich hier nicht untersuchen. Aber
sicherlich ist es nicht richtig, wenn der Gynäkologe nur so
nebenbei einmal eine Gallenblase operativ angreift, weil gerade
die betreffende Kranke nur zu ihm Vertrauen hat und weil
der Tumor in Abdomine so günstig liegt. Will der Gynäko-
loge auf diesem Gebiete etwas Tüchtiges leisten, so muss er
die Gallensteinoperationen pflegen, damit er auch in diesem Fache
eine ganz besondere Erfahrung bekommt. Denn auf die Technik
kommt es allein nicht an, ohne gediegene Kenntnisse in der
pathologischen Anatomie wird der Operateur nie die Entschei-
dung treffen können, ob eine Cystostomie, eine Ectomie oder
eine Hepaticusdrainage am Platze ist. Was man angreift,
muss man ordentlich vornehmen, nur keine Halbheit.
Ich habe erst vor wenigen Stunden eine Frau operiert,
die ein Gynäkologe vor Jahresfrist wegen Gallensteinen cysto-
stomiert hatte. Ein kleiner, kaum 8 cm. langer Schnitt am
äusseren Rand des rechten Muse. rect. abd. war angelegt und
die Gallenblase am unteren Ende des Schnittes eingenäht wor-
den. Dadurch kam eine Zerrung zu Stande, die die Frau fast
zur Verzweiflung trieb. Ich konnte mich bei der zweiten
— 10 —
Operation überzeugen, dass eine falsche Technik die vor der
Operation bestehenden Steinbeschwerden in viel ärgere Adhä-
sionsbeschwerden umgewandelt hatte. —
Manche Chirurgen haben in Anbetracht der relativ leichten
Ausführbarkeit der Cystostomie den Vorschlag gemacht, dass
der Anfänger sich mit der Fistelanlegung begnügen und nur
der geübte Chirurg die Ectomie vornehmen solle. Ich kann diesen
Vorschlag nicht billigen. Heutzutage sollte sich ein Anfänger
überhaupt nicht mehr in die Gefahr einer Gallensteinoperation be-
geben. Vor 20 und 15 Jahren gab es Anfänger in der Gallenstein-
chirurgie, — ich selbst war ein solcher — heute kann jeder,
der sich mit diesem Zweige beschäftigen will, in vielen Kliniken
sich so ausbilden lassen, dass seine erste Operation nicht mehr
die Operation eines Anfängers, sondern die eines ausgebildeten
Chirurgen ist. Vor lö und 20 Jahren musste es in dem Fache
der Gallensteinchirurgie Autodidakten geben, jetzt ist es nicht
mehr nötig, dass jeder von vorne anfängt, sondern man kann
sich und seinen Patienten viel Lehrgeld ersparen, wenn man
in die Schule eines erfahrenen Gallensteinchirurgen geht. Es
ist also der Satz ,,der Anfänger mag sich mit der Cystostomie
begnügen, der geschulte Chirurg greift zur Ectomie'' nicht zu
billigen. Wer Gallensteinkranke operieren will, muss ein ganzer
Chirurg sein, er muss ebensogut eine Cystostomie wie eine
Ectomie, eine Hepaticusdrainage wie eine Gastroenterostomie
ausführen können. Dabei ist es keineswegs nötig, dass der
gallensteinoperierende Chirurg sich lediglich mit ,, Bauchchirurgie"
beschäftigt; im Gegenteil ich bin ganz andrer Meinung wie
Kuhn-Kassel, der schon öfters den Vorschlag machte, Spezial-
kliniken für abdominelle Medizin zu errichten. Ich persönlich
wäre sehr leicht in der Lage, den Vorschlag Kuh n's, ein Spezial-
sanatori um für Gallensteinkranke zu errichten, zur Ausführung
zu bringen. Ich kenne sowohl die innere Behandlung als auch
die operative bei der Cholelithiasis sehr genau und würde,
wenn ich auch intern zu behandelnde Gallensteinkranke in
meine Anstalt aufnehmen würde, ein Material bekommen, welches
die Zahl von 1000 Kranken pro Jahr sicher erreichte. Und
würde ich gar meinen Wirkungskreis von Halberstadt nach
Berlin verlegen, so würde ich mehr gelbe Gesichter sehen, als
mir lieb wäre. Gewiss muss der Chirurg die raedicamen tose
Behandlung beherrschen und alle notwendigen Anordnungen
— 11 —
selbst treffen können, aber ich bin doch der Meinung, dass es
richtiger ist, wenn sich innere Ärzte und Chirurgen in die
Erkrankungen der Bauchhöhle teilen. Auf einem ganz anderen
Standpunkt steht, wie gesagt Kuhn. Dieser will nämlich die Ab-
dominalmedizin auch als Spezialfach aufgefasst wissen und sagt am
Schluss seiner Auseinandersetzungen (Allg. Internat, med. Rund-
schau No. 4), nachdem er in Vorbemerkungen das Ziel, das er
im Auge hat, klar gelegt hat, folgendes:
„Spülen wir gründlich den Magen, bestimmen seine motorische
Kraft und untersuchen seine Sekrete auf gebundene und unge-
bundene Salzsäure und Fermente, — aber im Bedarfsfalle
beseitigen wir auch im peinlich aseptischen Operationszimmer
eine Stenose oder umgehen sie nach dem genialen Vorschlag
von W ö 1 f 1 e r.
Und wenn Gallensteine die Ursache angeblicher „Magen-
schmerzen", so wollen wir gewissenhaft prüfen, wie schwer und
wie häufig die Anfälle, und wie die wirtschaftliche Lage unseres
Patienten. Und falls es uns ausreichend erscheint, so reden wir
einer alkalischen Kur oder selbst einem Badeaufenthalt das Wort;
sobald aber mechanische Störungen das Krankheitsbild beherrschen,
Steine vermutlich eingeklemmt sind, oder unsere Kranken unter
den häufigen Koliken zu schwer leiden, wollen wir beherzt zum
Messer greifen und dem trostlosen Zustande ein kurzes glück-
liches Ende machen.
Und percutieren wir einen Ascites heraus, so wollen wir
so lange mit Jod oder Schmierseife oder Kalomel vorgehen, bis
wir sehen, dass es nichts nützt: dann aber kommt das Messer.
Kommt ferner der untere Teil des Abdomen in Frage, so
untersuchen wir wohl die Genitalien, aber auch Blinddarm, Dick-
darm und Blase, und wenn wir Frauen vor uns haben, so regulieren
wir erst einmal die fast stets bestehende Obstipation, ob mit oder
ohne Oelkur, und sehen, ob die Schmerzen im Rücken nicht
dem Magen angehören. Dann wollen wir gerne mit dem Ringe
einverstanden sein, zu der Behandlung der Erosionen und
Polypen unsere Zustimmung geben und zu der Kürettage oder
Discision und anderen kleinen Eingriffen raten.
Haben wir endlich das Abdomen offen, so kann die Ver-
legenheit noch wachsen ; schon den besten Diagnostikern ist es
passiert, dass ein vermeintlicher Ascites zum Ovarialtumor sich
— 12 —
entpuppte und eine diagnosticierte Stieltorsion zur Hernia incar-
cerata interna. Was soll dann die Losung sein?
Gynäkologie oder Chirurgie?
Ich für meinen Teil meine:
„Operative Technik",
welcher Disziplin immer sie angehört und in welcher Schule
immer sie erlernt wurde, und diese wollen wir auf unsere Fahne
schreiben,, wenn wir an die Lösung der grossen Fragen der
abdominellen Medizin herangehen wollen/' —
Ganz abgesehen davon, dass mit diesem Vorschlag Kuhn 's
der Gynäkologe wenig einverstanden sein wird , und die
Chirurgie selber sich in zwei Lager teilen müsste, in eine
Chirurgie des Bauches und in eine des übrig bleibenden
Menschen, — halte ich eine solche weitgehende Spezialisiererei
für ein grosses Unglück, nicht nur für den Arzt, sondern
auch für den Patienten. Der Arzt wird einseitig und ver-
gisst über seinem Bauch den Gesamtorganismus. Ich speziell
beschäftige mich mit Vorliebe mit der Bauchchirurgie, aber ich
freue mich immer wieder, wenn ich einmal eine Struma exzidieren,
einen Schädelbruch heilen oder ein Mammacarcinom heraus-
schneiden kann. Ich möchte nicht nur Spezialist für die Bauch-
höhle sein, deren Operationen so viel sorgenvolle Stunden
bringen. Ich gönne mir gerne die Ruhe, die man nach den
Eingriffen an den Extremitäten geniessen kann. Aber das sind
— höre ich einwenden — doch nur egoistische Gründe, welche
bei einer so wichtigen Angelegenheit vollständig in den Hinter-
grund treten müssen. Wenn ich nun diesen Einwand gern
gelten lasse und meine persönlichen Wünsche gern zurückdränge,
so muss ich doch im Interesse der Kranken die Forderung
aufstellen, dass die Behandlung der Bauchhöhlenerkrankungen
auch in Zukunft geteilt bleibt.
Innere Mediziner und Chirurgen müssen sich in ihrer Tätig-
keit gegenseitig ergänzen. Der Eine soll von dem Andern
lernen, der Eine soll den Andern in seiner Indikationsstellung
kontrollieren. Mancher Chirurg braucht für seinen Furor
operativus einen Dämpfer und mancher innere Kollege für seine
Interessenlosigkeit an den Fortschritten der Bauchchirurgie ein
Excitans. Da hilft aber weder das Studium von chirurgischen
Tiehrbüchern noch das Anhören von langen Vorträgen^ sondern
lediglich allein die Zuziehung des inneren Arztes zu den
— 13 —
Operationen. Ich lade die behandelnden Ärzte immer zu meinen
Operationen ein, und jeder war bisher erstaunt, die schreck-,
liehen Verwüstungen zu sehen, welche Gallensteine in der Bauch-
höhle anrichten, und manchem habe ich den Glauben an die
Harmlosigkeit der Cholelithiasis fortoperiert und ihn zu meinen
Ansichten bekehrt. Auf der andern Seite sollte jeder Chirurg
immer wieder in die Schule seines inneren Kollegen gehen, da-
mit er sich genau unterrichtet über die Portschritte, welche auf
dem Gebiete der Magen- und Darmkrankheiten in diagnostischer
und therapeutischer Hinsicht erzielt werden.
Wird die Kuhn' sehe Forderung, Spezialisten für die ab-
dominelle Medizin heran zu bilden, erfüllt, so bleibt ein solcher
Spezialist schliesslich doch ein Innerer oder ein Chirurg. Der
Bauchspezialist, wie ihn Kuhn sich träumt, ist ein Überarzt
im Sinne des Nietzsche' sehen Übermenschen, denn das Wissen
und Können, welches er verlangt, geht in den kleinen Raum
eines menschlichen Schädels gar nicht hinein. Will er gründ-
lich ausgebildet die Leitung einer Bauchklinik übernehmen, so
mttsste er zuvor 20 Jahre Assistent gewesen sein. Der Bauch-
spezialist Kuhn 's müsste in erster Linie ein firmer Gynäkologe
sein, er muss bei Nierenaffektionen die diagnostischen Künste
eines Kümmel 1 und Israel, die Technik eines von Bergmann
und Küster besitzen, die Beurteilung der Magenaffektionen
müsste er genau so gut verstehen wie Boas, Ewald, Leube
und Rosenheim, um schliesslich mit dem Messer bewaffnet als
kleiner Billroth sich zu entpuppen. In der Behandlung der
Gallensteinkrankheiten muss er als Baineologe sich auszeichnen
und in der Anlegung einer Gallenblasenfistel genau dieselbe
Routine haben wie in der Ausführung einer Hepaticusdrainage.
Er muss als Urologe in den Künsten der Cystoscopie und im
Ureteren - Katheterismus bewandert sein, und schliesslich muss
er die vielfachen Nervenstörungen, die sich bei Abdominal-
erkrankungen so häufig einstellen, sicher beurteilen können.
Fürwahr Kuhn verlangt viel. Sein Spezialarzt für abdominelle
Medizin wird schliesslich ein Mensch werden, der „alles weiss
und doch nichts kann", und seine Kliniken werden — und das
ist das Punktum saliens — mehr schaden als nützen. Denn
ist der Leiter einer solchen Klinik von chirurgischem Geist be-
seelt, so wird er sich bei einer Pylorusstenose nicht erst lange
mit Magenspülungen und Diät aufhalten, wie der innere Arzt,
— 14 —
der gewohnt ist geduldig- auszuharren, bis der ersehnte Erfolg
ihm bescheert wird; er wird schon nach wenigen Wochen zum
Messer greifen, weil er weiss, welchen zauberhaften Erfolg eine
Gastroenterostomie bei der Pylorusstenose bringt. Und wenn
er aus seiner Assistentenzeit die Segnungen der Gallenstein-
chirurgie kennt, wird er nicht erst lange mit Thermophor, Mor-
phiumspritze und Karlsbader Salz seinen Patienten traktieren,
sondern er wird möglichst bald das Abdomen eröffnen. Und
umgekehrt droht, falls der Leiter einer Kuhn'schen Spezial-
bauchklinik nicht blutfest, sondern operationsscheu ist, die Ge-
fahr, dass die innere Behandlung allzu lange fortgesetzt und
der richtige Zeitpunkt zur Operation verpasst wird. So bin
und bleibe ich der Ansicht, dass der innere Arzt und der
Chirurg sich in die Behandlung der Bauchhöhlenerkrankungen
zu teilen haben, und wenn ich mir persönlich auch genug Ob-
jektivität zumute, um die inneren und chirurgischen Indikati-
onen streng auseinander zu halten, so verspreche ich mir doch
für die Behandlung der Gallensteinkranken einen grösseren
Gewinn, wenn innere Ärzte und Chirurgen jeder für sich die
Diagnostik der Cholelithiasis zu verbessern und die Indikations-
stellung zu verfeinern suchen, um schliesslich gemeinschaftlich
gegen die Krankheit vorzugehen. Es wäre traurig um den
Innern Mediziner bestellt, wenn er immer sofort bei jeder
Kolik Hilfe und Kat beim chirurgischen Kollegen aufsuchen
müsste. Aber sobald er merkt, dass er mit seiner Therapie
nicht vorwärts kommt, und die Krankheit in ein „chirur-
gisches Stadium" übertritt, dann darf er auch nicht mit der
Hinzuziehung eines erfahrenen Gallensteinchirurgen länger
zögern.
Übernimmt dieser dann die Behandlung, dann soll er
nicht vergessen, dass, um ein guter Gallensteinchirurg zu sein,
mehr nötig ist, als gute Technik. Denn der moderne Chirurg
ist heutzutage nicht mehr der Kunsthandwerker, an dem man
die Eleganz der Schnittführung und die Geschwindigkeit der
Finger schätzt; der Chirurg wird nicht mehr geachtet, der
weiter nichts ist als ein guter Techniker. Ernst von Berg-
mann sagt ganz richtig: „Es ist ja jedem Ciiirurgen bekannt,
wie viel er ungescheut und ungestraft operieren kann, aber es
bedarf wissenschaftlicher Begründung in kritischer Untersuchung,
damit die Arbeit des geschickten Künstlers aucii vor dem Urteil
— 15 —
des gelehrten Chirurgen bestehe und gelte." Gerade von einem
Gallensteinchirurgen fordern wir, dass er ein guter pathologischer
Anatom und ein scharfer Diagnostiker ist,, und dass er seine
Indikationen exakt und strikte stellt. Leichtensterns Vor-
wurf, ,,dass der Chirurg sich bekanntermassen am wenigsten
um die diagnostischen Feinheiten des Mediziners zu kümmern
pflegt", sollten wir Chirurgen nicht auf uns sitzen lassen,
jeder Gallensteinchirurg soll vielmehr danach streben , auch
ein guter innerer Arzt zu sein : er muss wissen, wie die
Gallensteinkrankheit unter dem Eintluss innerer Mittel z. B.
einer Karlsbader Kur verläuft, er muss eine genaue Kennt-
nis der pathologisch-anatomischen Veränderungen besitzen, die
sich bei den Koliken am Gallensystem abspielen. Auf Grund
dieser Kenntnisse stellt der Chirurg seine Diagnose und bestimmt
die Therapie. Anatomische und physiologische Studien über
den Bau der Gallenwege und ihre Funktionen setzt man als
selbstverständlich voraus. Aber gerade das, was als selbst-
verständlich gilt, wird nicht immer erfüllt.
Unter allen Umständen soll jeder Arzt, der an eine
Gallensteinoperation herantritt, sich der grossen Verantwortung
bewusst sein, die er damit übernimmt; er muss die Technik
der Bauchchirurgie von A bis Z beherrschen. Fehlen ihm die
nötigen Kenntnisse in der Pathologie und pathologischen Ana-
tomie der Cholelithiasis, so handelt er richtiger, wenn er die
Hände von der Operation lässt.
Soll ich noch die anderen Eigenschaften schildern, die
einen Gallensteinchirurgen zieren müssen '? Da sind die extrem-
sten Tugender, die sich scheinbar gegenseitig ausschliessen,
nötig : eiserne Ruhe, wenn in der Tiefe die Ligatur von
der Arteria cystica abgleitet oder gar die Vena portarum
einen klaffenden Riss zeigt; rasches Handeln, wenn es gilt,
dem gewaltigen Blutstrom Einhalt zu tun ; oft ist Zartheit,
oft Rücksichtslosigkeit am Platze, langsames vorsichtiges
Vorgehen wechselt iMt kühnen Angriffen fortwährend ab.
Schliesslich muss ein Gallensteinoperateur ein gesunder Mensch
sein, und nervöse Ärzte sollten sich von solchen Operationen
fern halten. Bei der Nachbehandlung muss man unendlich
viel Geduld mit sich und seinen Patienten haben. —
Zu einer Operation gehören aber mehr Leute als der
Arzt, der das Messer führt und mit der Kornzange die Steine
- 16 —
entfernt. Ohne gute Assistenz ist eine Gallensteinoperation
ein sehr schwerer und oft unmöglicher Eingriif. Und wenn
die Assistenten in der Technik der Operation und in der patho-
logischen Anatomie der Krankheit nicht ebensogut Bescheid
wissen wie der Operateur selbst, so wird man selten einen
vollen Erfolg erzielen. Manche Chirurgen haben es an sich,
dass sie sich von dem Arzt assistieren lassen, der gerade den
Patienten in die Klinik bringt. Das soll kollegial sein, bringt
aber den Patienten oft in die grösste Gefahr, und die Forderung
„Aegroti salus suprema lex" wird durch dieses Verfahren nicht
gerade befolgt. Denn nicht jeder Arzt ist in der Asepsis so geschult,
dass man sich auf ihn in jeder Beziehung verlassen kann.
Auch die Asepsis lernt man nur durch tägliche fortdauernde
Übung. Aber wie viele Landärzte haben denn Gelegenheit, täg-
lich Asepsis zu treiben ? Den Verständigeren unter ihnen fällt es
deshalb auch gar nicht ein, sich zur Operation zu drängen,
sie sind froh, wenn der Chirurg seinen eigenen Assistenten
hat und sie selbst zusehen dürfen. Zudem ist es dringend
nötig, dass der assistierende Kollege in der pathologischen
Anatomie der Cholelithiasis ausreichende Kenntnisse besitzt,
damit er den Operateur in seinen EntSchliessungen unterstützen
kann. In den Fällen, in denen die Cholelithiasis durch intra-
peritoneale Eiterungen kompliziert ist, kann ein unerfahrener
Assistent durch ungeschicktes Assistieren und durch unvor-
sichtige Handgrifie grossen Schaden anrichten. Ich nehme
meine Gallensteinoperationen nur vor mit einem Assistenten, der
durch längeres Zusehen meine Operationstechnik kennen ge-
lernt und durch genaues Studium der Krankengeschichten sich
mit dem Wesen der Cholelithiasis vertraut gemacht hat. Ich
verfüge über zwei Assistenten. Tritt ein Wechsel ein (ge-
wöhnlich ist das am 1. Oktober der Fall), so engagiere ich den
neuen Assistenten bereits für den 1. September, damit derselbe
im Verlaufe dieses Monats als Hospitant Gelegenheit hat, sich
in jeder Beziehung zu orientieren. BeÄ^der ersten Gallenstein-
operation, bei welcher der neue Assistent dann assistiert, ist
er eben kein Neuling mehr, sondern weiss schon genügend Be-
scheid. Während eines Monates hat auch jeder Gelegenheit
genug, die von mir geübte Asepsis sich so anzueignen, dass er
meinen Anforderungen entspricht ; denn das Haupterfordernis
— 17 —
2um Gelingen einer Gallensteinoperation liegt in einer mit
peinlichster Gewissenhaftigkeit durchgeführten Asepsis.
Ehe ich zu einer genauen Schilderung der von mir geübten
Asepsis übergehe, will ich kurz die Frage erledigen: wo man
Gallensteine operieren soll, im Krankenhause oder in der
Privatwolmung des Patienten? Ich werde dieser Frage noch
bei der Nachbehandlung näher treten, will aber hier schon
-einige Worte darüber sagen.
Mit gutem Willen lässt sich eine gute Asepsis überall
-durchführen, gleichgültig, ob ich in der ärmlichsten Bauern-
hütte oder zwischen den Kachelwänden eines modernen Ope-
rationssaales zum Messer greife. Wasser zum Auskochen der
Instrumente gibt es überall, eine Feuerstelle finden wir beim
-ärmsten Feldarbeiter, und das Verbandzeug kann man in Tonnen
sterilisiert mit sich führen. Zu einer Gallensteinoperation ge-
hört aber gutes Licht, und da dieses in den niedrigen engen
Stuben der Landbevölkerung fehlt, verbietet es sich von selbst,
eine solche Operation hier vorzunehmen. Ganz anders liegen
die Verhältnisse bei der wohlhabenden Bevölkerung in der Stadt,
wo man den Salon leicht in ein Operationszimmer umwandeln
kann. Aber der Frau des Hauses tut man damit keinen grossen
Gefallen : die Gardinen müssen herunter, und der Parkettboden
wird auf immer ruiniert. Das spielt indessen keine Rolle, wenn
es gilt, durch eine Operation die Gesundheit wieder herzu-
stellen.
Wenn ich also zugebe, dass in der Privatwohnung eines
gut situierten Patienten eine Gallensteinoperation in Bezug auf
<lie Asepsis sich tadellos durchführen lässt, vielleicht hier
noch besser, wie in dem von pathogenen Bakterien gefüllten
Krankenhause, so operiere ich doch lieber in meiner Klinik,
weil hier die Nachbehandlung sich besser bewerkstelligen lässt,
wie in der Wohnung des Kranken. In bestimmten Fällen habe
ich gegen . eine Hausoperation nichts einzuwenden. Wo der
Transport unmöglich ist oder schaden könnte, kann man dem
Wunsch, die Operation an Ort und Stelle vorzunehmen, gewiss
naclikommep. Aber ein Transport ist eigentlich jetzt bei unseren
trefflichen Verkehrsmitteln fast immer möglich. Das Tragen
auf der Tragbahre, der Transport durch Krankenwagen und
auf der Eisenbahn schaden auch bei peritonealer Reizung so gut
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. ^
— 18 --
wie nichts, und deshalb bleiben nur wenige Fälle übrig, bei denen
man zugeben muss, dass nur eine Hausoperation in Betracht
käme. Der Nutzen einer Operation kommt oft erst bei der
Nachbehandlung zu Tage; darüber werde ich mich bei dem
Kapitel „Nachbehandlung** eingehend äussern.
Ich benutze zu meinen Gallenstein-Operationen einen be-
sonders für aseptische Eingriffe bestimmten Raum. Ich verfüge
noch über ein zweites Operationszimmer, in dem ich die eitrigen
Fälle behandle und die Verbandwechsel vornehme. Wenn man
auch mit einem einzigen Operationsraum auskommen kann,
so hat es doch grosse Vorteile, wenn man über zwei solche
Zimmer verfügt.
Mein aseptisches Operationszimmer ist Winter und Sommer
gut durchwärmt, ein Radiator der Warmwasserheizung spendet
so viel Wärme, dass weder Patient noch Arzt zu frieren brauchen.
Das Thermometer zeigt gewöhnlich 24" Celsius. Die Wände
des Operationszimmers sind mit weissen Kacheln und der Fuss-
boden mit Fliessen bedeckt. Durch heisses, aus der Zentral-
heizung entnommenes Wasser kann der Wärter, der die Rei-
nigung des Operationsraumes zu besorgen hat, Wände und
Fussboden, auch die mit Emaillefarbe gestrichene Decke des
Zimmers gründlich abspülen. Zur W^aschung der Hände sind
drei grosse Porzellanbecken vorhanden, welche die Firma Lau-
tenschläger in Berlin geliefert hat, und die eine weitgehende
Asepsis ermöglichen. Der Abfluss des heissen und kalten
Wassers kann durch eine mit dem Fuss zu regulierende Vorrich-
tung bewerkstelligt werden, der Zufluss wird mit dem Ellen-
bogen hergestellt.
Am Tage vor der Operation wird der Operationsrauiu
gründlich gereinigt, Wände und Fussboden mit heissem W^asser
abgeschwemmt. Über Nacht bleibt das Operationszimmer vei-
schlossen, damit kein Unbefugter es betritt. Ehe es am Morgen
geöffnet wird, entledigen wir uns des Rockes und der Weste^
legen über efne weisse Leinenschürze eine Gummischürze an
und stecken zum Schutz vor Nässe unsere Füsse in Holzpan-
toffeln, wie sie der Schmied trägt. Dieselben sind besser wie
Gummischuhe, in denen die Füsse nicht ausdunsten können.
Man steht auf dicken Holzsohlen und ist mehr vor der Einwirkung^
der Feuchtigkeit geschützt wie in Gummischuhen. Ausserdem sind
— 19 —
die Holzpantoffeln billiger und dauerhafter wie Gummischuhe. In
diesem Anzug betreten wir, d. h. der Operateur, zwei Assistenten,
die die Instrumente reichende Schwester und der Wärter, das
Operationszimmer und beginnen mit den eigentlichen aseptischen
Vorbereitungen. Ein vorheriges Bad wird keinem Operateur
schaden, aber vor jeder Laparotomie zu baden, ist eine über-
triebene Forderung. Ein vielbeschäftigter Laparotomist käme
ja kaum aus der Badewanne heraus. Wir verlangen von einem
Chirurgen nur dieselbe Reinlichkeit am Körper, die wir von
jedem anständigen Menschen verlangen.
. In einem Punkt der übertriebenen Reinlichkeit dagegen
können wir uns gar nicht genug tun, er betrifft die Waschung
der Hände.
Dieselbe wird mit möglichst heissem Wasser vorgenommen
und dauert ca. 20 Minuten. Ich verwende Bürsten, die vor
jeder Operation ausgekocht und dann in Sublimatlösung gelegt
werden. Die Bürste ist mir ein sehr lieber Freund und nicht
wie Schleich sagt „unser ärgster Feind, der borstige Be-
herrscher der aseptischen Situation''. Die Bürste muss recht
scharf sein, man muss bei ihrer Verwendung einen gewissen
Luxus treiben: mehr als 3 oder 4 Laparotomien sollte keine
Bürste mitmachen. Ich lasse 6 Bürsten vor jeder Operation
auskochen und gebrauche bei der Händedesinfektion zur
mechanischen Reinigung eine Bürste, zur Desinfektion mit
Alkohol eine zweite. Ich beginne die Waschung zur gleichen
Zeit wie meine Assistenten; auf diese Weise findet eine
gegenseitige Kontrolle statt. Als Seife benutze ich eine
gut schäumende Mandelseife. Ehe ich die Waschung beginne,
wird jeder Nagel mit einem Messer abgekratzt, der Nagelfalz
durch den Braatz' sehen Reiniger zurückgeschoben und dem
subungualen Raum besondere Aufmerksamkeit zugewendet.
Wenn wir 5 Minuten lang unsere Hände mit Seife und Bürste
traktiert haben, wobei wir immer das fliessende Wasser ver-
wenden, wird noch einmal eine gründliche Nägelreinigung vor-
genommen, und mit dem Messer w^erden etwaige Schuppen aus der
Hohlhand und zwischen den Fingern weggeschabt. Dann kehren
wir zur weiteren Waschung mit heissem Seifenwasser zurück.
Sind 20 Minuten vergangen, so tauchen wir unsere Hände in
Seifenspiritus, der in einer ausgekochten Schüssel vorrätig ge-
halten wird. Die Waschung im Seifenspiritus dauert 5 Minuten.
— 20 —
Nun legen wir die bis dahin gebrauchten Bürsten fort und
vollenden mit neuen Bürsten die Waschung in absolutem
Alkohol, welcher aus dem Braatz' sehen aseptischen Wasch-
tisch über unsere Hände träufelt. Zuletzt spülen wir die Hände
mit physiologischer Kochsalzlösung ab. Bis zum Beginn der
Operation bearbeite ich meine Hände, besonders die Finger-
spitzen mit sterilen Gazeläppchen, die mit Alkohol getränkt
sind, und es vergehen also ca. 40 Minuten, ehe ich das Messer in
die Hand nehme.
Kurz bevor wir zur Desinfektion mit absolutem Alkohol
übergehen, ziehen wir frisch sterilisierte Mäntel an, deren
Ärmel bis zum Ellenbogengelenk reichen und den Körper ringsum
bedecken. Die Mäntel entnimmt ein Jeder selbst der Schimmel-
busch'schen Tonne. Das Knoten der Bänder am Rücken be-
sorgt der Wärter, das Knoten der Armbänder gegenseitig die
bereits sterilisierten, bei der Operation beteiligten 3 Personen
(Operateur, Assistent, Instrumentenreicherin).
Gegen das Schwitzen, das ich besonders sehr liebe, tragen
wir Kopftücher, aus zweifacher Lage Gaze bestehend. Die-
selben saugen gut auf und verhüten das Herunterfallen der
Schweisstropfen.
Gesichtsmasken, Gummi- oder Zwirnhandschuhe benutze
ich bei meinen Gallensteinoperationen nicht; der Direktor einer
chirurgischen Universitätsklinik, der viel mit eitrigen Aftekti-
onen zu tun hat, mag derartige Vorsichtsraassregeln für nötig
halten. Ich habe im Durchschnitt täglich nur zwei Operationen
und hüte mich nach Möglichkeit, mit Eiter in Berührung zu
kommen.
Bei Eröffnung von Abszessen ziehe ich Gummihandschuhe
an, und bei Verbandwechseln kommen meine Finger weder mit
der Wunde noch mit den Verbandstücken in Berührung. Auch
meine Assistenten dürfen nur mit Instrumenten einen Verband-
wechsel vornehmen. Selbst mein Personal ist angewiesen, sicii
von allen mit Sekret durchtränkten Verbänden fern zu halten.
Dass ein Arzt mit einem Panaritium das Operieren unterlässt,
ist eine so selbstverständliche Forderung, dass icii darüber
nichts weiter zu sagen brauche. Ebenso bei Angina, akutem
Schnupfen ruht er sich besser aus, als dass er seine Patienten
der Gefahr einer immer möglichen Infektion aussetzt. Über-
— 21 ~
haupt, fühlt sich der Operateur nicht ganz wohl, sollte er so
schwierige und angreifende Operationen, wie die meisten Gallen-
steinoperationen sind, nicht unternehmen.
In der Zeit, die zwischen den Operationen liegt, ist der
Pflege der Hände die grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Und Kocher hat nicht Unrecht, wenn er darauf hinweist, dass
man Handschuhe in der Zeit zwischen den Operationen tragen,
bei Beginn derselben aber ausziehen sollte. Bei der Pflege der
Hände hat sich mir sehr das Kaloderm bewährt, welches nach
jeder Operation in die feuchten Hände eingerieben wird und
die Sprödigkeit der Haut wesentlich vermindert.
Sublimat gebrauche ich bei meinen Waschungen nicht, es
macht die Hände bei den meisten Chirurgen rauh und rissig
und verhindert dadurch geradezu die Durchführung der Asepsis.
Wenn unsere Händedesinfektion beendet ist, wird der
Patient in das Operationszimmer gefahren, auf den Tisch ge-
legt, in warme Decken gewickelt, und nun beginnt sofort die
Narkose. Nicht selten wird diese, worauf wir noch zurück-
kommen, bei sehr ängstlichen Kranken in einem Vorraum be-
gonnen, damit der Kranke nichts von dem „schrecklichen" Ope-
rationszimmer zu sehen bekommt.
Die Frage, welche Art der Narkose bei einer Gallensteiu-
operation den Vorzug verdient, werde ich in einem späteren
Kapitel dieses Buches (siehe allgemeine Technik) beantworten.
Erst wenn die Narkose gehörig tief ist, wird der Kranke
richtig gelagert. Auch darüber werde ich in dem Abschnitt
„Allgemeine Technik" die notwendigen Bemerkungen machen.
Hier sei nur im Interesse einer guten Asepsis darauf hinge-
wiesen, dass keine der sterilisierten Personen, weder Ope-
rateur noch Assistent sich mit der Lagerung des Kranken
befasst, sondern dass diese allein der Wärter besorgt. Das
ist eigentlich selbstverständlich, und doch habe ich oft genug
in anderen Krankenhäusern und Kliniken gesehen, wie der
bereits gewaschene und in einen sterilen Mantel eingehüllte
Operateur bei der Lagerung des Kranken behilflich war. Da-
durch wird natürlich jede Asepsis illusorisch. In meiner
Klinik hat sich nur der Wärter mit der Lagerung des Kran-
ken zu beschäftigen. Er schiebt das Hemd desselben vorn
und hinten nach oben bis an Hals und Nacken, indem er es
— 22 -
nach innen einrollt, wodurch es vor Durchfeuchtung von
Wasser und Blut behütet wird. Fast niemals ist es nötig,
dass nach der Operation der Patient der immerhin umständ-
lichen Prozedur des Neuanziehens eines Hemdes unterworfen
wird. Die Hemdärmel des Kranken werden bis zur Mitte des
Oberarmes hoch geschoben und eingerollt. Die Ellbogen wer-
den in Watte gewickelt, um einer Drucklähmung des nervus
ulnaris aus dem Wege zu gehen. Unter den Rücken des
Kranken wird eine feste Rolle gelegt von ca. 30 cm. Durch-
messer, wodurch Gallenblase und Gallengänge mehr dem Niveau
der Bauchdecken genähert werden. Die Beine des Patienten
werden in warme Decken gewickelt, die auf dem Heiz-
körper der Zentralheizung vorgewärmt sind, und nun beginnt
der Wärter nach gründlicher Rasur der Schamhaare die Rei-
nigung der Bauchhaut mit Seife, heissem Wasser und Bürste
und Seifenspiritus.
Doch ich will nicht vorgreifen! Die Vorbereitungen des
Operateurs und seiner Assistenten sind indes mit denen des
Patienten — besonders was die aseptischen Massnahmen an-
langt! — so eng mit einander verknüpft, dass es nicht auf-
fallen 'kann, wenn dieser und jener Punkt bereits schon jetzt
zur Sprache kam.
Da jedoch die Vorbereitungen des Kranken nicht nur die
Asepsis, sondern viele andere wichtige Dinge betreffen, sollen
in einem besonderen Kapitel — dem folgenden Abschnitt —
die Vorbereitungen des Kranken im Zusammenhang besprochen
werden, wobei es natürlich nicht ausbleiben wird, dass ich auf
diesen oder jenen bereits besprochenen Punkt kurz zurück-
kommen muss.
II. Die Vorbereitungen des Kranken.
Ich will nicht weiter von jenen Vorbereitungen sprechen,
die darauf hinausgehen, den Verzagten aufzurichten und ihm
Mut einzuflössen; doch soll man die psychische Vorbereitung
nicht vergessen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass ein
Mensch, der mit recht grossen Hoffnungen und viel Vertrauen
an eine Operation herantritt, den Eingriff besser verträgt, wie
ein kleinmütiger und furchtsamer Kranker. Woran das liegt, das
vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht wird die grössere Ängstlich-
— 28 —
keit bedingt durch den schwereren Grad der Erkrankung oder
durch eine schlechte Beschaffenheit des Herzens, auch spielt
das Nervensystem in dieser Hinsicht gewiss eine grosse Rolle.
Gerade deshalb kann die ganze Persönlichkeit des Arztes, die
Umgebung des Kranken, die Einrichtung der Klinik dazu bei-
tragen, die Schrecken der bevorstehenden Operation wesentlich
zu mindern. Das wird nicht erreicht, wenn es überall im
Haus, auf den Korridoren und im Krankenzimmer nach Lysol,
Chloroform , Carbol und Jodoform riecht und der Patient da-
durch auf Schritt und Tritt an die kommende Operation er-
innert wird. Das Operationszimmer muss so liegen, dass es
womöglich gar kein Patient vorher zu Gesicht bekommt. Die
allzu krankenhausmässige Einrichtung der Krankenzimmer
liebe ich nicht ; in einem Krankenzimmer muss eine gewisse
anheimelnde Gemütlichkeit herrschen, wobei doch die Prin-
zipien der Hygiene streng gewahrt sein können. Wie oft sieht
man aber Krankenzimmer ähnlich eingerichtet wie aseptische
Operationszimmer, auf dem Fussboden Terrazzo , an den Wänden
Kacheln ; eine Wandtafel mit irgend einem frommen Spruch soll
Abwechselung bringen in die schreckliche Eintönigkeit. In
einem solchen Raum kann sich kein Kranker wohl fühlen, im
Gegenteil, er wird aus dem Hause, in dem er Heilung von
schweren Leiden erhoffte, sich fortsehnen. Ein Arzt vergiebt
sich gewiss nichts, wenn er auf das Gemütsleben seiner Kranken
Rücksicht nimmt.
Ebenso soll man bei den Vorbereitungen nicht vergessen,
durch häufige Untersuchung des Kranken und durch eine genaue
Beobachtung desselben recht sorgsam zu erwägen, ob der Patient
auch im Stande sein wird, die Gefahren der Operation und der
Narkose zu bestehen. Es genügt nicht, allein Leber und Gallen-
blase genau zu untersuchen, der Arzt muss über den Zustand
des Herzens, der Lunge und der Nieren des Patienten orientiert
sein und darf keine Untersuchungsmethode versäumen, die ihm
ein Urteil über den Zustand des Gesamtorganismus seines
Kranken erlaubt. Der Chirurg sei also — worauf ich bereits
im vorigen Kapitel hinwies — vor der Operation mehr innerer
Arzt wie Operateur. Weiterhin kann man sich gar nicht oft
genug daran erinnern, in der Indikationsstellung zur Operation
recht gewissenhaft zu Werke zu gehen, damit man in diesem
Punkte der Vorbereitung ja nichts versäumt. Eigentlich ge-
— 24 —
hören solche Erörterungen in das vorangehende Kapitel, doch
erwächst keinem Gallensteinoperateur ein Schaden, wenn er
immer und immer wieder an die grosse Verantwortung erinnert
wird, die ihm der Kranke, der sich seiner Hand und seinem
Messer anvertraut, auferlegt.
Die auf den Körper des Kranken sich erstreckenden Vor-
bereitungen beziehen sich nur auf folgende Punkte :
Der Patient muss möglichst rein zur Operation kommen.
Ich gebe gewöhnlich 2 — 3 Reinigungsbäder. Der betreifende
Wärter resp. die Wärterin müssen lange Zeit besonders die
Bauchhaut mit Seife, heissem Wasser und Bürste traktieren,
die Schuppen mit Aether entfernen und besonders den Feind
des Bauchchirurgen, den Nabel, mit besonderer Aufmerksamkeit
behandeln. Patienten, in deren Nabeltiefe noch Schmutz liegt,
sollten nicht auf den Operationstisch kommen, und doch macht
man immer wieder die Beobachtung, dass selbst vornehme Damen
den alten Schmutz in der Nabelhöhle geradezu konservieren.
Die Wärterin hat oft ihre liebe Not, solche Patienten zu über-
zeugen, dass der Schmutz nun endlich mal heraus befördert
werden muss. Nicht selten ist es nötig, mit Aether die alten
eingetrockneten Massen loszulösen und mit einer Pincette mecha-
nisch zu entfernen. Der Patient bleibt je nach seinem Befinden
10 — 20—30 Minuten im Bad, wird dann in das Bett gefahren
und erhält dort einen Alkoholumschlag um den Bauch. Es
werden ihm mit Alkohol getränkte Gazekompressen aufgelegt,
darüber kommt ein engschliessender Verband von Watte,
der durch eine Cambricbinde befestigt wird. Sublimatumschläge
halte ich für bedenklich, da man niemals vorher wissen
kann, ob nicht eine allzugrosse Reizung der Haut sich ein-
stellen wird.
Jede körperliche Anstrengung und gemütliche Aufregung
ist von dem Kranken fernzuhalten. Viel Spazierengehen schwächt
und ist zu unterlassen, der Patient soll meist auf der Chaise-
longue oder auf dem Bett sich ausruhen, und oft muss man
den lang entbehrten Schlaf durch ein gutes Schlafmittel herbei-
zuführen suchen. Das notwendige und gerade beim Gallenstein-
leiden so wichtige Krankenexamen zwecks Aufnahme einer
Anamnese dehne man nicht zu lange aus, sondern verteile das-
selbe auf die einzelnen Tage, die der Operation vorausgehen.
ZO —
Angehörige sind, wenn irgendwie möglich, fernzuhalten ; ich
lasse niemals einen Angehörigen des Kranken zur Pflege zu.
Ihm fehlt die Objektivität. Zumeist haben sie nie gesehen,
wie ein Laparotomierter aussieht. Bekommt dieser Erbrechen,
so läuten sie Sturm, und müssen sie gar einmal dabei sein,
wenn dem allzu häufig Brechenden der Magen ausgespült
werden muss, so regen sie sich ganz gewaltig auf und über-
tragen diese Aufregung auf den Operierten. Die Angehörigen
erhalten erst am dritten Tage post op. Zutritt, wenn die Haupt-
gefahren der Operation überwunden sind, und der weitere
Verlauf sich voraussichtlich günstig gestalten wird. Selbstver-
ständlich lasse ich die Angehörigen auch eher zu, wenn es dem
Kranken schlecht geht und kein guter Ausweg zu erwarten ist.
Es ist oft nicht leicht, hier das Richtige zu treffen, und nur
bei ganz verständigen Angehörigen wird man in dieser Be-
ziehung keine Unannehmlichkeiten haben.
Jeder Gallensteinoperierte erhält schon 24 Stunden vor der
Operation seine Pflegerin zuerteilt, damit er sich an die fremde
Person gewöhne. Zwei Pflegerinnen lösen sich alle 24 Stunden
ab : mehr als einen Tag und eine Nacht kann niemand so rüstig
bleiben, dass er die Aufgaben einer guten Pflege gewissenhaft
erfüllen kann.
Das Personal in der Klinik hat die strikte Weisung, über
die Vorgänge in derselben (Operationen, Sterbefälle) Still-
schweigen zu bewahren. Da das Personal sich meist aus
Weibern zusammensetzt, ist es nicht leicht, die oft recht
lockeren Zungen immer in der notwendigen Ruhe verharren zu
lassen. Doch gibt es auch unter dem männlichen Personal
„Klatschmäuler" genug 1
Die Diät des Kranken sei kräftig, da ja die Operation
mit dem nie zu vermeidenden Blutverlust immer einen schwä-
chenden Einfluss auf den Organismus des Kranken ausübt ;
doch darf der Patient keine feste Nahrung zu sich nehmen, da
in dem Augenblick der Operation Magen und Darm möglichst
leer sein müssen.
Ich gebe 48 Stunden vor der Operation nur flüssige Kost,
Suppen mit Ei, Kaffee, Tee, Milch, Wein etc. und lasse alle
festen Speisen fort.
— 26 —
Zwecks Entleerung des Darmes bekommen die Patien-
ten, wenn nicht besondere Kontraindikationen (Ileus, lokale
Peritonitis) dies verbieten, ausnahmslos Ricinusöl. Die scharfen
Abführmittel vermeide ich, da sie die Darmschleimhaut zu sehr
reizen. Ricinusöl (2 Esslöflfel mit Bier gequirlt) ist ein gross-
artiges Gretränk, welches Niemand verweigert. Selbst Anti-
alkoholiker verschmähen nicht den ans Bier und Ricinus zu-
sammengesetzten Trank. Ricinuskapseln nehmen sich viel
schlechter ein.
Bei Frauen mit Enteroptose wird mit Einlaufen von
warmem Seifen wasser, Olivenöl- und Glycerinklystieren nachge-
holfen, da man sonst gefasst sein muss, bei der Operation im
Colon und Cöcum oft noch recht feste Scybala vorzufinden.
Die gründliche Entleerung des Darras ist sehr sorgfältig vor-
zunehmen, da bei leerem Darm die Operation viel leichter ist
und der Verlauf sich günstiger gestaltet. Hat der Patient
nicht gründlich abgeführt, so bekommt er viel eher Meteoris-
mus und muss sich mit den Blähungen oft recht plagen. Es
kommt hinzu, dass der Chirurg nicht selten bei einer Gallen-
steinoperation zu gleicher Zeit Eingriffe am Darm (Appen-
dicitis, Darmfi.steln) vornehmen muss, zu deren aseptischer
Durchführung an und für sich schon eine gründliche Ent-
leerung des Darmes notwendig erscheint. Langenbuch hat
zwecks Verhütung der Darmaufblähung Wismuth gegeben ;
ich habe das nie getan.
Wie der Darm, so muss auch der Magen völlig leer sein,
sobald der Patient auf den Operationstisch kommt. Ich er-
reiche das durch zwei Massnahmen :
Erstens darf der Patient 6 Stunden vor der Operation
nichts mehr zu sich nehmen, auch keine Flüssigkeit mehr.
Zweitens spüle ich den Magen mehrere Male vor der Opera-
tion gründlich aus. Dabei verfolge ich zwei Zwecke. Einer-
seits kann man nie wissen, ob man nicht auf eine Gallenblasen-
magenfistel trifft, deren Beseitigung geboten erscheint. Die
Zerstörung einer solchen Fistel kann aber ein Einfliessen von
Mageninhalt in die Bauchhöhle nach sich ziehen. Ist der
Magen vor der Operation gründlich ausgewaschen, so ist mit-
dem Einfliessen keine allzu grosse Gefahr verbunden. Ich lasse
also nach der letzten Magenspülung, die am Vorabend der
r
— 27 -■
Operation vorgenommen wird, den Patienten die Nacht über
hungern und gestatte ihm nur bis morgens 4 Uhr etwas
Wasser oder Milch zu sich zu nehmen, dann ist, wenn die
Operation gegen 9 oder 10 Uhr stattfindet, der Magen
sicher leer.
Andererseits ist es nicht selten, dass der Patient nach der
Operation Erbrechen bekommt, dem man, wenn es sich wieder-
holt, am besten durch eine Magenspülung Einhalt gebietet.
Die Einführung der Magensonde ist aber keine besondere An-
nehmlichkeit, selbst in gesunden Tagen. Ein Laparotomierter
hat an und für sich Schmerzen in seiner genähten Bauchwunde,
und wenn nun gar durch Einführung der bis dahin nicht ge-
wohnten Schlundsonde Würgen und Erbrechen hervorgerufen
wird, so werden die Schmerzen erheblich gesteigert. Deshalb
gewöhne ich die Patienten an das Instrument, damit sie bei der
notwendigen Einführung nach der Operation nicht zu sehr zu
leiden haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Niemand
sich dieser prophylaktischen Applikation der Schlundsonde
widersetzt, wenn man ihm die Gründe dieser Massnahme richtig
darlegt.
Natürlich fällt die Magenspülung ebenso wie das Baden
und das Abführen fort, wenn Patient erheblich geschwächt ist,
hoch fiebert, Magenblutungen hat etc. ; statt Rizinus zu geben,
begnüge ich mich dann mit einem gewöhnlichen Wassereinlauf
und statt des Badens beschränke ich die Reinigung auf die
Bauchhaut, doch darf sie an Gründlichkeit nichts zu wünschen
übrig lassen. (No. 157.)
Wi tzel legt ein grosses Gewicht auf die Pflege der Zähne
bei seinen Patienten, damit von Seiten der Lungen nach der
Operation keine unangenehmen Störungen durch infizierten Speichel
entstehen. Ich kann ihm in dieser Beziehung nur beipflichten,
aber es ist in der Praxis sehr schwer, diese Forderung Witzeis
zu erfüllen.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Patieuten mit
Ikterus. Bei dieser Komplikation fürchten wir besonders die
Gefahr der cholämischen Blutung. Sie tritt selbst beim akuten
Einsetzen des Ikterus, wenn auch selten, ein. Ich habe einen
Patienten mit akut auftretendem Ikterus am 5. Tage der Er-
krankung an cholämischer Blutung zu Grunde gehen sehen.
Beim chronischen Ikterus sind cholämische Blutungen .viel hau-
— 28 -
figer beobachtet worden, wie, bei akuter Gelbsucht, und sind
Todesfälle infolge dieser Komplikation keine allzugrosse
Seltenheit.
Dasjenige Mittel, welches am besten die Gefahr der cho-
lämischen Nachblutung abwendet, ist das Clilorcakium in ziem-
lich grossen Dosen. Ich gebe es als Klysma, 3,6 gr. pro dosi
dreimal täglich oder per os 1,8 gr. pro dosi, ebenfalls drei-
mal täglich. In der Regel wird dieses Mittel gut vertragen,
manchmal macht es Brustbeklemmungen und Kurzatmigkeit.
Dann wird man es aussetzen. Es ist nötig, "das Mittel 2 — 3
Tage lang anzuwenden, bei schon vorhandenen Blutungen dasselbe
noch länger zu gebrauchen. Man muss darauf achten, dass chemisch
reines Chlorcalcium verwandt wird; unreines verursacht Brennen
im Rectum. A. E. Wright hat als erster das Calcium-
chlorid bei Blutungen mit Erfolg benutzt und einen gerinn ungs-
befördernden Einfluss der Kalksalze auf das Blut festgesetzt.
Mayo-Robson, Silvestri, Rolleston und Dawson,
Boas*) haben es mit Erfolg verordnet.
Subkutane Infusionen von 2 "/o Gelatinelösung habe ich
früher ebenfalls angewandt, oft mit überraschendem Erfolg.
(No. 158.)
Es ist ja schwer zu sagen, ob diese Mittel wirklich in dem
betreffenden Fall geholfen haben, aber ich habe doch den Ein-
druck, dass, seitdem ich Chlorcalcium verwende, die cholämischen
Blutungen sehr selten eingetreten sind.
Mancher Kranke kommt in einem derartigen Zustand in die
Klinik, dass sofort operiert werden muss, z. B. bei Perforationen der
Gallenblase, dann muss man die Vorbereitungen auf das Min-
destmass einschränken, um keine kostbare Zeit zu versäumen.
Andere wieder sind so geschwächt und elend, dass man nicht
schon nach zwei Tagen operieren kann. (No. 75.) Man muss
erst den Zustand der Kranken durch eine gute Ernährung wieder
aufbessern. Stärkung der Herztätigkeit durch Strophantus, Kog-
nak, Weinclystiere, bei daniederliegender Magenverdauung Nähr-
clj^stiere und subkutane Ernährung sind dann am Platze. Man soll
kein Mittel unversucht lassen, welches geeignet erscheint, den
Patienten so zu stärken, dass erden nachteiligen Einwirkungen der
Narkose und des unvermeidlichen Blutverlustes gewachsen ist.
*) Therapie der Gegenwart. 1904. Heft 7.
— 29 —
Ich brauche wohl kaum hervorzuheben, dass ich Patienten mit
akuten Erkrankungen der Luftwege (Nr. 98. Nr. 115.) (Schnup-
fen, Bronchitis) von der Operation solange zurückstelle, bis sie
wieder frei sind, und dass man bei Blasenkatarrh erst diesen behan-
delt^ ehe man die Operation vornimmt. Eintretende Menses geben
an und für sich keine Contraindication ab, doch ist das Baden für
solche Kranke oft unangenehm und ermüdend, und dann stellen sich
bei vielen Frauen mancherlei nervöse Zustände während der Men-
ses ein, sodass ich grösstenteils mit der Operation so lange warte,
bis die Menses vorüber sind. Sind die Menses bei Cholämischen
sehr profus, so ist unter allen Umständen die Operation aufzu-
schieben (Nr. 150.).
Leider kommen auch Fälle vor, bei denen irgendwelche
Vorbereitungen wegfallen können, weil der Patient moribund
in die Klinik eingeliefert wird. Wahrend ich dieses schreibe,
liegt eine Gallensteinkranke, die vor 24 Stunden in die Klinik
eintrat, im Sterben. Sie hatte akute eitrige Cholecystitis. Die
Krankheit begann vor 14 Tagen. Ärzte und Angehörige sahen
ein, dass nur eine Operation helfen konnte, und nun wurde die
Kranke nach Halberstadt transportiert. Aber ich rausste, da
kaum der Puls zu fühlen war, die Operation ablehnen ; Ope-
rations-Vorbereitungen fallen hier fort! —
Wir hatten am Schluss des vorigen Kapitels geschildert,
wie der Wärter die Reinigung der Bauchhaut des Patienten
vorzunehmen hat. Wenn der Operateur nicht über genügendes
Personal verfügt, so ist es ganz zweckmässig, wenn er selbst
am Tage vor der Operation die Desinfektion der Bauchdecken
vornimmt; wenigstens bei Männern ist das durchführbar.
Bei diesen lasse ich sofort nach dem Eintritt in die Klinik
durch den Wärter die Bauchhaut rasieren und nach gründ-
licher Waschung mit Seife einen Alkoholverband auf die Bauch-
decken auflegen. Man kann auf diese Weise die Narkose er-
heblich abkürzen, indem man auf dem Operationstisch nur eine
kurze Waschung mit Seife und Alkohol vorzunehmen braucht.
Bei Frauen ist die gründliche Desinfektion erst auf dem
Operationstisch während der Narkose möglich, und in diese teilt
sich der Wärter und der Arzt. Der Wärter, der nach Rasur der
Schamhaare die Reinigung der Bauchhaut mit heissem Wasser,
Seife, Bürste und Seifenspiritus vornimmt und der Operateur, der
selbst bereits sterilisiert, die Sterilisation des Bauches mit Alko-
— 30 —
hol vollendet. Da Patient mehrere Male gebadet hat, und «ein
Abdomen zwei Nächte lang mit einem Alkoholverband bedeckt
war, wird man' mit einer Desinfektion von im ganzen 10 Minuten
auskommen, jedoch längere Zeit dazu gebrauchen, wenn Patient
aus bestimmten Gründen vorher nicht baden konnte.
Sobald die Sterilisation der Bauchdecken beendet ist, legt
der Operateur eine der Schimmelbusch'schen Tonne ent-
nommene grosse sterilisierte Decke so über den Patienten, dass
die Unterbauchgegend und die unteren Extremitäten völlig
bedeckt sind. Auf diese sterile Decke legt die Instrumenten-
reicherin die Instrumente, welche immer zur Hand sein müs-
sen : Klemmen, Schere etc., doch beobachte ich die Vorsicht,
Instrumente, die während der Operation infiziert sind (z. B.
Sonden, mit denen man den Choledochus sondiert hat), nicht auf
die Decke zu legen. Diese kommen in ein mit 3°/o Karbolsäure-
lösung angefülltes Becken. Zwecks Umgrenzung des Ope-
rationsterrains lege ich 3 sterile Servietten rings herum und
befestige dieselben gegenseitig resp. mit der grossen, die un-
teren Extremitäten bedeckenden Decke durch vier ausgekochte
Langen beck'sche Klemmen. Es bleibt frei die Gegend vom
Prozessus xiphoideus bis handbreit unterhalb des Nabels und
seitlich die Partieen bis zum äusseren Rande der beiden Musculi
rect. abd. Nun kann die Operation beginnen ! —
Ich glaube in diesem und in dem vorhergehendem Kapitel
die Vorbereitungen, die den Arzt, seine Assistenten und den
Patienten angehen, ausführlich genug beschrieben zu haben
und wende mich nun zu den Vorbereitungen, denen das Unter-
bindung^smaterial, das Verbandzeug:, die Instrumente etc. unter-
worfen werden müssen.
III. Die Vorbereitungen des Unterbindungsmaterials, des Verband-
zeugs und der Instrumente.
Ich habe früher die Seide einfach ausgekocht oder in
strömendem Wasserdampf sterilisiert, musste aber wie auch
andere Chirurgen einsehen, dass es nicht genügt, wenn man
die Seide nur keimfrei macht, sondern dass es besser ist, wenn
man sie mit einem Antisepticum imprägniert.
Seit 2 Jahren sterilisiere ich die Seide nach dem Ver-
fahi'en von Kocher.
— 31 —
Die Seide wird
1. in Äther eingelegt für 12 Stunden,
2. in Alkohol 12 Stunden,
3. 10 Minuten in l°/ooigem, ungefärbtem, säurefreiem Sub-
limat gekocht,
4. mit gereinigten Händen aufgespult,
5. die Spulen 10 Minuten lang vor der Operation in dem-
selben Sublimat nochmals gekocht,
6. die Fäden aus dem Sublimat, jn dem sie zuletzt ge-
kocht sind, zugereicht.
Seitdem ich so verfahre, .sind Ligatureiterungen grosse
Seltenheiten. Ich verwende drei Sorten Seide, ganz starke zur
Bauchnaht, mittelstarke für die Ligaturen an der art. cysticä
und feine für die Fixationsnähte der Gallenblase und die Ver-
schliessungsnähte des Choledochus und Darms.
Catgut habe ich früher bei Gallensteino'perationen viel
verwendet und dasselbe entweder nach den Vorschriften von
Saul oder Hofmeister sterilisiert.
In dem von Lauten schlag e'r angefertigten Saul'schen
Apparat werden die auf Glasplatten gespannten Catgutfäden
in 85®/oigem Alkohol (Alkohol 85, Acid, carbol. liquef. 5,
Aq. dest. 10) langsam bis zum Siedepunkte, welcher um 75"
liegt, erhitzt, worauf sie in der siedenden Flüssigkeit 5 — 15
Minuten (je nach der Fadendicke) verbleiben. Die Aufbewahrung
geschieht in dieser Lösung oder in 90 °/o Alkohol.
Hofmeister legt die Fäden 24 Stunden lang in 2 — 4 °/o
Formalinlösung, bringt sie 12 Stunden lang in Wasser und
kocht sie dann 10 — 30 Minuten lang aus. Die Aufbewahrung
geschieht in Sublimatglycerinalkohol (0,1 : 5,0: 100,0).
Seitdem ich alle Fäden^ die zur Unterbindung der art. cystica
und des duct. cysticus, zum Verschluss des ductus choledochus, zur
Fixation der Gallenblase an der Bauchwand dienen, lang lasse, und
bei späteren Verbandwechseln in toto entferne, hatte ich keinen
Grund mehr, Catgut zu verwenden. Da ich mehrere Male die
Beobachtung machte, dass die durch Catgut an die Bauchwand
fixierte Gallenblase sich vorzeitig löste, wodurch die Patienten
in erhebliche Gefahr gerieten, bin ich gänzlich von dem Ge-
brauch des Catgut abgekommen.
— 32 —
Nur bei den Schleinihautnähten der Anastomosen zwischen
Gallensystem und Intestinis könnte man es verwenden, doch
benutze ich auch hier eine ganz feine Seide. Ich mache die
Anastomosen weit, und deshalb ist die Gefahr einer Incrus-
tation sehr gering, da, ehe es dazu kommen kann, die Liga-
turen längst durchgeschnitten und sich abgestossen haben.
Auch ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man bei den Ana-
stomosen überhaupt auf eine Schleimbautnaht verzichtet. Bei der
Technik der Anastomosen komme ich darauf noch zu sprechen.
Bei der Reichung der Seide durch die Sciiwester ist der
Rat Kr ecke's*) sehr der Berücksichtigung wert, das Unter-
bindungsmaterial so wenig wie -möglich mit den Fingern zu be-
rühren. „Wenn man der assistierenden Schwester zuschaut, so
sieht man sehr häufig, dass dieselbe jeden Faden, bevor sie ihn
herreicht, noch einmal liebevoll durch die Finger ihrer rechten
oder linken Hand durchzieht. Nunmehr erfasst ihn der Ope-
rateur, und auch dieser zieht häufig jeden Faden durch die
Finger hindurch. Diese wiederholten Berührungen des Fadens
zu vermeiden, scheint mir eine wichtige Sache. Die Schwestern
haben bei mir die strenge Weisung, die Fäden nur mit der
Pinzette zu fassen und auch beim Einfädeln sich möglichst nur
der Pinzette zu bedienen. Der Operateur soll den Faden nur
an den beiden Enden fassen und das Durchziehen durch die
Finger unbedingt vermeiden. So bleibt bestimmt derjenige Teil
des Fadens, der in der Wunde liegen bleibt, von den Fingern
unberührt."
Was das Verbandzeug anlangt, so verwende ich bei meinen
Laparotomien nur in strömendem Wasserdampf sterilisiertes
Verbandzeug. Jodoform-, Silber-, Xeroformgaze ist teils schädlich,
teils unnötig: die sterile Gaze genügt allen Ansprüchen. Be-
sonders die aus den Apotheken oder direkt aus Fabriken be-
zogene Jodoformgaze würde ich nie in die Bauchhöhle einzu-
führen wagen. Man muss sich schon, wie es in der v. Berg-
mann'sehen Klinik üblich ist, die Jodoformgaze selbst präpa-
rieren. Das ist indes ziemlich umständlich. —
Die Watte wird in Rollenform sterilisiert; zu Binden ge-
brauche ich derbe breite und lange Cambricbinden, die, wenn
sie nicht von Blut und Wundsekret durchtränkt siiui,
*) Krecke, 2 Jahre chirurgischer Tätigkeit 1901/1902. München.
— 33 —
mehrere Male verwandt werden können. Sie werden in Soda-
lösung- und Schmierseifenwasser gekocht, getrocknet und neu
gewickelt.
Watte und Cambric liefern mir die Firma Moritz Böhme-
Berlin in vorzüglicher Qualität, eben daher beziehe ich die Gaze.
Natürlich gibt es noch andere Firmen, die gewiss ebenso gutes
Verbandzeug liefern.
Fast bei jeder Laparotomie müssen wir zwecks Absperrungs-
taraponade Gazekompressen in die Bauchhöhle einlegen, sei es,
um einer Infektion der übrigen Bauchhöhle vorzubeugen, sei es,
um Flächenblutungen zu stillen oder das Operationsterrain
besser zugänglich zu machen. Diese Gazekompressen muss man
auf irgend eine Weise kenntlich machen, damit man vor Schluss
der Bauchwunde keine übersieht und in der Bauchhöhle zurück-
lässt.
Früher benutzte man zu diesem Zweck Schwämme. Diese
sind schwer zu reinigen, und wenn sie auch eine grosse Saug-
kraft besitzen, so hat man sie allgemein aufgegeben, da eine
sichere Sterilisation derselben kaum zu erreichen ist.
Statt der Schwämme verwendet man heute allgemein Gaze
resp. Gazekompressen, v. Mikulicz benutzt sogen. Perltücher,
Krause verwendet meterlange Binden , von denen ein
längeres Stück ausserhalb der Bauchhöhle bleibt. Andere legen
an die Gazekompressen Klemmen an, um ein Verrutschen und
Verschieben der Kompressen in die Bauchhöhle zu verhüten.
Jedes Verfahren hat seine Vorteile und Nachteile. Die
Perlen können zerspringen; die Fäden, an denen die Perlen be-
festigt sind, können abreissen, und dann kann sich die Kom-
presse verlieren. Die Klemmen sind bei vielen Operationen
sehr im Wege. Ich gebrauche z. B. bei einer schweren Gallen-
steinoperation oft auf einmal 10 Tupfer. Die zahlreichen Klemmen,
die diese 10 Tupfer halten müssten, würden mich sehr in der
Ausführung der Operation hindern. Ausserdem kann eine
Klemme einmal unbemerkt aufgehen, vom Operationstisch herab-
fallen, und der Tupfer bleibt in der Bauchhöhle zurück.
Ich benutze ein Verfahren, das nach Riese 's Meinung das
schlechteste, nach meiner Erfahrung das beste ist: ich lasse
die nötigen Tupfer vor Beginn der Operation abzählen und
vor Beendigung der Operation wieder nachzählen.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. L 3
— 34 —
Ich gebrauche bei jeder Laparotomie immer eine ganz be-
stimmte Anzahl Gazekompressen und zwar 30 grosse und
10 lange. Ich habe bei ca. 2000 Laparotomien, unter denen
sich mehr als 900 Gallensteinoperationen befinden , niemals
eine Kompresse zurückgelassen ; ich gehe allerdings nicht so
vor wie Riese, der seinen Assistenten die Tupfer zählen
lässt, sondern ich verfahre folgendermassen : Vor jeder Operation
kommen 30 grosse und 10 lange genähte Tupfer in die Schim-
mel bus ch 'sehe Sterilisationstonne. Die Tupfer — ich be-
schreibe ihre Herstellung nachher — sind kenntlich an kurz-
geschnittenen schwarzen Zwirnfäden, die an den 4 Ecken an-
gebracht sind. Die Zählung derselben geschieht durch 2 Per-
sonen. Die Tupfer liegen in Reih und Glied aufmarschiert
auf dem mit einem reinen Laken versehenen Tisch und werden
dann von der ersten Person gezählt; eine zweite Person zählt
sie in die Tonne, in der sie nunmehr sterilisiert werden, hinein.
Früher besorgte das nur eine Person; da es einmal vorkam,
dass diese statt 30 Tupfer 31 einzählte, habe ich angeordnet,
dass jetzt 2 Personen die Zählung vornehmen. So gut aber eine
Person 31 Tupfer einzählt, kann sie auch einmal nur 29 zählen.
Dann würde man immer wieder die Bauchhöhle absuchen und
Riese 's Einwendungen gegen die Zählmethode wären sehr ge-
rechtfertigt. Dass 2 Personen sich verzählen, ist so gut wie aus-
geschlossen. Um jeden Irrtum auszuschalten, lasse ich bei
Beginn der Operation von der schon sterilisierten Instrumenten-
reicherin die Tupfer nochmal zählen. "Wenn wir während der
Operation solche Tupfer brauchen, zählen wir nicht; aber wenn
ein solcher Tupfer aus der Bauchhöhle entfernt wird, sucht
ihn sofort der Wärter, der sich stets im Operationszimmer auf-
hält, auf und legt ihn wiederum in Reih und Glied auf den
Fussboden des Operationszimmers. Ehe wir die eigentliche
Tamponade beginnen, resp. die Bauchwunde schliessen, zählt
die Instrumentenreicherin die noch vorhandenen Tupfer (der
Operateur zählt mit!), der Wärter gibt an, wieviel er Tupfer
hat. Da die Tupfer in Reih und Glied liegen — die von Riese
erwähnten Schlupfwinkel sollten in einem modernen Operations-
zimnier nicht vorkommen! — bedarf es nur eines kurzen Auf-
enthaltes, damit Assistent und Operateur sich von der Zahl der
gebrauchten Tupfer überzeugen. Nie darf dadurch eine
Operation aufgehalten werden, und ein unnützes Suchen nacli
— 35 —
«ineni angeblich noch in der Bauchhöhle vergessenen Tupfer
•darf nicht vorkommen. Gewiss, mit schlechtem Personal und
gewissenlosen Leuten kann auch dieses Verfahren versagen,
schlechtes Personal gehört aber in keine Klinik, vor allen
Dingen nicht in eine Klinik, in der besonders die Bauch-
<^hirurgie gepflegt wird. Ich habe mit meinen Leuten immer
viel Glück gehabt, und so mag es kommen, dass ich niemals
-einen Tupfer in der Bäuchhöhle zurückgelassen habe. So wie
die Tupferziililung in meiner Klinik gehandhabt wird,
halte ich es für völlig ausgeschlossen, dass einmal ein
Tupfer zurückbleibt ; nur bei gröbster Fahrlässigkeit
*ines einzelnen könnte das passieren. Aber wir — Opera-
teur, Assistent, Instruraentenreicherin — kontrollieren uns
gegenseitig so scharf, dass jeder Fehler des einzelnen so-
fort vom andern bemerkt wird. Der Operateur muss es sich
natürlich gefallen lassen, dass sein Assistent ihn auf dieses und
jenes aufmerksam macht; wenn er sich, wie das häufig ge-
schieht, für vollkommen hält, eigene Fehler dem Assistenten in
die Schuhe schiebt, oder sich gar vom Assistenten jede noch
so „devote Zurechtweisung" verbittet, so wird gar bald der
Assistent dem Grundsatz huldigen : „Schweigen ist Gold !" Dass
dadurch das Wohl des Patienten nicht gefördert wird, liegt auf
der Hand. Gerade bei einer Gallensteinoperation muss der
Assistent eine gewisse Selbständigkeit an den Tag legen.
Einen Assistenten, der gewohnt ist, immer erst auf die Auf-
forderung des Chefs hin eine Klemme anzulegen oder einen Tupfer
in die Bauchhöhle zu schieben, kann man bei einer Gallenstein-
operation nicht gebrauchen. Es gibt für mich nichts Schreck-
licheres, als wenn ich einer Operation zusehen muss, bei der
der Operateur fortwährend den Assistenten anfährt und ihm
Ungeschicklichkeit vorwirft. Kein Meister fällt vom Himmel,
und jeder Assistent muss sich erst die nötige Eoutine an-
eignen. Wenn mancher trotz vieler Operationen ungeschickt
bleibt, so liegt das nicht selten am Chef selber, der es nicht
versteht, dem Assistenten die nötige Selbständigkeit beizu-
bringen. Jedenfalls hat das ewige Zanken während der Ope-
ration gar keinen Wert, mit Ruhe und Güte kommt man viel
weiter. Hinterher ist es immer noch Zeit, den Assistenten auf
seine Fehler aufmerksam zu machen, damit er bei der nächsten
■Operation grössere Geschicklichkeit an den Tag legt.
36
Fig. l.
Ein Stück Gaze von einfacher Lage, 1 Meter laig, 45 cm. breit, wird
so zusammengelegt, dass
Fig. 2.
ein Stück 15 cm. breit von dreifacher Lage entsteht. Dieses wird so
nach innen geschlagen, dass eine Kompresse
Fig. 3.
von sechsfacher Lage, 50 cm. lang, 15 cm. breit entsteht. Noch einmal
in sich zusammengeschlagen, entsteht die endgültige Kompresse, aus.
Fig. 4.
12facher Lage, 25 cm. lang, 15 cm. breit Diese wird an den 4[Rckei»
mit einem schwarzen Faden fest zusammengenäht. Davon worden
30 Stück hergestellt (sog. grossu genähte Tupfer).
— 37 —
Doch ich komme auf einen Punkt zu sprechen, dessen Er-
örterung bei den Vorbereitungen des Verbandmaterials wenig
am Platze ist. Kehren wir deshalb zu unserem Thema zurück.
Die Herstellung der Tupfer geschieht folgendermassen :
Die Gaze liegt 90 cm. breit und 1 Meter lang. Dieselbe
wird in der Mitte der Länge nach durchschnitten, so dass also
Stücke von 45 cm. Breite und 1 Meter Länge entstehen. Die
-Gaze liegt doppelt.
Bei der Herstellung der Tupfer, die in der Bauchhöhle
Terwendet werden und oft während des ganzen Verlaufs der
Operation im Abdomen liegen bleiben, verwende ich nur einfache
Lage von Gaze. Es kommt mir darauf an, das sog. „Fusseln" der
Tupfer zu verhüten. Ich erreiche das dadurch, dass die Tupfer
so hergestellt werden, dass die freien Schnittflächen der Gaze
nach innen kommen, also verschwinden.
Das 45 cm. breite und 1 Meter lange Gazestück wird so
.gefaltet, dass aus einer einfachen Lage eine dreifache entsteht.
Die dreifache Lage wird dann so in sich gelegt, dass ein Tupfer
■entsteht, der eine 12 fache Lage besitzt. Die Fig. 1 — 4 er-
läutern am besten die Herstellung dieser sog. grossen genähten
"Tupfer, von denen ich bei jeder Laparotomie 30 Stück verwende.
Dann brauche ich noch 10 sogen, lange Tupfer. Ihre Her-
stellung geschieht auf folgende Weise:
Das 1 m. lange und 45 cm. breite Gazestück wird mit der
Schere geteilt, so dass Stücke von 22 cm. Breite und 1 m
Länge entstehen. Die weitere Bereitung der langen Tupfer
:geht aus den Skizzen auf p. 38 hervor.
Die äusseren Enden bis zur punctierteu Linie werden nach
innen geschlagen, damit die fusselnden Streifenenden verschwin-
den. Man kann auch so wie bei der Herstellung der grossen
Tupfer vorgehen, die Hauptsache ist, dass die Aussenfläche
^es Tapfers keine Schnittfläche zeigt.
Bei diesen genähten Tupfern — ich habe eine photogra-
phische Abbildung (Fig. 9) derselben anfertigen lassen ! — ist
keine Schnittfläche sichtbar, dieselben sind nach innen geschlagen,
Fusseln kommen nicht an die Oberfläche.
Da die genähten Tupfer an dem schwarzen Faden in jeder
Ecke leicht kenntlich sind, fällt es dem Wärter nicht schwer,
am Schluss der Operation dieselben rasch zu zählen.
- 38 —
Zur Tamponade verwende ich dieselben langen (Fig. 9) Tu-
pfer, nur lasse ich hier die schwarzen Fäden fehlen.
Fig. 5.
Einfache Lage Gaze 1 m. lang 22 cm. breit, wird ao umgelegt, dasi
Fig. 6.
ein Stück 11 cm. breit von zweifacher Lage entsteht.
Fig. 7.
Dieses wird noch einmal so umgelegt, dass ein Stück 5'/« cm. breit von vierfacher
Lage entsteht. Dieses wird so nach innen geschlagen, dass eine Oompresse aus-
achtfacher Lage entsteht, 50 cm. lang, ö'/a cm. breit.
Fig. 8.
Diese Gompresse wird an den 4 Ecken mit einem schwarzen Faden züsammongou'äbt.
Die gewöhnliche Gaze zum Tupfen wird nach Belieben
gross oder klein geschnitten; gewöhnlich lasse ich Quadrate
von 15 — 20 cm. Seitenlänge schneiden.
39
\
Ausser 2 Tonnen gewöhnlicher Tupfergaze raiiss man für
jede Gallensteinoperation 1 Tonne Watte und mehrere recht
lange und breite Cambricbinden bereit halten.
In einer andern besonders grossen Tonne werden die Decken
und Tücher, die Mäntel (für den Operateur, den Assistenten und
die Instrumentenreicherin) und die Kopftücher sterilisiert. Die
zuschauenden Arzte be-
kommen bei mir keine ste-
rilen Mäntel, wie das in an-
deren Kliniken gebräuch-
lich ist. Sie werden ge-
beten, Rock und Weste
auszuziehen, und es wird
ihnen ein Platz ange-
wiesen, von dem aus sie
nicht die aseptischen
Massnahmen stören kön-
nen. Gibt man ihnen
sterile Mäntel, so wagen
sie sich oft zu weit bis
\an das Operationsfeld
vor und genieren den
Operateur. Dadurch, dass
^♦^ ^"^ sie nicht in den schützen-
den sterilen Mantel ge-
j steckt werden , sind sie
schon gezwungen, auf dem
ihnen angewiesenen Platz
zu verharren und kommen
nicht mit dem Operateur
in Kollision.
Dass man die Sterilisation nur gewissenhaften Personen
anvertraut , ist bei der Wichtigkeit der Sache selbstver-
ständlich. —
Alle Instrumente, die ich bei einer Gallensteinoperation
verwende, müssen auskochbar sein ; Instrumente mit Holz-
griffen sind als veraltet bei Seite zu legen, Spritzen und Messer
dürfen nicht nur in 3 °/o Carbolsäurelösung liegen, sondern
werden ebenfalls 5 Minuten lang der Einwirkung der kochen-
den Sodalösung unterworfen.
40
Fig. 10.
Die Instrumente sowie die Gummischläuche, Katheter etc.,
werden in ein mit einem Deckel versehenes ca. 80 cm.
breites und 20 cm. hohes Nickelbecken gleich so hineingelegt,
wie sie bei der Operation gebraucht werden. Jedes Instru-
ment hat seinen ge-
wohnten Platz. Die
Sterilisation dauert
fünf Minuten, sind
die Messer gut ge-
schliffen, so leiden
sie wenig unter dem
Auskochen. Früher
kochte ich die In-
strumente in dem be-
kannten Schimmel-
b US ch' sehen Appa-
rat, was ziemlich um-
ständlich ist. Man
muss die Instru-
mente aus dem
kochenden Wasser
herausbeben, in ein
anderes Becken le-
gen, und wenn man
auch das letztere
für sich sterilisieren
kann, so ist mein jetzt geübter Modus einfacher und prakti-
scher. Man sterilisiert Instrumente und Becken zu gleicher
Zeit, braucht die Instrumente nicht umzulegen, spart Platz,
Zeit und Arbeit.
Ist die Sterilisation nach fünf Minuten vollendet, so dreht
der Wärter den an der schmalen Seite des Beckens ange-
brachten Ablaufhahn auf und lässt die Sodalösung abfliessen.
Zur Abkühlung der Instrumente wird eine sterile Kochsalz-
lösung darüber gegossen; man kann aber auch die Instru-
mente trocken verwenden. An der beifolgenden Zeichnung ist
der Hahnablauf (Fig. 10) schlecht zu sehen ; er befindet sich an der
linken schmalen Seite des Beckens. Es ist zweckmässig, statt
einer Gasflamme zwei zu verwenden, um das Wasser rasch
bis auf den Siedepunkt zu erhitzen.
— 41 —
Dieselbe Sorgfalt, die wir den Instrumenten vor der
Operation angedeihen lassen, verwenden wir auf die Reinigung
nach derselben, besonders wenn sie während der Operation
mit Eiter oder sonstigem infektiösem Material in Berührung
gekommen waren. iJann werden sie nach der Operation eben-
falls fünf Minuten gekocht, die auseinandernehmbaren Instru-
mente werden in ihre einzelnen Teile zerlegt, mit Seifen-
spiritus und Bürste blank gemacht und mit sterilen Tüchern
abgetrocknet.
Die Instrumente, die ich bei einer Gallensteinoperation
gebrauche, sind die folgenden:
1. Mehrere gewöhnliche und geknöpfte Messer.
2. Mehrere Cooper'sche und Kniescheren.
3. 6 chirurgische (Haken) Pinzetten.
4. 2 Anatomische Pinzetten.
5. 24 Arterienklemmen nach v. Bergmann.
6. 12 Arterienklemmen nach üoser.
7. 12 Arterienklemmen nach König. (Fig. 11.)
8. 12 Arterienklemmen nach Pöan.
9. 2 Hohlsonden.
10. Mehrere kleine und grosse (Uterus-) Sonden.
11. 6 Peritonealklemmen nach v. Mikulicz. (Fig. 12.)
12. 2 Pravaz'sche Spritzen.
13. 1 Dieulafoy mit 2 starken Kanülen.
14. 2 grosse Haken. (Fig. 13.)
15. 2 kleine Haken.
16. 2 Vierzinker-Haken.
17. 2 scharfe Haken.
18. Löffel in verschiedener Grösse nach Körte. (Fig. 14.)
19. Gallensteinfänger nach Riedel. (Fig. 15.)
20. Mehrere Kornzangen (gerade und gebogene).
21. 2 Kropfsonden nach Kocher.
22. 2 Aneurysma-Nadeln.
23. Magen- und Darmklemmen nach Doyen. (Fig. 16.)
24. 2 Klemmen zum Hervorziehen des ßruchsackes nach
Kocher.
25. Klemmen zum Hervorziehen der entleerten Gallenblase.
26. 2 rundgebogene Klemmen zum Abklemmen des ductus
cysticus. (Fig. 17.)
27. 2 Zangen nach Muzeux.
— 42 —
28. 2 amerik, Kug-elzangen.
29. Nadeln, 1, 4, 9 (Fig-. 19); daneben mehrere mittelgrosse,
stark gebogene Nadeln nach Martin.
30. 6 Nadelhalter. (Fig. 21.)
31. 2 Spülkatbeter nach Ultzmann. (Fig. 20.-)
32. Diverse Gummischläuche. Nc^laton-Katheter.
33. Instrumente zur Rippenresektion.
Die Clichös zu den weniger bekannten Instrumenten, die
ich zu meinen Gallensteinoperationen benutze, hat mir in liebens-
würdiger Weise die Firma Win dl er in Berlin zur Verfügung
gestellt, wofür ich derselben auch an dieser Stelle meinen besten
Dank ausspreche.
Ich komme bei den einzelnen Operationen auf die Verwen-
dung der Instrumente noch zurück und will liier folgendes nur
noch bemerken.
Zwecks Blutstillung in den Bauchdecken benutze ich aus-
schliesslich die V. Bergmann'sche Klemme, die von P^an und
und König (Fig. 11) angegebene gebrauche ich, um die Wund-
ränder der aufgeschnittenen Gallenblase, des Ductus cysticus
und choledochus zu fassen, wenn ich es nicht vorziehe, hier
Fadenschlingen einzulegen.
Zur Aspiration des Gallenblaseninhaltes genügt vollkommen
der kleine Dieulafoy mit ziemlich starken Nadeln.
Sehr empfehlenswert ist es, nach Eröffnung der Bauchhöhle
an das Peritoneum parietale und die Fascie Peritonealklemmen
nach V. Mikulicz (Fig. 12) anzulegen.
Bei der Äbklemmung des ductus cysticus benutze ich die
vorn rundgebogene Klemme nach Pöan (Fig. 17). Die Nadeln
(Fig. 19) kommen in 3 Grössen zur Verwendung: l, 4, 9, ent-
sprechend der von mir gebrauchten Seide. Die grossen Nadeln
führe ich mit der Hand, die kleinen mit dem Nadelhalter.
Gerne verwende ich noch die stark gebogenen, sehr. starken,
von A. Martin angegebenen . Nadeln bei der oberflächlichen
VerSchliessung der Bauch wunde.
Die unter 14 angegebenen 2 grossen Haken (Fig. 13) kommen
bei der Operation selbst kaum in Gebrauch. Um so häufiger
benutze ich dieselben während der Nachbehandlung nach Ent-
fernung der Tamponade, wenn es gilt, das Gallensystem dem
Auge zugänglich zu machen und den Ductus hepaticus auszu-
spülen.
Fig. 11
Fifir. U.
— 44 —
DieGallensteinlöffelnachKörte(Fig. 14) und Riedel (Fig. 15)
können fast immer durch den einfachen scharfen Löffel ersetzt
werden, jedenfalls ist es mir mit dem Gallensteinfänger nach
Riedel nur einmal gelungen, einen Stein zu fangen.
Magen- und Darmklemmen nach Doyen (Fig. 16) wird
man schon deshalb vorrätig halten, weil man nicht selten bei
«iner Gallensteinoperation gleichzeitige Eingriffe am Magen und
Darm vornehmen muss. Im übrigen eignen sich diese Darm-
klemmen sehr gut dazu, um zwecks Excision der Gallenblase
diese zu fassen und kräftig hervorzuziehen.
Der Spülkatheter nach Ultzmann (Fig. 20) findet wie die
langen Haken fast nur bei der Nachbehandlung ausgiebige An-
wendung.
Ich habe, solange ich Gallensteine operiere, nie das Be-
dürfnis in mir gefühlt, ein besonderes Instrument zu kon-
struieren, da die bereits vorhandenen völlig, auch für die
kompliziertesten Fälle, genügen. Man findet unter den gynä-
kologischen Instrumenten und denen, die der Nasen-, Ohren-
und Kehlkopfarzt benützt, so viele gute Instrumente, die man
auch zur Ausräumung der Gallenblase, zur Extraktion von
Steinen benützen kann, dass es wirklich unnütz ist, neue In-
strumente zu erfinden. Je einfacher das Instrumentarium ist,
um so besser. Doch halte ich alle möglichen Instrumente bei
jeder Gallensteinoperation bereit, wenn ich auch kaum die
Hälfte brauche, so z. B. Rippenscheren, Raspatorien, Gigli-Sägen
zu einer eventl. Lanne Ion gue- Operation. Übrigens kam ich
unter meinen letzten 300 Fällen niemals in die Verlegenheit, den
Rippenbogen resezieren zu müssen. Nadelhalter müssen immer
3—4 armiert daliegen, damit keine Zeitversäumnis entsteht.
Kornzangen der verschiedensten Art, Dicke und Länge müssen
vorhanden sein, an Sonden muss man einen gehörigen Vorrat
besitzen. Es darf nicht vorkommen, dass mitten während der
Operation erst ein Instrument ausgekocht werden muss, weil
sich seine Unentbehrlichkeit herausstellt. Wer mit Instrumen-
ten spart, spart an unrechter Stelle. —
Man sieht aus den obigen Auseinandersetzungen, dass gar
mancherlei dazu gehört, wenn eine Gallensteinoperation gut vor-
bereitet sein will. Oft macht das schon in einer gut einge-
richteten Klinik Schwierigkeiten, falls man sich nicht in allen
Punkten auf das Pej-sonal verlassen kann. AVie wichtig ist
— 45 —
z. B. schon das Zählen der genähten Tupfer ! In meiner Klinik
besorgen das, wie bereits oben erwähnt, zwei Personen : die eine
legt sie in Keihe und Glied auf den Tisch, der mit einer reinen
leinenen Decke bedeckt ist, und die andere zählt sie in die
Tonne. Kurz ehe die Operation beginnt, wird noch einmal ge-
zählt. Die bereits sterilisierte Instrumentenreicherin fasst jeden
einzelneu Tupfer mit einer ausgekochten Kornzange und zählt
ihn in eine sterilisierte grosse Emailleschüssel hinein. So kann
und darf ein Irrtum nicht vorkommen, und ich würde es für
einen groben Fehler betrachten, wenn einmal bei meinem Ver-
fahren ein genähter Tupfer in der Bauchhöhle zurückbliebe.
Wer die Gazekompressen nur anklemmt oder eine beliebige
Anzahl von Perltüchern bei einer Laparotomie benutzt, muss
schon eher mit einem solchen Missgeschick rechnen. Der Patient^
welcher sich einer Laparotomie unterzieht, begibt sich in die
Gefahr der Narkose und auch in die Gefahr, dass einmal ein
Instrument in der Bauchhöhle zurückbleibt. Jeder gewissen-
hafte Arzt wird danach streben, solche Gefahren möglichst zu
verhüten, aber sie ganz und gar aus der Welt zu schaffen, wird
wohl Keinem gelingen. Menschliche Arbeit ist nie ganz fehlerfrei,
und deshalb sollte ein Chirurg, dism einmal ein Chloroformtod oder
das Zurücklassen eines Instruments in der Bauchhöhle passiert und
von dem sonst bekannt ist, dass er ein höchst gewissenhafter Mensch
ist, wegen eines .solchen Ereignisses vor Gericht immer frei-
gesprochen werden. Glücklicherweise wird dieser Standpunkt
auch überall vertreten.
Ist man gezwungen auswärts zu operieren und muss man
mit fremdem Personal arbeiten, so ist eine gute Vorbereitung
oft recht misslich. Nicht als ob fremde Personen nicht ebensa
zuverlässig wären wie eigene, aber Jeder hat seine Eigentüm-
lichkeiten, und das Zusammenarbeiten von Leuten, die sich erst
eine Stunde kennen, ist sehr schwierig. Ich sehe deshalb zu,,
wenn die Forderung einer auswärtigen Operation an mich
herantritt, dass ich das an mich gewöhnte Personal mitnehmen
kann. So weiss ich, dass Alles gut vorbereitet und eingerichtet
wird und habe die Garantie, dass dadurch der Erfolg der Ope-
ration wesentlich sicherer gestellt wird.
Ausserdem muss man in einem Privathause sehr viel Rücksicht
nehmen, die in der eigenen Klinik so gut wie wegfällt. Kein Patient
lässt sich gern den Magen ausspülen, und manche empfinden es-
— 46 —
als eine Härte, wenn sie Tage lang hungern müssen. Noch im
letzten Augenblick stecken besorgte Angehörige dem Kranken
etwas zu, in guter Absicht und überlegen nicht, dass sie da-
durch die ganzen diätetischen Vorbereitungen über den Haufen
werfen. Man selbst vergisst auch leicht, manche Massnahme
anzuordnen, die, weil es sich um eine selbstverständliche
Kleinigkeit handelt, ausser Acht bleibt.
Es kommt eben Alles darauf hinaus, dass ein Gallenstein-
kranker, wenn er sich einer Operation unterziehen niuss, am
besten in einem Krankenhaus oder in ei-ner Klinik unterge-
bracht wird, da nirgends die Vorbereitungen zur Operation so
gut getroffen werden können, wie in solchen Instituten.
B) Die Technik der Gallensteinoperationen.
I. Die allgemeine Technik der Gallensteinoperationen.
1. Die Anatomie des Gallen Systems.
Wer an einem Körperteil eine Operation vornehmen will,
wird trotz bester Beherrschung- der Technik und Asepsis sehr
schaden, wenn er nicht genau weiss, welche Gebilde sein
Messer durchschneidet. Eine genaue Kenntnis der anatomi-
schen Verhältnisse ist die Grundbedingung für eine erfolg-
reiche Operation.
Und deshalb beginne ich diesen Teil der allgemeinen Tech-
nik der Gallensteinoperation mit einer Darlegung der anatomi-
schen Verhältnisse des Gallensystems.
Ich lege bei den folgenden Erörterungen die Beobach-
tungen zu Grunde, die ich bei- fast 1000 Autopsien in vivo
machen konnte und halte mich ausserdem an die von Langen buch,
Haasler und von Büngner gemachten Erfahrungen.
Das Gallensystem setzt sich zusammen aus der Gallen-
blase und den Gallengängen. Eine normale Gallenblase ist be-
festigt an der unteren Fläche des rechten Leberlappens und
hat die Form einer Birne; sie ist ca. 10 — 14 cm. lang und
3 cra. breit. Ihre Capacität dürfte 30—40 ccm. betragen.
Das Bauchfell der Leber zieht über die Gallenblase hinweg,
so dass nur ihre der freien Bauchhöhle zugewendete Seite einen
peritonealen Überzug hat, während die der Leber anliegende
Fläche desselben entbehrt. Wir unterscheiden an dem Organ
einen Fundus und einen Hals. Dieser geht, nach hinten und
medianwärts verlaufend, in den Ductus cysticus über. Dieser
Gang ist 3 — 4 cm. lang und zeigt fast regelmässig eine scharfe
S förmige Biegung. In spitzem Winkel fliesst der Ductus cysti-
cus mit dem Ductus hepaticus zum Choledochus zusammen.
Die Lage der Gallenblase und ihre Beziehungen zu den
Bauchdecken sind sehr verschieden. Durch einen Schnitt,
welcher am unteren *Rand des Rippenbogens an der Spitze der
48
Fig. 22.
ductus choledochus
ductus
cysticus
rechten 10. Rippe beginnt und am äusseren Rand oder im
äusseren Drittel des rechten Muse. rect. abd. nach unten zieht^
stösst man unter normalen Verhältnissen direkt auf die Gallen-
blase. Der Chirurg hat es aber fast immer mit pathologischen
Veränderungen an der Gallenblase zu tun, und deshalb trifft er
auch diese in ganz ver-
schiedenen Lagen. Sie
liegt bald mehr nach
rechts, oft hoch oben unter
der Leber (Nr. 12), voll-
ständig bedeckt von der-
selben, so dass man Mühe
hat, sie zu fühlen, ge-
schweige denn zu sehen ;
seltener rückt sie nach der
Mittellinie (Nr. 13. Nr.
118) herüber, doch habe
ich sie auch schon unter
dem linken Muse. rect. abd.
angetroffen. Beck*) hat
einmalbeikompletemSitus^
transversus eine Cysto-
stomie ausgeführt. Ich
habe vor ca. 2 Jahren die
Gallenblase, ohne dass
Situs transversus bestand,
am linken Leberlappen,
medial vom Lig. teres^ im
linken Hypochondrium an-
getrofien. Der Cysticus
mündete in einen sehr
engen linken Ductus hepa-
ticus, der rechte Hepaticus
war von normaler Weite.
Beide Äste vereinigten sich erst dicht am Duodenum zum Chole-
dochus. L ö h l e i n **) fand einmal bei einer Operation, dass sich die
Gallenblase im Sulcus longitudinalis sinister der Leber inserierte.
*) Beck, Transposed viscera with cholelithiasis relivied by a left-
sided cholecystostomie. Annais of surgery 1899. May.
**) Vereinigung der Chir. Berlins. 124. Sitzung.
12. V. 1902.
— 49 —
Es lag^ Hydrops und Cysticusverschluss vor, die Gallenblase wurde
excidiert. — Oft steigt das Organ mehr in die Bauchhöhle
hinab, so dass man es in der Cöcalgegend tastet. B, o b s o n
und ich haben die Gallenblase ganz nach hinten in die Lum-
balgegend verschoben vorgefunden ; ein Schnitt wie zur Nephro-
tomie ist in der Tat auch für solch' dislozierte Gallenblasen
empfohlen worden. Thiel fand die steinhaltige Gallenblase
als Inhalt eines Bauchwandbruches. — Der Wechsel der Lage
<Jer Gallenblase wird bedingt durch Veränderungen der Form
und des Volumens der Leber (Schnürleber, Leberschwellung) ;
auch Adhäsionen zwischen Gallenblase und Intestinis tragen
dazu bei, dass die Gallenblase ihren gewöhnlichen Standort
verlässt. Wie die Lage, so wechselt auch die Grösse der
Gallenblase ausserordentlich ; sie kann bei Verschluss des Cy-
sticus durch Stein und nachfolgender Entstehung eines Hydrops
kindskopfgross werden und ist schon für einen Ovarialtumor
gehalten worden, sie kann bei häufigen entzündlichen Prozessen
schrumpfen, klein werden wie eine Kirsche, so dass es schwer
hält, sie aufzufinden. Über den Bau der Gallenblase, die
Zusammensetzung ihrer Wand aus Mucosa, Muscularis und
Serosa brauche ich in diesem Buche keine weiteren Be-
merkungen zu machen, ich will nur hervorheben, dass ihre
Wand oft papierdünn ist, so dass beim Versuch der Cysto-
stomie jeder Stich durch ihre Wand das Lumen der Gallen-
blase eröffnet. Andererseits kann die Wand centimeterdick
und so hart werden, dass man Mühe hat, mit dem Messer vor-
wärts zu kommen. Weiterhin ist zu bemerken — und das ist
für die Exstirpätion wichtig — , dass die Gallenblase von der
Art. cystica versorgt wird. Dieselbe ist ein Ast der Art. hepa-
tica, teilt sich hoch oben am Hals in zwei Teile, von denen
der eine an der freien Seite der Blase, der andere zwischen ihr
und Leber verläuft. (Siehe Taf. I). Wir werden noch oft genug
(z. B. beim Aneurysma der art. hepatica) Gelegenheit haben, die
Gefäss Versorgung der Gallenblase und die Gefässverteilung im lig.
liepato-duodenale zu besprechen. Ich möchte aber schon jetzt
auf eine kleine Arterie aufmerksam machen, der in den meisten
anatomischen Atlanten nicht die genügende Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Diese kleine Arterie entspringt entweder aus
der Art. hepatica selbst oder aus ihrem Aste, der Art. gastro-
duodenalis, und zieht quer über die Vordertläche des Ductus
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. I. 4
— 50 —
choledochus hin, um an diesem, dem Duodenum und dem Pan-
kreas sich zu verbreiten; oft schickt sie einen Zweig nach
oben zur Gallenblase, der als Art. cystica accessoria bezeichnet
werden kann. (Siehe unter Nr. 122 im II. Teil Fig. 10.) Die Gallen-
blase ist mehr oder weniger fest an der unteren Fläche der Leber
breit angeheftet ; je weniger die Gallenblasenwandungen durch ent-
zündliche Prozesse verdickt sind, um so leichter gelingt die Ab-
lösung der Gallenblase von der Leber. Manchmal hängt die Gallen-
blase ganz locker an einer Art von Mesenterium an der Leber
und kann, wenn sie mit Steinen und Flüssigkeit gefüllt ist, wie ein
beweglicher Tumor hin- und herpendeln; sie verdient in solchen
Fällen gleich der beweglichen Niere die Bezeichnung: beweg-
liche Gallenblase. Der Ausführungsgang der Gallenblase ist
der Ductus cysticus, in seinem Lumen befinden sich die Hei-
ster'sehen Falten; ihre Anordnung macht eine Sondierung
des Cysticus fast immer unmöglich. Die Sonde gelangt über-
haupt fast nie in den Cysticus hinein, sondern fängt sich schon
in dem oft divertikelartig ausgebuchteten Hals der Gallenblase.
Die Durchgängigkeit des Cysticus für die Sonde ist ein patho-
logischer Zustand (Brewer); aber selbst in den Fällen, wo
grosse Steine den Cysticus passiert haben, gelingt die Son-
dierung des Cysticus keineswegs immer. Der häufig scharf ge-
knickte Cysticus mündet in den Hepaticus unter einem spitzen
Winkel; hier liegt gewöhnlich eine Drüse, welche indurieren
kann und dann durch ihre Härte leicht ein Concrement vor-
täuscht. Auch im Verlauf des Choledochus an der Pfortader
liegen verschiedene Drüsen, deren Kenntnis für den Chirurgen
von Wichtigkeit ist. (Siehe Taf. III.) Bei entzündlichen Prozessen
in den Gallenwegen schwellen diese Drüsen erheblich an; anfangs
weich, werden sie mit der Zeit immer härter und haben oft
genug als Concremente imponiert und den Chirurgen zum Ein-
schneiden verleitet. Cysticus und Choledochus sind bei man-
gelnden Adhäsionen nicht schwer zu erreichen ; da wir es
indessen bei unseren Operationen fast immer mit Verwachsungen
zu tun haben, so werden die normalen anatomischen Verhält-
nisse so verwischt, dass es selbst bei der genauesten Kenntnis
derselben nicht immer gelingt, einen richtigen Überblick zu
gewinnen. Jedenfalls bildet den Schlüssel zum Cysticus und
Choledochus die Gallenblase, vorausgesetzt, dass man sie findet.
An der Gallenblase tastet man sich zum Cysticus empor, un\
— 51 —
dann den quer von oben aussen nach innen unten im Liga-
mentum hepato-duodenale verlaufenden Choledochus zugänglich
zu machen. Das gelingt bei wenigen Verwachsungen verhält-
nismässig leicht, ohne mit der ebenfalls im Ligament verlaufen-
den Art. hepat. und Vena port. in Berührung zu kommen.
Dicht am Choledochus verlaufen, durch quere Anastomosen
verbunden, eine Reihe von kleinen Venen und Arterien, deren
Durchschneidung bei der Choledochotomie z*u unangenehmen
Blutungen und schwieriger Stillung derselben führen kann.
Wir werden nachher noch Gelegenheit nehmen, die Gefässver-
hältnisse des Choledochus ausführlich zu betrachten. Bei der
Auffindung des Choledochus spielt neben der Gallenblase als
Führer das Foramen Winslowii eine grosse Rolle, da man
durch Einführung eines Fingers in dasselbe den Choledochus
besser zugängig machen kann. Übrigens ist das Loch nicht
selten durch entzündliche Prozesse verlegt, sodass die Ein-
führung des Fingers in die Bursa omentalis unmöglich ist.
Der pylorische Weg Lange nbuchs zum Choledochus führt
nicht so sicher zu dem gemeinsamen Gallengang, als wenn
man an der Gallenblase und am Cysticus entlang vorwärts
dringt. Doch ist er zu benützen, wenn die Gallenblase, in
Verwachsungen eingehüllt, sich schwer oder gar nicht auf-
finden lässt.
Über den Zweck der Gallenblase für den Organismus gehen
die Ansichten noch weit auseinander. Murphy hält die
Gallenblase für einen Stromregulator für die Spannung in den
Gallenwegen, der wie der Luftkessel an der Feuerspritze da-
für sorgt, dass der Abfluss continuierlich und nicht stossweise
erfolgt. Andere halten die Gallenblase für ein Reservoir.
Obwohl niemand leugnen wird, dass die Gallenblase von der
Natur mit bestimmten Funktionen betraut ist, so hat doch
ihre Entfernung nicht den geringsten Einfluss auf das Allge-
meinbefinden, Magen oder Darm. Entfernt man sie samt dem
Cysticus, so regeneriert sie sich nicht wieder. Bleibt der
Cysticus stehen, so kann sich dieser zu einer Art Gallenblase aus-
dehnen (Voogt). Nasse, Calot, Rosenberg, Oddi u. A.
haben die Folgen der Gallenblasenexcision experimentell geprüft.
Über die Funktionen der Leberzellen, die Art und Weise der
Gallenabsonderung, die durchschnittliche Tagesmenge der abge-
sonderten Galle Betrachtungen anzustellen, würde zu weit führen.
— 52 —
Fig. 23.
.Steine Inden Ducti
HepaticL
St. im Cjsficus
St.im supraduod
' Teil d ei
C//oledoc^Ui
Missbildungen an der Galleiiblase gehören zu den Selten-
heiten ; es kommen angeborene Verschlüsse der Gallengänge vor,
die Gallenblase kann fehlen oder sich verdoppeln, Abnormitäten,
mit denen man kaum zu rechnen braucht. Bei Courvoisier
findet man diesbezügliche Angaben. Auf zwei Abnormitäten,
die ich bei mei-
nen Gallensteinope-
rationen vorfand,
möchte ich noch be-
sonders aufmerksam
machen. Einmal traf
ich die Gallenblase
nicht am rechten
Leberlappen , son-
dern am linken ; bei
der Besprechung der
Schnittführung
durch die Bauch-
decken komme ich
auf diesen Fall noch
zurück. Ein zweites
Mal stiess ich bei
einer begonnenen
Ectomie auf dicke
Gallengänge, welche
direkt in den Fun-
dus der Gallenblase
einmündeten und accessorische Gallengänge darstellten, deren
Schonung gerade in diesem Fall von grosser Wichtigkeit war.
Ich habe im zweiten Teil diesen Fall (Ar. 17) genauer be-
schrieben. —
Gallensteine werden im ganzen Gallensystem angetroffen,
in der Gallenblase (Fundus und Hals), im Ductus cysticus, im
Choledochus (supraduodenal, retroduodenal), in den weiten und
engen Ästen des Hepaticus. (Siehe Fig. 23.) Die Hauptbildungs-
stätte der Cholelithen ist die Gallenblase, primäre Steinbildung in
den Lebergängen kommt vor, ist aber relativ selten. Die Gallen-
steinkrankheit wird hervorgerufen durch lokale Schädigungen der
Gallengänge, besonders der Gallenblase, sie ist die Folge einer
Stauung und Infektion, eines steinbildenden Katarrhs. Glas er 's
Schema über den Sitz der Steine.
— 53 —
Ansicht, dass eine Nervenkrankheit vorliegt, ist absurd; ich
glaube noch nicht einmal an eine Stoffwechselerkrankung, doch
ist in diesem Buche kein Eaum, auf die Aetiologie der Choleli-
thiasis näher einzugehen. —
So einfach die anatomischen Verhältnisse an der Gallen-
blase und am Ductus cysticus sind, so kompliziert sind diese
am Ductus choledochus.
Nach Langenbuch, Haeckel und v. Bardeleben be-
sitzt der Choledochus beim Erwachsenen im Durchschnitt eine
Länge von 8 — 9 cm. „Der Gang verläuft in seiner ersten Hälfte
zwischen den Platten des Lig. hepato-duodenale, also intra-
peritoneal, einige Centimeter von dem freien Rande desselben
nach links entfernt, in der Richtung des Hepaticus, aber
schliesslich in einer flachen, bogenförmigen Wendung nach rechts
zum inneren Rande der Pars descendens des Duodenum. Auf
diesem Wege läuft er, nunmehr retroperitoneal werdend, und
nachdem er die Pars horizontalis superior des Duodenum an
der Hinterseite gekreuzt hat, entweder hinter dem Pankreas-
kopf längs, oder durchbohrt denselben in verschieden langer
Strecke." Die pars retroduodenalis ist 2^/2 cm. lang, die pars
pankreatica 3 cm. Die Strecke hart vor der Papille wird auch
noch als' pars papillaris unterschieden. Der letzte Teil des
Choledochus durchsetzt schräg die Wand des Duodenum und
mündet an der linken Seite der pars descendens duodeni im
Diverticulum Vateri dicht neben (0,2 cm.) der Mündung des
ductus pankreaticus, selten mit derselben gemeinsam. „Hinter
dem Choledochus, jedoch etwas mehr nach links, zieht in
ziemlich gleicher Richtung die Pfortader zum Hilus, und etwa
in gleicher Höhe, weiter von links herkommend, verläuft die
Art. hepatica, den Hepaticus spitzwinkelig auf dessen Vorder-
seite kreuzend, zwischen diesem und dem Cysticus zur Leber-
pforte. Ihre Lage ist oberflächlicher als die der Pfortader.
Ungefähr in der Höhe des hepatischen Anfangsteiles des Chole-
dochus, jedoch circa in mittlerer Fingerbreite nach innen ent-
fernt, zweigt sich die Art. gastro-epiploica dextra von der Art.
hepatica ab und verläuft nach aussen vom Pylorus hinter dem
Anfangsteile des Duodenum herum und divergierend vom Chole-
dochus nach unten und innen der Wirbelsäule zu. Das Lumen
des normalen Choledochus ist bald etwas weiter, bald auch
enger als das des Hepaticus. Bei Steinen im Choledochus er-
— 54 —
weitert sich der Gang- oft erheblich, und manchmal ist bei ober-
flächlicher Untersuchung eine Unterscheidung der Vena portarum
vom Choledochus recht schwierig (Nr. 59). Man sei deshalb
mit der Incision des vermeintlichen Choledochus recht vor-
sichtig. Die Lymphdrüsen an den Gängen finden sich ziemlich
regelmässig folgendermassen verteilt: eine Drüse sitzt am Über-
gang von der Blase zum Cysticus, eine andere am Zusammen-
fluss der drei Gänge, und eine dritte am Eingange des Chole-
dochus in den Darm. Dies zu beachten, ist nötig, da Indura-
tionen dieser Drüsen bei der Digitaluntersuchung als Steine
imponieren können.
Im allgemeinen kann man wohl sagen, dass der Chole-
dochus mehr oder weniger schräg von oben aussen nach unten
innen mit einer flach konvexen Krümmung nach links verläuft,
und dass sein Anfangsteil tiefer liegt als sein Darmende. Der
Anfangsteil, etwa 3 cm. lang gerechnet, würde am zugäng-
lichsten sein, da er, nur vom Bauchfell bedeckt, frei verläuft,
aber die Natur hat leider schlecht gesorgt, denn er liegt oft
bis zur Unerreichbarkeit tief versenkt. Der nächstfolgende,
aus der Tiefe ansteigende Teil verkriecht sich wieder hinter
Duodenum und Pankreas, das letztere nicht selten durchbohrend,
so dass seine Betastung durch diese Organe hindurch erfolgen
muss. Nur ein kleiner Teil desselben verläuft nach Qu^nu
schräg abwärts von innen nach aussen in dem von den drei
Duodenumteilen und der V. mesaraica sup. gebildeten Kreise,
natürlich auch hier vom Pankreas gedeckt und nicht selten mit
dem Ductus pankreaticus oder einem seiner accessorischen Gänge
vergesellschaftet.
Leider können pathologische Zustände und insbesondere die
häufiger zu beobachtenden kolossalen Dilatationen des Chole-
dochus sowie der anderen grosseij Ducten im Verein mit den
ebenso häufigen peritonealen Verwachsungen und Schwielen-
bildungen, sowie den ebenfalls nicht seltenen soliden oder fistu-
lösen Adhärenzen mit den benachbarten Hohlorganen das uns
geläufige topographische Bild vollständig zunichte machen, und
zwar in dem Grade, dass man, zur Eröffnung des Gallensystems
bereit, zuweilen nicht einmal erkennen kann, ob man den Chole-
dochus oder die Gallenblase vor sich hat, und noch im Zweifel
darüber in Wahrheit den Cysticus oder den Hepaticus, wenn
nicht gar ein grösseres Divertikel irgend eines Ganges, oder
— 55 —
im schlimmsten Falle selbst das Duodenum mit dem Messer er-
öffnet. Bei solcher Sachlage hat man sich natürlich vor allem
die Nähe der grossen Blutgefässe, von denen auch die untere
Hohlader nicht ausgeschlossen ist, gegenwärtig zu halten. Zu
erwähnen ist noch, dass der Choledochus in seiner oberen, der
Leber zugewandten Hälfte nicht selten von einem oder mehreren
Nebenästen der Art. hepatica und Pfortader gekreuzt sein kann,
denn gerade auf dieser Partie spielen sich die meisten Inci-
sionen des Ganges ab." (Langenbuch.)
Die Verteilung der Arterien am Choledochus hat besonders
Haasler studiert, und ich halte es für wichtig, seine Erfah-
rungen hier ausführlich mitzuteilen und die von ihm angefertigten
Zeichnungen auf Taf. IV am Schlüsse des I. Teils dieses Buches
wiederzugeben. Haasler führt folgendes aus:
„Von besonderer Wichtigkeit ist das Verhalten der Arterien,
und wenn es auch hauptsächlich bei der Choledochotomie hinter
oder nahe dem Duodenum in Frage kommt, so kann man ge-
legentlich auch beim Operieren am frei verlaufenden Teile des
Ganges mit kleinen, jedoch nicht belanglosen Arterienästen in
Kollision geraten.
Die Art. hepatica selbst. kommt hierbei, da die Hepatico-
tomie hier nicht besprochen werden soll, kaum in Betracht, da
man ja beim Operieren von der dem Gefäss entgegengesetzten
Seite an dem Gang herangeht; auch ihre häufigsten Varietäten
erfordern in der uns zunächst interessierenden Region keine
Berücksichtigung. Anders steht es mit den Aesten der Hepa-
tica. Schneidet man das vordere Blatt des Lig. hepato-duo-
denale nahe dem Duodenum und parallel zu dessen Verlauf ein,
so lässt sich der Darm nach links verziehen, und man legt
durch stumpfes Präparieren den Choledochus an seiner Ein-
trittsstelle ins Pankreasgewebe' frei, welches zuweilen mit einem
zungenförraigen Fortsatzeden Gang schon weiter oberhalb umlagert
hat. Hier verläuft nun für gewöhnlich ein etwa rechtwinklig von
der Hepatica wenige Centimeter nach Abgabe der Art. gastroduo-
denalis sich abzweigender Arterienast, welcher sich zumeist vor
der Vorderwand des Choledochus teilt, indem ein Aestchen
nach links hin zur Vorderfläche des Ganges verläuft, ein zwei-
tes ebenfalls nach links zu dessen unterem Rande hinzieht.
Ihre Verzweigungen gehen zum Pankreaskopf, zur Wandung
des Choledochus (und des Duodenum). Die oben erwähnte, sehr
— 56 —
häufig vorhandene Lymphdrüse im unteren Winkel zwischen
Choledochus und Duodenum bleibt zumeist lateral von der
kleinen Arterie (Taf. IV, Fig. 1).
Zuweilen ziehen die kleinen Arterien nach Teilung des
Hauptstämmchens zu beiden Seiten des Ganges hin (Taf. IV,
Fig. 2). Ausserdem kann man zumal durch Injektion noch
einige feinere Aestchen gelegentlich darstellen, die "sich teils
ins Pankreasgewebe einsenken, teils nach rechts abbiegend in
der Längsrichtung des Choledochus in dessen Wand verlaufen
(Taf. IV, Fig. 3 und 5).
Bekanntlich kann die Art. gastroduodenalis in ihrer Stärke
sehr verschieden sein, und auch ihr Abgang von der Hepatica
unterliegt erheblichen Schwankungen. In einigen meiner Prä-
pai-ate fand ich bei stark entwickelter Gastroduodenalis und
weit gegen die Porta hin gelegenem Abgang der Arterie von
ihr abgehend einen dem oben beschriebenen Gefässchen ent-
spiechenden Arterienast, der am Ausläufer des Pankreaskopfes
und an der vorderen Wandfläche des Choledochus sich in ganz
analoger Weise verzweigte (Taf. IV, Fig. 4). Dieses Verhalten
der Arterie ist bei Quönu erwähnt. Bei einem Präparate fand
sich bei besonders stark ausgebildeter Art. gastroduodenalis
ausser dem genannten Gefässchen (Ramus pankreaticus) noch
ein weiter lateral abgehender Ast, der bald sich teilend einen
Zweig nach links längs der Vorderwand des Ganges, einen
zweiten in entgegengesetzter Richtung schräg den Gang kreu-
zend zur Gallenblase schickte. Man kaixi letzteren als Art.
cystica accessoria bezeichnen; Henle erw^ähnt ihr Vorkommen
(Taf. IV, Fig. 5)."
Das Verhalten der Venen am lig. hepato-duodenale ist so
inconstant und besonders bei entzündlichen und Verwachsungs-
prozessen so variabel, dass es unmöglich ist, hier irgend eine
Gesetzmässigkeit herauszufinden. Man kann in dieser Hinsicht
nur dem Chirurgen raten, die Augen recht offen zu halten, bei
der Freilegung des Ductus choledochus mehr stumpf als scharf
vorzugehen und sichtbare Venen bei Seite zu schieben, damit nicht
eine oft recht unangenehme und schwer stillbare Venenblutung
den Gang der Operation unliebsam unterbricht.
V. Büngner verdanken wir eine genauere Untersuchung
der Pars duodenalis des Choledochus; wir werden dadurch über
die Beziehungen des Choledochus zum Pankreaskopf aufgeklärt.
— 57 —
Auch die Untersuchungen v. Büngner's sind so wichtig,
dass ich nicht umhin kann, dieselben ausführlich mitzuteilen.
„Der Choledochus geht vor seinem Eintritt in das Duo-
denum fast stets (in 95 °/o der Fälle) durch die Substanz des
Pankreas hindurch und nur selten (in 5 °/o der Fälle) am Kopfe
desselben vorbei. Choledochus und Wirsungianus vereinigen
sich fast nie (nur in 1 — 2 "/o der Fälle), sondern münden fast
ausnahmslos (in 98 — 99 °/o der Fälle) getrennt von einander am
Boden des Divertikulum der Papille.
Der Wirsungianus verläuft in der Eegel ungeteilt. Nur
selten (in etwa 10 °/o der Fälle) gibt er einen Nebengang ab,
der an anderer Stelle in das Duodenum einmündet. Für die
klinische Beurteilung der Krankheiten der Gallenwege und des Pan-
kreas haben diese Untersuchungsergebnisse folgende Bedeutung:
1. Die Tatsache, dass das^ Endstück des Hauptgallenganges
in die Substanz der Bauchspeicheldrüse eingebettet ist und auf
stumpfem Wege nicht aus derselben herauspräpariert werden
kann, lehrt
a) die operative Freilegung des Choledochus ist in der
Regel nur bis zu dessen Eintritt in das Pankreas , nicht aber
bis zu dessen Eintritt in das Duodenum möglich , es sei denn,
dass das Pankreas auf blutigem Wege gespalten wird.
b) Alle Affektionen des Pankreas, welche zu einer
Schrumpfung oder pathologischen Vergrösserung des Pankreas-
kopfes führen, müssen eine Konstriktion nicht nur des Wir-
sungianus, sondern auch des Choledochus bedingen. Aus diesem
Grunde begreift es sich, weshalb im klinischen Bilde nicht nur
die Firscheinungen einer Eetention des Pankreassaftes (Fett-
stühle, Melliturie), sondern auch diejenigen einer Retention der
Galle (acholische Stühle, Gallenfarbstoff im Urin, Ikterus) her-
vortreten.
2. Die Tatsache, dass Choledochus und Wirsungianus sich
fast nie, wie wir früher als Regel annahmen, vereinigen, sondern
fast ausnahmslos getrennt von einander in das Divertikulum
der Papille münden, lehrt Folgendes:
a) Die Verlegung des einen Ganges muss nicht naturnot-
wendig diejenige des anderen nach sich ziehen, vielmehr werden
Krankheitsprozesse, welche sich isoliert im Choledochus ab-
spielen, nur Symptome vonseiten dieses Ganges (Retention der
Galle), Prozesse, welche isolirt im Wirsungianus spielen, nur
— 58 —
solche vonseiten des letzteren (Retention des Pankreassaftes)
herbeiführen.
b) Erst wenn pathologische Prozesse vorliegen, welche das
Divertikuluin der Papille und damit die an sich getrennten
Ausmündungen beider Gänge verlegen (katarrhalische Zu-
schwellung, Steinobturation oder Carcinom der Papille), werden
wir Ausfallserscheinungen der Gallen- und Pankreassaftsekretion
beobachten, und zwar wird unter solchen Umständen eine voll-
ständige Retention auch des Pankreassaftes um so eher zu er-
warten sein, als die Abzweigung eines Nebenganges vom Wir-
sungianus und die Ausmündung desselben an anderer Stelle des
Duodenum zu den Ausnahmen gehört."
Auf die Verteilung der Lymphdrüsen am Lig. hepato-duodenale
habe ich bereits oben wiederholt hingewiesen. (Siehe Taf. III.)
Auf den Nervenplexus, der in zahlreichen feinen Strängen
die Gebilde des lig. hepato-duodenale umspinnt, braucht mau
bei seinen Operationen wenig zu achten, da hier kein wichtiger,
unter allen Umständen zu schonender Nerv liegt, vielmehr die
Durchschneidung sämtlicher zur Leber ziehenden Nervenbahnen,
wie Kaufmann nachwies, auf die Funktionen der Leber und
auf das Allgemeinbefinden des Pat. ohne jedwede Störung bleibt.
Nur die wichtigsten Punkte aus der Anatomie der Gallen-
wege, deren Kenntnis für den Chirurgen unbedingt notwendig
ist, haben wir angeführt. Aus den beigefügten Tafeln (I — IV), die
teils dem trefflichen Atlas Sobotta's entnommen, teils von mir
selbst entworfen und von einem Münchner Zeichner ausgeführt
worden sind, lernen wir die Anatomie des Gallensystems besser
kennen, als wie durch langschweifige Beschreibungen.
2. Die Narkose bei einer Gallensteinoperation.
Die Frage, welche Art der Narkose bei einer Gallenstein-
operation die beste ist, ist nicht leicht zu beantworten. Ich
persönlich wende zurzeit die Sauerstoff- Chloroform -Narkose
an, und ich habe seit meiner 792. Gallensteinoperation*) mit
dieser Narkose sehr gute Erfolge gehabt.
In einigen Fällen habe ich auf Wunsch der Kranken, die
sich vor allgemeiner Narkose zu sehr fürchteten, die lokale Anä-
sthesie nach Schleich vorgenommen (Nr. 15, Nr. 31). Unkom-
*) Ich habe bisher oa. 160 Gallensteinlaparotomien unter der
Sauerstoff-Chloroform-Narkose ausgeführt. (Anm. während der Korr.)
— 59 —
plizierte Cystostomien, bei denen man keine weitgehenden Ver-
wachsungen zu lösen braucht, sind gut durchführbar, denn
man kann den Bauchdeckenschnitt fast schmerzlos ausführen,
während das Hochziehen des Peritoneum und der Gallenblase
schon recht unangenehm empfunden wird. Eine solche Operation
ist aber recht langweilig und für den Arzt sehr ermüdend und
abspannend ; man operiert meist nicht gründlich genug, und
deshalb sollte man so wenig wie möglich von der Schleich'schen
Anästhesie bei Gallensteinoi)erationen Gebrauch machen.
Die Äthernarkose habe ich Anfang der 90er Jahre sehr viel
angewandt, doch relativ oft postoperative Pneumonien gesehen.
Vielleicht lassen sich dieselben bei Anwendung der Tropf-
methode nach Witzel vermeiden. In Amerika, wo ich 18
Kranke operierte, wurde fast stets ätherisiert. Die Narkosen
verliefen ausgezeichnet, und es unterliegt gar keinem Zweifel,
dass auch hier Übung und Erfahrung eine grosse Eolle spielen.
Eine schlechteÄthernarkose isteben mehr auf die mangelhafte "Tech-
nik desNarkotiseurs als auf das Narkoticum selbst zurückzuführen.
Die gewöhnliche Chloroform- Tropfmethode hat mich beson-
ders bei Männern oft in Stich gelassen. Gab man diesen vor-
her Morphium, so wurde die Narkose auch nicht viel besser:
das Respirationsbedürfnis scheint nach Morphium herabgesetzt
zu sein, die Patienten werden leicht cyanotisch und vergessen
gewissermassen zu atmen. Überhaupt war fast jede Chloroform-
narkose bei Männern, an denen ich im Oberbauchraum ope-
rierte, schlecht. Sobald man an der Leber oder an der Gallen-
blase zog, fingen sie an zu würgen und zu pressen, so dass man
nicht selten die Operation unterbrechen musste. Fast bei
jedem musste man die Zunge vorziehen, und gewöhnlich klagten
dann die Operierten mehr über ihre Zunge, „auf die sie sich wohl
gebissen hätten", also über die Bauch wunde.
Seitdem wir mit dem Roth-Dräger'schen Apparat Sauer-
stoff-Chloroform-Narkosen machen, verlaufen diese ungleich bes-
ser: die Zunge braucht nur selten hervorgezogen zu werden
und die Cyanose, das Würgen und Pressen gehören zu den Aus-
nahmen. Ich kann den Roth'schen Apparat*) zur Narkose bei
Gallensteinoperationen nur angelegentlich empfehlen. —
*) Vergl. Oertel, Über Narkose mit dem Roth-Dräger'schen
Sauerstoff- Chloroform -Narkosenapparat. Deutsehe Zeitschrift f. Chir.
Bd. 74. p. 320.
— 60 —
Kein Chirurg wird sich von vornherein auf den Standpunkt
stellen, in allen Fällen mit einem Narkoticum auskommen zu
wollen. Bei schlechtem Herzen wird man zum Äther greifen, der
bei Bronchitis verpönt ist, und jeder Augenblick der Narkose
kann den Arzt veranlassen, das Narkoticum zu wechseln. Des-
halb halte man auch bei jeder Gallensteinoperation Chloroform
und Aether vorrätig und verfolge nicht den falschen Grund-
satz, mit einem Mittel unter allen Umständen die Narkose zu
Ende zu führen.
3. Die Verteilung der bei einer Gallensteinoperation
nötigen Personen.
Die richtige Yerteilung der bei einer Operation beschäf-
tigten Personen trägt viel zu einer glatten Durchführung der-
selben bei. Als oberstes Prinzip mag gelten, dass man nicht mehr
Menschen im Operationszimmer leidet, als absolut nötig sind. Die
Zahl der zusehenden Kollegen ist auf ein Minimum zu beschränken,
wo an und für sich wenig Platz ist und die Asepsis irgend-
wie gefährdet werden kann. In einer öffentlichen Klinik mit
amphitheatralischem Zuschauerraum, der sich gegen den eigent-
lichen Operationsraum gut abgrenzen lässt, mögen so viele Zu-
schauer anwesend sein, als Sitze vorhanden sind : in einem
kleinen Operationszimmer kann man gewöhnlich nur wenige
Hospitanten unterbringen. Mehr als 3 Kollegen können bei
meinen Operationen nicht zugegen sein, sonst werden meine asep-
tischen Vorsichtsmassregeln in Frage gestellt. Ich habe oft Be-
such von Ärzten und Chirurgen und freue mich, wenn ich einem
Gast die Hepaticusdrainage zeigen kann. Aber ich setze vor-
aus, dass meine Asepsis nicht gestört wird. Mancher ist
aber von einem solchen Wissensdrange geplagt, dass er sich
über die sterilen Tücher beugt und selbst dem Operationsterrain
zu nahe kommt oder gar mit dem Finger auf irgend etwas
in der Wunde hinweist. Die kollegiale Liebenswürdigkeit, der
ich mich stets befleissigt habe, wird dann im Interesse der
Kranken leicht zur „Grobheit". Ich habe mit der Zeit die
Einrichtung getroffen, dass hospitierende Kollegen, damit sie
nicht in Verlegenheit kommen, die Zirkel meiner Asepsis zu
stören, auf ein Podium (Fig. 24) gestellt worden, von dem aus
sie vortrefflich sehen, ohne doch mich in meiner Arbeit zu stören.
— 61 —
Selbstverständlich gestatte ich niemals, dass irgend ein An-
gehöriger bei der Operation zusieht. Laien gehören in kein
Operationszimmer, und ist der Mann oder der Sohn der Patientin
selbst Arzt, so tut er gut, wenn er auf das Zusehen verzichtet.
Ich bin im allgemeinen ein sehr ruhiger Operateur und mich
bringt so leicht nichts aus der Fassung, aber es ist stets un-
angenehm, wenn bei der Narkose eine Asphyxie eintritt,
während der nächste Angehörige anwesend ist. Auch der ob-
jektivste Operateur kann in solchen Fällen unruhig werden.
Und wenn gar einmal eine starke Blutung eintritt, so teilt sich
leicht die begreifliche Angst des Sohnes oder Gatten dem Ope-
rateur mit. Ein Angehöriger kann doch bei einer Operation
nicht mithelfen, er mag bis zum Eintritt der Narkose als Tröster
zugegen bleiben, dann soll er den Operationsraum verlassen.
Ausser dem Operateur ist nur der Narkotiseur, der Assi-
Stent an der Wunde, die Instrumentenreicherin und der Wärter,
der die AVaschung besorgt und sonstige Handreichungen macht,
im Operationszimmer anwesend.
Ich lege besonderes Gewicht darauf, dass die Zahl der
Assistenten möglichst beschränkt wird. Wie oft sehe ich an
grossen Krankenhäusern oder chirurgischen Kliniken, dass statt
des einen notwendigen Assistenten drei beschäftigt sind, und
dass statt der einen notwendigen Instrumentenreicherin gar vier
sich gegenseitig im Wege stehen. Da hat die eine die Instru-
mente unter sich, die zweite Seide und Nadeln, die dritte
Tupfer und Watte, und die vierte hat die Oberaufsicht.
Der eine Assistent reicht die Instrumente zu, der zweite tupft
und der dritte besorgt die eigentliche Assistenz, d. h. er tut
so gut wie nichts. Diese Herbeiziehung von so vielen Per-
sonen zu einer Operation ist nicht günstig zur Durchführung
der Asepsis; es fehlt jede Kontrolle, und je mehr Personen
bei einer Operation beschäftigt sind, um so eher können Infek-
tionen vorkommen. Ich komme bei den schwierigsten Hepa-
ticusdrainagen mit einem Assistenten und einer die Instrumente,
Tupfer und Ligaturen reichenden Person aus und empfehle diese
Einschränkung jedem Fachkollegen. Sind mehr als zwei Assi-
stenten an einer Klinik, so mögen diese bei der Assistenz ab-
abwechseln: jeder will lernen, aber auf Kosten der Gesundheit
der Kranken darf das nicht geschehen.
Wenn die Instrumentenreicherin zugleich Tupfer und Liga-
62
turen reichen soll, muss dieselbe eine geweckte, flinke und um-
sichtige Person sein, und vor allen Dingen muss alles so auf-
gestellt sein, dass sie die verschiedenen Gegenstände gut
erreichen kann. Neben dem Apparat mit physiol. Kochsalz-
lösung (6) steht der Instruraentenauskocher (8), daneben auf
einem Tisch mit Glas-, Schiefer- oder Marmorplatte das Gefäss
Fig. 24.
Mein aseptisches Operationszimmer.
1. 2. 3. PorzeUanwasohbecken.
4. PenBter.
5. Oberlicht.
6. Apparat für phys. Kochsalzlösung.
7. Gas- und Wasserrohre.
8. Instrumentenkocher.
9. Gas- und Wassorrohre.
0. Niokeltopf zum Auskochen der
Schüsseln.
11. Schlissein auf Schieferplattentisch
stehend.
12. Gas- und Wasserrohre.
13. Instrumentenschrank.
U. Braatz's asopt. Waschtisch.
15- Türe (Holz mit Linoleum bedeckt).
16. Hoizungskürper.
17. Narkosentisch.
18. Eoth'scher Sauerstoff-Chloroform-
Apparat.
19. Operationstisch.
20. Operateur.
21. Assistent.
22. Narkotiseur.
23. Instrumentenreicherin.
24. Zuschauer-Podium.
mit der Seide, die Tonnen mit den Tupfern, die Schüsseln, in
die die genähten Kompressen gelegt werden (11). Die Instru-
mentenreicherin (23) muss sich so postieren, dass sie den Ope-
rateur (20) nicht stört und ungehindert auf die sterile Decke, die
den Pat. einhüllt, Instrumente legen kann. Der Operateur (20)
steht auf der rechten Seite des Kranken, der Assistent (21)
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— 63 —
auf der linken, der Narkotiseur (22) am Kopfe. Zwischen
Operations- und Instrumententisch haben bloss der Operateur
und die Instrumentenreicherin etwas zu suchen, etwaige Zu-
schauer verharren auf ihrem Podium (24). Auf nebenstehender
Skizze meines kleinen aber völlig ausreichenden Operations-
zimmers ersieht man die Stellung der verschiedenen bei der
Operation tätigen Personen zu einander und erkennt auch die
weiteren Einrichtungen meines Operationszimmers.
Das Operieren im Sitzen bei einer Gallensteinoperation ist
kaum durchführbar.
Die primäre Stellung, die der Operateur einnimmt — an
der rechten Seite des Patienten — muss der Arzt dann und
wann wechseln, wenn es gilt, die Gallengänge auf Steine zu
revidieren.
In solchen Fällen ist es gut, wenn er sich herumdreht, das
Gesicht vom Kopf des Patienten abwendet, eine bückende Stellung
einnimmt und nun mit der nach rückwärts geführten linken Hand
die Gallengänge abtastet (Fig. 25.) Auch Lauenstein erwähnt
diese Stellung, die besonders beim Cysticusstein gute Dienste
leistet. Mit der rechten Hand kommt man lange nicht gut vorwärts,
während die linke Hand von unten her viel besser in der Tiefe
sich orientieren kann. Wer diesen Handgriff einmal versucht
hat, wird ihn immer wieder gern anwenden.
Sehr selten ist es notwendig, dass der Operateur auf die
andere Seite des Tisches an die Stelle des Assistenten treten
muss; einige Male hielt ich das bei genauer Abtastung des
Pankreas für angebracht. Im allgemeinen kann der Operateur
von Anfang bis Ende der Operation an seinem Platze beharren.
Der Operationstisch muss natürlich so stehen, dass das
volle Tageslicht in den Bauch hineinfällt; wo kein Oberlicht
vorhanden ist, wird ein grosses Fenster ausreichendes Licht
spenden. Aber bei den Eingriffen am Choledochus ist Oberlicht
recht zu empfehlen. Bei Operationen im Privathause vermisst
man, und wenn das zum Operationsraum eingerichtete Zimmer
noch so viele Fenster besitzt, das Oberlicht gewöhnlich sehr.
4. Die Lagerung des Kranken bei einer Gallenstein-
operation.
Die richtige Lagerung des Kranken ist für die glatte
Durchführung der Operation ein sehr wichtiger Punkt. Mein
— 64 -
Operationstisch ist so eing-ericlitet, dass ich ihn mittelst Kurbel-
drehung durch den Wärter in jede beliebige Höhe bringen kann;
ich lasse mir den Tisch anders einstellen, wenn es sich um eine
fettleibige alte Dame, als wenn es sich um einen zum Skelett
abgemagerten Carcinomkranken handelt. Der Operateur muss
bequem arbeiten können und darf sich nicht unnütz anstrengen.
Das Kopfende steht um einige Centimeter tiefer wie das Fass-
ende, und jederzeit kann ich an dem Tisch (bei CoUaps) mit
wenigen Umdrehungen der Kurbel das Kopfende noch tiefer
bringen lassen. Ist man gezwungen, einmal in einer fremden Klinik
an einem andern, nicht verste-Ubaren Operationstisch arbeiten zu
müssen, so wird man sich erst der Vorteile des eigenen Tisches
bewusst. Ich möchte ihn nicht mehr entbehren. Seit Jahren
benutze ich, um die Gallengänge möglichst in das Niveau der
Bauchhaut zi^bringen, Leder-Rollen, die ich unter den Rücken des
Patienten unterschiebe. Davon habe ich schon bei den Vor-
bereitungen zur Operation gesprochen. Ich benutze Rollen von ver-
schiedener Dicke ; man erleichtert sich auf diese Weise die Arbeit an
der Gallenblase und besonders am Lig. hepato-diiodenale ganz
ausserordentlich. Die von Kellin g*) u. a. angegebene Lagerung
des Kranken bei einer Gallensteinoperation ist im Prinzip dieselbe
wie die meinig-e, nur dürfte Patient den Druck der schmalen Holz-
leiste noch Tage lang spüren. Der Kranke muss ferner während
der ganzen Operation warm gehalten werden, er darf sich nicht
abkühlen. Ich kann bequem unter meinem Tisch eine Wärme-
vorrichtung anbringen lassen und sorge stets dafür, dass die
Beine des Kranken in warme Decken eingewickelt sind.
5. Die Schnittführung durch die Bauchdecken bei
einer Gallensteinoperation.
Die Schnittführiing durch die Bauchdecken bei einer Gallen-
steinoperation hat in meiner Klinik Behr grosse Wandlungen
durchgemacht. Ich habe den kleinen Längsschnitt am äusseren
Rand des rechten musc. rect. abd. nach LawsonTait, den Schnitt
nach Riedel im äusseren Drittel des Muskels, den Haken-
schnitt nach Czerny und den Leberrandschnitt nach Cour-
voisier geübt und halte jetzt für die beste Schnittführung den von
mir angegebenen Wellenschiiitt. Derselbe beginnt in der Höhe oder
dicht oberhalb des Processus xiphoides, durchtrennt die Bauch-
*) Centralblatt für Chirurgie 1904. No. 4.
— 65 —
wantl in der Mittellinie bis ungefähr zur Mitte, zwischen
Schwertfortsatz und Nabel, geht dann schräg unter möglich-
ster Schonung der Inscriptiones tendineae und der darin ver-
laufenden Getässe und Nerven durch den Muse. rect. abd. dext.
nach aussen und unten, macht im äusseren Drittel des Muskels halt
und endet als Längsschnitt im Muskel wenige cm. unterhalb
des Nabels. Während die schräge Durchtrennung des Muskels
natürlich mit dem Messer vorgenommen werden muss, kann
man beim Längsschnitt stumpf arbeiten und quer verlaufende
Nerven ganz gut schonen.
Die Blutung bei diesem Schnitt ist oft minimal, oft recht
reichlich und störend. Ich lege an jedes blutende Gefäss eine
v. Bergmann 'sehe Klemme und unterbinde die spritzenden Ge-
fässe sofort mit dünner Seide ; die an die wenig blutenden
Gefässe angelegten Klemmen bleiben bis zum Ende der Operation
liegen. Die Durchschneidung der äusseren Fascie und des Mus-
kels bietet keine Schwierigkeiten, die Durchschneidung der
inneren Fascie, der Fascia transversa nebst Peritoneum beginne
ich ungefähr in der Mitte des Schnitts und vollende sie nach
oben zu mit der Cooper'schen Schere, nach unten unter dem
Schutz zweier Finger mit dem Messer. Wer geschickt ist,
braucht kein Knopfmesser. Nach oben zu liegt unter der Fas-
cie reichlich subperitoneales Fett und das Lig. teres. Diesem
parallel durchtrenne ich nach aussen (d. h. nach rechts)
das subperitoneale Fett und das Peritoneum. Ganz oben dicht
unter dem Proc. xiph. macht oft eine in der Tiefe blutende
Arterie Schwierigkeiten bei der Unterbindung. Mit dem Muse,
transversus komme ich bei meiner Schnittführung kaum in Be-
rührung, da der Schnitt nur bis zum äusseren Drittel des
Muse. rect. abd. geführt wird, wo, wie aus Figur 26 ersicht-
lich, die Muskelfasern des Transversus in die hintere Rectus-
scheide übergehen.
Bei grossen hydropischen Gallenblasen habe ich oft den
Schnitt am Rippenbogen begonnen und nach unten im äusseren
Drittel des Rectus beliebig lang weiter geführt. Bei Patienten
mit straifen Bauchdecken genügt aber dieser Schnitt nicht, um
Choledochus und Cysticus gehörig frei zu legen, und so be-
diene ich mich jetzt in allen Fällen meines Wellenschnittes^
wenigstens was die Haut und das Fettgewebe anbelangt.
]\Ierkt man, dass man auch ohne Durchschneidung der Fascie
Kehr, Technik der GaUensteinoperationoo. I. "
in der Mittellinie gut an die
Gallengänge herankommt, so
kann der Pascienschnitt in
der Linea alba wegfallen,
und dann setzt sich der
Schnitt zusammen aus dem
Schrägschnitt durch den
Muskel und aus dem Längs-
schnitt im äusseren Drittel
desselben. Sehr selten ist
es bei weit nach rechts ver-
lagerter Gallenblase not-
wendig, den ganzen musc.
rect. schräg zu durchtrennen.
(Nr. 18, Nr. 29.)
um die Vorteile meiner
Schnittführung in das rechte
Licht zu setzen, will ich die
von anderen Chirurgen be-
nutzten Schnitte einer Durch-
musterung unterwerfen.
Der Schnitt in der Mittel-
linie allein wird wohl am
wenigsten benutzt. Löbker
erwähnte in einem Vortrag
auf der Naturforscherver-
sammlung in Düsseldorf,
resp. auf dem Kongress der"
deutschen Gesellschaft für
Chirurgie, dass er in der
Mittellinie eingehe. Ich
glaube nicht, dass viele
Chirurgen den Medianschnitt
allein üben. Zur Excision der
Gallenblase und vielleicht
*) Die Fig. 26, dem Atlas Sobotta's entnommen, lässt deutlich
erkennen, dass die Muskelfasern des Transversus nur bis unter das
äussere Viertel des Musc. rect. abd. reichen und daher bei meiner
Schnittführung nicht getroffen werden.
67
Fig. 27.»)
Musculus rectus
dexter sinister
a,uch für eine Reihe von Oholedochotomien genügt es sicherlich,
wenn man die Bauchhöhle vom Schwertfortsatz bis zum
Nabel eröffnet, aber man arbeitet bequemer, wenn man
noch einen Schräg'schnitt hinzufügt. Ist man gezwungen,
die Gallenblase zu erhalten und am Peritoneum parie-
tale zu fixieren, so dürfte eine solche Fixation in der Mittel-
linie zu Zerrungen Veranlassung geben. Beim Schrägschnitt
fixiert man die Gallenblase an richtiger Stelle und kann solchen
Zerrungen vorbeugen.
Langenbuch und Tait bedienten sich des Vertikal-
schnittes am äusseren Rand des rechten Muse. rect. abd. an der
von Arterien fast freien Stelle.
(F ^ 1 i c e t 's ligne blanche latörale. )
Pöan scheint dieselbe Schnitt-
führung geübt zu haben. Weil
diese lange Zeit einzig allein
angewendet wurde, ist sie von
Vincent die „klassische" genannt
worden. Es unterliegt keinem
. Zweifel, dass mit dieser Schnitt-
führung eine Cystostomie leicht
durchführbar ist, vorausgesetzt,
dass der Cysticus frei ist und
der Operateur auf eine genauere
Freilegung des Lig. hepato-duod.
verzichtet. Eine gründliche Pal-
pation des Cysticus und Chole-
dochus ist aber bei fast jeder
Gallensteinoperation dringend ge-
boten ; da bei der Schnittführung
am äusseren Rand des Rectus eine
solche nicht leicht durchführbar
ist, erfüllt der Schnitt nicht die Forderungen, die ich an ihn
stellen muss.
Ich habe das oft genug nach Operationen anderer Chirur-
gen beobachtet, die einen kleinen Schnitt gemacht und ohne
genaue Revision des Cysticus und Choledochus eine Cystostomie
*) Die Figur ist etwas undeutlich geworden, doch wird es nicht
schwer fallen, an der Hand des Textes sich über die einzelnen Schnitte
zu orientieren.
Der Schnitt begiont am Proc.
xiph. und kann oberhalb der
loscriptio tend.2 enden. Bekommt
man niciit genug Platz, so wird
er bis an die Inscriptio tend. 3
geführt. XXX Längsschnitt
nach Riedel im äusseren Drittel
des rechten M. rect. abd.
Czerny's Hakenschnitt.
Schnitt am äussern
Rand des Muse. rect. abd. dext.
— 68 -
oder gar eine Cystenterostomie ausgeführt hatten. Das Resul-
tat solcher Operationen war, dass Schleiinfisteln entstanden und
die angelegte Anastomose nicht funktionierte. Die Ausbesse-
rung solcher Fälle ist aber recht schwierig. Ein einmal ver-
schnittener Rock ist auch schwer passend zu machen, und ein
bereits einmal nicht richtig operierter Fall lässt sich ebenfalls
schwer ausbessern. Deshalb mache man von vornherein einen
genügend langen Schnitt, der eine ausgiebige Palpation erlaubt.^
Riedel teilt in seinem Buche: „Die Pathogenese, Diagnose
und Behandlung des Gallensteinleidens" mit, dass er bei der Ex-
cision der Gallenblase und Choledochotomien denselben Schnitt
benutzt, wie ich, und auf dem letzten Chirurgenkongress zeich-
nete er sogar diesen Schnitt an die Wandtafel. Aus der Art
und Weise seiner Mitteilung müsste man annehmen, dass Riedel
diese Schnittführung erfunden und ganz allein eingeführt habe.
Demgegenüber betone ich, dass ich schon seit vielen Jahren
mich der „Riedel'schen Schniltführung" bediene, doch lege ich
gar keinen Wert auf sogen. Prioritätsrechte bei einer solchen
Kleinigkeit. Ich freue mich aber, däss Riedel genau so vor-
geht wie ich und darauf aufmerksam macht, dass alles darauf
ankommt, in der Mittellinie vom proc. xiphoideus an Platz zu
schaffen. Nur ist es übertrieben, wenn man den Schnitt bis in
die Mitte der Sternum nach oben verlängert : es genügt in allen
Fällen, wenn man am proc. xiphoideus oder ein bis zwei Cen-
timeter oberhalb desselben beginnt.
Bei der Cystostomie bedient sich Riedel seines einfachen
Längsschnittes ; da man vorher aber nie wissen kann, ob man
ectomiert oder cystostomiert, möchte ich auch für die Cysto-
stomie den Wellenschnitt empfehlen.
Dem vertikalen Schnitt gegenüber steht der horizontale,
der von Keen und Musser parallel dem Rippenbogen geführt
wurde. Parkes, Böckel, Willet haben ähnliche Schnitte
wie den von de Roubaix angegebenen benutzt. Nach de Rou-
baix beginnt der Schnitt in der Lineaalba, 1 Zoll unter dem proc.
xiphoideus, geht dann schräg 3—4 Zoll lang aus- und abwärts
durch den rechten Muse. rect. und verläuft zuletzt horizontal aus-
und rückwärts. „So wird ein grosser, nach unten innen
konvexer Lappen gebildet. Man bekommt durch Aufhebung
des letzteren vortrefflichen Einblick in die Verhältnisse der
G allen wege.'^ (Oourvoisier.)
— 69 —
Kocher g-ibt dem Schrägschnitt vor den Vertikalschnitten
■den Vorzug. Bei der Cholecystostomie macht er einen schrägen
•Querschnitt 4—6 cm. unterhalb des Rippenrandes. „Derselbe
beginnt auf der Wölbung des Rect. abdominis, trennt Haut,
Fascia' superficialis und die Fascie des Obliquus abdominis ex-
ternus; diese ist vor dem Rectus mit derjenigen des Obliquus
internus vereinigt. Darunter erscheint der Rectus, dessen Rand
durchschnitten wird unter event. Ligatur der Art. epigastrica
superior unter dessen lateralem Rande und verschiedener Mus-
kelgefässe. Im seitlichen Winkel wird der M. obliquus abdominis
externus, darunter und medianwärts der Obliquus internus ein-
geschnitten. Unter ihm streben die Ausläufer der Intercostal-
Nerven schräg einwärts gegen den Rectus zu. „Dieselben sollen
nicht durchschnitten werden, weil sonst beschränkte Lähmung
des Rectus eintritt, sondern sie können — da sie sehr dehnbar
sind — nach oben und unten verschoben werden. Schwächere
Rami perforantes dieiser Nerven liegen schon auf der ersten
Fascie. Der M. transversus geht mit seinen Fasern bis unter
<len Rectusrand, und seine Fascie geht mit der tiefen des Ob-
liquus int. vereinigt hinter dem Rectus zur Linea alba. Unter
den Muskeln erscheint die Fascja transversa mit querer Faserung
und nach ihrer Trennung das Peritoneum."
Kocher legt also Gewicht auf die Schonung der Nerven,
die in der Inscript. tend. verlaufen; sein Schnitt gibt eine gute
Übersicht über das Gallensystem, doch trage ich Bedenken, den
starken Muse. rect. abd. in seiner ganzen Quere zu durch-
schneiden. Bei gestörter Asepsis kann durch ein weites Klaffen
der Muskelränder eine Hernie entstehen^ die recht unangenehme
Erscheinungen nach sich ziehen wird. An der Breslauer Klinik
übt man, wie Kausch auf dem Chirurgenkongress 1904 mit-
teilte, ebenfalls den Schrägschnitt.
Courvoisier hat seinen Schnitt den „Leberrandschnilt"
genannt. Er übt eine Schnittführung, welche mehr oder weniger
genau dem Leberrand folgt. „Parallelismus mit der Leber ist
in den Fällen, um welche es sich handelt, durchaus nicht immer
das gleiche, wie Parallelismus mit dem Rippenrand. Beide
Teile beschreiben oft ganz verschiedene Linien. Ginge das
Messer dem Rippenbogen nach, so würde es also nicht selten
zum Teil auf die Leber stossen." — Der Schnitt längs des Leber-
rands wird je nach der Grösse des Organs bald sehr nahe an
— 70 —
den Rippen, bald sehr viel tiefer, ja unter der Nabelhorizontale-
verlaufen ; er wird zuweilen ziemlich genau quer, gewöhnlich
allerdings nach unten und innen convex sein. Dabei setzt
Courvoisier, um das Umklappen der Leber zu erleichtern,
etwas oberhalb des Leberrands ein. Ich habe eine Zeit lang
den Courvoisier' sehen Leberrandschnitt geübt und konnte seine
•l^or- und Nachteile genau studieren. Czerny hat früher eine
Schnittführung benutzt, die er Hakenschnitt genannt hat. Der
Schnitt beginnt am Processus xiph. und zieht in der Linea alba
bis zum Nabel. Auf diesen Schnitt setzt er einen rechtwinkligen;
Schnitt, der also den Muse. rect. abd. völlig quer und auch noch
einen Teil der übrigen Bauchmuskeln (M. obl. abd. ext. u. int^
u. transversus) durchschneidet. Das ist ein gewaltiger Schnitt,
der einen sehr guten Ueberblick über das Gallensystem ge-
währt, aber für viele Fälle überflüssig gross erscheint. Für
die Cystostomie liegt der Querschnitt zu tief, er gibt zu
Zerrungen Veranlassung, bei der Ectoraie ist die nachträgliche
Herausleitung der Tamponade sowohl durch den Querschnitt
wie durch den Längsschnitt recht schwierig. Die Durch-
schneidung der ganzen Quere des Muse. rect. abd. kann zur
Entstehung von recht unangenehmen Hernien Veranlassung
geben. So möchte ich für primäre Operation den Czerny 'sehen
Schnitt nicht empfehlen ; für sekundäre Eingriffe, besonders für
die sec. Ectomie und Choledochotomie hat er nicht wegzuleug-
nende Vorteile. (Nr. 68, Nr. 95.)
Ich hatte schon lange meinen Wellenschnitt — eine Kom-
bination beider Vertikalschnitte (des medialen und des lateralen)
mit dem Querschnitt — eingeführt, als ich von dem Schnitt
ArthurDean Bev an's (Chicago) in dem ausgezeichneten Buch
von Pantaloni „Chirurgie du toie et des voies biliaires" las.
Doch fehlt auch diesem Schnitt die Spaltung der Fascie
zwischen den Muse, recti in der Mittellinie bis weit oben hinauf zum
Proc. xiphoideus. Darin liegt das Geheimnis meines Schnittes,
welcher einen so ausgezeichneten Zugang zum Gallensystem spez.
zum Cysticus und Choledochus ermöglicht, dass ich weit oben,
oft oberhalb des Proc. xiph. auf dem Sternum den Schnitt be-
ginne. Nur auf diese Weise schafft man sich genügenden
Platz. Man kann bei der Benutzung des Wellenschnitts zumal
bei Frauen, die geboren haben und bei denen die Leber gesenkt
ist, die Leber so hervorziehen und umkippen, dass man Jiier
— 71 —
z. B. die Ectoniieim Niveau der Bauchwand gewissermassen extra-
peritoneal vornehmen kann. (Nr. 33, Nr. 44, Nr. 50, Nr. 112, Nr. 123.)
Ich will nicht unerwähnt lassen, dass, je fettleibiger der
Patient ist, um so grösser der Schnitt sein muss. Frauen mit
schlaffen Bauchdecken, mit Hepatoptose, kann man ganz gut
mit einem kleinen Vertical-Schnitt im Eectus operieren, und
wenn der Gallenblasentumor wie eine Kugel die Bauchwand
hervordrängt, ist oft ein 5 — 6 cm. langer Schnitt genügend,
den Tumor heraustreten zu lassen. Ja es kann in solchen
Fällen sogar gelingen, mit dem Zeige- und Mittelfinger der
linken Hand den Stein im Cysticus zu lockern und so ohne
Erweiterung der Bauchwunde die Operation zu Ende zu führen.
Aber ich ziehe es vor, die Gegend des Cysticus und Chole-
dochus nicht nur 2 Fingern, sondern der ganzen Hand und, was
die Hauptsache ist, dem Auge zugänglich zu machen, und des-
halb empfehle ich für alle Fälle den Wellenschnitt. Was 'ich
zerschneiden musste, wird ja wieder genau zusammengenäht,
und da in 99''/o der Fälle eine prima intentio eintritt, brauche
ich mich vor einer Infektion, die bei grösseren Schnitten ge-
wöhnlich mehr Unheil anrichtet wie bei kleinen, nicht zu fürchten.
In Amerika liebt man die kleine Incision, z. B. 1 — 1^2 cm. lang
zum Aufsuchen der Appendix ; man war erstaunt über die
kräftigen Schnitte des „Germanen", aber ich bin überzeugt, dass
die meisten Zuschauer ihre Vorteile, ja ihre Notwendigkeit bei
Gallensteinoperationen eingesehen haben.
Zwei Organe treffen wir bei unseren Gallensteinoperationen
häufig krank an: den Magen und die Appendix. Appendicectomien
und Gastroenterostomien sind oft nötige Operationen. Ich habe
stets von dem Wellenschnitt aus diese Eingriffe ausführen
können und nie einen besonderen Bauchdeckenschnitt gebraucht.
Das ist gewiss auch ein Vorteil meiner Schnittführung. Hatte ich
Grund, die Appendix zu resecieren, so brauchte ich nur in
wenigen Fällen den Schnitt nach unten zu verlängern ; ich habe
das meist unter Schonung der Nerven in den Inscript. tend. getan
und bin entweder im Kectus geblieben oder habe nach aussen zu
— nach der Spina ant. sup. ossis ilei hin — den Schnitt verlängert.
Die Lannelongue'sche Eippen-Resektion ohne Eröffnung
der Pleurahöhle habe ich, ehe ich den Wellenschnitt übte, einige
Male vorgenommen (Nr. 22, Nr. 70), in der letzten Zeit gar
nicht mehr, denn die Rippen-Resektion wird durch den Wellen-
— 72 —
schnitt absolut entbehrlich gemacht. Die Rippenresektion ist
kein ganz gleichgiltiger Eingrifi ; dass der Wellenschnitt sie
überflüssig macht, ist mir eine besondere Genugtuung.
Ich habe deshalb auch keinen Grund, die Technik der
Lannelongue'schen Rippenresektion näher zu beschreiben.
Ebenso verzichte ich auf die Schilderung der Technik des
lumbalen Schnittes (Mears 1890, Tuffier 1895). In verein-
zelten Fällen hat man durch den lumbalen Schnitt, der dem
Nephrectomie-Schnitt gleicht, den Hydrops der Gallenblase an-
gegriffen; so fand R. Frank*) bei einem Retrolumbalschnitt
wegen Nephropexie einen grossen Stein im Ductus cysticus, um-
säumte erst den Gang mit dem Peritoneum parietale durch eine
Naht, eröffnete den Ductus, entfernte den Stein und vernähte
dann die Incisionswunde, welche tamponiert wurde. Bei
diesem Verfahren ist die Drainagerichtung sehr günstig, Hernien
fallen fort. Aber durch die Fixation des Cysticus kann es zu
Zerrungen und Abknickungen kommen. Der Hauptfehler aber
ist der, dass man bei dem hinteren Schnitt keinen Überblick
über die Verwachsungen an der Gallenblase gewinnt, ohne deren
Lösung man selten eine vollkommene Heilung erzielt.
Das gilt in noch erhöhterem Masse von dem Vorgehen
Tuffier's, welcher bei Choledochussteinen die lumbale Methode
übt. Nach meiner Ansicht sind solche Operationen zu verwerfen.
Bei jeder Choledochotomie muss man auf die Gallenblase und
auf die Verwachsungen Rücksicht nehmen, beim lumbalen Schnitt
ist man meist nicht in der Lage, diese Forderungen zu erfüllen.
Eine Kombination des vorderen Schnittes mit dem lumbalen
haben Bogajewski 1891, Reboul, Tischendorf 1895 benutzt;
ich für meine Person habe stets mit dem vorderen Schnitt mein
Ziel erreicht.
So viel von der Schnittführung bei primären Operationen
am Gallensystem. Ist man gezwungen, eine sekundäre Ope-
ration vorzunehmen, z. B. zur Beseitigung von Gallen- und
und Schleimfisteln, so ist die Schnittführung ganz nach dem
betreffenden Fall einzurichten. Bald ist ein einziger Schnitt in
der Mittellinie zwischen Schwertfortsatz und Nabel ausreichend
(\r. 83, Nr. 94); bald muss ich den Hakenschnitt nach Ozerny
*J Entfernung eines grossen im Ductus cysticus eingekeilten Gallen-
steins durch Simon 'sehen Retrolumbalschnitt, Wiener klin. Wochen-
schrift 1901 Nr. 18.
— 73
Pifir. 28.
iin wenden, oft fällt der Schnitt auch so aus wie der primäre Wellen-
schnitt, d. h. ich spalte die alte Narbe, so dass die Gallen- resp.
Schleimfisteln direkt vom Schnitt getroffen resp. umkreist werden.
Wir werden bei der Beschreibung der verschiedenen sekundären
Operationen im speziellen
Teil der Technik noch
näher auf die Schnittführ-
ung einzugehen haben.
Im allgemeinen muss ich
aber bemerken, dass ich bei
sekundären Operationen
gern ausserhalb der Ver-
wachsungen und Narben
bleibe, damit ich mich
von der freien Bauchhöhle aus leichter über die Verhältnisse
am Gallensystem orientieren kann. Dabei geniesse ich zugleich
den Vorteil, dass ich die Asepsis besser -durchführen kann, als
wenn ich mit dem Messer die Gallen- oder Schleimfisteln in
mein Bereich ziehe. Eine Abtastung des Ductus cysticus und
Oholedochus vom Hakenschnitt Czerny's aus ist jedenfalls
leichter und ungefährlicher, als, wenn der Schnitt dicht an der
Gallenblase vorbeigeführt wird. (Siehe Fig. 28.)
Es gehört — schon bei der Betrachtung der Anatomie des
Gallensystems wurde darauf hingewiesen — zu den grössten
Seltenheiten, dass man die Gallenblase nicht im rechten Hy-
pochondrium, sondern im linken antrifft. Bei Situs transversus
tritt das ein. Eine Gallensteinoperation bei dieser Anomalie hat z. B.
Beck vorgenommen, ich habe einen solchen Befund noch nicht er-
hoben. Einmal traf ich die Gallenblase nicht am rechten Leber-
lappen, sondern am linken. Leider ist mir die ausführliche Kranken-
geschichte verloren gegangen, doch habe ich .über den Fall in
der „Münch. med. Wochenschrift 1902, Nr. 6" kurz berichtet;
€s handelte sich um meine 655. Gallensteinoperation.
„Die Gallenblase sass nicht ara rechten Leberlappen an ge-
wöhnlicher Stelle, sondern am linken, medial vom Lig. teres,
ca. 6 cm. von diesem entfernt. Der Cysticus führte in einen
engen linken Hepaticus, welcher auf der stark ausgedehnten
Vena portarum schräg von oben nach unten verlief. Dicht vor
dem Duodenum vereinigte sich der linke Hepaticus mit dem
74
noch einmal so starken, normal am unteren Rand des Lig^,
hepato- duodenale verlaufenden rechten Hepaticus zum Chole-
dochus.
Ich musste bei der Pat. die mit dem Magen verwachsene,
mit Eiter und Steinen gefüllte Gallenblase exstirpieren und
Pig. 29. konnte vom Cysticusquer-
schnitt aus den linken
Hepaticus mit feinen Son-
den sondieren und mich
auf diese Weise genau
über die seltene Anomalie
orieiltieren."
Bei Situs transversus
wird man den Schnitt ent-
weder in der Mittellinie
machen oder direkt über
dem Tumor, also im lin-
ken Muse. rect. abd. oder
an seinem äusseren Rande.
Bei genauer Berücksich-
tigung der Anamnese und
gründlicher Aufnahme des^
Befundes wird es gelingeur
die Gallenstein-Krankheit
bei Situs transversus vorher zu diagnostizieren und sonstige
Tumoren, die im linken Hypochondrium sich entwickeln, aus-
zuschliessen.
1. Rechter Leberlappen.
2. Linker Leberlappen.
3. Lig. teres.
4. Gallenl)lase.
5. Linker D. hepaticus.
6. Rechter I). hepaticus.
7. Choledoohus.
8. Duodenum.
9. Vena portarum.
6. lieber die Asepsis während einer Gallenstein-
operation.
Wer offene Augen zum Sehen hat, wird in vielen Kliniken
die Bemerkung machen können, dass zwar vor der Operation
die Asepsis ganz gut ist, während der Operation selber aber
häufig gegen die Prinzipien der Asepsis Verstössen wird. Ich
will nicht von den groben Fehlern reden, dass eine Schwester,
nachdem sie sich 10 Minuten lang gewaschen hat, im letzten
Augenblick nach dem Instrumentenschrank eilt, diesen auf-
schliesst und nun nachträglich noch einen Löffel herausholt, um
iO —
«liesen in die kochende Sodalösung- zu werfen. Mit einem se-
kundenlangen Eintauchen ihrer Händen in eine recht schöne, rote
Subliraatlösung glaubt sie den Fehler der Asepsis gutgemacht
zu haben'. Wie oft habe ich gesehen, dass ein Operateur mitten
in der Operation den Kneifer auf die Nase setzte, an der Brille
rückte etc. Das sind wie gesagt grobe Fehler, die überhaupt
nicht vorkommen sollten, aber öfters vorkommen, als man glaubt.
Aber auch die kleineren Fehler müssen vermieden werden, vvenn
der Erfolg der Operation gesichert sein soll. — Gerade bei
einer Gallensteinoperation kann der Chirurg zeigen, ob er vom
Geiste der Asepsis auch wirklich durchdrungen ist. Das er-
kennt man sofort, wenn die Gallenblase eröffnet ist, wie der
Operateur die Instrumente, mit denen er nach Steinen suchte,
weiterhin behandelt, ob er unnütz seine Finger in die Gallen-
blase einführt, und wie er sich, wenn wirklich einmal eine
solche Notwendigkeit an ihn herantritt, hinterher verhält.
König hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass, je
weniger wir unsere Finger mit der Wunde in Berührung bringen,
um so günstiger der Wundverlauf sich gestaltet. Denn auch-
bei der gründlichsten mechanischen Reinigung der Hände bleiben
immer noch genug Mikroorganismen an der Epidermis haften^
die auf die Wunde übertragen entzündliche und eitrige Pro-
zesse hervorrufen können. Es muss deshalb unser Grundsatz
sein, die Wunde so viel wie möglich vor der Berührung der
Finger und Hände zu schützen.
Bei vielen Operationen, z. B. bei Eröffnung des Knie-
gelenkes, Entfernung seiner Kapsel, können wir das von Anfang
bis zu Ende durchführen, wir brauchen in der Tat nicht zu
fingern, während bei einer Gallensteinoperation das fingerlose
Operieren sich nur teilweise durchführen lässt. Die Bauch-
decken können wir durchtrennen und brauchen dabei die Wunde
mit der Hand nicht zu berühren, wir können sie auch weiter-
hin vor Kontakt und Luftinfektion dadurch schützen, dass wir
dieselbe mit genähten Kompressen bedecken Aber nunmehr
muss das fingerlose Operieren aufhören, denn ohne Palpation
vermögen wir kaum uns ein Bild von der Beschaffenheit der
Gallenblase und dem Sitz der Steine zu machen. Sollen wir
nun die von Mikulicz eingeführten sterilisierten Zwirnhand-
schuhe anziehen ? Wir würden dann aus dem An- und Aus-
— 76 —
ziehen gar nicht herauskommen. Zwirnhandschuhe werden schon
von der Hand aus infiziert, und da wir bei Gailensteinoperationen
fast immer in einem infizierten Gebiete hantieren, so werden
sie auch von aussen her mit so viel Keimen beladen, dass sie mehr
schaden als nützen. Die von Zoege- Man teuf fei und von
Friedrich empfohlenen Gummihandschuhe passen nach meiner
Meinung-, ganz abgesehen davon, dass sie das feine Gefühl
wesentlich abstumpfen, ebenfalls nicht zu einer Gallenstein-
operation, und somit sind wir schon gezwungen die Hände un-
behandschuht zu lassen, müssen aber das Hantieren in der
Bauchhöhle auf das Mindestmass herabsetzen und unser Ope-
rationsterrain durch die Absperrungstamponade von der übrigen
Bauchhöhle abschliessen. In der Tat ist der reichliche Ge-
brauch von genähten Tupfern, welche die Äbsperrungstampo-
nade besorgen und das Gallensystem vom Magen, Duodenum,
Colon und auch nach oben hin (Ligamentum hepato-gastricum)
isolieren, das beste Mittel, einer Wundinfektion, d. h. der
Entstehung einer Peritonitis vorzubeugen. Die Kompressen
werden in steriler heisser Kochsalzlösung gut ausgedrückt und
feucht verwandt. Ich halte bei jeder Laparotomie 30 grosse
viereckige und 10 lange Tupfer vorrätig. Über ihre Herstel-
lung habe ich bei den Vorbereitungen zur Operation die nötigen
Angaben gemacht. Durch die aufgelegten Tupfer wird der
Darm und das Netz unsichtbar gemacht und vor Berührung
mit den Fingern geschützt. Auch legt man, wenn der Opera-
teur die Leber nach oben drückt, unter die Hand einen schützen-
den Tupfer, damit man nicht direkt mit den Fingern die Leber
berührt. Ist es möglich, extraperitoneal zu operieren, d. h.
die Leber umzukippen und auf die Bauch wand zu lagern, so
wird man ebenfalls erst unter die Leber d. h. auf die Bauch-
wand eine Keihe von genähten Tupfern legen, um eine In-
fektion möglichst zu verhüten.
Viel wichtiger und auch schwerer ist es, bei der Eröffnung
der Gallenblase und der Gallengänge einer Infizierung des Peri-
toneums und der Hände des Operateurs und seiner Assistenten
zu entgehen. Ich verhalte mich dabei folgendermassen :
Die Punktion der Gallenblase erfolgt so, dass ich die mit
einem Gummischlauch versehene ausgekochte Nadel in die Gal-
lenblase hinein stosse, den Schlauch mit der Aspirationsspritze
— 77 —
in Verbindung- bringe und durcli die Instrunientenreicherin die
Aspiration vornehmen lasse. Der Assistent hat sein Augen-
merk darauf zu richten, dass neben der Nadel aus der Gallen-
blase etwa austretender Inhalt sofort weggetupft wird. Die
Tupfer, aus etwas KrüU-Gaze bestehend, werden mit einer Pin-
zette gefasst, der Operateur fixiert mit irgend einem Instru-
ment (Hakenpinzette, Roser'scher Klemme) mit der linken
Hand die Gallenblase, während die rechte Hand die in der
Gallenblase befindliche Nadel dirigiert. Die Dieulafoy-Spritze
ist so eingerichtet, dass. man durch einen Hahn den Schlauch
auf- und zusperren kann. Ist die Spritze mit Gallenblaseninhalt
vollgefüllt, so dreht man den Hahn um, sperrt den Schlauch
ab und kann nun die Spritze in ein vom Wärter untergehal-
tenes ausgekochtes Becken entleeren. Dabei sieht man sich
vor, dass nicht durch zu rasches Ausspritzen infektiöser Inhalt
über das Becken hinausgeschleudert wird. Ist die Aspiration
beendet, so ziehe ich die Nadel aus der Gallenblase heraus, die
Punktion>;öfinung wird vom Assistenten mit steriler Gaze zuge-
drückt. Absolute Schonung der Hände und der Finger vor in-
fektiösem Material ist während .dieser Aspirationsprozedur an-
zustreben und auch durchführbar. Ich werde noch genug Ge-
legenheit haben, bei der Cystostomie und Cystectomie die nähe-
ren Einzelheiten dieser Prophylaxe zu schildern. Lässt sich
der Ausfluss von Sekret aus Gallenblase und Choledochus nicht
vermeiden, so muss dieses durch untergeschobene Tupfer auf-
gefangen werden. Ehe man den Choledochus eröffnet — eine
Aspiration der Galle hat hier wenig Zweck — werden unter
die vorzunehmende Choledochusincision, also unterhalb des
Ligamentum hepato- duodenale in das Foramen Winslowii,
mehrere genähte Tupfer eingeführt, dabei wird aber auch nicht
vergessen, oberhalb des Ligaments einen Tupfer zum Abschluss
anzubringen. Haben sich diese mit Galle vollgesaugt, so wird
man sie nicht mit den Fingern, sondern mit der Kornzange ent-
fernen, wie es überhaupt empfehlenswert ist, die Finger nur
da anzuwenden, wo sie durch instrumenteile Eingriffe nicht zu
ersetzen sind. Ist wirklich einmal infektiöses Material mit der
Hand des Chirurgen in Berührung gekommen, so tut er gut,
die Operation einige Minuten zu unterbrechen, am aseptischen
Waschtisch die Hände abzuspülen und diese von neuem mit
Alkohol zu sterilisieren. Der geübte Chirurg wird aber eine
— 78 —
Berührung mit infektiösem Material überhaupt vermeiden lernen.
Man glaubt gar nicht, wie sehr man in dieser Hinsicht sich
und seine Assistenten erziehen kann, und wie man es mit der
Zeit zu Wege bringt, den höchsten Anforderungen einer Asepsis
Genüge zu leisten.
In der Tat ist eine infektiöse Peritonitis nach einer Gallen-
steinoperation heut zu Tage ein höchst seltenes Ereignis. Ich
kann bei fast 1000 von mir ausgeführten Gallensteinlaparotomien
höchstens 3 Fälle herausfinden, die an einer Infektion, die
sich vom Operationsgebiet aus auf die übrige Bauchhöhle ver-
breitete, zu Grunde gegangen sind.
Die zwecks Absperrungstamponade der übrigen Bauchhöhle
eingelegten Tupfer werden erst dann entfernt, wenn das eigent-
liche Operationsterrain gründlich gesäubert ist. Das geschieht
mit feuchter Krüllgaze, die durch eine Kornzange festgehalten
wird. Sind alle Blutgerinnsel, etwaige Steinkrümel oder gar
Eiterflocken entfernt, so werden neue genähte Tupfer auf das
Operationsterrain gebracht, und dann erst werden die absperren-
den Tampons beseitigt und durch neue ersetzt. Die das Ope-
rationsterrain bedeckenden Tampons werden nun endgültig ent-
fernt und die zur Tamponade dienenden Gazestreifen mit noch
nicht gebrauchter, völlig reiner Kornzange eingeführt. Man
muss bei der Wundversorgung nach einer ganz bestimmten
Methode vorgehen und dabei nicht vergessen, dass man noch
am Schluss der Operation durch einen Fehlgriff den Erfolg der-
selben vereiteln kann.
Die bei einer Gallensteinoperation nicht selten notwendigen
Eingrifl:e am Magen (Gastroenterostomie bei Pylorusstenose), Darm
(Fisteln), Appendix verlangen in Bezug auf die Asepsis die
grösste Aufmerksamkeit. Man wird die Operation, bei der man
Gelegenheit hat, seine Hände zu infizieren, bis zum Schluss
aufheben, und sich hüten, eine Infektion von einem Operations-
terrain auf das andere zu übertragen. Bei jedem Griff, den
man tut, soll man sich kontrollieren, ob man auch nicht gegen
die Regeln der Asepsis sündigt. Verstösst der Assistent gegen
die Asepsis, so macht man ihn darauf aufmerksam; auch soll
der „Herr Chef" es sich ruhig gefallen lassen, wenn der Assi-
stent ihm eine Übertretung der aseptischen Gesetze nachweist.
Ja, ich verlange das von meinem Assistenten und würde es
— 79 —
ihm übel nehmen, wenn er so wenig das Interesse der ihm mit-
anvertrauten Patienten im Auge hätte.
Die Asepsis während einer Operation wird aucJi dadurch
gewahrt, dass man die Instrumente, die man in der Gallen-
blase und in den Gallengängen verwandt hat (Sonden, Löffel),
beiseite legt und in der Bauchhöhle nicht weiter benutzt. Auf
der Schieferplatte, auf der die Tonnen mit dem Verbandzeuge,
<iie Schalen etc. sich befinden, steht ganz abseits ein grosses
viereckiges Becken mit 5"/o iger Carbolsäurelösung. Hier hinein
kommen die in der Gallenblase und in den Gallengängen ge-
brauchten Instrumente, die Sonden, die Löffel, die Kornzangen.
Noch besser wäre es, man würfe sie in kochendes Wasser, aber
es ist nicht nur umständlich, dieselben wieder zum Gebrauch
lierauszuholen, sondern es ist auch gefährlich, während der Narkose
im Operationszimmer eine brennende Flamme zu haben, da
sich dabei Chloroformdämpfe entwickeln, welche in Phosgen-
gas, Salzsäure, Chlor und andere Körper zersetzt werden,
die für den Patienten verhängnisvoll werden können. Am
zweckmässigsten ist es, wenn man die einmal gebrauchten und
inficierten Instrumente überhaupt nicht wieder benutzt, sondern
neue in Anwendung zieht. —
Auch die von manchem Chirurgen beliebte Ausspülung
der Gallenblase während der Operation halte ich für einen
Fehler in der Asepsis, da bei dieser Manipulation trotz ge-
höriger Absperrungstamponade die Keime in die übrige Bauch-
höhle fortgeschwemmt werden können. Es ist viel richtiger,
wenn man nicht spült, sondern die Gallenblase mit Gaze und
Pinzette austrocknet und dann das betr. Instrument bei-
seite legt.
Die häufige Reinigung der Hände von Blut halte ich während
der Operation für zweckmässig. Mein Braatz'scher steriler
Waschtisch steht so, dass ich ihn mit zwei Schritten erreiche: er
enthält in der einen Flasche Alkohol, in der andern phys. Kochsalz-
lösung, und ich unterbreche bisweilen die Operation, um eine Reini-
gung meiner Hände vorzunehmen. Mit steriler Gaze werden
sie dann abgetrocknet. Wessen Hände Sublimatlösung ver-
tragen, der tut natürlich am besten, wenn er sich während der
Operation möglichst oft damit wäscht und hinterher die Hände
mit Kochsalzlösung abspült.
— 80 -
Habe ich die Steinentfernung beendigt, so wasche ich mich,,
ehe ich die Tamponade vornehme, noch einmal gründlich. Die^
Tampons fasst die Schwester mit einer bis dahin nicht ge-
brauchten Kornzange an, ebenso nehme ich sie nicht in die
Hand, sondern führe sie mit Instrumenten in die Tiefe.
Von der Beobachtung dieser scheinbar nebensächlichei)
Dinge hängt der aseptische Verlauf nach der Operation sehr
viel ab.
Ich brauche kaum darauf hinzuweisen, dass in meiner Klinik
auch die Möglichkeit der Luftinfektion berücksichtigt wird.
Ich operiere rasch, damit eine Luftinfektion so wenig wie
möglich stattfinden kann. Dabei habe ich allerdings mehr die
Tatsache im Auge, dass durch langsames Operieren auch die
Narkose verlängert, ihre Gefahren erhöht werden, und dass es
gewiss nicht gleichgültig ist, ob ein Patient 1 oder 2 Stunden
lang mit geöfi'neter Bauchhöhle daliegt resp. so lange Zeit
mehrere Tupfer den Darm und Magen bedecken. Eine Schädigung
des serösen Überzugs des Darms tritt mit der Zeit doch ein,
auch wenn die Tupfer noch so steril sind und immer durch
heisse Kochsalzlösung von neuem erwärmt werden. Wenn ich
eine Choledochotomie in 30—40 Minuten beenden kann, sehe
ich nicht ein, v/arum ich mich dabei 2 oder 3 Stunden auf-
halten soll. Natürlich verabscheue ich das „Konzertoperieren"
und werde niemals auf Kosten der Asepsis und der Gründlich-
keit mich beeilen, um einen Rekord zu erzielen. Aber anent-
schlosseno, langsame Operateure werden in der Gallenstein-
chirurgie nie etwas Vollkommenes leisten!
Die Luftinfektion ist wenig zu fürchten, wenn das Operations-
zimmer recht sauber gehalten wird und Arzt und Assistent
wenig mit einander zu reden brauchen. Deshalb sollen auch
nur Ärzte mit einander operieren , die gegenseitig aufeinander
eingearbeitet sind. Es ist geradezu nervenaufreibend, wenn
man einmal gezwungen ist, mit einem fremden Arzt eine schwie-
rige Operation vorzunehmen. Da muss man fortwährend reden I
„Bitte das Duodenum zurückhalten, bitte tupfen, etc.!" Noch
schlimmer ist es, wenn die Instrumentenreicherin die gewohnten
Instrumente nicht kennt oder falsch behandelt, da verliert auch
der geduldigste Operateur die Geduld ; er muss fortwährend
reden, und dass auf diese Weise auch einmal eine Luftinfektion
zu Wege kommen kann, liegt auf der Hand.
— 81 —
Bei einer komplizierten Gallensteinoperation halte ich es
für unmöglich, völlig „schweigend'' zu operieren, man müsste
denn, wie Kümmell es vorzieht, sich sämtliche Instrumente
selbst nehmen , was er mir aber z. B. bei einer Ectomie und
Hepaticusdrainage erst vormachen muss, ehe ich an die Durch-
führbarkeit seiner Methode glaube.
Ich beschränke das Reden bei einer Operation so viel wie
möglich; habe ich etwas zu sagen, so wende ich mich ab und
vermeide dadurch, dass meine Exspirationsluft direkt über die
Wunde hinstreicht.
Aber gänzlich Mund und Nase mit Gazeschleiern zu verhüllen,
das bringe ich nicht fertig; es ist an und für sich für einen
korpulenten Menschen, wie ich nun einmal bin, schon an-
strengend genug, eine schwere Gallensteinoperation zu Ende zu
führen, und wenn man dabei auch noch seine Lungentätigkeit
herabsetzen soll, dann will ich lieber auf die ganze Gallenstein-
chirurgie verzichten und mich beschränken, Gallensteinkranke
mit Thermophor und Karlsbader Salz zu behandeln; dann
habe ich ja auch noch in 80 "/o gute Erfolge.
7. Die Lösung der Verwachsungen am Gallensystem.
Auf Verwachsungen stossen wir fast bei jeder Oallenstein-
operation. Wie der Chirurg sich den Adhäsionen gegenüber
verhalten soll, darüber will ich in diesem Abschnitt reden.
Ist die Bauchhöhle eröffnet — die Fälle, bei denen die
Gallenblase mit der Bauchwand verwachsen ist, werde ich
besonders besprechen — , so lassen wir zuerst das Auge
über die am Gallensystem vorliegenden Verhältnisse sich orien-
tieren. Hier genügt ein kurzer Blick auf Leber, Gallenblase,
Pylorus, Netz. Oft sehen wir überhaupt erst etwas Genaues,
wenn wir mit den Händen die einzelnen Organe nach einander
freilegen. Wie sieht die Leber aus? Wie die Gallenblase?
Sieht man Adhäsionen? Und während das Auge spähend prüft,
hat bereits die palpierende Hand die Konsistenz der Leber, die
Form der Gallenblase, die Art ihrer Füllung, die Härte -imd
Ausdehnung der Adhäsionen festgestellt, und der erfahrene
Chirurg weiss bereits schon ziemlich genau, welche Operation,
ob Cystostomie, Ectomie oder Choledochotomie in Betracht
kommt. Durch die Fingerspitzen wurde dem Chirurgen bereits
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. I. 6
— 82 —
der Plan der weiteren Operation übermittelt. Vor allen Dingen
ist festzustellen, was mit den x4.dhäsionen geschehen soll. Da-
bei kann der Assistent recht viel helfen. Während der Ope-
rateur sich an der unteren Fläche der Gallenblase hintastet und die
Leber nach oben und aussen drängt, schiebt der Assistent vor-
sichtig Netz, Pylorus, Duodenum und Magen zur Seite. Einige
grosse genähte Kompressen, in heisser Kochsalzlösung ausge-
drückt, schützen die empfindlichen Eingeweide vor dem Druck
der Hand. Ich bemerke hier noch einmal, dass alle Kompressen,
die nach Eröffnung der Bauchhöhle an der Oberfläche oder in
der Tiefe verwandt werden und liegen bleiben, genäht sein
müssen. Man kann z. B. eine blutende Stelle am Netz mit
nicht genähter KrüUgaze betupfen, muss sich aber daran ge-
wöhnen, diesen Tupfer sofort fortzuwerfen und nicht in der
Hand zu behalten oder gar liegen zu lassen. Lose Gaze ver-
schwindet zu leicht in der Tiefe und kann dann auch, wenn sie
völlig steril war, später doch recht unangenehme Folgen nach
sich ziehen.
Inspektion und Palpation des Gallensystems vereinigt ein
umsichtiger Chirurg mit einander. Je mehr er Übung be-
kommt, je schneller wird sich der Chirurg orientieren können,
und während der Anfänger seine liebe Not hat, zum Choledochus
vorzudringen, und sich ängstlich scheut, die bestehenden Adhä-
sionen zu lösen, ist der erfahrene Chirurg in wenigen Augen-
blicken mit der Freimachung des Lig. hepato-duodenale fertig.
Man kann es gewiss als ein Prinzip aufstellen, dass man
fast bei jeder Gallensteinoperation sämtliche Verwachsungen
lösen soll. Doch soll man kein Prinzipienreiter sein, der rück-
sichtslos durch die Adhäsionen hindurchgaloppiert, und der sich
nicht fürchtet, über die Hürden und Gräben der Fistelbildungen
zwischen Gallensystem und Darmtraktus hinwegzusetzen. Man
reisst sonst leicht die Barrieren um oder fällt in den Graben
und bricht das Genick. Fast jeder Vergleich hat bekanntlich
die Eigentümlichkeit, dass er hinkt; auch in unserem Fall trifft
das zu, denn den geringsten Schaden nimmt der Chirurg, am
meisten wird der Patient durch den schlechten Operateur ge-
schädigt, wenn dieser mit den Verwachsungen nicht umzugehen
versteht: es entstehen Löcher im Darmtractus, die auch bei
guter Verschliessung mit allerlei Gefahren für den Kranken ver-
knüpft sind.
— 83 —
Die Verwachsungen, die als Folge der Entzündungen der
(jrallenwege entstehen, sind sehr mannigfaltiger Natur. Folgende
Formen kommen am meisten zur Bobachtung:
a) Verwachsungen zwischen dem Fundus der Gallenblase,
unterem Eand des rechten Leberlappens und Peritoneum
parietale der vorderen Bauchwand.
b) Verwachsungen zwischen Fundus der Gallenblase und
Netz resp. Colon.
c) Verwachsungen zwischen medialer Fläche der Gallen-
blase und Duodenum.
d) Verwachsungen zwischen Ductus cysticus und Duodenum
resp. Pylorus.
e) Verwachsungen zwischen Ductus choledochus und Duo-
denum.
f) Verwachsungen zwischen Gallenblase, Ductus cysticus und
Choledochus unter einander.
Die Verwachsungen sind entweder fest oder weich, breit
oder schmal, dünn oder dick, gefässarm oder gefässreich; sie
umgeben oft die ganze Gallenblase wie Spinngewebe oder mauern
das Organ so fest ein, dass der Chirurg alle Mühe aufwenden
muss, um das Gewölbe zu sprengen. Bei den Krankengeschichten
im zweiten Teil dieses Buches wird der Leser genug Beispiele
über das verschiedene Verhalten der Verwachsungen finden.
Hier interessiert uns lediglich die prinzipielle Frage, in
welchen Fällen der Chirurg die Adhäsionen lösen muss und
wann er sie schonen kann.
Bei akuten Entzündungen der Gallenblase und bei Ver-
w^achsungen des Halses mit dem Duodenum, wobei gewöhnlich
ein Stein im Cysticus gefunden wird, soll man sich wohl über-
legen, ob es nicht besser ist, die Verwachsungen in jRuhe zu
lassen. (Nr. 9.) Gelingt es nämlich, durch die Adhäsionen hin-
durch den Stein im Hals der Gallenblase funduswärts zu drücken,
so kann man die Adhäsionen ungelöst lassen. Löst man sie
doch, so sei man überzeugt, dass sie in erheblicherem Umfang
wie vorher sich wieder bilden. Hals der Gallenblase und Duo-
denum liegen so dicht neben einander, dass es ganz bestimmt
zu einer neuen Verwachsung kommen muss, und wenn man noch
so sorgfältig durch Übernähen die wunden Flächen beseitigt.
Ganz anders liegen die Verhältnisse, wenn ich z. B. eine straffe
kurze Adhäsion zwischen unterem Rand des rechten Leber-
6*
— 84 —
lappens und Duodenum beseitige. Durch die Verwachsung-
waren beide Organe bis auf 2 cm. einander genähert; nach
ihrer Durchschneidung schnellte die Leber förmlich in die
Höhe, das Duodenum lagerte sich an seine normale Stelle in
die Gegend der Linea alba, und es entstand nun ein Zwischen-
raum von mehr als 10 cm. In einem solchen Falle kann man
durch die Operation ein Wiedereintreten der Verwachsungen
verhüten, man wird das aber nimmermehr erreichen, wenn die
zusammengewachsenen Organe ganz dicht nebeneinander liegen.
So beobachtet man nicht selten, dass beim Stein im supra-duo-
denalen Teil des Choledochus das Duodenum nach dem Hilus
der Leber zu hochgezogen wird und sich geradezu über das
Lig. hepato-duodenale hinweglegt. Um bequem und ohne Ver-
letzung grösserer Gefässe und des Duodenum selbst zum Stein
zu gelangen, lösen wir das Duodenum vom Lig. hepato-duodenale
ab und verschieben es medial wärts resp. nach links. So ge-
lingt uns gut die Excision des Steines. Aber man soll sich
nicht einbilden, dass das Duodenum immer da liegen bleibt, wo
man es hingeschoben hat, ganz im Gegenteil, in den meisten
Fällen werden dieselben Verwachsungen eintreten wie vorher.
Ich entferne also die Verwachsungen in den allermeiste»
Fällen nur deshalb, um einen Ueberblick über das Oallen-
system zn bekommen, um dahinter versteckten Steinen nach-
gehen zu können und mir die Möglichkeit ihrer Entfernung
zu sichern, aber ich löse selten die Adhäsionen ihrer selbst
willen, um sie dauernd zu beseitigen, denn ich weiss, dass
sie doch wieder wachsen. Wenn ich glaube, dass Adhäsionen
die Ursache der Beschwerden sind — und oft genug ist das
der Fall — , so entferne ich nicht nur die Adhäsionen, sondern
ich schalte das Organ aus, an dem sie zerren, ich mache also
z. B. bei Peripyloritis eine Gastroenterostomie. Zerren sie an
der Gallenblase resp. dem Cysticus, so entferne ich nicht nur
die Adhäsionen, sondern auch die Gallenblase selbst. Denn
nicht die Adhäsionen als solche machen Beschwerden, sondern
die wechselnde Füllung der Gallenblase, die Abknickung des
Halses der Gallenblase und die dadurch bedingte übermässige
Spannung im Innern des leicht zu Entzündungen neigenden
Hohlorgans rufen die Beschwerden hervor. Hat man das Glück^
dass nach einer einfachen Lösung der Adhäsionen diese sich
nicht wieder bilden, so ist das ja sehr schön und gut, aber
— 85 —
man soll sich doch von vornherein darüber klar sein, dass in
sicher 90°/o der Fälle eine Neubildung der Verwachsungen vor
sich geht, und dass die einfache Lösung in ebenso vielen Fällen
mithin einen unnützen Eingriff darstellt.
Wir sehen also, dass man sich die Lösung der Ver-
wachsungen bei der C)'stosiomie sparen kann, wenn es gelingt,
den Stein im Hals der Gallenblase funduswärts zu drücken. Da
aber eine sichere Entscheidung, ob der Cysticus auch wirklich
frei von sämtlichen Steinen ist, erst nach Freilegung des Gangs,
oft erst nach Inzision desselben resp. nach vorgenommener
Ectomie erfolgen kann, so spielt die Frage der Lösung der Ver-
wachsungen gegenüber der viel wichtigeren Frage : Cystostomie
oder Cystectomie? eine verhältnismässig untergeordnete fiolle.
Ich erwähne im II. Teil unter Nr. 32 einen Fall, bei dem ich
die Lösung der Verwachsungen unterliess, weil ich hinter diesen
eine Cysticus-Duodenalfistel vermutete. Ich schloss die Bauch-
höhle, da ich nirgends einen Stein fühlte und den Kranken durch
rücksichtsloses Vorgehen nicht in Gefahr bringen wollte.
Bei der £ctomie muss bis zum Cysticus heran jede Ver-
wachsung gelöst werden, und besonders die Choledochotomie
fordert die Beseitigung der Adhäsionen gebieterisch. Hier ist
rücksichtsloses Vordringen allerdings am Platze, da man sonst
den Endzweck der Operation — Entfernung sämtlicher Steine
— kaum erreichen dürfte.
Die Lösung der Adhäsionen kann auf verschiedene Weise
vorgenommen werden: mit dem Druck der Finger durch ein-
faches Zurückstreifen, durch Zerschneiden mit der Schere, mit
dem Messer nach vorheriger einfacher oder doppelter Unter-
bindung oder mit dem Paquelin.
Den letzteren habe ich niemals bei der Beseitigung der
Verwachsungen benutzt, auch nicht zur Blutstillung, weil ich
auf andere Weise auskam, und der Gebrauch des Paquelins
immer umständlich ist und leicht die Asepsis stören kann. Nur
einmal habe ich, um einen tiefen Tunnel in die Leber zu brennen
(siehe den Fall von Hepato-Cholangio-Enterostomie), mich des
Paquelins bedient.
Bei leichten und frischen Verwachsungen genügt die Trennung
mit den Fingern, und selten wird man eine nachträgliche Unter-
bindung nötig haben. Trotzdem rate ich, den getrennten Teil
recht genau zu besichtigen, da nachträglich doch noch recht unan-
— 86 —
genehme Blutungen aus dem Netz sich ereignen können. Netz,
welches verdächtig aussieht, verfärbt und eitrig infiltriert ist,
bindet man am besten ab und entfernt es im Gesunden (Nr. 7).
Nicht selten stecken hinter den Adhäsionen Fisteln zwischen
Gallenblase und Darm resp. Magen, die natürlich einer recht ein-
gehenden Behandlung bedürfen. Gewöhnlich fühlt man es schon,
ob der Strang, der sich zwischen Gallenblase und Darm aus-
breitet, eine Fistel enthält. Meistenteils ist der Darm resp.
Magen dicht heran an die Gallenblase gezogen, die Verbindung
ist kurz und hart, während die gewöhnlichen Verwachsungen
breit, weich und dehnbar sind. Glaubt man auf eine Fistel
gestossen zu sein, so muss man natürlich mit der Lösung auf
manuellem Weg aufhören ; man muss gehörige Vorsichtsmassregeln
treffen, um ein Einlaufen von Sekret, welches bei Durchtren-
nung der Fisteln natürlich stattfinden wird, in die Bauchhöhle
zu vermeiden. Die Vorsichtsmassregeln sind schon teils bei der
Vorbereitung zur Operation getroffen worden, indem wir den
Magen spülten und den Darm gründlich entleerten. Aber auf
die Gallenblase hatten diese Massregeln keinen Einfluss, es
gilt jetzt bei der Operation den Sekretausfluss aus der Gallen-
blase zu verhüten. Am besten erreicht man das dadurch, dass
man die Gallenblase durch Aspiration ihres Inhaltes mit einem
Dieulafoy entleert. Ist das geschehen, so spaltet man am
besten die Gallenblase am Fundus, legt sie trocken und stopft
sie mit steriler Gaze aus. Eine angelegte Klemme verschliesst
dann die Incisionsöffnung. Manchmal gelingt es, die Gallen-
blase an der Stelle, wo die Fistel einmündet, abzuklemmen,
aber ebenso oft lässt die Klemme nach Durchtrennung der Fistel
nach und ein Austritt von Inhalt ist dann möglich. Gleich-
gültig, wie man verfährt, immer wird man unter die Stelle, wo
die Fistel sich befindet, eine genähte grosse Gazecompresse legen,
um austretendes Sekret aufzufangen. Denn so sicher man dem
Austritt von Flüssigkeit aus der Gallenblase sonst vorbeugen kann,
bei Fisteln zwischen Choledochus und Duodenum oder Magen ist das
nicht immer möglich, und wenn man auch die darmwärts liegende
Seite der Fistel prophylaktisch abklemmt, stets muss man sich
auf ein Hervortreten wenn auch nur von minimaler Menge von
Flüssigkeit gefasst machen. In die freie Bauchhöhle darf unter
keinen Umständen etwas einfliessen, da wir ja wissen, dass schon
wenige Tropfen genügen, um eine foudroyante Peritonitis zu er-
zeugen.
— b7 —
Die Versorgung der durch Zerstörung der Gallen wege-
Darmfisteln entstehenden Löcher ist eine ganz verschiedene.
Selten wird mau eine Fistel in der Gallenblase wieder ver-
nähen, meist verfällt das an und für sich pathologische Organ
der Exzision. Event, verwendet man das Loch zu einer neuen
Anastomose. Die Foramina im Magen und Darm werden sorg-
fältig vernäht, die ulcerierten Stellen exzidiert, der Wundrand
geglättet, worauf die Mucosa für sich genäht wird. Dann folgt
eine recht sichere Serosa-Muscularis-Naht. (Nr. 55.) Bereit-
liegendes Netz wird ohne Zerrung auf die Naht gelegt und mit
einigen Suturen fixiert. Und dann ist es gut, was ich jetzt
gleich bemerken will, wenn man ^ie Naht am Darm nicht
in die event. notwendige Tamponade (Ectomie, Hepaticus-
drainage) hineinbezieht. Man macht sonst leicht die üble Er-
fahrung, dass die Nähte nachgeben und sich eine Fistel ent-
wickelt, die je nach der Grösse des entstandenen Defekts und
nach der Höhe des Darmabschnittes (Duodenum, Jejunum, Ileum,
Colon) mehr oder weniger unangenehm werden kann. Bildet
sich eine solche Fistel durch Nachgeben der Nähte während
der ersten 12 — 36 Stunden, wo noch kein sicherer Abschluss
der übrigen Bauchhöhle eingetreten ist, so kann leicht eine
allgemeine Peritonitis die Folge sein. Gibt die Naht später
nach, wo bereits genügende Verklebungen da sind, so kann
doch der Patient besonders bei Duodenalfisteln durch Ausfluss
des Darminhalts recht schwer geschädigt werden.
In einem Fall von Gallenblasenfundus-Colonfistel konnte
ich das entstandene ziemlich grosse Loch nicht exakt nähen,
da die Ränder der Fistel morsch waren und die Fäden durch
die Darm wand immer wieder durchschnitten. Ich bin deshalb
so vorgegangen, dass ich in das Colon coecalwärts ein dickes
Gummirohr einführte und um dieses herum den übrigen Darm-
defekt so gut wie möglich durch die Naht verschloss. Dann
wurde durch Vernähung des Netzes mit dem Perit. parietale
resp. mit der tiefen Fascie die übrige Bauchhöhle möglichst abge-
schlossen. Ich möchte für ähnliche Fälle diese Art der Colo-
stomie empfehlen. Der Fall kam erst zur Beobachtung, als
bereits die Krankengeschichten im IL Teil fertig gedruckt
waren. Bei der Wichtigkeit des auch sonst interessanten Falles
möchte ich ihn aber nicht unerwähnt lassen und gebe ihn
deshalb an dieser Stelle wieder:
W. St., 61 j. (xutsbesitzersfrau aus Schnierchow.
Aufgen.: 29. 8. 1904.
Operiert: 1.9. 1904. Ectomie. Hepaticusdrainage. Colostomie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Pat. ist Witwe, hat neunmal geboren. -^ Kinder
leben. Pat. ist immer gesund gewesen. Ihre Mutter war leberkrank.
Vor ca. 25 Jahren begann Pat. an Magenkrämpfen zu leiden, die später
als Gallensteinkoliken erkannt wurden und in kolikartigen Schmerzen
in der Oberbauchgegend und im Rücken sich äusserten. Pat. musste
meist einige Tage liegen. Ikterus soll damals nie vorhanden
gewesen sein. Die Anfälle traten in verschiedenen Zwischenräumen,
manchmal alle paar Wochen bis Monate auf; zuweilen blieb Pat.
jahrelang von stärkereu Anfällen frei.
Herr Dr. Rohr sehn ei der- Brandenburg schreibt uns über den
weiteren Verlauf Folgendes:
„Pat. leidet seit Jahrzehnten an Gallensteinen, hat überaus
häufige Kolikanfälle mit und ohne Ikterus gehabt. Steine sind nur in
einigen Anfällen gefunden worden. Seit dieselbe in meiner Behandlung
steht, hat sie vor ca. 5 Jahren einen Anfall von Cholecystitis gehabt,
der nach einigen Wochen zurückging; Ostern d. J. nach einigen sehr
heftigen Kolikanfällen mit kompletem Ikterus schwere Cholangitis,
die sich ca. 8 Wochen mit abendlichen Temperatursteigerungen bis
39,5 und leichten Frösten hinzog. Nach dieser Zeit machte Pat. ohne
mein Wissen eine Kur mit innerer Medikation durch und sollen
danach ca. 30 kleinere Steine und Gries abgegangen sein. Ikterus
ist nie ganz geschwunden, Fäces noch immer entfärbt; in den letzten
Tagen wieder einige leichtere Kolikanfälle mit zunehmender Gelbsucht.
Pat. wird augenblicklich vor allen Dingen durch unerträgliches Haut-
jucken geplagt, infolgedessen sie körperlich sehr heruntergekommen
ist. Von einem Aufenthalte in Karlsbad, der von den Angehörigen
sehr gewünscht wird, kann ich mir unter Berücksichtigung aller
Verhältnisse einen wesentlichen Nutzen nicht versprechen, zumal
Pat. vor Jahren nach einer erfolglosen Kur daselbst sehr geschwächt
zurückgekehrt sein soll."
Befund: Stark ikterische, elende Frau. Harter Tumor der
Gallenblase. Leber gross , gesenkt. Druckempfindlichkeit in der
Mittellinie. Urin enthält Gallenfarbstoff, kein Eiweiss oder Zucker.
Pat. verträgt das Chlorcalcium nicht, da es sehr im Rectum brennt.
Diagnose: Stein im Ductus choledochus (Carcinom der Gallen-
blase ?).
Operation: 1. 9. 04 in Gegenwart der Herren Dr. Rohr-
schneider-Brandenburg. Dr. Kern er- Russland, Dr. Hochsinger-
Wien. Wellenschnitt. Leber gross, Gallenblase mit Netz verwachsen,
Trennung. Galleublasenfuiidiis-Coloiiflslel. In der Gallenblase walnuss-
grosser Stein. Ectomie. Im Hepaticus ein haselnussgrosser Stein,
wird in den supraduodenalen Teil geschoben und hier nach Incision
entfernt. Im retroduodenalen Teil noch ein kleiner Stein Entfernung.
— 89 —
Hepaticusdrainage nach Ectomie. Gallenblase sehr wandverdickt (auf
Carcinom verdächtig). Schleimhaut ulceriert. 3 Tampons auf das
Leberbett und um das Rohr herum. Colonflstel wird genäht, doch
schneiden die Fäden immer durch. Deshalb Rohr in das Colon coecal*
wärt» und zirltnlüre Einnähuug des Colon (Colostouiie). Tamponade.
Obere Wundhöhle und untere werden durch Naht von einander abge-
schlossen. Dauer der Operation */< Stunden. Gute Sauerstoff-Chloro-
formnarkose.
Die exstirpierte Gallenblase ergibt folgenden Befund:
Die Gallenblasenwand zeigt sich ziemlich derb und fest. Die
Schleimhaut weist verschiedene narbige Veränderungen auf. An einer
Stelle nun zeigt sich eine ungefähr pfennigstückgrosse Vorwulstung,
welche sich auch noch bei dem in Formol liegenden Präparate weich
anfühlt. Beim Durchschneiden ist sie von teils markigem, teils gallert-
artigem Aussehen. Diese Massen durchsetzen die ganze Wand und
bilden ausserhalb noch einen flachen Bezirk von rein gallertigem
Aussehen.
Zur mikr. Untersuchung wurde von dieser Stelle ein Stück heraus-
geschnitten. Das mikr. Bild war folgendes: Nach dem Gallenblasen-
lumen zu sieht man unregelmässig angeordnete drüsenartige Gebilde,
welche mit einem hohen Zylinderepithel ausgekleidet sind. Hie und
da treten in diesen Gebilden epitheliale Pseudopapillen auf. Derartige
Drüsenbildungen durchsetzen nun den grössten Teil der Wand und
linden sich besonders in den Lymphspalten. An einigen Stellen ver-
schwindet der drüsenartige Bau, man sieht hier schmale solide Zell-
züge. Und wieder an anderen Stellen treten grosse mit Zylinderepithol
ausgekleidete Hohlräume auf, welche mit schleimigen Massen voll-
kommen erfüllt sind. Diese Bildungen herrschen besonders in den
äusseren Schichten vor.
Verlauf: Normal.
8. 9. 04. Entfernung beider Rohre und sämtlicher Tampons,
sowie der Hautnähte. Wunde sieht gut aus. Galle läuft reichlich.
Aus der Colonflstel hat sich bis jetzt kein Kot entleert.
10. 9. Entfernung der Tampons. Viel Kot in der unteren Wunde.
Herausspülung mit Kochsalzlösung. Obere Wunde sieht sehr gut aus.
Spülung des Choledochus und Hepaticus sehr leicht. Galle klar. Neue
Tamponade. Fat. fängt an Appetit zu bekommen.
16. 9. Da fast sämtliche Galle nach aussen fliesst, wird der
Choledochus sondiert und durch die Papille hindurch eine Bougie ein-
gelegt. Dieses Kflrd nach 24 Stuuden entfernt. Die Papille ist nun-
mehr für eine Uternssonde passierbar.
Epicrise: Die Gallenblasenfundus-Colonflstel musste zer-
stört werden, wenn man bis zum Choledochus vordringen wollte.
Da wegen Morschheit der Colonwand ein völliger Verschluss
nicht möglich war, wurde eine Colostoraie vorgenommen.
— 90 —
In einem Falle von Gallenblasen-Duodenalfistel (Nr. 146)
habe ich mich nicht begnügt, den entstandenen Defekt im Duodenum
einfach durch die Naht zu schliessen, sondern ich habe ein
radikaleres Verfahren vorgezogen. Es stellte sich nämlich heraus,
dass der Abschnitt des Duodenum, welcher mit der Gallenblase
fistulös verbunden war, viele Ulcerationen aufwies. Diese
mussten unter allen Umständen exzidiert werden, wenn man
auf eine glatte Heilung der Darmnaht rechnen wollte. Es ist
nämlich kein seltenes Ereignis, dass die beste Darmnaht in
solchen Fällen insufiizient wird, und das mag besonders daran
liegen, dass die Darmwand, die man zur Naht benutzt, nicht
immer ganz gesund ist. Ich schnitt also, um sicher eine ge-
sunde Darmwand bei der Naht vor mir zu haben, die Ulcerationen
fort, hatte aber schliesslich fast ^/s der Circumferenz des Darms
entfernt und sah nun ein, dass eine circuläre Naht recht
schwierig sein würde. Ich entschloss mich deshalb, das Duo-
denum ganz zu durchtrennen, vernähte dann jedes Darmlumen
für sich und fügte eine Gastroenterostomie hinzu. Die Heilung
erfolgte glatt. (Nr. 146.) Berg in New- York hat im Central-
blatt für Chir, 1903 Nr. 21 für solche Fälle die einseitige Aus-
schaltung des Duodenum empfohlen, doch möchte ich mein
gründlicheres Verfahren für besser halten. (Siehe Fig. 19 und 20
im IL Teil p. 305.)
Die Fisteln, die zwischen Gallensystem und Darm resp.
Magen in Betracht kommen, sind folgende:
1. Fisteln zwischen Gallenblasenfundus einerseits und Colon
oder Duodenum oder Dünndarm oder Magen andererseits.
(Nr. 55, Nr. 133, Nr. 134, Nr. 141, Nr. 146, Nr. 150,
Nr. 159.) (Die Colonfisteln sind wohl die häufigsten.)
2. Gallenblasenhals- Duodenal- oder Magenfisteln. (Nr. 4,
Nr. 8, Nr. 129, Nr. 132, Nr. 135, Nr. 137.)
3. Cysticus-Choledochusfisteln.
4. Choledochus-Duodenal- und Magenfisteln. (Nr. 106.)
Die übrigen Fisteln mit dem Nierenbecken, Uterus, Pleura-
raum etc. haben bei ihrer Seltenheit kein gr(5feses klinisches
resp. operatives Interesse.
Alle diese Fisteln sind auf ulcerative Vorgänge zurück-
zuführen. Meistenteils spielen Steine dabei eine Rolle ; bei den
Magen- und Duodenalfisteln muss man aber auch daran denken,
dass ein Ulcus im Darmtraktus die primäre Ursache der Fistel-
- 91 —
bildung sein kann. Für die Behandlung hat natürlich die
Aetiologie dieser Fisteln keine grosse Bedeutung.
8) Die Wundversorgung und die Naht der Bauchwand.
Wenn ich auch im speziellen Teil bei der Beschreibung
der verschiedenen Operationen am Gallensystera über die Art
der Tamponade und die Versorgung der Bauchwunde genaue
Vorschriften geben werde, so halte ich es doch für angebracht,
hier die allgemeinen Grundsätze, nach denen ich bei der Wund-
versorgung und der Ausführung der Bauchwandnaht vorgehe,
aufzustellen.
Bei der Probeincision ist ein völliger Verschluss der Bauch-
wunde die Regel; da meistenteils diese Operation ausgeführt
wird, um sich von der Operabilität eines Carcinoms zu über-
zeugen, so hat es nicht viel Zweck, sich mit der umständlichen
und zeitraubenden Etagennaht abzugeben, sondern man schliesst
das Abdomen durch Durchstichknopfnähte nach Spencer-Wells.
Meistenteils schliesst man nach einer Gallensteinoperation
die Bauchwunde nicht vollständig, sondern tamponiert das Ope-
rationsterrain oder drainiert das eröffnete Gallensysteni. Die
ideale Cystendyse mit völligem Verschluss der Bauchhöhle wird
ein zielbewusster Gallensteinoperateur nicht vornehmen.
Im Anfang meiner Tätigkeit auf dem Gebiete der Abdo-
minalchirurgie benutzte ich zwecks Tamponade gern Jodoform-
gaze. Da ich mit der Zeit einsah, dass die Tamponade sehr
reichlich sein muss, habe ich bald aus Furcht vor einer Jodo-
formintoxikation die Jodoformgaze fortgelassen und bin zur
Tamponade mit steriler Gaze übergegangen, an der ich auch
jetzt noch festhalte. Zwischendurch habe ich die Silbergaze
und Xeroformgaze benutzt, ohne mich von den Vorteilen dieser
Gazearten überzeugen zu können. Sterile Gaze hat den Nach-
teil, dass bei ganz aseptischem Verlauf ihre Entfernung leicht
Schwierigkeiten macht, dass die Gaze in dem umgebenden Ge-
webe verfilzt und zu fest einheilt. Das ist aber sehr selten,
da wir ja meist in einem inficierten Terrain operieren. Die
Tampons müssen so hergerichtet sein, dass sie keine freien,
abgeschnittenen Enden zeigen, wodurch dem Zurückbleiben von
„Fusseln" Vorschub geleistet wird. Die freien Enden der Gaze
werden nach innen umgeschlagen, wie ich das bei den Vorberei-
tungen beschrieben habe.
— 92 —
Ob man nach der Ectomie zur Tamponade nur Gaze oder
ein mit Gaze umwickeltes Rohr oder Glasdrain einführt, das
ist wohl ziemlich gleichgültig. Auf die Öffnung der Rohre legt
sich sofort Gewebe und verschliesst diese ; von Abfluss ist dann
keine Rede mehr, die Hauptsache übernimmt die saugende Gaze.
Aus welchem Grunde ich die Ligaturen und die Nähte am
Ductus cysticus und choledochus lang lasse, darauf werde ich
noch im speziellen Teile zurückkommen.
Die Notwendigkeit, dass wir nach einer Gallensteinope-
ration fast in jedem Falle die Bauchhöhle zwecks Herausleitung
der Drainage und Tamponade an einer Stelle offen lassen, ver-
bietet die prinzipielle Durchführung der Etagennähte, weil diese
sonst leicht infiziert werden und herauseitern. Es kommt
noch hinzu, dass das Peritoneum der Oberbauchgegend samt der
Fascia transversa und dem Muse, transversus Neigung zeigt,
sich nach seiner Durchschneidung zurückzuziehen, so dass eine
isolierte Naht der Fascie und des Peritoneums fast stets miss-
lingt. Deshalb bediene ich mich der Durchstichknopfnaht mit
doppelt armiertem langen Faden, den ich von innen nach aus-
sen mit einer dicken Nadel durchführe.
Ich steche ca. einen Centimeter entfernt vom Wundrand
in das Perit. parietale ein, gehe durch tiefe Fascie, Muskel,
äussere Fascie und Haut hindurch und lege die Fäden nicht
allzunahe aneinander, um keine Nekrose im Bereich der Naht
hervorzurufen. Bei diesem von Innen- nach Aussennähen ver-
meide ich eine Infektion der Stichkanäle und habe ausgedehnte
Eiterungen zwischen Peritoneum parietale und Därmen, wie
Riedel sie fürchtet, nie erlebt und nicht ein einziges Mal nötig
gehabt, „Querschnitte durch Haut und Muskel machen zu müssen,
um den Eiter zu entleeren". Erlebte ich einmal eine Stich-
kanaleiterung, dann wurde der Faden entfernt und mit feiner
Sonde der Stichkanal erweitert. Dann war nach wenigen
Tagen die Eiterung beseitigt.
Eine Zeitlang habe ich Haut und Fettgewebe nicht
mitgenäht, sondern nur Perit. parietale, tiefe Fascie, Muskel,
äussere Fascie durchstochen und die äussere Wunde offen ge-
lassen. Wenn man auf diese Weise auch eine Eiterung, die leicht
bei fetten Personen durch Nekrose von Unterhautfettgewebe be-
obachtet wird, verhütet, so wird doch die Heilung der äusseren
Wunde meist sehr in die Länge gezogen. Nur in wenigen
— 93
Fig. 30.
Fällen erlebte ich es, dass nach Entfernung der Nähte die mit
Heftpflaster zusammengezogene äussere tiefe Wunde sich so
rasch aneinanderlegte, dass eine prima Intentio erzielt wurde.
Bei sehr fetten Personen ist aber eine Vereinigung der
ganzen Dicke der Bauchwand durch durchgreifende Nähte
schwierig, so dass für diese Fälle die Naht der Bauchwand
excl. Panniculus adiposus und Haut in Anwendung gebracht
werden muss. (Nr. 11, Nr. 33, Nr. 101). Ich möchte aber raten,
die Fäden nicht zu versenken, son-
dern lang zu lassen, damit man sie
bequem nachträglich entfernen kann.
Denn kommt es bei völliger Ver-
senkung zu einer eitrigen Aus-
stossung der Fäden, so dauert das
gewöhnlich sehr lang und stellt die
Geduld des Arztes und des Patienten
auf eine harte Probe.
Es ist gewiss ein anerkennens-
wertes Bestreben, eine Hernie nach
einer Gallensteinoperation zu ver-
meiden, aber ich glaube nicht, dass
eine Etagennaht in dieser Beziehung
grössere Vorteile bietet, wie eine
Durchstichknopfnaht. Die Haupt-
sache wird sein, dass man die Stelle
der Bauchwand, durch welche die
Tampons durchgeleitet werden, an
einen möglichst günstigen Platz legt
und das Loch zum Durchtritt nicht
allzusehr klaffen lässt. Andererseits
ist es aber grundfalsch, wenn man nur
die mögliche Hernie im Auge hält und dabei die gehörige Ver-
sorgung der Wunde durch Tampons vernachlässigt. Richtige
Hernien, d. h. solche, bei denen beim Pressen und Husten Netz
und Darm in einen Bruchsack in der Narbe sich vorpressen,
sind grosse Seltenheiten. „Weiche" Stellen in der Narbe ent-
stehen häufig, aber diese schützt eine Bauchbincje, die eine
richtige Hernie so leicht nicht entstehen lässt.
Bei dem von mir geübten Wellenschnitt habe ich bis vor
kurzem die Bauchwunde im Längsschnitt in der Linea alba und
— 94 —
im äusseren Teil des Rectus fast stets völlig geschlossen und die
Tampons an der Stelle herausgeleitet, wo der Muskel schräg
durchschnitten wurde. (Fig. 30.) Man kann auch — wie ich jüngst
öfters vorging (Nr. 27) — , den Muskel ganz vernähen und die
Tampons in der Mittellinie herausleiten. Welche Art der Bauch-
wandnaht in Bezug auf eine Hernienbildung bessere Resultate
gibt, ist abzuwarten. Ich glaube, dass der zweite Modus fast
stets kleine Hernien erzeugt, die aber den Kranken kaum oder
gar nicht belästigen werden.
Einige Chirurgen haben die vordere Bauch wunde ganz
genäht und die nötige Tamponade durch einen Lumbaischnitt
nach aussen und hinten geleitet. Sie haben dabei den Vorteil aus-
genutzt, dass die Wundsekrete nicht „den Ber^ hinauf" zu laufen
brauchen, sondern an tiefster Stelle abgeleitet werden. Das ist
gewiss von Vorteil. Aber man muss einen neuen Schnitt machen,
und was besonders gegen diese Art der Tamponade spricht :
man unterbindet sich die Möglichkeit, während der Nachbe-
handlung irgendwelche sekundäre Eingriffe z. B. am Choledochus
vornehmen zu können. Ich bin mit meiner Art der Tamponade
völlig zufrieden und habe nie das Bedürfnis gefühlt, die Ab-
leitung der Sekrete, wie Kelling*) will, durch „Aspirations-
drainage" zu besorgen. Wozu diese komplizierten Massnahmen,
wenn es gelingt, auf einfacherem Weg dasselbe Ziel sicher zu
erreichen ?
9) Die Indikationen und Contraindikationen bei
Gallensteinoperationen.
Ohne strenge und strikte Iiidikationsstelluiig' verliert auch
die beste Operationstechnik ihren Wert; der Arzt sinkt zum
Handwerker herab, dessen Fingerfertigkeit wir zwar bewun-
dern können, der aber nicht verlangen kann, dass man ihm die
Achtung entgegenbringt, die ein wissenschaftlicher Arzt for-
dern kann. Auch der „Gallensteinschneider" soll ein wissen-
schaftlicher Arzt sein, tüchtig und angesehen in der Diagnose
und in der Indikationsstellung.
Von der Gallensteinchirurgie gilt dasselbe wie von der
Hirnchirurgie, von welcher der excellente deutsche Meister,
Ernst von Bergmann die beherzigenswerten Worte
in seinem klassischen Werke „Die chirurgische Behandlung der
*j Centralbl. für Chir. 1904 Nr. 4.
— 95 -
Hirnkrankheiten" niedergelegt hat: „Man ist heut zu Tage
leicht geneigt, indem man den blutigen Eingriff für gefahrlos
und irrelevant hält, aufzumeiseln und einzuschneiden, um nach-
zusehen, ob man nicht trotz aller Bedenken und Unsicherheit
der Diagnose doch noch ein zu entfernendes Krankheitsprodukt
findet, mit anderen Worten, man ist geneigt zu wagen, ohne
zu erwägen, was des Wagnisses Lohn und Endzweck sein soll.
Ich glaube den Inhalt der Chirurgie nicht zu kürzen, wenn ich
in den nachstehenden klinischen Studien zunächst die Beding-
ungen aufsuche, unter welchen der chirurgische Eingriff gute,
ja die besten Chancen des Gelingens besitzt, und mich dann
darauf beschränke, nur für diese Fälle die Opeiation zu era-
pfehh^n. Gewiss lasse ich dabei viele Fälle zur Seite, die
durch einen glücklichen Griff noch hätten operiert werden können.
Aber ich möchte dem Würfeln um das Glück, dem blinden Zu-
lall nicht überlassen, was der ausschliessliche Erwerb einer
kritisch gesicherten Erfahrung und strengen wissenschaftlichen
Prüfung sein sollte. Wenn das Sichbesinnen zunächst nur auf
ein Sichbeschränken führt, so ist es doch sicher, dass eine
kluge Einschränkung das beste Mittel zum Eeichtume ist, und
dass Verständnis, Vorsicht und planmässiger Erwerb allein den
bleibenden Gewinn verbürgen. Ich hoffe auch für die Hirn-
chirurgie Vieles und Grosses, wenn ich zunächst nur wenige
und ausgewählte Fälle ihrer Tätigkeit empfehle. Der Erfolg,
dessen sie sich im engeren Kreise versichert, wird ihres Reiches
Mehrer sein."
Gewiss ist die Möglichkeit durch operative Eingriffe zu
helfen auf dem Gebiete der Gallensteinchirurgie viel grösser
wie auf dem der Hirnchirurgie; aber in Bezug auf die Indi-
kationsstellung ist auch hier eine weise Beschränkung nur da-
zu angetan, die Zahl der Erfolge zu vermehren und statt
zweifelhafter „Besserungen" volle und unangreifbare Erfolge
zu erzielen. —
Schon seit einer Reihe von Jahren werden die Indikationen
zu einer Gallensteinoperation sehr verschieden gestellt. Im all-
gemeinen kann man sagen, dass die inneren Ärzte meist sehr
zurückhaltend sind, die Chirurgen sich aber gerade umgekehrt
verhalten, d. h. für häufigeres Operieren stimmen. Ein bos-
hafter Mensch hat einmal die ebenso boshafte Bemerkung ge^
macht, manche Chirurgen richteten sich bei ihrer Indikations-
— Ge-
stellung nach der Beschaffenheit des Geldbeutels ihrer Patienten.
Arme werden mit Karlsbader Salz, Reiche mit dem Messer be-
handelt. Solche „Finanzoperationen*^ kann nur ein gewissenloser
Mensch vornehmen , der gewissenhafte Arzt wird gerade um-
gekehrt verfahren. Bei Reichen, die sich alle möglichen Kuren
in Sanatorien, Badeorten etc. wählen können, ist eine Operation
nicht so notwendig wie bei Armen, bei denen die Operation am
schnellsten die nötige Gesundheit und Arbeitskraft wieder her-
stellt. Es dürfte also die in den letzten Jahren sich geltend
machende Häufigkeit der Operation bei der Cholelithiasis wohl
kaum darauf zurückzuführen sein, dass die chirurgische Be-
handlung der .Gallensteinkrankheit ein „einträglicheres" Geschäft
ist, wie die medikamentöse. Ein Chirurg, der lediglich das
Wohlergehen seiner Patienten im Auge hat, hat gewiss andere
Gründe, warum er so oft eine Operation empfiehlt und von den
Ansichten der inneren Kollegen abweicht.
Ich habe mir oft die Frage vorgelegt, woher es kömmt, dass
so viele innere Ärzte sjch dem Chirurgen gegenüber geradezu feind-
lich verhalten, und wenn ich auch keine volle Antwort auf diese
Frage geben kann, so glaube ich doch, dass die Gründe zu dem ab-
weichenden Verhalten besonders im Folgenden zu suchen sind :
Der praktische Arzt und der Chirurg betrachten sich von
vornherein oft als Konkurrenten bei der Behandlung einer Krank-
heit. Der innere Arzt beneidet den Chirurgen wegen der Er-
folge, die, weil sie offenkundig zu Tage treten, vom Publikum
viel leichter verstanden werden, wie die mühsamen und oft nur
langsam von Erfolg gekrönten Bemühungen des Internen. Eine
Art von Eifersucht stellt sich ein, die die kollegialen Be-
ziehungen untereinander untergräbt und zerstört. Der Chirurg
ist dabei oft daran schuld, dass ihn sein innerer Kollege nur
in ganz dringender Not zitiert.
Es kommt dazu, dass der innere Arzt auf Grund seiner
Kenntnisse, Erfahrungen und seines Naturells eine ganz andere
Indikationsstellung verfolgt, wie der Chirurg. Was der prak-
tische Arzt gelernt hat, verdankt er dem Studium der Bücher,
der Beobachtung am Krankenbett, dem Ergebnis der von ihm
vorgenommenen Sektionen. Die Autopsie in vivo kommt ihm
selten zu gute, und gerade bei der Cholelithiasis und Appen-
dicitis ist der Wert derselben ausserordentlich gross. Wer Ge-
legenheit hatte, 100 Gallensteinoperationen beizuwohnen, be-
— 97 —
kommt von der Krankheit einen ganz andern Begriff, er erlernt
eine ganz andere Indikationsstellung, und so erklären sich die
häufig widersprechenden Ansichten über die Art der Behand-
lung bei den Vertretern der Medizin und Chirurgie. Ich will
damit keineswegs behaupten, dass der Chirurg in allen Fällen
Recht haben und bekommen muss. Ganz im Gegenteil: wir er-
leben es ja noch heute, wie bei der Appendicitis und Chole-
lithiasis Chirurgen in Extreme verfallen können, die nicht dazu
angetan sind, die Kluft zwischen Medizin und Chirurgie zu
überbrücken und auszufüllen, vielmehr manchen inneren Arzt
verleiten, auf die „extremen Chirurgen" die volle Schale ihres
Zorns auszugiessen.
Es ist auch gar nicht zu verlangen, dass die praktischen
Ärzte zur Chirurgie Vertrauen fassen sollen, wenn die Opera-
teure selbst im eigenen Lager uneinig sind und sich über die
Indikationen z. B. bei der Appendicitis nicht einigen können.
Kann man es ihnen verargen, wenn sie grundsätzlich keinen
frischen Fall von Appendicitis operieren lassen und die Operation
so lange wie möglich hinausschieben ? In Amerika, wo die
Frühoperation bereits festen Fuss gefasst hat, ist es gewiss
Vor wenigen Jahren nicht viel, anders gewesen.
Übrigens mehrt sich bei uns die Zahl derjenigen, die die-
selbe Indikationsstellung wie jenseits des atlantischen Ozeans
vertreten. Ja, Karewski fordert die Operation womöglich
vor dem Anfall, Körte, Israel, Rotter, die früher alle kon-
servativ sich verhielten, haben sich den Anschauungen Reh n 's,
Riedel's und Sprenge l's, sobald wie möglich zu operieren, an-
geschlossen.
Die genannten Chirurgen sind auf Grund ihres Materials An-
hänger der Frühoperation geworden; aber wenn man Kümmell,
dem das grosse innere und chirurgische Material des Ham-
burger Krankenhauses zur Verfügung steht, nach seinen Indi-
kationen fragt, so wird man erfahren, dass er ziemlich kon-
servativ ist. Und fragt man die praktizierenden inneren Arzte
nach der Operation bei der Appendicitis, so wird man die Ant-
wort erhalten: Ich habe von 100 Appendicitiskranken nur in ein
oder zwei Fällen die Operation nötig gehabt, alle übrigen sind
ohne Operation geheilt. Ich habe kürzlich mit zwei Kollegen
Rücksprache genommen, von denen der eine eine grosse Stadt-
praxis und der andere eine grosse Landpraxis hat, und die
Kehr, Technik der Galleusteinoperationen. I. '
■^ 98 —
beide tüchtige Diagnostiker sind, so dass eine Fehldiagnose so
gut wie ausgeschlossen ist. Beide haben ca. 90 Fälle von
Appendicitis gesehen, und während der eine, der Landarzt
keinen einzigen Fall für operationsreif hielt, hat der andere
einmal operieren lassen, in allen übrigen Fällen trat Heilung
ein. Es ist bedauerlich, dass solche Kollegen mit ihren Er-
fahrungen nicht hervortreten : Chirurgen publizieren genug auf
dem Gebiete der Appendicitis, auch die Direktoren innerer
Abteilungen von Krankenhäusern beteiligen sich lebhaft an der
Diskussion. Beide sehen in der Mehrzahl nur die schweren
Fälle. Die Patienten der Privatpraxis lassen sich von ihren
Hausärzten behandeln — das sind meist leichte Fälle. Aber
diese muss man doch auch mitrechnen, wenn man ein richtiges
Bild von der Krankheit bekommen will.
Auch bei der Cholelithiasis ist es nicht angängig^ wenn
der praktische Arzt allein auf Grund der Erfahrungen, die er
an vorwiegend leicht verlaufenen Fällen gesammelt hat, seine
Indikationen aufstellt, und ebenso ist es verkehrt, wenn der
Chirurg, der vorwiegend nur schwere Fälle in die Hände be-
kommt, immer für operative Behandlung stimmt. Wir müssen
die leichten, die mittelschweren und die schweren Fälle zu-
sammen im Auge haben, wenn wir die Gefährlichkeit der
Krankheit richtig beurteilen und eine richtige Behandlung ein-
leiten wollen.
Man kann nicht behaupten, dass bei der Aufstellung der
Indikationen zur Behandlung der Cholelithiasis die Ärzte immer
nach diesen Grundsätzen handeln. So möchte z. B. Riedel
am liebsten jeden Stein entfernen, ehe er in die tiefen Gallengänge
gerät. Nach seiner Meinung ist die Beseitigung der Gallen-
blasensteine leicht, die der Choledocbussteine schwer; man soll
aus dem lokalen Leiden, der Entzündung der Gallenblase, kein
allgemeines, die Cholangitis, werden lassen. Auch wegen der
Möglichkeit einer Carcinombildung in der durch die Steine ge-
reizten Gallenblase ist Riedel ein Anhänger der Frühoperation.
Ganz rechts stehen solche Ärzte, die nur aus vitaler In-
dikation eingegriffen haben wollen, also bei Perforation der
Gallenblase, bei akuter Cholecystitis schwersten Grades, bei
septischer Cholangitis. Sie schieben die Operation so lange
hinaus, bis es klar ist, dass bei längerem Zuwarten der tödliche
Ausgang unausbleiblich ist. —
— 99 —
Zwischen diesen Extremen bewegt sich auf der goldenen
Mittelstrasse jetzt wohl die Mehrheit der Ärzte. Sie verwerfen
nicht die medikamentöse Behandlung und die Kur in Karlsbad
und Neuenahr und raten zur Operation, wenn innere Kuren
erfolglos waren, die Krankheit von vornherein so auftritt,
<lass nur eine Operation helfen kann (z. B. beim Empyem
der Gallenblase), Erwerbsfähigkeit und Lebensfreude in
höchstem Masse gestört sind.
Es ist verwunderlich, welche Unklarheit noch auf dem Ge-
biete der Indikationsstellung zum operativen Eingriff bei der
Gallensteinkrankheit herrscht, und wie leicht manche Chirurgen
diese wichtige Angelegenheit erledigen. So stand v. Wini-
warter früher auf dem Standpunkt, dass man die Gallensteine
operativ angreifen sollte, sobald die Diagnose gesichert sei
(ich glaube, dass der vortreffliche Chirurg jetzt anderer Meinung
ist), und „Mayo Robson operiert stets dann bei Gallensteinen,
wenn ihre Gegenwart sich unangenehm bemerkbar macht".
So wenigstens lautet das Referat in der Münchener med.
Wochenschrift 1903, Nr. 12, die Originalarbeit Mayo Robson's
habe ich nicht eingesehen. Kocher sagt über die Indikationen
zur Gallensteinoperation folgendes: „Die Indikationen zu Opera-
tionen an der Gallenblase werden sehr verschieden gefasst.
Die Hauptindikation bildet die Cholelithiasis, und diejenigen
Chirurgen fahren weitaus am besten, welche bei jeder Choleli-
thiasis ohne weiteres die Operation für indiziert halten. So
erhält man schöne Resultate, und es ist zweifellos, dass eine
Beseitigung der Steine in der Gallenblase wie in anderen Or-
ganen nur auf diese Weise rasch und sicher zu bewerkstelligen
ist. Wir würden aber doch nicht so weit gehen, zu sagen, die
Gallensteine gehören dem Chirurgen. Sie gehören zunächst dem
Patienten, und wenn er es vorzieht, sie zu behalten und Karls-
bader Wasser dazu zu trinken, so ist das sein Recht, das be-
kanntlich auch von sehr operationslustigen Chirurgen in Anspruch
genommen wird, wenn sie selber Gallensteine bekommen. Und
wenn es ein Patient darauf ankommen lässt, die Steine per vias
naturales sich unter Qual und Schmerz durcharbeiten zu lassen,
so ist das ebenfalls sein Privatvergnügen. Aber dazu hat der
Chirurg gegenwärtig sicherlich das Recht, einem Patienten mit
Gallensteinen zu sagen, dass er durch Operation rasch und
sicher von seinem Leiden geheilt und rascher und sicherer vor
7'
— 100 —
späteren Gefahren bewahrt werden könne, als mit jeder andern
Behandlung."
Ich habe mich sehr gewundert, als ich diese Bemerkungen
über die Indikationen zu Gallensteinoperationen in der Operations-
lehre von Kocher las. Mit demselben Rechte könnten wir
doch auch sagen : auch der Kropf, der kranke Wurmfortsatz, die
Blasen- und Nierensteine gehören zunächst dem Patienten, und
wenn er es vorzieht, beim Kropf Jodkali einzunehmen, bei der
Appendicitis Massage des Abdomens zu verwenden , bei Nieren-
steinen Urotropin zu schlucken und bei Magenkrebs Condurango-
wein zu trinken, so ist das sein Recht. Ich glaube nicht, dass
Kocher solche Ansichten des Kranken billigt, jedenfalls kommen
wir auf diese Weise nicht weiter. Es ist ja richtig, dass ge-
rade bei der Cholelithiasis sehr oft der Patient selbst die In-
dikation zur Operation stellt und diese besonders von der Art
der Schmerzen abhängig macht. Auch die soziale Stellung, die
Auffassung, die der Mensch vom Wert der Gesundheit und des
Lebens überhaupt hat, kommen dabei in Betracht. Wer gern
arbeitet und sein Brot durch seiner Hände Arbeit verdienen
muss, will gern gesund werden : ein solcher entschliesst sich
eher zur Operation wie die reiche Frau, die den ganzen Tag
auf der Chaiselongue liegt, sich schonen und von Karls-
bad nach Neuenahr, von Tarasp nach Vichy reisen kann. Der
eine sagt: „Lieber sterben, als ewig diese Koliken aushalten!",
der andere lässt sich Morphium einspritzen und entschliesst
sich erst dann zur Operation, wenn das Leben in die höchste
Gefahr gerät. Die menschlichen Naturen sind so verschieden
geartet, dass man Leute findet, die wegen einer Kolik von einer
Operationsfreudigkeit ergriffen werden, die jeden in Erstaunen
setzen muss , während andere wieder in ihrer Angst vor
Narkose und Messer sich überhaupt nicht entschliessen können,
zum Chirurgen zu gehen. Ich habe stets die Erfahrung ge-
macht, dass sich das schwache Geschlecht in dem Entschluss
zur Operation stärker zeigte, wie der starke Mann ! Über
die Gründe dieses verschiedenen Verhaltens mag der Leser
selbst nachdenken. Mit allen diesen Eigentümlichkeiten der
Patienten müssen wir Ärzte natürlich rechnen; in erster
Linie stellen wir aber die Indikationen zur Operation
auf Grund der pathologisch-anatomischen Veränderungen,
die sich am Gallensystem abspielen; wir sollen durch die
— 101 —
Anamnese und durch unsere diagnostischen Fähigkeiten er-
gründen, ob Hydrops oder Empyem, Cholecystitis oder Cho-
langitis vorliegt, ob die Steine in der Gallenblase, im Cysticus
oder Choledochus stecken, und wir werden in dem einen Falle
operieren, in dem andern medikamentös behandeln. Wer also
die Indikationen, nach denen Gallensteine Objekt chirurgischen
Eingreifens werden, festsetzen will, muss vor allen Dingen
wissen, wie die Cholelithiasis verläuft, er muss die pathol.
Anatomie der Krankheit genau kennen. Wem solche Kennt-
nisse fehlen, der kann in dieser Frage nicht mit diskutieren und
sollte sich über die Indikationen zur Operation kein Urteil er-
lauben. Viele Ärzte sind, w^orauf ich schon oben hinwies, in
dieser Beziehung nicht genau unterrichtet, weil sie nie Gelegen-
heit hatten, die pathol. Anatomie an der Leiche zu studieren ;
der Chirurg hat den Vorteil, dass er seine Kenntnisse, die er
am Sektionstisch erworben hat, am Operationstisch erweitern
kann. Er ist heutzutage ein besserer Kenner der pathol.
Anatomie der Cholelithiasis wie sein innerer Kollege. Und doch
sehen wir oft genug, dass gerade Ärzte, die nie in ihrem Leben
eine Gallensteinoperation gesehen und sehr selten zu einer Sektion
Gelegenheit haben, in der Indikationsstellung das grosse Wort
haben und sich ein Urteil erlauben, über welches der Chirurg
als Kenner der pathol. Anatomie der Cholelithiasis sich gar nicht
genug wundern kann. Es ist ganz unglaublich, wie selten die
richtige Diagnose in den einzelnen Fällen von Gallensteinen
gestellt und wie selten deshalb auch die richtige Entscheidung,
ob Operation oder nicht, getroffen wird.
Es würde den Rahmen dieses Buches weit überschreiten,
wenn ich eine ausführliche und spezielle pathol. Anatomie der
Gallensteinkrankheit schreiben wollte. Nur was wir, um
meine Tndikationsstellung zu verstehen, absolut wissen
müssen, sei hier vorgebracht. Ich werde, um Wiederholungen
zu vermeiden, gleich bei der Besprechung der Indikationen das,
was wir über die pathol. Anatomie wissen müssen, vorbringen.
Der Stein in der Gallenblase ist an und für sich ein ziemlich
harmloses Gebilde. Einen grossen Stein findet man gelegentlich
bei einer aus anderen Gründen indizierten Laparotomie, ohne dass
jemals der Fat. irgend etwas von seinem Fremdkörper gefühlt
hätte: er hatte weder Schmerzen noch Gallenblasenschwellung. Mit
einem Wort, der Stein verhält sich ruhig, er verharrt im Stadium
— 102 —
der Latenz. Die Galle fliesst durch den offenen Cysticus ruhig-
ein, umspült den Stein und fliesst wieder ab. So lange also
der Ductus cysticus resp. der Hals der Grallenblase durchgängig-
ist, fehlen irgend welche Symptome. Erst wenn diese sich
verlegen, kommt es zu Erscheinungen. Durch meine zahlreichen
Operationen habe ich feststellen können, dass bei der Chole-
lithiasis, die sich in der Gallenblase abspielt, der Hals des
Organs in pathologisch-anatomischer Beziehung am meisten be-
troffen wird. Hier liegt sehr oft bei seröser oder eitriger Ent-
zündung der Gallenblase ein grösserer Stein (Riedels' Schluss-
stein), verursacht Oedem und Verdickung der Schleimhaut,
Muskularis und Serosa und verhindert den Abfluss des in der
Gallenblase sich stauenden Sekrets. Auch Törnquist wid-
met dem Hals der Gallenblase in seiner ausgezeichneten Arbeit,
die besonders die pathologische Anatomie der Cholelithiasis
neben bakteriologischen und histologischen Fragen berücksich-
tigt, volle Aufmerksamkeit Es würde zu weit führen, wenn
ich so ausführlich wie Törnquist die pathologische Anatomie
der Gallensteinkrankheit besprechen wollte, deshalb verweise
ich den Leser auf dessen vortreffliche Arbeit und begnüge mich
im Folgenden mit den wichtigsten Angaben. Es steht fest,
dass VerSchliessung des Cysticus, wenn sie allmählich vor sich
geht, keine Schmerzen zu machen braucht (z. B. beim Carci-
nom des Ductus cysticus), und ebenso steht fest, dass eine In-
fizierung des Gallenblaseninhalts ohne Verschliessung des Cysti-
cus vom Organismus fast ohne Reaktion vertragen wird. Plötz-
licher Verschluss des Cysticus aber bei gleichzeitiger In-
fektion des Gallenblaseninnern führt zur Cholecystitis leich-
ten oder schweren Grades je nach Art der Infektion und
der Menge der Infektionskeime. Bei Verschluss des Cysticus
staut sich der Gallenblaseninhalt und zersetzt sich unter der
Einwirkung der Mikroorganismen, die Gallenblasenwände werden
gedehnt und dadurch bekommt der Patient Schmerzen.*) Auf
*) Der Schmerz bei der Cholelithiasis beruht sieher nicht darauf,
dass der Stein direkt die Schleimhaut lädiert. Die Wandung der Gal-
lenblase besitzt keine sensiblen Nerven. Auch die akute Dehnung
der Gallenblase durch sich stauendes Sekret kann aus demselben Grunde
keine Schmerzen machen. Nach Wilms (Münchn. med. Wochen-
schrift 1904, No. 31) werden die Schmerzen hervorgerufen durch Zug
und Zerrung der gedehnten Gallengänge au ihrer Fixationsstelle, wo-
— 103 —
welche Weise die Infektion erfolgt (durch den Choledochus und
Cysticus, auf dem Weg der Blutbahn) zu untersuchen, würde zu
weit führen, der Stein als solcher bildet jedenfalls nur die Ge-
legenheitsursache. Eine Cholecystitis ohne Infektion (Riedel)
kann ich nicht anerkennen. Fand man in Fällen von Cholecystitis
calculosa keine Bakterien, so dürften ungenügende Untersuch-
ungsmethoden daran Schuld sein, oder der Infekt war bereits
erloschen, als der Operateur den Eingriff vornahm. Die Chole-
cystitis ist entweder serös oder eitrig, selten hämorrhagisch;
sie kann jauchig werden oder diphtherischen, nekrotisierenden
und gangränösen Charakter annehmen. Die Cholecystitis wird
zur Peri Cholecystitis, wenn der Entzündungsprozess aus dem
Innern der Gallenblase auf die Serosa der Gallenblase
übergreift. Es entsteht eine lokale Peritonitis bald seröser, bald
eitriger Natur. Das Exsudat kann resorbiert wei'den oder sich
abkapseln, als Reste der Entzündung bleiben ringsum Ver-
wachsungen, die die Gallenblase mit den Nachbarorganen in
Verbindung bringen. Die Gallenblasenentzündung heilt aus,
wenn der Cysticus wieder wegsam wird, oder wenn die Gallen-
blase in den Darm, Magen etc. durchbricht. Die Entstehung
intraperitonealer Abscesse und allgemeiner Perforations-Perito-
nitis bedarf keiner besonderen Erklärung; ich will nur erwäh-
nen, dass auch ohne Perforation eine eitrige Pericholecystitis,
ja sogar eine allgemeine eitrige Peritonitis entstehen kann. Fast
immer verschliesst bei der Cholecystitis ein Stein den Cysticus
resp. den Hals der Gallenblase, hier kommt es zur ülceration mit
zuweilen nachfolgender Obliteration. Aber auch ohne Stein kann
lediglich durch die Einwirkungen der Mikroorganismen (Typhus)
eine Cholecystitis zu Stande kommen. Nicht selten ist die
Cholecystitis die erste Äusserung der Cholelithiasis. War der
Stein, der im Hals der Gallenblase sass, klein, so kann er von
dem in der Gallenblase sich ansammelnden Exsudat weiter in
den Choledochus gepresst werden. Ob ohne Entzündung ledig-
lich durch die Muskelkräfte der Gallenblasenwand eine Aus-
treibung der Steine zu Stande kommen kann, ist fraglich. Man
tut gut, auch für diese Fälle eine Entzündung ganz geringen
mit eine Zerrung der dort verlaufenden sensiblen Nerven verbunden
ist. In einer Technik der Gallensteinoperationen ist kein Platz, die
interessante Frage der Entstehung der Gallensteinkolik weiter zu
erörtern.
_ 104 —
Grades anzunehmen. Doch lasse ich diese Frage offen. War
der Stein gross, so wird, er nicht in den Choledochus gelangen.
Die Cholecystitis kann aber trotzdem ausheilen, wenn die Schleim-
haut im Cysticus resp. Hals der Gallenblase abschwillt, der
Stein sich lockert und daneben der Inhalt der Gallenblase ab-
fliessen kann, oder wenn die Gallenblase eine fistulöse Verbin-
dung mit Magen, Darm etc. eingeht.
Es fragt sich nun, in welchen Fällen von Cholecystitis man
operieren 'soll ?
Eine Cholecystitis kann leicht beginnen und schnell ver-
schwinden, sie kann aber schwer endigen, d. h. der Gallenblasen-
inhalt kann eitrig werden, und auch ohne Perforation kann all-
gemeine Peritonitis (Potain), Toxicämie und Septicämie eintreten.
Da man nun in keinem Fall vorher wissen kann, wie die Chole-
cystitis verlaufen wird, so hat Riedel genau wie bei der
Appendicitis die frühe Operation empfohlen. Gegen diese In-
dikation lässt sich einwenden, dass die allermeisten Cholecys-
titisanfälle leicht verlaufen und nur wenige einen schweren
Charakter annehmen. Die Regel ist Zurückgehen der entzünd-
lichen Erscheinungen, und deshalb kann man in der Regel bei
Cholecystitis auch abwarten. Operiert man wie bei der Appen-
dicitis alle Fälle, so wird man sehr viele operieren, die spontan
zurückgegangen wären. Das wäre ja nun kein grosses Un-
glück, wenn die Cystostomie resp. Ectomie eine völlig unge-
fährliche Operation wäre. Aber sie ist das nicht, mit 2 — 3%
Sterblichkeit muss man immer rechnen, und dann hat man auch
nicht die Garantie, dass man bei akuter Cholecystitis sofort alle
Steine entfernen kann. Ja man wird oft einen Stein im Ductus
choledochus übersehen und durch eine Cystostomie eine com-
plete Gallenfistel schaffen, deren Beseitigung oft erst durch eine
zweite sehr schwierige Operation (secund. Choledochotomie) mög-
lich wird. Das ausnahmslose Operieren bei leichter Cholecystitis
wird schliesslich schlechtere Dauerresultate geben, als wenn man
den Anfall vorübergehen lässt und erst dann zum Messer greift,
wenn die Cholecystitis chronisch wird und neue Anfälle den
Patienten bestimmen, chirurgische Hilfe aufzusuchen. Die Fälle
von eitriger Cholecystitis sind ausgenommen: hier wird man
operieren.
Ich rate zu folgendem Vorgehen : Jeder Fall von (Cholecys-
titis gehört ins Bett, bekommt bei intensiven Schmerzen
— 105 —
Morphium und erhält heisse oder kalte Umschläge, wie-
er sie am besten verträgt. Lassen die Schmerzen nach, tritt
kein Fieber ein, bleibt der Puls langsam, geht die Geschwulst
der Gallenblase, die infolge der excessiven Anfüllung derselben
entsteht, nach 4 — 6 — 8 Tagen zurück, so ist kein Grund zur
Operation vorhanden. Patient kann warten, bis weitere An-
fälle kommen. Von ihrer Häufigkeit und von ihrer Dauer wird
es dann abhängen, ob man operiert oder noch weiter wartet.
Bleibt eines der Symptome der Cholecystitis nach 8 Tagen
noch bestehen (Fieber, Schmerz, Gallenblasentumor), so ope-
riere man.
Bei schwerer Infektion, die sich durch Kräfteverfall, Fieber,
Pulsbeschleunigung, grossen Tumor, peritoneale Reizung (Ikterus,
Erbrechen) kundgibt, operiere man möglichst früh.
Man wird also bei akuter seröser Cholecystitis nur aus-
nahmsweise, bei eitriger und gangränöser immer operieren
müssen.
Es fragt sich nun, ob wnr diese verschiedenen Formen der
Cholecystitis unterscheiden können. Die Antwort lautet ja und
nein. Wer viele Gallensteinpatienten beobachtet und besonders
wer viele solche Patienten operiert hat, lernt diese Unterscheidung,
ein Arzt, der selten dazu Gelegenheit hat, wird sich bei dieser
Krankheit sehr schwer zurecht finden. Bei der Appendicitis ist
das schliesslich ebenso. Ich glaube, dass Sonnen bürg in der
Tat in den allermeisten Fällen die seröse Appendicitis von der
perforativen und diese wieder von der gangränösen trennen
kann, der Landarzt auf einem kleinen Dorf lernt das nicht,
weil ihm die Übung und Erfahrung fehlt. Man konnte also
Indikationen für gute Kenner und für Ärzte von geringer Er-
fahrung aufstellen. Jedenfalls ist es sehr schwer, einen Arzt
die richtige Indikation zu lehren, wenn er selbst nicht oft Ge-
legenheit hat, an praktischen Beispielen die Wahrheit dieser
Lehren zu erproben. Schliesslich kann der äusserlich leicht
verlaufende Fall pathol. anatomisch recht schwer sein, und um-
gekehrt macht die einfache seröse Cholecystitis bei einem gegen
Schmerzen weniger toleranten Individuum die schwersten Er-
scheinungen. Die Regel aber ist, dass die seröse Form we-
niger heftig auftritt, wie die eitrige resp. gangränöse Chole-
cystitis, und dass man durch Puls, Temperatur, Allgemeinbefinden,
peritoneale Reizung und Befund sehr wohl mit der Zeit eine Unter-
— 106 —
Scheidung der verschiedenen Formen herauszufinden lernt. Der
Chirurg, welcher die frühzeitige Operation in den ersten Tagen
nach Beginn der Cholecystitis empfiehlt, muss natürlich auch darauf
gefasstsein, bei seinen Patienten und der Mehrzahl der Innern Ärzte
auf grossen Widerstand zu stossen. Doch gebe ich zu, dass
deshalb ein wissenschaftlicher Arzt sich nicht abhalten lassen
kann, alles zu versuchen , um die nach seiner Meinung
richtige Indikationsstellung durchzusetzen. Schliesslich hören
ja die Kranken auch nicht auf uns, und wenn wir noch so sehr
die von allen Ärzten gebilligte frühzeitige Operation des Uterus-,
Mamma- und Rectumcarcinoms empfehlen; denn die Zahl derer,
die erst dann einen Arzt um Rat fragen, wenn das Carcinom
bereits nicht mehr operabel ist, ist ganz enorm gross. Bei der
Cholecystitis wird sich mancher vielleicht eher zur Operation
entschliessen, weil die Schmerzen so heftig sind, dass jeder
sich nach Erlösung sehnt. Es tritt aber gewöhnlich besonders
nach einer Morphiuminjektion so rasch Besserung ein, dass der
Vorsatz des Patienten, sich sofort operieren zu lassen, meist
schwindet und der Arzt womöglich mitten in seinen Rüstungen
zum blutigen Eingriff abbrechen muss. Morphium aber deshalb
zu verweigern, um eine Operation durchzusetzen, ist etwas hart
und inhuman. Der Patient wird einfach einen andern Arzt
holen, der mit der Morphiumspritze bereitwilliger ist, wie sein
operationsfreudiger Kollege! Der andere Arzt kommt gern
und rasch, das Morphium wirkt, der Anfall geht vorüber, und
der erste Arzt ist seine Praxis los. Das wird schon mancher,
der nach strenger Indikationsstellung gehandelt hat, erlebt
haben! Das Publikum richtet sich — das wissen wir alle — -
bei der Auswahl des Arztes nicht immer nach dessen Wissen
und Können: nicht immer ist der wissenschaftlich denkende
und handelnde Arzt der am meisten angesehene; der Kur-
pfuscher, der es versteht, dem Publikum recht viel Konzessionen
zu machen, und der durch freundliches, liebevolles Wesen den
Mangel seines Wissens und Könnens zu verstecken trachtet, steht
oft in einem grösseren Ruf als der Arzt, der mit kurzen und deut-
lichen Worten seine wissenschaftliche Ueberzeugung kund tut.
Der Doktor mit der Morphiumspritze ist lieber gesehen als der
mit dem Messer, und ein Gallensteinkranker legt lieber einen
Thermophor auf den Bauch, als dass er sich diesen in einer
Klinik aufschneiden lässt.
— 107 —
Selbst bei ganz dringlicher Indikation, z. B. bei perfora-
tiver Peritonitis nach Gallenblasenruptur habe ich es er-
lebt, dass die Angehörigen und der Patient die Operation ver-
weigerten, weil ein anderer Arzt Beseitigung der Schmerzen
durch Morphium versprach und herbeiführte. Mit den Schmer-
zen schwand aber aucli auf immer das Leben.
. Erlischt der Infekt in der Gallenblase, und bildet sich ein
steriler Hydrops aus, der als Tumor imponiert, sonst aber
keine Schmerzen oder Beschwerden macht, so wird man die
Operation bei einem Arbeiter vornehmen, bei einem Menschen,
der sich schonen kann, so lange aufschieben, bis sich Be-
schwerden geltend machen.
Ich würde auch einen keine Beschwerden machenden Hydrops,
der meistens auf lithogenera Cysticusverschluss beruht, bei einem
Menschen operieren, in dessen Familie nicht selten Krebs
zu Hause ist, da durch den Keiz der Steine Ulcerationen und
auf deren Boden Carcinome entstehen können.
Eine akute Cholecystitis kann nach Ausstossung sämtlicher
Steine zu pericholecystitischen Verwachsungen führen, die die
Gallenblase in ihrer Entleerungsfähigkeit beeinträchtigen. Die
Residualgalle neigt meist zu Infektionen und besonders bei
Adhäsionen am Gallenblasenhals resp. Cysticus ist eine Stauung im
Gallenblaseninnern und Neigung zu chronischer Cholecystitis
an der Tagesordnung. Derartige Kranke leiden dauernd unter
Schmerzen, die zwar nicht heftig zu sein brauchen, den Kran-
ken aber das Leben im höchsten Masse verbittern. In diesen
Fällen ist eine Operation am Platze ; am besten nimmt man
hier die Ectomie vor, die Cystostomie kann zwar selbst eine
chronische Cholecystitis zur Ausheilung bringen, die Ectomie
ist aber das sicherere Verfahren.
Geht die akute Cholecystitis in das chronische Stadium
über, so werden wir von der Häufigkeit der Koliken, von der
Dauer und Intensität der Anfälle und von der Erfolglosigkeit
innerer Kuren die EntSchliessung zur Operation abhängig
machen. So gut wie eine chronische Appendicitis selten aus-
heilt, so gut wird eine chronische Cholecystitis immer wieder
Beschwerden machen. Die Anfälle dabei sind weiter nichts
als akute Verschlimmerungen des bestehenden chronischen Ent-
zündungsprozesses. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen
— los-
wird auch einmal eine chronische Entzündung aufhören, wenn
schliesslich die Schleimhaut jede Tendenz zur Reaktion ver-
loren hat, oder aber der Gallenblaseninhalt durch eine gute
Kommunikation sich in den Darm entleeren kann. Das ist
aber nicht allzu häufig. Ganz im Gegenteil. Durch die Kom-
munikation wird erst recht der entzündliche Prozess in der Gallen-
blase unterhalten und kann sich sogar, wenn nicht der Cysticus
dauernd und fest verschlossen ist, auf das Gallensystem resp.
die Leber ausbreiten. Man stosst bei seinen Operationen nicht
selten auf Gallenblasen-Darmfisteln, die man daher zerstören
muss, wenn mau den entzündlichen Prozess ausheilen will.
Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass es nicht
meine Aufgabe sein kann, zu untersuchen, durch welche Kräfte
der Stein aus der Gallenblase in den Cysticus und von da aus
in den Choledochus getrieben wird.
Der Stein, der in den Choledochus gelangt, bringt aus der
Gallenblase eine Menge Mikroorganismen mit, die eine Chole-
dochitis hervorrufen , wenn nicht die Papille gut durchgängig
bleibt und der Stein rasch in das Duodenum abgeht. Auch
hier, genau wie in der Gallenblase, kommt es zu serösen und
eitrigen Entzündungen, und wie man die akute Cholecystitis
selten operiert, so wird man auch die akute Choledochitis nicht
sofort operieren oder nur dann, wenn die Infektion sehr schwer
ist und auf den Organismus einen sehr ungünstigen Einfluss
hat. Zieht sich der Ikterus in die Länge, hören die Schmerzen
nicht auf, tritt völlige Appetitlosigkeit und Erbrechen ein , so
wird man genau wie bei akuter Cholecystitis, die nicht schwinden
will, operieren müssen. Auch in solchen Fällen besteht die
Operation im Prinzip in der Ableitung des infektiösen Materials,
in der Fistelbildung: der Hepaticusdrainage.
Wird der Prozess im Choledochus chronisch, so handelt
man ebenso wie bei chronischer Cholecystitis, d. h. man richtet
sich im allgemeinen nach den Beschwerden des Pat., muss aber
dabei berücksichtigen, dass die Entzündung im Choledochus ein
viel gefährlicherer Zustand ist wie die Entzündung in der Gallen-
blase, weil die Leber in Mitleidenschaft gezogen wird, und durch
Ikterus und Cholämie das Leben in grosse Gefahr kommt.
Häufig wiederkehrende Koliken mit Ikterus und Schüttelfrösten
ohne Abgang von Steinen weisen darauf hin, dass der Stein keine
Lust hat, die Wanderung aus dem Choledochus in den Darm anzu-
— 109 —
treten: er wird eben zu ^ross sein. Man warte nicht zu lange mit seiner
Entfernung. Ich will es unterlassen, einen Zeitpunkt fest-
zusetzen, wann man beim Choledochusverschluss spätestens ope-
rieren soll. Das kann nach Eintritt des Steines in den gemein-
samen Gallengang schon nach 8 bis 14 Tagen nötig sein, man kann
damit 2 oder 3 Monate warten, und selbst bei 12jährigem Auf-
enthalt von Steinen im Choledochus bin ich einmal mit der Opera-
tion nicht zu spät gekommen. Im allgemeinen wird aber zu lange
gewartet. Und daran ist nicht ganz unschuldig ein Vorgang der
Natur, den- diese lieber unterlassen sollte: Die Bildung der Chole-
dochus-Duodenalfistel. Steckt ein Stein längere Zeit im retroduo-
denalen Teil dicht vor der Papille, so arbeitet er sich dann und wann
durch Usurierung des Choledochus und des Darmes in das Duo-
denum hindurch, und wird das Loch gross genug, so kann der
Stein abgehen und andere dahinter steckende Konkremente
können denselben Weg einschlagen. Naunyn setzt grosse Hoff-
nungen auf dieses Vorkommnis. Man kann zwar dem Gallen-
steinkranken, der eine solche Naturheilung durchmacht, gra-
tulieren, aber sie ist verhältnismässig so selten, dass man nicht
mit ihr rechnen soll. Wartet man darauf, so versäumt man
die beste Zeit, denn die Operation ist, solange die Gallengänge
noch nicht allgemein inficiert sind, recht ungefährlich und gibt
keine grössere Mortalität wie 3 Proz. So gut aber der Stein in
das Duodenum durchbrechen kann, so gut kann er in die Bauch-
höhle, die Pfortader perforieren; das Abwarten ist beim
Choledochusstein wegen Eintretens schwerer Komplikationen
(Thrombophlebitis purulenta, Cholangitis) sicher gefährlicher
wie cHe Operation.
Ich stehe also im allgemeinen auf dem Standpunkt, dass
die akute Cholecystitis nur in Ausnahmefällen zu operieren
ist, wenn sie ganz besonders heftig auftritt. Beim Choledochus-
stein, der seine Gegenwart durch lokale Cholangitis (Chole-
dochitis) kundgibt, soll man aber frühzeitig operieren, und wenn
man diese Vorschrift befolgt, wird man kaum mehr Todesfälle
haben, als wenn man bei Gallenblasensteinen frühzeitig operiert.
Hier wie dort beträgt die Sterblichkeit der Operation ca. 3°/o.
Immer richte ich mich bei der Indikationsstellung nach den
pathologisch -anatomischen Veränderungen, unter der die Krank-
heit verläuft; ich richte mich nicht nach den Schmerzen (diese
sind z. B. bei akutem Choledochusverschluss, der zunächst in-
— 110 —
tern behandelt werden soll, sehr arg), ich trenne auch nicht wie
Kuhn die leichten von den schweren Fällen, da oft der leichte
Fall (chron. Choledochusverschluss) sofort operiert werden muss,
während der schwere (Perforation mit Abkapselung) besser ex-
spektativ behandelt werden soll. Ich richte mich also nach
der Form, unter welcher die Krankheit verläuft, ob seröse
oder serös-eitrige Cholecystitis, ob Cholangitis circumscripta
oder diffusa vorliegt, und bemühe mich, pathologisch-anatomische
Diagnosen zu stellen, soweit das überhaupt möglich ist.
In meinem Buch, in dem besonders die Technik der Ope-
rationen beschrieben werden soll, ist leider kein Raum, alle diese
Fragen ausführlich zu behandeln; ich fasse deshalb meine Indika-
tionen in folgende Thesen zusammen, wobei ich zugleich auf einige
Punkte, die ich oben nicht berücksichtigt habe, zurückkomme:
1) Ich erkenne an, dass in vielen Fällen von Cholelithiasis
eine Herbeiführung des latenten Stadiums durch Ruhekuren,
Alkalien etc. gelingt und in einer Reihe von Fällen dauernden
Erfolg hat. Besonders bei der sogenannten chronisch recidi-
vierenden Cholecystitis vermag eine regelmässig in Karlsbad
oder Neuenahr, auch zuhause vorgenommene Ruhekur die Koliken
derart zu mindern, dass kein Grund zu einer Operation vor-
liegt. Aber ich bezweifle, dass häufig eine wirkliche Heilung
d. h. eine Ausstossung sämtlicher Steine durch innere Kuren
erzielt wird. Nach meiner Meinung darf es auch gar nicht
unser Bestreben sein, die Steine abzutreiben, es ist viel rich-
tiger, wenn wir dafür sorgen, dass sie sich in der Gallenblase
ruhig verhalten, und dass die entzündlichen Prozesse beseitigt
werden. Der wochenlang fortgesetzte Gebrauch von heissen
Umschlägen (am besten in Form der Thermophore) leistet neben
Bettruhe und einer Trinkkur von Karlsbader Wasser in dieser
Beziehung die besten Dienste.
2) Die Frühoperatioii im Sinne Riedels, die Steine zu
entfernen, so lange sie noch in der Grallenblase stecken, ist
undurchführbar und auch für die Mehrzahl der Fälle un-
nötig. Die akute Cholecystitis bedarf nur dann der Operation,
wenn sie von vornherein sehr schwer auftritt, oder wenn der »
Fall sich in die Länge zieht und nicht alle Symptome (Gallen-
blasentumor, Schmerz, Fieber etc.) zurückgehen.
3) ^Vönn die Anfülle leicht verlaufen, zwischen denselben
immer wieder völlige Latenz (absolute Unempfindlichkeit
— 111 —
der Gallenblasengegend) eintritt, verzichte ich auf eine
Operation.
4) Der akute Choledochusverschluss ist bis auf wenige
Ausnahmen intern zu behandeln. Treten die cholangitischen
Erscheinungen in den Vordergrund, und zieht sich der Ikterus
unter Verfall der Kräfte und absoluter Appetitlosigkeit in die
Länge, so ist eine Operation zu erwägen.
5) Häufige Koliken ohne Ikterus und ohne Steinabgang
verlangen bei Schädigung des Allgemeinbefindens und Beein-
trächtigung der Erwerbsfähigkeit und des Lebensgenusses die
Operation.
6) Fälle mit Ikterus und jedesmaligem Abgang von
Steinen gehören den Internen; häufen sich die Anfälle, kommt
der Patient sehr herunter, und ist keine Hoffnung auf völlige
Ausstossung der Steine vorhanden, so ist die Operation am Platze.
7) Der Hydrops und das Empyem der Gallenblase und peri-
choiecystitische Eiterungen gehören dem Chirurgen. In den
wenigen Ausnahmefällen, bei welchen ein steriler Hydrops gar
keine Erscheinungen macht, mag der Patient seine geschwol-
lene Gallenblase so lange mit sich herum tragen, bis Beschwer-
den sich einstellen und sich häufen.
8) Der chronische Choledochusverschluss soll bei Versagen
einer gründlichen inneren Kur nicht zu 'spät chirurgisch behan-
delt werden.
9) Gallensteinkranke, die dem Morphium verfallen sind^
müssen unter allen Umständen operiert werden. Während der
Nachbehandlung bietet sich die beste Gelegenheit zur Morphium-
entziehung.
10) Die Behandlung des Gallenblasencarcinoms kann nur
bei ganz frühzeitiger Operation einen dauernden Erfolg haben.
Da aber jeder Mensch eine Frühoperation scheut und Spätope-
rationen keinen grossen Zweck haben, dürfte es nur selten ge-
lingen, das Übel vollständig zu heilen.
11) Kranke mit chronischem Ikterus, der nicht auf Stein
im Choledochus und unheilbaren Lebererkrankungen beruht,
müssen spätestens 3 Monate nach Beginn des Ikterus operiert
werden, da nicht selten statt des vermuteten Carcinoms des
Pankreaskopfes die heilbare Pankreatitis chronica interstitialis
gefunden wird.
— 112 —
12) Der Entschluss zu einer Operation wird sowohl dem
Arzt als auch dem Patienten leicht gemacht durch den
Nachweis eines Gallenblasentumors, der geschwollenen Leber,
durch Auftreten von Ikterus und Fieber. Aber auch ohne
lokalen Befund an Leber und Gallenblase dürfen wir bei hoch-
gradigen andauernden, einer inneren Medikation unzugänglichen
Beschwerden operieren. Man findet in solchen Fällen^ beson-
ders bei Männern, häufig Adhäsionen traumatischen Ursprungs
ohne Steine.
13) Die Folgezustände der Cholelithiasis, die eitrige Chol-
angitis, der Leberabscess, die Perforationsperitonitis, der sub-
phrenische Abscess, hochgradige Pylorus- und Duodenalstenosen,
oft auch der Gallenstein-Ileus müssen chirurgisch behandelt werden .
14) Der Schlussparagraph endlich heisst: Allgemeine Indi-
kationen zu einer Gallensteinoperation aufzustellen ist nicht
gut möglich. Man muss von Fall zu Fall entscheiden. Männer,
besonders fette, vertragen eine Operation schlecht. Frauen,
die geboren haben, eignen sich gut zu einem chirurgischen
Eingriif. Bei reichen Leuten ist die Indikation anders zu
stellen als bei armen, aber dieser Satz ist nicht so zu ver-
stehen, dass der Chirurg lieber die reichen Leute operiert, die
ihm hohe Honorare zahlen, nein umgekehrt, die Armen müssen
häufiger operiert werden, weil sie nicht in der Lage sind, die
Wohltaten einer Karlsbader Kur geniessen und streng nach den
diätetischen Vorschriften des Arztes leben zu können. Auf
diese soziale Indikation und auf die Forderung einer streng
individualisierenden Behandlung habe ich schon in früheren
Arbeiten hingewiesen und mich dahin ausgesprochen, dass man
bei Diabetes, Arteriosklerose, chronischer Nephritis, Lungen-
und ilerzerkrankungen möjsrlichst von einer Operation ab-
stehen soll. —
Ich habe in diesem Abschnitt, in welchem ich die Indi-
kation zur Operation auf Grund der pathologischen Anatomie
der Gallensteinkrankheit besprochen habe, nur die wichtigsten
Punkte hervorgehoben, soweit sie für die von mir geübte Ope-
rationstechnik von Belang waren. Die pathologische Anatomie
und die Indikationen ausführlich abzuhandeln, dazu war in die-
sem Buche kein Raum. Wer aber die Krankengeschichten im
IL Teil mit Aufmerksamkeit liest, wird sich ein genaues Bild
von den pathologisch -anatomischen Veränderungen machen
— 113 —
können, die beim Gallensteinleiden beobachtet werden. Alles
läuft darauf hinaus, dass die Steine nur die Gelegenheitsur-
sache zur Entzündung abgeben, und dass die Infektion sowohl
beim Entstehen der Koliken als auch des Ikterus eine Hauptrolle
spielt. Die Gallensteinkrankheit ist in diesem Sinne betrachtet,
«ine richtige Infektionskrankheit. Ein Serum gegen sie anzu-
wenden, würde deshalb ohne Erfolg sein, weil die verschieden-
sten Kokken und Bakterien sich bei der Entzündung beteiligen. Ge-
lingt es nicht, die Entzündung zu beseitigen und die Krankheit
in das Stadium der Latenz zu bringen, so hat der Chirurg ein-
zugreifen, der durch Drainage die Infektionsgefahr aufhebt ; kann
er zugleich durch Ectomie der Gallenblase und durch die Entfernung
sämtlicher Steine weiteren Entzündungen vorbeugen, so ist das
um so besser. Aber vergessen wir nicht, dass bei allen akuten
Entzündungen die erste Sorge die Beseitigung der Infektion ist;
bei chronischen Entzündungen ist die Gelegenheit, zugleich
die letzte Ursache, die Steine zu entfernen, günstig, und jeder
Chirurg, dessen Bestreben es ist, nicht nur augenblickliche,
sondern auch Dauererfolge zu erzielen, wird im chroni-
schen Stadium der Cholelithiasis möglichst die Gallenblase
entfernen und dem Choledochus seine ganze Aufmerksamkeit
widmen. Im akuten Stadium muss man der Fistelbildung häufig
<len Vorzug geben. —
Clemm bespricht meine Indikationsstellung und ist mit
ihr im allgemeinen einverstanden ; nur gegen These 9 wendet
er sich scharf und sagt: „In einem gut geleiteten Sanatorium
muss bei innerer Behandlung in dieser Beziehung der gleiche
Erfolg zu erzielen sein, und es mutet eigenartig an, eine Ver-
stümmelung am Menschen vorzunehmen, um ihn der Giftent-
ziehung gefügig ZU' machen." Clemm scheint unter der Ver-
stümmelung die Exstirpation der Gallenblase zu verstehen ;
aber diese hat in der Mehrzahl der Fälle schon die Natur
verstümmelt, indem sie den Cysticus verschloss und so das Organ
funktionsunfähig machte. Und dann soll mir mal Clemm
ein Sanatorium nennen, in dem es gelingt, einem Menschen,
der alle 2 oder 3 Tage einen Gallensteinkolikanfall hat, das Mor-
phium zu entziehen. Das ist ganz unmöglich. Gibt man einem sol-
chen Menschen kein Morphium, so rast und schreit er so lange, bis
er doch ein Narkoticum bekommt. Das erlebe ich immer,
sobald ich einen an Morphium gewöhnten Kranken operiere.
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. I. 8
— 114 —
Aber ich halte diese Kranken im Bett, ihre Laparotomie wunde
verhindert sie am Aufstehen, ich kann ihnen Spritze und Mor-
phium fortnehmen und sie genau überwachen lassen. Da ge-
lingt mir die allmähliche Morphiumentziehung immer. Ich halte
die in These 9 ausgesprochene Indikationsstellung für eine
sehr wichtige, und besonders bei Leuten, die sich leicht in den
Besitz des schmerzstillenden Mittels setzen können (Ärzte,
Krankenwärter, Schwestern, Apotheker), kommt diese Indikations-
stellung recht in Betracht.
Die Fälle, bei denen die Steine eine rein mechanische
ßolle spielen, gehören zu den Seltenheiten. Der Stein im
Ductus cysticus ist, sofern der Lifekt in der Gallenblase er-
losch, ein ziemlich harmloses Gebilde, wenn er auch ganz fest
den Gang verschliesst. Der in solchen Fällen sich ausbildende
Hydrops der Gallenblase ist oft völlig steril und bildet keine
Indikation zur Operation, wenn der Tumor dem Kranken keine
Beschwerden macht und dauernd unempfindlich bleibt. Ganz
anders liegt es mit dem Stein in der Papille. Auch dieser
kann festsitzen, wird aber, auch wenn die entzündlichen Er-
scheinungen erloschen sind, sehr oft einen Stauungsikterus hervor-
rufen, der mit der Zeit doch den Kranken in Gefahr bringt. Steine
im Cysticus wie Steine in der Papille sind aber meist erst
durch entzündliche Schübe dorthin gebracht, und somit ist der
mechanische Verschluss fast immer das Endresultat der
Entzündung. Während der Stein im Cysticus sitzen bleiben
kann, wenn der Infekt in der Gallenblase völlig erlischt, wird
der Stein in der Papille mit der Zeit doch durch die sich
hinter ihm stauende Galle das Lebergewebe so alterieren, dass
man ihn entfernen muss. So beugt man am besten der Ent-
stehung der biliären Cirrhose vor.
Ich will hier noch einmal betonen, dass ich die Möglichkeit
mechanischer Vorgänge bei der Cholelithiasis, die Vorwärts-
bewegung der Steine durch die Kräfte der Gallenblasen-
muskulatur, ihre Einklemmung im Cysticus und in der Papille
keineswegs gänzlich leugne, aber sie lassen sich viel ein-
facher durch geringe Infektion erklären, und wenn wir sämt-
liche Vorgänge bei der Cholelithiasis durch eine Ursache er-
klären können, haben wir es nicht nötig, nach mehreren
Ursachen zu suchen. Je einfacher wir ein Krankheitsbild er-
klären, um so verständlicher wird es uns.
— 115 —
Aus den obigen Auseinandersetzungen erhellt, dass es gar
nicht nötig ist, die Indikation zur Operation so weit aus-
zudehnen, wie einige Chirurgen, besonders Riedel es tun.
Operieren wir die absolut nötigen Fälle, d. h. das akute und
chronische Empyem der Gallenblase, die häufig wieder-
kehrenden Anfälle von chronischer Cholecystitis, die jeder
Therapie trotzten, den chronischen mit Ikterus und Schüttel-
frösten Terbundenen Choledochusverschluss, so bietet sich
für jeden Chirurgen ein so grosses und dankbares Arbeitsfeld,
dass er ganz allein auf die Forderung der Frühoperation ver-
zichtet. Dass verhältnismässig so wenig Gallensteinoperationen
geniacht werden, liegt einfach daran, dass die Fälle nicht
richtig diagnostiziert werden. Das erfahre ich fast täglich.
Man ist erstaunt, wie Leuchten der inneren Medizin mit Be-
stimmtheit Gallensteine ausschliessen, wo ein Empyem vorliegt,
und oft genug kommt es vor, dass der typische chronische
Choledochusverschluss mit Fieber, Schüttelfrösten und Ikterus
falsch gedeutet wird. Wird die Diagnostik der Cholelithiasis
mehr gepflegt wie bisher, so wird der Wunsch nach frühzeitiger
Operation auch bei den „extremen" Chirurgen verstummen, weil
sie genug mit den Fällen zu tun haben, die eine Operation
unter allen Umständen nötig haben.
Die meisten ('hirurgen werden — des bin ich gewiss —
den von mir aufgestellten Indikationen beipflichten ; nur Riedel
steht auf einem entgegengesetzten Standpunkt. Ich habe in
einer Arbeit in der „Münch. med. Wochenschrift" 1903, Nr. 16
und 17: „In welchen Punkten ich von Riedel's Ansichten
über Gallensteinchirurgie abweiche?" mir Mühe gegeben, meine
Ansichten Riedel gegenüber geltend zu machen, und wenn ich
auch bereits oben die Hauptpunkte in der Verschiedenheit
unserer Ansichten hervorgehoben habe, so halte ich es doch
hei der Wichtigkeit der Angelegenheit für geboten, in diesem
Buche einiges aus jener Arbeit zu wiederholen, damit auch die,
welche den damaligen Artikel nicht gelesen haben, sich selbst
über die Verschiedenheit unserer Indikationsstellung ein Urteil
bilden können. Riedel und ich haben von den deutschen Chirur-
gen wohl die meisten Gallensteinoperationen ausgeführt, und des-
halb ist es gewiss von Interesse festzustellen, nach welchen
Indikationen die Hauptvertreter der deutschen Gallenstein-
chirurgie zu operieren gewohnt sind. Wenn von den Anhängern
— 116 —
der Frühoperation gesprochen wird, so nennt man meinen Namen
immer neben dem Riedels. ErstKuttner wieder (Zeitschrift
f. ärztl. Fortbildung Nr. 8) scheint anzunehmen , dass ich die-
selben Indikationen vertrete wie Ei ed el, wenn er sagt: ,,Nach
seinen günstigen Erfahrungen kann Fink die von Ei edel und
Kehr aufgestellten Indikationen zur operativen Behandlung des
Gallensteinleidens in ihrem grossen Umfange nicht anerkennen.''
Welch' Unterschied zwischen den Indikationen Eiedels und
den meinigen herrscht, das möchte ich noch einmal dem Leser
recht eindringlich vorstellen. Ich sagte schon in der „Münch.
med. Wochenschrift 1903" Nr. 16 und 17 folgendes: „Riedel
legt — wenn auch nur in der Theorie — viel zu viel Gewicht
auf die Grösse der Steine, wenn er sagt : „Kleine Steine be-
dürfen der Operation nicht, weil sie von selbst abgehen können,
grössere und grosse passieren die Gallengänge nicht oder nur
unter grosser Gefahr für den Kranken , sie müssen rechtzeitig
aus der Gallenblase . entfernt werden, damit sie nicht in die
tiefen Gänge hineingeraten oder die Gallenblasen wand durch-
brechen." Ei edel nimmt nur in 10 Proz. kleine, in 90 Proz.
grosse Steine an, also müssten 90 Proz. operiert werden, wenn
man die Kranken wirklich heilen will. Ich stand früher auf
einem ähnlichen, wenn auch nicht so weitgehenden Standpunkt
wie Riedel, und noch heute, wenn über Gallensteine debattiert
wird, werden Riedel und ich als Vertreter der „Frühoperation"
genannt. Aber nur bis in die Mitte der 90er Jahre stimmte
ich mit Riedel überein, ich habe mit der Zeit auf Grund
eines eigenen grossen Materials meine Ansichten wesentlich ge'-
ändert, ich bin jetzt in vielen Fällen mit einer Latenz der
Steine zufrieden und verlange nur für bestimmte Formen der
Cholelithiasis die Operation. Die Grösse der Steine spielt in
der Indikationsstellung gewiss eine gewichtige Rolle (z. B. beim
akuten und chronischen Choledochusverschluss) ; aber operieren
wir nicht auch oft genug bei kleinen Steinen, wenn die Infektion
hochgradiger Natur ist und eine Beseitigung derselben mit
inneren Mitteln nicht gelingt? Bei meiner letzten Gallenstein-
operation — der 178. Choledocholomie resp. Hepaticusdrainage
— fand ich nur ganz kleine, erbsengrosse Steine im Choledochus.
Der Ikterus bestand schon seit Monaten, die Appetitlosigkeit
war so gross, dass in kurzer Zeit das Körpergewicht um 40
Pfund zurückging und man bei der grossen Elendigkeit und
— 117 —
Mattigkeit der Patientin recht gut an einen Leberkrebs denken
konnte. Fürwahr, die Grösse resp. Kleinheit der Steine und
ihre Durch gangsfähigkeit durch den Cysticus oder Choledochus,
selbst nicht einmal die . Anwesenheit der Steine (kann doch
das Empyem der Gallenblase, ohne dass dabei Steine eine Rolle
spielen, entstehen !) wird für uns Ärzte nicht immer massgebend
sein, ob wir operieren oder nicht, und Riedel selbst bekennt
sich zu dieser Anschauung, indem er sagt: „Genau ebenso (er
hat dabei die Appendicitiskranken*) im Auge) muss der Kranke
mit akuter Cholecystitis in chirurgische Behandlung kommen,
damit er, nicht dem Spiele des Zufalles ausgesetzt, sofort auf
ungefährliche Weise von dem in seinen Folgen unberechenbaren
Leiden befreit wird, gleichgültig, ob der Stein gross oder klein
ist." Man sieht also, dass Riedel in praxi auf grosse oder
kleine Steine keine Rücksicht nimmt: Die Entzündung der
Gallenblase drückt ihm das Messer in die Hand, und diese In-
dikation lasse ich gern gelten. Nun ist aber nach Riedel
der erste Anfall „immer eine Attacke von Cholecystitis*'; also
muss Riedel, wenn er in seinen Schlussfolgerungen kon-
sequent ist, bei jedem Gallensteinkranken, der einmal eine
Attacke durchgemacht hat, die Operation empfehlen. In der
Tat tut er das auch ; nicht nur bei der Cholecystitis schwerer
Art, sondern auch ,,bei den leichteren Fällen von Cholecystitis
würde er operieren, wenn er sähe, dass er eine glänzende
*) Riedel weist verschiedene Male auf die Appendicitis hin und
vergleicht diese mit der Cholecystitis ; gibt er auch zu, dass die Ge-
fahr der Cholecystitis nicht so gross ist, wie bei der Appendicitis . so
ist eine solche Gegenüberstellung von geringer Beweiskraft. Wie
selten perforiert doch die Gallenblase (2 Proz. nach Riedel) und wie
oft die Appendix? Fast immer spielt die Appendicitis sich nicht nur
in der Höhle des Organs ab, sondern auch in der Wand , in der Um-
gebung, die Cholecystitis hat dagegen nur in wenigen Fällen einen
so ausgesprochen progredienten Charakter. Wie selten finden wir
bei der Cholecystitis den Eiterherd in der Peritonealhöhle, der
bei der perforativen Form der Appendicitis kaum fehlt? Die
Appendicitis ist gegen die Cholecystitis «ine höchst gefährliche Er-
krankung, während die letztere in der Mehrzahl der Fälle einen harm-
losen Charakter hat. Wenn Riedel ein Anhänger der Frühoperation
bei Appendicitis ist, so steht er zwar auch bei dieser Krankheit nicht
ganz auf meinem Standpunkt, aber er steht doch nicht vereinzelt da;
bei der Cholecystiiis dürfte er völlig isoliert die Forderung der Früh-
operation vertreten.
— 118 ~
Statistik bekäme". Die erste Forderung finde ich noch einiger-
niassen gerechtfertigt, denn man soll bedenken, dass bei der
Cholecystitis acutissima auch ohne Perforation eine Allgemein-
infektion eintreten kann. Aus diesem Grunde habe ich von je-
her die Operation bei der akuten, serös - eitrigen Cholecystitis
empfohlen, aber ich habe das im Hinblick auf die Bekämpfung
der Infektion getan; die Steinentfernung, so angenehm sie für
den Patienten auch sein mag, kommt erst in zweiter Linie in
Betiacht. Ob grosse oder kleine Steine vorliegen oder gar
keine, ist höchst gleichgültig*); Riedel aber greift zum Messer,
indem er immer betont, man soll ein Tiefertreten der Steine in
den Choledochus verhüten. Gelingt es ihm nicht, die Operation
im ersten Anfall auszuführen, dann empfiehlt er diese nach dem-
selben. Einen zweiten und dritten Anfall will er gar nicht ab-
warten. Der wesentliche Unterschied zwischen der Indikations-
stellung von Riedel und von mir ist also der, dass ich bei
akuter Cholecystitis besonders auf den Grad der Entzündung,
wie er sich durch die Schmerzhaftigkeit und Grösse des Gallen-
blasentumors, Beteiligung des Peritoneum und andere Momente
kundgibt, Rücksicht nehme, während Riedel, der überhaupt
die Infektion in den meisten Fällen leugnet und dafür seine
Fremdkörperentzündung (Perixenitis) substituiert, ein Tiefer-
treten der Steine verhüten will, damit nicht aus einem lokalen
ein Allgemeinleiden werde.
Ob die Entzündung in der steinhaltigen Gallenblase in-
fektiöser Natur ist oder nicht, ist noch nicht sicher entschieden,
nach meiner Erfahrung ist aber keineswegs jede Kolik eine
Attacke von Cholecystitis, obgleich ich der Entzündung, wie
jeder weiss, der meine Publikationen gelesen hat, bei der Ent-
stehung der Koliken die Hauptrolle zuerkenne. Auch andere
Momente, deren Erörterung ich mir hier ersparen muss, können bei
Abwesenheit von Steinen Koliken herbeiführen. Wie dem auch sei ,
ich stimme mit Riedel ganz darin überein, dass viel zu wenig Gallen-
•j Wenn ich auf den Tafeln am Ende des I. Teils der Technik
Abbildungen bringe von den grossen Steinen, die ich excidiert habe,
so geschieht das deshalb, um zu zeigen, dass ich nicht nur Gries ge-
funden habe — eine sehr häufige Diagnose — , sondern dass die
Steine viel grösser sind, als man allgemein annimmt. Für diese
Ungläubigen sind die Tafeln angefertigt; bei der Herstellung konnlo auf
die Strukturverhältuisse der Steine keine Rücksicht genommen werden.
— 119 —
Steinoperationen überhaupt ausgeführt werden, dass die einfache
Cystostomie oder Cystectomie, ,, frühzeitig*' ausgeführt, technisch
leichter ist wie eine Choledochotomie und Hepaticusdrainage,
und bin ganz seiner Meinung, dass die Gefahren der Krankheit
im allgemeinen und speziell die des chronischen Choledochus-
verschlusses viel zu wenig gewürdigt werden. Aber weil dieser
in so und sovielen Fällen einmal eintreten könnte — und der
Choledochusverschluss chronischer Natur ist im Verhältnis zu
den vielen Gallensteinkranken (nach Riedel 2 000000 im
Deutschen Reich) ein relativ seltenes Ereignis — , ist es gewiss
nicht gerechtfertigt, jeden Fall von Cholecystitis zu operieren,
um einer eventuellen Verlegung des Choledochus vorzubeugen.
Die Cholecystitis ist die Vorläuferin des akuten Choledochus-
verschlusses gewiss in den meisten Fällen, sie kann Heilung
herbeiführen, indem das entzündliche Sekret die Steine durch
Cysticus und Choledochus in den Darm treibt. Schon aus diesem
Grunde wäre es falsch, in jedem Fall von Cholecystitis zu ope-
rieren und eine Spontanheilung zu verhindern. Und dann, so unbe-
rechenbar das Gallensteinleiden auch ist, weder eine Cystostomie
noch eine Cystectomie ist eine so absolut ungefährliche Operation,
dass diese Anspruch erheben, kann, eine prophylaktische Ope-
ration genannt zu werden. Können wir auch eine Infektion
intra operationem durch tadellose Asepsis und Technik fern-
halten, an Pneumonien, Embolien und an den Einwirkungen des
Narkoticums werden wir immer ca. 2 — 3 Proz. der Operierten
verlieren. Auch bei Riedel würden, wenn er die leichten
Fälle von Cholecystitis operiert, nicht nur die Karzinosen zu
Grunde gehen , sondern auch dann und wann einmal ein nicht
Karzinöser an einfacher Ectomie und Cystostomie. Zudem
wollen wir nicht vergessen, dass in sehr vielen Fällen — sicher
der Majorität — die Steine jahrzehntelang sich in der Gallen-
blase völlig ruhig verhalten können , dass kein zweiter oder
dritter Anfall zu Stande kommt, und dass der Eintritt der
Steine in den Choledochus, wie schon oben bemerkt, ein relativ
seltenes Ereignis ist. Ueberall in der Medizin und Chirurgie
sind wir gewohnt, mit der Kegel und nicht mit der Ausnahme
zu rechnen, und dementsprechend richten wir auch unsere
Massnahmen ein. Riedel sagt ja selbst, dass nur 18 Proz.
chronischen Choledochusverschluss bekommen, bei 70 Proz. die
Gallensteine in der Blase sich latent verhalten können. Ich
— 120 --
möchte übrigens hinter die. Zahlen, mit denen Riedel so gern
seine Ansichten beweist, ein dickes Fragezeichen machen.
Riedel kann ihre Gültigkeit durch nichts erhärten, und ich
glaube, dass die 18 Proz. chronischen Choledochusverschlusses
viel zu hoch gegriffen sind. Sind die Zahlen aber richtig, so
ist nur in 18 Proz. der Fälle eine Operation indiziert, und von
den 70 Proz., die Steine in der Gallenblase haben, nur bei
denen, die nicht latent werden wollen, die Eiter in der Gallen-
blase beherbergen und sonstiges infektiöses Material. Wie viel
das sind, weiss ich nicht, auf Schätzungen lasse ich mich
nicht ein. Operieren wir bei akuter Cholecystitis, so müssen
wir, wenn wir mit Riedel die sofortige Entfernung der
Steine im Auge haben, auch auf die tiefen Gallengänge
Rücksicht nehmen, obwohl Riedel das nicht für nötig hält.
Nicht immer aber liegt, wie Riedel*) meint, ein „lokales
Leiden" vor. Ich habe oft genug bei akuter Cholecystitis mit
Schlussstein operiert und dabei Steine im Choledochus an-
getroffen, ohne dass Ikterus darauf hindeutete. Es ist nichts
ganz seltenes — auch Riedel führt solche Fälle an — , dass
die erste Attacke von Cholecystitis einen kleinen Stein in den
Choledochus w^irft. Operiert man in einem solchen Fall sofort,
und nimmt man keine Rücksicht auf den tiefen Gang, so macht
man eine unvollkommene Operation. Hat man cystostomiert, so
wird später eventuell eine Choledochotomie nötig, und hat man
ectomiert^ so kann die Cysticusligatur nachgeben und grosses
Unheil entstehen, wenn man, wie Riedel das gern tut, nicht
tamponiert hat. Nimmt man aber Rücksicht auf den Chole-
dochus und findet man den Stein, so wird man ihn nicht stecken
lassen, sondern ihn herausschneiden. War er klein, und das ist
meistenteils der Fall, so wäre er wahrscheinlich spontan ab-
gegangen : man hat dann eine unnnütze Operation vorgenom-
men. Aber diese wird in der Hand des erfahrenen Gallenstein-
operateurs selten schaden, während sie von einem Arzt ausge-
führt, der im Jahr nur 2 oder 3 Gallensteinoperationen macht,
den Kranken in grosse Gefahr bringen wird. Das gibt auch
Riedel zu, und deshalb möchte ich vorschlagen, die Indikation
*) Auf die Anschauungen, die Riedel über die pathologische
Anatomie und Pathogenese des Gallensteinleidens hat, will ich nicht
näher eingehen, obgleich ich auch in dieser Beziehung in manchen
Punkten von seinen Ansichten erheblich abweiche.
— 121 —
zur Operation bei der akuten Cholecystitis auf die Fälle zu be-
schränken, die mit peritonealer Reizung einhergehen und eine
deutliche und schmerzhafte Vergrösserung der Gallenblase auf-
weisen. Temperaturerhöhungen und Ikterus sind wenig mass-
gebend. Auch bei schwerer Infektion kann Fieber fehlen, und
Ikterus ist nicht immer ein Zeichen des Choledochusverschlusses,
ja er kann vermisst werden, obgleich Steine in den Choledochus
übergetreten sind. Die Operation soll man sofort, d. h. gleich
nach gestellter Diagnose*) vornehmen, wenn Patient einen
schwerkranken Eindruck macht. Ist der Tumor der Gallenblase
nicht sehr schmerzhaft und gross, das subjektive Befinden des
Kranken leidlich gut, so mag man abwarten und wird in den
allermeisten Fällen erleben, dass, wie Naunyn sagt, der Tumor
sich rasch „jerspurlost''. Verschwindet er nicht im Verlaufe
von 8 — 14 Tagen, lassen die Schmerzen nicht gänzlich nach,
leidet das Allgemeinbefinden unter der Appetitlosigkeit und dem
Fieber, so ist der operative Eingriff ungefährlicher wie das Ab-
warten, man greife also zum Messer.
Will man bei akuter Cholecystitis sofort operieren, so muss
man sich darüber klar sein , was man mit der Operation be-
zwecken will : Entfernung sämtlicher Steine aus Gallenblase
und Hals derselben, damit sie nicht in die tiefen Gänge ge-
raten, oder nur Beseitigung des meist infektiösen Inhalts der
Gallenblase ? Das erstere kann nur der erfahrene Chirurg, das
letztere dürfte auch in den Händen des weniger in chirurgicis
bewanderten Arztes gelingen. Im ersteren Fall wird die Ec-
tomie mehr leisten wie die Cystostomie, im letzteren Fall wird
die einfachere Fistelanlegung genügen.
Gleichgültig nun, ob man ectomiert oder cystostomiert^
immer ist es zweckmässiger, wenn ein Patient, bei dem sich
die Zeichen schwerer Cholecystitis geltend machen , in ein
Krankenhaus transportiert wird, als dass er zu Hause bleibt,
wo die Nachbehandlung, falls eine Operation nötig wird, auf
die grössten Schwierigkeiten stösst. Konnte aber ein Trans-
port nicht stattfinden — und meistenteils liegt das am Kranken,
nicht am Arzt ! — , so sei man darauf bedacht, die entzünd-
lichen Erscheinungen zum Rückgang zu bringen, was in der
Tat in der allergrössten Zahl der Fälle gelingt, nicht nur
*) Nach meiner Erfahrung wird diese selten gestellt und deshalb
ist die Operation auch eine Seltenheit.
— 122 —
bei den leichteren Formen, sondern auch bei den mittelschweren.
Man lasse den Kranken so lange liegen, bis völlige Ruhe im
Gallensystem eingetreten ist. Ist das der Fall — und nun
kommt der Hauptpunkt, in dem ich erheblich von Riedel ab-
weiche — , ist auch nicht mehr die geringste Druckempfindlich-
keit an der Gallenblase vorhanden, ist gar nichts mehr von
einem Tumor zu fühlen, mit einem Wort fühlt sich Patient
wieder völlig gesund, dann befindet er sich eben im Stadium
der Latenz, wie tausende und abertausende von Menschen mit
Gallensteinen im Deutschen Reich, es ist gar keine Indikation
zur Operation vorhanden, und Patient mag abwarten, bis neue
Anfälle kommen. Von ihrer Häufigkeit, ihrer Art und Dauer
sind dann die weiteren Massnahmen abhängig. Kommt es zu der
rezidivierenden chronischen Cholecystitis, so handle ich nach
Indikationen, bei denen ich mit Riedel so ziemlich überein-
stimme. Aber für die akute Cholecystitis kann ich das nicht
behaupten, besonders der praktische Arzt vom Lande oder aus
einer kleinen Stadt kann Riedels Indikationsstellung über-
haupt nicht durchführen. Und darauf müssen wir doch Rück-
sicht nehmen, ob eine in der Theorie ganz plausible Indikations-
stellung sich auch in die allgemeine Praxis übersetzen lässt.
Riedel ist deshalb selbst der Meinung, dass die „Früh-
operation" nur in grösseren Orten möglich ist, denn sie ver-
langt einen erfahrenen Gallensteinoperateur. Die Dirigenten
kleiner Hospitäler, für die das Riedel' sehe Buch mitbestimmt
ist, werden aber gewiss nicht eine solche Bezeichnung für sich
in Anspruch nehmen wollen, und nur erfahrenen Gallenstein-
operateuren sämtliche Kranke mit akuter Cholecystitis zu über-
lassen, geht auch nicht an; dann hätten diese bei der grossen
Fülle des Materials gar keine Zeit, andere Operationen aus-
zuführen. Soll aber der Indikationsstellung Riedels völlig
Genüge geleistet werden, dann müsste schon jeder Arzt eine
Gallensteinoperation ausführen können. Da dieses Verlangen
aus mehreren Gründen undurchführbar ist und bleiben wird,
bleibt auch Riedels Indikationsstellung ein frommer Wunsch,
ganz abgesehen davon, dass fast kein Patient sich gleich bei
der ersten Kolik den Bauch aufschneiden lässt.
Wenn ich Riedels Vorschlag der sofortigen Operation
bei akuter Cholecystitis nur auf die schwereren Fälle beschränkt
wissen möchte, so soll man daraus nicht den Schluss ziehen.
— 123 —
ich wäre der Ansicht, dass heutzutage vielleicht zu viel bei
akuter Cholecystitis operiert werde. Gerade das Gegenteil ist
der Fall, und ich habe oft in dieser Hinsicht selbst mit be-
freundeten Kollegen recht lebhafte Diskussionen gehabt: Ich
stimmte für die Operation, und die anderen wollten nichts von
derselben wissen. Auch bei akuter, serös-eitriger Cholecystitis
wird wie bei allen anderen Formen der Cholelithiasis viel zu
selten vom Messer des Chirurgen Gebrauch gemacht. Das ist
aber ebenso unrichtig, als wenn in jedem Falle operiert
würde. Denn fast möchte ich glauben, dass man durch ein unter-
schiedloses Operieren sämtlicher Fälle von Cholecystitis mehr
schaden wird, als wenn man sich nur die operationsbedürftigen
aussucht. Auch wenn man wie Riedel ein erfahrener Gallen-
steinoperateur ist und über alle Einrichtungen einer modernen
Klinik verfügt, halte ich das unterschiedslose Operieren aller
Cholecystitisfälle noch lange nicht für gerechtfertigt. Ich habe
doch nun auch genug Erfahrung in der Gallensteinchirurgie
bekommen und die Mortalität auf die niedrigste Stufe gebracht;
ich verfüge auch über ein Operationszimmer „mit Oberlicht"
und kann mich trotzdem nicht zu einer prophylaktischen Ope-
ration im Sinne Riedels entschliessen, aus Gründen, die ich
bereits oben angeführt habe und weiter unten noch ausführlicher
erörtern werde. Ich mache vielmehr bei der akuten und — da-
mit ich auch die chronische Cholecystitis und Cholangitis gleich
erledige — bei den chronischen Formen der Cholelithiasis
meine Indikationsstellung abhängig von dem Grade der Entzün-
dung, von ihrer Daner und Häufigkeit, vom Standort der Steine
(Cysticus und Choledochus), von der Intensität und Art des
Ikterus, von dem Geschlecht und der Konstitution des Patienten,
von seinem Beruf, vom Untersuchungsbefund und von dem bis-
herigen Verlauf der Krankheit (Fieber, Abmagerung, Erbrechen,
Schmerzen, Morphiumgebrauch) und von vielen anderen Mo-
menten. Meine Indikationsstellung ist, das gebe ich zu, ziem-
lich schwer zu erlernen, denn sie setzt voraus, dass der Arzt
spezielle Diagnosen der einzelnen Formen der Cholelithiasis
stellen kann. Riedels Indikationsstellung hat den Vorzug,
dass sie sehr einfach ist. Befolgt sie der Kranke, so braucht
er gar nicht erst zum innern Arzt zu gehen, er kann gleich den
Chirurgen aufsuchen. Und der Chirurg braucht sich den Kopf
auch nicht lange zu zerbrechen, er operiert, sobald eine Attacke
— 124 —
von Cholecystitis dagewesen ist und nicht gerade Ikterus und
Abgang kleiner Steine beobachtet wurde. Und auch die Stu-
denten haben es gut, wenn sie eine solche einfache Indi-
kationsstellung gelehrt w ird, sie brauchen nicht viel zu lernen.
Werden sie im Examen gefragt, wann bei Gallensteinen zu ope-
rieren ist, so antworten sie : Immer, sobald eine Attacke von
Cholecystitis da war; nicht „wenn unter Ikterus kleine Steine
abgegangen waren und Ruhe eingetreten ist, oder wenn ein
grosser Stein per vias naturales abgegangen war, Patient sich
dennoch nicht frei von Beschwerden fühlt".*)-
Obgleich mit der Besprechung der Ried eischen Indika-
tionsstellung bei Cholecystitis die Frage der prophylaktisciien
Operation so gut wie erledigt ist, muss ich doch über dieselbe
noch einige Bemerkungen hinzufügen. Riedel stellt, wie wir
schon oben sahen, die Forderung auf, man solle die Steine aus
der Gallenblase entfernen, ehe sie in die tiefen Gänge geraten ;
er gründet diese Forderung auf die Harmlosigkeit der Gallen-
blasen- und Cysticussteine, ihre ungefährliche Entfernung einer-
seits und auf die Gefahren des chronischen Choledochusver-
schlusses und der grösseren technischen Schwierigkeit und
höheren Sterblichkeit der Choledochotomie andererseits.
Gewiss ist der Aufenthalt der Steine im Choledochus mit
grossen Gefahren verbunden, mit Gefahren, die auch die Opera-
tion nicht immer beseitigen kann. Ich erinnere nur an die
Cholangitis diffusa, die Thrombophlebitis purulenta, den Leber-
abszess und die Pankreatitis. Diese Gefahren können bei jedem
Menschen eintreten, der Galleusteine in seiner Blase beher-
bergt, denn bei jedem können die Steine in den Choledochus
gelangen und sich dort dauernd niederlassen. Man müsste also,
wie dies ja auch Riedel will, jeden Gallensteinkranken ope-
rieren, man operiert dann auch solche, bei denen es nicht zum
chronischen Choledochusverschluss gekommen wäre (nach Rie-
del 82 Proz.). Dagegen wäre ja nun nicht viel einzuwenden,
wenn die Cystostomie resp. Cystektomie eine völlig ungefähr-
liche Operation wäre. Dass sie dies nicht ist, habe ich be-
reits oben auseinandergesetzt. Wenn ich aber 2 — 3 Proz.
Mortalität habe, finde ich nicht den Mut, eine prophylaktische
Operation zu empfehlen. Denn die 3, die vom Hundert ster-
*) Die Begründung dieser Contraindikation Riedels ist auf
p. 100 seines Buches nachzulesen.
— 125 —
ben, hätten vielleicht niemals einen Choledochusverschluss be-
kommen. ^Aber dafür schützt man die übrigen 97 vor wei-
teren Gefahren", höre ich Riedel einwenden. Das gebe ich
zwar zu, wenn ich auch auf die nachträglichen Störungen durch
Adhäsions- und Hernienbildung als nicht zu leugnende unange-
nehme Beigaben unserer Laparotomien hinweisen muss, und
ich würde gewiss für die Frühoperation Riedels stimmen,
wenn es nicht Mittel und Wege gäbe, die Gefahren des Chole-
dochusverschlusses ganz erheblich zu mildern. Ein solches
Mittel ist in der Tat vorhanden und dieses heisst: Rechtzeitige
operative Beseitigung des chronischen Choledochusverschlusses.
Sobald der Stein in den Choledochus gelangt ist, — und wir
können das fast in jedem Fall auf den Tag bestimmen ! —
dürfen wir den Patienten nicht aus dem Auge lassen, sondern
müssen ihn auf die ernsten Gefahren hinweisen, in die er sich
begibt, wenn er nicht zur richtigen Zeit sich den Stein heraus-
schneiden lässt. Die Gefahren des Choledochusverschlusses
sind wesentlich durch das lange Abwarten bedingt, es ist doch
sehr selten, dass einmal ein akuter Verschluss zum Tode führt.
Wartet der Chirurg nicht allzulange mit der Operation (mehr
als 3 Monate sollten, vom . Eintritt der ersten Erscheinungen
gerechnet, nicht vergehen, oft ist sogar noch früher eine Ope-
ration notwendig!), so ist diese, vorausgesetzt, dass man Hepa-
ticusdrainage ausführt und tamponiert, nicht gefährlicher als
3 Proz., also ebenso ungefährlich wie die Ectomie, die Ope-
ration, die Riedel zur Verhütung des Choledochusverschlusses
bei dem ersten Anfall akuter Cholecystitis empfiehlt. Dabei
hat sie den Vorzug, dass ihre Dauerresultate besser sind wie
die nach einfacher Ectomie und Cystostomie, bei denen man
leicht Steine im Choledochus übersieht. Ob Riedel bei ein-
facher Cystostomie oder Ectomie bessere Resultate hat wie
ich, weiss ich nicht, da er in dieser Beziehung in seinem Buche
keine näheren Angaben macht. Ich kann mir es aber kaum
denken; denn jede Laparotomie ^— selbst die Probeinzision —
hat gewisse Gefahren, die wir auch dann nicht ganz aus der
Welt schaffen, wenn wir ein völlig ungefährliches Narkotikum
entdeckt haben werden. Wenn ich die Erfolge meiner letzten
100 Gallensteinlaparotomien betrachte, so möchte ich beinahe
sagen: Mir ist es jetzt fast lieber, wenn ein Mensch kommt
mit chronischem Choledochusverschluss, der noch nicht allzu-
— 126 —
lange besteht, als mit akuter Cholecystitis. Die Gallenblasen-
und Cysticussteine machen mir oft mehr Sorgen und Arbeit
wie die Choledochussteine, und die Mortalität war unter den
letzten 110 Gallensteinoperationen bei meinen Hepaticusdrai-
nagen inkl. Ektomie nicht grösser wie nach einfachen Cysto-
stomien und Ectomien, im Gegenteil, sie war sogar geringer.
Das mag allerdings nur ein Zufall sein. Jedenfalls haben mich
meine Erfolge derartig ermutigt, dass ich den Übertritt von Steinen
in den Choledochus für kein grosses Unglück mehr halte. Das
Unglück beginnt erst dann, wenn die Krankheit nicht richtig
erkannt und falsch behandelt wird. Dann ist die Operation mit
erheblichen Gefahren verbunden. Wir müssen also alle Hebel
in Bewegung setzen, besonders beim chronischen Choledochus-
verschluss durch Stein, Aerzte und Kranke von der Notwen-
digkeit der operativen Behandlung zu überzeugen, und dürfen
nicht nachlassen, gerade bei der Choledocholithiasis auf die
Zwecklosigkeit und Gefährlichkeit lang fortgesetzter innerer
Kuren, auch der Karlsbader Kur, hinzuweisen. Die Frühope-
ration beim chronischen Choledochusverschluss, nicht die Früh-
operation der Gallenblasensteine durchzusetzen, sei unser aller
Bestreben. Von der Notwendigkeit der Frühoperation bei Gal-
lenblasensteinen lässt sich trotz der besten „Gallenrede" und
trotz der Demonstration der grössten Steine selten ein Patient
überzeugen, während die Dringlichkeit der Entfernung der
Choledochussteine man Jedem klar machen kann. Dafür kann
ich unzählige Beweise aus meiner Praxis beibringen. Der Stein
im Choledochus kommt, wie ja Ei edel selbst zugibt, selten zur
Ruhe, während die Latenz der Gallenblasensteine, man kann
sagen, fast die Kegel bildet. Ikterus, Fieber und Körperge-
wichtsabnahme sind aber so regelmässig wiederkehrende und
auch für den Patienten so auffällige Erscheinungen des Chole-
dochusverschlusses, dass der Arzt mit dem Vorschlag der
Operation selten abgewiesen wird, während der Patient mit
Oallenblasensteinen sich deshalb so schwer zur Operation ent-
schliesst, weil immer wieder Zeiten kommen, in denen er sich
völlig wohl fühlt, was beim chronischen Choledochusverschluss
weit seltener beobachtet wird. Riedel wird mir in dieser Be-
ziehung völlig Recht geben, und ich freue mich, feststellen zu
können, dass ich mit ihm in der Indikation zur Operation beim
chronischen Choledochusverschluss ganz und gar übereinstimme."
— 127 —
Ehe ich meine Ansichten über die innere Behandlung der
Cholelithiasis klarlege, will ich mit einigen Worten auf einen
Punkt eingehen, der mir nicht ganz unwichtig erscheint. Es
handelt sich um die Frage: Wie soll sich der Operateur ver-
halten, der bei einer aus anderen Gründen vorgenommenen Laparo-
tomie auf Gallensteine als zufälligen Befund stösst : soll er
die Steine entfernen oder nicht? Diese Frage ist nicht ganz
leicht zu beantworten. Wer langsam operiert, keine Erfahrung
in der Gallensteinchirurgie besitzt, lässt am besten die Gallen-
steine an Ort und Stelle und unberührt. War die ursprüngliche
Operation sehr eingreifend, hatte man es mit einer Eiterung
zu tun, so verbietet es sich ganz von selbst, dass man zu
einer Gallensteinoperation übergeht. Man denke immer daran,
dass latente Steine weder eine innere noch eine operative
Behandlung erheischen, und nur ein Chirurg, der weiss, dass es
ihm gelingen wird, das Gallensteinnest gründlich auszunehmen,
und der die Technik dieser Operation beherrscht, sollte solche
Nebenoperationen vornehmen. Viel hängt auch davon ab, ob
der Bauchwandschnitt den Zugang zur Gallenblase gestattet
oder ob eine besondere Incision nötig ist. Wenn z. B. ein
Gynäkologe einen rechtsseitigen Ovarialtumor in wenigen Mi-
nuten entfernen kann und dabei die Appendix coeci krank fin-
det, oder wenn dieses Organ gerade in den Schnitt sich ein-
stellt, so würde ich nichts dagegen einwenden, wenn der Ope-
teur zugleich das nichtswürdige Anhängsel entfernt. Fasst
er weiter nach oben die vergrösserte mit Steinen angefüllte
Gallenblase und braucht er den Bauch wandschnitt nur ein wenig
zu erweitern, so mag er eine Cystostomie machen, zu einer
Ectomie wäre schon ein weit nach oben gehender Bauchschnitt
notwendig, und man sollte sich in einem solchen Fall doch sehr
überlegen, ob man zur Gallenblasenexcision übergeht oder diese
besser unterlässt. Die Operation ist für den, der im Jahre
hundert macht, leicht; für den Gynäkologen, und wenn er hun-
dert Myomotomien im Jahre ausführt event. schwer. Alles ist
Übungssache! Ich würde also bei Steinen in der Gallenblase
resp. Cysticus, die als Nebenbefund bei einer sonstigen Laparo-
tomie angetroffen werden, die Cystostomie gestatten, wenn
die primäre Operation rasch und aseptisch verlief, kein beson-
derer Bauchdeckenschnitt nötig ist, und der Operateur über
die genügende Technik in der Gallensteinchirurgie verfügt. Jeden-
- 128 —
falls ist es recht verfehlt, eine Gallensteinoperation z. B. einer
Ovariotomie gegenüber als das Untergeordnete hinzustellen.
Einen gestielten Ovarialtumor zu entfernen ist sicher leichter,
als eine eröffnete Gallenblase regelrecht an das Peritoneum
parietale anzunähen und die Operation so auszuführen, dass die
gefürchteten Folgezustände — Gallen- und Schleimfistel — fort-
bleiben. Eine Patientin, die nie von ihren Steinen etwas fühlte
und dafür eine Schleim- oder Gallenfistel bekommt, würde den\
Operateur wenig Dank wissen, wenn er so „freundlich" war,
bei Gelegenheit einer Ovariotomie zugleich die zufällig gefun-
denen Gallensteine zu entfernen resp. eine permanente Schleim-
oder Gallenfistel zu etablieren. —
Ich habe im Obigen die Indikationen zur Operation bei der
Cholelithiasis in grossen Umrissen besprochen und dabei in den
„Thesen" auch die Indikationen zur inneren Behandlung ge-
streift. Es sei mir gestattet, etwas ausführlicher auf diesen Punkt
einzugehen. Ich glaube mich zu einem Urteil über die Art und
Weise, wie innere Kuren und Medikamente bei der Cholelithiasis
nützen und helfen können, berechtigt, da ich auf Grund meiner
Studien der pathologischen Anatomie am Lebenden genügend Er-
fahrungen über diese Frage sammeln konnte. Wenn man nahezu
1000 Mal die Bauchhöhle wegen Gallensteinleidens eröffnet und
sich genau umgeschaut hat, wie es an und in den Gallengängen aus-
sieht, so lernt man vor allen Dingen die pathol. Anatomie und wird
sich immer wieder in jedem Falle die Frage vorlegen, wie eine
innere Kur die pathologischen Veränderungen hätte beeinflussen
resp. beseitigen können. Ich habe weder die Absicht, für die
chirurgische Behandlung der Cholelithiasis Reklame zu machen,
noch auch im besonderen für meine Klinik Freunde und Patienten
zu werben, aber meiner Überzeugung muss ich doch Aus-
druck geben und sagen : Eine Heilung im Sinne der völligen
Steinentfernung gelingt der Natur nur selten, sie bleibt dem
Messer des Chirurgen vorbehalten ; denn ich habe trotz
Glaser, Clemm, Schürmayer u. a. die Überzeugung, dass
wir bisher kein Mittel besitzen, welches dem Magen oder dem
Rectum oder der ßlutbahn einverleibt die Steine auflöst. Alle
unsere Bestrebungen auf medizinischem Gebiete waren bisher nach
dieser Richtung hin erfolglos. Auch glaube ich sehr wenig an
die gallentreibende Wirkung gewisser Medikamente. Bestände
eine solche Wirkung, so könnte dieselbe nur bei kleinen Steinen
— 129 —
5m Choledochus Erfolg haben, bei grossen würde sie versagen.
Steine aus der Gallenblase in den Choledochus abtreiben zu
AvoUen, müsste ich als „Unfug" bezeichnen, man macht aus
«inera lokalen, ungefährlichen Leiden ein allgemeines, gefähr-
liches. Wir können nach meiner Auffassung — und diese be-
ruht auf Erfahrungen, die ich bei meinen Autopsien in vivo ge-
wonnen habe — nur eins durch medikamentöse Kuren erreichen :
-die Beseitiguiig der Entzündung und der Infektion im Gallen-
ssystera.
Wenn es gelingt, die Entzündung zu beseitigen, dann führen
wir die Cholelithiasis in das Stadium der Latenz zurück, in
dem sich tausende und abertausende von Menschen mit Gallen-
steinen befinden. Deshalb ist auch die leichte akute Cholecystitis,
4ie zur Latenz neigt, nicht Behandlungsobjekt des Chirurgen,
«ondern des inneren Arztes. Wir heilen aber die Krankheit
nicht, sondern entfernen nur das wichtigste Symptom: die
Entzündung.
Wir erreichen das auf verschiedene Weise:
1. Die meisten Entzündungen in der Bauchhöhle gehen
unter Ruhe zurück. Ein Patient mit akuter Cholecystitis ge-
hört ins Bett ; durch heisse oder kalte Umschläge (das ist ziem-
lich gleich) wird die Entzündung günstig beeinflusst und unter
Einhaltung einer strengen Diät der entzündliche Prozess zur
Ruhe gebracht. Es ist also nicht richtig, wenn Patienten mit
■Gallenblasenentzündungen viel laufen, wie das in Karlsbad Mode
ist. Auch der Schmerz bei chronischer Entzündung ist schliesslich
weiter nichts als ein akutes Aufflackern einer chronischen Ent-
zündung, und deshalb ist auch bei diesen alten Formen Ruhe
von grossem Vorteil. Solche Patienten jage man nicht morgens
6 Uhr aus dem Bett, damit sie Sprudel trinken, sondern lasse
ihnen das Wasser an das Bett bringen und sorge in jeder Be-
ziehung für Ruhe und Schonung.
2. Durch den Gebrauch der Karlsbader Thermen wirken wir
günstig auf die Zirkulationsverliältnisse des Magens, Darms und
<ler Leber ein, aber ich glaube nicht, dass die Thermen chola-
:gog wirken. Durch ihren Einfluss auf die Schleimhaut des
Darms bessern sie die Zirkulation im Pfortadersystem, wirken ent-
lastend und schliesslich entzündungswidrig. Die eigentliche Wirk-
ung Karlsbads ist uns unbekannt; dass es das Gallensteinleiden
günstig beeinflusst, scheint erwiesen. Aber man soll dabei nicht
Kehr, Technik dor Gallensteinoperationen. I. 9
— 130 —
vergessen, dass die Cholelithiasis überhaupt eine grosse Tendenz;
zur Latenz (in ca. 70 °/o) zeigt. Am besten erreicht man diese-
allerdings bei Gelegenheit einer Kur in einem Kurort, wo der
Kranke kurgemäss leben kann und den gewöhnlichen Sorgen
des Hauses und Berufs entzogen ist,
3. Die Beseitigung der entzündlichen Prozesse in der Gallen-
blase und in den Gängen durch Präparate von Salicylsäure
zu erreichen, habe ich oft versucht. Mein Urteil soll nach-
dieser Eichtung nicht massgebend sein, doch kann ich mir eine^
Desinfektion der Gallengänge auf dem Wege der Blutbahu
schwer vorstellen. Dass ich beim akuten Choledochusverschluss
Morphium event. mit Atropin gebe, versteht sich von selbst.
Die Arzneibehandlung der Cholelithiasis halte ich gegenüber
den anderen Massnahmen (Kuhekur, Thermophor) nicht für etwas
Nebensächliches, doch sollten wir Ärzte nicht, wie der Laie
das gewöhnlich tut, das Hauptgewicht auf die Arznei legen.
Diät, Regelung der Verdauung sind wichtigere Faktoren als
alles Pillenschlucken.
Sehr zur richtigen Zeit hat Professor Klemperer sein&
Meinung über neue Mittel gegen die Gallensteinkrankheit in
der Therapie der Gegenwart 1904, Nr. 9 geäussert.
Die Arbeit erschien, als gerade dieses Kapitel meines
Buches unter Druck war, und ich freue mich, in KJemperer
einen Kollegen gefunden zu haben, der völlig meine Ansichten
vertritt. Klemperer sagt Folgendes:
„Bekanntlich sind alle Mittel und Methoden, die wir gegen
die Gallensteinkrankheit anwenden, von sehr unsicherem Erfolge.
Wir vermögen zwar mit einiger Sicherheit Patienten, die ihre
Gallensteine gänzlich losgeworden sind, vor Rezidiven zu be-
wahren, indem wir ihnen durch rüstigen und frugalen Lebens-
wandel, durch Enthaltsamkeit und Bewegung einen gesunden
Zustand der Magendarmschleimhaut und eine normale Schnellig-
keit der Blut- und Gallenströmung verschaffen. Aber wir sind
niemals in der Lage, jemand zu versprechen, dass er durch
unsere Hilfe einen oder mehrere Gallensteine los werden wird.
Oft genug wird dies durch Karlsbader Kuren, oft auch ohne
Karlsbad durch vieles Wassertrinken und viele Bewegung
erreicht , oft scheint Ölschlucken oder Olklystier, oft auch ein
Medikament (Podophyllin, Jodkalium, gallensaures oder ölsaures
Natron) wirksam, — aber jedem sind Fälle von Gallensteinkolik
- 131 —
bekannt, die aller innern Therapie zum Trotz sich wiederholen
und schliesslich doch nur operativ geheilt werden können. Sehr
treffend nennt E wald in einer eben erschienenen Abhandlung*)
die innere Behandlung der Gallensteinkoliken eine „Lotterie",
in welche die Patienten einsetzen. Bei dieser Lage der Dinge
ist die Geneigtheit der Ärzte verständlich, neu empfohlene
Mittel gegen Gallensteinkolik in Anwendung zu hingen ; aber
diese Geneigtheit sollte stets in der notwendigen Kritik ihre
Grenze finden. Vor einiger Zeit hat ein schweizerischer Arzt
Dr. Glaser eine Komposition verschiedener Substanzen unter
dem klangvollen Namen „Chologen" gegen Gallenstein empfohlen.
Es sind mir nun nicht weniger als fünf Manuskripte zugegangen,
in welchen dies Mittel zur Anwendung empfohlen wird und
zwar auf Grund von Erfolgen, die in je 3 — 8 Fällen erzielt
worden sind. Ich denke aber der Zustimmung meiner Leser
sicher zu sein, wenn ich auf den Abdruck dieser Arbeiten ver-
zichte und statt dessen einige Worte über das neue Mittel sage,
dessen Einführung und Lancierung durchaus zu verurteilen ist.
Nach der Angabe des Erfinders besteht das Chologen aus
Kalomel, Podophyllin, Melisse, Kampher und Kümmel. Nun ist
Kalomel namentlich von englischen Ärzten, später auch von dem
russischen Kliniker Sacharjin gegen Gallensteine empfohlen
worden, aber schliesslich haben häufige Misserfolge von der
weiteren Anwendung abgehalten. Auch Podophyllin hat um
seiner gallentreibendeu Wirksamkeit willen bereits eine kurze
Blütezeit als Gallensteinrnittel hinter sich. Schliesslich mag
jeder Kollege, der auf Kalomel oder Podophyllin baut, diese
Mittel in unschädlichen Gaben verschreiben; die Erfolge werden
nicht besser und nicht schlechter sein, als bei andern innern
Medikationen gegen Gallenstein. Man braucht doch nur daran
zu denken, dass 70—80 "/o aller Gallensteinkoliken bei magen-
schonender Diät und reichlichem Trinken auch ohne Medikament
heilen, um die nötige Kritik sich zu wahren. Aber mit welchem
Recht wird eine Zusammenstellung der beiden Substanzen mit
einem Namen bezeichnet, der unwillkürlich die Vorstellung einer
besonderen Wirksamkeit erweckt ? Wenn sich die Gewohnheit
einbürgern sollte, beliebige Medikamente zweifelhafter Wirksam-
keit in neuen Zusammenstellungen unter lockenden Etiketten
*) Erkrankungen der Gallenblase und Gallengänge in Karewski'a
,Moderne ärztliche Bibliothek" H. 9.
9*
— 132 —
geg'en bestimmte Krankheiten anzupreisen, so wäre der Kur-
pfuscherei und dem Geheimmittelschwindel Tür und Tor ge-
öffnet. Es scheint mir, als ob ein Arzt, der „Chologen" gegen
Gallenstein verordnet, sich zum Mitschuldigen eines sonst ge-
wiss perhorreszierten Verfahrens machte. Ich zweifle natürlich
nicht an der bona fides der Herren Einsender, die ihre Cho-
logenerfolge rühmen, aber ich glaube, dass sie nun selbst bereit
sein werden, lieber Kalomel und Podophyllin an Stelle der
„Patentmedizin" zu verschreiben. Ich habe übrigens im Lauf
des letzten Jahres schon fünf Gallensteinkranke gesehen, die
die Chologenkur genau nach den Vorschriften des wunderbaren
Prospektes ohne jeden anderen Erfolg als den sehr starker
Diarrhöen angewendet hatten.
Ein zweites Mittel ist das von Dr. Clemm in Darmstadt
zusammengesetzte Cholelysin. Es besteht aus 10 — 15 gr.
Eunatrol, 30 Tropfen Ananasessenz, 5 Validol, 10 Tinct.
Valeriana auf 200 aq. Menth, pip. Alles, was sich gegen die
Verordnung von Chologen sagen lässt, spricht auch gegen die
Anwendung des durch nichts gerechtfertigten Locknamens Chole-
lysin. Eunatrol ist der Fabrikname für ölsaures Natron ; von
diesem ist festgestellt, dass es gallentreibend wirkt. So er-
klären wir die nicht selten zu beobachtende Wirkung der Öl-
kur, bei der ein Teil des Öls als ölsaures Alkali resorbiert
wird. Es ist nun weiter nachgewiesen , dass Cholesterin sich
in gesättigten Seifenlösungen zu lösen vermag. Aber darf man
annehmen, dass nennenswerte Mengen des Ölsäuren Natrons als
solches in die Galle gelangen ? Und wie steht es mit der
Wirkung bei den viel häufigeren Bilirubinsteinen? Wenn man
auf die auflösende Wirkung rechnet, so mag man nur ruhig zu
dem alten Durand e'schen Mittel zurückkehren, welches aus
Äther und Terpentin besteht, da in diesen Substanzen sowohl
Bilirubin wie Cholesterin löslich ist. Man sollte doch glauben,
dass ein moderner Arzt so kindlichen Vorstellungen nicht mehr
zugänglich ist. Übrigens ist Eunatrol schon vor fünf Jahren
von Gerhardt in dieser Zeitschrift als Ersatz der Ölkuren
gegen Gallenstein empfohlen worden ; ich habe es seither oft
nehmen lassen, aber ich habe neben manchem Erfolge auch
mehrere Misserfolge gesehen. Auch Ewald berichtet, dass er
nach dem Gebrauch von Eunatrolpillen bei gleichzeitig kräftiger
und fettreicher Diät oft wiederholte Gallensteinkoliken völlig
— 133 —
und dauernd hat schwinden sehen, dass ihm aber auch bei
dieser Behandlungsmethode Fehlschläge nicht ausgeblieben sind.
Nach dem Gesagten sind auch die Kuren zu beurteilen,
die neuerdings in sogenannten „Gallenstein -Sanatorien" vor-
genommen werden. Was daran gut ist, kann jeder Arzt bequem
bei seinen Patienten durchführen, wenn sie nur einigermassen
willig und verständig sind. Was aber an „neuen" und „in-
dividualisierenden" Methoden in manchen^ Sanatorien zur An-
wendung gebracht wird, ist so wenig wissenschaftlich zu be-
gründen und praktisch so wertlos, dass wir unsere Patienten
vor dem Besuch derselben nur warnen können." —
Klemperer hat besonders die Wirkungsweise der ,, Arznei-
mittel" besprochen; über die Karlsbader Kur möchte ich noch
eine kurze Bemerkung einschalten. Man begegnet über die
Wirkung Karlsbader Kuren den verschiedensten Ansichten,
von denen einige geradezu naiv -kindlicher Natur sind. Da
soll der Sprudel die Galle dünnflüssiger machen und die Steine
im Cysticus lockern ; einmal soll er beruhigend, das andere mal
cholagog wirken, und selbst die Ansicht wird noch vertreten,
dass er die Steine löst. Eine Entzündung beseitigende Kraft
hat der Sprudel vielleicht,, vom Auflösen der Steine kann keine
ßede sein. Bekommt ein Gallensteinkranker, der zur Kur
nach Karlsbad geht, dort Ikterus und Koliken, so schiebt man
das auf die Kur und sagt: Seht, wie das Wasser wirkt 1 und
hören die Koliken auf, so ist auch daran die Kur schuld. Ich
bin ein grosser Verehrer von Karlsbad, aber nur für eine be-
schränkte Anzahl und für bestimmte Formen der Gallenstein-
krankheit. Es für alle Fälle zu empfehlen ist ebenso falsch,
als wenn man in allen Fällen operieren wollte.
Ich habe in den letzten Jahren von den Gallensteinkranken,
die mich aufsuchten, meist in der Absicht sich operieren zu
lassen, kaum die Hälfte operiert*) und manchen Kranken zurück-
gestellt, bei dem der Arzt eine dringende Operation für nötig
hielt. Ich glaube am besten durch Beispiele zeigen zu können,
wann ich nicht operiere, und führe deshalb hier einige Kran-
kengeschichten an ; natürlich kann ich nicht alle meine Contra-
indikationen herzählen. Ich operiere vor allen Dingen nicht
während des akuten Choledochusverschlusses, wenn er nor-
*) Von 300 Gallensteinkranken, die im Jahre 1903 meine Klinik
aufsuchten, habe ich 137 operiert, also noch nicht die Hälfte!
- 134 —
mal d. h. ohne hohes Fieber und ohne grosse Beeinträchtigung
des Allgemeinbefindens verläuft.
Dafür einige Beispiele!
M. B., 33 j. Ladenmeistersfrau aus Halberstadt.
Anamnese: September 1900 hatte Pat. 3 Tage lang Gallenstein-
koliken mit Ikterus und Erbrechen, im Stuhlgang wurden Steine ge-
funden. Danach war sie gesund bis jetzt.
Am 20. Juli 1908 hatte sie, nachdem einige Tage Appetitlosig-
keit und Druck im Epigastrium vorangegangen waren, eine heftige
Kolik, Schmerzen, die von beiden Seiten zum Rücken herumzogen,
Druckgefühl in der Magengrube und Beängstigung, Übelkeit, wenig
Erbrechen, Hitze und Schweiss. Der Anfall dauerte etwa 3 Stunden.
Am 27. 7. und 3. 8. 03 traten noch einmal heftige Anfälle auf, derent-
wegen Pat. Morphium bekam, in der Zwischenzeit hatte sie bisweilen
leichte Schmerzen, aber keine ausgesprochenen Koliken. Einige Tage
nach dem ersten Anfall wurde sie etwas gelb, die Färbung erneuerte
sich nach den weiteren Koliken. Der Stuhlgang ist hart, aber angeb-
lich normal gefärbt, der Urin dunkel. Herr Dr. Max Müller-Halber-
stadt schickt die Pat. zur Klinik.
Befund: Ausgesprochener Ikterus, besonders der Konjunktiven.
Im Urin Gallenfarbstotf, sonst keine pathol. Bestandteile. Gallenblasen-
gegend sehr druckempfindlich, resistent, Gallenblase undeutlich als
Tumor durchzufühlen. Stuhl ganz grau.
7. 8. 03. Ikterus bedeutend geringer, im Stuhl ist bisher nichts
gefunden worden. Schmerzen und Druckempfindlickheit der Gallen-
blasengegeiid sind geschwunden, der Tumor ist nicht mehr tastbar.
Stuhl etwas gefärbt.
9. 8. 03. Im Stuhl ist gestern Abend ein fast haselnussgrosser
Stein gefunden worden. Pat. hat, da sie völlig beschwerdefrei ist und
der Ikterus schwindet, keine Lust mehr zur Operation. Wir hatten
auch keinen Grund, zu derselben zu raten.
Der Stein ist weiss, stark fazettiert, so dass man mit Sicherheit
auf die Wiederkehr der Koliken rechnen kann.
Ein typischer Fall von regulärer Cholelithiasis, wie Naunyn
dieses Krankheitsbild nennt. Unter solchen Verhältnissen liegt eine
Indikation zur Operation nicht vor. Pat. hat nach unseren Angaben
zu Hause eine Ruhekur durchgemacht und fühlt sich seitdem völ-
lig wohl.
W. A., 41 j. Hauptlehrer aus Langenstein.
Anamnese: Vor 7 Jahren bekam Pat. plötzlich einen Anfall
von krampfartigen Schmerzen, die von der Magengrube aus beider-
seits nach dem Rücken hin ausstrahlten und eine Nacht lang anhielten
Nachher fühlte sich Pat. wieder völlig wohl. Seit 4—5 Jahren bekam
er dann einhalb- bis dreivierteljährlich immer wieder die gleichen,
bald vorübergehenden und keine Folgen hinterlassenden Anfälle; der
längste vor einem halben Jahre dauerte 20 Stunden.
— 135 —
Vor 8 Wochen stellte sich wiederum ein solcher, diesmal sehr
lieftiger Anfall, der ca. einen Tag dauerte, ein; es trat zugleich allge-
meine Gelbsucht auf, die 5—6 Tage anhielt, dabei war der Stuhl
-völlig grau, der Urin braun mit gelblichem Schaum. Herr Dr. König-
Derenburg sandte den Fat. uns zu.
Es wurde zunächst eine Operation widerraten, Karlsbader Wasser
«nd morgens und abends 1 Stunde Thermophorauflegung verordnet.
Fat. befand sich stellenweise besser, doch fühlt er sich seit dem
Anfall vor 8 Wochen nicht mehr wohl, hat eigentlich dauernd leichte
■dumpfe Schmerzen, die von der Magengrube beiderseits nach dem Rücken
•hin ausstrahlen. Zugleich hat er keinen Appetit, fürchtet sich vor dem
Essen, nach welchem meist Übelkeit und stärkere Schmerzen auftreten.
In den 8 Wochen haben sich häufigere, aber nur leichte, ^J2—l
Stunde dauernde eigentliche Kolikanfälle eingestellt. Erbrechen und
Fieber hat angeblich nie bestanden. Es besteht Neigung zur Ver-
-stopfung. Steine im Stuhl wurden nicht gefunden.
Da Fat. dauernde Beschwerden hat, nicht ordentlich essen kann
und seines Lebens nicht froh wird, sucht er uns wieder auf.
Befund: Leichter gelblicher Schimmer der Konjunktiven. Leib
<^twas gespannt. In der Lebergegend undeutliche Resistenz, jedoch
keine typische Druckempfindlichkeit. Kein Tumor der Gallenblase
fühlbar. Im Urin kein Gallenfarbstofl.
Verlauf: 6. 3. 03. Nach dem Essen Magendrücken und Übel-
keit. Abends beim Magenspülen Erbrechen reichlicher Speisereste, da-
nach Erleichterung. Magen sehr weit, Nahrung wird jedoch ziemlich
gut verdaut. Morgens und abends Magenspülung und abends 1 Stunde
Thermophor. Stuhl ziemlich grau.
7. 3. 03. Morgens Magenspülung. Befinden heute, auch nach
-dem Mittagessen, besser.
8. 3. 03. Gestern Abend beginnen leichte Kolikschmerzen im
Rücken und in der Gegend der Magengrube, die allmählich bis Mitter-
nacht sehr heftig werden, zugleich Hautjucken. Nach 0,01 Morphium
subkutan sofort Erleichterung, Kein Erbrechen. Heute früh Konjunk-
tiven leicht gelblich gefärbt. Hautjucken gering. Allgemeinbefinden
gut. Magenspülung. Frühstück gut verdaut.
9. 3. 03. Stuhl heute einmal, ziemlich grau. Kein Stein darin.
Nacht war gut. Heute Abend wieder etwas Rückenschmerzen, ÜbeU
keit und Aufstossen. Schmerzen allmählich heftiger bis zu leichter
Kolik ohne Erbrechen. Nach Morphiuminjektion Linderung.
10. 3. 03. Fat. fühlt sich heute wieder wohl, soll sich weiter
schonen, weiter Thermophor, Magenspülung, Karlsbader Wasser an-
^^enden, wird entlassen, soll sich aber wieder vorstellen.
Fat. ist zu Hause noch 14 Tage krank, dann plötzliches Wohl-
befinden, Ikterus nimmt rasch ab. Ein Stein wird trotz eifrigen
Suchens in den Faeces nicht gefunden. (Er ist entweder in den Chole-
dochus zurückgewichen oder abgegangen, event. im Darm zerfallen 1)
Seitdem (Anfang April) bis heute (Anfang August) völlig wohl —
ohne Chologen, Karlsbad oder sonstige Mittel.
— 136 —
L. 8., 39j» Lehrer aus Stettin.
Anamnese: Im Juli 1897 plötzlich Anfall von heftigen Kolik-
schmerzen in der Oberbauchgegend von 6 Stunden Dauer. Kein Er-
brechen, kein Fieber, keine Gelbsucht. In den folgenden Monaten ab-
und zu Druckgefühl in der Magengrubengegend. Dezember 1897 sehr
heftige, 12 Stunden dauernde Kolik, gleich der früheren. Dann völliges
Wohlbefinden. Mai 1898 leichte Kolik. Danach Karlsbader Kur.
Darauf völliges Wohlbefinden bis Ostern 1903 (im Jahre 1900 noch-
mals Kur in Karlsbad),
Ostern 1903 drei leichte Koliken, einige Wochen später nochmals^
einige leichte Koliken gleich den früheren.
Im Juni Kur in Karlsbad. Eine Woche nach der Karlsbader Kur
wiederum eine leichte Kolik, Diesmal Spur Gelbsucht, Urin dunkel,.
Stuhl verstopft, ziemlich grau. Kein Fieber oder Schüttelfrost, Da-
nach wieder Wohlbefinden. Am 16, August sehr heftige Kolik, be-
sonders auch mit Rückenschmerzen, weitere neue, meist 6—7 Stunden
dauernde Koliken am 17,, 19-, 20. und heute nach der Bahnfahrt. Da-
bei kein Fieber, kein Schüttelfrost, einmal Erbrechen. Seit dem 19.
August allgemeine Gelbsucht, die immer intensiver wurde. Stuhl
grau, starke Verstopfung. Urin dunkel. Appetit schlecht. Erhebliche
Abmagerung in der letzten Woche.
Pat. wurde in den Anfällen mit heissen Umschlägen, Morphium
(Tropfen und subkutan) und Karlsbader Wasser behandelt.
Bef un d : Starker Ikterus. Druckempfindlichkeit der Gallenblasen-
gegend und der Mittellinie. Im Urin viel Gallenfarbstoff.
Diagnose: Akuter Choledochusverschluss.
Verlauf: 24. 8. 03. Pat. führt ab. Sehr reichlich Stuhl. Dabei
geht ein etwa erbsengrosser Cholestearinstein in einzelnen Trümmern
ab, Ikterus ist deutlich geringer.
25. 8. 03. Abends 1—2 Stunden dauernde Kolik mit Schmerzen in^
der Gegend der Gallenblase. Morphiuminjektion. Danach Linderung,
Temp. normal.
27. 8. 03.. Pat. führt nochmals ab (Ol. Ricini). Sehr reichlich
Stuhl, darin ein etwa erbsengrosser Stein in einzelnen Trümmern.
Ikterus deutlich zurückgegangen. Stuhl noch grau. Urin heller.
29. 8. 03. Pat. ist ausser Bett, fühlt sich noch matt. Ikterus
wesentlich geringer. Hautjucken geringer, Stuhl etwas gefärbt,
1, 9, 03, Nur noch Spur Ikterus. Stuhl etwas gefärbt. Pat. fühlt
sich wohl. Da der akute Choledochusverschluss behoben ist, liegt eine».
Indikation zur Operation nicht vor. Pat. wird entlassen, mit der
Weisung, zu Hause den Thermophor aufzulegen und Karlsbader Wasser
zu trinken.
Pat. berichtet 6 Wochen später, dass ihm die vorgeschriebene Kur
ausgezeichnete Dienste geleistet habe, der Ikterus und die Schmerzen
völlig geschwunden seien.
— 137 —
L. F., 41 j. Tostinspektor aus Breslau.
Anamnese: Vater des Fat. hat in höherem Alter an Gallen-
steinen gelitten, eine Tante ist an einem akuten ^eberleiden gestorben.
Vor 10 Jahren hatte Fat. den ersten Kolikanfall mit Ikterus, von
etwa 3-stündiger Dauer. November 1893 wöchentlich ein Anfall,
jedesmal mit Ikterus und Dunkelfärbung des Urins; die Anfälle
waren typische Gallensteinkolikeu. Mai 1894 4-wöchentliche Kur in
Neuenahr ; daselbst ein Anfall, nach welchem 12—15 über erbsen-
grosse Steine im Stuhle gefunden wurden. Fat. will damals deut-
lich gefühlt haben, wie die Steine allmählich in den Zwölffinger-
darm rutschten. 6 Wochen nach der Kur in Neuenahr erneuter An-
fall, ebenso '/* Jahr später. Dann war Fat. frei, bis 1897 nach Genuss
von Filzen ein Anfall von Magenkrampf auftrat (anders wie die Gallen-
steinkoliken, ohne Ikterus); im Anschluss daran Erbrechen, worauf
der Magenkrampf aufhörte. Seitdem etwa alle 2 Jahre Magenkrampf,^
angeblich durch Bandwurm bedingt, welcher 1902 abgetrieben wurde.
Vor 3 Tagen nach grösserer körperlicher und seelischer Anstrengung
(schwere Erkrankung des Vaters) Schmerzen in der Magengrube; nach
dem Frühkaffee trat plötzlich starker Kolikanfall auf mit Brechreiz.
Fat. bekam vom Arzt, Herrn Dr. H ar t ma n n-Blankenburg, eine
Morphiuminjektion ; danach Erbrechen. Der Anfall dauerte etwa bis
Mittag, _ der Leib war schmerzhaft und etwas aufgetrieben. Der
Arzt Hess Einlaufe machen, doch kam kein Stuhl, vielmehr trat
nochmals Erbrechen auf, welches etwas fäculent roch. Da bis abends
kein , Stuhlgang kam. wollte . der Arzt den Fat, bereits nach
Halberstadt zur Operation wegen Darmverschluss überführen lassen,,
da erfolgte abends auf einen neuen Einlauf doch etwas Stuhl.
Nachts und am andern Morgen hatte Fat. dann noch je eine reich-
liche Stuhlentleerung. Am Tage des Anfalls bestand kein Fieber, am
andern Morgen war die Temp. 38,3°, und es bestand deutliche Gelb-
sucht; der Urin war dunkel gefärbt. Fat. hat in der Nacht nach
dem Anfall ganz gut geschlafen. Heute sucht er auf den Rat
des Herrn Dr. Hartmann unsere Klinik auf, um sich untersuchen
zu lassen.
Befund: Massiger Ikterus, gerioge Druokempfindlichkeit der
Gallenblasengegend. Urin enthält Gallenfarbstoff. Therapie : Morphium,.
Thermophor, Sprudel.
Wird am 31. 1. 1904 nach Breslau entlassen.
Fat. stellt sich nach 6 Wochen wieder vor und bringt mehrere
Steine mit, die ihm abgegangen sind. Er fühlt sich zur Zeit
völlig wohl.
In den Fällen von akutem Choledochusverschluss handelt
es sich pathologisch - anatomisch um eine mit Steinentleerung-
einhergehende Entzündung des x:!holedochus, der trübe Galle
enthält, häufig um gleichzeitige Entzündung des Pankreaskopfes.
Geht die Entzündung (durch Abführmittel, heisse Umschläge etc.)
— 138 —
zurück, so schwillt die Schleimhaut ab, der Stein kann dann,
wenn er nicht zu gross ist, auf natürlichem Wege abgehen.
Dass hierbei irgendwelche Arzneien (Olivenöl , Eunatrol etc.)
mithelfen können, wäre denkbar; aber zu oft wird der Stein-
abgang auf Medikamente zurückgeführt, bei deren Weglassung
dasselbe Ereignis eingetreten wäre. Ich glaube, dass auch
Bauerraeister auf seine Probilinpillen (Therap. Monatshefte
1904, Mai) allzu sanguinische Hoffnungen setzt. Wenigstens
seheich sehr oft Steinabgang — ohne irgendwelches Medikament!
Das post hoc, ergo propter hoc spielt doch in der Medizin immer
noch eine gewaltige Rolle!
Ganz genau wie beim akuten Choledochusverschluss sollen
wir uns bei jeder Cholecystitis, die ohne stärkere peritoneale
Reizung, ohne Fieber und Pulsbeschleunigung auftritt, zunächst
exspektativ verhalten. Fälle mit schwerem Allgemeinbefinden,
rapid wachsendem Tumor der Gallenblase, hohem Fieber, circum-
skripter Peritonitis sind gewiss Objekt des chirurgischen Ein-
greifens, aber die leichte seröse Cholecystitis, die „wie ein
Strohfeuer aufflackert und rasch erlischt", geht oft so rasch
vorüber, dass wirklich eine Operation zwecklos wäre. Der
Tumor der Gallenblase verspurlost sich, wie Naunyn sich
ausdrückt, und zwar trägt dazu eine tüchtige Dose Rizinusöl
das Meiste bei. Auch Riedel meint, dass eine Flasche Bitter-
wasser ausgezeichnet wirke. Diese Beobachtung kann ich nur
bestätigen. Auch in den folgenden Fällen hatte ich auf diese
Weise einen vollen Erfolg. Es handelte sich hier um akute
Exacerbation der chronischen Cholecystitis und wenn auch
niemand mit Bestimmtheit einen Dauererfolg versprechen
kann, so beweisen doch die Beobachtungen, dass man
akute Entzündungen mit einfachen Mitteln leicht rückgängig
machen kann.
A. H., 55j, Steinmetzmeister aus Nebra.
Anamnese: Herr Dr. H ä s e 1 e r-Nebra schreibt uns über den
Pat. folgendes:
„Pat. erkrankte plötzlich im Jahre 1897 Nachts mit Magen-
beschwerden, von einem Kollegen als Magenkrampf gedeutet.
1898 der gleiche Anfall, auch Nachts. Von demselben Kollegen
Cocain innerlich zur Schmerzlinderung. Diagnose nicht gestellt.
Wegen bald danach erneuter Beschwerden wird ein anderer Kollege
konsultiert, der aus massiger Gelbsucht auf „Leberkrankheit* ge-
— 139 —
schlössen haben soll. Verbot von fetten Speisen. Darauf völlige
Beseitigung der Beschwerden. 1900 erneute Attacke. Ein 3. Arzt
konsultiert: Leberleiden. Besserung. 1902 wurde ich zugezogen, dia-
gnostizierte Gallensteinleiden. Entsprechende Diät mit milder Karls-
bader Kur. Besserung, abgesehen von leichteren Anfällen, die ohne
Hilfe vorbeigingen. Dezember 1903 starke Gallensteinkolik. Morphium.
Nachher Ruhe vmd beschwerdefrei. Karlsbader Kur. Seit Teilnahme
an einem Essen am 4. 2. d. J. leichtere Beschwerden : Drücken, Un-
behagen. Gallensteinabgang ist nie bemerkt. Häufig aschgraue Stühle
und Ikterus, teils schwächer, teils stärker als augenblicklich.
Objektiv konnte ich jetzt keine Druckschmerzhaftigkeit fest-
stellen. Gallenblase nicht fühlbar. Leber vielleicht etwas deutlicher
als normal. Ich möchte meine allgemeine Diagnose eines Gallen-
steinleidens dahin präzisieren : Cholecystitis chronica recidiva, geringe
Verwachsungen. Fat. gibt noch an, im ganzen seit Beginn der Krank-
heit etwa 10 Pfund abgenommen zu haben; ist durch seine Krankheit
ziemlich gestört, aber doch nicht an der Ausübung seines Berufes
gehindert."
Befund bei der Aufnahme: Schwacher Ikterus, Leberschwel-
lung, starke Druckemptindlichkeit, Gallenblasentumor. Im Urin
Spuren von Gallenfarbstoff.
22. 8. Nach Ricinus sehr reichliche braune Stuhlentleerungen,
danach grosse Erleichterung. Jetzt Gallenblase und Leberrand schon
für die Inspektion deutlich sich durch die Bauchdecken abhebend.
Gallenblase nur auf stärkeren Druck etwas empfindlich, nur wenig
gespannt. Man kann noch am Abend feststellen, dass die Gallenblase
an Umfang abgenommen hat.
28. 3. Gallenblase ist noch kleiner geworden, fast gar nicht
mehr druckempfindlich. Pat., der übrigens in seinem Beruf nicht
wesentlich gestört ist, soll erst eine Karlsbader Kur zu Hause mit
Thermophor, Öleinläufen, Ruhe, Diät etc. gebrauchen. Stellt sich in
6 Wochen wieder vor und zeigt gar keine Veränderungen an der Gal-
lenblase mehr.
Epicrise: Hier zeigte sich wie in so vielen Fällen so-
fort deutliche Erleichterung, als Patient gründlich abgeführt
hatte. Auf diese Entleerung des Darmes sind die vielen Bes-
serungen durch Geheimmittel (Kräutertee etc.) zurückzuführen.
Ich beobachte das sehr oft bei den Vorbereitungen zur Operation,
dass die Kranken nach einer gründlichen Dosis Ricinusöl sich
^wie neugeboren" fühlen und dann in ihrem Entschluss zur Ope-
ration sehr wankend werden. —
H. M., 68j. Privatmann aus Rohrsheim.
Anamnese: Vor 2 Jahren Lungenentzündung. Vor 1'/«
Jahren zum ersten Male typischer Anfall von Gallensteinkolik,
— 140 —
der Abends begann und etwa 5—6 Stunden dauerte. Der Arzt ver-
ordnete heisse Umschläge. Ein gleicher Anfall trat -November 1905
auf, dabei bestand etv^^as Fieber. Pat. erholte sich aber schnell
wieder. Vor 14 Tagen abends begann wieder ein Kolikanfall,
der die ganze Nacht dauerte; der Arzt machte eine Morphium-
injektion. Es bestand wieder etwas Fieber. Einige Tage danach
trat etwas Gelbsucht auf. Herr Dr. Bartels in Rohrsheim
schickt uns den Pat. zur weiteren Behandlung zu. Zur Zeit hat Pat.
noch andauernd Stiche in der Gallenblasengegend, die sich besonders
bei Drehbewegungen steigern. Seit 14 Tagen liegt der Appetit da-
nieder; Erbrechen hat Pat. nie gehabt.
Befund: Gallenblase als stark druckempfindlicher biinförmiger Tu-
mor palpabel; Leber anscheinend nicht geschwollen. Im Urin geringe
Mengen Gallenfarbstoff, Ikterus nur angedeutet ; Bettruhe. Flüssige
Diät, Ol. Ricini. Temp. 87,9« C.
12. 2. Schmerzen haben nachgelassen. Tumor der Gallenblase
kleiner.
13. 2. Appetit besser. Tumor wesentlich kleiner, nicht mehr
druckempfindlich auf leichten Druck. Pat. bekommt Thermophor früh
und abends 1 Stunde, Karlsbader Wasser.
15. 2. Temperatur vollkommen normal. Guter Appetit. Ikterus
gänzlich abgeblasst, Urin fast ganz hell. Stuhlgang fast ganz braun
gefärbt.
20, 2. Pat. fühlt sich wieder ganz gesund. Kein Ikterus mehr,^
keine Schmerzen. Stuhlgang braun, im Urin kein Gallenfarbstoff.
Wird entlassen mit der Weisung, den Thermophor weiter zu gebrauchen
imd eine Karlsbader Kur im Hause zu machen. Bei dem Alter des Pat.
schien mir das richtiger wie eine Operation. Pat. ist Anfang Mai 1904
an einer Pneunomie gestorben, ohne wieder von seinen Gallensteinen
etwas gespürt zu haben.
Wenn es geling't das latente Stadium herbeizuführen, so ist
auch in chronischen Fällen von Cholecystitis und Cholang^itis
von einer Operation so lange abzusehen, bis neue Anfälle kom-
men und die Hoffnung auf völlige Latenz vernichten.
A. K., 51 j. Creneralsfrau aus Erfurt.
Anamnese: Pat. hat 2 Kinder, 1 Kind ist gestorben.
Schon als Mädchen Schmerzanfälle, bei denen Pat. hinfiel. Vor
25 Jahren wurde zum erstenmal eine Gallensteinkolik festgestellt.
Heftige krampfartig© Schmerzen in der Magengrube, nach rechts bis
ins Kreuz ausstrahlend, kein Erbrechen, kein Fieber. Dauer damals
ca. 1 Stunde. Keine Gelbsucht. Anfälle traten mehrmals im Jahre
auf. 1882 und 1883 zweimal Kur in Karlsbad, danach 8 Jahre keine
Anfälle. 1893 dann neuer Anfall. 1894 Hautausschlag am ganzen
Körper; als derselbe verschwand, wiederum ein Anfall, nach welchem
— 141 —
permanente Schmerzen in der Magengrube zurüekblieben, dabei fast
tcägliche Anfälle. Ölkur und Karlsbader Kur, wobei ein etwa erbsen-
grosser, kantiger Gallenstein abging und allgemeine Besserung eintrat.
Später noch zweimal Kur in Karlsbad, seitdem Wohlbefinden, nur etwa
alle 1—2 Jahre einmal Kolikanfall, darunter 3 schwere, 2 mit Fieber,
niemals Gelbsucht. Fieber dauerte höchstens 3 Tage. Letzter dieser
schweren Anfälle am 1. Februar d. J., nachdem im Vorjahre (1903) im
Juni, September, Dezember je ein ganz leichter Anfall aufgetreten war.
Bei dem letzten schweren Anfall am 1. Februar 3 Tage lang Fieber
(38,8—39,2"). Danach schnelle Erholung. Auch die bei den schweren
Anfällen stets vorhandene Leber- und Gallenblasenschwellung ging
völlig zurück. Jedoch nach 4 Wochen wieder Beschwerden. Vor 10
Tagen dann wieder ein ganz leichter Anfall, seitdem in 7 Tagen
4 Anfälle (leicht), da Pat. Bettruhe nicht innehielt. Zur Zeit fühlt
sich Pat. wieder völlig wohl.
Herr Geh.-Rat Prof. Seidel-Jena riet entweder nochmals Karls-
bader Kur oder besser unter den jetzigen günstigen Umständen Ope-
ration und sandte die Pat. uns zu. Auch Herr Sanitätsrat Dr.
Schwenkenbecher stellte anheim, über die Notwendigkeit der
Operation zu entscheiden.
Der Befund ist bis auf geringe Druckempfindlichkeit der
Gallenb.lasengegend negativ. Die Gallenblase ist als undeut-
licher Tumor zu tasten. Pat. hatte sich auf eine sofortige
Operation eingerichtet, aber ich zog es vor, eine richtige Euhe-
und Thermophorkur einzuleiten und hatte die Freude , dass
völlige Latenz eintrat und Pat. sich einen Monat später in bester
Verfassung vorstellen konnte. Sollten die Anfälle trotzdem
wieder kommen, ist zur Operation immer noch Zeit. Pat. trägt
ihre Steine schon 25 Jahre bei sich und machte trotzdem nicht
den Eindruck, dass ihr Allgemeinbefinden wesentlich alteriert
war, ia sie kann ganz gut die vielen Repräsentationspflichten,
die der Beruf ihres Gatten ihr auferlegt, erfüllen. —
Man wird in den angeführten Fällen annehmen, dass unter dem
Gebrauch der heissen Umschläge und der Abführmittel der Infekt
in der Gallenblase erlosch ; ob der Cysticus wieder wegsam
wurde, das kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. In manchen
Fällen kommt das gewiss vor; danff entleert sich der flüssige
Inhalt der Gallenblase in den Choledochus resp. in den Darm.
In anderen Fällen — und das werden die häufigeren sein —
bleibt der Stein im Halse der Gallenblase oder im Cysticus an
Ort und Stelle liegen, und nur der Infekt in der Gallenblase
erlischt : es bildet sich ein steriler oder wenig infizierter
Hydrops der Gallenblase aus.
— 142 —
Dieses Zurückgehen der entzündlichen Erscheinungen iit
der Gallenblase ist, so lange das Organ selbst nicht hoch-
gradig verändert ist, ein sehr häufiger Prozess bei der Chole-
lithiasis, und deshalb ist es natürlich, dass so oft Heilungen
durch alle jene Mittel, die ableitend auf den Darm einwirken,,
erzielt werden.
Aber auch die Cholangitis ist der Rückbildung fähig. Ja
es gibt selbst Fälle des chronischen Choledochusverschlusses,
die so schwer verlaufen, dass man glaubt, um eine Operation
nicht herumzukommen, und doch erlebt man, dass schliesslich
eine Latenz eintritt, die die Operation unnütz macht.
Wenn auch die Latenz der Gallenblasensteine einer Heilung
näher kommt, als eine Latenz der Choledochussteine — denn
in dem Gang, in dem fortwährend Leben ist, der beständig von
Galle durchflössen wird, ist eine erneute Verlegung durch den tiefer
rückenden Stein die Hegel — , so wird man doch auch bei
latent werdenden Choledochussteinen zunächst auf eine Operation
verzichten. Vielleicht ist sogar der Stein abgegangen und im
Darm zerfallen. Eine Untersuchung d^r Faeces ergibt dann
einen negativen Befund. Auch ist an die Ausbildung einer
Choledochus-Duodenalfistel zu denken. Aber dieses Ereignis ist
ein solcher Zufall, dass man besser tut, keine zu grosse Hoft-
nung auf diese Naturheilung zu setzen. Man dürfte sonst reclit
häufig den richtigen Zeitpunkt zur Operation versäumen.
E. 0., 60 j. Oberstleutnant aus Braunschweig.
Herr Dr. Bauermeister gibt uns über den Patienten einen sehr
ausführlichen Bericht, der auch in therapeutischer Beziehung von
Interesse ist:
„0., Oberstl. a. D., als Soldat und auch noch später in Zivilanstellung-
ein reichlich korpulenter Herr von kleiner Statur, niuss aiifang 1903^
seine Amtmannsstellung in einem Orte Westfalens aufgeben und be-
gibt sich Februar 1903 für 8 Wochen in ein Krankenhaus. Hier bringt
er den grössten Teil seiner Zeit mit Appetitlosigkeit, Übelbefindou,
Unlust und namentlich wochenlang anhaltendem Fieber zu, das zeit-
weise von Schüttelfrösten und Anfällen von Gelbsucht unterbrochen
wird. Bei mangelndem Erfolge der rein abwartenden Krankenhaus-
behandlung wird er zu Beginn der Saison 1903 nach Neuenahr ge-
schickt. Auch hier findet er keinen wesentlichen Krfolg und tritt
nach seiner Rückkehr im Juni 1908 in meine Behandlung.
Befund vom Juni 1903: Kleiner, untersetzt gebauter, anämisch
aussehender Mann mit geringem foetor ex ore, Konjunktiven leicht
chronisch ikterisch gefärbt und etwas injiziert. Pulmo, cor: nihil.
— 143 —
Abdomen: Haut ziemlich spröde, abschilfernd, fettarm und lalten-
reich. Bauch selbst überall gleichmässig weich und überall ohne ge-
ringste Schmerzempfindung eindrückbar. Insbesonders Leber nicht
vergrössert, eher etwas klein, weder in der Gegend der Gallenblasenin-
zision noch an der ünterfläche ist irgendwie Resistenzgefühl oder Druck-
schmerz hervorzurufen. Eine Untersuchung im Wasserbade ergibt den-
selben Befund; bei tiefer Inspiration ist der «ntere Leberrand in con-
tinuitate sehr scharf und etwas hart durchzufühlen, er steht in In-
spirationsstellung ca. 1 fingerbreit innerhalb der Rippenapertur
(Atrophie?); nirgends eine Prominenz im Verlauf oder unterhalb des
Rippenrandes zu fühlen. Milz nicht vergrössert. Urin ziemlich stark
hydrobilirubinhaltig und ziemlich satt gefärbt; klar ohne Sacch. oder
Albumen. Kot wird regelmässig durch morgendliche und abendliche Ein-
giessungen entleert, ziemlich hart und normal gefärbt. Gewicht 116 Pfd.
Kein Fieber. Blutserum nicht ikterisch. Pat. gibt an, nach seiner
Rückkehr von Neuenahr wiederholt, so auch einige Tage vor obiger
Untersuchung Schüttelfrost gehabt zu haben; er fühlt sich immer sehr
voll im Magen, hat keinen Appetit und ist in sehr deprimierter Ge-
mütsverfassung. Im Verlauf meiner ca. 10 wöchentlichen Bemühungen
ändert sich der Gesamtzustand sehr zugunsten des Patienten : Zu-
nahme der Stimmung, des Appetits, des Gewichts von 116 aufl28Pfd»
bei ambulatorischer Behandlung. Anfänglich war auch, vielleicht noch
alle 10—12 Tage, ein mehrere Stunden anhaltender Schüttelfrost vor-
handen gewesen mit folgender Temperatursteigerung, die aber ni&
über 24 Stunden anhielt; der Urin war nie ausgesprochen ikterisch,^
wohl aber ziemlich dunkel gefärbt. (Pat. kehrte häufig durch Schweiss-
ausbruch von fieberhafter zu normaler Temperatur zurück.) Im Blut-
serum konnte ich aber wiederholt Bilirubin nachweisen. Kotfärbung
ungleichmässig, oft auch in derselben Entleerung. Schmerzen sind
während dieser ganzen Periode weder spontan noch auf Druck in Er-
scheinung getreten. Ich hatte die Diagnose derzeit auf chronische
Cholangitis gestellt, deren akute Exacerbationen resp. Neuinfektionen
in Gestalt von Fieberfrösl en (Fieber mit Schweissausbruch, Serum-
ikterus) in Erscheinung traten und als deren Grundursache trotz Mangel
jeder Schmerzhaftigkeit und jeden Druckpunktes einen Stein in den
Lebergängen oder im Choledochus anzunehmen ich nicht abgeneigt
war. Die Behandlung bestand in systematischer Desinfektion der
Gallenwege durch Probilinpillen und lokalen hydrotherapeutischen
Massnahmen neben entsprechender Diät. In relativem Wohlbefinden
und guten Mutes wird er September 1903 noch in eine Spät-
sommerfrische geschickt; allein die Verpflegung war so mangel-
haft und ihm individuell so wenig angepasst, dass er statt der er-
warteten weiteren Zunahme mit 2 Pfd. Gewichtsabnahme und dem-
entsprechend gesunkenem Mute nach 4 Wochen zurückkehrt. Sein
Appetit frischt sich bei häuslicher Pflege wieder auf, und da auch
keine Schüttelfröste und keine Fieber mehr aufgetreten sind, geht e&
ihm bis Weihnachten 1903 im ganzen zufriedenstellend. Nur seine
Obstipation macht ihm, im Verlauf der Zeit habituell geworden, in-
— 144 —
sofern Umstände, als sie ihn zu täglich zwei Wasserklystieren (morgens
imd abends je eins) veranlasst. Dieses im ganzen befriedigende Be-
finden ändert sich im Januar 1904; bei Fortbestehen der Obstipation
stellt sich auch wieder Unlust zum Essen und damit allgemeine Un-
lust ein. Gegen Mitte Januar tritt auch eines Nachmittags einmal
wieder Frösteln ein; eine Temperaturerhebung folgt aber nicht
darauf, nur nimmt die Anorexie stark zu, es tritt massiger Foetor ex are
wieder ein und unter abermaligem Sinken der Gemütsstimmung tritt
im Laufe des Januar bis Anfang Februar eine Gewichtsabnahme auf
114 Pfd. ein. Da ein Bruder von ihm 1902 24 Stunden nach einer
Gallenblasenoperation in Berlin zu Grunde gegangen war, hatte ich
ihm meine Diagnose als einfache catarrh. ('holangitis mitgeteilt; da
«s mir aber doch nach dem Krankenverlauf der letzten 6 Wochen klar
war, dass trotz der üblen Erfahrungen in der Familie der Pat. doch
event. eines Tages das Objekt einer notwendigen Gallenblasenoperation
werden könnte, nahm ich ihn Anfang Februar in meine Privatklinik
auf, einmal in der ausgesprochenen Absicht, ihn für die Eventualität
einer notwendigen Operation erst wieder ein wenig herauszufüttern
und dann, um so einen genauen Einblick in die Krankheitssjmptome
zu gewinnen. Der ca. 8-wöchentliche Aufenthalt in meiner Privat-
klinik lässt sich ungefähr in folgende Abschnitte teilen :
1.— 3. Woche: Zeit des schwankenden Befindens, Dyspepsie wechselt
mit Eupepsie; es wechselt die Farbe des Stuhles wie des Urins; alle
5—6 Tage nachmittags ein kleiner Fieberfrost, dessentwegen er mit
grossem durch Wärmflaschen bedeckten Priessnitz ins Bett gepackt
wird ; er kommt dann bald in Schweiss und steht den nächsten Morgen
wenn auch etwas matter wie gewöhnlich, doch in leidlichem Wohl-
befinden wieder auf. In den Stuhlgängen wird immer Hydrobilirubin
nachgewiesen , der Harn zeigt nie eine zweifellose Gallenfarbstoff-
reaktion, dagegen ist das Blutserum wechselnd ikterisch. Gewicht
steigt dabei auf 119 Pfd.
4.-5. Woche : Zeit der Verschlechterung, zum Teil bedingt durch
therapeutische Provokationen. Pflichtgetreu aber ohne Lust und Ge-
schmack verzehrt Pat. seine Essportionen unter Verachtung ze
weiser stärkerer dyspeptischer Beschwerden. Der Urin wird zeit-
weilig ikterisch, der Stuhlgang immer acholischer. Die Fieber-
bewegungen sind aber ausgeblieben, bis am 8. März ein starker Frost
morgens auftritt, nach dem Frühstück sehr reichliches Erbrechen ;
nachmittags Fieber 38,8°; gegen 9 Uhr abends zum ersten Male das
(jefühl einer schmerzhaften Spannung in der Magengrube; stärkere
Palpation daselbst (über dem etwas geschwollenen fühlbaren linken
Leberlappen?) sehr empfindlich, stärkerer Druck direkt Schraerz-
äusserungcn hervorrufend. Abends Einpackung des Leibes fortgesetzt ;
Morphium-Atropinjektion. Gegen 1 Uhr nachts ist das Gefühl der
Spannung im Epigastrium vollständig geschwunden. Pat. fühlt sich
nach den ausgestandenen Qualen förmlich leicht und wohl. Gewicht
12Ö-122 Pfd.
— 145 —
6. Woche. Der inzwischen aufgetretene totale und sehr Aus-
gesprochene Ikterus tritt allmählich zurück, sodass gegen den
13. März der vorher immer brauabierfarbene, stark sedimentierende
Urin nahezu klar und wie dunkles Lagerbier aussieht. Der Stuhl, der
anfänglich sehr massig, weichbreiig, fettglänzend war, bekommt gegen
Ende dieser Periode wieder annähernd normale Farbe. Der regel-
mässig durchgesiebte Stuhl dieser Periode hat nie die geringsten
Spuren von Gallensteinkonkrementen enthalten (ganz wider unser Er-
warten), und auch in der Folgezeit ist, allerdings bei nicht ganz lücken-
losem Suchen, nicht das geringste gefunden worden. Gewicht ge-
sunken wieder auf ll8 Pfd.
6 — 8. Woche. Zeit der ungestörten Rekonvaleszenz. Keine Fieber
mehr, vorzüglicher Appetit, vorzügliche Stimmung ; vorzüglich er spon-
taner Stuhlgang; Urin immer hell und blank. Pat. hat nie wieder die
geringsten Schraerzempfindungen gehabt, weder spontan noch auf
Druck; sein Gewicht steigt auf 125 Pfd. Auch der Ikterus der Haut
macht einer gesunden Farbe Platz, und Pat. wird atn 17. März zur
ambulatorischen Behandlu::g entlassen. Die Behandlung hat in den
letzten 2 Wochen bestanden in:
1) Morgens nüchtern 4 Probilinpillen mit V* 1- heissem Wasser,
heissem Umschlag;
2) mittags: Faradisation des Bauches;
8) nachmittags: Massage des Bauches und der Lebergegend unter
strahlender Hitze und mit Jodichthyolschmier seife ;
4) abends: Priessnitz, ev. Wärmflasche.
Die ambulatorische Behandlung bestand in Fortsetzung von
1 und 3 und der in der Klinik gewolmten Diät, in welcher Sahne eine
grosse Rolle spielt. Die letzten 6 Wochen nach seiner Entlassung hat
Pat. weiter an Wohlbefinden und Gewicht zugenommen, sodass er
heute 140 Pfd. wiegt gegen 114 am 2. Februar."
Die von mir in meiner Klinik in Gegenwart des Herrn Dr. Bauer-
meister vorgenommene Untersuchung des Pat. ergibt Folgendes:
Befund völlig negativ; nicht die geringste Druckempfindlichkeit
der Gallenblasengegend vorhanden. Urin frei.
Diagnose: Entweder ist beim letzten Anfall der Stein ab-
gegangen oder es liegt Latenz vor.
Therapie: Operation unnötig, gegen eine Karlsbader Kur ist
nichts einzuwenden.
Epicrise: Ich habe mit Herrn Dr. Neubiirger sen. in
Frankfurt a. M. einen ganz ähnlichen Fall beobachtet, bei dem
schliesslich auch die Cholangitis erlosch und Latenz eintrat.
Aber das sind — das soll man nicht vergessen — Ausnahme-
fälle, die Eegel ist, dass die Latenz nicht eintritt, und dann
soll man operieren! —
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. I. 10
— 146 —
Auch in den beiden folgenden Fällen war das Stadium der
Latenz bereits eingetreten, als die Patienten in meine Klinik
eintraten; ich sah von einer Operation ab; die erste Patientin
war zudem sehr korpulent, litt an Arthritis und gab mit Be-
stimmtheit an, in der Zeit zwischen den Anfällen g;ar nicht in
ihrem Haushalt gestört zu sein.
J. T. S., 49j. Ingenieursfrau aus Libat (Russland).
Die Krankengeschichte stammt vom Arzt der Patientin, Herrn
Dr. Vogel, und lautet:
„Fat. mittelgross, recht korpulent, brünett von leicht gelblicher
Gesichtsfarbe, etwas nervös veranlagt, von gichtischer Diathese. In der
Anamnese der Blutsverv^^andten spielt das Lebercarcinom als Todes-
ursache eine ausgedehnte Rolle, Grossmutter Lebercarcinom, Vater
Zungencarcinom. Eine Schwester vom Vater, 74 Jahre alt, stirbt an
Lebercarcinom, desgleichen ein Bruder desselben 62 Jähre alt. Eine
Tochter der Letzteren litt an Cholehtbiasis und wurde im Herbst vorigen
Jahres von Prof. Zoege-Manteuffelin Dorpat operiert ( walnussgrosser
Stein im Choledochus). Ein Bruder der Pat. stirbt an Leberkrebs
48 Jahre alt. Die Mutter der Pat. seit vielen Jahren gichtisch.
Pat. bis vor ca. 9 Jahren gesunde Frau, als Kind Masern, Conjunctivitis
phlyctaenulosa, wahrscheinlich skrophulösen Ursprungs, da Pat. damals
viel Leberthran gebrauchte. Im 10. Lebensjahr Ikterus catarrbalis, der
ca. 1 Woche dauerte. 4 normale Wochenbetten, Menses normal, noch
regelmässig einsetzend und verlaufend. Vor ca. 9 Jahren traten kolik-
artige Schmerzen auf, die Pat. in die Umgebung des Nabeis verlegte.
Sie gibt sie an als kurzdauernd, langsam bis zu einer Acme
ansteigend und dann ebenso abfallend, um Wohlbefinden Platz zu
machen. Diese Aniälle wiederholten sich häufig, Hessen dann
wieder Wochen und Monate zv^ischen sich. Aber auch in der anfalls-
freien Zeit klagt Pat. über ein gw^isses Druckgefühl in der Oberbauch-
gegend, v^^elches durch die Nahrungsaufnahme jodoch nicht deutlich
beeinflusst wird. Leber dabei nicht vergrössert, kein Druckschmerz,
kein Erbrechen, kein Ikterus, keine Temperatur, Urin frei, kein Ab-
gang von Steinen beobachtet, so dass ich geneigt war, Darmkoliken
anzunehmen oder auch die Schmerzen mit dem Nabelbruch, welcher
hier vorliegt, in Zusammenbang zu bringen. Häufig jedoch gab Pat. an,
noch nach den Anfällen einen bittern Geschmack im Munde zu
spüren, so dass ich die Leber mit ihren Adnexen als schuldigen Teil
nicht ganz ausschliessen mochte. Im Sommer 1897 besuchte Pat.
Karlsbad. Danach blieben die Anfälle aus, bis im Dezember 1901 ein
kräftiger Kolikanfall mit deutlich ausgesprochenen Schmerzen in der
Gallenblasengegend, die in den Rücken ausstrahlten, auftrat. Tempe-
raturen bis 38 " ein paar Tage dauernd. Deutliche Empfindlichkeit,
Gallenblase nicht deutlich palpabel (starke Bauchdecken), Leber normal,
geringer Ikterus, Urin dunkel, enthält deutlich Gallenfarbstoff, Faeces
— 147 —
nicht entfärbt, kein Abgang von Steinen, früher auch nie beobachtet
worden. Es musste bei diesem Anfall zur Morphiumspritze ge-
griffen werden, was bisher nie nötig war. Wir kamen mit heissen
Kompressen und Extr. Belladonn. 0,015 aus. Jetzt trinkt Fat. in
regelmässigen Abständen Karlsbader Mühlbrunnen und bleibt von
Anfällen frei, gibt aber an, häufig unter dorn rechten Rippenbogen eine
gewisse „Sensation" zu spüren, die ihr sagt, dass dort nicht alles in
Ordnung sei.
Im Sommer 1902 zweite Kur in Karlsbad 6 Wochen, wo mit dem
Harn kolossale Mengen Harnsäure ausgeschieden werden. Es muss
noch betont werden, dass Fat. dazwischen an akut auftretenden katarrhal.
Affektionen der Harnblase leidet mit Tenesmus und Abgang von hämor-
rhagischem, etwas Harnsäure enthaltenden Urin (Varicen?), welcher
aber nach 1 — 2tägigem Gebrauch von Inf. fol. uvae ursi stets zur
Norm zurückgeht.
Am 7. und 20. März dieses Jahres, nachdem Fat. schon mehrere
Wochen vorher über stetes Frösteln, gegen das auch die wärmste Be-
deckung nichts half, klagte (Temperatur normal), annoncierte mir
Fat. einen Anfall, der auch in der Nacht richtig eintrat. Derselbe
war nicht so stark wie der im Jahre 1900 und ging auf heisse Kom-
pressen und Morphium 0,01 innerlich bald zurück. Dabei starke Druck-
empfindlichkeit in der Gallenblasengegend. Leber nicht vergrössert,
Galleublase nicht palpabel, kein Ikterus, Urin frei, Stuhl war normal
gefärbt, keine Steine enthaltend. Die Druckempfindlichkeit dauert
unter stetiger Abnahme der Intensität bis zum 23. März, von da ab
fast normale Temperaturen und Wohlbefinden. Am 1. April ist die
Lebergegend auch auf tiefen Druck hin nicht mehr empfindlich.
Appetit gut, dazwischen bitterer Geschmack im Munde.
Wenn ich mir nun bei Berücksichtigung all dieser Symptome das
pathologisch-anatomische Bild zu konstruieren suche, so möchte ich
annehmen, dass es sich um anfangs seröse, später vielleicht um serös-
eitrige Cholecystitis handeln dürfte, die zu Adhäsionen mit der Um-
gebung geführt haben mag. Sind Steine vorhanden, so dürfte es sich
wohl um solche im Fundus der Blase handeln, da das Stadium der
Latenz so häufig beobachtet wurde. Wenn meine Diagnose richtig
ist, so würde ich der Fatientin zu noch weiterem Gebrauch der Karls-
bader Heilquellen raten. Aber ein Moment macht mich stutzig, d. i.
die Häufigkeit des Lebercarcinoms in der Familie meiner Fatientin.
Da doch zum mindesten ein entzündlicher Frozess der Gallenblase
vorliegt, so ist bei dieser Anamnese damit auch die Gelegenheitsursache
für eine carcinomatöse Erkrankung gegeben."
Befund: Ziemlich korpulente Fat.; kein Ikterus, Leber und
Gallenblasengegend normal, nicht im geringsten druckempfindlich.
Diagnose: Stadium der Latenz der Cholelithiasis. Für die An-
nahme eines Carcinoms gibt die Untersuchung keinen Anhaltspunkt.
Therapie: Weder Operation noch Karlsbad notwendig; wegen
Adipositas und Arthritis ist gegen eine Karlsbader Kur nichts ein-
zuwenden.
10*
— 148 —
W. F., 56 j. Privatier aus Fürth.
Anamnese: Mutter litt an Gallensteinen, Bruder an Nieren-
steinen. Pat. machte 1880 eine leichte Rippenfellentzündung durch,
sonst war er stets gesund. Sein Stuhlgang war meist regelmässig,
zeitweise litt er etwas an Darmkatarrh. Er ist in der letzten Zeit
sehr nervös geworden.
Seit ca. 4 Jahren litt er dauernd an einem gleichmässigen Druck-
gefühl in der Magengrube. Er hat deshalb seit lange strenge Diät ge-
halten und alle fetten und sauren Speisen vermieden.
Januar- Februar 1898 hatte er den ersten Kolikanfall, heftige
Schmerzen in der Magengrube und besonders nach rechts hin, zum
Rücken ausstrahlend mit Erbrechen und Fieber. Morphium. In ab-
nehmender Stärke hielten sie 8 Tage an, am 3. Tage trat leichte Gelb-
sucht auf, die bald schwand. Im Mai 98 besuchte er Karlsbad und
kam sehr wohl zurück, ausser dem Druckgefühl in der Magengrube
hatte er keine Beschwerden, bis er Januar-Februar 1899 wieder einen
Anfall hatte. Die sich allmählich steigernden Schmerzen zogen von
der Magengrube und Gallenblasengegend zur Brust hinauf, kein Er-
brechen und Fieber. Morphium. Nach 8 Tagen wieder Wohlbefinden.
Im Mai 1899 zum zweitenmale Karlsbad, das ihm diesmal nicht so gut
bekam, er kehrte appetitlos und missgestimmt zurück. Im September
1899 ein sehr heftiger Anfall von Schmerzen in der Gallenblasen-
gegend, die sich bei Bewegungen sowie ausgiebigen Atembewegungen
(Husten, Niesen) noch steigerten. Dabei Erbrechen und Fieber, danach
leichte Gelbsucht. Morphium. Der Anfall dauerte 8—9 Tage. Der
Arzt diagnostizierte Gallenblasenentzündung und Leberschwellung. Im
Dezember 1899 ein leichter Anfall, im Januar 1900 ein schwererer. Im
Mai d. J. zum drittenmale Karlsbad. Dort ein Anfall ohne Erbrechen
und Fieber, danach leichter Ikterus. Herr Dr. R i t te r- Karlsbad
konnte ausser letzterem keinen Befund erheben.
Auf einer Reise in der Schweiz, die Pat. nach grösseren Gemüts-
erregungen unternahm, kam am 6. September d. J. ein leichter An-
fall von Druckgefühl, das auf Umschläge rasch vorüberging. Am
10. September ein schwerer Anfall, Pat. reiste nach Hause, 3 Tage
danach wieder ein leichterer Anfall. Seitdem hat er Erleichterung.
Der dauernde Druck in der Magengrube, der seit 4 Jahren bestand,
ist geschwunden, er fühlt sich völlig wohl.
Pat. ist in den letzten Jahren etwas abgemagert. Er hat sehr
streng Diät gehalten. Steine sind im Stuhl nie gefunden worden.
Herr Dr. Ritt e r- Karlsbad hatte ihm geraten, sich bei Wieder-
kehr der Anfälle hierher zu wenden, deshalb sucht Herr F. jetzt die
Klinik auf, ohne zur Zeit irgend welche Beschwerden zu haben.
Der Befund ist völlig negativ, keine Leberschwellung, kein Tumor
der Gallenblase, kein Ikterus, keine Schmerzen. Merkwürdigerweise
ist der 4 Jahre lang anhaltende Druck in der Magengrube kurz vor
Ankunft hier verschwunden.
— 149 —
Die Cholelithiasis ist also jetzt vollständig latent, so dass
eine Operation unnötig ist. Die Latenz kann ja rasch durch
neue Beschwerden unterbrochen werden, sie kann aber auch an-
dauern. Im ersteren Fall habe ich dem Pat. vorgeschlagen,
wiederzukommen, bei weiterer Latenz soll er womöglich Karls-
bad weiter besuchen. Ob in diesem Fall eine Nachwirkung der
Karlsbader Kur vorliegt, lässt sich nicht sagen : jedenfalls steht
für mich fest, dass bei dem Kurgebrauch in Karlsbad in einer
Reihe von Fällen die endzündlichen Beschwerden sich zurück-
bilden , der Choledochus durch Abschwellung der Schleimhaut
wieder wegsam wird, die Abflussverhältnisse in den Gallen-
gängen sich bessern — mit einem Wort , die Krankheit latent
werden kann. Aber in vielen Fällen wird diese Latenz nicht
eintreten, so dass in den Fällen, die immer wieder rezidivieren,
eine Operation angezeigt ist. —
Weiterhin bildet steriler Hydrops der Gallenblase für mich
keine Indikation zur Operation: ich sehe jährlich 10— 20 Kranke
mit sterilem Hydrops der Gallenblase und verweigere oft die
von mir gewünschte Operation. Einen Fall von sterilem Hydrops
zeigt die folgende Krankengeschichte:
E. A., 60j. Justizrats-Witwe aus Fürth.
Anamnese: Pat. ist verheiratet und Mutter von 4 gesunden
Kindern. Vater und ein Bruder starb an Brightscher Krankheit,
Mutter und ein Bruder an Gelenkrheumatismus mit Herzkomplikationen.
Pat. selbst war gesund bis vor 15 Jahren, wo sie kurze Zeit an Lungen-
spitzenkatarrh litt. Vor 12 Jahren heftige typische Gallensteinkolik,
dieselbe hielt etwa 6—7 Stunden lang an, die Schmerzen strahlten
gürtelförmig nach beiden Seiten und zum Rücken hin aus. Nach dem
Anfall etwa 8—10 Stunden Ruhe, dann wieder ein neuer gleicher. In
den nächsten Tagen noch 4 — 5 solcher Anfälle. Bettruhe, kein
Morphium. Pat. wurde ganz leicht ikterisch, Stuhlgang grau und Urin
schwarzbraun; zu Beginn der Kolik Erbrechen und Diarrhoe. Dann
4 Jahre lang ganz gesund. Danach nach Erkältung ein ähnlicher,
aber leichterer Anfall, der für Magenkrampf gehalten wurde, ohne
Änderung von Stuhl und Urin. Seitdem (8 Jahren) fühlt sich Pat.
ganz gesund; zeitweise isst sie alles, zeitweise hält sie Diät. Ab und
zu nach schwereren Speisen etwas Aufstossen, zuweilen Magendruck
und Gase. In letzter Zeit zuweilen Schlaflosigkeit und Nervosität.
Der deswegen konsultierte Arzt entdeckte eine Schwellung der Gallen-
blasengegend. Daher kommt die Pat. hierher, um über ihren Zustand
ins Klare zu kommen. — Seit 2 Jahren hat Pat. an einigen Fingern
eine wenig schmerzende Auftreibung der Diaphyse der Mittelphalanx.
Befund: Gutgenährte Pat. ohne Ikterus. Leber nicht ver-
— 150 —
grössert. Gallenblase als gurkenförmiger, hydropischer, gar nicht
druckempfindlicher Tumor deutlich tastbar. Nirgends eine Härte.
Diagnose: Hydrops der Gallenblase,
E p i c r i s e : Steriler Hydrops ohne Beschwerden bildet
für mich keine Indikation zur Operation. Die Pat. hatte Sorge,
dass ihre Geschwulst, die sie selbst fühlt, krebsiger Natur sei ;
dafür liegt aber nicht der geringste Anhaltspunkt vor. Läge
aber wirklich Carcinom vor, so wäre eine Radikaloperation bei
dieser Lokalisation kaum durchführbar. Das Carcinom am Hals
ist prognostisch viel ungünstiger als das am Fundus. —
Wenn die Anfälle von Cholecystitis so verlaufen, dass
Patient in seinem Beruf nicht gestört ist, und wenn es ge-
lingt, durch heisse Umschläge den Anfall rasch zu coupieren,
unterlasse ich ebenfalls die Operation.
M. B., 40 j. Kaufmann aus Werden a. d. Ruhr.
Anamnese: Vor '/4 Jahren tat Pat. einen schweren Fall mit
dem ganzen Körper auf Steinpflaster infolge Verfehlens eines Wagen-
trittes.
Vor Vji Jahren bekam Pat. einen leichten, etwa V« Stunde dauern-
den Anfall von krampfartigen Schmerzen in der Magengrube, den er
auf Magenerkrankung zurückführte.
Nachher völliges Wohlbefinden.
Vor Vä Jahr zweiter, gleicher Anfall.
Dann am 29. Juni 1903 dritter, sehr heftiger Anfall, der eine ganze
Nacht hindurch anhielt. Nachher einen Tag lang leichte Gelbsucht
der Augen. Pat. zog einen Arzt zu Rate, der Gallensteine feststellte.
Pat. fühlte sich nach dem Anfall wieder völlig wohl.
Am 8. Juli letzter, etwas weniger heftiger, einige Stunden dauern-
der Anfall. Nachher wieder einen Tag lang leichte Gelbsucht der
Augen.
Pat. fühlt sich seit dem letzten Anfall wieder völlig wohl, hat
keine Beschwerden, Appetit ist gut. Nur der Schlaf ist jetzt infolge
Nervosität angeblich schlecht.
Stuhl ist regelmässig, war immer gut gefärbt. Steine darin wurden
nicht gefunden.
Pat. ist in den Anfällen mit heissen Umschlägen, Thermophor,
Morphiumtropfen behandelt worden, seit dem 29. Juni 1903 trinkt Pat.
Karlsbader Wasser, lebt diät, geht viel spazieren, hat infolgedessen
8 Pfund abgenommen.
Herr Dr. Spelten aus Werden-Ruhr sendet uns den Pat. zu.
Pat. hätte sich sofort operieren lassen, wenn ich die Operation
für nötig gehalten hätte. Aber da Pat. in seinem Beruf nicht gestört
war, die Anfälle nicht schwer verliefen, dazwischen immer wieder
Ruhe eintrat, hielt ich eine Operation einstweilen für unnötig und
empfahl Thermophor, Ruhe, Diät, Kur in Neuenahr.
— 151 —
H. F., 75 j. Apotheker aus Oldenburg.
Anamnese: Pat. ist verheiratet gewesen, hat 5 gesunde Kinder,
2 Kinder sind gestorben, eins davon an Lungentuberkulose.
Die Mutter des Pat. starb an Gelbsucht.
Pat. ist immer gesund gewesen.
Seit 5—6 Jahren hat Pat. etwa alljährlich einmal einen Anfall
von plötzlich auftretenden Kolikschmerzen in der Gegend der Magen-
grube gehabt, der stets des Nachts auftrat und nach einigen Stunden,
meist nachdem Pat. erbrochen, wieder vorüberging. Diese Anfälle
wurden für Magenkrämpfe gehalten. Gelbsucht hatte sich nie gezeigt.
Der letzte derartige Anfall war im Mai 1903 aufgetreten.
Im .Januar 1904 bekam Pat. einen neuen Kolikanfall. Diesmal
war der Leib stark aufgetrieben, die Leber und Milz angeschwollen.
Zugleich trat nach etwa 2 Tagen Ikterus auf, der Stuhl war tonfarben,
der Urin braun. Fieber stellte sich nicht ein. Nach einigen Tagen
wiederholte sich der Kolikanfall, weiterhin traten dann alle paar Tage,
zum Teil selbst täglich neue Anfälle auf, die durch Morphium (sub-
kutan) gehoben bezw. abgekürzt wurden. Nach 3 Monaten, Ende
März 1904, wurden die Anfälle allmählich leichter und hörten ganz auf.
Ebenso schwand zu dieser Zeit der Ikterus völlig, welcher au Intensi-
tät gewechselt hatte und nach einzelnen Anfällen jeweilig wieder
stärker geworden war. Der Appetit war während der ganzen Zeit
äusserst schlecht.
Bis vor 3 Wochen fühlte sich Pat. dann völlig wohl, nahm an
Gewicht zu, der Appetit besserte sich.
Vor 3 Wochen trat dann wieder ein ganz leichter Kolikanfall auf.
Ein heftigerer dann vor 10 Tagen, diesmal wieder mit Gelbsucht, die
jetzt noch in ganz leichtem Grade besteht. Seit vorgestern sind die
in der Magengrube und im Rücken bestehenden Schmerzen wieder
völlig geschwunden, Pat. lühlt sich daher jetzt wieder wohl. Der
Appetit ist besser. Stuhlgang ist regelmässig.
Befund : Magerer Pat. mit deutlichem, aber kaum empfindlichem
Tumor der Gallenblase (Hydrops, event. Carcinom?) Im Urin etwas
Zucker. Kein Ikterus.
E p i c r i s e : Bei dem Alter des Pat., den relativ geringen
Beschwerden — Pat. sagt selbst, dass er in seinem Beruf
wenig gestört sei — soll erst eine 4 Wochen lang dauernde
Thermophor- und Kuhekur eingeleitet werden, ehe die Operation
in Erwägung gezogen wird. —
Patienten, deren Konstitution auf mich keinen günstigen
Eindruck macht, die anämisch aussehen, schwaches Herz
haben, deren Leber hypertrophisch ist, stelle ich von der Ope-
ration zurück. Besonders Männer vertragen das Hantieren
in der Bauchhöhle schlecht und sollten nur bei ganz strenger
Indikation operiert werden.
— 152 —
R. A., 42j. Oberlehrer aus Görlitz.
Anamnese: Vor ca. 20 Jahren Gelenkrheumatismus, ein Jahr
darauf leichtes Recidiv. Vor ca, 10 Jahren Pleuritis. Stuhlgang immer
träge.
Um Ostern d. J. hatte Pat. nach Diätfehlern einen Anfall von
Schmerzen in der Magengrube, aufsteigend in die Brust, kein Er-
brechen oder Übelkeit. Die Anfälle kamen alle 2—3 Wochen, meist
nach Diätfehlern oder Aufregungen. Er wurde auf nervösen Magen-
katarrh behandelt, sein Arzt, Herr Dr. Skal 1 er- Görlitz, diagnostizierte
schon damals ein Gallensteinleiden.
Im September d. J. kam ein sehr heftiger Anfall. Die Schmelzen
Sassen im rechten Oberbauch, strahlten nach Brust und Rücken aus, da-
bei Übelkeit und Erbrechen, Schweissausbruch, kein Ikterus^ kein Fieber.
Pat. erhielt Morphium. Im Stuhl fanden sich steinartige Gebilde un-
klaren Charakters. 8 Tage danach suchte er das Sanatorium des Herrn
Dr. Oeder in Nieder-Lössnitz bei Dresden auf. Hier erholte er sich
anfangs recht gut, als er aber wieder nach Hause fahren wollte, kam
ein zweiter sehr schwerer Anfall mit folgendem leichten Ikterus. In
seinem Stuhl fanden sich häufig gelatinöse, weiche grüne Massen,
wahrscheinlich Residuen des reichlich gegebenen (*/4 1. pro die) Öles.
Eine Zeit lang war sein Stuhl dunkel, schwarz-grün. Vor 5 Tagen
ein leichter Anfall. Pat. ist im allgemeinen matt und schwach ge-
worden. Er wünscht, da er seine Stellung so nicht ausfüllen kann,
dringend die Operation.
Befund: Ziemlich korpulenter Mann von blassem, anämischem
Aussehen. Urin frei.
In der Gallenblasengegend fühlt man eine umschriebene Härte,
die sich nicht umgreifen lässt. Druck auf den Tumor ist schmerzhaft.
Diagnose: Cholecystitis calculosa subacuta.
Von einer Operation wird abgesehen, da dieselbe bei dem kor-
pulenten, dabei aber anämischen Manne zu viel Gefahren bietet. Er
erhält den Rat, 4 Wochen lang eine strenge Karlsbader Kur zu Hause
mit Thermophor zu machen. Hilft sie nicht und behält Pat. seine
Beschwerden, so wäre die Operation in Erwägung zu ziehen.
Pat. meldet 6 Wochen nach der Entlassung, dass ihm die an-
geordnete Kur ausserordentlich gute Dienste geleistet habe : er fühle
sich völlig wohl.
G. 0., 51 j. Getreidehändler aus Posen.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat 4 Kinder. Pat. ist sonst
immer gesund gewesen. Vor 10 Jahren zuerst Kolikanfälle. Kolik-
schmerzen in der Nabelgegend von mehrstündiger Dauer, ab und zu
dabei Erbrechen, kein Fieber, keine Gelbsucht. Diese Kolikanfälle
3— 4mal im Jahr, wurden anfangs für Darmkoliken, später für Gallen-
steinkoliken (besonders auch wegen der Leberschwellung) gehalten.
8 mal Kur in Karlsbad, Ölkur, Kur nach der Naturheilmethode.
Seit 3 Jahren keine Koliken mehr. Seitdem aber fast dauernd
drückende Schmerzen in der Lebergegend, besonders auch an der
— 153 —
Stelle der Gallenblase. Ab und zu noch ein leichter Magenkrampf.
Dabei oft Blutandrang nach dem Kopf. Appetit gut, doch fühlt sich
Fat. seit 3 Monaten, wo auch die Schmerzen stärker wurden, sehr
schwach. Seit 5 Monaten hat Fat. 8 Ffund abgenommen. Niemals
Gelbsucht, Steine im Stuhl wurden nicht gefunden. Früher ziemlich
reichlicher Alkoholgenuss. Herr Frofessor Senator konstatierte vor
1 Jahre Gallensteine und riet zur Operation.
Befund: Grosse, massige Leber, kein Gallenblasentumor. Aus-
gesprochene Druckempfhidlichkeit in der Gallenblasengegend. Kein
Ikterus. Urin normal.
Neben der Cholelithiasis besteht Leberhypertrophie, die die Chancen
der operativen Behandlung ungünstig beeinflusst. Dem Fat. wird ge-
raten, zu Hause unter Kontrolle seines Hausarztes eine Thermophor-
und Ruhekur durchzumachen, 6 Wochen lang Karlsbader Wasser zu
trinken.
Nach 6 Wochen berichtet Fat. über guten Erfolg der Kur: Die
Leberschwellung ist zurückgegangen, er hat keine Schmerzen mehr.
J. 0., 57j. Ziegeleibesitzer aus Rotthausen.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat 12 gesunde Kinder. Die
Mutter des Fat. und zwei Brüder haben viel an Magenkrämpfen
gelitten.
Fat, ist immer gesund gewesen, leidet nur seit einigen Jahren
an Rheumatismus. Vor 2—3 Jahren hat auch einige Zeit lang eine
ödematöse Anschwellung an beiden Fussgelenken bestanden. Vor
5 Jahren angeblich Blinddarmentzündung, doch scheint es, als ob
damals nur ein ähnlicher Anfall sich eingestellt hatte, wie Fat. sie
häutiger gehabt. Es bestand Verstopfung, Aufgetriebensein des Leibes
und heftige Schmerzen in der Oberbauchgegend. Fat. hat seit 15 bis
16 Jahren an Magenkrämpfen gelitten , die vor ca. 15 Jahren sehr
häufig, oft jede Woche mehrmals, auftraten und anfangs nur einige
Minuten, später bis stundenlang andauerten. Es stellten sich dabei
heftige Druckschmerzen in der Magengrube und beiderseits davon
(rechts etwas stärker) und im Rücken ein. Der Leib war dabei meist
gespannt „wie eine Trommel" und aufgetrieben. Wenn Erbrechen
oder Aufstossen eintrat, besserte sich der Zustand schnell. Diese
Anfälle traten seit 7—8 Jahren weniger häufig auf, im Jahre 1903
etwa alle 2 Monate, und dauern ungefähr eine Stunde. Bei den Anfällen
soll stets leichte Gelbsucht in den Augen und im Gesicht einige Tage
lang vorhanden sein. (Fat. hat als junger Mensch von ca. 19 Jahren
einmal 4 Wochen lang an Gelbsucht gelitten.) Im Jahre 1904 traten
nur einige leichte Anfälle auf. Doch leidet Fat. Jetzt angeblich an
sehr häufiger Auftreibung des Leibes, verbunden mit Atemnot und
gleichzeitiger Verstopfung ohne nennenswerte Schmerzen. Dabei ist
der Appetit gut, Fat. hat an Gewicht nicht abgenommen. Stuhl ist
sonst regelmässig, Gallensteine wurden in demselben nicht gefunden.
Befund: Sehr beleibter Herr mit einem Gewicht von 270 Ffund.
Leber vergrössert, aber weich, nicht schmerzhaft. Galienblasengegend
— 154 ~
massig druckempfindlich. Kein Tumor, kein Ikterus. Pat. gibt selbst
an, durch die Krankheit in seiner Erwerbstähigkeit nicht wesentlich
behindert zu sein. Urin enthält geringe Mengen Eiweiss.
Diagnose: Chronische Cholecystitis.
Therapie: Bei dem starken Panniculus adiposus des Fat., der
nicht erheblich unter seinen Steinen zu leiden hat, wird eine Kur in
Neuenahr verordnet; zugleich soll Pat. darauf bedacht sein, dass er
einige Pfund an Körpergewicht abnimmt. —
Ich operiere weiterhin nicht, wenn ich eine Naturheilung
— innere Fistelbildung — annehmen kann und die anfäng-
lichen Beschwerden durch eine Trinkkur gänzlich schwinden.
Eine sichere Diagnose einer inneren Fistel dürfte sehr schwer
und nur auf Grand einer genauen Anamnese möglich sein.
Dafür 2 Beispiele :
A. S., 41 j. Kaufmann aus Barkley-east (Südafrika).
Anamnese: Vater starb mit 48 Jahren an Magenkrebs, Mutter
51 Jahre alt an unbekannter Krankheit. Die Geschwister des Pat. (4)
sind gesund.
Pat. war bis zu seinem 36. Jahre niemals krank, litt dann etwa
P/jJahr lang an einem Bandwurm, der jedoch nach mehrfachen Kuren
abging. Vom 38.— 40. Jahre wieder Wohlbefinden und starke Gewichts-
zunahme. Anfang November 1900 heftiger Gichtanfall im linken Fusse,
der 3 Wochen anhielt. Mitte November 1900 plötzlich heftiger Anfall
von Koliken in der rechten oberen Bauchhälfte, viel Aufstossen und
Erbrechen, die Schmerzen hielten 3 Tage lang an, Gelbsucht war nicht
vorhanden. Im Stuhlgang fand Herr Dr. M oszeik in Barkley-east
(Südafrika) angeblich Gallengries. Nach dem Anfalle 8 Tage lang
Wohlbefinden, dann traten bei der Atmung leichte Schmerzen in der
Lebergegend auf, die bald heftiger wurden. In der Neujahrsnacht
1901 entleerte Pat. dann plötzlich mit dem Stuhlgange eine grosse
Menge (V« Liter) blutigen Eiters, die Schmerzen in der Gallenblasen-
gegend hörten danach langsam auf. Bis zum Februar d. J. konnte
Pat. dann seinem Berufe wieder nachgehen, seit März hat er aber
wieder Schmerzen in der Lebergegend, die bei ruhigem Verhalten nur
gering sind, bei Bewegungen aber oft sehr heftig werden. Der be-
handelnde Arzt nimmt an, dass diese Schmerzen durch Schrumpfungs-
vorgänge und Adhaesionsbildung infolge des entleerten Abscesses ent-
standen seien. Pat. ist in Südafrika geboren und wohnt auch dort,
z. Z. hält er sich zum Besuche seiner Familie in Deutschland auf.
Sein Schwager (Herr Dr. Schade in Weissenseej schickt ihn zur
Untersuchung.
Befund: Kräftiger Mann von mittlerer Grösse. Herz und Lungen
gesund, Urin frei. In der Gallenblasengegend Druckempfindlichkeit
und undeutliche Resistenz.
Diagnose: Adhaesionen an der Gallenblase. Fistel zwischen
Gallenblase und Darm nicht unwahrscheinlich.
— 155 —
Therapie: Zunächst Kur in Neuenahr. Pat. erholt sich dort
ausserordentlich und stellt sich Anfang August in der Klinik wieder
vor. Gallenblasengegend jetzt gänzlich unempfindlich. Deshalb wird
von einer Operation Abstand genommen.
A. W., 60 j. Arzt aus Tiflis.
Anamnese: Pat. ist unverheiratet. Der Vater des Pat. hat
vermutlich an Gallensteinen gelitten, ebenso auch an Nierensteinen.
Pat. selbst ist immer gesund gewesen. Vor 12 Jahren ist bei Pat.
einmal ein Nierenstein aus der rechten Niere nach etwa 3-stündigen
starken Kolikschmerzen abgegangen. Ende November 1903 erkrankte
Pat. plötzlich eines Tages mit sofort hoch ansteigendem Fieber
(bis 40"), wobei zwar Frostgefühl, aber kein eigentlicher Schüttelfrost
sich einstellte. Zugleich traten sehr starke Druckschmerzen in der
Gegend der Gallenblase und der entsprechenden Stelle des Rückens
auf. Das Fieber hielt in gleicher Intensität mit leichten morgendlichen
Remissionen etwa 3-4 Wochen an. Kein Erbrechen, keine Übelkeit,
dagegen starke Stuhlverstopfung.' Leichter Ikterus. Nach etwa vier
Wochen fiel das Fieber allmählich ab. In der 5.-6. Woche bekam
Pat. plötzlich einen sehr heftigen Anfall von Druckschmerzen in der
Gallenblasengegend. Nach mehrmaliger Einnahme von Ol. oliv,
gingen 60—70 kleine, von einigen Ärzten für Steine gehaltene Kügel-
chen ab, die aber vermutlich keine Steine waren; sonst wurden nie-
mals Steine gefunden. Während der ganzen Zeit war die Gallenblase
stark geschwollen. Da man ein Platzen derselben befürchtete, Hess
sich Pat. zur Operation ins Hospital aufnehmen, wobei er im Wagen
sich dorthin fahren Hess. Am Tage nach der Hospitalaufnahme fühlte
Pat. plötzlich eine starke Erleichterung, fühlte sich „wie neugeboren".
Zugleich wurde im Stuhlgang mikroskopisch Eiter nachgewiesen. Von
den Ärzten wurde daher ein Durchbruch der Gallenblase, vermutlich
ins Duodenum, als wahrscheinlich angenommen, vielleicht begünstigt
durch die Erschütterung auf der Fahrt ins Hospita'. Die Besserung
hielt an, und nach weiteren IV2 Monaten (Pat. hatte im ganzen drei
Monate zu Bett gelegen) fühlte sich Pat. w^ieder wohl. Der Zustand
blieb dann bis jetzt unverändert ein gleich guter. Zur Zeit klagt Pat.
noch über ab und zu vorhandenes Gefühl von Vollsein im Leib. Wenn
der Stuhl etwas verstopft ist, stellen sich noch le'chte Druckschinerzen
in der Gegend der Gallenblase ein. Appetit gut, Körpergewicht hat
nicht abgenommen. Stuhlgang ist noch häufig verstopft. Ab und zu
hat Pat. noch über ein leichtes Frösteln zu klagen. Im übrigen fühlt
er sich ganz wohl.
Befund: Etwas ikterisch aussehender Pat. Gallenblasengegend
etwas resistent, sehr wenig schmerzhaft. Kein Fieber. Urin frei.
Diagnose: Wahrscheinlich hat ein Durchbruch der Gallenblase
in den Darm stattgefunden, doch ist es möglich, dass noch ein Stein
im Choledochus steckt. Eine Indikation zur Operation Hegt jetzt nicht
vor, Pat. soll in Karlsbad eine Kur durchmachen und bei neu auf-
tretenden Beschwerden sich wieder vorstellen.
— 156 —
Eine wichtige Frage ist die : „Soll man den Kranken sehr zur
Operation zuraten?" Gewiss tue ich das, wenn ich mit Be-
stimmtheit ein Empyem der Gallenblase, eine Perforation fest-
stelle oder die Anamnese die untrüglichen Zeichen des chronischen
Choledochusverschlusses ergab. Einen Menschen, der ins
Wasser gefallen ist, fragt man auch nicht erst, ob man ihn
retten soll : man rettet ihn eben. Einem Gallensteinkranken, bei
dem vitale Indikation zur Operation vorliegt, rede ich so zu,
dass er sich auch entschliesst.
Aber es gibt Fälle, bei denen nur eine relative Indikation
vorliegt, da überlasse ich oft dem Patienten die Entscheidung.
Ein solcher Fall war der folgende :
Professor X., 49 j. Arzt aus München.
Anamnese: Familienananmese ohne Besonderheiten, ebenso
Vorleben. 1887 erkrankte Pat. zum ersten Male mit typischen Koliken
von zirka halbstündiger Dauer ohne Ikterus, Fieber und Erbrechen.
Die Schmerzen, von der Gallenblasengegend nach dem Rücken hin
ausstrahlend, setzten Monate lang aus. 1893 Ikterus, sehr stark, ohne
Schmerzen, dabei aber Erbrechen. Gastroduodenalkatarrh. In der
Folge wieder stärkere und heftigere Koliken, zumal August 1894 ein
12stündiger Anfall ohne Ikterus; Morphiuminjektion. 14 Tage danach
Karlsbader Kur. (Herr Dr. Herrmann.) Resistenz und Druckemptind-
lichkeit in der Gallenblasengegend. (Anfälle zumeist nach Diners oder
zur Nacht oder nach Aufenthalt in schlechter Luft, auffallend war
Besserung bei frischer Luft.) Nach der Kur Anfälle nicht so intensiv,
aber ebenso häufig. Im folgenden Herbst (95) erneute Kur; vorher
im Juli desselben Jahres starker Anfall, der Morphiuminjektion er-
forderte. Nach der zweiten Karlsbader Kur Anfälle seltener und be-
deutend schwächer (ruhigere Lebensstellung). Dritte Kur Herbst 1896.
Danach völliges Wohlbefinden. 5. 10. 1897 ein Anfall von 2stündiger
Dauer nach starkem Magenkatarrh und psychischer Aufregung. Zu
Hause 3 Wochen Sprudel. Danach bis zum 18. 1. 1899 völlige Ruhe,
höchstens ab und an mal leichtes Völlegefühl nach Diners. Im letzten
Winter reichlich seelische Aufregungen. 19. 1. 1899 erneuter Anfall
mittlerer Intensität von 3 Stunden Dauer, Beginn im Rücken,
Schmerzen mehr rechts in der Lebergegend, kein Ikterus, aber Er-
brechen. Danach 8 Tage Sprudel. Wohlbefinden. Vom 3.-4. März
fieberhafter Katarrh. Am 8. 3. Anfall, Erbrechen, kein Morphium, kein
Fieber, kein Ikterus. Vom 10.— 14. 3. täglich 1 Löffel Sprudelsalz. Am
12. 3. Untersuchung durch Herrn Prof. Moritz, starke Palpation der
Gallenblasengegend. Seitdem nachts häufig unangenehme Sensationen
in der Gallenblasengegend, die stundenlang am Schlafen hinderten.
17. 3. abends ^jAO Uhr schwerer Anfall, 52 stündige Dauer, Er-
brechen, 2 mal Morphium, Schmerzen begannen in der Gallenblasen-
— 157 —
gegend, zogen nach dem Magen hin, hörten ganz plötzlich in der
Pylorusgegend auf. Kein Fieber. Am 18. 3. — 12 Stunden nach Be-
ginn des Anfalls Ikterus. Temp. 37,6. Puls 52. Stuhl während des
Anfalls braun. Am 19. deutlicher Ikterus. Am 20. 2 Uhr früh Auf-
hören der Schmerzen. Öleinlauf, danach 2 acholische Stühle. Am
20. neuer Anfall, der Morphium erfordert, kein Fieber, kein Schüttel-
frost. Ikterus geht langsam zurück bis 26. 3. 1899. An diesem Tage
mittags neuer Anfall, abends Morphium, äussert schmerzhaftes Er-
brechen. Am 27. 3. abends Fieber, exquisite Schmerzhaftigkeit der
Magen- und Gallenblasengegend (Schmerzen bei leisester Berührung,
beim Atmen und Husten). Fieber und Schmerzen gehen in den näch-
sten Tagen langsam zurück bis 31. 3. Vom 1. 4. an fieberfrei. In der
Folgezeit starker Magenkatarrh, es werden nur geringste Mengen
flüssiger Nahrung genommen.
Vom 17. 3. — 8. 4. Bettruhe. Konkremente nicht gefunden. Stuhl
wurde am 25. 3. 1899 zum ersten Male wieder braun. Vom 15. 4,
wieder Karlsbader Kur. Seit 1887 meist diarrhoischer Stuhlgang.
Pat. klagt zur Zeit über leichte Druckempfindlichkeit der Gallen-
blasengegend, Appetit und Stuhlgang sind jetzt gut.
Diagnose: Chronische Entzündung der Gallenblase. Steine in
der Blase. Verwachsungen (alte Pericholecystitis). Im März akuter
Choledochusverschluss, Stein wahrscheinlich abgegangen. Augenblick-
lich liegt zur Operation keine zwingende Indikation vor. Pat. will
die Nachwirkung der Kur abwarten, womit man sich nur einverstanden
erklären kann. Im Oktober 1899- bekam ich von ihtn Nachricht, dass
er sich vorzüglich befinde und nur dann und wann leise Mahnungen
an sein Leiden verspüre.
Im Jahre 1900 macht Pat. wieder 2 Koliken durch, aber nicht
sehr heftig. Er geht im Sommer ins Gebirge und kann Bergtouren
machen.
Neue Untersuchung 12. 9. 1900. Resistenz in der Gallenblasen-
gegend, Druckschmerzen an einem bestimmten Punkte. Augenblick-
lich wieder relative Ruhe im Gallensystem.
Epicrise: Eine zwingende Indikation zur Operation liegt
wiederum nicht vor.
Der Kollege, selbst Ciiirurg, kennt genau die Gefahren
der Cholelithiasis, die mögliche Cholangitis und Carcinombildung.
Ich habe ihm gesagt, dass bei ihm wahrscheinlich die Ectomie
incl. Hepaticusdrainage zur Anwendung komme und dass bei
dieser Operation eine Mortalität von 3 °/o in Frage käme.
Da der Befund fast negativ ist un bei der chron. recid. Form
nicht der Arzt, sondern der Pat. die Indikation stellt, da die
Notwendigkeit der Operation von der Häufigkeit und Dauer der
Koliken und ihrer Art, von dem Gebrauch des Morphiums, von
dem Befinden in dem freien Intervall abhängt, musste ich es
— 158 —
ihm ganz und gar überlassen, . ob er exspektativ oder operativ
behandelt sein wollte. In einem solchen Fall zuzureden, halte
ich für falsch, ich rede keinem Laien zu, geschweige denn
einem Arzt. Ich mache jeden auf die Gefahren der Chole-
lithiasis aufmerksam, stelle ihm die geringe Mortalität der
operativen Behandlung vor Augen, setze ihm auseinander, dass
in Karlsbad keine Heilung der Cholelithiasis, d. h. keine Auf-
lösung der Steine, keine Abtreibung derselben, sondern nur
eine Beseitigung der entzündlichen Vorgänge erfolge und dass
nur durch das Messer eine Eadikalheilung möglich sei, ich
mache ihm weiterhin klar, dass je länger man wartet, um so
mehr die Schwierigkeiten der Operation wachsen; kann sich
Patient dann noch nicht entschliessen, so mag er getrost nach
Karlsbad gehen, um noch einmal die Heilkraft des Sprudels zu
erproben.
Pat. will von weiteren Koliken den Entschluss zur
Operation abhängig machen.
Pat. hat sich dann anderweitig operieren lassen, weil „ich
ihm nicht genug zugeredet hätte." Warum ich das nicht
tat, habe ich oben auseinandergesetzt. — Ich werde nach
wie vor nach den Grundsätzen verfahren, die ich für die
richtigen halte. —
Aus diesen wenigen Beispielen, die ich leicht um eine
grosse Anzahl vermehren könnte, mag der Leser ersehen, dass
ich nicht zu den Chirurgen gehöre, „die sofort das Messer in
die kochende Sodalösung werfen , wenn ein Gallensteinkranker
die Schwelle des Wartezimmers überschreitet".
Es kann jemand im Jahr 40 und mehr Koliken haben
wenn es gelingt, dieselben schnell ohne Morphium durch heisse
Umschläge zu beseitigen, und wenn Patient dadurch in seinem
Berufe wenig gestört ist, so fällt es mir gar nicht ein, zu ope-
rieren. Und selbst bei chronischer Cholecj'^stitis, die Jahrzehnte
besteht, operiere ich nicht , wenn der Pat. in seinem All-
gemeinzustand verhältnismässig wenig leidet, in seiner Arbeits-
fähigkeit nicht gestört wird und die Anfälle einen Verlauf
nehmen, dass man doch auf eine schliessliche Latenz hoffen
kann. Diese Entscheidung ist natürlich schwer zu bringen, und
nur bei grosser Erfahrung wird man das Richtige treffen ; aber
irren kann sich jeder in der Prognose. Dessen bin ich mir
vollkommen bewusst.
— 159 —
Jedenfalls gibt es eine ganze Keihe von Contraindikationen,
die mich bestimmen, von der Operation abzustehen und den
Pat. nach Karlsbad, Neuenahr, Kissingen, Homburg, Vichy,
Tarasp zu schicken. Bei richtiger Behandlung können in
jedem dieser Badeorte bestimmte Formen der Cholelithiasis
latent werden. Können oder wollen die Kranken nicht eine Kur
in einem Badeorte durchmachen, so verordne ich ihnen für zu
Hause folgende Kur:
1. Morgens und abends wird je 1 Stunde lang ein grosser
Thermophor auf Leber- und Magengegend aufgelegt. ,
2. Nüchtern trinkt Patient V2 — 1 Liter Karlsbader Wasser,
so heiss wie möglich. Das Wasser muss wie ein heisser Um-
schlag von innen her wirken.
3. Sind die Magenfunktionen normal, Appetit gut, dann
lasse ich alles essen ; fortlassen soll der Patient das, was ihm
erfahrungsgemäss nicht bekommt.
4. Nur bei Störung des Appetits und der Verdauung ver-
ordne ich eine besondere Diät.
5. Alkohol ist unnötig; wer denselben entbehren kann, tut
am besten, gar nichts zu trinken. Wer daran gewöhnt ist, dem
schaden 2 Glas Pilsener oder sonstiges gutes Bier oder Wein
nichts.
6. Bewegung ist nur in massigen Grenzen gestattet, Massage
des Bauchs ist verboten.
7. Stuhlgang muss regelmässig erfolgen (Ölklystier).
8. Nicht selten lasse ich täglich den Magen zweimal aus-
spülen, wenn Atonie vorhanden ist und Appetitlosigkeit im
Vordergrund steht,
9. Ein Haupterfordernis ist Kühe in psychischer und phy-
sischer Hinsicht.
10. Diese Kur soll nicht nur 4 Wochen, sondern 8 — 10
AVochen fortgesetzt werden.
Ein Patient mit Gallensteinen soll — darin bin ich mit
Fink ganz einverstanden — nicht nur 4 Wochen die Kur ge-
brauchen, sondern 8 — 10 Wochen; er soll immer kurgemäss
leben, wenn er die Erfahrung gemacht hat, dass gewisse Speisen
ihm nicht bekommen. Jedes Frühjahr und jeden Herbst soll er
eine Ruhekur mit Thermophorapplikation durchführen, damit wo-
möglich entzündliche Vorgänge in der Gallenblase gar nicht zum
Ausbruch kommen.
— 160 —
Ich bin ein absoluter Feind des Schematisierens bei Gallen-
steinkranken, und das bezieht sich besonders auf die Diät. Es
gibt Ärzte, die alles Fett verbieten , nur weiches Fleisch ge-
statten, Pilsener Bier für Gift halten, und es gibt Patienten,
die vor Angst, Kolik zu bekommen, lieber verhungern. Oft ist
aber eine kräftige, aus gemischter Kost bestehende Mahlzeit
das beste Mittel, die vorhandene Kolik zu beseitigen, und mit
der Einschränkung der Diät bringt man die abgemagerten
Kranken oft noch mehr herunter. Ich lasse tüchtig Butter
essen, wenn der Patient in seinem Ernährungszustand arg herunter-
gekommen ist, und halte die alte Karlsbader Diät für einen
längst überwundenen Standpunkt, den die einsichtsvollen Kollegen
Karlsbads schon lange nicht mehr teilen. Erholt sich der
Kranke bei ausreichender Ernährung, wird der Stoffwechsel
besser, dann beobachtet man oft, dass das lokale Leiden sich
hebt und die Schmerzen bei allgemeiner körperlicher Erholung
sich bessern. Ich freue mich, dass jüngst C. Dapper in
Kissingen diesen meinen Standpunkt durch eigene Beobachtungen
und Experimente als den richtigen anerkannt hat.
Die Massage bei der Cholelithiasis verwerfe ich, da man
über den Grtid der Entzündung niemals genau unterrichtet sein
kann und jede Entzündung in der Bauchhöhle diese für viele
andere Leiden recht günstige Behandlungsweise verbietet. Wie
oft findet man Ulcerationen im Hals der Gallenblase, die bei
einer Massage zur Perforation gebracht werden können. Wer
bei Cholelithiasis massiert, beweist mir nur, dass er die
pathol. Anatomie der Krankheit nicht kennt. Die Massage
bezweckt doch vor allen Dingen die Austreibung der Galle und
der in der Gallenblase liegenden Konkremente in den Chole-
dochus. Man sollte froh sein, wenn die Krankheit sich auf die
Gallenblase lokalisiert, und wird sich nicht noch Mühe geben,
den infektiösen Inhalt in die Gallengänge hineinzupressen. Der
Stein, der in den Choledochus gedrückt wurde, kann dort liegen
bleiben, wachsen und zum Verschluss mit chronischem Ikterus und
Cholangitis führen. Die innere Medizin muss das Bestreben
haben, die Steinkrankheit auf die Gallenblase zn beschränken
und die hier sich abspielenden Entzündungen zn beseitigen.
Alle übrigen Massnahmen muss ich als unrichtig verwerfen.
Bei der Prophylaxe der Cholelithiasis wäre Massage, Gymnastik^
Rudersport etc. eine richtige Behandlung, — aber wer hat bei
— 161 —
gesunden Personen im Auge, die Ansiedlung von Gallensteinen
zu verhüten? — Erst wenn sie da sind, d. h. durch Koliken
ihre Anwesenheit verraten, lässt sich der Patient behandeln,
und dann ist Massage geradezu falsch. Ist Latenz eingetreten,
dann kann Massage und Gymnastik nur die Ruhe wieder
stören; ein Mensch, der Gallensteine in sich trägt, muss ein
beschauliches Leben führen und muss jede allzu brüske Be-
wegung vermeiden; wer im Stadium der Latenz sich befindet,
soll dafür sorgen, dass diese Latenz erhalten wird; Vermeidung
Ton Diätfehlern, Regelung des Stuhlgangs, häufige Mahlzeiten (die
einfachste Art, den Gallenfluss in Gang zu halten), viel Spazieren-
gehen (aber keine Gletschertouren !), das sind die besten Mittel,
um den Gallensteinkranken das Vorhandensein ihrer Steine nicht
zum Bewusstsein kommen zu lassen.
Wenn ich — und das ist sehr häufig der Fall — bei einem
Patienten eine Operation für unnötig halte, so richte ich mich
bei der Anordnung einer inneren Behandlung in erster Linie
nach den sozialen und häuslichen Verhältnissen des Kranken.
1. Ein Kranker, der keine häuslichen Sorgen hat und sich
zu Hause alles nach Wunsch einrichten kann, kann zu Hause
die nötige Kur vielleicht besser durchmachen wie in einem
Badeort.
2. Ein Beamter, ein Arzt, ein Kaufmann gehört in einen
Badeort oder in ein Sanatorium.
a) Nervöse und Neurastheniker gehen nach Neuenahr, nicht
nach Karlsbad, wenigstens nicht in der Hochsaison.
b) Kompliziert sich die Cholelithiasis mit einem Magen-,
resp. Darmleiden, so ziehe ich die Behandlung in einem Sana-
torium für Magenkranke vor.
3. Der Arbeiter, der weder nach Karlsbad gehen, noch zu
Hause eine rationelle Kur durchmachen kann, gehört in ein
Krankenhaus.
Oft mache ich die Erfahrung, dass die Kranken von Karls-
bad schlechter zurückkommen, als wie sie hingegangen waren.
Das gilt besonders von den „nervösen" Menschen. Sie hatten
dort keine Ruhe, waren zu viel gelaufen, hatten versäumt, die
heissen Umschläge in dem nötigen Umfange anzuwenden. So-
bald sie meinen Ratschlägen Folge leisteten und zu Hause eine
genau angeordnete Ruhekur befolgten, trat ein Umschwung in
ihrem Befinden ein. Ohne den Karlsbader Kollegen Vorschriften
Kehr, Technik der Qallensteinoperationen. I. 11
— 162 —
machen zu wollen, möchte ich doch auf die Notwendigkeit der
Durchführung grösserer Ruhe bei ihren Anordnungen hinweisen.
Das Prinzip der Ruhe ist die erste Bedingung für eine erfolg-
reich durchzuführende Kur. Darauf weist u. a. auch Pariser-
Homburg V. d. H. hin.
Den Karlsbader Kollegen weise ich im Jahre eine ganz be-
trächtliche Zahl von Kranken zu, nicht in der Hoffnung, dass
sie in Karlsbad dauernd geheilt werden, sondern nur in der
Absicht, die Krankheit in das Stadium der Latenz überzuführen.
Ich weiss, dass in Karlsbad dieser Zweck recht oft erreicht
wird und glaube, dass dies in 72 "/o (Fink) der Fälle gelingt.
Bei den Erfolgen der Karlsbader Kur darf man aber nicht ver-
gessen, dass, wie Fink selbst ausrechnet, schon 91 "/o im
Stadium der Latenz nach Karlsbad kommen; diese in ihrem
Ruhestadium zu erhalten, ist bei richtiger Diät und Innehaltung
einer strengen Kur keine besondere Leistung.
Nach seiner letzten Mitteilung erreichte Fink sogar in
87 °/o der Fälle durch die Karlsbader Kur einen guten Erfolg.
Schürmayer hatte in 80 *'/o dasselbe Resultat und behandelt
die Gallensteinkranken fast entgegengesetzt. Man muss sich
also hüten , die Wirkung einer bestimmten inneren Kur zu
überschätzen. In einer benachbarten Stadt trinkt man einen
Tee gegen Gallensteine, der in 90 "/o helfen soll. Immer das
alte Lied!
Über die Glaser 'sehe Chologen-Kur fehlt mir jede Er-
fahrung. Ich würde sie gelegentlich anwenden, doch bin ich
schon deshalb etwas misstrauisch, weil Glaser Ansichten ent-
wickelt, die in meinen chirurgischen Kopf schlecht hineinpassen.
Nach Glaser ist die Cholelithiasis eine Nervenkrankheit. Ich
ärgere mich schon genug über die vielen Diagnosen „nervöse
Dyspepsie, nervöse Leberkolik", und nun soll die Cholelithiasis
selbst eine Nervenkrankheit sein. Glaser mag das glauben,
ich nicht; aber da ich ihm den positiven Beweis, dass die
Gallensteinkrankheit keine Nervenkrankheit ist, nicht erbringen
kann, so schweige ich lieber zu seinen Theorien. Seine Cho-
logenkur zu verordnen, dazu fehlte mir der Mut. Ich bin tiber-
zeugt, dass sein Mittel auch nicht anders hilft , wie jede Ab-
führkur, umsomehr, als er noch andere Heilfaktoren in An-
wendung bringt, durch die er wahrscheinlich mehr nützt, als
durch sein Chologen. Ich verfolge doch meine intern ßehan-
— 163 —
(leiten in ihrem Befinden ganz genau und habe mit Thermophor,
Ruhe und fast ohne jede Medikation dieselben guten Erfolge. Die
Natur hilft sich oft selbst, beim Gallensteinleiden in ca 70°/o
der Fälle. Jedenfalls ist nicht erwiesen, dass man die Steine
auflösen kann. Nur sehr schwere Infektion der Gallenblase
und Gallengänge macht die Steine morsch und bringt sie zum
Zerfall. Eine therapeutische Ausnutzung dieser Beobachtung
dürfte recht schwierig sein. Von meinen Patienten hatten eine
ganze Reihe die Chologen- und Schürmayer'sche Kur durch-
gemacht; sie hatten auch anfänglich einen Erfolg verspürt.
Als ich sie aber operierte, weil keine Latenz eingetreten war,
bargen sie sämtlich grosse Steine in ihren Gallengängen und
von einer Auflösung war gar nichts zu entdecken. Und wenn
ich die sämtlichen S chürmay er 'sehen und Glaser' sehen
angeblich geheilten Gallensteinkranken operieren könnte, ich
würde — des bin ich gewiss — in allen Fällen noch die Steine
antreffen, wenn auch zur Zeit die entzündliehen Prozesse ver-
schwunden sein mögen.
So bin ich der Ansieht, dass alle internen Mittel, wie
sie auch heissen mögen, nur die augenblicklichen Äusserungen
der Cholelithiasis — die Entzündung, die Kolik, den Schmerz —
beseitigen können, dass aber eine Heilung im Sinne der Ope-
ration, Beseitigung der vorhandenen Steine, weder Olivenöl
noch Eunatrol, w^eder Clemm, Glaser noch Sehürmayer
erreichen. Eine Heilung ist möglich nur bei kleinen Steinen,
die die Papilla duodeni passieren können, oder bei grossen
Steinen durch Ausbildung von Fisteln zwischen Gallensystem
und Darm. Beide Heilungsvorgänge sind aber nicht immer
vollständig und nicht ungefährlich.
Dagegen ist der Eintritt der Latenz, die einer Heilung
gleich kommen kann, bei der Cholelithiasis ein sehr hänflges
Ereignis ; dieses kann eintreten trotz jeder Behandlung mitten
in den fürchterlichsten Koliken und Schüttelfrösten. Der wissen-
schaftliche Arzt wird nicht immer den Erfolg seiner Kur einer
Arznei zuschreiben.
Wie wenig die innere Medizin auf dem Gebiete der Gallen-
steinbehandlung leistet, wenn sie das Ziel verfolgt, wirkliche
Heilung d. h. Beseitigung der Steine herbeizuführen, das be-
weisen doch am besten die unzähligen Mittel, die immer wieder
gegen dieses Leiden empfohlen werden ; das beweisen die guten
11*
— 164 —
Erfolge so vieler Kurpfuscher, die sich rühmen, so manchen
Kranken von der Operation gerettet zu haben. Auf diesem
Felde lässt sich noch „ein gutes Geschäft" machen, da bei der
relativen Harmlosigkeit der Cholelithiasis in vielen Fällen die
gute Mutter Natur so freundlich die törichten Bemühungen kur-
pfuschender Leute unterstützt. Leider gibt es selbst Ärzte,
die eine Behandlung einschlagen, vor der der wissenschaftlich
Denkende geradezu erschaudern muss. Ich denke hier besonders
an Schürmayer. Ich würde es nicht der Mühe für wert
halten, in einem besonderen Artikel auf seine Kur einzugehen,
aber gerade in dem Moment, wo ich dieses Kapitel über die
Indikationen zur Gallensteinoperation niederschreibe, lese ich
unter „Wissenschaftliche Mitteilungen" in der Allgem, med.
Zentralzeitung 1904 Nr. 19 einen Vortrag: „Schürmayer,
Neue Gesichtspunkte in der Diagnose und Therapie der Chole-
lithiasis", den der Autor auf der 25. Versammlung der balneol.
Gesellschaft in Aachen gehalten hat. Wie eine medizinische
Zeitung einen solchen Wust von Phantastereien und kritiklosen
Anschauungen aufnehmen kann, und wie eine wissenschaftliche
Gesellschaft es dulden kann, dass ein solcher Vortrag überhaupt
gehalten wird, das verstehe ich nicht! Man lese nur, was er
zur Diagnose der Cholelithiasis sagt, wie er es versteht, die
sonst so segensreichen Strahlen Eöntgens für seine wunderliche
Kur auszunutzen. Schürmayer tischt uns hier vom Cavum
des Zwerchfells, von den Adhäsionen zwischen Leberoberfläche
und Zwerchfell Geschichten auf, dass man sich in die Zeiten von
Don Quixote versetzt glaubt. Ich habe die feste Ueberzeugung,
das§ Schürmayer die Röntgentechnik, die seiner Meinung
nach zur Diagnose der die Cholelithiasis begleitenden, patho-
logisch-physiologischen Zwerchfellbewegungen von höchster Be-
deutung ist, nur „insceniert" hat, um den Patienten durch die
geheimnisvollen Strahlen zu imponieren. Vielleicht weiss der
Leser noch einen andern Grund? — Adhäsionen zwischen Zwerch-
fell und Leberoberfläche kommen natürlich vor, wenn die
Cholangitis in der Leber bis zur Leberoberfläche vorgedrungen
ist, — aber in ca. 80 °/o der Fälle ist das Gallensteinleiden auf
die Gallenblase beschränkt und sehr selten greift der Ent-
zündungsprozess vom Choledochus auf die feinen Gänge über.
Für solche Fälle haben natürlich die diagnostischen Spitzfindig-
keiten Schürmayers gar keinen Wert. Ich bin kein grosser
— 165 —
Kenner der Röntgentechnik, aber soviel weiss ich, dass nur
Schürmayer im Röntgenbild das sieht, was er auf pag. 355
schildert — , ein Anderer würde von alledem nichts sehen. Es
ist schade um die Druckerschwärze, die nötig wäre, um die
Schlussfolgerungen Sc hürmayers hier wiederzugeben. Deshalb
mag Jeder, der die Lust verspürt, den Vortrag Schürmayers
nachzulesen, die Nr. 19 der Allgem. med. Centralzeitung sich
verschaffen; er wird nach der Lektüre der Ansichten Schür-
mayer's über diese ebenso verwundert den Kopf schütteln,
wie ich. —
Bei der Unkenntnis, die Schürmayer im Hinblick auf die
pathologische Anatomie der Cholelithiasis an den Tag legt,
kann es nicht Wunder nehmen, dass seine kombinierte Methode
der Behandlung Gallensteinkranker nach jeder Richtung hin
der nur bei Naturheilkundigen üblichen Therapie gleicht. Es
gibt nichts, was Schürmayer nicht anwendet: Elektrizität,
Massage mit Hand und Apparat, Vibrationsmassage, Oscillations-
therapie, körperliche Gymnastik mit und ohne Apparate, Atem-
gymnastik mit und ohne Apparate, Bewegungstherapie dito,
Balneotherapie, Hydrotherapie, Thermotherapie, elektrische
Wärmekissen, Elektrothermophore, Sandbäder, lokale Glüh-
lampenbäder etc. Dazu gibt er Arzneimittel ; denn w^elcher Fat.
wäre wohl zufrieden, wenn er keinen Tee oder keine Arznei be-
kommt? Er sagt zwar, dass es bei ihm keine Geheimnisse gäbe,
doch gibt er die Zusammensetzung seiner Arznei nicht an. Doch
damit nicht genug: er empfiehlt noch eine typische Lage, Taxis
genannt (nicht zu verwechseln mit der Taxis eingeklemmter
Bruchei), welche Eigenschaften haben soll, deren Schilderung
jeden ins höchste Erstaunen setzen muss. Selbst zur Beseitig-
ung von Adhäsionen wird eine symptomatische Behandlung ein-
geleitet. Zuletzt kommt die Nachkur mit der „allbewährten Trink-
kur." Ich gehe nicht weiter auf die märchenhaft klingenden Aus-
einandersetzungen ein, in denen er natürlich immer vor den ex-
tremen Chirurgen warnt, die „von ihrem vermeintlichen Alles-
können zu sehr beeinflusst sind." Es wäre allerdings traurig
und schlecht um uns bestellt, wenn wir so lückenhafte Kennt-
nisse von dem Wesen der Cholelithiasis hätten, wie Schür-
mayer. Die Seh ürmay er'sche Kur wirkt durch die Mittel,
die auch anderweitig erprobt sind : durch die Atmungsgymnastik,
die Laxantien, die Ruhe-, Thermophor- und Trinkkur und
— 166 —
was er sonst noch hinzufügt, das geschieht nur deshalb, um
den Patienten die Macht der zahlreich zu Gebote stehenden
Mittel zu zeigen und sie durch eine Polypragmasie, die gerade
dem Nichtkönner eigen ist, recht zu verblüffen.
Ich habe es bisher unter meiner Würde gehalten, über die
Therapie Schürmayer's in Diskussion zu treten, da er es nie-
mals für nötig hielt, in einer Fachzeitung über seine Kur zu
berichten; natürlich „wollte er seine neuen Gedanken erst auf
ihre Leistungskraft prüfen!" Aber das hielt ihn nicht ab,
schon seit Jahren bei den Gallensteinkranken selbst durch Ver-
senden von Prospekten und Zirkulären für seine Kur Reklame
zu machen. Erst in jüngster Zeit ist er mit seiner sog. „wissen-
schaftlichen" Mitteilung hervorgetreten; nun halte ich es für
angezeigt, die Schürmayer'sche Kur einer Kritik zu unter-
werfen, und ich komme zu dem Schluss : Sie bringt absolut nichts
neues, Schürmayer schlägt im Gegenteil eine Behandlung ein,
die für viele Fälle schadet, — und schafft er Nutzen, so ist
nicht er daran Schuld, sondern die Krankheit selbst, die eme
ungeniein grosse Neigung zur Latenz hat, auch bei ver-
kehrtester Behandlung. Und solch ein Mann wagt ^ie For-
derung an uns zu stellen, die extreme Chirurgie müsse physio-
logischer denken lernen ! Wer eine Krankheit behandeln will,
muss vor allen Dingen ihr Wesen kennen. Ich behaupte, dass
die meisten Vertreter der operationslosen Behandlung kaum
eine iVhnung haben, wie es bei einem Gallensteinkranken im
rechten Oberbauch aussieht. Sie können daher gar nicht wissen,
welche Fälle sich für die innere Behandlung und welche sich
für die operative eignen. Und deshalb sollten sie die Behand-
lung Leuten überlassen, die von der Sache etwas verstehen.
Ich bin vielleicht etwas scharf in meinem Urteil. Aber den
ehrlich denkenden und wissenschaftlich strebenden Arzt muss
es empören, wenn den Laien solche Märchen aufgetischt
und Kranke der Operation entzogen werden, denen man leicht
hätte helfen können. Ich habe kein Verlangen nach mehr Ar-
beit, denn trotz der reklamehaften Anpreisungen „operations-
loser Gallensteinbehandlung" nimmt die Zahl der Operations-
bedürftigen in meiner Klinik von Monat zu Monat zu. Es ist
mir demnach auch ganz gleichgültig, ob Schür mayer 400
oder 4000 Gallensteinkranke in seiner Anstalt mit seiner Kur
beglückt. Aber wenn ich bedenke, welche Arbeit und welcher Fleiss
— 167 —
nötig waren, damit ich die Cholelithiasis in ihrem wahren
Wesen richtig zu erfassen lernte, und wenn man sich überlegt,
auf Grund welcher mangelhaften Kenntnisse und Erfahrungen oft
die operationslose Therapie betrieben wird und wie gern die
Patienten sich ihr anvertrauen, dann möchte man alles Kurieren
am liebsten „an den Haken hängen." Mit der Zeit bricht sich
das Gute aber doch Bahn, und so wird auch die Gallenstein-
chirurgie in einem Glänze erstrahlen,, der die angeblichen Hei-
lungen und rätselhaften Erfolge kurpfuschender Personen als
Lüge und Betrug hinstellen wird. —
Wer die obigen Ausführungen über die Indikationen zur
Gallensteinoperation mit Aufmerksamkeit durchgelesen hat, wird
sich bald klar werden, welche Zwecke wir mit unseren Gallen-
steinoperationen verfolgen müssen.
Der Zweck der Oallensteinoperation ist ein dreifacher;
1) Beseitigung der durch die Anwesenheit der Steine be-
günstigten Entzündung und 2) Entfernung der Steine selbst ;
3) Verhütung einer Neubildung von Steinen. In seltenen Fällen
gelingt es, durch einfache Entfernung der Steine auch die
Forderung unter 1) zu erfüllen. Setzen wir den günstigsten Fall,
dass ein einziger grosser • Stein im Gallenblasenhals steckt;
schieben wir den Stein funduswärts und entfernen ihn, nachdem
wir die Gallenblase am Fundus geöffnet haben, von hier aus durch
eine Kornzange, so würden wir bei sofortigem Verschluss der
Gallenblase sehr schlecht für die Ausheilung der gleichzeitigen
Gallenblasenentzündung sorgen. Zwar kann, nachdem der Stein
beseitigt, der Cysticus die Drainage der Gallenblase besorgen:
aber dieser Gang ist so eng, dass wir uns auf seine Hilfe nicht
verlassen können. Überall in der Chirurgie gilt es als Grund-
satz, eine Entzündung durch ausgiebige Drainage zu behandeln.
Von dieser Forderung sollen wir auch in der Gallenblasenchirurgie
nicht abgehen, und deshalb ist es verständlich, dass ich von
einer Cyslendyse nichts wissen will. Ist sie durchführbar, so
kann man sagen, dass die Operation nicht indiziert war, denn
wie wir bereits gesehen haben, nicht der Stein als solcher,
sondern die Entzündung gibt die Indikation zur Operation ab.
Wie ich jede Gallenblase drainiere, so drainiere ich auch
jeden Choledochus, da mir die Drainage durch die enge Papille
nicht sicher genug ist. Die Choledochotomie mit Naht sollte
wie die Cystotomie mit Naht nicht mehr ausgeführt werden.
— 168 —
Vollständig verwerfe ich alle Zertrümmerungen der Steine.
Ich verstehe in der Tat nicht, wie ein so tüchtiger Chirurg,
wie Kocher, eine solche Operation als ein „vorzügliches Ver-
fahren* empfehlen kann.
Ganz unverständlich ist es, wie man Steine in der Gallen-
blase zertrümmern kann, aber auch für die Cysticus- und Chole-
dochussteine ist das Verfahren zu verlassen.
Wer garantiert dafür, dass auch alle Steintrümmer abgehen ?
Statt eines grossen Steines, der leicht herauszuschneiden war,
schaffe ich eine Menge Trümmer, eine Art Schlamm, der erst
recht zu einer Verlegung der Papille und einer Erhöhung der
Infektion beitragen kann. Ich würde die absichtliche Zer-
trümmerung eines zur Exzision geeigneten Steines für einen
Kunstfehler halten, der den Patienten berechtigte, gegen den
Operateur die Anklage zu erheben. Ich weiss sehr wohl, was
ich schreibe. Aber so sehr bin ich von der völligen Unzweck-
mässigkeit und grossen Fehlerhaftigkeit aller absichtlichen Zer-
trümmerungen überzeugt, dass ich diese meine Ansicht vor
Gericht als Sachverständiger in allen Punkten aufrecht erhalten
würde.
Es ist schon schlimm genug, wenn einmal ein Chirurg
unabsichtlich einen Stein zerbricht; aber das ist oft nicht zu
vermeiden. Die Konkremente sind oft so weich, dass sie auch
bei vorsichtiger Palpation des Cysticus und Choledochus in Trüm-
mer gehen. Aber wie man an eine Gallensteino^ration heran-
treten kann in der Absicht, eine Choledochotripsie auszuführen,
ist mir bei dem jetzigen Stand der Gallensteinchirurgie unfassbar.
Wer auf meine Erfahrungen, die ich bei fast 1000 Gallen-
steinoperationen gesammelt habe, etwas gibt, der unterlasse
also alle Verschlüsse der Gallenblase und des Choledochus und
zertrümmere vor allen Dingen mit Absicht keine Steine. Nach
jeder Operation, gleichgültig, ob ich sie an der Gallenblase
oder am Choledochus vornehme, muss ich Gelegenheit haben,
die Gallenwege ausspülen zu können, um zurückgelassene Steine
herauszubefördern ; ich drainiere die Gallenwege und erfülle so-
mit die Hauptindikation der Operation, die Beseitigung der Ent-
zündung.
Die dritte Forderung — Verhütung einer Neubildung von
Steinen — ist nicht zu erfüllen, wenn bei dem Patienten die Ten-
denz zu der Bildung von Lebersteinen besteht. Es ist zwar selten,
— 169 —
dass die Konkremente primär in den Gallengängen sich bilden,
aber es kommt doch vor. Die Hauptbildungsstätte der Chole-
lithen ist unbedingt die Gallenblase. Wird sie entfernt, so
heilen wir auch im Sinne der inneren Mediziner die Krankheit
gründlich. Doch müssen wir die Gallenblase ganz entfernen
bis zum Cysticus. Bleibt von diesem Gang viel stehen, so
buchtet sich der enge Gang allmählich aus, und in diesem
Hohlorgan kann es sehr wohl wieder zu einer Neubildung von
Steinen kommen. Im Choledochus selbst ist eine Neubildung
bei gutem Gallenfluss und offener Papille kaum denkbar.
Erhalten wir die Gallenblase, so ist es gewiss möglich, dass
sich wieder neue Steine bilden, doch ist ein derartiges Vor-
kommnis noch nicht beobachtet worden. Ich werde in dem
Schlusskapitel, in dem ich die Frage der Eezidive ausführlich
beleuchte, diesen Punkt noch weiter erörtern.
Die Verhütung der Neubildung von Steinen ist insofern
auch Sache des Chirurgen, als derselbe nach der Entlassung
des Operierten demselben Vorschriften mit auf den Weg geben
muss, wie er am besten einem Rezidiv vorbeugt. Im übrigen
tritt nach der Operation gewöhnlich wieder der innere Arzt
in Aktion und kann viel dazu beitragen, den Erfolg, den sein
chirurgischer Kollege erzielt hat, festzuhalten und zu verbessern.
Diese Vorschriften beziehen sich auf die Diät (oft, gut,
aber wenig essen!), auf die Körperbewegung (Schwimmen,
Turnen, Massage, soweit es die Narbe erlaubt) ; sie bezwecken in
erster Linie, die Funktionen der Leber, des Magens und Darms
zu beleben, den Gallenfluss anzuregen und die Fortleitung des
Pfortaderblutes zu beschleunigen. Nach erfolgter Operation ist
also eine Massagebehandlung gewiss am Platze, und es würden
dann überhaupt alle die Massnahmen in Betracht kommen, die
Schürmayer fälschlich gebraucht, während der Patient noch
Steine beherbergt: Atmungstherapie, Balneotherapie, Hydro-
therapie etc.
AVer meine Publikationen über die Gallensteinkrankheit
kennt, der weiss, dass ich gern den Gallensteinoperierten
Karlsbader Kuren empfehle und mir wohl bewusst bin, dass
mit der Operation allein die Krankheit nicht behoben wird,
sondern dass ein verständiges Verhalten der Patienten dazu
gehört, um das, was wir durch den Eingriff erreicht haben,
dauernd festzuhalten. —
— 170 —
Ich will diesen Abschnitt ü|?er die Indikationen und Contra-
indikationen zu einer Gallensteinoperation nicht schliessen, ohne
der Indikationsstellung Finks gedacht zu haben.
Fink sagt in seiner Arbeit: Erfolge einer einmaligen Kur in
Karlsbad usw. auf p. 51: „So günstig auf der einen Seite die
durch die Karlsbader Kur erzielten Erfolge sind, muss ich auf
der anderen Seite erklären, dass ihr Grenzen gesteckt sind.
Diese Grenzen sind gegeben durch die Fortdauer der Be-
schwerden, durch das Hinzutreten einer Infektion und durch
den chronischen Choledochusverschluss." Im Hinblick auf Punkt 1
und 3 bin ich derselben Meinung wie Fink, Punkt 2 kann ich
nicht billigen. Die Infektion tritt nach meiner Ansicht, abge-
sehen von den Adhäsionskoliken, wohl in jedem Fall von Chole-
lithiasis hinzu, wenn sie aus dem latenten Stadium in das
aktuelle hinübertritt. Man müsste also in jedem Falle von
Cholecystitis operieren. Würde Fink sagen: Durch das Hin-
zutreten einer schweren akuten oder einer chronisch werden-
den Infektion, so würde ich gegen seine Indikationsstellung
nichts einwenden. Fink hat über die Pathologie der Chole-
lithiasis ganz andere Ansichten wie z. B. Törnquist und
ich: er legt den mechanischen Einwirkungen der Steine einen
viel grösseren Wert bei. Ich bin überzeugt, dass Fink, wenn
erst seine z. Zt. noch spärlichen operativen Erfahrungen zuge-
nommen haben und er einmal Gelegenheit hatte, Fälle von akuter
Cholecystitis und akutem Choledochusverschluss zu operieren,
sich mehr und mehr meinen Anschauungen über die Entstehung
der Koliken etc. anschliessen wird.
— 171 —
II. Die spezieile Technik der Gallensteinoperationen.
Courvoisier hat in seinem vorzüglichen Werke: „Casui-
stisch- statistische Beiträge zur Pathologie und Chirurgie der
Gallen wege, Basel 1890" die Betrachtung der Operationen am
Gallensystem nach folgendem Plan vorgenommen:
1. Operationen an schon bestehenden äusseren Fisteln der
Gallen wege.
2. Operationen an der mit der Bauchwand verwachsenen
Gallenblase.
3. Operationen an der freien, nicht mit der Bauchwand ver-
wachsenen Gallenblase — Laparotomische Operation.
Zwar ist es, wie Courvoisier sagt, richtig, dass diese
Einteilung historisch -genetisch begründet ist, mir scheint es
aber praktischer, wenn ich Nr. 3 vorw^eg nehme, dann Nr. 2
und zuletzt Nr. 1 folgen lasse. Denn äussere Fisteln entstehen
zwar oft spontan, sind aber meistenteils doch die Folge von
unseren Operationen. Ich bespreche also zunächst die Operationen
an der freien, mit der Bauchwand nicht verwachsenen
Oallenblase. Die Nomenclatur der Operationen am Gallensystem
ist durch Courvoisier 's Bemühungen geordnet worden. Statt
der langen Bezeichnung Totalexstirpation der Gallenblase ge-
brauche ich überall das Wort: Ectomie. Der Unterschied zwischen
primärer oder sekundärer Cysticotomie bedarf keiner weiteren
Erklärung. Statt Cystendyse könnte man besser sagen Cys-
totomie, im Gegensatz zur Cystostomie (Fistelbildung), doch hat
sich die Bezeichnung Cystendyse resp. ideale Operation so ein-
gebürgert, dass wir bei dieser Bezeichnung bleiben wollen.
Wer sich tür die Geschichte der Gallensteinoperationen
interessiert, den verweise ich auf die Werke von Courvoisier
und Langenbuch; in meinem Buche ist kein Kaum, sich mit
der Geschichte der Gallensteinchirurgie eingehend zu befassen,
ich werde nur bei den einzelnen Operationen einige historische
Daten wiedergeben.
1. Die Operationen an der Gallenblase.
Mein Buch ist betitelt: „Die in meiner Klinik geübte
Technik der Gallensteinoperationen." Es muss deshalb den
Leser befremden, dass ich in den folgenden Kapiteln zwei Ope-
rationen bespreche, die ich nicht übe; ich meine die Punktion
der Gallenblase durch die Bauchwand hindurch und die
ideale Operation (die Cystendyse). Ich hätte allerdings diese
— 172 —
beiden Operationen weglassen können , da sie einfach nichts
wert sind, aber ich will sie doch anführen, erstens der Voll-
ständigkeit halber, zweitens, weil ich es für angebracht halte,
Kritik an diesen Methoden zu üben, und drittens, weil es
immer noch Ärzte gibt, die es sich nicht versagen können, die
Punktion der geschwollenen Gallenblase vorzunehmen. Wenn
auch ein erfahrener Chirurg, der die Gefahren der Punktion
kennt, kaum noch die Punktionsnadel in die Gallenblase hinein-
stösst, so ist dagegen die Cystendyse noch nicht völlig aus der
Gallenblasenchirurgie verbannt. Vielleicht gelingt es meinen Be-
mühungen, dieser „jammervollen" Methode den Todesstoss zugeben
und sie endgültig in die chirurgische Rumpelkammer der histo-
rischen Operationen zu werfen, in der sie neben so vielen schlech-
ten Methoden für immer liegen bleiben kann. Ich bespreche zuerst
a) Die Punktion der Gallenblase.
Diese häufig zu diagnostischen, selten zu kurativen Zwecken
vorgenommene kleine Operation wird entweder mit feiner Nadel
oder dünnem Troicart ausgeführt. Dass der Arzt bei dieser
Prozedur streng aseptisch verfährt, d. h. die Nadel auskocht
und seine Hände und die Bauchhaut gehörig desinfiziert, ver-
steht sich von selbst. Aber trotz aller Asepsis haften der
Punktion so grosse Gefahren an, dass ich eindringlich vor der-
selben warnen muss.
Die Gallenblase steht oft unter hohem Druck, enthält in-
fektiöses Sekret, so dass, wenn wirklich die Nadel das Hohl-
organ trifi't, gl»3ich beim Herausziehen flüssiger Inhalt leicht aus
der Punktionsstelle nachsickern kann, wodurch der Patient in
grosse Lebensgefahr gebracht wird. Der pralle Tumor der
empyeraatösen Gallenblase , der oft die Grösse eines Kinds-
kopfes erreicht, mag manchen Arzt verlocken , die * Punktions-
nadel in die Hand zu nehmen, um den ungläubigen Angehörigen
durch Vorzeigung von Eiter die Notwendigkeit der Operation
zu beweisen. Aber ehe der Eingriff stattfinden konnte , hatte
eine rasch eintretende Peritonitis die Vorbereitung zur Operation
und den Transport in eine Klinik unnötig gemacht.
Hat sich in den Bauchdecken über der Gallenblasengegend
ein deutlicher Abszess ausgebildet, der fluktuiert, so wird
man gegen die Punktion nichts einwenden , wenn es darauf
ankommt, dem Patienten, der sich nicht zur Operation ent-
schliessen kann, durch Vorzeigen der mit Eiter angefüllten
— 173 —
Spritze die Notwendigkeit der Operation klar zu machen.
Ebenso ist es nach gemachter Bauchwandinzision bei einer
Gallenblase, die mit dem Peritoneum parietale verwachsen ist,
oft von Vorteil, eine Stelle aufzusuchen, an welcher die Er-
öffnung der Gallenblase erfolgen kann. Einstiche unter genauer
Kontrolle des Auges, nicht zu tief geführt, werden in solchen
Fällen niemals schaden. (Nr, 55.)
Wenn ich schon von der Punktion einer palpablen grösseren
Gallenblase gänzlich abraten muss, so brauche ich kaum darauf
hinzuweisen, dass ich Harley's Prozedur mit einer spitzen
Nadel, die er durch die Bauchwand durchstiess, um nach Steinen
zu suchen, geradezu verdammen muss. Der Autor nennt dieses
Verfahren „easy and safe" (leicht und gefahrlos); es ist mehr
leichtsinnig wie leicht und dabei höchst gefahrvoll, denn
Harley's Patient starb, wie Courvoisier angibt, 24 Stunden
danach an Peritonitis.
b) Die Cyste ndyse (ideale Operation) und ihre
Modifikationen.
Es sind gerade 20 Jahre verflossen, seit diese Operation
zum erstenmale (Meredith) ausgeführt wurde. Damals war die
Operation kein Fehler, im Gegenteil eine grosse Tat. Heute,
nachdem wir durch unsere Autopsien in vivo ganz genau die
pathologische Anatomie der Cholelithiasis studieren und erlernen
konnten, möchte ich die Operation, wenn sie wegen Choleli-
thiasis vorgenommen wird, geradezu als einen Kunstfehler hin-
stellen. Ist dieses Urteil nicht allzu hart? Ich werde Ge-
legenheit haben in einem späteren Kapitel, in dem ich von der
Wahl der Operationsmethoden sprechen will, die Gründe an-
zugeben , warum man keine Cystendyse mehr machen darf; in
diesem Kapitel interessiert uns vorerst nur die Technik, deren
Einfachheit vielleicht gerade daran Schuld war, dass sich diese
Operationsmethode in die Chirurgie einbürgern konnte.
Bei der Cystendyse (^vouw, ich versenke) wird die geöffnete
und entleerte Gallenblase wieder vernäht und versenkt. (Nr. 1 u. 2.)
Man hat diese Operation auch die ideale genannt, und in der Tat ver-
dient sie diese Bezeichnung, denn für die Praxis ist sie nichts wert.
Bei der Cystendyse eröffnet man wie bei der Cystostomie
die Gallenblase am Fundus, nachdem man den flüssigen Inhalt
durch Aspiration möglichst entleert hat, extrahiert die Steine
mit Zangen oder Löffeln, reinigt die Höhle und näht die Gallen-
174 —
blaseninzision wieder zu. Dabei nimmt man Bedacht, dass die
Fäden nur die Serosa und Muscularis und nicht die Mucosa
durchdringen, damit keine Inkrustation derselben stattfinden kann.
Die Naht ist ein- oder zweireihig, jedenfalls dicht anzulegen.
Ganz kühne (?) Chirurgen — man müsste richtiger sagen: un-
vorsichtige Chirurgen — versenkten dann die Gallenblase und
vernähten die Bauchwunde völlig. (Fig. 81.) Vorsichtigere Leute
brachten die Gallenblasennaht extraperitoneal, d. h. sie nähten den
Gallenblasenfundus rings an das Peritoneum parietale, und legten
einen Tampon auf die Naht (Fig. 32), damit bei einem etwaigen
Fig. 31
Fig. 32.
Schema für Cystendyse ohne Tarn- Schema fUr Cystopexie.
ponade mit völligem Verschluss der
Bauchhöhle.
Autbruch der Naht der Gallenblaseninhalt sich nach aussen ent-
leeren konnte. Diese extraperitoneale ideale Methode (Parkes,
Carmalt 1886) haben Czerny und Kümmell*) öfters ge-
übt, ich glaube aber kaum, dass sie die Operation (Cystopexie)
jetzt noch häufiger anwenden.
Lässt sich die Gallenblase, weil sie hoch liegt oder ge-
schrumpft ist, nicht ohne Zerrungan das Peritoneum parietale heran-
bringen und hier einnähen, so führt man auf die Gallenblasennaht
in die Tiefe einen oder mehrere tamponierende Gazestreifen und
sichert so die Peritonealhöhle vor einem Einfliessen von Gallen-
blaseninhalt. (Fig. 33.) Schon nach 24 — 48 Stunden stellen sich Ver-
•) Deutsche med. Wochenschrift 1897, Nr. 35—37.
175 —
Fig. 33.
klebungen ein, die den Operierten vor dem grössten Unglück, das
eintreten kann, der Peritonitis, schützen. Wer die pathologische
Anatomie der Cholelithiasis kennt, wer weiss, wie absolut un-
sicher wir bei einfacher Eröffnung der Gallenblase in der Ent-
fernung der Steine aus dieser und aus dem Ductus cysticus
sind, der kann und darf
die Cystendyse nicht
gutheissen und aus-
führen. Ich will hier
auf eine nähere Kritik
dieser Üperations-
methode nicht weiter
eingehen und verspare
mir das auf ein späteres
Kapitel, aber man kann
gar nicht genug vor
dieser Operation war-
nen, die, in jeder Be-
ziehung unrationell,
heutzutage gar nicht
mehr verdient, erwähnt
zu werden. Die bei- Schema fUr cystendyse mit Tamponade.
gefügten schematischen Zeichnungen, welche die ideale Operation
und ihre Modifikationen erklären, ersparen mir über diese Ope-
rationsmethode weitere Worte.
Ich erwähne der Vollständigkeit halber noch einige Methoden
des Gallenblasenschnitts, doch bemerke ich gleich jetzt, dass
keine derselben in meiner Klinik zur Anwendung kommt.
Ein umständliches Verfahren gibt Bloch*) an, im Be-
streben, die ideale Methode zu vervollkommnen, um die dabei
bestehende Gefahr des Aufgehens der Gallenblasennaht zu
vermeiden und der Bildung von Verwachsungen, wie sie bei
der zweizeitigen Operation angestrebt" werden^ und deren event.
Folgen aus dem Wege zu gehen. Bloch ging folgender-
massen vor: Nach Eröffnung des Bauches in der Median-
linie wurden Verwachsungen zwischen Gallenblase und Netz
resp. Colon gelöst. Die grosse steingefüllte Gallenblase
•) Oskar Bloch, Cholecystostomie extra -abdominale (extra-
cntan^e). Revue de Chirurgie. Bd. 15, p. 147, 1895, referiert von Fleisch-
haue r im Jahresbericht für Chirurgie 1895 von Hildebrand.
— 176 —
zog Bloch aus der Bauchhöhle hervor, fixierte sie an der
Haut und schloss um sie herum die Bauchwunde. Drei Tage
später wurde die Gallenblase eröffnet, die Steine entleert und
die Bauchwunde vernäht. 9 Tage später löste der Operateur
nach vorheriger Desinfektion die Verwachsungen zwischen Blase
und Peritoneum parietale, reponierte die Blase in die Bauch-
höhle und vernähte die Bauchhöhle. Mit dieser Operation hat
grosse Ähnlichkeit eine bereits 1890 von Wolf 1er*) und
Senger**) angegebene Modifikation der Cystendyse.
Ich glaube nicht, dass sich die Erfinder noch heute
ihrer Methoden bedienen. Sie haben den Nachteil, dass man
niemals sicher ist, dass alle Steine entfernt sind. Was man
in einer Sitzung erreichen kann, soll man nicht auf drei
Operationen verteilen. Nicht viele Patienten würden sich zu
solchen Wiederholungen verstehen !
c) Die zweizeitige Cystostomie.
Die zweizeitige Cystostomie (Blodgett und Kocher 1878,
König 1882) ist die einfachste uifd leichteste Operation an der
Gallenblase. (Nr. 3 — 5.) Sie stellt eigentlich nichts weiter vor als
eine Probeincision
mit Herstellung sol-
cher Verhältnisse,
dass es möglich ist,
in 8—14—21 Tagen
die freigelegte Gal-
lenblase zu eröffnen.
Früher hat man,
wie man den Leber-
echinococcus zwei-
zeitig operierte,
auch grosse, leicht
einnähbare Gallen-
blasen der zwei-
zeitigen Cystostomie
unterworfen ; heut-
zutage wird kein
Chirurg mehr — wer es tut, ist eben kein Chirurg 1 —
eine grosse mit dem Fundus bis an das Peritoneum parietale
*) Wölfl'er, Wiüner klin. Wochenschr. 1890. Nr. 20 u. 21.
**) Senger, Berliner klin. Wochenschr. 1890. Nr. 22.
Fig. 34.
Schema für zweizeitige Cystotsomie. I. Akt.
(Bei »erfolgt im II. Akt die Incision der Gallenblase.)
— 177 —
reichende Gallenblase der feigen Methode zweizeitiger Cystostomie
unterwerfen. Für solche Fälle ist die zweizeitige Operation, die
vor 20 Jahren bei der mangelnden Ausbildung der Antiseptik
gewiss ihre Berechtigung hatte, heute geradezu ein Kunstfehler.
Der Schnitt zur zweizeitigen Operation kann entsprechend
dem Zweck, den wir bei der Operation im Auge haben, recht
klein sein, so klein, dass wir gerade den Fundus der Gallenblase
freilegen und einen Tampon bis auf die Kuppe der Gallenblase
leiten können. Mehr wie 6—8 cm. lang braucht der Muse. rect.
abd. im äusseren Drittel nicht inzidiert zu werden. Die Fasern des
Muse. rect. abd. werden stumpf getrennt, nur die spritzenden
Gefässe werden ligiert, und man sieht auch hier zu, dass man
die Nerven in den Inscript. tend. nach Möglichkeit schont. Ist
die hintere Muskelscheide samt dem Peritoneum in einer Aus-
dehnung von 4 cm. geöffnet, dann schiebt man etwa hervor-
quellendes Netz und Darm bei Seite und sucht die Gallenblase auf.
Ich widerrate, irgendwelche Fäden zwischen Peritoneum pariet.
und Gallenblase anzulegen, da man nie wissen kann, wie dick
resp. wie dünn die Gallenblasenwand ist, und ob nicht beim
Anstechen die Nadel zu tief dringt und das Hohlorgan eröffnet.
Ebenso ist der Kiedel'sche schwarze Faden am Fundus der
Gallenblase, wo man die spätere Incision vornimmt, überflüssig;
auch bei seiner Anlegung kann man die Gallenblase eröffnen,
und legt man ihn zu oberflächlich an, so kann man sicher sein,
dass er beim Verbandwechsel nach 8 oder 14 Tagen sich bereits
abgestossen hat und den erhofften Zweck nicht mehr erfüllt. Ich
für meine Person verzichte überhaupt soviel wie möglich auf
zweizeitige Cystostomien ; wenn ich sie ausführe, so fixiere
ich die Gallenblase aus obigen Gründen nicht durch Fäden, ich
wende aber eine reichliche Tamponade an, damit ich die Gallen-
blase wieder finde. Wenn es möglich ist, so möchte ich einzig und
allein die Fixation des genau über der Gallenblase liegenden
Leberrandes erlauben. Mit 2 mittelstarken Fäden, denen Draht
untergelegt wird, wird die Leber am Perit. pariet. und der tiefen
Fascie fixiert (über den Zweck des untergelegten Drahtes siehe
weiter unten); dann lege ich 3 Tampons um die Gallenblase, einen
lateral, einen medial, einen unterhalb der Gallenblase und
schiebe diese Tampons ungefähr bis zur Mitte der Gallenblase
vor. In die Mitte dieser Tampons, also genau auf den Fundus
der Gallenblase, kommt ein vierter Tampon, den ich beim Ver-
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. I. 12
— 178 —
bandwechsel nach 12 — 14 Tagen zuerst entferne. In derselben
Vertikallinie, in welcher die Leber angenäht ist, muss ich auf
die Gallenblase stossen, und genau über dem unterhalb der
Gallenblase eingelegten Tampon liegt ihr Fundus. Die Tamponade
sei ja nicht zu gering, man soll sich den Zugang zur Gallenblase
nicht noch mehr erschweren, als das bei der zweizeitigen Methode
schon an und für sich der Fall ist.
An der äusseren Wunde ist nach der zweizeitigen Ope-
ration nicht viel zu nähen. Der Spalt im Peritoneum ist völlig
von Tampons ausgefüllt , an dem Schnitt im Rectus ist auch
weiter nichts zu tun, höchstens kann man durch ein paar Haut-
nähte die äussere Wunde verkleinern. Patient erhält einen Gaze-
Watte verband , kommt zu Bett und wird die nächsten Tage
wie jeder Laparotomierte behandelt. Meistenteils tritt über-
haupt keine Reaktion ein, wenn nicht der Inhalt in der Gallen-
blase besondere Veränderungen eingeht. Am Peritoneum selbst
macht sich kaum je eine Reaktion bemerkbar.
Nicht zu früh, am 12. oder 14. Tage, entfernt man zuerst
den mittleren Tampon, event. unter reichlichem Spülen mit
40° C. warmer Kochsalzlösung. Mit einer feinen langen Hohlnadel
sticht man die Gallenblase an , ehe man mit spitzem Messer
oder dem Paquelin die eigentliche Eröffnung vornimmt. Man
kann die drei abschliessenden Tampons event. noch einige Tage
liegen lassen, oder auch, wenn sie locker sind und etwas riechen,
entfernen. War der Cysticus offen, so fliesst Galle, war er
verschlossen, Schleim oder Eiter. Mit K^ornzange, Löffeln und
durch Spülung mit Kochsalzlösung unter leichtem Druck be-
fördert man die Steine heraus, sondiert, ob noch weitere Steine
vorhanden sind, legt ein Rohr oder etwas Gaze in die Gallenblase
und lässt die äussere Wunde so weit klaffen, dass man noch nach
Wochen einen guten Zugang zur Gallenblase hat. Ein neuer dicker
Verband — Mooskissen oder Zellstoffwatte — folgt. Pat. kann event.
aufstehen und zur ambulatorischen Behandlung entlassen werden.
Sowohl die primäre zweizeitige Operation als auch den
ersten Verbandwechsel, d. h. die Eröffnung der Gallenblase, kann
man ohne allgemeine Narkose ausführen. Die Seh le ich 'sehe
Anästhesie genügt bei kouragierten Kranken völlig, für sensible
Naturen empfehle ich. wenigstens für die Bauchdeckenincision^
die Narkose, allenfalls den Ätherrausch. Ich ziehe die Sauer-
stoff-Chloroformnarkose vor.
— 179 —
Die zweizeitige Operation verdankt ihre Entstehung der Furcht,
dass bei sofortiger Eröffnung der Gallenblase infektiöses Material
in die Bauchhöhle einfliessen und Peritonitis verursachen kann.
In den Fällen, wo wir diese Gefahr verhüten können, ist
die zweizeitige Operation absolut unnötig, — also bei grosser,
leicht zugänglicher Gallenblase, die sich sogar extraperitoneal
punktieren und entleeren lässt.
Nur bei Gallenblasen, deren Scheitel nicht bis an das Perit.
parietale gebracht werden kann, bei kleiner, geschrumpfter
Gallenblase, die hoch unter der Leber liegt, wäre das Ver-
fahren gerechtfertigt. Aber auch in diesem Falle können wir
die Gallenblase so entleeren, dass die übrige Peritonealhöhle ge-
schützt wird, und wir können hinterher durch das Schlauchver-
fahren eine spätere Infektion der Peritonealhöhle, wenn auch
nicht in allen, so doch in den meisten Fällen vermeiden.
Bei geschrumpfter Gallenblase konkurrieren drei Methoden :
die zweizeitige Cystostomie^ die Ectomie und das Schlauchver-
fahren. Ist eine Ectomie möglich, so ist diese Methode die beste,
dann folgt an zweiter Stelle das Schlauchverfahren, erst in
letzter Linie steht die zweizeitige Operation.
Aber oft war die Narkose — wenigstens war dies früher bei
reiner Chloroformnarkose oft der Fall — so schlecht, dass wir
bei dem fortwährenden Pressen und Würgen des Patienten
keinen Schritt vorwärts kommen und weder die Gallenblase
exstirpieren noch eröffnen konnten. Für solche Fälle empfehle
ich die zweizeitige Operation ; die Indikation liegt also mehr
in einer mangelhaften Narkose, als in der schweren Erreich-
barkeit des Organs. Seitdem wir die Sauerstoff-Chloroform-
Narkose (seit Fall 792) eingeführt haben, waren alle unsere
Narkosen so gut, dass wir keine zweizeitigen Operationen mehr
vorzunehmen brauchten.
Riedel empfiehlt die zweizeitige Operation jedem An-
fänger, besonders dem Autodidakten, der nichts gesehen hat.
Ich möchte solchen Ärzten, wie ich bereits bei den Vorberei-
tungen zur Operation auseinandersetzte, empfehlen, über-
haupt nicht zu operieren. Was wird schliesslich erreicht?
Glatte Heilung bei offenem Cysticus — in diesen Fällen ist eine
Operation gewöhnlich contraindiziert — , Schleim- oder Eiter-
fisteln beim Cysticusstein. Der betreffende Arzt blamiert sich, er
bekommt den Stein nicht heraus, ein erfahrener Chirurg wird ge-
12*
— 180 —
holt, dieser bessert den Schaden aus, und der ganze Zorn der Ange-
hörigen und des Patienten wird über den ersten Arzt ausgegossen.
Wenn ich den Anfängern einen wohlgemeinten Rat geben
soll, so ist es dieser: Nehmt Euch Zeit, einmal 6 Wochen
in eine Klinik, in welcher die Gallensteinchirurgie als Speziali-
tät getrieben wird, zu gehen und die Gallensteinchirurgie zu
studieren 1 Der Anfänger wird einen Schrecken bekommen
über die Schwierigkeiten der meisten Gallensteinoperationen
und wird, wenn er klug ist, die Hand davon lassen. Der sonst
chirurgisch gebildete Arzt wird sich sagen: In den 6 Wochen
habe ich noch zu wenig gesehen, ich will noch 6 Wochen
anwenden, ehe ich einen Gallensteinkranken der Gefahr der
Operation aussetze. Manche werden ohne viel Überlegung
darauf losschneiden, manche werden Alles erst genau erwägen,
— die Naturen sind eben verschieden, und die guten Erfolge
hat nicht immer der vorsichtige Arzt, oft fallen sie dem wag-
lustigen Chirurgen leichter zu wie dem, der „allzu viel bedenkt."
Die Vorteile der zweizeitigen Operation — die sichere
Bewahrung der Peritonealhöhle vor der Infektion — werden durch
die zahlreichen Nachteile vielfach aufgewogen. Wir können
uns nicht über die Verhältnisse am Cysticus und Choledochus
orientieren; die spätere Entfernung des Steins im Gallenblasen-
hals und Cysticus macht die grössten Schwierigeiten, ja ist
oft ganz unmöglich und erfordert schliesslich ganz besonders
schwierige Eingriffe.
Diese Unvollkommenheit der zweizeitigen Operationsmethode
hat mitEecht diese von Riedel so gepriesene Operation in Miss-
kredit gebracht, und wir haben allen Grund, dieselbe auf die
allernotwendigsten Fälle einzuschränken.
Für mich hat wie gesagt in . den letzten Jahren nur noch
eine Indikation zur zweizeitigen Operation bestanden: das war
die schlechte Narkose. Wenn ein Patient nach Eröffnung der
Bauchhöhle fortwährend presst und würgt uud bei jeder Manipu-
lation am Peritoneum parietale blau wird, dann kann man nicht
weiter operieren. Man legt Tampons um und auf die Gallenblase
und verschiebt die Eröffnung der Gallenblase auf eine spätere Zeit.
d) Die einzeitige Cystostomie.
Bei der einzeitigen Cystostomie (Bobs 1867, Sims 1878)
erfolgt die Freilegung der Gallenblase und ihre Entleerungsofort;
das Organ wird nicht geschlossen, sondern ein Gallenblasenmund
— 181 —
(Stoma) hergestellt, der die Galle nach aussen ableitet und
wochenlang eine Nachbehandlung des Gallenblaseninneren ge-
staltet. Die Einzelheiten des Verfahrens sind verschieden, je
nachdem die Gallenblase übergross, gross oder klein ist, der
Inhalt aus Galle, Serum oder Eiter besteht, und der Ductus
cysticus durch einen Stein verschlossen ist oder nicht.
Nehmen wir den Fall an, dass wir es mit einer grossen
Gallenblase zu tun haben , deren Cysticus resp. Hals frei ist
und deren Inhalt aus Steinen und Galle besteht, während
Verwachsungen fehlen.
Die Operation wird dann folgendermassen verlaufen:
Über die Schnittführung durch die Bauchwand habe ich
bereits im allgemeinen Teil auf p. 64 die notwendigen Angaben
gemacht. Ich möchte nur wiederholen, dass ich auch für die
leichteren Fälle den Wellenschnitt empfehle, da man vorher nie-
mals wissen kann, ob es nicht doch statt der geplanten Cys-
tostomie zu einer Ectomie kommen wird.
Ist die Bauchhöhle eröffnet, so wird die Gallenblase mit
mehreren genähten Tupfern so umstopft, dass nur ihr Fundus
hervorschaut; sowohl die Bauchhöhle ist völlig abgeschlossen,
als auch die äussere Wunde überall von Kompressen bedeckt.
Der Operateur fasst nun mit einer Hakenpinzette, die er in der
linken Hand hält, die Gallenblase am Fundus, ebenso der Assistent.
Ist die Gallenblase sehr prall gefüllt, so ist das unmöglich,
man verzichtet auf die Benutzung der Instrumente und fixiert
die Gallenblase mit dem Zeigefinger und Daumen der linken
Hand, damit sie beim Einstechen nicht entweicht. Eine dicke
mit einem Schlauch versehene Nadel wird in die Höhle der
Gallenblase eingestochen, die Instrumentenreicherin setzt den
Dieulafoy an und zieht den Gallenblaseninhalt heraus. Der
Wärter hält unter die Spritze eine ausgekochte Schale, in welche
der aufgefangene Inhalt unter langsamen Druck entleert wird.
Ist die Gallenblase sehr gross und sehr prall gefüllt, so kann
man auch direkt unter den Fundus eine kleine Schale z. B. eine
ausgekochte Untertasse halten, den Fundus der Gallenblase an-
stechen und so ihren Inhalt entleeren. Aber die Aspiration
entfernt sicherer den ganzen Inhalt der Gallenblase. In einzelnen
Fällen ist der Gallenblaseninhalt so zähe und dick (Nr. S8), dass
eine Aspiration nichts herausbefördert. Ich empfehle dann die
Ectomie, oder man muss den G^llenblaseninhalt durch Incision
— 182 —
entfernen. Besonders bei schlaffen Bauchdecken, bei Hepato-
ptose kann man die Leber samt der Gallenblase extraperitoneal
lagern, durch Incision die Gallenblase direkt entleeren und
den Inhalt in eine ausgekochte Schale auslaufen lassen.
Doch kann es dabei durch plötzliche, unvorhergesehene Be-
wegungen des Kranken passieren, dass doch etwas danebenläuft,
so dass ich dem Arzte, der Vorsicht über alles stellt, die
Aspirationsmetbode als die sicherste empfehlen möchte. Fällt
die Gallenblase nach erfolgter Aspiration zusammen, so kann
man sie inzidieren, etwa 1 cm. lang. Vorher ist es zweck-
mässig, mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand an
der medialen Fläche der Gallenblase in die Tiefe bis an den
Cysticus- zu gehen, um sich zu überzeugen, dass wirklich die
Gallenblase völlig entleert ist. Bei Divertikelbildung bleiben
diese Ausbuchtungen oft noch gefüllt, und streicht man sie fun-
duswärts aus, so fliesst immer noch eine oft recht bedeutende
Menge Flüssigkeit durch die Nadel ab. Die Inzisionsränder der
Gallenblase werden mit 2 Roser- oder 2 P(?an- oder 2 König-
klemmen gefasst; schliessen, wie das häutig der Fall ist, diese
Instrumente nicht gut, so ist ein Durchstechen eines Fadens auf
jeder Seite zu empfehlen. Man schafft sich so zwei Haltezügel,
die uns im weiteren Verlauf der Operation gute Dienste leisten !
Nun blickt man in die Gallenblase hinein, der Finger hat aber
in dem Organ nichts zu suchen. Sieht man noch Flüssigkeit, so
wird diese mit der „Gallenpinzette", (die nur für diesen Zweck
gebraucht, danach sofort in eine mit 3 °/o Carbolsäurelösung ge-
füllte ausgekochte Schüssel geworfen wird) durch feine Gaze-
streifen entfernt. Man achte darauf, dass kein Tropfen daneben
fliesst. Sieht man Steine, so werden sie mit Kornzange oder
Löffeln entfernt. Auch diese Instrumente werden als infiziert be-
trachtet und nur im Innern der Gallenblase benutzt. Für die
spätere Tamponade gebraucht man eine besondere Kornzange. So
räumt man allmählich die Gallenblase aus, bis sie anscheinend
leer ist und führt in sie einen Streifen Gaze, der so tief wie
möglich bis zum Hals der Gallenblase vorgeschoben wird. Es
ist zweckmässig, diesen Streifen mit einem Faden zu versehen
oder etwas aus der Gallenblase heraushängen zu lassen, da es bei
grossen Gallenblasen nicht immer leicht ist, ihn später zu entfernen.
Eine kleine Ruhepause benutzt der Operateur, um sich frisch
mit Alkohol und Kochsalzlösung zu waschen. Dann revidiert
— 183
Fig. 35.
er den Hals der Gallenblase und den Cysticus. Zu diesem
Zweck drängt der Assistent mit leichtem Druck Pylorus und
Duodenum, Netz etc. medial und abwärts, während der Operateur
die Gallenblase sanft anhebt und die Leber nach rechts oben schiebt.
Ein geübter Chirurg wird bald klar sein, ob alle Steine aus dem
Cysticus und Hals der Gallenblase entfernt sind. Zu gleicher
Zeit benutzt er die Gelegenheit, um den Choledochus und das
Pankreas abzutasten; er zieht den Pylorus und den Magen
etwas vor und überzeugt sich auch von ihrem Gesundsein. Die in
der Gallenblase befindliche Gaze wird entfernt, wobei man
darauf achtet, ob frische Galle geflossen ist; eine eingeführte
dicke Sonde stellt fest, dass weitere Steine nicht mehr vor-
handen sind. Dann
wird ein langes unge-
fenstertes Gummirohr
von 0,5 cm. Durchmes-
ser eingeführt, nicht
zu tief, damit es sich
nicht abknickt, auch
nicht zu oberflächlich,
damit es sich nicht
herausschiebt, und die-
ses sofort wasserdicht
in die Gallenblase ein-
genäht. 2 Suturen an
jeder Seite, die nur
durch Serosa und Mus- Schema fUr voUständige Cystostomie.
cularis (nicht durch die Schleimhaut der Gallenblase) hin-
durchgehen, genügen, um den wasserdichten Verschluss zu er-
zielen. Unter jeden Seidenfaden kommt, ehe er geknotet wird,
ein 30 cm. langer Aluminium -Broncedraht. Dieser hat den
Zweck, die spätere Entfernung der Seidenfäden samt Knoten
zu erleichtern. Bei der Beschreibung der Nachbehandlung
komme ich auf diese Manipulation noch zu sprechen. Das Rohr
selbst wird mit feiner Nadel angestochen und an der Gallen-
blasenwand befestigt, so dass ein Hervorrutschen bei und nach
der Operation unmöglich gemacht wird.
Es ist unnötig, die Gallenblasenincision grösser anzulegen,
als es absolut nötig ist. Von vorneherein mache man sie recht
klein, stellt sich heraus, dass grosse Steine vorliegen, so muss
— 184 —
die Öffnung so gross sein, dass sie sämtlich unversehrt extra-
hiert werden können. Ich bin ein Feind der Öteinzertrümmerung,
weil durch die Trümmer die Asepsis gestört wird und leicht
Stücke zurückbleiben können, die dann zu Rezidiven Veranlas-
sung geben. Der Stein muss unversehrt herausgeschnitten werden,
und müsste man eine ca. 4 — 5 cm. lange Incision in der Gallen-
blase anlegen. Gallenblasenwunden heilen sehr gut, und schliess-
lich kann man in solchen Fällen immer noch zur Ectomie schreiten.
Aber ja keinen Stein mit Gewalt zertrümmern! Unabsichtliche
Cholelithotripsien sind nicht immer zu vermeiden , aber stets
unangenehm.
Fig. 36.
Wasserdichte Naht
Pascio und
Perit. pariet.
Bauchwandnabt
Circuläre Naht
zwischen
GaUenblase,
Serosa u.Pascie
resp. Perit.
pariet.
Schema der Einnähung der Gallenblase.
Der eingeführte Schlauch muss recht lang gewählt sein, er
führt über den Bauch und hängt an der Seite am Operations-
tisch herunter, sodass man sofort das Heraustropfen der Galle
kontrollieren kann.
Die Incisionswunde der Gallenblase muss in ganzer Länge
völlig extraperitoneal liegen; die Einnähung muss also so er-
folgen, dass alle Fäden von der Aussenwunde zu erreichen sind.
Ich nähe gewöhnlich den Fundus der Gallenblase im umfang
eines Markstückes heraus und zwar so, dass die Nadel, die
recht fein gewählt wird, immer nur Serosa und Muscularis fasst.
Dringt sie durch die Mucosa, so entsteht dadurch auch kein
Schaden, da ich ja durch das Unterlegen von Aluminium-Bronze-
— 185 —
draht die spätere Entfernung sämtlicher Nähte leicht bewerk-
stelligen kann.
Ich habe früher mit Catgut genäht (.Tuniperus-Catgut, Catgut
im Saul' sehen Apparat und nach Hofmeister sterilisiert),
bin aber davon abgekommen, weil in einigen Fällen die Naht
nicht hielt und die Gallenblase sich von der Bauchwand löste.
In einem Fall ist der betreffende Patient nur mit Mühe und
Not dem Tode entronnen. Ich habe dann Seide verwendet,
aber die Fäden abgeschnitten, und da ist es passiert, dass die
Knoten in die Gallenblase abgestossen wurden und zu erneuter
Inkrustation geführt haben. (Nr. 67.) Ich habe dann die Seiden-
fäden lang gelassen, ohne Draht unterzulegen. Aber die Granu-
lationen hüllten die Knoten so ein, dass ein Durchschneiden
der Fäden innerhalb des Knotens grosse Schwierigkeiten machte.
Alle diese Übelstände fallen bei meiner Drahtmethode fort.
Zwischen Rohr und Fäden resp. Draht lege ich einige feine
Streiten Gaze ein, ebenso zwischen Fäden und Hautwunde. So
schaffe ich eine trichterförmige Wunde, in deren Mitte das
Rohr liegt, umgeben von einem Kranz Gaze; darum liegen die
Fäden mit dem Draht, und dann kommt wieder ein Kranz Gaze,
der die Ränder der Hautwunde ordentlich von einander drängt.
Selbstverständlich hatte ich, ehe ich die Einnähung der
Gallenblase begann, die Kompressen, die in der Bauchhöhle
lagen, entfernt und mich durch zweimaliges Zählen überzeugt,
dass ihre Zahl stimmte. Der Wärter hat bereits während der
Operation die Aufgabe, die Kompressen zu sichten, die nicht-
genähten von den genähten zu isolieren, damit beim Schlüsse
der Operation kein unnützer Aufenthalt geschieht. Die genähten
Kompressen liegen in Reih und Glied geordnet so am Boden des
Operationszimmers, dass ich und mein Assistent sie zählen
können. Die Instrumentenreicherin gibt an, wieviel noch
vorhanden sind und sofort weiss man, ob noch weitere Kom-
pressen in der Bauchöhle liegen oder nicht.
Es ist, um die Einnähung der Gallenblase sich zu er-
leichtern, zweckmässig, erst die Bauchwunde zu verkleinern, was
ich, wie ich im allgemeinen Teil auf p. 92 auseinandersetzte, nicht
mit der Etagennaht, sondern mit der Durchstichnaht besorge.
Besonders die Zerrung, die von der medialen Seite her der
Gallenblasennaht droht, wird durch die Bauchdeckennaht er-
heblich gemindert. Ich gehe also gewöhnlich so vor, dass ich
— 186 —
die Gallenblase erst lateral suspendiere (vielleicht mit 4 Nähten).
Dann beginne ich, vom Proc. xiph. her mit Durchstichnähten,
wobei ich doppelt armierte Nadeln benütze, die Bauchwunde
zu schliessen, sodass dann die mediale Annähung der Gallen-
blase ohne grosse Spannung gelingt. Noch leichter gelingt die
Einnähung der medialen Seite der Gallenblase, wenn man auch
den unterhalb der Gallenblase liegenden Teil der Bauchwunde
ebenfalls durch Durchstichnähte schliesst, ehe man die Fixation
der Gallenblase an das Perit. parietale beendet. Auch die ein-
gelegten genähten Tupfer entferne ich fast alle aus der Bauch-
höhle vor der medialen Fixation der Gallenblase; hierdurch
vermeidet man sehr die Zerrung der Nähte. Es genügt, wenn
man einen Tampon auf Magen und Netz liegen lässt und diesen
erst entfernt, ehe man die letzten Nähte, die den Verschluss
der Bauchhöhle bewirken sollen, anlegt.
Die Gallenblase wird mit dem Perit. pariet. resp. der tiefen
Fascie in Verbindung gebracht, nicht mit dem Muse. rect. oder
gar mit der Haut. Jede Zerrung muss vermieden werden,
damit keine Abknickung des Choledochus erfolgt und keine Gallen-
flsteln entstehen.
Dicke Rohre in die Gallenblase einzuführen und die Inci-
sioD weit offen zu lassen, ist falsch. Dadurch entstehen Pro-
lapse der Schleimhaut und Lippenfisteln, die zu kompleten
Gallenfisteln führen können. Das Loch in der Gallenblase muss
nach Möglichkeit verkleinert werden, die genähte Incision der
Gallenblase muss möglichst per primam heilen.
Ist die Bauchwunde völlig geschlossen, so werden die
Gallenblasenfäden und Drähte sorgsam in Gaze eingewickelt,
damit sie die Bauchhaut nicht irritieren, und dann wird die
Naht mit einem grossen Gaze- Watte-Verband bedeckt. Durch
die Mitte der den Verband haltenden breiten Cambric- Binde
tritt das Rohr hindurch, welches mit einer feinen Sicherheits-
nadel an der äusseren Binde befestigt wird. Der Patient wird
in das Bett gebracht und das Rohr in eine ausgekochte Flasche
gelegt, der Hals der Flasche neben dem Rohr mit steriler
Watte locker verschlossen.
Gersuny hat die Gallenblasenfistel nach dem Prinzip der
W i t z e 1 'sehen Gastrostomie angelegt ( 1 898) ; ich halte solche Proze-
duren für völlig zwecklos, denn die Fistel soll so angelegt sein, dass
man Ausspülungen der Gallenblase vornehmen und nachträglich
— 187 —
Steine entfernen kann. Legt man Fisteln ä la Witzel an, so ist das
geradezu unmöglich. Die definitive Heilung der angelegten
Gallenblasenfisteln bleibt übrigens, wenn man meine Vorschriften
befolgt, fast niemals aus. Entsteht doch einmal eine komplete
Gallenfistel, so verfügen wir über eine gänzlich ungefährliche
Methode, um die Fistel definitiv zum Verschluss zu bringen.
Über diese Operation des Fistelverschlusses werde ich weiter
unten die nötigen Angaben machen.
Ich habe soeben die Cystostomie an einer Gallenblase be-
sprochen, deren Cysticus offen ist und deren Inhalt neben Steinen
wenig veränderte Galle bildet.
Ich möchte schon hier bemerken, dass für diese Fälle die
Exstirpation der Gallenblase besser passt wie die Cystostomie.
Weil die Entzündung fehlt, ist in wenigen Minuten die Gallen-
blase von der Leber abgelöst, während eine regelrechte Cysto-
stomie unter zwanzig Minuten nicht gut durchführbar ist.
In den Fällen, in denen wir es mit einer entzündeten
Gallenblase zu tun haben, deren Inhalt infektiös ist, erfordert
die Cystostomie ganz besondere Vorsichtsmassregeln. Die In-
fektion kommt zu stände durch Mikroorganismen sehr verschiedener
Natur und wird dadurch unterhalten, dass ein Stein den Cysticus
resp. den Hals der Gallenblase verlegt und einen Abfluss des
Gallenblaseninhaltes choledochuswärts verhindert.
Wie haben wir uns diesem Verschluss gegenüber zu verhalten?
Es versteht sich von selbst, dass wir danach streben, nicht
nur die Gallenblasensteine, nicht nur den infektiösen Inhalt in
der Gallenblase zu entfernen, sondern auch den verschliessenden
Stein an das Tageslicht zu fördern. Bei Patienten, die in sehr
geschwächtem Zustand in die Klinik kommen, muss man oft
die Operation möglichst beeilen und ist zufrieden, wenn man
die Gallenblase eröffnet und die Verhältnisse sich so zurecht-
gelegt hat, dass die Entfernung des Steines während der Nach-
behandlung sich ermöglichen lässt. (Nr. 11.) Natürlich ist es
besser, wenn gleich bei der primären Operation gründlich auf-
geräumt werden und Tabula rasa gemacht werden kann. Zu
diesem Zweck wird der Gallenblaseninhalt wie oben beschrieben
durch Aspiration entfernt, und da er oft sehr infektiös ist, werden
wir bei der Entleerung der Gallenblase besonders darauf achten,
dass keine Verunreinigung der Bauchhöhle durch ausfliessendes
Sekret stattfindet.
— 188 —
Behufs Entfernung des verschliessenden Steines lege ich
Gewicht darauf, den Hals der Gallenblase resp. den Cysticus
so frei zu legen, dass eine Freimachung unter der Kontrolle des
Auges möglich ist. Dazu verhilft uns am besten der Wellenschnitt.
Bei seiner Anwendung kann man durch sanftes Hinüberdrücken des
Magens und des Netzes nach der medialen Seite hin und durch
Anziehen der Gallenblase in den meisten Fällen den Cysticus nicht
nur der Hand, sondern auch dem Auge zugänglich machen. Das
Hochstreichen des Steines funduswärts rauss sanft geschehen,
alles Quetschen und Drücken ist verpönt. Während man mit
der linken Hand die Gallenblase an einem Pöan, einer König'-
schen Klemme oder an einem Haltezügel sanft anzieht, führt
man die rechte Hand an der medialen Fläche der Gallenblase
in die Tiefe und versucht, den Stein zu lockern. Oft rutscht
der Stein mit einem sehr charakteristischen Schwapp aus seinem
Lager funduswärts und ist dann vom Fundusschnitt aus leicht
zu entfernen. (Nr. 7.) Gelingt die Steinverschiebung der rechten
Hand nicht, so versucht man sie mit der linken. Zu diesem
Zweck nimmt man den Stein zwischen Zeigefinger und Daumen
der linken Hand und versucht, den Stein beweglich zu machen.
Dabei ist es angebracht, eine Stellung einzunehmen^, welche die
Manipulationen der linken Hand wesentlich erleichtert; ich habe
bereits im allgemeinen Teil dieses Handgriffs Erwähnung getan,
(p. 63.) Man dreht sich so, dass man mit dem Gesicht nach den
Füssen des Patienten sieht, nimmt eine bückende Stellung ein
und führt die linke Hand nach hinten in die Bauchhöhle.
Dieser Griff ist äussert praktisch und erleichtert die Steinent-
fernung ausserordentlich. (Fig. 25.)
Es gibt nun Fälle, bei denen man darauf verzichten muss,
sofort den Cysticus wegsam zu machen. Ist Patient sehr schwach,
reagiert er auf jede Manipulation in der Tiefe der Bauchhöhle
mit Stillstand der Atmung, mit schlechtem Puls, so tut man
gut, den Stein sitzen zu lassen, wo er sitzt, und seine Ent-
fernung für eine spätere Zeit aufzuheben. Das ist zwar für
den Patienten nicht gerade angenehm, aber schliesslich kommt
es in erster Linie doch darauf an, die Operation so ungefährlich
wie möglich zu gestalten.
Manchmal reagiert der Patient nur auf Druck und Quet-
schen mit bedrohlichen Erscheinungen von selten des Herzens
und der Lunge, während er vielleicht eine Incision direkt auf
— 189 —
den Stein ganz gut verträgt. Man wird also gegebenen Falles
sofort zur Cysticotomie schreiten, deren Technik ich bei den
Operationen am Ductus cysticus beschrejben werde.
Ist man im Zweifel, ob das, was man fühlt. Stein, Drüse
oder nur verdickte Gallenblasen wand ist, so kann eine Incisiou
die Entscheidung bringen. Fällt sie im Hinblick auf den Stein
negativ aus, so ist der Schaden nicht gross: einige Suturen
verschliessen rasch die Incision wieder.
In solchen Fällen werden sich die Chirurgen immer ver-
schieden verhalten. Der eine ist eben vorsichtig und ris-
kiert eine solche Incision nicht, der andere wird nicht lange
zaudern, und macht im Vertrauen auf seine Technik und Asepsis
den aufklärenden Schnitt.
Ich möchte im allgemeinen zur Vorsicht raten (Nr. 22) ;
nur ganz geübte Gallensteinchirurgen sollten die Incision vor-
nehmen.
Ist es gelungen, den Stein aus der Tiefe in den Fundus
zu schieben, so fasst man ihn mit der Kornzange oder drückt
ihn einfach durch die Öffnung der Gallenblase in das unter-
gehaltene Becken oder in die untergelegte Gaze.
Das weitere Verfahren, die Einlegung des Gummirohres
und die Etablierung der Gallenblasenfistel ist bereits oben be-
schrieben.
Ich habe schon sehr bald — im Jahre 1892 — die Not-
wendigkeit der Entfernung des Steines im Gallenblasenhals be-
tont, und ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt, dass
die sofortige Freimachung des Cysticus bei akuter serös-eitriger
Cholecystitis möglichst angestrebt werden muss. Aber unter allen
Umständen diese zu forcieren, halte ich nicht für richtig. Die
Beseitigung des infektiösen Materials in der Gallenblase, die
Verhütung einer sich weiter ausbreitenden Infektion ist in erster
Linie anzustreben. So falsch es ist, sich gar nicht um den ver-
schliessenden Stein zu kümmern, so wenig ist es angebracht,
denselben ä tout prix entfernen zu wollen.
Ich habe früher die Cystostomie als Normalmethode bei der
operativen Behandlung der Gallenblasensteine hingestellt und
bin sogar so w^eit gegangen, ulcerative Prozesse, die von der
Mucosa aus auf Muscularis und Serosa übergegriffen und hier
Defekte gesetzt hatten, durch Excision derselben zu beseitigen
— 190 —
und nach ihrer Vernähung eirie Gallenblasenfistel anzulegen.
Ich bin von diesem Konservativismus abgekommen und würde
nur dann noch so vorgehen, wenn eine Ectoniie ganz unmöglich
ist. Ulcerationen, die bis zur Serosa vordringen, lassen darauf
schliessen, dass die Gallenblase überhaupt schwer erkrankt ist.
Ein solches Organ ist für seinen Träger nicht nur unnütz,
sondern auch gefährlich: es muss aus dem Abdomen heraus.
Ob man die Ectomie sofort oder später vornimmt, das hängt
allerdings von vielen Umständen ab, besonders von dem Grade
der Infektion, von dem Allgemeinbefinden des Patienten und
dem Verlauf der Narkose.
Grosse Gallenblasen lassen sich natürlich leichter in die
Bauch wunde einnähen wie kleine ; manchmal sind sie sogar zu gross
und machen bei der Naht Schwierigkeiten, indem sie sich über
das Niveau des Peritoneums hervordrängen. Man hat für solche
Fälle die ßesektion des Gallenblasenfundus empfohlen. Ich
möchte darauf hinweisen, dass solche grosse Gallenblasen mit
der Zeit der Schrumpfung verfallen und man die vorgenommene
Amputation des Gallenblasenfundus später eventuell bereuen
muss. Man sei also nicht zu voreilig mit der Fundus-
resektion.
Mittelgrosse Gallenblasen lassen sich leicht lateral am
Peritoneum suspendieren, die mediale Vernähung macht aber
nicht selten Schwierigkeit und ruft eine hochgradige Spannung
der Fäden hervor. (Nr. 20—24:.) In solchen Fällen ist es
besser, wenn man nur die Gallenblase lateral saspeiidlert>
die Bauchwunde möglichst schliesst und zwischen der
medialen Fläche der Gallenblase und Netz einige feine
Streifen steriler Gaze vorschiebt. Besonders w^enn man in
der Tiefe am Cysticus viel hantieren muss, um den Cysticus-
stein hochzudrücken, ist es angebracht, die mediale Tamponade
auszuführen, um dort sich ansammelnde Sekrete abzuleiten.
Man kann diese Art der Cystostomie als Cystostomie mit
lateraler Suspension der Gallenblase und medialer Tamponade
bezeichnen. (Fig. 37.)
Ist die Gallenblase geschrumpft, oder liegt sie von vorne-
herein so tief, dass sie unmöglich an das Perit. parietale an-
genäht werden kann, so kommt — will man nicht die Ectomie
ausführen — das von mir eingeführte Schlauchverfahren
191 —
(Nr. 26 — 31) in Betracht, welches später Pop pert*) zu seiner
wasserdichten Drainage umgetauft hat. (Fig. 38.)
Auch das ßiedel'sche Verfahren, bei welchem das parietale
Pig. 37. Bauchfell zu beiden
Seiten der Bauchwunde
abgelöst und trichter-
förmig in die Tiefe ge-
schlagen wird, kommt
in solchen Fällen in
Betracht.
Das Schlauchver-
fahren hat zweifellos
seine grossen Schatten-
seiten, doch ist es für
gewisse Fälle ein recht
angenehmes Auskunfts-
mittel.
Mit wenigen Worten
ist es zu schildern.
Schema für unvollständige Cystostomie. t-w /-•
Der Tampon liegt an der unteren Fläche der Gal- Die Gallenblase Wird
lenblase und bedeckt die langgelassenen Päden.) .
eröffnet, ihr Inhalt ent-
leert, dann näht man einen feinen Schlauch ein, umgibt diesen
mit reichlicher steriler Gaze und leitet diese durch die nur
teilweise geschlos-
sene Bauchwunde
wieder nach aussen.
Dass das Rohr
möglichst wasser-
dicht liegen muss,
das versteht sich
von selbst, auch dass
man es durch Fest-
nähen vor dem Her-
vorrutschen schützt.
Die Tamponade
scheint von Pop-
pert nicht sehr
reichlich gebraucht
Fig. 38.
Schema für Schlauchverfahren.
*) Poppert, Zur Technik der Cholecystostomie. Verb. d. 27. Chir.
Congr. 1898.
— 192 —
zu werden; ich möchte sie, da zwar ein makroskopischer, aber
kein mikroskopischer wasserdichter Verschluss erzielt wird,
recht ausgiebig angewendet wissen. Der Schlauch muss in
der Mitte der Tampons liegen, damit die freie Bauchhöhle
recht sorgfältig abgeschlossen ist.
Bei Anwendung -der Cystostoraie mit völliger oder nur
teilweiser Anheftung der Gallenblase an das Perit. parietale
und des Schlauch Verfahrens kann man das Trichterverfahren
Eiedels entbehren. Auch die Benutzung des Netzes zwecks
Abschlusses der Bauchhöhle nach Lauenstein *) ist so gut wie
tiberflüssig. Lauenstein zog das grosse Netz über das Quer-
colon in die Höhe und nähte es mit seinem freien Rande an
die Gallenblasenkuppe an. Dann verwendete er es durch weitere
zweckmässige Anheftung an die Bauebdecken zur Bildung
eines bis in die Bauchwunde führenden Kanals.
Es existieren noch eine ganze Reihe von unwesentlichen
Modifikationen der Cystostomie. So bahnte sich Landerer**)
den Weg zur Gallenblase durch das die Gallenblase bedeckende
Lebergewebe, welches als Riedel 'scher Lappen oft so aus-
gezogen und verdünnt ist, dass es weiter nichts als eine Binde-
gewebsplatte darstellt. Ist das der Fall, so ist gegen Land er er s
Vorgehen nichts einzuwenden, doch soll man nicht zweizeitig
operieren, sondern einzeitig, damit man über das Verhalten
des Ductus cysticus sich genau orientieren kann.
Das von Delagöniere angegebene Verfahren — Voie
endochol^cystique — besteht in einer völligen Spaltung der
Gallenblase vom Fundus bis zum Hals, wobei auch der Cysticus
bis in den Choledochus aufgeschnitten wird. Die Methode
bildet den Übergang von der Cystostomie zur Ectomie resp.
Hepaticusdrainage, und wenn ich auch sehr für eine gründliche
Freilegung des Cysticus und Choledochus bin und hier Incisionen
nicht scheue, ja gar nicht genug empfehlen kann, so hat die
völlige Spaltung der Gallenblase keinen grossen Zweck, ja
erhöht sogar die Gefahr der Infektion. Wenn ich die ganze
Gallenblase spalten muss, so kann ich sie auch gleich ganz
entfernen, also die Operation ausführen, die im nächsten Ab-
schnitte zur Besprechung kommt.
*) Lauenstein, Zentralblatt für Chirurgie. 1893' p. 6.
**) Ein Fall von Cholecystostomie. Müuch. med. Wochenschrift
1886. Nr. 17.
— 193 —
Einen Übergang von der Oystostomie zur Ectomie bildet
die von mir in einigen Fällen geübte Cystostomie nach Ab-
lösung der Gallenblase von der Leber (Nr. 25). Durch diese
Manipulation kann man auch tieferliegende Gallenblasen erheblich
lockern und mit dem Peritoneum parietale in Verbindung bringen.
In Fällen, in denen der Operateur die Ectomie plante^ wäh-
rend er aber aus irgendwelchen Gründen (schlechte Narkose)
von der weiteren Operation abstehen musste, ist diese Ope-
rationsmethode gewiss kein übles Auskunftsmittel. Nur wird
man keine zirkuläre, vollständige Oystostomie machen, sondern
das wunde Leberbett etwas tamponieren und den Tampon ober-
halb der angelegten Gallenfistel nach aussen leiten. Das Nähere
geht aus der Krankengeschichte im II. Teil (Nr. 25) hervor,
e) Die Ectomie der Gallenblase.
Die Ectomie der Gallenblase (Langenbuch, 15. Juli
1882) ist heutzutage diejenige Operation, die am meisten zur
Anwendung kommt. Die Erfahrung, dass eine wiederholt ent-
zündete Gallenblase unfähig wird, ihre Funktionen zu erfüllen,
und dass das Organ die Hauptbildungsstätte der Cholelithen
ist, hat die Exstirpation der Gallenblase zu der augenblicklich
beliebtesten Operation am Gallensystera gemacht.
Die Technik der Operation ist folgende: Die Bauchhöhle
wird durch den oben beschriebenen Wellenschnitt (p. 64.) eröffnet.
Da bei der Excision der Gallenblase der Cysticus besonders be-
rücksichtigt werden muss, ist gehöriger Platz nötig, der Schnitt
also besonders in der Mittellinie ausgiebig vorzunehmen und
wenn nötig bis oberhalb des Proc. xiph. zu verlängern. Nach
Eröffnung der Bauchhöhle wird das Perit. parietale nebst tiefer
Fascie beiderseits mit je 2 Mi kuli cz- Klemmen gefasst.
Die Inspektion und Palpation der Gallenblase und des Cysti-
cus, die Behandlung der Adhäsionen ist ungefähr dieselbe wie
bei der Oystostomie. Von vornherein sei man sich klar, dass
man eventuell bei gleichzeitiger Pankreatitis das Organ nicht
entfernen darf, sondern zu einer Anastomose benützen soll;
man entschliesst sich also erst dann zur Excision, wenn
man sich überzeugt hat, dass von Seiten des Pankreas, des
Ciioledochus etc. keine Contra-Indikationen gegen die Ectomie
bestehen. Auch denke man an die Möglichkeit, dass direkt aus
der Leber grosse Gallengänge in die Gallenblase einmünden
können. (Nr. 17.)
Kehr, Technik der Gallonsteinoperationen. I. 13
— 194 —
Ich habe noch in der 11. Auflage des Handbuches der pract.
Chirurgie von v. Bergmann, v. ßruns, v, Mikulicz ange-
geben, dass man die Excision sowohl am Fundus wie am Cysticus
beginnen könne. Da es vorkommen kann, dass man bei halber
Ectomie noch Halt macht und eine modifizierte Cystostomie
ausführt, so möchte ich mich jetzt dahin aussprechen, dass
jede Ectomie am Fundus beginnen soU^ wenn ich auch zugebe,
dass die am Cysticus begonnene Ectomie manche Vorteile hat.
In dem Fall Nr. 17 des IL Teiles hätte eine Excision — am
Ductus cysticus begonnen — die Heilung unmöglich gemacht,
und auch in anderen Fällen, z. B. bei vergrössertem Pankreas-
kopf , sieht man oft zu spät ein , dass es besser gewesen
wäre, wenn man noch über die Gallenblase verfügen könnte.
Mayo scheint die Gallenblase vom Ductus cys^ticus aus zu
exstirpieren; ich möchte, wie gesagt, als das Normalverfahren
die Excision vom Fundus aus hinstellen. Ist man gezwungen,
die Operation z. B. bei CoUaps abzubrechen, so wird man
bei der Excision, die am Cysticus beginnt, in vieler Richtung
grosse Schwierigkeiten haben.
Soll man vorher die Gallenblase entleeren oder nicht?
Entleert man sie nicht, so hat man den Vorteil, dass man
jeder Infektion durch eventuell ausfliessende Galle, Serum
oder Eiter vorbeugt; man hat aber auch den Nachteil, dass
eventuell während der Excision die Gallenblase verletzt wird
und nun auf einmal der ganze Inhalt ausfl Jessen kann. Ent-
leert man sie, so erschwert man sich oft die Ectomie, die an
einer vollgefüllten Gallenblase viel leichter vor sich geht.
Es liegt auf der Hand, dass ein vielgeübter Gallenstein-
chirurg den richtigen Weg zwischen Gallenblase und Leber
viel leichter findet wie der Anfänger, und dass der letztere
leichter einmal eine Gallenblase anschneidet und ihren Inhalt in
die Bauchhöhle oder wenigstens in die untergelegten Tupfer er-
giessen lässt. Deshalb rate ich dem Operateur, der noch keine
grosse Erfahrung in der Gallensteinchirurgie hat, die Gallen-
blase möglichst zu entleeren und zwar am besten durch Punk-
tion mit nachfolgender Aspiration. Bei grossen Gallenblasen,
die sich extraperitoneal lagern lassen, ist auch die Stichentleerung
möglich, doch sei man wegen Beschmutzung der Umgebung
dabei recht vorsichtig. (Nr. 64.) Ist der Inhalt derselben sehr
dickflüssig — oft so zäh. wie Leim — , so gelingt die Ent-
— 195 —
leerungf nicht; dann klemmt man die Stichstelle der Gallen-
blase wieder zu und beobachtet nun doppelte Vorsicht bei der
Excision. War der Inhalt Wasser oder dünner Eiter, so gelingt
die Entleerung fast völlig, und bei genügender Vorsicht wird
man eine Beschmutzung der Umgebung vermeiden können.
Gleichgültig, ob man die Gallenblase entleert oder nicht, immer
soll man zwecks Absperrung so viel genähte Tupfer unterlegen,
dass ein Einfliessen keine üblen Folgen nach sich zieht. (Nr, 63.)
Ich möchte Folgendes raten : Eine wenig veränderte Gallen-
blase, deren Cysticus offen zu sein scheint, kann man ohne
vorherige Punktion exstirpieren ; eine morsche, eitergefüllte
Gallenblase entleere man, da bei der Operation, d. h. bei der
Ablösung der Gallenblase von der Leber, das Gewebe leicht ein-
reissen kann. Will man die Gallenblase ohne vorherige Eröff-
nung excidieren , so tut man gut, den Cysticus mit einer vorn-
gebogenen Klemme (Fig. 17) abzuklemmen, damit während
der Loslösung der Gallenblase vom Leberbett keine Steine aus
dem Cysticus in den Choledochus gepresst werden. (Nr. 49.)
In die geöfinete und geleerte Gallenblase (die Technik ist
bei der Cystostomie beschrieben) stecke ich, ehe ich die eigent-
liche Excision beginne, soviel Gaze, als die Höhle fasst, und
schliesse dann die Öffnung durch einige König' sehe Klemmen
oder durch die Naht. Stets soll man sich vor Beginn der Ex-
cision der Verhältnisse am Cysticus vergewissern. Dicke öde-
matöse Gallenblasenhälse contraindicieren im allgemeinen die
Ectomie, da die Stielung der Gallenblase sehr schwierig ist.
Wenn es gelingt, am Cysticus eine vorn rundgebogene Klemme
anzulegen, so empfiehlt sich diese Massnahme sehr, da man da-
durch ein Eintreten von Eiter und kleinen Steinen in den Chole-
dochus verhütet. (Nr. 49.) Kleine, in den Choledochus übergetretene
Steine entgehen aber leicht der Palpation und können später
die unangenehmsten Erscheinungen machen. Die Kunst der
Ectomie besteht darin, dass man die Ablösung der Gallenblase
so vornimmt, dass man wieder die Gallenblase noch das Leber-
bett erheblich verletzt. Die Serosa der Leber geht auf die
der Gallenblase über; ritzt man den Überzug an der Grenze
zwischen Leber und Gallenblase richtig ein , so gelingt es —
vorausgesetzt dass die Entzündung keine allzu starke Fixation
der Gallenblase an der Leber bewirkt hat — verhältnismässig
leicht, das Organ auszuschälen. (Fig. 39.) Umgekehrt, wenn das
13*
— 196 —
Leberbett an der Entzündung der Gallenblase teil genonimen
hat und diese fest auf ihrer Unterlage fixiert ist, kann es sehr
schwer sein, ohne Verletzung der Leber und der Gallenblase die
Operation zu beenden. (Nr. 60.) Die Gallenblase wird
mit einer Kocher'schen Klemme oder bei starker praller
Füllung durch die Hand des Assistenten am Fundus gefasst
und so gehalten, dass die Grenze zwischen Gallenblase und
Leber gut übersichtlich wird. Ein hufeisenförmiger Schnitt
Pig. 40.
Fig. 39.
M, tiepdhcd
C^sti'cus
Cljoledocijus
I Schema der GaUenblasen-Excision vor
Ablösung von der Labor.
II Schema der GaUenblasen-Excision (nach Ab-
lösung von der Leber und Unterbindung der
beiden Aeste der Art. cystica).
folgt genau der Insertion der Gallenblase an der Leber und
nun dringt man mit dem Messer, mit der Coo per 'sehen
Schere, mit dem Finger immer mehr in die Xiefe und be-
seitigt die Stränge, welche die Gallenblase in der Lebernische
fixieren. Das sind meist Gefässe, End Verzweigungen der Art.
cystica, die am besten frei durchschnitten und, wenn sie bluten,
mit Klemmen versorgt werden. Vasa aberrantia der Gallengänge,
die in die Gallenblase übertreten , habe ich nur einmal ange-
troffen, ihr Vorkommen erheischt besondere Massnahmen, die
ich im IL Teil an einem Fall illustrieren will. (Nr. 17.)
Je tiefer man vorwärts dringt, um so stärker werden die
Gefässe ; durch erneute Palpation und Inspektion auch von der
medialen Seite des Ductus cysticus her orientiere man sich,
— 197 —
wieweit die Ablösung vor sich gegangen ist. Schliesslich hängt die
Gallenblase noch an 2 Gebilden, an der Art. cystica und am
Ductus cysticus. (Fig. 40.) Die Art. cystica entspringt aus der
Hepatica und teilt sich in der Höhe des Halses in 2 Äste. Der
eine verläuft zwischen Leber und Hals der Gallenblase, der
andere tritt an die mediale Seite des Ductus cysticus. Zuerst
gilt es, den mehr nach aussen im Leberbett gelegenen Ast der
Art. cystica zu versorgen. Er imponiert gewöhnlich als ein Strang
an der der Leber zugewandten Fläche des Gallenblasenhalses
und wird besonders deutlich, wenn man die Gallenblase durch
den Assistenten kräftig nach unten und innen ziehen lässt.
Dass man nicht allzu strafi zieht, versteht sich von selbst. In
einem Fall (Nr. 70) wurde durch zu starkes Anziehen der Gallen-
blase die Arterie abgerissen, wodurch eine schwere Blutung
entstand. Gelingt es, die Gallenblase bequem nach aussen
zu ziehen, so kann die Arterie frei durchschnitten, die
spritzende Arterie sofort gefasst und mit mittelstarker Seide,
die lang bleibt, unterbunden werden. Oft haben entzündliche
Prozesse am Gallenblasenhals die normalen anatomischen Ver-
hältnisse der Gefässverteilung ausserordentlich verändert. Das
an und für sich nicht sehr starke Gefäss hat einen bedeutenden
Umfang angenommen, es ist in starres Gewebe eingehüllt und zeigt
bei der Durchschneidung grosse Tendenz zum Zurückschlüpfen.
In solchen Fällen ist es gut, das Gefäss vor der Durchschnei-
dung mit einer König'schen oder einer v. Bergmännischen
Klemme zu fassen und zu unterbinden. Oft sind die Verhält-
nisse so ungünstig, dass überhaupt eine Unterbindung unmöglich
ist. (Nr. 60.) Ist die Leber starr, liegt sie hoch unter dem
Rippenbogen, so ist trotz ausgiebiger Incision in der Mittellinie
der Zugang zum lieberhilus kaum zu bewerkstelligen. In diesen
Fällen dürfte selbst eine Lann elongue'sche Eippenresektion
den Zugang kaum verbessern. Unterbindet man das gefasste Ge-
fäss, so schneidet die Ligatur in dem brüchigen Gewebe durch, die
Arterie zieht sich zurück und kann in solcher Tiefe bluten, dass
es nicht gelingt, den Seidenfaden zu knoten. Für solche Ausnahme-
fälle empfehle ich, die Klemme liegen zu lassen und nicht zu
unterbinden. (Nr. 60, Nr. 70, Nr. 99, Nr. 124, Nr. 134.)
Manchmal gelingt es später, wenn der Ductus cysticus sicher
und fest ligiert ist, noch die Art. zu unterbinden, da man an
der Ligatur des Ductus cysticus viel herzhafter ziehen kann
— 198 -
wie an der der Arterie. Immerhin sei man in den geschilderten
Fällen mit der Ligatur vorsichtig und sei zufrieden, wenn die
Klemme die Blutung prompt gestillt hat.
In einigen Fällen blutete die durchtrennte Cystica wenig oder
überhaupt nicht. (Nr. 36, Nr. 119.) Entweder war der Blutdruck
in dem Augenblick der Excision sehr minimal, oder die Arterie
zeigte so viele Verzweigungen , dass ein eigentlicher Hauptast
überhaupt nicht existierte. Man sei aber vorsichtig in der Be-
urteilung solcher Fälle, da naturgemäss eine Nachblutung ein-
treten und den Erfolg der Operation sehr in Frage stellen kann.
Es ist zu empfehlen, mit der völligen Verschliessung der Bauch-
wunde eine Zeit lang zu warten und einen Tampon in die Tiefe
zu legen, an dem man sehen kann, ob nicht doch ein Gefäss
blutet. Erst wenn man sicher ist, dass in der Tiefe kein
grösseres Gefäss blutet, kann man die Operation beenden, d. h.
die definitive Tamponade anlegen und die Bauchwunde schliessen.
Sobald der laterale Ast der Art. cystica von der Gallen-
blase abgetrennt ist, stielt sich diese am Ductus cysticus.
(Nr. 64.) Der Hals der Gallenblase wird besonders medial von
Fett umgeben , das man mit der Schere gut zurückschieben
kann, wobei gewöhnlich der mediale Ast der Art. cystica etwas
blutet. Auch ihn verschliesst man mit mittelstarker Seide.
Den Ductus cysticus stielt man nun so, dass man genau seinen
Eintritt in den Ductus choledochus übersehen kann. Die Ein-
mündungssteile liegt bald mehr an der unteren, bald an der
vorderen Seite des Choledochus; oft zieht der Cysticus eine
Strecke lang parallel zum Choledochus und mündet in diesen
dicht neben dem Duodenum. Die Verhältnisse sind so ver-
schieden , dass sich bestimmte Regeln nicht aufstellen lassen.
Nicht selten ist der Hals der Gallenblase sehr ausgebuchtet und
erstreckt sich nach oben bis unterhalb des Choledochus. In
solchen Fällen muss man sich vor einer Verletzung des Chole-
dochus hüten. (Nr. 38, Nr. 164.)
Ist der Ductus cysticus gut isoliert, so empfiehlt es sich,
die anfangs angelegte vorn gebogene Klemme noch einmal zu
entfernen und neu anzulegen, damit man auch sicher ist, dass
man keine andern Gebilde (Choledochus) mit gefasst hat. Jetzt
fasst man den Cysticus dicht am Choledochus mit einer König-
schen Klemme und schneidet nun die Gallenblase zwischen der
Absperrungsklemme und der König' sehen Klemme ab. Es
— 199 —
ist darauf zu achten, dass man nicht zu sehr an der gestielten
Gallenblase zieht, da bei bestehenden Ulcerationen im Cysticus
es vorkommen kann, dass die Gallenblase vorzeitig, d. h. ehe
man den Seidenfaden um den Cysticus gelegt hat, abreissen
kann. Nr. 39 ist hierfür ein Beispiel!
Ehe man weitergeht, revidiert man das Leberbett, das
man zwecks Blutstillung mit einer feuchten genähten Kompresse
bedeckt hat, stillt starke Blutungen aus Venen durch Unter-
bindung. Auch überzeugt man sich, dass die Ligaturen an der
Art. cystica resp. den verschiedenen Ästen gut sitzen, beseitigt
etwaiges in die Tiefe gelaufenes geronnenes Blut, führt in das
Foramen Winslowii, also unterhalb des Lig. hepato- duodenale
einen langen genähten Gazetupfer und bringt nun den Cysticus
mit der Klemme möglichst in das Niveau der Bauchwunde.
Die Palpation des Choledochus in seiner ganzen Ausdehnung
überzeugt uns, ob event. Steine in diesem Gang stecken. Darauf
wird die König' sehe Klemme von dem Cysticus entfernt, so-
dass austretende Galle in den untergeschobenen Tampon fliessen
kann. Mit feiner Sonde überzeugt man sich, dass der Cysticus
und Choledochus wegsam und frei von Steinen sind, und ist
eine Uterussonde einführbar" so vergewissert man sich durch
diese von der Durchgängigkeit der Gallengänge. Floss die
Galle aus dem Choledochus klar ab, war der Cysticus sehr eng,
so kann man mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrsclrein-
lichkeit annehmen, dass weitere Steine in den tiefen Gängen
nicht stecken, und kann den Cysticus mit mittelstarker Seide
(auch diese bleibt lang) abbinden. Fliesst trübe Galle ab,
fühlt man Steine im Choledochus, so ist die Operation noch nicht
vollendet, man muss zur Ectomie noch eine Cysticotomie, event.
Choledochotomie resp. Hepaticusdrainage hinzufügen. Die Drai-
nage des Ductus cysticus, die ich im Fall 53 geübt habe, wende
ich nicht mehr an , sondern mache dafür nach der Cysticus-
spaltung die Hepaticusdrainage.
Wir setzen den Fall, dass die Gallenblase völlig exstirpiert
ist und, da weitere Steine nicht gefühlt werden, der Cysticus-
stumpf unterbunden und versenkt werden kann.
Wie behandeln wir das Leberbett? Riedel unterbindet
jedes blutende Gefäss, verschorft auch das Leberbett mit dem
Paquelin und verschliesst ohne Tamponade die ganze Bauch-
wunde in Fällen, bei denen er nicht entzündete Gallenblasen
— 200 —
entfernt hat. Ich gebe zu, dass in Fällen, bei denen jede In-
fektion fehlt, ein solches Vorgehen von gutem Erfolg begleitet
sein kann, muss aber daraufhinweisen, dass es im Augenblick der
Operation doch sehr schwer ist, den Grad der Entzündung fest-
zustellen und vor allen Dingen das Fehlen jeder Infektion mit
Bestimmtheit auszusprechen. „Klare Galle kann schwer in-
fiziert sein" — sagt Riedel selbst. Also nach der Beschaffen-
heit der Galle können wir uns nicht immer richten. Eine Gallen-
blase kann noch ganz gut aussehen und doch entzündet
sein. Selbst der erfahrenste Gallensteinchirurg kann sich in
diesem Punkte sehr täuschen. Deshalb bin ich prinzipiell in
jedem Fall tou Ectomie für Taniponade. Man mag einige
grössere blutende Gefässe des Leberbettes besonders versorgen
(Nr. 33, Nr. 52, Nr. 63), man mag auch das Leberbett so ver-
nähen, dass man von dem einen Rand zum andern die Nadel
führt und zugleich das Leberbett selbst dabei fasst. (Nr. 61.)
Immerhin ist die Naht keine ganz sichere Versorgung von Leber-
wunden, und ich möchte zu der Naht stets die Tamponade hin-
zufügen. Dazu kommt, dass man meist bei der Excision einige
Gallengänge eröffnet, die ihren Inhalt in die Bauchhöhle ergiessen.
Ob die Galle immer steril ist, wer will das vorher wissen?
Auch können trotz aller Sorgfalt die Ligaturen an der Art.
cystica und am Ductus cysticus einmal nachgeben und Blutung
un(i. Gallenerguss die Folge sein. Ich gehe den sicheren Weg der
Tamponade und lege einen Tampon in das Leberbett, den zweiten
unterhalb der Ligaturen in das Foramen Winslowii, den
dritten oberhalb derselben auf das Lig. hepato- duodenale. So
beuge ich allen möglichen Unglücksfällen vor und brauche nicht zu
fürchten, dass eine Blutung oder ein Gallenerguss in dem oberen
Bauchraum entsteht, der z. B. Riedel zweimal veranlasste,
den Bauch wieder zu eröffnen. Ich habe noch nie eine solche
Nachoperation nötig gehabt, und das verdanke ich der Vorsicht
meiner in allen Fällen von Ectomie geübten Tamponade.
Hauptsache bleibt bei jeder Ectomie immer, dass man die Ab-
lösung der Gallenblase von der Leber in richtiger Weise vornimmt,
dass man die Arteria cystica und den Ductus cysticus — jedes
Gebilde für sich — gut unterbindet, und dass man eine recht sorg-
fältige Blutstillung und eine nicht zu geringe Tamponade vornimmt.
Sehr zu empfehlen ist, dass man nach der Ectomie eine
Hepatopexie vornimmt. Gewöhnlich ist der Teil der Leber,
— 201 —
der über der Gallenblase liegt, narbig verändert. 2 Stiche
(darunter Draht) durch diese Stelle mit recht dicken Nadeln schaden
nichts. Man fasst breit das Perit. parietale incl. Fascie und bringt
so die Leber an das Bauchfell heran. Natürlich hüte man sich
vor jeder Zerrung. Aber durch die Hepatopexie schliesst man
den subphrenischen Raum ab, und dann erleichtert man sich
ungemein die Tamponade. Die Leber liegt fest, der eingeführte
Tampon schiebt sie gut nach oben. Ich habe unter meinen
letzten 300 Gallenblasenexcisionen fast niemals die Hepato-
pexie vergessen. Spätere Störungen habe ich nicht beobachtet,
da ich von jeher jede Zerrung und allzu straffe Fixation ver-
meide. Mit der tamponierenden Gaze — gewöhnlich 3 Streifen —
werden die Ligaturen der Art. cystica und des Ductus cysticus
herausgeleitet. Durchgreifende Knopfnähte, genau wie bei der
Cystostomie, verschliessen die Bauchwunde so, dass nur da, wo
die Leber angenäht ist, ein ca. 4 — 6 cm. langer Schlitz offen bleibt,
der die Tampons heraustreten lässt. Um daselbst die Wunde
recht zum Klaffen zu bringen und jede Sekretverhaltung zu ver-
hindern, werden zuletzt mit kleineren Haken die Wundränder
nach innen resp. aussen gezogen und zwischen diese und die
tamponierende Gaze noch einige Streifen steriler Gaze lateral bis
auf die Hepatopexiedrähte, medial bis an das Peritoneum gestopft.
Dann folgt ein umfangreicher Gaze- Watte-Verband. Der Patient
wird zu Bett gebracht. Die Nachbehandlung erfolgt nach
Grundsätzen, die ich in einem besonderen Kapitel erörtern werde;
hier will ich nur bemerken, dass der erste Verband gewöhnlich
erst nach 14 Tagen entfernt wird. Dabei werden die Hepatopexie-
Fäden beseitigt und die Tampons erneuert. Nach 3 Wochen
steht der Patient auf, und nach 5 Wochen verlässt er die Klinik.
Die völlige Heilung der Wunde erfolgt in der 4.-6. Woche.
Die Hepatopexie unterlasse ich, wenn das Lebergewebe
sehr morsch ist und die Fäden durchschneiden (Nr. 87) und
wenn die Tampons die Leber genügend hochdrücken (Nr. 112.)
Die Excision der Gallenblase kann eine sehr leichte und
eine sehr schwere Operation sein. Bei Frauen mit Hepatoptose,
deren Leber sich herauskippen lässt, (Nr. 33, Nr. 50, Nr» 85,
Nr. 112, Nr. 123), liegt die Gallenblase bis zum Cysticus ge-
wissermassen extraperitoneal, und wenn die Gallenblase wenig
entzündet ist, genügt oft ein Einritzen der Serosa an der Stelle,
wo die Gallenblase an die Leber fixiert ist, um mit sanftem
— 202- —
Zug- die Gallenblase bis an deii Ductus cysticus zu isolieren.
(Nr. 52.) Da jede Entzündung fehlt, der Gallenblasenhals nicht
verdickt ist, macht die Stielung des Cysticus in solchen Fällen
gar keine Schwierigkeiten.
Ganz anders liegen die Verhältnisse bei Frauen, die nicht
geboren haben (Nr. 64), am ungünstigsten aber beim Manne, und
wenn in solchen Fällen die Gallenblase noch geschrumpft, durch
Fisteln mit Duodenum oder Magen in Kommunikation getreten,
der Gallenblasenhals, wie Riedel treffend sagt, in eine Art von
Dachsbau verwandelt ist, dann bedarf es hervorragender
Technik, um eine Ectoraie zu vollenden.
Man muss in grösster Tiefe arbeiten, die Isolierung des Gallen-
blasenhalses ist wegen der dort abgelaufenen Entzündung äusserst
mühsam, (Nr. 41.) nicht immer gelingt es, die Arteria cystica
zu unterbinden, und man ist froh, wenn man die Blutung durch
eine Klemme stillen und diese liegen lassen kann. Dazu kommt,
dass es schwer fällt, den richtigen Weg zwischen Leber und
Gallenblase zu finden. Ist die Leber morsch (Nr. 58), so reisst
sie oft ein, starke Blutungen stören das weitere Vordringen,
die Gallenblase selbst reisst ein wie Zunder, und nur in traurigen
Fetzen befördert man das Organ heraus. Will man für solche
fetzenweise Entfernung der Gallenblase einen Namen haben,
so könnte man von einem Morcellement der Gallenblase sprechen.
Es können solche Operationen zu den schwierigsten gehören,
die überhaupt am Gallensystem denkbar sind. Gewöhnlich
ist in solchen Fällen auch die Narkose nicht berühmt, der
Kranke reagiert auf jeden Handgriff in der Tiefe, er presst, wird
cyanotisch, und man weiss oft nicht, ob man die Operation ab-
brechen oder schnell zu Ende führen soll. Gleitet nun gar
einmal eine Klemme von der Art. cystica ab und wird das
Operationsfeld von Blut überschwemmt, dann möchte man
schier verzagen und muss doch gerade durch energisches und
kräftiges Vorgehen die drohende Gefahr abwenden. Trotzdem
möchte ich auch in solchen Fällen raten, seine Finger möglichst
vor einer Berührung mit infektiösem Gallenblaseninhalt zu hüten
und nicht wie Riedel vorzugehen, der empfohlen hat, die Finger
in die Gallenblase hineinzustecken, damit man sich besser orien-
tieren kann. Die eingeführte Sonde oder Kornzange leistet die-
selben Dienste, und nur zur sicheren Feststellung, ob alle Steine
entfernt sind — z. B. bei Steinen im retroduodenalen Teil des
— 203 —
Choledochus — , ist die Fingereinführung allerdings unerlässlich.
In eine Gallenblase habe ich niemals einen Finger hineingesteckt.
Es scheint, als ob viele Chirurgen bei der Durchtrennung
des Ductus cysticus sehr für die aseptische Durchführung der
Operation fürchten. Sie benützen dazu den Paquelin, ver-
schorfen die Schleimhaut oder excidieren sie, nähen über den
Stumpf Peritoneum oder vernähen den Cysticusstumpf (Ste-
wart 1895) gar mit dem Perit. parietale. Ich habe niemals
derartige Manöver unternommen und kann versichern, dass ich bei
meiner Methode, der einfachen Abbindung des Ductus cysticus,
nie. eine irgendwie gefährlich werdende Infektion beobachtet
habe. Ich habe fast 400 Mal die Gallenblase exstirpiert, ohne
dass eine Infektion von grösserem Umfange zu Stande kam. Die
Einnähung des Cysticusstumpfes in die Bauchwunde wird zu er-
heblichen Zerrungen führen, und wenn man die Tamponade so um
den Cysticusstumpf lagert, dass er in diese wie eingehüllt ist,
dann braucht man keine Sorge vor Infektion zu haben.
Die Resektion der Gallenblase, wie sie Langen buch
empfohlen hat, der die an der Leber haftende Partie stehen lässt
und nur den freien Teil der Gallenblase entfernt, ist mir nicht
sympathisch. Man könnte die stehengebliebene Schleimhaut mit
dem Paquelin verschorfen, man könnte sie auch durch nach-
trägliche Excision unschädlich machen, aber wozu solche Teil-
operationen, wenn man immer die totale Excision machen kann?
Warum soll man wie Kottmann*) einen Teil des Cysticus oder
gar des Gallenblasenhalses stehen lassen? Ich will ja gar nicht
haben, dass die Gallenblase sich wieder formt und ersetzt, sie
soll ganz fort, damit keine Divertikel zurückbleiben und keine
neuen Steine sich bilden können. Kottmann fixiert ausser-
dem den Torso der Gallenblase am Perit. parietale und ruft
auf diese Weise Zerrungen und Abknickungen hervor, die den
Operierten recht belästigen können.
Das Verfahren von Majo, welcher die Schleimhaut der
Gallenblase von einem Fundusschnitt aus bis zum Cysticus ent-
fernt, während er Muscularis und Serosa erhält, habe ich nicht
geübt. Ich enthalte mich deshalb jeder Kritik dieser Methode.
Ich erwähnte soeben die Modifikation der Ectomie nach
Kottmann. Schon Lindner hatte vorgeschlagen, einen Teil
*) M artig. Zur Chirurgie der Gallenwege. Inaug.-Dissert. 1893.
— 204 ---
der Gallenblase zu erhalten, aus dem sich gewissermassen eine
neue Gallenblase formieren kann. K ottmann führte diese Idee
aus und entfernte nicht das ganze Organ, sondern liess den
C3'-sticus und den Hals der Gallenblase stehen, vernähte den
Torso und fixierte ihn am Perit, parietale; in dieser Beziehung
deckt sich somit das Kottmann'sche Verfahren mit der Cysto-
pexie. Der Operation hängt natürlich auch der Mangel der
Cystopexie und zwar im vermehrten Masse an (Zerrung der
Gallengänge durch Fixation der Gallenblase an die Bauchwand).
Nach meiner Meinung soll man nicht nur die Gallenblase
völlig entfernen, sondern auch noch den Cysticus (Cysticec-
tomie), damit sich eben kein neues Gallenbläschen bilden kann.
(Nr. 102.) Ich fürchte, dass ein solch' kleines sich neubildendes
Anhängsel ebenso gut wie die grosse Gallenblase zu Entzündungs-
Recidiven Veranlassung geben kann. Aus diesem Grunde ist
die Operation Kottmann's zu streichen.
Ich habe in einigen Fällen (Nr. 71 — 73) notgedrungen eine
Fimdusresektion der sehr morschen Gallenblase machen müssen,
weil die vollständige Ectomie wegen schlechter Narkose nicht
durchführbar war. Solche Operationen sind wenig empfehlens-
wert, doch nicht ganz zu vermeiden. (Nr. 128.)
Die Colecistorafla Loreta's*) hat keine Nachahmer gefun-
den. Der Operateur legte die Gallenblase in mehrere Längsfalten
und vernähte deren Wände bis zum Verschwinden jeder Lichtung
fest aneinander. Die Gallenblase wurde versenkt. Der Fall
ging in Heilung aus, doch wird die Verödung der Gallenblase
durch die einfache Ektomie leichter erreicht.
Der Kuriosität halber teile ich noch mit, dass Shettle**)
eine Ectomie zweizeitig ausführte; ich unterlasse es, diese Ope-
ration zu beschreiben, da sie keine Vorteile, sondern nur Nach-
teile gewährt.
Schliesslich will ich noch erwähnen, dass man bei grosser
Dünnheit des die Gallenblase bedeckenden Lebergewebes, be-
sonders wenn es narbig verändert ist, dieses gleich mit ent-
fernen kann. (Nr. 62.)
f) Die Ectomie bei Carcinom der Gallenblase.
Ich widme dem Carcinom der Crallenblase ein besonderes
Kapitel, nicht weil ich es, wie Riedel, für den schlimmsten
*) Riforma medica Koma 88, Nr. 55, 56.
**) The Lancet 1896, Nr. 14. British m^dical Journal 1896, Nr. 12.
— 205 —
Feind der Gallensteinkranken halte, sondern weil die Ectomie
bei dieser Krankheit nach anderen Prinzipien ausgeführt werden
rauss, wie bei der Cholelithiasis.
Riedel sah 52 Krebskranke bei 6 — 700 Gallenstein-
kranken. Petersen gibt an, dass bei 168 wegen Gallensteinen
operierten Fällen 34 Mal Carcinom gefunden wurde. Das klingt
schauerlich. Aber Riedel bedenkt dabei nicht, dass fast nur
die schwersten Gallensteinkranken den Chirurgen aufsuchen,
dass also alle Carcinomkranken kommen, die leichten und
mittelschweren Gallensteinkranken aber zu Hause bleiben.
Wenn man die unzähligen Gallensteinkranken im Auge
hat, die in Deutschland mit und ohne Beschwerden herum-
laufen, so ist das durch Steine bedingte Carcinom ein sehr
seltenes Leiden; ich habe wie Riedel und Czerny eben-
falls in 10*^/0 meiner Fälle Gallenblasencarcinom beobachtet,
aber ich kann deshalb der Schlussfolgerung Riedels nicht
beitreten.
Ein richtiges Bild von der Häufigkeit des Carcinoms
erhalten wir z. B. aus den Sektionsberichten des Baseler path.
Instituts aus den Jahren 1882—1888. Da kamen auf 2520 Sek-
tionen 7 Gallenblasenkrebse = 0,28®/o; Peters fand für Kiel
unter 5894 Sektionen 6 Fälle == 0,1 "/o. Im pathol. Institut in
Helsingfors wurden unter 3775 Sektionen (1858 — 1888) sechsmal
Krebse der Gallenblase = 0,16'^jo beobachtet. Von den 2520
Sezierten (Baseler Institut) hatten 255 Gallensteine, sieben davon
Gallenblasenkrebs = 2,7 "/o. Peters (Kiel) fand bei 1818
männlichen Leichen 55 Mal Gallensteine = 3*'/o, bei 1177 weib-
lichen Leichen 106 Mal Gallensteine = 9°/o. Dabei 6 Carcinome
= 3,75 "/„ der Gallensteine. Das ist reines Krankenhausmaterial.
Wenn man aber bedenkt, wieviel Gallensteinkranke der Privat-
praxis nicht seziert werden, welche niemals von ihren Steinen
etwas gespürt haben, so dürfte die Schlussfolgerung, dass das
wahre Prozentverhältnis noch viel niedriger — vielleicht bei
2 ^jo — liegt, gerechtfertigt sein. Riedel gibt an, dass im
deutschen Reiche ca. 2 Millionen Menschen Gallensteine haben,
also müssten an Gallenblasenkrebs 40,000 Menschen leiden
und daher auch jährlich ebensoviele sterben. Ich glaube
deshalb, dass 2^/0 noch viel zu hoch gegriffen sind.
Damit ist nicht gesagt, dass das Carcinom der Gallenblase
nicht unsere volle Beachtung verdient. Ganz im Gegenteil,
206
Fig. 41.
Drüben
wir sollen kein Mittel unversucht lassen, dasselbe frühzeitig
zu erkennen und frühzeitig zu operieren.
Wir alle wissen, dass die frühzeitige Diagnose auf grosse
Hindernisse stösst, und man kann sagen : Sobald das Gallen-
blasencarcinom sicher zu diagnosticieren ist, ist es radikal nicht
mehr heilbar! Dazu kommt, dass gerade Gallensteinkranke,
die später an Carcinom
erkranken, gewöhnlich
von ihren Steinen nicht
viel fühlen. Sie kommen
erst zum Arzt mit
dem fertigen, palpab-
len Carcinom, oft schon
mit Ascites und Ikterus.
So müssen wir uns
bescheiden , in den
allerseltensten Fällen
einmal eine Eadikal-
operation vornehmen
Schema für Ectomie und Resektion der Lober bnnnon
beim GaUenblasen-Carcinom. ZU KOnnen.
Fig. 42.
tiiuU
u 0
i/orn
■
Drusen
irorn.
Schoraa fUr Hosektion der Lobor samt oarcinösor Gallenblase. Die Figuren I u. III
zeigen die resezit-rten LeborüUchen. Die Fäden worden bei a rosp. b g«knotpt
und künnen in tote 14 Tage post op. entfernt werden. Dio Filden a c, b c in
Figur II und III vorlaufen an der Untorfläche der Leber. Natürlich geht man
nicht nur 6 Mal durch die Leber, sondern viel üfter, je nach der LSngo des zu
resezierenden Stücks.
— 207 —
Bei derselben ist es aber nötig, nicht nur die Gallenblase
zu entfernen, sondern man muss auch die Drüsen am Cysticus
und Lig. hepato-duodenale ausrotten und das die Gallenblase
bedeckende Lebergewebe resecieren, da das Carcinom der
Gallenblase grosse Neigung zeigt, auf die Leber überzugreifen.
Die Ectomie der krebsigen Gallenblase ist also als eine
Eesektion der Leber, an welcher die Gallenblase hängen bleibt,
und als eine höchst schwierige Excision der vielen Drüsen im
Lig. hepato-duodenale zu betrachten. Die Resektionsmethoden
der Leber will ich nicht weiter besprechen ; ich verweise auf die
Lehrbücher der Chirurgie und auf die Arbeit von An schütz
in den V. Volkmann'schen Vorträgen; ich will nur bemerken,
dass ich durch eine fortlaufende starke Naht mit einem langen
Seidenfaden weit im Gesunden die Leber durchsteche und so die
Leberresektion fast blutlos mache. Der Faden wird mit einer
stumpfen Nadel (Kader) durch das Lebergewebe geführt und fest
angezogen ; wo es trotzdem noch blutet, kommen besondere Liga-
turen oder Umstechungen zur Anwendung. Eine ausgiebige
Tamponade beschliesst die Operation. Nach ca. 14 Tagen wird
der Faden in toto entfernt. Besser wie durch jede Beschrei-
bung wird meine Art zu operieren durch vorstehende sche-
matische Abbildungen (Fig. 41 u. 42) erklärt. Doch bemerke
ich, dass nur bei dünnem Lebergewebe über der Gallenblase
die Resektion der Leber leicht gemacht werden kann, während
sie bei dicker, massiger Leber grosse Schwierigkeiten bereitet
und auf andere Weise zu bewerkstelligen ist.
Ich möchte besonders den nicht sehr geübten Laparotomisten
recht davor warnen, allzukühn bei der Behandlung der Gallen-
blasenkrebse vorzugehen. Ich gehöre nicht zu den Chirurgen,
die vor notwendigen, aber schwierigen Operationen zurück-
schrecken, aber eine Operation zu machen, ohne zu wissen, ob
sie radikal beendet werden kann, ist verwerflich. Deshalb über-
zeuge man sich erst, wie die Drüsen am Lig. hepato-duodenale
beschaffen sind. Sind sie fest, aber beweglich oder wenigstens
gut zugänglich, so mag man die Operation beginnen. Sind sie
aber wie festgelötet, allenthalben verw^achsen, so ist es richtiger,
wenn man es bei der Probeincision belässt. Auch die Aus-
dehnung des Carcinom auf die Leber spielt eine entscheidende
Rolle, weniger nach beiden Seiten hin als cysticus wärts. Man
muss im Gesunden bleiben und alles Krankhafte herausbringen:
— 208 —
dann hat eine Carcinomoperation Zweck, sonst nicht. Leider
überzeugt man sich oft erst während der Leberresektion, dass
man krankes Gewebe durchtrennt hat und eine Radikaloperation
unmöglich ist. Nach meinen Erfahrungen geben Funduscarcinome
eine bessere Prognose wie CoUumcarcinome — genau wie beim
Uteruscarcinom. Bei ersterem bleiben die Drüsen im Lig. hepato-
duodenale länger frei wie beim letzteren, üauerheilungen nach
Ectomien der carcinomatösen Gallenblase haben Körte (5 Jahre),.
Kümmell-ßingel, Wörner (3 Jahre) erzielt. Ein Fall von
Hochenegg war 2 Jahre lang ohne Metastasen und starb
3 Jahre post. op. Ich habe bisher eine Dauerheilung noch nicht
erzielt, trotzdem ich stets sehr radikal vorgegangen bin. In
einem Fall, bei dem das Carcinom auf den Pylorus übergegriffen
hatte, habe ich gleichzeitig eine Pylorusresektion nach Kocher
ausgeführt, da ich die Drüsen am Lig. hepato-duodenale weich
fand und das Lebergewebe vom Carcinom verschont war. (Nr. 66.)
Das sind sehr eingreifende Operationen, die nur ein fixer Ope-
rateur unternehmen sollte. Mehr wie 1^/2 Stunden sollte man
zur Leberresektion und gleichzeitigen Pylorusresektion nicht
gebrauchen. Wer in dieser Zeit nicht fertig wird, unterlässt
lieber den Eingriff, weil bei längerer Dauer zu viel Chloroform
gebraucht wird und der Collaps nicht ausbleibt.
Dass ich in Fällen, die auf ein Carcinom verdächtig sind
(Appetitlosigkeit bei Druckbeschwerden in der Gallenblasen-
gegend, Abmagerung, Gallenblasentumor), einen Probeschnitt
vorschlage, ist selbstverständlich, aber fast ebenso selbstver-
ständlich ist es, dass fast alle Patienten diesen meinen Vor-
schlag dankend ablehnen. Oft bewiesen sie mir die ünnötig-
keit der vorgeschlagenen Operation dadurch, dass sie auch ohne
Operation gesund wurden, oft wurde mein Verdacht, dass sich ein
Carcinom entwickeln würde, durch den baldigen Tod bestätigt.
Ich will hier gleich erwähnen, dass nicht selten zu dem
Carcinom der Gallenblase eine Eiterung hinzukommt. Kann
man hier die Gallenblase in toto entfernen, so ist das gewiss
das Beste. Eine Fistel anzulegen, hat wenig Sinn, wenn auch
die Druckschmerzen auf einige Zeit schwinden. Aber bald fängt
das Carcinom zu jauchen an, und ein baldiger Tod ist der beste
Abschluss dieses entsetzlichen Leidens.
Seitdem ich häufiger wie ehedem die Ectomie ausführe,
habe ich oft genug Geschwulstbildungen besonders im Hals der
— 209 —
Gallenblase gefunden — maligne Adenome — , die dem Carcinoni
sehr nahe stehen und die wohl auf dem Boden eines durch
Steindruck entstandenen Ulcus sich gebildet haben. Bei aus-
geführter Cystostomie wären einige dieser Patienten wahrschein-
lich dem Carcinom verfallen. Diese Beobachtung spricht sehr
für die Ectomie, doch fällt es mir nicht ein, diese Fälle —
einige liegen 4 und 5 Jahre zurück — als geheilte Gallenblasen-
carcinome hinzustellen.
2. Die Operationen am Ductus cysticus.
a) Die Cysticolithotripsie.
Die von Lawson Taii (1884) eingeführte Zertrümmerung
des Cysticussteines durch den Druck des Fingers oder durch
die mit einem Gummirohr überzogenen Branchen einer Zange
hat man mit Recht verlassen. Durch den ausgeübten Druck
kann die Wandung des Ganges in ihrer Ernährung leiden, und
was ebenso schlimm ist, es können Steintrümmer in den
Choledochus geraten, um dort den Grund zur Neubildung von
Steinen resp. von Inkrustationen zu legen. Ich halte es des-
halb nicht für gestattet, mit Absicht eine Cysticolithotripsie
vorzunehmen, ja ich möchte sogar vor einer unfreiwilligen
Zertrümmerung warnen. Bei der Tiefe des Ganges ist die
Fixierung des Steines nicht immer leicht; es geschieht dabei
zuweilen, dass man zu derb zufasst und dass dann der Stein
in Stücke geht. (Xr. 77.) Konnte man ein solches Ereignis
nicht verhüten, so hat man die Pflicht, für die möglichste Ent-
fernung sämtlicher Steintrümmer nach aussen hin zu sorgen.
Am besten aber ist es, wenn man auch eine unfreiwillige Zer-
trümmerung nach Möglichkeit vermeidet.
b) Die primäre Cysticotomie.
Wir haben bei der Cystostomie die Entfernung des Cysti-
cus- resp. Gallenblasenhaissteines besprochen und die Handgriffe
beschrieben, die eine Lockerung desselben und' seine Ver-
schiebung gallenblasenwärts bewirken. Ist eine solche Stein-
entfernung unmöglich, so kommt, wenn man nicht auf die so-
fortige Beseitigung der Occlusion verzichten oder die radi-
kale Ectomie vornehmen will, die Cysticotomie, die Incision
des Ductus cysticus in Betracht. (Nr. 78, 79.)
Wir können eine äussere und eine innere Cysticotomie
unterscheiden. Bei der inneren, die wohl zuerst Körte geübt
Kehr, Technik der GaUensteinoperationeD. I. 14
— 210
Fig. 43.
hat, wird mit einem Knopfmesser von der Gallenblasenfistel
aus die Schleimhaut eingeschnitten (also ähnlich wie bei der
früher geübten Erweiterung des Bruchsackhalses), und dann
durch kombinierte Eingriffe von der inneren und äusseren
Fläche der Gallenblase her die Einklemmung beseitigt. Wir
arbeiten mit unserem Knopfmesser aber im Dunkeln, und nur
sehr geschickte Operateure werden in solchen Fällen nicht
zu viel und nicht zu wenig einschneiden. Mit Eecht haben
wir die Beseitigung der Einklemmung der Hernien von innen
her, d. h. vom Bruchsack aus, verlassen und arbeiten jetzt
unter der Kontrolle
des Auges von aussen
unter schichtweiser
Incision des ein-
schnürenden Ringes.
Ich glaube, wir tun
gut, wenn wir auch
beim Cysticusstein
uns so verhalten und
der äusseren Cysti-
cotomie (Hochen-
egg 1890, Lindner
1891, Kehr 1892)
den Vorzug geben.
Es versteht sich von
Schema für Cysticotomie mit Tamponado. Selbst daSS wir
ehe wir zur Incision schreiten, kein Mittel unversucht
lassen, um den Stein zu lockern. Eiedel hat zu diesem
Zweck einen Löffel angegeben, den ich mir sofort anschaffte,
als ich zum erstenmal mit einem Cysticussteine Widerwärtig-
keiten zu bestehen hatte. Ich habe aber nur einmal mit diesem
Instrument einen Erfolg erzielt und glaube nicht, dass dieses
schlechte Resultat auf persönliche Ungeschicklichkeit zurückzu-
führen ist. So oft die Sonde den Cysticusstein überhaupt nicht
tasten kann, ebenso oft kommt man auch mit dem Löffel nicht
zwischen Schleimhaut und Stein.
In den meisten Fällen bleibt eben nichts anderes übrig,
als die Incision, die äussere Cysticotomie.
Die Technik der Cysticotomie ist mit wenigen Worten er-
ledigt. Die Schnittführung ist die gleiche wie bei der Cysto-
— 21] —
stomie; vor allen Dingen muss der Schnitt bis an oder über den
Proc. xiph. hinaus gehen, damit man gut an den Ductus cysticus
herankommt. Nachdem dieser von Verwachsungen, die sich be-
sonders nach dem Duodenum hin erstrecken, befreit ist, legt
man in die Tiefe zunächst Kompressen, damit etwa bei der In-
cision ausfliessender Inhalt in der Peritonealhöhle keinen Schaden
anrichten kann. Die vorher durch Schnitt eröffnete Gallenblase
(siehe Cystostomie) ist durch einen Gazestreifen trocken gelegt,
die Incisionswunde an der Gallenblase wird durch einige Klemmen
provisorisch verschlossen. Die Incision im Ductus cysticus oder
im Hals der Gallenblase erfolgt direkt auf den unverschieb-
lichen Stein. Man mache sie anfangs klein und versuche den
Stein durch das angelegte Loch hindurchzudrücken. Grosse
Gewalt soll man nicht anwenden, damit das Gewebe nicht leidet.
Folgt der Stein nicht dem Druck, so erweitert man die Oeff-
nung mit dem Messer. Den herausspringenden Stein, das nach-
fliessende Sekret fängt man mit einer untergeschobenen Gaze-
kompresse auf. Manchmal liegt hinter dem obturierenden Stein
ein zweiter oder noch mehrere, so dassman genau nachsehen und
sondieren muss — gallenblasen- und choledochuswärts. Es
folgt eine einfache Naht durch Serosa und Muscularis mit dünner
Seide. Die Fäden habe ich in der letzten Zeit lang gelassen
und die Naht mit einem einzigen Tampon versehen. (Fig. 43.)
Nicht immer kommt man leicht an den Cysticus heran. Des-
halb muss der Bauchdeckenschnitt, wie bereits bemerkt, nach
oben zu recht ausgiebig sein. Eine am Fundus angelegte
Klemme zieht die Gallenblase kräftig nach aussen und oben, der
Assistent hält Magen, Duodenum und Netz recht nach innen, unten:
dann ist der Zugang meist leicht. Die Incision auf den Stein
legt man, wenn man die Fäden kurz abschneiden und nicht tam-
ponieren will, wenn möglich so an, dass die Naht mit der unteren
Fläche der Leber rasch verkleben kann. Event, kann man einen
Netzzipfel aus dem Lig. hepato-gastricum zur Plastik verwenden.
Die Cysticotomie kann man mit der Ectomie verbinden;
erhält man die Gallenblase, so ist stets die Cystostomie nötig.
Dabei eine Cystendyse nach dem Vorgang von Greiffenhagen
auszuführen ist ein Wagnis, das ich nicht verantworten würde.
Die primäre Cysticotomie, die man sofort bei der ersten
Operation ausführt, nimmt man von dem gewöhnlichen Cysto-
stomieschnitt aus vor, sekundäre Cysticotomien lassen sich am
14*
— 212 —
besten durch einen Schnitt in der Mittellinie erledigen Die
Gallen- resp. Schleimfistel bleibt auf diese Art unberührt. Davon
reden wir in einem späteren Kapitel.
c) Die Cysticectomie (die Excision des Ductus cysticus).
Die Cysticectomie, die Excision des Ductus cysticus,
können wir nicht gut als eine besondere Operationsmethode
hinstellen. Wer eine gründliche Ectomie macht, nimmt auch
den Cysticus mit fort, und stellt sich heraus, dass die Ectomie
nicht ganz vollkommen war, so wird man den stehengebliebenen
Rest des Ductus cysticus noch nachträglich entfernen. (Nr. 84
bis Nr. 87.) Man fasst den Gang am äussersten Zipfel,
d. h. gallenblasenwärts mit einer kräftigen Klemme und isoliert
ihn nun so bis zum Eintritt in den Choledochus, dass er dicht
an dieser Stelle abgebunden werden kann. Ich habe sehr oft
an die Stelle der völligen Cysticectomie die Auslösung der
Mucosa des Cysticus gesetzt, die zwar mit etwas Blutverlust
verbunden ist, aber meist glatt gelingt. Der stehengebliebene
Rest der Serosa und Muscularis wird dann in sich vernäht.
Eine besondere Beachtung verdient diese Modifikation der Cystic-
ectomie nicht.
Eine Resektion des Ductus cysticus derart, dass man
den Cysticus am Choledochus einerseits und am Gallenblaseu-
hals andererseits durchschneidet, das zwischenliegende Stück
entfernt und nun die erhaltene Gallenblase in den Chole-
dochus einnäht, dürfte nur ein Chirurg ausführen, der von
allzugrossem Konservativismus geplagt wird. Bei Oblitera-
tionen des Ductus cysticus, bei ganz kleinen, auf den Cysti-
cus beschränkten Neubildungen dürfte eine solche Operation
ausführbar sein, doch soll man bedenken, dass die Naht,
die die Gallenblase an den (/holedochus fixiert, zur narbigeu
Schrumpfung und zu erneuter Obliteration Veranlassung geben
kann. Es ist daher viel richtiger, wenn man zur Cysticectomie
die Ectomie der Gallenblase hinzufügt und am Cysticus keine
Resektionen vornimmt.
3. Die Operationen am Ductus choledochus.
a) Die Choledocholithotripsie.
Was für die Cysticolithotripsiegilt, gilt auch von der Chol«-
(locliolithotripsie : die Steintrümmer können leicht zurückbleiben,
und wenn sie wirklich sämtlich abgehen, so wird Patient nach der
— 213 —
Operation Schmerzen aushalten, die man ihm ersparen soll. Bei
unfreiwilliger Choledocholithotripsie (Nr. 89) verlange ich sogar
nachträglich die Eröffnung des Ganges zwecks Entfernung aller
Trümmer, und da ich weiss, wie schwierig das ist, füge ich die
Hepaticusdrainage hinzu. Die aus der Choledochusincision
heraustretenden Trümmer verschmieren sich leicht auf dem Pe-
ritoneum und können eine Peritonitis verursachen, Gründe ge-
nug, um möglichst auch eine unfreiwillige Choledochotripsie zu
vermeiden. Höchstens für den kleinen Stein in der Papilla
duodeni, dessen Entfernung grosse Technik verlangt, wäre
eine Zertrümmerung im Notfall erlaubt, d. h. wenn die Frei-
legung der Papille wegen grosser Tiefe und vieler Ver-
wachsungen auf grosse Schwierigkeiten stossen würde. Aber
auch für diese Fälle möchte ich in erster Linie die Incisions-
methode empfehlen,
b) Die supraduodenale Choledoch otomie mit Naht
und die Hepaticusdrainage.
Unter Choledochotomie (Kümmell 6. 2. 1884, Thornton
9. 5. 1889) versteht man die Incision des Choledochus zwecks
Entfernung von Steinen, sonstigen Fremdkörpern (Ascariden)
und zw^ecks Drainage bei Choledochitis resp. Cholangitis. Die
am Choledochus vorgenommene Incision wird entweder durch
die Naht geschlossen oder genäht und tamponiert oder durch
Gummi- oder Glasrohr drainiert. Wir unterscheiden also
1. eine Choledochotomie mit Naht (ideale Methode), 2. eine
Choledochotomie mit Naht und Tamponade, 3. eine Choledochus-
resp. Hepaticusdrainage. Ich nenne prinzipiell jede Drainage
des Choledochus leberwärts — Hepaticus- Drainage, jede
Drainage des Choledochus duodenalwärts — Choledochus-
Drainage. Die Choledochotomie wird meist in dem zugäng-
lichsten Teil des Gangs — dem supraduodenalen Teil — vor-
genommen. Den retroduodenalen erreicht man entweder durch
das Duodenum hindurch (transduodenal) oder durch Beiseite-
schiebung desselben (retroduodenal).
Es versteht sich von selbst, dass man einen Gang, den
man incidieren will, so freilegt, dass man genau sieht, was man
tut; man wird nicht im Dunkeln derartige Eingriffe vornehmen.
Und doch hat ein Chirurg — es ist besser ich nenne seinen
Namen nicht — empfohlen, bei chronischer Choledochusobliteration
durch Stein durch die Bauchwand hindurch eine dicke Nadel
— 214 —
einziistossen, nach dem Stein im Gang zu suchen und mit
der Spitze der Nadel den Stein zu zersprengen. Es ist zweck-
los, ein solches Verfahren zu kritisieren, man hüllt sich am
besten im Schweigen. Vorbedingung zu einer Choledochotomie
ist die gehörige Freilegung des Gangs, d. h. des Lig. hepato-
duodenale. In ihm verläuft der Choledochus, die Vena por-
tarum und die Art. hepatica, und wer die normalen anato-
mischen Verhältnisse, die hier in Betracht kommen, nicht kennt,
wird die pathologisch - anatomischen Veränderungen erst recht
nicht begreifen. Die anatomischen Verhältnisse am Lig. hepato-
duodenale habe ich oben in einem besonderen Kapitel beschrieben;
es ist gut, wenn der Leser das dort Gesagte noch einmal sich
vergegenwärtigt, ehe er an das weitere Studium der Technik
der Choledochotomie sich begibt. —
Bei keiner Operation am Gallensystem zeigt sich der Nutzen
meines Wellenschnitts so sehr, wie bei der Choledochotomie.
Unter Zuhilfenahme der Rücken-Rolle, die das Operationsterrain
so nach vorn drängt, dass es oft in das Niveau der Bauch wunde
zu liegen kommt, gewährt der Schnitt einen so ausgezeichneten
Zugang zum Lig. hepato-duodenale, dass man in einigen Fällen
fast extraperitoneal die Eröffnung des Choledochus vornehmen
kann. Ich mache von vornherein einen grossen Schnitt und
kann die Bestrebungen anderer Chirurgen (z. B. Mannoury,
Richardson), von einem möglichst kleinen Schnitt aus die
Steine zu entfernen, nicht gutheissen. Alle kleinen Schnitte
erschweren die Operation und halten sie ganz unnötig auf.
Die Freilegung des Lig. hepato - duodenale setzt eine
Beseitigung sämtlicher Verwachsungen voraus, die zwischen
Leber, Gallenblase, Cysticus und Choledochus einerseits und
Magen, Pylorus, Duodenum und Bauchwand andererseits be-
stehen. Ebenso sind sämtliche Fisteln zwischen Gallensystem
und Intestinis erbarmungslos zu beseitigen. Sind alle Ver-
wachsungen durchtrennt — wie das zu geschehen hat, habe ich
im allgemeinen Teil der Technik auseinandergesetzt — , dann
legt der Assistent eine oder mehrere Kompressen auf den Magen,,
die Därme und das Netz und drängt mit flach ausgebreiteter
Hand die Intestina nach unten innen, derart, dass das Lig.
hepato-duodenale sich anspannt. Der Operateur drückt mit der
linken flachen Hand die Leber nach oben aussen. Man schafft
sich dadurch einen breiten Raum, der den Choledochus vom Ein-
— 215 —
Fig. 44.
tritt in die Leber bis zum Duodenum völlig: freilässt. Der supra-
duodenale Teil des Choledochus, an welchem ca. 90 "/o aller
Incisionen vorgenommen werden, ist uns so ausgezeichnet zu-
gänglich. Die Leber hält am besten der Operateur selbst mit
der linken flachen Hand nach oben, nachdem ein genähter Tampon
auf die Unterfläche der Leber gelegt ist. Nach dem Vorgang
von Studsgaards die Leber mit einem dicken Seidenfaden
als Haltezügel zu versehen, halte ich für unnötig.
Ehe man die Licision am Choledochus vornimmt, muss man
sich entscheiden, was mit der Gallenblase geschehen soll.
L Soll sie unberührt bleiben? (Fig. 44.)
2. Soll sie entfernt werden? (Ectomie.) (Fig. 45.)
3. Soll eine Fistel an ihr angelegt werden? (Cystostomie.)
(Fig. 46.)
Man kann sie erhalten, wenn sie völlig leer ist, (Nr. 92),
wenn sie obliteriert ist und sozusagen alle Funktionen abgelegt
hat. (Nr. 125.) In
manchen Fällen ist beim
chron. Choledochus-
verschluss die Gallen-
^)lase so klein, dass
man sie kaum findet,
nicht grösser wie ein
Kirschkern, und wenn
man sie aufsehneidet,
findet man kaum eine
Höhle; der Cysticus
kann obliteriert sein,
und es hat in der Tat
keinen Zweck, sie zu
entfernen. Man bedenke
aber, dass man die
Frage, ob man die Gallenblase unberührt lassen soll, eigentlich erst
beantworten kann, wenn man sie entfernt hat. Da sieht man bis-
weilen ein, dass man sie ebenso gut hätte unberührt lassen können.
Im allgemeinen tut man gut, wenn man die Gallenblase
in diesen Fällen entfernt.
Ob man die Ectomie vornimmt oder ob man cystostomiert,
das ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Die Konstitution des
Patienten, seine Toleranz gegen das Narkoticum, die Beschaffen-
Sclicma für Choledochotomio mit Naht und Tara-
ponado ohne Eröflfnung der Gallenblase.
— 216 —
Fig. 45.
heit der Gallenblase selbst, der Grad der in ihr sich abspielenden
Entzündung etc. spielen in diesem Falle eine grosse Rolle,
ebenso wie die Freimachung des Lig. hepato-duodenale hier von
entscheidender Bedeutung ist. Im allgemeinen kann man sagen,
dass man geschrumpfte, ulcerierte, fistulöse Gallenblasen unter
allen Umständen entfernt, während eine gut erhaltene, wenig ent-
zündete, gut einnähbare Gallenblase eventuell erhalten werden
kann. Da aber gerade
diese Gallenblasen leicht
zu entfernen sind , da
weiterhin die Ectomie der
Cystostomie gegenüber
deshalb den Vorzug ver-
dient, weil die Ectomie
die Hauptbildungsstätte
der Steine entfernt, und
da drittens die Wund-
versorgung nach der Chole-
dochotomle resp. Hepa-
ticusdrainage bei gleich-
zeitiger Ectomie sich viel
einfacher gestaltet , so
entferne ich fast immer
die Gallenblase und lege
nur in ganz bestimmten Fällen zugleich an der Gallenblase eine
Fistel an.
Ich nehme dabei weniger auf die Gallenblase Rücksicht
als auf das Pankreas.
Gleichzeitige Pankreatitis chronica, welche sich durch
grössere Resistenz der Bauchspeicheldrüse auszeichnet, macht
es wünschenswert, dass man die Gallenblase erhält. Zwar
habe ich oft genug gesehen, dass auch nach der Ectomie
unter gleichzeitiger Hepaticusdrainage der entzündliche Prozess
im Pankreas zurückgeht, d. h. dass die angelegte Choledochus-
fistel allmählich zuheilt (würde die Papille durch das verdickte
Pankreas weiter komprimiert, so würde eine dauernde Gallen-
Fistel entstehen), immerhin kann man die Gallenblase zur
Anlegung einer (jlallenblat^en- Darm- oder Magenfistel gut ver-
werten, wenn der Prozess im Pankreaskopf chronisch bleibt und
der Abfluss der Galle in den Darm nicht zustande kommt.
Schema für Choledochotomie mit Naht und
Taraponade bei gleichzeitiger Ectomie.
— 217 —
Man kann demnach die Incision im Choledochus verbinden
mit einer Ectomie (Fig. 45) oder mit einer Cystostomie. (Fig. 46.)
Da die mit Ectomie komplizierte Choledochusincision am
häufigsten von mir vorgenommen wird, will ich mit der Be-
schreibung dieser Operation beginnen.
Entweder entfernt man zuerst die Gallenblase und in-
cidiert dann den Choledochus, oder man verfährt umgekehrt.
Hat man durch Palpation festgestellt, dass die Gallen-
blase völlig leer ist, so wendet man sich gleich an die Incision
des Choledochus. Denn die Steinentfernung aus dem Chole-
dochus ist die Hauptsache ; vielleicht stellt es sich während der
Operation heraus, dass es zweckmässig ist, die Gallenblase zu
erhalten oder eine Cystostomie zu machen. Zudem ist die Chole-
dochotomie der schwierigere Eingriff, bei dem man recht frische
Kräfte braucht, und schliesslich kann man nie wissen, ob die
Gallenblase nicht schwer infiziert ist. Man tut im allgemeinen
gut, das Operieren im infizierten Gebiet bis an den Schluss der
ganzen Operation zu verlegen. Es ist nicht leicht, hier
bindende Angaben zu machen, man wird von Fall zu Fall ent-
scheiden, und wer die Krankengeschichten im IL Teil recht genau
studiert, wird in dieser Beziehung genug Anhaltspunkte finden.
Ich unterscheide vom chirurgischen Standpunkt am Chole-
dochus zwei Partien, 1. die supraduodenale — zwischen Cysticus-
eintritt und Duodenum gelegen, und 2. die retroduodenale, hinter
dem Duodenum gelegene Partie.
Die supraduodenale liegt gewöhnlich ca. 3 — 4 cm. lang frei
vor uns, man kann sie vergrössern dadurch, dass man das Duo-
denum stumpf bei Seite d. h. medianwärts schiebt. Da hier
mehrere Venen und kleinere Arterien (siehe den anatom. Teil)
liegen, soll man bei dieser Prozedur möglichst stumpf vorgehen
und soll die Freimachung nicht übertreiben, um nicht unnütze
und schwer zu stillende Blutungen hervorzurufen und die
Duodenalwand zu beschädigen. Wie bei der Ectomie wird
man auch bei der Choledochotomie für eine sorgfältige Blut-
stillung sorgen und ist nicht selten bei der grossen Tiefe des
Operationsterrains gezwungen, statt der Unterbindung mit Seide
eine Klemme liegen zu lassen. (Nr. 100.) Ein gehörig grosser
Bauchwandschnitt ist das beste Mittel, um eine exakte Blutstillung
in der Tiefe durchzuführen. Daran wolle man sich immer er-
innern !
218
Fig. 46
Nehmen wir den Fall, dass wir es mit einem grossen, im
supraduodenalen Teil des Choledochus liegenden beweglichen
Stein zu tun haben, so ist mein Vorgehen folgendes. Ich führe
die linke Hand in die Bauchhöhle ein und zwar so, dass der
Handteller nach oben — zwerchfellwärts sieht, der kleine Finger
medial und der Daumen lateral liegt. Es handelt sich also um
denselben Handgriif, wie ich ihn bei der Beseitigung des Cysti-
cussteins beschrieben habe. Mit Zeigefinger und Daumen der
linken Hand fixiere ich
das Konkrementim Cho-
ledochus. Der Daumen
liegt dabei oft im
Foramen Winslowii,
wenn dieses nicht, wie
ich öfters beobachten
konnte, durch die Ent-
zündungsvorgänge
resp. Adhäsionen ver-
deckt und geschlossen
ist. Man kann .auch
die Fixation des Steins
der rechten Hand des
Assistenten überlassen,
doch habe ich gefunden,
dass besser der Opera-
Das hat auch noch den
Schema für Cysfcostomle und grleichzoitige Cholo-
dochotomiü mit Naht und Taraponade.
teur selbst die Fixation besorgt
Vorteil, dass man nach Excision des Steins mit dem Zeige-
finger und Daumen der linken Hand sofort den Choledochus hepa-
ticuswärts komprimieren kann und so die infizierte Galle nicht auf
einmal das Operationsterrain überschwemmt. Man lässt immer
durch Lüften der Finger nur soviel heraustreten, als man gerade
wegtupfen kann, und wenn das auch etwas langweilig ist, so ist
dieses Verfahren für den Patienten doch von grosser Sicherheit.
Die Excision des Steins wird so vorgenommen, dass in
einer Ausdehnung, die ^Ja der Länge des Steins entspricht, die
Serosa über dem Choledochus eingeschnitten wird. Die Blutung
dabei ist minimal, da durch die Kompression des Steins von
innen nach aussen die Gefässlumina zusammengedrückt werden.
Die Serosa wird ringsum etwas zurückgeschoben, und nun durch-
schneidet das Messer Muscularis und Schleimhaut des Chol(?-
— 219 —
dochiis. Herausüiessendes Sekret (oft klare, oft trübe und
eitrige Galle) fliesst in die unter das Lig. hepato-duodenale bis
in das Foramen Winslowii vorgeschobene Kompresse. Durch
Druck lässt man den Stein aus der Oeffnung hervorspringen ;
war die Incision zu klein, so erweitert man sie nach einer oder
nach beiden Seiten in der Längsrichtung des Choledochus.
Mit der Extraktion des Steins durch Kornzangen sei man vor-
sichtig, da man leicht den Stein zertrümmern kann. Dadurch
erschwert man sich aber seine Entfernung und stört die Asepsis.
Nicht immer liegt nur ein Stein im Choledochus, häufig
enthält er mehrere Konkremente. Um das festzustellen, legt
man an jeden Wundrand des Choledochus eine König'sche
Klemme oder ein sonst gut fassendes Instrument; auch kann
man zwei Seidenfadenschiingen durch die Wundrärder hindurch-
legen. Durch Anheben und Anziehen bringt man die Öffnung
zum klaffen, tupft hervortretende Galle mit Gaze fort und führt
nun eine dicke Sonde in den Gang, um sich über das Vorhanden-
sein von weiteren Steinen zu vergewissern. Mit Kornzangen,
Löffeln entfernt man die Konkremente und kann auch durch
Ausstreichen des Ganges von aussen her mit den Fingern die
Steine in die Höhe der Incisionsöffnung bringen, wo man sie leicht
entfernen kann. Bei genügend grosser Incision kann man für
gewöhnlich mit der Kornzange bis zur Bifurkation des He-
paticus vordringen ; den retroduodenalen Teil des Choledochus
revidiert man am besten so, dass man eine dicke Uterus-
sonde duodenal wärts einführt und an dieser entlang von aussen
her den Gang auf Steine abtastet. Meistenteils wird es gelingen,
die Sonde durch die Papille in das Duodenum zu tühren. Alle
Instrumente, die man im Innern des Choledochus verwendet
hat, werden bei Seite gelegt und in der freien Bauchhöhle
(z. B. zur späteren Tamponade) nicht weiter benutzt.
Schliesslich führt man den kleinen oder Zeigefinger —
bald der rechten bald der linken Hand — in den Choledochus
leber- und duodenalwärts ein und muss oft einsehen, dass die
Sondierung mit Instrumenten eine doch recht unvollkommene
und unsichere Massnahme ist. Mit den Fingern entdeckt man
noch manchen Stein, der sich der Sondierung entzogen hatte.
Die Tatsache, dass wir nach keiner Choledochotomie mit
Bestimmtheit sagen können, ob alle Steine auch wirklich ent-
fernt sind , hat mich bewogen, ganz und gar auf einen Naht-
— 220
Pig. 47.
verschluss der Incision zu verzichten. Ich könnte somit die
Technik der Naht am Choledochus ganz übergehen, will ihr
aber doch der Vollständigkeit halber einige Worte widmen.
Ich benutze bei allen Nähten in der Tiefe den Nadelhalter,
wie ihn Fig. 20 wiedergibt, und die feine Nadel in Fig. 19; natür-
lich kann man auch den Hage dorn 'sehen Halter gut ver-
wenden. Den Miniature-Hammer (petit marteau) von Halsted
zu gebrauchen, fühlte ich mich nicht veranlasst.
Bei einer Choledochusnaht wird die Schleimhaut nicht mit-
genommen ; an den Fäden könnten Inkrustationen entstehen, die
später zu Recidiven führen
würden. Nur die Serosa und
Muscularis durchdringt die
Nadel. Durch Auseinander-
ziehen der Wundränder an
den Haltezügeln resp. den
König'schen Klemmen
macht man sich jeden Wund-
rand gut zugängFich und
versorgt die Incision, wie
man am Darm ein Loch
zunäht. Eine einfache Naht
mit einigen Verstärkungen
genügt. Es ist unzweck-
a) Tiefe Einmilndung des Ductus cystious in
den Uuct choledochus. Zwecks Hepaticus- „^Kyssio. Mii«l?nlfiric nnH «lo
dramago ist eine besondere Incision im Hepa- i"aöOig5 iJ'J-UöAuiaiiö uuu oe
ticus bei b) zu empfehlen und die Incision
bei c) zu schli essen oder ohne Naht zu tam-
ponieren.
rosa für sich zu nähen. Die
Naht sei nicht zu dicht, damit
keine Gewebsnekrose zu Stande kommt ; alle 3 mm. eine Naht
anzulegen genügt. Delag^n iere*) vernäht den Längsschnitt
im Ductus choledochus quer, um einer Striktur des Ganges vorzu-
beugen. Diese Vorsichtsmassregel scheint mir etwas übertrieben.
Die Naht ist leicht, wenn der Choledochus gut zugänglich
ist; abgesehen aber davon, dass man nicht selten durch die
Nadel Venen ansticht und damit recht unangenehme und nicht
immer leicht zu stillende Blutungen macht, die dann die Serosa
weit abheben und leicht infizierbare Hämatome setzen können,
ist nach meiner Anffassung die Naht prinzipiell falsch. Der
Choledochus ist immer etwas infiziert, und infizierte Gänge
sollte man nicht zunähen, sondern offen behandeln. Ob das
*) Arch. provinciales de Chirurgie. Nr. 8. 1 Aoüt 1898.
— 221 —
Sekret leicht durch die Papille abfliesst, wissen wir nicht;
Schleim und Blutpfröpfe können den Gallenabfluss beschränken,
und schliesslich sind wir, wie schon oben bemerkt, nie sicher, ob
alle Steine entfernt sind. Wir verwerfen fast alle die Cysten-
dyse und lassen die Gallenblase offen; nicht anders sollten wir
den Choledochus behandeln.
Deshalb verzichte man auf die Naht und drainiere den Gang,
führe also die von mir sehr häufig vorgenommene Hepaticus-
drainage aus. Zu diesem Zwecke wählt man ein ca. 1 cm.
starkes recht langes Gummirohr (die v. Dembowski'sche*)
Kanüle benutze ich nicht) und führt es durch die Incision einige
Centimeter tief in den Choledochus resp. Hepaticus leberwärts
ein. Glaubt man, dass das Rohr richtig liegt,**) so wird es so-
fort durch eine Naht, die den untern Wundrand des Chole-
dochus in allen Schichten fasst, fixiert. Dann folgt die Ver-
kleinerung der Chöledochusincision an beiden oder auch nur an
einer Seite der Incision derart, dass fast sämtliche Galle ge-
zwungen ist, durch das Rohr abzulaufen : man stellt also einen
möglichst wasserdichten Verschluss der Chöledochusincision her.
loh habe früher möglichst dicke Rohre in den Hepaticus ein-
geführt, halte es aber jetzt für richtiger, wenn man zwischen Rohr
und Hepaticusschleimhaut etwas Spielraum lässt, nicht nur um
einem Druck aus dem Wege zu gehen, sondern auch um einem Teil
der Galle den Übertritt in den Choledochus und das Duodenum
zu gestatten. Leitet man alle Galle nach aussen, so legt man
den Choledochus gänzlich brach, es kann dort vielleicht eher
eine Infektion zu Stande kommen, als wenn er von etwas Galle
durchspült wird. Auch können sich kleine Trümmer und schmie-
rige Galle ansammeln, die event. später zu Verstopfungen Ver-
anlassung geben. Man benutze deshalb Rohre von 1 cm. Durch-
messer oder noch dünner.
Man kann auch ausser dem Hepaticus noch den Chole-
dochus drainieren (Fig. 48), wenn man Steine aus dem retro-
duodenalen Teil des Choledochus entfernen musste und nicht
ganz sicher war, alle Konkremente ausgeräumt zu haben.
*) Centralbl. f. Chir. 1899. Nr. 40.
**) Mit der Scheere schneidet man aus der Wand des Gummirohrs
— ca. 5 cm. vom Ende entfernt — ein Stückchen fort, ohne das Lumen
des Rchrs zu eröffnen. An dieser Marke erkennt man sofort, wie tief
das Rohr eingefühlt ist.
— 222 —
(Nr. 141—146.) Wenn auch bei einfacher Hepaticusdrainage der
Choledochus duodenalwärts während der Nachbehandlung meisten-
teils gut zugänglich ist, so erleichtert man sich doch seine
Fig. JS. Sondierung und Aus-
spülung durch die
gleichzeitige Choledo-
chusdrainage ausser-
ordentlich. Das Rohr
soll man nur bis an die
Papille heranführen; es
in das Duodenum zu
schieben (Fig. 49) ist
unzweckmässig, weil
durch das Rohr Duo-
denal- und Mageninhalt
ausgehebert wird und
der Operierte dadurch
leicht der Inanition.ver-
fällt. Einmal habe ich
die Drainage des Cho-
ledochus so vorgenom-
men (Fig. 50), dass ich das Rohr nicht in den Hepaticus, sondern
in den Choledochus einführte. (Nr. 144.) Da, wo es in den Chole-
Fig. 49.
Schema für Choledochus- und Hepaticusdrainage
nacb Bctoraie (die btiden Aeste der Art. cystica sind
unterbunden, die Gallenblase exstirpiert, Hepaticus
und Choledochus drainiert.)
Schema fUr Hepaticusdrainage (c) und Choledochusdrainago (b) bis
über die Papille a hinaus in das Duodenum. (Bei o und f Tampons.)
223 —
docbus umbieget, wurde es mit einem Loch versehen, so dass die
Galle sowohl durch das Rohr nach aussen als auch in das Duodenum
ablaufen konnte. Doch ist es schwer, das Rohr so zu fixieren,
dass man den Gallenfluss nach beiden Richtungen hin sichert.
Die Drainage des Ductus hepaticus ist nur in seltenen
Fällen unmöglich. (\r. 90.) Wenn z. B. der Ductus cysticus
sehr tief in den Öho- p. rQ
ledochus einmündet,
so ist es schwierig,
das Gummirohr ohne
Knickung in den
Gang leberwärts zu
schieben. Für solche
Fälle empfiehlt es
sich, eine besondere
Incision weiter ober-
halb, also eigent-
lich eine Hepatico-
tomie zu machen
(Fig. 47), oder man
verzichtet auf die
Drainage und tam-
poniert ohne Naht
die Choledochusinci-
sion. (Nr. 96.)
Wir haben bis-
her die Gallenblase
gar nicht berück-
sichtigt, da wir den
Fall setzten, dass die
Gallenblase keine
Steine enthielt. Ist
dieses der Fall, so scheint es mir zweckmässiger, zuerst
die Gallenblase zu entfernen und dann den Choledochus
in Angriff zu nehmen. Die Technik der Ectomie ist bereits
oben eingehend erörtert worden, so dass ich erst am Cysticus-
stumpf mit meiner weiteren Beschreibung anzusetzen brauche.
Ist der Cysticus quer abgetrennt, so führe ich durch den Rest
des Cysticus eine Sonde in den Choledochus ein und spalte
gleich Cysticus und Choledochus in einem Schnitt. (Fig. 51.) Wir
Das Rohr ist bei bi, wo es in den Choledochus umbiegt,
mit einem Loch versehen, sodass die Galle sowohl nach
aussen — nach b — als durch die Papille aai hindurch
nach dem Duodenum hin — nach bn — abfliesseu kann.
- 224 —
haben also eine Cysticus- und eine Choledocliusincision vor uns
und werden nun im weiteren genau so verfahren , wie ich das
oben auseinander gesetzt habe: die Wundränder werden mit
Fig. 51.
Schema der Hepaticusdrainage 1. (Sonde ist
durch den Cysticus in den Choledochus ein-
geführt; auf ihr wird die Strecke von 1—2
gespalten.)
Schema der Hepaticusdrainage II. (Rohr liegt im
Hepaticus, die Wunde ist tamponiert)
je einer König'schen Klemme gefasst, der Stein wird entfernt
und der Choledochus dann drainiert.
Man kann natürlich auch so verfahren , dass man den
Cysticus für sich unterbindet und eine besondere Choledochus-
incision hinzufügt. Viel einfacher aber ist es, wenn man
vom Cysticusquerschnitt aus den Choledochus spaltet und dann
den stehengebliebenen Stumpf des Cysticus in toto bis an
den Choledochus excidiert oder nur die Schleimhaut des
Cysticus entfernt und dann Serosa und Muscularis in sich
vernäht.
Will man die Gallenblase erhalten, so empfiehlt es sich
unter allen Umständen, dieselbe zu drainieren entweder durch die
Cystostomie oder durch das Schlauchvertahren. Auch kann es not-
wendig werden, zur Cystostomie eine Cysticotomie hinzuzufügen.
— 225 —
Wir können also folgende Kombinationen vornehmen:
1. Cystostomie und Choledochotomie mit Naht ohne Tam-
ponade.
2. Cystostomie und Choledochotomie mit Naht mit Tam-
ponade. (Fig. 46.)
3. Cystostomie, Cysticotomie und Choledochotomie mit Naht
ohne Tamponade.
4. Cystostomie, Cysticotomie und Choledochotomie mit Naht
mit Tamponade.
5. Schlauchverfahren und Choledochotomie mit Naht und
Tamponade. (Fig. 53.)
6. Schlauchverfahren und
Pi«r-53. Cystico- Choledochoto-
mie mit Naht und Tam-
ponade.
7. Cystectoraie und Cho-
ledochotomie mit Naht
u. Tamponade (Fig. 45).
8. Cystectomie mit Cysti-
cotomie und Chole-
dochotomie mit Naht
und Tamponade.
9. Cystectomie mit He-
paticusdrainage und
Tamponade. (Fig. 51
und 52.)
Ich bin in den letzten
Jahren immer mehr und
mehr zu der Überzeugung
gekommen, dass eine ge-
hörige Tamponade zu dem Erfolg einer Gallensteinoperation
wesentlich beiträgt und tamponiere jetzt jede Naht am
Cysticns nnd Choledochus. Ich muss das schon deshalb tun,
weil ich sämtliche Fäden, die einen Gallengang verschliessen,
lang lasse. Ich könnte sie ohne Tamponade schlecht entfernen.
Für mich fallen also die Operationsmethoden unter 1 und 3 von
vorneherein fort. Auch die Gallenblase nehme ich fast stets
weg, sodass 1 — 6 selten zur Ausführung kommen; am meisten
bevorzuge ich die Ectomie in Verbindung mit Cysticotomie
und Hepaticnsdrainage. (Fig. 51 und 52.)
Kehr, Technik der QaUensteinoperationeD. I. 15
Schema für Choledochotomie mit Naht und Tam-
ponade bei gleichzeitigem Schlauchverfahren der
geschrumpften Galleublase.
— 22G —
Fig. 54.
Bei der chronischen recid. Cholecystitis und Cholangitis ist
diese Operation die Normalmethode, und ich glaube, dass sie
die Operation der Zukunft ist.
Ohne eine ausgiebige Tamponade ist aber diese Operation
geradezu unmöglich ! Ich gehe nicht zu weit, wenn ich be-
haupte, dass die Tamponade bei der Hepaticusdrainage fast
der wichtigste Akt der Operation selbst ist. Wie man diese
Tamponade ausführt, davon hängt sehr viel ab.
Wir nehmen an, dass die Gallenblase entfernt ist. Auf
dem wunden Leberbett liegt eine Kompresse, die Fäden der
Art. cystica und des Nahtver-
schlusses am Choledochus samt
dem Rohr sind nach aussen ge-
leitet.
Der genähte Tampon vom Leber-
bett wird entfernt, die Fäden wer-
den straff angezogen, und nun wird
der erste lange Gazetampon auf
die Unterbindung der Art. cystica
und des Ductus cysticus und
das Leberbett der zweite ober-
halb des Rohres auf das Lig.
hepato-duodenale, der dritte unter-
halb des Rohres in das Foramen
Winslowii und der vierte
zwischen Choledocliusnähte und
Duodenum gelegt. (Fig. 54). Die
Bauchwunde wird durch Durch-
stichknopfnähte so verschlossen,
dass nur ein Spalt für den Durch-
tritt der Tamponade übrig bleibt.
Ich füge dem Obengesagten noch einige Bemerkungen hinzu.
Als Wegweiser zum Choledochus benutze man die Gallen-
blase, die Drüse am Cysticus und das Foramen Winslowii.
Langenbuch*) liebte den pylorischen Weg, d. h. er legte
das Duodenum und den Pylorus frei und suchte sich so das
Lig. hepato-duodenale auf. Es ist wohl ziemlich gleichgültig,
welchen Weg man einschlägt, da man aber stets mit der Gegen-
Schema für dio Tamponade.
Tampon I: Art. cystica a), Ductus
cysticus b) , wundes
l^eberbett c).
Tampon II: Oberhalb des Rohrs.
Tampon HI: Unterhalb des Rohrs.
Tampon IV: Choledochusnaht (d) u.
zwischen Rohr und
Duodenum.
*) Langenbuch: Über die Technik der Choledochotomie. Deutsche
med. Wochenschr. 1898, Nr. 45.
— 227 —
wart resp. Versorgung der Gallenblase (Ectomie, Cystostomie)
zu rechnen hat, so habe ich mich daran gewöhnt, immer an
Gallenblase und Cysticus entlang den Choledochus aufzusuchen.
Wenn man die Incision im Choledochus nach dem Duodenum
hin vergrössern muss, so kann man mit Asten der Arteria gastro-
duodenalis resp. der Art. cystica accessoria in Konflikt kommen.
Auch venöse Blutungen stören oft sehr. Wichtig ist, dass man
den Choledochus durch König'sche Klemmen hochzieht;
entschlüpft er in die Tiefe, so können diese Blutungen einen
sehr bedrohlichen Charakter annehmen; besonders bei tiefliegendem
Ligament, bei Männern mit straifen Bauchdecken können solche
Blutungen recht ungemütlich werden.
Die Freilegung des Ductus choledochus durch Lumbai-
schnitt (Tuffier) halte ich für verfehlt. Es handelt sich doch
nicht allein darum, den Choledochus von Steinen zu säubern,
sondern wir müssen auch auf die Gallenblase Rücksicht nehmen.
Wenn auch die Gallenblase von hinten her zu erreichen ist
(Whrigt, Mears, Eeboult), so ist doch der Weg von vorne her
leichter und rationeller. Tuffier empfiehlt eine Schnittführung
vom Winkel der 12. Rippe nach aussen vom M. erector Spinae
etwa 15 cm. weit nach unten. Durch diesen Schnitt sollen
der zweite Teil des Ganges und die hintere Fläche des mittleren
Abschnittes des Duodenum leicht und vor allem extraperitoneal
freizulegen sein, während sonst gerade dieser Abschnitt oft
unerreichbar sei.
Poirier weist darauf liin, dass bei dieser Art der Frei-
legung die Vena cava oder portarum angerissen werden kann.
Da man in grosser Tiefe arbeitet, ist in der Tat eine derartige
Komplikation zu fürchten.
Aber ganz abgesehen davon vereitelt die Schnittführung
Tuffier's die Lösung der Adhäsionen zwischen Gallenblase und
Intestinis, die Beseitigung etwaiger Fisteln, die Entleerung der
Gallenblase und könnte höchstens dann einmal zur Anwendung
kommen, wenn es von vornher absolut nicht gelingen will, den Stein
im Choledochus zu erreichen. Der geübte Operateur biiiigt das
aber immer zu Wege, und für den ungeübten wäre eine Kom-
bination der vorderen und hinteren Laparotomie erst recht nichts.
Der Entfernung des retroduodenal sitzenden Steines will
ich einen besonderen Abschnitt widmen , indem ich die retro-
duodenale und transduodenale Choledochotomie ausführlich
15*
— 228 —
beschreibe. Ich werde dort Gelegenheit finden, die Entfernung
des retroduodenalen Steins durch manuelle und instrumentelle
Massnahmen zu erörtern.
Der Einschnitt im Choledochus soll immer ein Längsschnitt
sein; Hume empfahl mit Rücksicht auf die gute Ausführbarkeit
der Drainage den Querschnitt.
Eine zweizeitige Choledochotomie ganz analog der zwei-
zeitigen Cystostomie haben Quönu und Arbuthnot Lane
ausgeführt. Ich habe es niemals nötig gehabt, ihrem Bei-
spiel zu folgen, glaube auch nicht, dass ich jemals in die Ver-
legenheit kommen könnte, zweizeitig zu operieren. Ist es schon
schwer, die Gallenblase bei zweizeitiger Cystostomie wieder-
zufinden, so kann die Orientierung bei einer zweizeitigen Chole-
dochotomie geradezuunmöglich werden. EinegewaltigeTamponade
wäre nötig, um den Gang zugänglich zu machen; der Ductus
müsste durch einen Faden für die spätere Incision kenntlich
gemacht werden. In der Zeit zwischen den beiden Operationen
kann der Stein seine Lage so verändern, dass seine spätere
Auffindung nicht gelingt, wenn nicht gar in der Zwischenzeit
eine Cholangitis den Patienten auf das Höchste geschwächt hat.
Die zweizeitige Choledochotomie ist wie die zweizeitige Cysto-
stomie aus der Furcht entstanden, dass bei sofortiger Incision
des Choledochus durch Einlaufen von infektiöser Galle in den
Bauchraum eine Peritonitis entstehen könnte. Diese Furcht
ist aber bei richtiger Technik d. h. bei genügender Ab-
sperrungstamponade keine begründete, so dass die zwei-
zeitige Choledochotomie überhaupt nur in Betracht käme,
wenn man wegen absolut schlechter Narkose die Operation
abbrechen müsste.
Einige Chirurgen wollen die Choledochotomie einschränken,
und man kann in der Tat die Incision des Ganges vermeiden,
wenn es gelingt, den Stein durch den erweiterten Cysticus in
die Gallenblase zu schieben und hier nach Cystostomie zu ent-
fernen. Mir ist das einige Male geglückt (Nr. 139), in einem
Fall habe ich die Incision in der Gallenblase dazu benützt,
um eine Anastomose mit dem Magen wegen gleichzeitiger
chronischer Pankreatitis herzustellen (Nr. 165). Aber sehr
selten ist der Cysticus so erweitert, dass die von Rose*) und
*) Rose, deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1898, Bd. 49, Heft 6.
— 229 —
Kuhn, vorher schon von Villard*) und Ricard**) vorge-
schlagene Ausräumung des Choledochus von der Gallenblase
aus gelingt. (Nr. 139, 140.) Meist zieht sich der Ductus cysticus,
wenn ein Stein diesen Gang passiert hat, wieder zusammen, und
durch enge Gänge grössere Steine mit Gewalt durchzupressen halte
ich für verfehlt. Dazu kommt, dass man nur nach Incision
des Ductus choledochus selbst ungefähr wissen kann, ob alle
Steine entfernt sind oder nicht, und dass selbst die Incision in
dieser Beziehung keine sichere Garantie bietet, wenn man nicht
durch Offenhaltung des Gangs mittels Hepaticusdralnage die
weitere Sondierung der Gallengänge und ihre Ausspülung er-
möglicht. Als Methode hat die Rose- Kuh n'sche Operation
keine Geltung, in wenigen Ausnahmefällen mag sie uns will-
kommen sein.
Die Auffindung des Choledochus resp. der darin enthaltenen
Steine und der Nachweis ihrer sicheren Entfernung soll nach
Angabe einiger Chirurgen dadurch erleichtert werden, dass man
von der Gallenblase aus die Gallen wege mit physiologischer Koch-
salzlösung oder Luft anfüllt. Scharp und Smith in Chicago
haben einen von Weller van Hook angegebenen Apparat
konstruiert, um Luft in die Gallenwege zu pumpen. Ich besitze
auch einen solchen Apparat, aber er liegt in einem verborgenen
Fach meines Schreibtisches und wird niemals verwendet.
Ich will meine Auseinandersetzungen über die Entfernung
des Steins aus dem supraduodenalen Teil nicht schliessen, ohne
Riedels Ideal: Verschliessung der Choledochusincision ohne
Tamponade mit einigen Worten zu berühren. Ich verstehe ein-
fach ein solches Vorgehen nicht. Ist es schon falsch, den Gang
zu vernähen, so ist es geradezu vermessen, die Bauchwunde
gänzlich zu verschliessen , ohne ein Sicherheitsventil zurück-
zulassen. Gewiss kann man einmal mit einem vollständigen
Bauchverschluss Glück haben, und ein nichtgeübter Hochtourist
kommt schliesslich auch einmal ohne sachverständigen Führer
auf den Grossglockner. Aber wer sein Leben lieb hat, lässt
sich anseilen und macht nicht solche gewagten Kraxeleien. Und
wer das Leben seiner Gallensteinkranken lieb hat, der setzt sie
nicht dem Zufall aus, sondern wählt ein Verfahren, das, wenn
*) Caleul du choledoque; obstruction duodenale par adherenoes
peritoneales; cholecystostomie. Lyon M^dical 1896. No. 33.
**) La semaine m^dicale 1896, No. 29—34.
— 2'30 -
es auch zur Heilung einige Wochen länger in Anspruch nimmt,
doch den Patienten sicherer zur Gesundheit verhilft. Wenn
mein Buch weiter nichts nützt, als dass es die Fachgenossen
von der Notwendigkeit der Tamponade nach der Choledochotomie
überzeugt, so bin ich schon mit diesem Erfolge zufrieden.
Riedel sucht sich zwar die nach seiner Meinung für
völligen Nahtverschluss ohne Tamponade geeigneten Fälle
aus und ist selbst der Ansicht, dass nur relativ wenig Fälle
sich für eine derartige Behandlung eignen. Ich empfehle da-
gegen, in jedem Fall zu tamponieren und warne eindringlich
vor einem völligen Verschluss der Bauch wunde. Riedel musste
bei 2 Kranken mit Anhäufungen von 500 resp. 1000 ccm. Bac-
terium coli-haltiger Galle in der Oberbauchgegend die Naht
wieder öffnen und gibt selbst zu, dass es besser gewesen wäre,
wenn er von vorneherein drainiert und tamponiert hätte. Die
Tamponade ist absolut notwendig, gleichgültig, ob eine asep-
tische oder infizierte Gallenblase entfernt wurde, denn wir sind
trotz aller Sorgfalt in der Blutstillung und Ligaturanlegung nie
sicher, ob nicht Nachblutung oder Gallenfluss aus dem Leber-
bett eintreten oder die Cysticus- resp. die Choledochusnaht
nachgeben kann. Zugeben will ich, dass vielleicht die von mir
geübte sehr reichliche Tamponade nicht immer nötig ist, aber
gänzlich die Bauchwunde zu verschliessen, ist ein zu grosses
Wagnis.
Riedel sagt ja selbst: „Ganz klare Galle kann schwer
infiziert sein", und da ich diesem Ausspruch vollkommen bei-
pflichte, tamponiere ich eben. Ich habe nun ca. 200 Choledocho-
tomien resp. Hepaticusdrainagen und mehr als 300 Exstirpationen
der Gallenblase ausgeführt, in jedem Fall tamponiert und gar
keinen Schaden von meiner reichlichen Tamponade gesehen, oft
aber ihren grossen Nutzen feststellen können. Verwachsungen
entstehen, ob man tamponiert oder nicht. Sind sie in ersterem
Falle auch umfangreicher, so sind sie doch flächenhaft; und
diese braucht man nicht so zu fürchten wie die strangartigen.
Riedel verwirft mit mir völlig die Cystendyse: konse-
quenterweise müsste er erst recht die Versenkung der Chole-
dochusnaht vermeiden. Auch im Choledoclms kann es wie in
der Gallenblase bei völligem Nahtverschluss zu Sekretanhäufungen
kommen, die, wie Riedel selbst sagt, „keinen Schaden tun,
falls das Sekret aseptisch ist; ob letzteres der Fall ist, ist
— 231 —
nicht mit Sicherheit zu sagen, jedenfalls ist es chirurgisch
richtiger, Sekretanhäufungen zu verhindern, als sie hervorzu-
rufen, da niemand bestimmt wissen kann, was daraus wird,
abgesehen davon, dass der Kranke durch die Anhäufung von
Sekreten Schmerzen erleidet". Nun also! Auch im Chole-
dochus, dessen Inhalt wohl immer infiziert ist, kann eine Sekret-
anhäufung eintreten, deshalb empfehleich dieHepaticusdrainage;
jedenfalls muss man, w^enn man näht, auf ein Platzen der Naht
gefasst sein und ein Sicherheitsventil anlegen, damit die aus-
tretende Galle die Peritonealhöhle nicht infiziert. Dazu kommt,
dass jeder Chirurg — ich komme auf diesen Punkt noch
weiter unten zu sprechen — Steine im Choledochus übersehen
kann; die enge Papille des Choledochus kann versch wellen
oder durch Blutgerinnsel sich verstopfen; der entzündete Pan-
kreaskopf kann den Gallenabfluss verhindern; viele Möglich-
keiten liegen vor, welche ein Platzen der Choledochusnaht
herbeiführen können. Wohl immer ist eine Infektion im Chole-
dochus — geringfügiger oder schwererer Natur — vorhanden.
Ei edel hat, wie er besonders hervorhebt, sein Buch für die Diri-
genten kleiner Hospitäler bestimmt. Gerade diesen möchte
ich, wenn sie wirklich an solche Operationen herantreten
wollen, von der Naht und Versenkung des Choledochus ohne
Tamponade abraten und auf die grössere Sicherheit der Hepaticus-
drainage hinweisen, Riedel scheint aber noch keine grosse
Erfahrung über diese Operation zu haben, sonst würde er z. B. nicht
sagen: ,,Hepaticusdrainage kann ja beim Stein im intraduode-
nalen Teil des Ductus choledochus überhaupt nichts nützen".
Gerade in solchen Fällen nützt sie ungemein, insofern, als wir
imstande sind, hinterher den Choledochus auszuspülen und den
Stein zu entfernen, wofür ich im II. Teil mehrere Beispiele anführen
werde. Der Nutzen der Hepaticusdrainage beruht eben nicht nur
darauf, dass wir die infizierte Galle ableiten, sondern auch darin,
dass wir in der Lage sind, zurückgelassene Steine zu entfernen.
Natürlich kommen diese nicht, wie Riedel anzunehmen scheint,
durch das Rohr hindurch zum Vorschein, sondern sie müssen
herausgespült oder mit Kornzangen entfernt werden. Die Chole-
dochusinzision muss noch wochenlang so frei liegen, dass wir
den Spülkatheter sowohl in den Hepaticus als in den Choledochus
einführen und ausspülen können. Ich habe sogar Larainariastifte
in den Hepaticus und Bougies durch die Papille des Duodenum
— 232 —
geschoben und den engen Gang erweitert. Auf diese Prozeduren
hat Berger in seiner jüngsten Arbeit: „Die Hepaticusdrainage"
hingewiesen, so dass ich mir weitere Bemerkungen ersparen
kann; aber es scheint, dass Riedel die nachträgliche Aus-
spülung der Gallengänge gar nicht übt, sonst hätte er wohl
bei der Nachbehandlung einige Worte darüber gesagt.
Riedel gibt weiterhin an, nur in 4*^/0 der Choledocho-
_ tomien Steine zurückgelassen zu haben. An einer Stelle sagt
er: „Die Steine habe ich sicher entfernt". Ich würde einen
solchen Ausspruch nicht tun. Nachdem ich nunmehr noch ein-
mal soviel Choledochotomien und Hepaticusdrainagen ausgeführt
habe wie Riedel, behaupte ich: Nach einer Choledochotomie
ist kein Chirurg — und wenn er 2 Stunden lang sondiert, den
Choledochus noch so sehr von innen und aussen palpiert und
selbst den Finger in den Gallengang wiederholt leber- und duo-
denalwärts eingeführt oder sich des Zeller'schen Verfahrens
(Sondieren der Papille von einem Duodenalschnitt aus) bedient
hat — sicher, alle Steine entfernt zu haben, auch Riedel nicht.
Wir lassen bestimmt in 10 — 15 °/o der Fälle Steine zurück, und
wenn Riedel nur 4"/o kennt, so liegt das eben daran, dass er
über die Zahl der zurückgelassenen Steine überhaupt keine rich-
tige Vorstellung haben kann, da er meistenteils Choledochotomie
mit Naht ausführt. Er rechnet natürlich nur die Steine, die
wieder Beschwerden machen, die Steine, die sich Monate
und Jahre lang im Choledochus völlig latent verhalten — eine
Tatsache, auf die Riedel selbst hinweist — , kann er nicht
mitzählen, weil sie eben keine Symptome machen. Erst wenn
sich Riedel häufiger, der Hepaticusdrainage bedient, wird er
von der Zahl der zurückgelassenen Steine eine richtige Vor-
stellung bekommen. Ich habe auch erst, seitdem ich fast aus-
nahmslos die Hepaticusdrainage übe, über diesen Punkt volle
Aufklärung erhalten (siehe die Arbeit von Berger: Die He-
paticusdrainage ; Archiv f. klin. Chir. Bd. 69^ p. 299) und konnte
erst mit der Zeit mich von den grossen Vorzügen der Hepaticus-
drainage gegenüber der Choledochotomie mit Naht überzeugen.
Ich bin nicht für die Hepaticusdrainage so begeistert, weil ich
dieselbe mit zuerst angewandt und methodisch ausgebildet habe.
Ein Vater übersieht zwar die Schwächen seines Kindes und freut
sich nur seiner Vorzüge. Wäre dieser Erfahrungssatz auf mich
anwendbar, so müsste ich auch heute noch die Cysticotomie so
— 233 —
lieb haben wie vor 6 Jahren. Die Hepaticusdrainage übe ich
nun auch seit dem Jahre 1896 — also 8 Jahre lang — und
ich hätte gewiss an ihr Fehler entdeckt, wenn sie solche hätte.
Sie ist gewiss keine vollkommene Methode — die werden wir
niemals finden! — , aber sie ist erheblich besser wie die Chole-
dochotomie mit Naht.' Auch an anderen Kliniken, z. B. in Frei-
burg i./B... ist man zu dieser Ansicht gelangt. Es unterliegt
für mich gar keinem Zweifel, dass die Hepaticusdrainage un-
gefährlicher ist, wie die Choledochotomie mit Naht, auch bei
wenig infizierter Galle, denn die Operation ist rascher zu er-
ledigen, ein Punkt, auf den Kiedel weniger Gewicht legt wie
ich; ich muss die Prognose einer Choledochotomie sehr ab-
hängig machen von der Dauer der Operation. Riedel scheint
anzunehmen, dass der Umstand, dass ich 15 "/o und er nur 4"/o
Steine zurückgelassen hat, darauf zurückzuführen ist, dass ich
rasch operiere, er „sorgfältig und entsprechend langsam". Er
spricht das zwar nicht offen aus, aber man liest es zwischen
den Zeilen. Nun, an Gründlichkeit lasse ich es nicht fehlen.
Das wird jeder bezeugen, der mich hat operieren sehen; aber
wenn ich eine Operation in einer halben Stunde bezwinge, sehe
ich nicht ein, warum ich dazu 1 oder 2 Stunden gebrauchen
soll. Ob die die Bauchhöhle abschliessenden Tampons eine halbe
oder 1 bis 2 Stunden auf den Därmen liegen, ob die Narkose
eine halbe oder 1 bis 2 Stunden dauert, das ist doch gewiss
nicht gleichgültig. Die Erfolge unserer Operationen sind in
dieser Beziehung massgebend, und Riedel hätte den Wert
seines Buches wesentlich erhöht, wenn er uns einen Einblick
in seine Erfolge gegönnt hätte. Hoffentlich erfahren wir darüber
Etwas bei der nächsten Gelegenheit.
c) Die transduodenale Choledochotomie.
Der Stein in der Papilla duodeni und im retroduodenalen Teil
des Choledochus sitzt bisweilen so fest, dass es ganz unmöglich ist,
ihn von einer Incision im supraduodenalen Teil des Choledochus
aus zu entfernen. Nicht allein ich habe diese Beobachtung oft
genug gemacht, sondern auch M. Burney, Kocher, Körte,
Kraske und viele andere, nur Riedel allein ist auch in dieser
Beziehung anderer Meinung: für ihn gibt es keine Schwierig-
keiten. Auf dem Chirurgenkongress 1904 gab der Jenenser
Chirurg an, dass er ca. 100 Choledochotomien ausgeführt und
— 284 ^-
nur einmal Schwierigkeiten bei der Entfernung- von retroduo-
denal sitzenden Steinen erlebt habe. Riedel leugnet jede Ein-
klemmung und zieht einfach von der supraduodenalen Incision
aus mit einer passenden Kornzange den Stein hervor. Als ich
diese Mitteilungen Riedels hörte, war ich „einfach platf*.
Ich glaubte klug zu handeln, indem ich in der Diskussion nicht
weiter auf die Sache eingegangen bin ; ich hätte auch in den
erlaubten fünf Minuten meine Einwendungen nicht sämtlich an-
bringen können. Zudem hat ein Provinzialchirurg einem Aka-
demiker gegenüber immer einen schweren Stand. Da er keine
Übung im Diskutieren hat, ist er niemals so redegewandt wie
ein üniversitätsprofessor, der täglich vor Studierenden und
Ärzten doziert und operiert. Am Schreibtisch stehe ich eher
meinen Mann, und deshalb will ich jetzt das damals Versäumte
gründlich nachholen.
Riedel leugnet jede Einklemmung von jeher und erklärte
auch auf dem letzten Chirurgenkongress, dass er eine Ein-
klemmung nicht kenne. Es gibt aber ganz feste Einklemmungen
von Steinen im Choledochus, so fest, dass fast das Messer sie
kaum zu lösen vermag. Die Schleimhaut ist teilweise ulceriert
und umgibt so innig den Stein, dass man nicht nur von einer
Einklemmung, sondern von einer Einkeilung reden kann.
Möglich ist es, dass Riedel bei seinen 100 Choledochotomien
derartige Einklemmungen noch nicht gesehen hat, er wird schon
bei den zweiten 100 Choledochotomien auf solche Zustände
stossen. Ich habe jetzt mehr als 200 Choledochotomien resp.
Hepaticusdrainagen ausgeführt und musste in ca. 20 Fällen den
Stein aus der Papilla duodeni resp. dem retroduodenalen Teil
des Choledochus herausschneiden; das ist gegen Riedels Er-
fahrungen ein gewaltiger Unterschied. Wie soll man diesen
erklären? Entweder übersieht Riedel die Steine in der Papille
— das ist bei einem so geschickten Chirurgen nicht anzu-
nehmen! — , oder Riedels Material ist anders gestaltet wie
das meinige: man sollte aber doch denken, dass sich in Thü-
ringen die Steine ebenso gut einklemmen wie in der Provinz
Sachsen! Oder Riedel ist ein geschickterer Operateur wie ich
und entfernt die Steine mit Löffel und Zange, die ich heraus-
schneiden muss. Ich weiss in der Tat nicht, worauf diese Ver-
schiedenheit beruht, jedenfalls lege ich ebenso gründlich wie
Riedel das Gallensystem frei; benutzen wir doch denselben
— 235 —
Bauchdeckenschnitt, den von mir bereits seit 5 — 6 Jahren be-
schriebenen Wellenschnitt, den Riedel auf dem diesjährigen
Chirurgenkongress mit grosser Genauigkeit beschrieb, ohne zu
erwähnen, wie lange er denselben benutzt. Ich möchte an-
nehmen, dass ich ihn schon viel länger übe wie er, lege aber
auf Prioritätsstreitigkeiten gar kein Gewicht, die Hauptsache
ist, dass dieser Schnitt recht allgemein zur Geltung kommt.
Etwas übertrieben von Riedel ist die Forderung, dass man
den Schnitt auf der Mitte des Sternura beginnen lassen soll, es
genügt vollständig, wenn man ihn am Processus xiphoideus oder
ein wenig oberhalb desselben anfängt.
Ich habe oben darauf hingewiesen, dass der Stein in der
Papille oft so festsitzt, dass eine Entfernung von einer Incision
im supraduodenalen Teil aus ganz unmöglich ist. Natürlich
soll man, ehe man die direkte Incision auf den verborgenen
Stein vornimmt, jeden Versuch machen, ihn auf unblutige Weise
zu entfernen. Das geschieht entweder mit Löffeln und Korn-
zangen, die man in den duodenalen Teil des Choledochus ein-
führt, oder durch Druck von aussen her. Mit dem Zeigefinger
und dem Daumen der rechten Hand umfasst man den Stein und
sticht ihn nun hochzuschieben; es ist nicht leicht, die richtige
Kraft hierbei anzuwenden, im allgemeinen darf man nicht
zu kräftig drücken, sondern soll recht vorsichtig und sanft
vorgehen. Erlahmt die rechte Hand, so führt man die linke
in die Bauchhöhle ein und stellt sich zu dem Patienten so,
wie ich dies bereits bei der Entfernung des Cysticussteines be-
schrieben habe, d. h. der Operateur dreht dem Gesicht des
Kranken den Rücken zu, nimmt eine bückende Stellung ein und
umfasst den Stein mit dem Zeigefinger und Daumen der linken
nach rückwärts geführten Hand. Der Handteller sieht dabei
nach oben. Bei diesem Handgriff, den ich schon seit einem
Jahrzehnt benutze, gelingt es oft besser, den Stein zu dis-
locieren, als wenn man die rechte Hand gebraucht. Durch das
bimanuelle Verfahren (Nr. 92, \r. 93, Nr. 107), d. h. durch
die Fixation des Steins mit einer Hand und durch sanftes
Drücken von der Bauchhöhle oder von den Bauchdecken aus,
ist es mir oft gelungen, tief steckende, hinter dem Duodenum
liegende Steine hochzudrücken und aus der Incision im supra-
duodenalen Teil zu entfernen.
Riedels Bemerkung, dass man fast immer die Leber so
236
umkippen könnte, dass der Choledocbus ganz oberflächlich
2 — 3 cm. vor die Bauchwand zu liegen komme, hat mich eben-
falls in Staunen gesetzt. Bewegliche Lebern kommen bei Weibern
genug vor, aber häufig sind die Kranken nicht mager, sondern
recht fett, und die Angaben Riedels stimmen — wenigstens
wenn ich mein Material daraufhin ansehe — nur bei einem
geringen Prozentsatz der Operierten. Die Herauskippung der
Leber gelingt nur bei hochgradiger Enteroptose, bei Männern
aber so gut wie niemals, und wenn die Leber vergrössert oder starr
ist, dann ist erst recht keine Kede davon. Was bei Riedel
Regel ist, ist also bei mir Ausnahme. Er hatte nur in 1 °/o
Schwierigkeiten in der Entfernung der Steine^ ich in 10 ^jo,
und während Riedel gar keine Choledocho - Duodenostomie
ausgeführt hat, musste ich diese 20mal vornehmen,
Fig. 55.
I. Schema für Choledocho-Duodenostomia interna.
Darin aber sind wir einig, dass der Stein entfernt werden
muss. Denn bleibt der Stein in der Papille stecken, so kann
er eine Ulceration hervorrufen, die carcinomatös entarten kann,
und durch die Gegenwart der Konkremente kann die Cholangitis
weiterbestehen* trotz gut funktionierender Gallenblasen - Darm-
oder Magenflstel.
Die Blosslegung der Papille kann auf 2 Wegen erreicht
werden, entweder transduodenal oder retroduodenal.
Der transduodenale Weg führt durch das Duodenum hin-
durch. Gerade der Papille gegenüber — wir fühlen dort den
eingeklemmten Stein oder den Knopf der dicken Sonde, die wir
in die supraduodenale Incision einführten — wird das Duodenum
— 237 —
eröffnet und zwar durch einen Querschnitt (Fig. 55). Läng-sschnitte
treffen zu viel Gefässe, der Querschnitt verläuft parallel diesen
Gefässen. Die Incision im Darm sei nicht unnütz gross, aber
auch nicht zu klein, damit nicht die Arbeit in der Tiefe er-
schwert w^erde. Etwaigen Ausfluss von Duodenalinhalt macht
man unschädlich durch eine ausgiebige absperrende Tamponade
mit genähten Tupfern. Durcli das Fassen der Duodenal wund-
ränder mit geeigneten Klemmen vergrössern wir die Wunde und
machen uns die Hinterwand des Duodenum gut zugänglich.
Wir müssen die Papille sehen und erfassen die Schleimhaut
ringsum mit König'schen Klemmen, damit nach Entfernung des
Steins die Papille uns nicht entwischt.
Fig. 56.
II. Schema für Gholedocbo-Duodenostomia interna.
Sehr zweckmässig ist es auch, mit dem linken Zeigefinger
unter das Duodenum zu gehen und den Stein in der Papille so
hochzuheben, dass man gewissermassen extraperitoneal operieren
kann. Sobald aber der Stein in der Papille beseitigt ist, hat
der Finger keinen Gegendruck mehr, und dann kann sehr rasch
die Papille entschlüpfen. Um dieses also zu verhüten, ist ein
vorheriges Fassen derselben mit König'schen Klemmen sehr
angebracht.
Kleine Steine in der Papille drückt man ohne grosse Gewalt
durch, grössere schneidet man heraus. Colins erweitert stumpf
die Papille, Mc. Burney (1891) schlitzt sie auf. Oft genügt
ein einfaches Einkerben der Schleimhaut. Man könnte diese
Operation Papillotomie oder Divertikulotomie (Kraske) nennen,
doch werden sich sprachkundig verwöhnte Ärzte an solchen
— 238 —
Worten stossen. Ist der Schnitt -ca. 1 cm, lang, so empfehle
ich die Schleimhaut des Choledochus mit der des Duodenum durch
4 — 6 Nähte zu vereinigen, also die Operation zu machen, die zuerst
Kocher als Choledocho-Duodenostomia interna im Jahre 1894
ausgeführt hat. Ich habe, ohne von Koch er' s Vorgehen etwas
zu wissen , dieselbe Operation kurz darauf gemacht. Die Ver-
nähung der Schleimhaut des Duodenum mit der des Choledochus
(Fig. 56) ist nötig, weil man nie wissen kann, ob doch nicht irgendwo
ein freier Spalt zwischen Duodenum und Choledochus entstanden
ist, dessen Übersehen schwere Folgen nach sich ziehen könnte.
Mayo Eobson verzichtet auf eine Naht, doch ist die Naht
ausser dem angegebenen Grunde schon deshalb gut, weil dadurch
ein weiteres Klaffen der angelegten Fistelöffnung erzielt wird,
als wenn man die Incision der Verklebung überlässt.
Eine Sondierung des Choledochus von der Papille aus wird
man nie vergessen, um sich vom Freisein des Choledochus zu
überzeugen. Da die Sondierung kein ganz sicheres Verfahren
ist und nicht völlig dafür garantiert, dass sämtliche Steine ent-
fernt sind, habe ich mich bei meiner 928. Gallensteinlaparotomie
einer „Methode" bedient, die man als ,,Clioledochiisfege" be-
zeichnen könnte. Ich hatte in diesem Fall nach Excision der
Gallenblase aus dem supraduodenalen Teil des Choledochus
Steine entfernt. Nach Mobilisierung des Duodenum nach Kocher
fand ich noch Steine im retroduodenalen Teil, konnte sie aber
nicht nach dem supraduodenalen Teil verschieben. Die retro-
duodenale Incision schien mir zu gefährlich, ich machte also
die transduodenale Choledochotomie. Ein fest in der Papilla duo-
deni eingekeilter Stein wurde durch Incision der Papille ent-
fernt, und nun holte ich mit der Kornzange noch viele Steine
aus dem retroduodenalen Teil. Sonden und Kornzangen Hessen
sich jetzt leicht von dem Duodenum aus durch die mit 2 König'-
schen Klemmen fixierte Papille in den Choledochus bis an
und durch die Incision im supraduodenalen Teil führen. Ich
glaubte, der Choledochus sei leer. Aber die vorgenommene
„Choledochusfege" belehrte mich eines andern. Ich führte die
Kocher 'sehe Klemme (zum Durchziehen des Bruchsacks) vom
Duodenum aus so in den Choledochus, dass ihre Spitze aus dei*
supraduodenalen Incision heraussah, fasste hier einen feuchten
schmalen Gazestreifen und zog diesen durch den Choledochus und
die Papille in das Duodenum und von hier nach aussen. Natürlich
— 239 —
war durch eine sehr ausgedehnte Absperrungstaraponade die
Bauchhöhle vor Infektion geschützt worden. Zu meinem Erstaunen
kamen noch viele Steinchen und Steintrümmer zum Vorschein,
und ich musste diese Prozedur viermal wiederholen, ehe der
Choledochus rein ausgefegt war. Darauf folgte Hepaticus- und
Choledochusdrainage bis zur Papille, Duodenalnaht und Netz-
plastik. —
Die Darmnaht erfolgt nach bekannten Regeln. Erst Schleim-
hautnaht, dann Serosa-Muskularisnaht. Da diese Nähte leicht
insuffizient werden, nähe man mit besonderer Sorgfalt und sehe
zu, dass man vom kleinen oder grossen Netz einen Zipfel finde,
den man auf die Naht mit einigen Suturen fixiert.
Wenn man den Duodenalschnitt nicht gallenblasenwärts,
sondern pankreaswärts anlegt, so macht es keine Schwierig-
keiten, die Naht so zu legen, dass sie nicht in die Tamponade
einbezogen wird. Das ist sehr wichtig, da die Tamponade, wenn
sie anfangs auch steril bleibt, mit der Zeit sich doch etwas
infiziert und dann einen schädlichen Einfluss auf die Naht ausübt.
Konnte man die Naht ausserhalb des Operationsterrains
bringen, so ist eine prima Intentio die Regel; liegt sie im Be-
reiche der Tamponade, so ist ein teilweises Aufgehen leicht
möglich, und dann entstehen grosse und kleine Duodenalfisteln,
auf deren Bedeutung wir bei der retroduodenalen Choledocho-
tomie und in dem späteren Kapitel der Nachbehandlung noch
zurückkommen werden.
Ich habe mir bei der Schwierigkeit, die Strecke zwischen
der Incision im supraduodenalen Teil des Choledochus und der
Papille völlig von Steinen zu säubern, oft genug die Frage vor-
gelegt, ob man den Vorschlag Zeller's*), auch in zweifelhaften
Fällen das Duodenum zu öffnen und die Papille zu sondieren, nicht
öfter ausführen sollte. Mir persönlich ist das Verfahren Zeller's
sehr sympathisch, wenn es auch natürlich die Gefahren der
Operation wesentlich erhöht. Jedenfalls sollte man in jedem
Falle von transduodenaler Choledochotomie die oben beschriebene
Oholedochusfege nicht ausser Acht lassen.
d) Die retroduodenale Choledochotomie.
Die transduodenale Choledochotomie hat den Nachteil, dass
das Duodenum eröffnet werden muss, wodurch eine Infektion
*) ßerl. klin. Wochensohr. 1902, Nr. 25.
— 240
intra operat. zu stände kommen kann. Bei richtiger Technik,
wobei besonders die abschliessende Tamponade der Peritoneal-
höhle zu berücksichtigen ist, ist die Gefahr einer postoperativen
Peritonitis so gut wie ausgeschlossen. Was wir am meisten nach
einer transduodenalen Choledochotomie fürchten müssen, das ist,
wie wir im vorigen Abschnitt sahen, die Möglichkeit der nach-
träglichen Insufficienz der Duodenalnaht. Man muss bedenken,
dass die Duodenalwand , die gewöhnlich durch Ablösung von
Verwachsungen geschädigt ist, wenig Neigung zu einer prima
Intentio zeigt, und deshalb kann es uns nicht wundern, wenn viele
Chirurgen berichten, dass nach einer transduodenalen Chole-
dochotomie die Naht am Duodenum nachgegeben und sich eine
Darmfistel ausgebildet habe, welche in vielen Fällen zum Hunger-
tod führte. Gewiss ist das
^^^- ^'^- Aufgehen der Naht ein sehr
unangenehmes Ereignis, aber
wir haben nicht nur Mittel,
dasselbe zu vermeiden, resp.
zu beschränken, sondern
auch, wenn es eingetreten,
den durch die Duodenalfistel
drohenden Hungertod zu ver-
hüten.
Die prophylaktischen Mit-
tel beginnen mit der Art der
Schnittführung durch das
Duodenum; wir sollen Längs-
schnitte möglichst vermeiden,
da dadurch das Gefässsystem
der Darmwand zu sehr beschädigt wird (Fig. 57). Haben wir aber
einen Längsschnitt benutzt, so ist derselbe quer zu vernähen, damit
das Duodenum nicht zu eng wird. Es liegt auf der Hand, dass
einer Naht in einem weiten Darmabschnitt mehr zugemutet
werden kann, wie einer Naht in einem verengten Darmlumen.
Jede Zerrung lockert die Naht und bringt sie schliesslich zum
Aufbrechen. Besser wie der Längsschnitt ist der Querschnitt,
da dabei die Gefässe in der Darmwand geschont werden. Dann
ist der Schnitt so zu legen, — und das ist sehr wesentlich! —
dass er ausserhalb der Tamponade zu liegen kommt. Jede
Hepaticusdrainage wird mit der Zeit etwas inficiert; der Wunde
Inoisionll— 1 (Längsschnitt) ist weniger zu
empfehlen j^wieWnoision 2—2 (Querschnitt).
— 241 —
als solcher oder gar dem Gesamtorganisinus schadet das gar
nichts, aber die Infektion lockert doch die Darmnaht und macht
sie widerstandsunfähig. Man soll also den Schnitt am Duodenum
möglichst medial legen, und wenn die Naht, auf deren Exaktheit
nicht genug Gewicht gelegt werden kann, fertig ist, ist es
zweckmässig, eine Netzplastik auf dieselbe vorzunehmen. Ein
Zipfel Netz — ob aus dem grossen oder kleinen ist gleich-
gültig — wird ohne Zerrung auf die Naht gelegt und durch
ein paar Nähte fixiert.
Zu einer transduodenalen Choledochotomie wird man fast
immer eine Choledochotomie im supraduodenalen Teil des Chole-
dochus resp. eine Hepaticusdrainage hinzufügen. Denn man ver-
sucht doch immer erst, den Stein von hier aus mit Kornzange resp.
durch Fingerdruck zu entfernen. Ohne Tamponade kann man
aber eine Hepaticusdrainage nicht ausführen. Ist die Duodenum-
incision gut (d. h. zweireihig, Schleimhautnaht, Serosa-Musku-
larisnaht) vernäht und mit Netz bedeckt, dann bedarf sie keiner
Taraponade, und die für die Hepaticusdrainage unentbehrlichen
Tampons werden so eingelegt, dass sie mit der Duodenalnaht
nicht in Berührung kommen.
Nicht immer ist das durchführbar, und wenn die Tampons
doch die Naht berühren, so kommt es trotzdem vor, dass die
Naht an einer Stelle nachgibt.
Je nachdem, ob. viel oder wenig Fäden nachlassen resp.
durchschneiden, ob das Loch im Duodenum klein oder gross ist,
bekommen wir eine Duodenalfistel, aus der viel oder wenig
heraustritt. Die Fälle, in denen der ganze Mageninhalt
hervorquillt, sind von sehr übler Prognose: Die Patienten
schwimmen fortwährend und müssen oft 3 Mal den Tag über
verbunden werden. Wo die festeren und breiigen Massen zurück-
gehalten werden und nur Flüssigkeit (Pankreassaft) heraus-
kommt, ist die Prognose besser. Wir werden weiter unten bei der
Nachbehandlung auf die Therapie der Duodenalfisteln noch näher
zurückkommen.
Jedenfalls haben diese Duodenalfisteln die transduodenale
Choledochotomie etwas in Misskredit gebracht und den Plan
einer retroduodeiialen Choledochotomie ohne Eröffnung des
Duodenum in letzter Zeit bei anderen Chirurgen wachgerufen.
So haben im Centralblatt für Chirurgie im Jahre 1903 mehrere
Autoren die retroduodenale Choledochotomie empfohlen.
Kehr, Technik der GalJensteinoperationen. I. 16
— 242 —
Schon Langenbuch hatte vorgeschlag-en , zwecks Frei-
legung des papillären Teils des Choledochus das Colon trans-
versuni samt grossem Netz und Pylorusteil nach oben zu drängen
bezw. zurückzuschlagen, dann den unter dem Pankreas hervor-
tretenden pulsierenden Stamm der Art. mesaraica superior auf-
zusuchen: nach oben und rechts von diesem, wo der Pankreas-
kopf sich in den Duodenalring begiebt, sei die Auffindung der
Steine möglich.
Folgt man dieser Empfehlung Langenbu chs, so schafft man
neben dem der Gallensteinoperation ein zweites Operationsterrain,
dessen definitive Versorgung Schwierigkeiten macht. Man muss
doch Colon und Netz wieder zurückschlagen, wie- soll man dann
aber die Wundverhältnisse an der aufgeschnittenen Papille
günstig herstellen? Deshalb wäre es richtiger, den retroduodenalen
Schnitt von dem Operationsterrain aus, welches man zur ge-
wöhnlichen Choledochotomie benutzt, auszuführen.
Kocher*) macht über die zu diesem Zwecke nötige Mobil-
machung des Duodenums folgende Angaben: „Es bedarf zur
Mobilisierung des Duodenums einer Trennung des dünnen und
zarten Parietalblattes des Peritoneums auf der rechten Seite der
Pars descendens duodeni. Die senkrechte Trennungslinie fällt vor
die rechte Niere links von dem zum Colon transversum herab-
steigenden Schenkel der Flexura coli dextra. Das Parietalblatt
des Peritoneums hebt sich hier von der Vorderfläche der Niere ab
zum Colon und bildet das obere Blatt des Mesocolon transversum.
Geht man neben dem vertikalen Teil des Duodenums über das
Parietalblatt der Niere mit dem Finger herauf, so kann man den-
selben oberhalb der Flexura duodeni superior in das Foramen
Winslowii einführen und das die Vorderwand desselben bildende
Lig. hepato - duodenale emporheben, welches die Vena portae,
die Arteria hepatica und den Ductus choledochus einschliesst."
Kocher empfiehlt „zwei Finger breit entfernt vom
Rande des Duodenums der Pars verticalis parallel dieses dünne
Peritonealblatt mit dem Messer zu spalten, damit nicht, wie
es bei einfachem Durchreissen desselben geschieht, die peri-
toneale Bedeckung der Vorderfläche des Peritoneums geschädigt
werde. Hebt man den gegen das Duodenum liegenden Teil
des Peritoneums nach der Spaltung mit 2 Fingern empor, so
*) Centralbl. für Chir. 1903, Nr. 2.
— 248 —
kann man mit dem andern Finger durch sanften Zug mit Leichtig-
keit unter das Duodenum gelangen und dasselbe von der Vorder-
tläche der Wirbelsäule, der Vena cava und event. der Aorta
abheben mittels einfacher Abschiebung.
Die Rückfläche des Duodenums wird dabei nicht, wie man
glauben könnte, bis auf die Muscularis entblösst, sondern be-
hält — offenbar als Rest des früheren Peritoneal Überzuges —
eine bindegewebige Platte aufgelagert, welche zum Unterschied
von der vorderen Fläche rauh erscheint."
Berg*) erwähnt diese Ko ch er 'chen Untersuchungen und
gibt selbst für die retroduodenale Choledochotomie folgende
Vorschriften :
1. Bauchschnitt;
2. Freilegung des absteigenden Duodenalastes. Längs-
incision des hinteren parietalen Peritoneums 3—4 cm, nach
aussen vom rechten Rande des Duodenums, von der Duodenal-
flexur zum Mesocolon transversum herabreichend. Der innere
oder linke Teil des eingekerbten Peritoneums wird mit dem
Finger von der Wand abgehoben, und zwar bis zum rechten
Rande des Duodenums; sodann schlüpft der Finger hinter das
Duodenum und löst dieses" vorsichtig bis zum inneren Rande
von den Wirbeln, der Vena cava inferior und Aorta ab. Nun-
mehr ist das Duodenum bloss ganz lose angeheftet und zwar
oben an der Biegung , unten am Mesocolon transversum und
medianwärts entlang dem Innern konkaven Rande, und kann
leicht um letzteren als Längsachse nach links rotiert werden.
Durch diese Achsendrehung gelangt die hintere Fläche sowie
der retroduodenale und papilläre Abschnitt des Ductus com-
munis nach vorn und wird sonach eine ausgezeichnete Frei-
legung dieser Teile gestattet. (Der Ductus verhält sich zu
den umliegenden Teilen wie folgt: Der Duodenalzweig der
Pankreatico -duodenal- Arterie liegt vor uns ungefähr ^/4 Zoll
weit ab von demselben ; die begleitende Vene liegt genau hinter
dem Leiter; manchmal kreuzt ein Ast der Vene den Chole-
dochus knapp vor seiner Eintrittsstelle ins Duodenum. Der
Ramus mesentericus superior der Vena portae ist weitab nach
innen und die Vena cava nach rückwärts gelegen.) Der Leiter
ist leicht zu erkennen. Man kann ihn leicht mit den Fingern
fassen, einkerben und daraus einige kleine Steine entfernen.
*7Centralbl. für Cliir. 1903, Nr. 27. ,
— 244 —
3. Reinigung. Die Incisionsstelle des Ductus wird mit
einem schmalen Gazestreifen bedeckt, und nun lässt man den
absteigenden Duodenalast in seine Lage zurückgleiten. Ist es
nötig, den Ductus communis und den Hepaticus zu drainieren,
so wird der Ductus choledoclius in seinem freien Verlaufe im Lig.
gastro-hepaticum eingekerbt und hier ein Drainrohr eingelegt.
Die Incision im retroduodenalen Teil des Ductus kann ver-
näht werden, obwohl dieses kaum nötig sein dürfte.
Schon Haasler hat auf dem Chirurgen-Kongress 1898 die
retrodiiodenale Choledochotomie besprochen. ,,Das vordere Blatt
des Lig. hepato-duodenale wird durch einen Längsschnitt neben
und parallel dem Duodenum durchtrennt unter Vermeidung eines
in dieser Richtung verlaufenden Astes der Art. pankreatico-
duodenalis. Es gelingt dann — führt Haas 1er aus — das Duo-
denum 2 — 3 cm. weit stumpf loszupräparieren und nach links
zu verziehen, so dass der retroduodenale Teil des Choledochus
mehr oder weniger überlagert vom Pankreasgewebe zum Vor-
schein kommt." Die Ablösung des Duodenums in weiterer Aus-
dehnung ist wohl ausführbar — Vautrin will den Gang so
weit biossiegen, dass nur 1 cm. seines Anteils nicht freigelegt
bleibt — .doch muss die Warnung Riedel's vor zu weit-
gehender Lösung des Duodenums beobachtet werden.
Die retroduodenale Choledochotomie macht eine gleichzeitige
supraduodenale Choledochotomie resp. Hepaticusdrainage nicht
entbehrlich und hat den Nachteil, dass sich leicht retroperi-
toneale resp. retroduodenale Entzündungen ausbilden können,
deren Propagation wir kaum zu verhüten im Stande sind. Ich
bleibe vor der Hand noch bei der transduodenalen Choledocho-
tomie, ehe nicht an einem grossen Material die Erfolge der retro-
duodenalen Operation sicher gestellt sind.
Ich will noch bemerken, dass der retroduodenale Teil des
Choledochus von Lane,*) Kocher, Jourdan, Monprofit,
Czerny**) u. A. freigelegt worden ist. De Quervain***) teilt
auch einen einschlägigen Fall mit; de Quervain ist der Meinung,
dass die retroduodenale Methode da angezeigt ist, wo das Duo-
denum sich sauber ablösen lässt. Ist dasselbe dagegen mit
*) Clinical society's transaotions 1894, Nr. 149.
**) Über die Fälle von Kocher, Jourdan, Monprofit, Czerny siehe
Payr, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. 75, p. 6.
***) Zur Frage der retroduodenalen Choledochotomie. Centralbl.
f. Chir. 1903, Nr. 40.
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— 245 —
Pankreas und Choledochus zusammen zu einer schwartigen Masse
verbacken, und läuft man bei der Ablösung Gefahr, trotz aller
Sorgfalt die Darmwand zu verletzen, oder wird man endlich
der Blutung nicht Herr, so wird man auf weitere Ablösung
verzichten und den transduodenalen Weg wählen.
Ich möchte de Quervain in dieser Indikationsstellung
der trans- und retroduodenalen Choledochotoraie im grossen und
ganzen beistimmen. Fest in der Papille eingeklemmte Steine werden
durch Duodenotomie entfernt und solche im retroduodenalen
Teil, also oberhalb der Papille sitzende Steine wird man nach
Ablösung des Duodenums fast immer so verschieben können, dass
man sie aus dem supraduodenalen Teil des Choledochus heraus-
schneiden kann.*)
Herr Prof. Payr in Graz war so liebenswürdig, mir jene
Zeichnung, die er auf dem Chirurgenkongress 1904 demonstrierte,
zu überlassen (Fig. 58 und 59) und teilte mir über den Fall, bei
dem er unter Zuhilfenahme der Kocher' sehen Mobilisierung des
Duodenums den Stein aus der Papille entfernte, Folgendes mit:
„Es handelte sich bei einem 68 jährigen Mann um einen seit mehr
als einem halben Jahre bestehenden Choledochusverschluss, wobei vieles
im Krankheitsbilde für Stein sprach.
Operation: Anfang März 1904, Kehr 'scher Schnitt, Leber
ist mächtig vergrössert und macht die Empordrängung derselben
wegen Enge der unteren Thoraxapertur grosse Schwierigkeiten. Gallen-
blase vergrössert und verdickt , ödematös, zeigt zahlreiche frische,
hellrot vaskularisierte Adhäsionen. Nach Durchtrennung zahlreicher,
sehr blutreicher Verwachsungen zwischen Leber, Gallenblase, Colon,
Duodenum und Magen gelingt es, den Ductus cysticus frei zu präpa-
rieren und das Ligamentum hepato-duodenale freizulegen. In der Um-
gebung des auf über Zeigefingerdicke erweiterten Choledochus ein
mächtiger Venenplexus. Cysticus, Choledochus und Hepaticus werden
auf eine grössere Strecke freipräpariert und zeigt auch der Hepaticus
mächtige Erweiterung. In den grossen Gallenwegen sind grössere
Konkremente nrcht fühlbar. Der Ductus choledochus wird nun in seinem
supraduodenalen Anteil freigelegt, was durch sehr feste Adhäsionen
gegen Vena portae und Arteria hepatica sehr erschwert ist. Diirch
Palpierung kann man ein hartes Konkrement von der Grösse einer
kleinen Haselnuss etwa in der Gegend der Papilla Vateri, wenn auch
nicht mit voller Deutlichkeit, fühlen. Der Ductus choledochus wird
an der tiefsten Stelle seines supraduodenalen Anteils eröffnet, die Wand
mit Fadenzügeln gefasst, es entleeren sich grosse Mengen dunkelgrüner,
kleine lazettierte Steine enthaltender Galle, und wird nun versucht,
*) Siehe auch die ausführliche Arbeit von Payr in der deutschen
Zeitschrift für Chirurgie 75. Band p. 1, (Anm. w. d. Korrektur.)
— 24Ü —
duicli verschiedene Manöver und instrumentelle Behelfe den wohl an
der Vater'schen Papille sitzenden Stein heraus zu bekommen. Nach-
dem alle diese Versuche misslangen, beschloss ich, die von Kocher
angegebene Mobilisierung des Duodenums vorzunehmen und wird das Pe-
ritoneum 1 cm. vom lateralen Rand des Duodenums entfernt in etwa 12 cm.
Länge durchtrennt und der Zwölffingerdarm stumpf mit sterilen Gaze-
stücken medianwärts geschoben. Es zeigt sich dabei, dass an einer etwa
3 Markstückgrossen Fläche sich ein venöser Plexus befindet, aus dem
beim Ablösen eine massige, leicht zu beherrschende Blutung erfolgt.
Das Duodenum wird um seine ideelle Längsaxe der Pars verticalis
medianwärts geschlagen, dadurch der laterale Teil des Pankreaskopfes
freigelegt und der Zwölffingerdarm selbst einer bimanuellen Palpation
zugänglich gemacht. Jetzt fühlt man im untersten Anteil des retroduo-
deualen Abschnittes des Ductus choledochus deutlich ein in der Papille
festsitzendes, hartes Konkrement. Ich wollte die retroduodenale Chole-
dochotomie ausführen. Als ich aber mit dem Zeigefinger einen stärkeren
Druck durch die Hinterwand des Duodenums nach vorn und oben aus-
übte, fühlte ich deutlich, dass der Stein sich lockerte und plötzlich in
die höher gelegenen, weiten Abschnitte des Choledochus glitt. Jetzt
war es ohne Schwierigkeit möghch, mit einer Kornzange desselben
habhaft zu werden und ihn zu extrahieren. Typische Hepaticusdrainage
nach Kehr und Exstirpation der schwer entzündlich veränderten
Gallenblase mit dem Paquelin.* —
Es g-enügte also auch in diesem Fall die Mobilisierung des
Duodenum, um den Stein nach oben zu schieben und von der
Incision im supraduodenalen Teil aus zu entfernen. Ich glaube,
wir tun gut, wenn wir in Zukunft so wie Payr operieren,
d. h. auf die Incision des retroduodenalen Teils möglichst ver-
zichten, weil eben die Wund Versorgung und die Tamponade
solcher Incision nach meiner Auffassung schwierig und für den
Patienten wegen der Möglichkeit einer entstehenden retroduo-
denalen Phlegmone nicht ganz ungefährlich sein dürfte. Auch
muss man befürchten, dass der Tampon, der hinter das Duodenum
auf die Naht gelegt werden müsste, das Darmlumen verengern
möchte. Das Duodenum legt sich dann über den Tampon, wie über
einen Hügel, und starkes Erbrechen würde sich sicher einstellen.
Die Naht aber völlig zu versenken und auf eine prima Intentio
zu hoffen, das würde ich nicht riskieren.
e) Die llesektion des Ductus choledochus.
Resektionen des Ductns choledochus sind bisher wegen
Obliteration (Kehr), wegen Stein (Doyen) und wegen Carcinom
(Kehr) gemacht worden.
Die Resektion ist am leichtesten am supraduodenalen Teil
des Choledochus, sehr schwierig an der Papilla duodeni. Die
— 247 —
näheren Einzelheiten sind bei den Krankengeschichten (Nr. 150
und 151) durchzulesen, hier will ich nur die Grundzüge der
Resektionstechnik besprechen.
1. Der Gang: muss gut isoliert werden. Bei einer supra-
duodenalen Resektion durchschneidet man dicht über dem
Fig. 60.
Fig. 61.
I. Nach der Hcsektion dio circuläro Naht.
Fig. 62.
Fig. 63.
II. Verschluss des Choledouchs leber-
und duodenalwärts mit
Cystente rostomie.
III. Naht der liinteren Choledochus-
wand und Hepaticusdrainage.
Duodenum (Vorsicht wegen der Art. gastro-duodenalis!) den
Choledochus, bis man an der Vena portarum anlangt. Der
querdurchschnittene Gang wird leberwärts mit einer Klemme
— 248 —
g-efasst und nun präparando von der Vena port. soweit ab-
gelöst, bis man das zu resezierende Stück bis in's Gesunde
isoliert hat. Auf Anomalien der Art. hepatica ist dabei
ebenfalls acht zu geben. Man kann der Resektion eine zir-
kuläre Naht oder nur eine Naht der hinteren Wand mit
Hepaticusdrainage oder eine Hepatico - Duodenostomie folgen
lassen. Es kommt ganz darauf an, wie weit die Resektion
erfolgte und ob die Gallenblase mit entfernt werden musste.
Konnte man die Gallenblase erhalten, so kommen drei Modifika-
tionen in Betracht, die auf der vorigen Seite figürlich dar-
gestellt sind. (Fig. 60-63.)
Resektionen an der Papilla duodeni haben Czerny,
Halsted und Körte wegen bösartiger Stenosen ausgeführt.
Halsteds Fall stammt aus dem Jahre 1898. Er schrieb über
die Operation an Körte: „Es handelte sich um ein sehr kleines
Carcinom des Diverticulum Vateri. Ich entfernte ein Stück vom
gemeinsamen Gallengang, einen Teil vom Duodenum und ein
schmales Stück vom Pankreaskopf. Nach Anlegung einer zirku-
lären Naht des Duodenums pflanzte ich den Ductus AVirsungianus
und den Ductus choledochus getrennt in das Duodenum ein.
Eine Woche hindurch fand sich Galle in den Faeces, aber
dann schloss sich der Choledochus, und daher führte ich vor
3 Wochen eine Anastomosierung zwischen dem erweiterten
Cysticus und dem Duodenum aus. Sie kamen gut zusammen
und so weit ist die Operation erfolgreich gewesen. Es findet
sich reichlich Galle in den Stühlen."
Czerny 's*) Fall stammt aus dem Jahre 1901. Der Patient
starb an Insuffizienz der Nähte und bei der Sektion fanden sich
Lebermetastasen. In Körte's**) Fall, bei welchem ebenfalls
die Radikaloperation gemacht wurde, handelte es sich um ein
Adenocarcinom. Der Fall verlief 9 Tage post op. letal (1903).
Wegen einer gutartigen Stenose hat Körte die Spaltung vom
Darm aus vorgenommen. Er ging folgendermassen vor: Er
klemmte das Duodenum peripher und zentral ab und inzidierte es.
Die Papilla duodeni wurde mit einer Hakenzange vorgezogen, eine
Sonde eingeführt und auf dieser die Striktur gespalten. Ein-
führung eines dünnen NtMatonkatheters in den Pankreasgang
Das Rohr wurde dann durch die neugebildete Choledocho-Duodenal
*) SchüUer, Bruns Beiträge Bd. 31, p. 683.
♦♦) Körte, Verh. der d. Ges. für Chir. 19a3, II. p. 619.
— 249 --
fistel geführt und durch eine Choledochusincision weiter leber-
wärts nach aussen geleitet. Naht des Duodenum, Eesektion
und Drainage der Gallenblase, Hepaticusrohr. Heilung. Be-
sonders interessant sind in diesem Falle die Beobachtungen
über den austretenden Pankreassaft. Die Einzelheiten sind in
den Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1903
nachzulesen.
In einem Fall von Carcinom der Papille würde ich nicht
anders vorgehen wie Körte angegeben hat, d. li. ich würde
zunächst eine Spaltung des Duodenum vornehmen, um mich zu
überzeugen, wie weit die Schleimhaut um die Papille herum
von der Neubildung ergriffen ist. Von innen her, also nach
Umschneidung der Mucosa kann man die Resektion weit im
Gesunden machen, natürlich unter Berücksichtigung des Ductus
Pankreaticus. Greift das Carcinom auf das Pankreasgewebe
über, so lässt man am besten die Operation als eine Probe-
incision des Duodenums mit nachfolgender Gallenblasen - Darm-
oder Magenanastomose endigen. Es ist immerhin möglich, dass
man auch hier durch aktives Vorgehen gute Resultate erzielen
wird, jedenfalls sind derartige Versuche bei einem sonst so
traurigen Leiden nur gerechtfertigt.
4. Die Operationen am Ductus hepaticus.
(Hepaticotomie, Hepaticostomie, Cholangiostomie, Hepato-
Cholangio-Enterostomie.)
Steine im Hauptast und in den grösseren Ästen des Hepaticus
kann man von der im supraduodenalen Teil angelegten Chole-
dochusincision mit Kornzangen, Löffeln entfernen. (Nr. 116.)
Besondere Einschnitte im Hepaticus (Hepaticotomie) (Kocher,
(Jabot, Kehr) sind kaum nötig, doch ist es nicht verboten,
den Hepaticus bis an seinen Eintritt in das Lebergewebe zu
spalten, wobei man allerdings auf die Art. hepatica resp.
cystica Rücksicht nehmen muss. Die Incision des Ductus
hepaticus kann man in geeigneten Fällen auch als sog. innere
Hepaticotomie so vornehmen, dass man die Scheidewand zwischen
Cysticus und Hepaticus einkerbt und auf diese Weise den
Ductus hepaticus für die Einführung von Kornzangen etc. zugäng-
lich macht. Hat man eine äussere Hepaticotomie vorgenommen,
so wird man die Incision durch die Naht schliessen, wenn man
zugleich den Choledochus im supraduodenalen Teil geöffnet und
.— 250 —
von hier aus Hepaticusdrainage eingeleitet hatte. Handelte es sich
nur um Hepaticusincision, so ist auch hier die Hepaticusdrainage
.der Naht vorzuziehen; bei sehr tiefer Lage muss man oft auf
Naht und Drainage verzichten und kann nur die Tamponade
anwenden. Eventuell kann man Hepaticus und Cysticus resp.
Gallenblasenhals durch eine Anastomose verbinden und entweder
Cystostomie oder Cystenterostomie hinzufügen. Je einfacher man
aber das Operationsverfahren gestaltet, um so mehr nützen wir
unseren Kranken! Gelingt es nicht, tiefsitzende Steine sofort
zu entfernen, so macht man Hepaticusdrainage und entfernt die
Steine während der Nachbehandlung. Gewöhnlich beginnt man
damit erst 14 Tage nach der Operation. Nach Entfernung der
Tamponade und des Schlauches führt man einen Spülkatheter
in den Hepaticus ein und spült mit physiol. 40 ^^ C. warmer
Kochsalzlösung den Hepaticus aus. Festsitzende Steine haben
sich in der Zwischenzeit gelockert, da die Entzündung zurück-
gegangen und die Schleimhaut abgeschwollen ist. Auch mit
Kornzangen und Löäeln kann man nachhelfen. Führen alle
diese Massnahmen nicht zum Ziele, so bleibt noch die Einlegung
eines Laminariastiftes in den Hepaticus übrig, um den Gang ge-
hörig zu erweitern. Diese Prozedur ist ziemlich schmerzhaft
doch hat sie mir gute Dienste getan. Gegen die Steine in den
feineren Gallengängen sind wir ziemlich machtlos. Es ist zwar
möglich, durch die Leber hindurch sich einen Weg zu den
Steinen zu bahnen und sie sämtlich zu entfernen, wenn sie auf
einem kleinen Bezirk, der durch einen entzündlichen Wall von
der Umgebung abgegrenzt ist, beschränkt sind. Aber bei aus-
gedehnter Verbreitung der Lebersteine ist eine völlige Heilung
kaum denkbar.
Die dabei in Betracht kommenden Operationen, die Hepati-
costomie (Thornton 1888 und Nicolayson 1899), die Hepato-
cholangiostomie (Kocher 1882, Bayer, Baudouin, .Tabou-
lay), schliesslich die Hepatocholaiigioenterostomie (Marcel
Baudouin, Langenbuch, ÜUmann, Czerny, Kehr) sind
so seltene Operationen, dass nur der beschäftigtste Gallenstein-
chirurg Gelegenheit haben wird, sie jemals auszuführen.
Während es sich bei der Hepaticostomie um eine temporäre
Fistelbildung am Ductus hepaticus handelt, versteht man unter
Cholangiostomie die Eröffnung eines oder mehrerer Gallengänge,
deren Inhalt durch eine Fistel nach aussen geleitet wird.
Sonnenburg, Tuffier, Israel, Körte haben solche Ope-
rationen aus<reführt und dabei entweder den abdominalen oder
perpleuralen Weg eingeschlagen.
Es ist oft unvorsichtig, wenn man über die Entwicklung
eines Zweiges der Chirurgie etwas voraussagt. Die besten
Chirurgen haben sich in dieser Hinsicht schon sehr getäuscht
und über eine Operationsmethode das Todesurteil gefällt, welche
sich später zu einer vielgebrauchten entwickelte. Ich glaube
aber doch, dass man von den soeben erwähnten Operations-
niethoden keine grosse Zukunft erwarten kann und dass wir
mit der Hepaticusdrainage zu einem gewissen Abschluss ge-
kommen sind. Die grossen Hepaticusäste sind unsern Be-
mühungen noch zugänglich, bei den feineren müssen wir, es sei
denn, dass sich zirkumskripte zugängliche Abszesse entwickeln,
unsere Ohnmacht eingestehen.
Auch von jener Operation, die Hirsch berg zur Be-
kämpfung der Cholangitis empfahl, der Anlegung einer Leber-
gallengangsfistel, verspreche ich mir nicht viel.
Auf meine Veranlassung hin hat Berger in einer Arbeit:
die Hepaticusdrainage (Archiv für klin. Chir. Band 69) sich
mit dieser Operationsmetho(]e eingehend beschäftigt. Ich gebe
hier wieder, was Berger damals über die Hirsch berg'sche
Operation sagte:
.,Die Technik des Verfahrens*) ist sehr einfach: nach Frei-
legung der Leber per Laparotomiam wird ein Troikart in das
Lebergewebe eingestossen und der so entstandene, eventuell
stumpf bis auf etwa Fingerdicke erweiterte Kanal durch Ein-
legen von Gazestreifen und Drains oflengehalten. Der Verfasser
verspricht sich 'auf Grund des einzigen von ihm operierten Falles
sehr viel von seinem Vorgehen : nachdem er im vorigen Jahre
auf dem 19. Kongress für innere Medizin (Wiesbaden 1901) die
Ansicht vertreten hatte, dass es ihm damit gelungen sei, eine
hypertrophische Lebercirrhose zur Heilung zu bringen, erblickt
er in seinem Verfahren jetzt ein Mittel, welches die bisher ge-
übten Verfahren zur Bekämpfung der Cholangitis, die Chole-
cystostomie und die Hepaticusdrainage, nicht nur zu ersetzen im
Stande ist, sondern sie sogar übertrifft. Seine Ausführungen
*) Hirschberg, Die Behandlung schwerer Lebererkrankungen
durch die Anlegung einer Leber -Gallengangsfistel. Berliner Klinik.
Heft 172. Okt. 1902.
252
dürfen nicht unwidersprochen bleiben, da sie geeignet sind, die
Anschauung zu erwecken, als ob es nunmehr ein leichtes sei,
eine Cholangitis, selbst wenn sie ganz diffus ausgebreitet ist,
durch eine relativ einfache Operation zu heilen.
Was zunächst den von Hirschberg operierten und seiner
Arbeit zu Grunde gelegten Fall anbetrifft, so bietet er nach
der mitgeteilten Krankengeschichte das typische Bild des chro-
nischen Choledochusverschlusses durch Stein. Der wechselnde,
wenn auch wenig ausgesprochene Ikterus, der zu- und abneh-
mende Gallenfarbstoffgehalt des Stuhles und Urins, die Leber-
schwellung, das unregelmässige Fieber mit Schüttelfrösten, da-
bei rasche Abmagerung und schnelles Sinken der Körperkräfte
sind so ausgesprochene Symptome der Choledocholithiasis, dass
die Diagnose eigentlich keinen Augenblick zweifelhaft sein konnte.
Und wenn Herr Hirschberg die Annahme eines Choledochus-
verschlusses — bei dem Wechsel der Erscheinungen konnte
nur ein bewegliches Hindernis, also Stein, in Frage kommen —
fallen Hess aus- Gründen wie: „Beim Verschluss des Ductus
choledochus steht der schwere, stetig zunehmende Ikterus im
Vordergrund der Erscheinungen, .... es fehlt das Fieber" etc.
(S. 17), so ist das nur so zu erklären, dass er noch nicht viel
Fälle von chronischem Choledochusverschluss durch Stein zu be-
obachten Gelegenheit gehabt haben niuss. Wie dem auch sei,
die Operation verlief glücklich, die Cholangitis ging zurück, die
Fistel schloss sich, und der Operierte blieb etwa P/2 Jahr
von grösseren Anfällen verschont. Die im letzten Halbjahre auf-
tretenden Anfälle von Gallenstauung mögen schon mit dem Krebs-
leiden, dem der Patient 2 Jahre post op. erlag, im Zusammen-
hang gestanden haben.
Aber auch, wenn der Patient Jahrzehnte lang nach der
Operation gesund geblieben wäre, so berechtigte dieser eine
Fall durchaus noch nicht dazu, so allgemeine Schlüsse zu ziehen
und die Hirsch berg' sehe Methode als gradezu ideales Ver-
fahren zur Bekämpfung der Cholangitis und als der Hepaticus-
drainage überlegen hinzustellen. Der Vorzug des Verfahrens
ist nach Hirsch berg die relative Geringfügigkeit des Kin-
griffes gegenüber der Aufsuchung, Eröffnung und Drainage der
tiefen Gallenwege; dass es dasselbe leistet, wage ich zu be-
zweifeln. Indem Hirsch berg' sehen Falle handelte es sich um
eine leichte bis höchstens mittelschwere Cholangitis, aus dem
— 258 —
erötfneten Hepaticus floss „reichlich klare, dünne, schleimige,
nicht riechende Galle von grüngelber Farbe" (S. 7), nicht wie
bei schweren Cholangitiden trübes, eitriges, stinkendes, kaum
gallig gefärbtes Sekret. Die allerdings erst am 10. Tage post op.
vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab „eine Sorte
von Bazillen, welche in die Klasse des Bacillus lactjs aerogenes
gehörten, eine Klasse, die dem Bact. coli commune sehr nahe
steht, aber ebenso häufig im normalen Darme vorkommt. Be-
züglich der Pathogenität fielen die Untersuchungen negativ aus"
(S. 9). Also schon in einem relativ grossen Hepaticusaste klare,
wenig schleimige Galle ohne Staphylo- oder Streptokokken:
weder lag eine schwere Infektion vor, noch war dieselbe auf
die feineren und feinsten Gallengänge übergegangen. Dem Be-
funde entsprach der günstige Verlauf. Es ist mir nach dem
Gesagten unerfindlich, wie Hirschberg auf Grund dieses
Falles von der Leber-Gallengangsfistel sagen kann: „sie kann
ihre Wirksamkeit noch entfalten, wo die Hepaticusdrainage
nicht ausführbar ist, wie . . bei Infektion und Stauung der Galle
in den feineren Gallenwegen" (S. 27). Den Beweis für diese
Behauptung bleibt er schuldig, und wer die schweren diffusen
Cholangitiden aus eigener Anschauung kennt, wird ohne diesen
Beweis an die Wirksamkeit seines Verfahrens nicht glauben.
Denn nicht weil die Hepaticusdrainage die infizierte Galle nicht
genügend abzuleiten im Stande ist, sterben unsere Operierten
in diesen unglücklichen Fällen, sondern weil die Leberzellen
alteriert sind, die Funktion der Leber mehr oder weniger gestört
ist^ weil der g?inze Organismus von den Toxinen des cholan-
gitischen Prozesses durchdrungen ist und der Eingriff zu spät
kommt, um diese Zustände noch zu bessern. Hier wird aber
die Anlegung einer Leber -Gallengangsfistel ebensowenig Hülfe
zu bringen vermögen.
In den übrigen, noch nicht unrettbar dem Tode verfallenen
Fällen halte ich im Gegensatz zu Hirschberg's Ausführungen
die Hepaticusdrainage für überlegen. Die ihr vorangehende
Choledochotomie beseitigt zunächst den Stein — in der weitaus
grössten Zahl der Fälle die Ursache der Cholangitis — , sodann
leitet das im Hepaticus liegende Rohr fast alle aus der Leber
herabfliessende Galle nach aussen; die Lebergallengangsfistel
eröffnet günstigenfalls einen Ast des Hepaticus, ist der Operateur
weniger vom Glück begünstigt, so trifft er nur Verästelungan
— 254 —
dritten, vierten oder noch höheren Grades. Allerdings kann
man den Eingriff wiederholen — „wenn nach der Anbohrung
der einen Leberstelle keine Galle ausfliesst, stüsst man den
Troicart an einer anderen Stelle ein" (S. 27) — , aber sollte
mehrmaliges Einstechen eines fingerdicken Troicarts in das
Lebergewebe bis auf 10 cm. Tiefe wirklich ein so ganz gleich-
gültiger Eingriff sein ? Auch schätze ich die Gefahr der Blutung
höher als Hirschb er g, Leberarterie und Pfortadergefässe
liegen innerhalb derselben Bindegewebsscheide wie die Gallen-
gänge, und die Lebervenen entbehren jedes Schutzes, eine Mög-
lichkeit, die Gefässe zu vermeiden, haben wir aber nicht, da
wir blind in das Organ hineinstechen müssen.
Und nun weiter. Angenommen, der Troicart hat einen
grossen Hepaticusast getroffen, so soll das nach Hirschberg
zur Drainage des ganzen Gallensystems genügen. Wir hatten
Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, der das Gegenteil bewies,
Er ist von mir in einer Arbeit: „Über den Gallenfluss nach
Kchinococcusoperationen" *) veröffentlicht worden , ich will ihn
hier kurz wiederholen:
Bei der 44jährigen Frau war im August 1899 ein vereiterter
Leberechinococcus perpleural eröffnet worden. Vier Wochen
lang floss reichlich Galle, im Dezember war die Fistel völlig
geschlossen. Ein volles Jahr danach erkrankte die Patientin
unter den Erscheinungen der Cholangitis, die Fistel brach wieder
auf und es floss nunmehr alle oder fast alle Galle durch diese
ab. Trotzdem blieb leichter Ikterus bestehen, und alle 2—3
Wochen trat ein Schüttelfrost auf, Patientin befand sich aber
sonst nicht schlecht. Da alle Versuche, die Ilstel zum Ver-
schluss zu bringen, fehlschlugen, wurde am 3. 7. 00 der Chole-
dochus freigelegt, ein Stein aus ihm entfernt und der Hepaticus
drainiert. Völlige Heilung.
Der Fall hat mit dem Hirschberg'schen sehr viel Ähn-
lichkeit. Hier wie dort ein Stein im Choledochus und als Folge da-
von Cholangitis, hier wie dort eine Gallenfistel , dort künstlich
angelegt, hier in der Narbe der alten Echinococcusoperation
spontan entstanden. Und doch kam in unserem Falle die
Cholangitis nicht zur Heilung, leichter Ikterus und regelmässige
Schüttelfröste bewiesen, dass sie noch nicht erloschen war, keine
*) Kehr, Berger und Welp, Beiträge zur Bauchchirurgie.
Neue Folge. Berlin 1902.' Seite 217.
— 255 —
oder doch fast keine Galle floss in den Darm. Wir erklärten
es uns so, dass die in dem nicht eröifneten Hepaticusaste lierab-
strömende Galle sich vor dem Hindernis staue und dann rück-
läufig- in den anderen Hepaticusast und durch dessen Fistel nach
aussen fliesse und dass in der zwischen Hindernis und Hepaticus-
ofabelung stagnierenden Galle die Infektion unterhalten werde.
So, glaube ich, werden sich die Verhältnisse auch in den meisten
nach dem Hirschberg' sehen Verfahren behandelten Fällen
gestalten. Die Fistel verschafft durch Ableitung der cho-
langitischen Sekrete Erleichterung und verhütet da>! Aeusserste,
beseitigt die Infektion des Gallensystems jedoch nicht und muss
deshalb dauernd offen gehalten werden. Das wird sich schlecht
durchführen lassen, wenn es sich um einen Gallengang handelt,
der in einer Tiefe von 8 — 10 cm. nur durch einen engen Kanal
zugänglich im Lebergewebe verläuft. Auch Hirs ch b erg be-
tont die Neigung seiner Lebergallengangsfistel, sich rasch zu
schliessen, sein Eat, mit der Entfernung des Drains aus diesem
Grunde nicht zu eilig zu sein (S. 29), dürfte nicht viel helfen,
da er mit dem Drain wohl den Kanal im Lebergewebe, nicht
aber das Loch in der Gallengangswandung offen halten kann.
Schliesst es sich aber, bevor alle Entzündungserscheinungen
beseitigt sind, so wird sofort die Cholangitis wieder akut und
macht, falls die Fistel nicht spontan aufbricht, einen neuen
Eingriff notwendig. Ist aber in leichteren Fällen mit dem
Schwinden der cholangitischen Symptome der Choledochus wieder
durchgängig geworden und hat sich die Fistel geschlossen, so
ist damit doch nur eine vorübergehende Heilung erzielt, ein
Rückfall ist, so lange der Stein im Choledochus steckt, jeder-
zeit zu erwarten. Ob dieser Rückfall leicht sein wird, wie in
dem Hir s chberg'schen Falle, oder schwer, vielleicht schwerer
als der erste Anfall, ist nicht vorauszusehen, jedenfalls wird
der Patient kaum seines Lebens froh werden. Um es also noch
einmal zusammenzufassen: die Anlegung einer Lebergallen-
gangsfistel kann bei Cholangitis Erleichterung bringen, sie wird
die Infektion aber nur in leichten Fällen zum Erlöschen bringen
und bewahrt nicht vor der Gefahr des Recidivs. In schweren
F'ällen besteht trotz gut funktionierender Fistel die Infektion
fort; da bei Verschluss der Fistel sofort schwere Erscheinungen
von Cholangitis zu erwarten sind, muss die Fistel dauernd offen
gehalten werden. In den schwersten Fällen, bei diffuser Cho-
— 256 —
langitis, versagt die Lebergallengangsfistel ebenso wie andere
Operationsmethoden.
Dem gegenüber ist die Hepaticusdrainage wohl etwas
gefährlicher, verspricht dafür aber völlige und dauernde
Heilung. — " Ich möchte den Berger'schen Ausführungen noch
hinzufügen, dass die Hirschberg 'sehe Operation erst dann zur
Anwendung kommen sollte, wenn man von der Porta hepatis
aus die Ableitung der infizierten Galle nicht bewerkstelligen
kann, sei es, dass der Choledochus durch die Adhäsionen so ver-
schlossen ist, dass man nicht herankommt, sei es, dass die
Hepaticusdrainage — was ich aber noch nicht beobachtete —
zu einer völligen Obliteration des Gangs geführt hat. Dann
mag die Inangriffnahme der Cholangitis von der Leber aus er-
laubt sein, doch werde ich in solchen Fällen der Cholangio-
Enterostomie den Vorzug geben, da die Cholangiostomie eine
dauernde Gallenfistel hinterlässt. Auf die Bedenken, die
Hirschberg und Enderlen über die Hepato - Cholangio-
Enterostomie auf dem letzten Chirurgenkongress äusserten,
komme ich noch zu sprechen.
Die Langenbuch 'sehe Hepato -Cholangio -Enterostomie
ist von mir erst einmal „probiert" worden. Diese Operation
— eine Anastomose zwischen intrahepatischen Gallengängen und
einem Darmabschnitt — ist, wie wir weiter unten noch näher
erörtern werden, indiziert bei Cholangitis, die nicht durch
Hepaticusdrainage angreifbar ist und bei Verschlüssen des
Choledochus (Obliteration etc.), sobald es nicht gelingt, von
der Porta hepatis aus das Hindernis zu beheben. Solche
Patienten sind gewöhnlich sehr ikterisch und in ihrem Kräfte-
zustand sehr reduziert, und dadurch wird die Prognose solcher
Operationen sehr getrübt. Die Punktierung der Leber kann
eine schwere Nachblutung herbeiführen. Bei Verschluss des
Choledochus resp. Hepaticus durch Carcinom sollte man die
Operation nicht ausführen, da der Erfolg doch kein dauern-
der sein kann und man durch Morphium eine bessere
Euphorie erreicht, wie durch solch' kunstvoll ausgeführte
Operation.
In meinem Fall sprach der Befund zwar für ein Pylorus-
carcinom, aber die mikroskopische Untersuchung (im pathol.
Institut in Marburg ausgeführt) konnte keine Krebselemente
finden, so dass man hoffen konnte, der Verschluss des
Pylorus sei ein gutartiger. Die 54 j. Frau wurde wegen Pylorus-
stenose gastroenterostomiert, wobei sich herausstellte, dass auch
der Ductus cysticus und der Ductus choledochus verschlossen
waren. Die Gallenblase wurde exstirpiert, aber an dem durch feste
Massen obliterierten Ductus cysticus konnte man nichts Carcino-
raatöses finden. Es war also immerhin möglich, dass ein Ulcus pylori
mit starker Entzündung und Narbenbildung in der Umgebung auf
Cysticus und Choledochus übergegriffen hatte und der Choledochus
wieder wegsam werden konnte. Die Gastroenterostomie stellte
die motorischen Funktionen wieder her. Fat. erholte sich, bekam
guten Appetit, aber der anfänglich massige Ikterus wurde immer
stärker. Wie die erste Operation ergab, war von der Porta hepatis
aus nichts zur Behebung des Hindernisses zu tun. Deshalb wurde
die ('holangio - Duodenostomie ausgeführt. Aus dem Rand des
rechten Leberlappens wurde ein Keil excidiert, der Defekt durch
den Paquelin gehörig vertieft und dann das naheliegende Duo-
denum daiaufgenäht. Die Bauchwunde wurde völlig geschlossen.
Fat. überstand den Eingriff ganz gut, verlor ihren Ikterus und
wurde 4 Wochen post op. entlassen. Der behandelnde Arzt hat
mir nicht wieder über den Fall berichtet, doch erfuhr ich durch
Zufall, dass der Exitus an fang März — 4 Wochen nach der
Entlassung — eingetreten sei. Die interessante Operation habe
ich bereits im Centralblatt für Chir. 1904, Nr. 7 veröffentlicht
und damals folgendes ausgeführt:
Bei Cholangitis, bedingt durch Steine im Ductus chole-
dochus und hepaticus, bedient man sich heute wohl allgemein
der Hepaticusdrainage.
Bei sonstigen Verschlüssen des Choledochus , unter denen
das Carcinom die erste Stelle einnimmt, kann es, wie ich
in einem Falle gezeigt habe, gelingen, durch Resektion des
Choledochus und Hepaticus mit nachfolgender zirkulärer Naht
oder Hepatico -Duodenostomie den Gallenabfluss wieder herzu-
stellen.
Jedenfalls gilt es für mich als Regel, bei allen Obstruktionen
des Choledochus den Versuch zu machen, durch direkte Angriff-
nahme von der Porta hepatis aus das Hindernis zu beseitigen.
Erst wenn es sich zeigt, dass man auf diese Weise nicht
zum Ziele kommt, sind Anastomosen zwischen Gallensystem und
Darm resp. Magen in Erwägung zu ziehen.
Leicht ist es, eine solche zwischen Gallenblase und Darm
Kehr, Teclinik der Gallensteinoperationi'ii. I. 1'
— 258 —
resp. Magen herzustellen, schwierig ist die Technik der Chole-
(locho-Duodenostoniie und der Hepatico-Duodenostomie.
Sind Choledochus und Hepaticus bis dicht an die Leber heran
verschlossen und ist ausserdem der Ductus cysticus obliteriert,
so ist es überhaupt unmöglich, die Gallenblase und die grossen
Gallengänge zur Anastomose zu benutzen. Wir können, wenn
wir noch etwas tun wollen, nur kleinere Gallengänge -zur Ana-
stomose verwenden und müssen durch die Lebersubstanz hin-
durch uns zu diesen einen Weg bahnen.
Diese Operation — die Freilegung der kleineren Gallen-
gänge — , die Cholangiostomie, haben bereits Kocher (1882)
und Langenbuch (1886) u. a. ausgeführt, und auch der neuer-
dings von Hirschberg publizierte Fall gehört hierher.
Die einfache Cholangiostomie hat aber den grossen Nach-
teil, dass eine komplete Gallenfistel mit all' ihren Widerwärtig-
keiten entsteht, wenn das Hindernis am Choledochus resp.
Hepaticus nicht von allein schwindet.
Deshalb empfahlen Marcel Baudouin (1896), Langen-
buch (1897) und Uli mann (1897), die Gallengänge mit einem
Abschnitt des Darmes in Verbindung zu bringen, also eine
Hepato-Cholangio-Enterostomie auszuführen.
Soviel ich weiss, ist es bisher bei dieser Idee*) geblieben;
ich hatte im Januar d. J. Gelegenheit, die erste Operation
dieser Art zu „probieren":
Es handelt sich um eine 54 jährige Witwe aus S., die sonst immer
gesund war. Sie hat zweimal geboren. Menopause seit 4 Jahren.
Im Frühling 1903 sehr heftiger ßronehialkatarrh („Influenza").
Danach begannen sich Magenbeschwerden einzustellen, sehr viel Aul-
stossen und Sodbrennen jedesmal nach dem Essen. DabeikeineSchmerzenl
Appetit nur zeitweise gering, jetzt sehr gut. Allmählich starke Ab-
magerung. Stuhlgang dauernd verstopft. Seit Ende Juni ab und zu
Erbrechen, das in letzer Zeit häufiger ist und oft alte Speisen (vom
Tage vorher) herausbefördert. Abmagerung wurde immer stärker, die
Magenbeschwerden hielten an. Mehrere Arzte stellten Magenerweite-
rung und Erschlaft'ung infolge Verengerung des Magenausganges fest
und rieten, falls die Abmagerung forlschritte, zur Operation.
*) Petersen (Heidelberg) teilte auf dem Chirurgenkongress 1904
mit, dass bereits Czerny eine Hepato-Cholangio-Enterostomie aus-
geführt hat. Das ist richtig. Wie Merk in den Mitteilungen aus
den Grenzgebieten berichtet, wurde die Operation am 11. Nov. 1898
ausgeführt. (Siehe auch Brenner, Virchow's Arohiv Bd. 158.)
— 259 —
Befund: Grosser, atonischer Magen; kein Tumor am Pylorus
tastbar, da die Bauchdecken sehr gespannt sind. Motorische Funktionen
des Magens sehr träge. Dreimalige Magenspülung.
Pat. ist sehr abgemagert und elend, massig ikterisch. Im Urin
GallenfarbstoEF, kein Eiweiss.
Schema 1 für Hepato-Cholangio-Bnterostomie. Boi 1 die bis an die Loberober-
fläche reichenden Qalleng'änge. 2. Ualloiiblase. 3. Ductus choledochus. 4. Magen.
Schema 11 fUr Hopato-Cholangio-Enterostoraio. Die Gallongängo bei 1 sind mit
dem Duodenum io Anastomoso gebracht. Die Gallenblase ist oxstirpiert, boi 2
ist der Ductus cysticus unterbunden. 3. Ductus choledochus. i. Magen.
Diagnose: Pylorusstenose, wahrscheinlich carcinomatös. (Ad-
häsionen ?)
Operation: 2. Dezember 1903. Schnitt in der Mittellinie ober-
halb des Nabels, Schrägschnitt vom Nabel aus nach links unten.
17*
— 260 —
Magen gross; hydropische Gallenblase am Duodenum verwachsen. Py-
loruB frei. Beim Einstechen der Gallenblase spritzt unter gewaltigem
Druck im Bogen wasserhelle Flüssigkeit in die Schale. Duodenum
von einer harten Infiltration eingenommen, die den Cysticus ringförmig
umschliesst. Ectomie. Gastroenterostomie nach v. Hacker (15 Minuten).
Tamponade- des Leberbettes. Naht. Dauer der Operation 1 Stunde.
40 gr. Chloroform. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose.
Befund der Gallenblase (pathologisches Institut Marburg): Ver-
dickung der Blasenhalswandungen. Übrige Gallenblasenwandung wenig
verändert. Leichte Erweiterung der gesamten Blase.
An mikroskopischen Schnitten durch den verdickten Blasenhals
fällt auf, dass die Veränderungen hauptsächlich die äusseren Wand-
schichten betreffen. Hier besteht eine Sklerosierung des Bindegewebes
vind Einlagerung lymphknötchenähnlicher Zellanhäiifungen in dar Um-
gebung grösserer Gefässe. Die sonst so stark entwickelten Drüsen
fehlen völlig. Die Schleimhaut ist, von leichter zelliger Infiltration
abgesehen, völlig normal, hat schönes, hohes, einfaches Zylinderepithel.
Von krebsiger Wucherung ist nichts zu finden. Das elastische Gewel)e
ist nicht vermehrt. An Schnitten durch den Blasenfundus fällt das
völlige Fehlen des Oberflächenepithels, der Faltenbildungen der Schleim-
haut, der Drüsen und die schlechte Färbbarkeit der spärlich erhaltenen
Reste der Schleimhaut und des Muskelgewebes auf. Soweit erkennbar,
fehlen sonstige bemerkenswerte Veränderungen.
Verlauf: Vom 2. Dezember 1903 bis 7. Dezember gut und
fieberfrei.
Am 7. Dezember spontaner Stuhlgang, grau verfärbt.
Am 10. Dezember vermehrter Ikterus, besonders der Konjunktiven.
16. Dezember. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons , die
sehr fest sitzen, der langen Fäden bis auf einen und sämtlicher Nähte.
Wundtrichter sehr eng, Wunde sieht gut aus. Ausspülung. Tamponade.
28. Dezember. Fat. ist stärker ikterisch. Appetit nimmt täglich
zu, gutes Allgemeinbefinden.
3. Januar 1904. Ikterus ist noch stärker geworden, starkes Haut-
jucken.
6. Januar. Sehr starker Ikterus. Befinden sonst unverändert.
Ein langer Faden liegt noch sehr fest in dem bereits stark verengten
Wundtrichter.
Der Fat. wird gesagt, dass man in leichter Narkose den Faden
entfernen wolle, den Angehörigen wird auseinandergesetzt, dass wegen
des starken Ikterus ein, neuer Eingriff nötig sei. Befund und klinischer
Verlauf sprechen zwar für ein Carcinom, doch wurde im Marburger
pathologischen Institut nichts davon entdeckt. Liegt Carcinom vor,
so ist allerdings jede Nachoperation von geringem Wert, ist der Prozess
aber ein gutartiger, rein entzündlicher, so kann man durch eine neue
Operation sehr wohl nützen. Von der Porta hepatis aus ist jedes Vor-
gehen zwecklos: das hatte schon die erste Operation gezeigt. Der
Choledochus war in harte Schwielen eingebettet, und diese verhinderton
eben den Abfiuss der Galle nach dem Darm hin. Es blieb nur übrig
— 261 —
eine Cholangiostomie oder eine Cholangio-Enterostomie. Die erstere
Operation musste eine komplete Gallenfistel ergeben, da ja der Chole-
dochus schon jetzt völlig undurchgängig war. Eine Cholangio-Entero-
stomie war das bessere Verfahren.
Operation: 8. Januar 1904. Der alte Fistelgang wird gereinigt
und mit steriler Gaze ausgestopft. Längsschnitt am äusseren Rande
des rechten M. rect. abd. Leber massig gross. Ein 6 cm. langes,
2—3 cm. breites elliptisches Stück wird aus dem unteren Leberrand
herausgeschnitten und das Loch mit dem Paquelin gehörig vertieft.
Dadurch steht zugleich die Blutung (zwei Unterbindungen). Einige
grössere Gallengänge sind eröffnet, und man sieht deutlich Galle aus-
fliessen. Das naheliegende Duodenum wird nach 6 cm. langer Er-
öffnung auf die Ränder der Leberwunde genäht. Einige Nähte schneiden
durch, da die Leber etwas morsch ist. Ohne Tamponade wird die
Bauchhöhle geschlossen. Operation dauerte 60, die Narkose 65 Minuten
(15 gr. Chloroform). Sehr gute Chloroform-Sauerstoff-Narkose. Im Bei-
sein des Herrn Dr. Pagens tech er -Mexiko. (Fig. 64 und 65.)
Puls nach der Operation gut.
Verlauf: 12. Januar. Verbandwechsel. Aus dem alten Fistel-
gang läuft etwas Galle. Heute Stuhl nach Einlauf braun. Urin viel
heller. Ikterus hat bereits erheblich nachgelassen. Befinden gut. Pat.
föngt an zu essen.
15. Januar. Pat. erholt sich sehr, Ikterus gering, Stuhl braun,
Urin hell, Hautjucken beseitigt. Die angelegte Anastomose funktioniert
also gut.
17. Januar. Fäden entfernt.» Wunde per primam geheilt. Ikterus
noch geringer, Appetit nimmt sehr zu.
6. Februar. Pat. wird wesentlich gebessert entlassen. Gewichts-
zunahme. Pat. ist, wie ich durch Zufall erfuhr, 5 Wochen nach der
Entlassung gestorben, eine Sektion hat nicht stattgefunden, wenigstens
hat mir der behandelnde Arzt keine weitere Mitteilung zukommen
lassen, was sehr bedauerlich ist; denn ich kann über die Beschaffen-
heit der angelegten Fistel, über das Verhalten des Lebergewebes dem
vorbeiströmenden Darminhalt gegenüber keine näheren Angaben machen.
Epicrise: Ich habe der. Krankengeschichte nur wenige
Bemerkungen hinzuzufügen.
Die Technik der Operation ist sehr einfach und bedarf
keiner besonderen Erläuterung.
Nach dem bisherigen Verlauf ist es wahrscheinlich, dass
der Verschluss am Choledochus durch entzündliche Schwielen,
liervorgerufen durch das Ulcus des benachbarten Duodenum,
bedingt ist. Derartige Choledochusobstruktionen gehören zu den
Seltenheiten ; denn am häufigsten wird der Verschluss des Chole-
dochus und Hepaticus durch Steine bedingt ; ich bemerkte schon
oben, dass man in solchen Fällen auf direktem Wege das Hinder-
- 262 —
nis beseitigen wird. Mir ist das bei mehr als 200 Oholedocho-
tomien resp. Hepaticusdrainagen stets gelungen, und ich würde
eine Cholangiostomie oder Hepato- Cholangio -Enterostoraie bei
solchen Zuständen für einen Fehler halten.
Ebenso würde ich nicht zu solchen Operationen raten, wenn
das Hindernis durch ein primäres oder sekundäres Carcinom der
Leberpforte, dessen radikale Entfernung unmöglich ist, bedingt
wird. In solchen Fällen nützen wir mit einem einfachen In-
strument — der Morphiumspritze — viel mehr.
Nur in zweifelhaften Fällen, wie dem nieinigen, ist die Cho-
langio-Enterostomie gestattet. Denn ist der Verschluss ein rein
entzündlicher resp. durch entzündliche Schwarten bedingt, dann
kann es in der Tat gelingen, die drohende Cholämie zu be-
seitigen und das Leben der Kranken zu erhalten. Da die sichere
Unterscheidung der carcinomatösen von den fibrös-entzündlichen
Schwarten und Verdickungen nach Freilegung der verlegten
Gallengänge nicht immer gelingt, ist es geboten, die Idee
Baudouin's und Langenbuch's öfter, als es bis heute ge-
schah, zu verwirklichen.
Enderlen hat auf dem Chirurgenkongress 1904 Tier-
experimente mitgeteilt, aus denen hervorgeht, dass Anastomosen
zwischen Lebergängen und Darm sich mit der Zeit schliessen,
auch »wenn der Choledochus unterbunden ist. Das widerspricht
meinen an Menschen gemachten Erfahrungen. Oben habe ich
einen Fall kurz berührt, welcher ausführlich mitgeteilt zu werden
verdient, um den von Enderlen aus dem Tierexperiment
gezogenen Schlüssen entgegenzutreten. Der Fall ist von Berger
in den Beiträgen zur Bauchchirurgie Neue Folge 1902, p. 218,
beschrieben worden.
C. J.. 44 j. Bahnwärtersfrau aus Crottorf.
Subphrenischer vereiterter Leberechinococous. Op. 22. 8. 1898.
Kinzeitige perpleurale Incision mit Resektion eines Stückes der 8. Rippe.
Vom 8. Tage an profuser Gallenfluss, Stuhl acholisch. Der Gallenfluss
hcält etwa 4 Wochen in gleicher Stärke an, vermindert sich dann und
hört anfang Oktober ganz auf. Ein nachteiliger Einfluss des Gallen-
verlustes auf dem Organismus ist nicht zu bemerken. P&t. wird am
15. 10. 1899 in gutem Wohlbefinden mit einer kleinen, noch wenig
Eiter absondernden Fistel entlassen. Sie kommt noch allwöchentlich
zum Verbinden in die Klinik, anfang Dezember Schluss der Fistel.
Vorläufig völlige Heilung.
Am 28. 12. 1900 erkrankte sie mit Schüttelfrost, Erbrechen, dem-
nächst Ikterus, Schmerzen im Oberbauch rechts und in der Mittellinie.
- 263 —
Sie fühlte sich einige Tage sehr schlecht. Am 30. 12. empfand sie
den Schmerz besonders in der alten Operationsnarbe, und plötzlich
brach diese wieder auf und entleerte sehr viel Galle. Die Fistel bat
sich seitdem noch nicht wieder geschlossen, es iloss soviel Galle ab,
dass der Verband an manchen Tagen mehrmals gewechselt werden
musste. In den Darm gelangte nur selten etwas Galle, die Stühle
waren bisweilen hellgelb, meist tonfarben, der Urin wechselnd. Alle
2—3 Wochen trat ein leichter Schüttelfrost ein. Dabei war das All-
gemeinbefinden gut, der Appetit vorzüglich, die Verdauung leidlich.
Pat. hat nicht an Gewicht verloren, fühlte sich auch nicht schwächer
als sonst.
Am 22. 1. 1901 kam Pat. wieder zur Klinik. Es fand sich in der
lauteren Axillarlinie in Höhe der 8. Rippe eine etwa 3 cm. im Durch-
messer messende Fistel, aus welcher fortwährend Gallo floss. Die
Galle quillt ganz in der Tiefe der Fistel von unten her hervor, eine
Kommunikation mit einem offenen Gallengang ist nicht sichtbar zu
machen, auch durch Sondierung nicht nachzuweisen. Gründliche Aus-
kratzung. Entlassung am 25. 1. Die Auskratzung hatte keinen Erfolg.
Der Zustand blieb wie vorher, auf das körperliche Befinden der Pat.
hatte der Gallenfluss keinen Einfluss.
Am 17. 6. 1901 kam sie wiederum zur Klinik, sie wollte sich jeder
Operation unterziehen, um von ihrer Gallenfistel befreit zu werden.
Befund: Gutgenährte Frau mittlerer Grösse. Herz und Lungen
gesund. Im Urin GallenfarbstofF, Stuhl tonfarben, leichter Ikterus.
In der rechten hinteren Axi-llarlinie in Höhe der 8. Rippe liegt inmitten
einer ca. 12 cm. langen Narbe eine kleine Fistelöifnung, durch welche
die Sonde etwa 10 cm. tief in eine Höhle eindringt. Aus der Fistel
iliesst ständig klare Galle.
Energisches Auskratzen der Höhle mit dem scharfen Löffel, feste
Tamponade, Atzen mit Tinct. Jodi bleibt erfolglos. Es wird des-
halb beschlossen, die extrahepatischen Gallenwege freizulegen und
nach einem eventuellen Verschluss derselben zu suchen, und wenn
sich dort nichts findet, eine Verbindung zwischen der Höhle und dem
Duodenum, vielleicht mit Benutzung der Gallenblase anzulegen.
Operation: 8. 7. 1901. Der alte Schnitt wird nach vorne zu
fortgesetzt, die 8. Rippe bis zu ihrem Knorpel entfernt. Durchschuei-
duDg der unteren Knorpel, Verlängerung des Schnittes bis in die
Mittellinie resp. bis zum Nabel. Gallenblase gross, entzündet; im
Choledochus fühlt man eine Härte, die nicht verschieblich ist. Nach
Spaltung des Omentum minus kommt man auf Pankreasgewebe, nach
Durchschneiduug desselben auf einen haselnussgrossen Stein. Weitere
Steine sind nicht nachweisbar. Die Blutung aus dem Pankreasgewebe
wird durch Umstechung gestillt ; die Fäden dienen zugleich als Halte-
zügel. Hepaticusdrainage. Punktion der Gallenblase. Aspiration des
Inhalts. Die Gallenblase wird mit einem Faden versehen, um sie event.
spater öffnen zu können. Tamponade. Naht der Rippenknorpel,
Verband.
— 264 —
Verlauf: Fieberfrei. Durch das Rohr fliessen täglich 200 bis
300 gr. klarer Galle ab, trotzdem ist an der Stelle der alten Gallenlistel
der Verband jeden Tag durchtränkt. Am 14. 7. werden das Rohr und
die Tampons entfernt, die Fäden, auch der durch die Gallenblase ge-
legte, haben sich abgestossen, die Gallenblase kann deshalb nicht mehr
gefunden werden, und muss man darauf verzichten, sie zu öffnen. Bis
zum 10. 7. muss der Verband täglich gewechselt werden, dann in
Pausen von 2 — 3 Tagen, der Stuhl, der anfangs acholisch war, färbt
sich dunkler. Am 24. 8. wird Fat., nachdem eine Woche lang keine
Galle mehr geflossen ist, nach Hause entlassen. Es besteht noch eine
kleine, wenig Eiter absondernde Fistel, kein Ausfluss von Galle. All-
gemeinbefinden gut, Stuhl von normaler Färbung, erhebliche Gewichts-
zunahme.
In diesem Falle hatte also die äussere Lebergallengang-sfistel
nicht zuheilen können, weil ein Stein den Choledochus versperrte
und die Galle den bequemeren Weg nach aussen nahm. Bedenkt
man noch, dass ein Stein sehr selten vollständig den Gang ver-
schliesst, so dass also immer noch etwas Galle in den Darm
übertreten kann, so ist sehr zu verwundern, dass bei völliger
Unterbindung des Choledochus die angelegte Anastomose zwischen
Lebergängen und Darm doch obliterieren sollte.
Wie dem auch sei, meine Erfahrungen am Menschen decken
sich nicht mit denen Enderlen's am Tier, und wir müssen
weitere Beobachtungen abwarten. Aus diesem Grunde hätte
Hirsch berg auf dem letzten Chirurgenkongress seine Be-
merkungen über meinen Fall unterlassen können. Es schien mir,
dass er lieber gesehen hätte, wenn ich seine Cholangiostomie aus-
geführt hätte. Dass ich die Anlegung solch' äusserer Fisteln verab-
scheue^ habe ich bereits oben erwähnt. H irschberg erging sich
in allerlei Vermutungen, auf die zu antworten die kostbare Zeit des
Chirurgenkongresses verbot. Er meinte, der Choledochus hätte
sich in meinem Fall wieder geöffnet; nun, das ist mir sehr un-
wahrscheinlich , aber da der behandelnde Arzt eine Sektion
versäumte, kann ich seine Vermutungen nicht widerlegen und
schweige auch heute zu den Hirschb erg'schen Auseinander-
setzungen, wie ich damals beim Chirurgenkongress nicht näher
auf seine Einwendungen eingegangen bin. Bei dem vielen Dis-
kutieren kommt oft sehr wenig heraus: da wohl die meisten
Leser dieses Buchs die Verhandlungen der deutschen Gesellschaft
für Chirurgie besitzen, so möge es genügen, darauf hinzuweisen,
dass auf p. 77 (L Teil) die Hirschberg'schen Diskussions-
bemerkungen abgedruckt sind.
- 265 —
5. Die Anastomosen zwischen Gallensystem und
Intestinis.
Die Anlegung- einer Fistel zwischen Gallensystem und In-
testinis (von Wini warter 1881) hat den Zweck, die Galle
mit Umgehung des normalen Wegs (Cysticus, Choledochus,
Duodenum) auf kürzestem Weg von der Gallenblase oder dem
Gallengang aus in den Darm zu leiten.
Wir können Anastomosen herstellen zwischen Gallenblase
und Magen oder Darm :
a) Cysto-Gastrostomie,
b) Cysto-Enterostomie,
zwischen Cysticus und Darm oder Magen: .
c) Cystico-Enterostomie,
d) Cystico-Gastrostomie,
zwischen Hepaticus und Darm (meist Duodenum):
e) Hepatico-Entero- (resp.) Duodenostomie,
zwischen Choledochus und Darm (meist Duodenum):
f) Choledocho-Entero- (resp.) Duodenostomie.
Die Anastomosenbildung geschieht immer mittelst der
Naht; der Murphyknopf, den z. B. Kocher, Thomson *) bei
der Cystenterostomie warm empfehlen, kommt in meiner Klinik
nicht zur Anwendung; denn
1. ist die Zeitersparnis sehr gering; ein geübter Operateur
legt eine Naht in ca. 10 — 15 Min. an, zum Murphyknopf mit
event. Verstärkungen braucht man 5 Min. Der Zeitunterschiexi
ist also gering und fällt nicht ins Gewicht;
2. ist eine gute, exakte Naht sicherer wie der Murphyknopf;
3. kann der Murphyknopf statt in den Darm in die Gallen-
blase zurückfallen und hier recht unangenehme Folgen nach
sich ziehen. (Bei zweckentsprechender Konstruktion des Knopfes
ist das Ereignis meist zu vermeiden.)
In dem Fall von R os e n s t i r n **) war trotz guter Technik
eine Vereinigung bei Anwendung des Murphyknopfes nicht zu-
stande gekommen, so dass es noch 2 Wochen post op. zum
Exitus kam.
*) Thomson, Bemerkungen zur Anlegung der künstlichen Gallen-
blasen-Darmfistel. Centralbl. für Chir. 1903, Nr. 3.
**) Rosenstirn, Cholecysto- Duodenostomie, Pacific med. journ.
Juni 1893.
— 266 —
Also fort mit dem Murphyknopf in der Gallensteincliirurgie!
Ich habe überliaupt den Eindruck, dass die deutschen Chirurgen
sich von ihm aucli in der Magenchirurgie immer mehr und mehr
abwenden. Die Idee des Erfinders ist zu bewundern, in der
Praxis ist der Knopf von geringem Vorteil. — Auch in England
hat der Murphyknopf sehr an Boden verloren; speziell Mayo
Robson*) gibt an, dass er bei einer mittelst Murphyknopfes
angelegten Cholecystenterostomie 3 Monate später die Öffnung
geschlossen fand.
Ob man die Naht mit Catgut oder Seide vornimmt, ist Ge-
schmacksache; ich verwende feine Seide und gehe bei der Cysto-
Oastrostomie folgendermassen vor. (Nr. 155, Nr. 156, Nr. 157.)
Die meist grosse mit Galle gefüllte Gallenblase wird durch
Aspiration ihres Inhalts entleert. Dann folgt Incision am
Fundus durch einen Schnitt von ca. 1 cra. Länge und Austrocknung
des Inneren der Gallenblase mit sterilen Gazestreifen. Ist der
Cysticus gut zugänglich und frei, so lege ich eine mit 2 Gummi-
röhrchen armierte Klemmzange so an den Cysticus, dass zwar
keine Galle in die Gallenblase fliessen kann, das Gewebe aber
nicht gequetscht wird. Die Branchen der Zange werden also
nur ein wenig geschlossen. Ist die Anlegung einer Klemm-
zange nicht möglich (grosse Tiefe , starke Hypertrophie des
Gallenblasenhalses), so begnüge ich mich, in das Innere der
Gallenblase einen Streifen Gaze einzuführen, um das lästige
Herauslaufen der Galle zu verhüten. Man kann zu diesem
Zweck auch ein mit einem langen Faden versehenes, ausgekochtes
und sorgfältig ausgedrücktes Schwämmchen verwenden. Unter
allen Umständen ist es notwendig, dass man, ehe man zur
Anastomose schreitet, auch sicher ist, dass der Cysticus Galle
durchtreten lässt. Ist also der Gallenblaseninhalt nicht reine
dünne Galle, sondern Serum, Schleim oder Eiter, so ist eine
Cystenterostomie falsch. Dann käme entweder die Cystostomie in
Betracht, um während der Nachbehandlung den Cysticus durch
Ausspülungen etc. frei zu machen. Oder man muss, da natür-
lich auch der Cysticus obliteriert sein kann, an Stelle der Cyst-
enterostomie die Choledocho-Duodenostomie setzen, mit oder ohne
h^ctomie. Jedenfalls orientiere man sich genau über die Beschaffen-
heit des Cysticus und Choledochus, und das ist von einem kleinen
Schnitt aus, wie ihn noch viele Chirurgen üben, unmöglich.
*) Centralbl. für Chir. 1904. Nr. 20.
- 267
Fig. 66.
Die Anastomose zwischen Gallenblase und Intestinis (Nr. 155
bis 159) kann mit den verschiedensten Abschnitten des Darmkanals
angelegt werden. Es kommt in Betracht Magen, Duodenum,
Jejunum oder Ileum, Quercolon. Die Anastomose mit dem
Quercolon, die Majo-Robson bevorzugt, ist am irrationellsten!
Wir wollen doch die Galle für den Haushalt des Organismus
wieder verwerten. Dass sie nur ein Exkret sei und garnichts
bei der Verdauung zu tun habe, ist gewiss keine richtige An-
sicht. Wäre das der Fall,
so könnte man gegen die
Einnähung in das Colon nichts
einwenden. Aber es kommt
dazu, dass, wie in einigen
Fällen bestimmt nachgewie-
sen ist, durch die Etablier-
ung einer Fistel zwischen
Darm und Gallenblase Keime
(bes. das Bact. coli) Eintritt
in dasGallensystem erhalten
und hier Cholecystitis und
Cholangitis hervorrufen kön-
nen. Bekanntlich nimmt die
Zahl der Bakterien Schritt
für Schritt im Darmkanal zu;
sie ist klein im Duodenum,
grösser im Jejunum und
Ileum, am grössten im Colon.
Wozu also eine Kommuni-
kation anlegen zwischen Schema mr Cysto-Duodonostomio.
Colon und Gallenblase, da hier eine nachträgliche Cholangitis
am ehesten zustande kommen kann?
Ich bevorzuge das Stück Intestinum, welches sich am be-
quemsten an die Gallenblase anlegen lässt, und das ist der
Pylorusteil des Magens. Der Magen hat ausserdem eine viel
dickere Wand wie z. B. das Duodenum , die Nahtanlegung ist
viel leichter. Was gegen die Anastomose mit dem Magen
spricht, ist der Umstand, dass man der Galle einen Weg an-
weist, der ganz und gar gegen die Natur ist. Aber die zahl-
reichen Fälle, in denen ich so operierte, haben gezeigt, dass
die Pat. durch die Anwesenheit von Galle im Magen gar keine
— 268 —
Beschwerden hatten, dass sie niemals Galle erbrachen, und dass
in keinem Fall der Appetit gelitten hat. Galle im Magen
iürchten wir bei Circulus vitiosus nach einer Gastro - Entero-
stomie sehr, ich glaube aber, dass es dabei nicht die Galle ist,
die so störend wirkt, sondern das Pankreassekret.
Ich lege den Schnitt im Magen circa 2—3 cm. oberhalb
des Pylorus gerade in der Mitte zwischen beiden Curvaturen
an. Jede Zerrung sowohl an der Gallenblase wie am Magen
ist zu vermeiden; es ist erstaunlich, wie gut die Organe
gegenseitig sich ohne jede Spannung fixieren lassen. Eine
Schleimhautnaht verwerfe ich wegen möglicher Inkrustation
der Fäden; einige Male habe ich sie doch vorgenommen, ohne
dass sich bis jetzt ein Nachteil eingestellt hätte. Die gut-
Üiessende Galle lässt die Fäden, wenn sie durchschneiden,
nicht so leicht in der Gallenblase zur Ruhe kommen, sondern
schwemmt sie bald heraus. Die Schleimhautnaht hat gewiss
den Vorteil, dass man am leichtesten die Blutung aus der
Mucosa stillt und einer späteren Narbenretraktion vorbeugt.
Schon deshalb soll man den Schnitt nicht zu klein anlegen, es
genügen P/2— 2 cm.
Ob man den Schnitt in die Gallenblase längs oder quer
anlegt, ist ziemlich gleichgültig; im Magen ist ein Querschnitt
besser, um das Lumen gehörig zum Klaffen zu bringen. Jetzt
näht man genau wie bei der Gastro-Enterostomie erst die eine
Hälfte von innen und bringt Gallenblase und Magen durch
Serosa- und Muskularisnähte zusammen. Aus dem geöffneten
Magen war, da er ja vorher gespült wurde, kein Inhalt hervor-
getreten. Die Gaze aus der Gallenblase wird entfernt, nach-
tliessende Galle fortgetupft resp. von einem untergelegten ge-
nähten Gazetupfer aufgefangen. Dann folgt der Nahtverschluss
der andern Hälfte von vorne. (Fig. 67.) Verstärkungsnäbte sind
bei guter primärer Nahtanlegung unnötig, eine Tamponade ist
gänzlich überflüssig, ja sogar schädlich. Tamponiert man, so
können die Fäden sich infizieren und erst recht insuffizient werden.
Die ganze Bauchdeckenwunde wird nach Reinigung des Ope-
rationsterrains völlig durch Durchstichknopfnähte geschlossen.
Riedel legt nur eine bleistiftstarke Kommunikation
zwischen Gallenblase und Darm an. Das ist zu eng und kann
zu Obliterationen Veranlassung geben.
— 269 —
Eine Ablösung der Gallenblase bis zum Cysticus, wie sie
"Riedel übt, ist wegen nachträglicher Blutung aus dem Leber-
bett zu vermeiden. Anastomosen zwischen Gallenblase und Darm
nehmen wir vor besonders bei ikterischen Leuten, die zu
Blutungen neigen. Wozu also diese Ablösung, die die Gefahr
der Operation wesentlich erhöht?
mg- 67.
a) Schema für hintere Naht bei Cysto-DuodenoBtomio (Schleimhaut wird nicht
genaht!), b) Schema für vordere Naht bei Cysto-Duodenostomie.
Die Bildung des Napfes, in den nach Riedel die Galle
fliessen soll, ist überflüssig. Bei meiner Methode wird ein Ein-
fliessen von Galle viel sicherer vermieden ; zudem ist das auch
wenig gefährlich, weil die Galle in den in Betracht kommenden
Fällen (Carcinom, Pankreatitis chron.) meistenteils steril ist.
Riedel hat die Vorteile der Cysto-Gastrostomie selbst
noch nicht erprobt; er „würde niemals eine Anastomose zwischen
Gallenblase und Darm anlegen, weil dieselbe eine via contra
naturam darstellt." Ich glaube, er würde bei eigener Erfahrung
seine Ansicht bald ändern.
Die Technik der Anastomose mit Duodenum, Jejunum,
Ileum, Colon ist dieselbe. Nur muss man darauf Rücksicht
nehmen, dass kein Darminhalt während der Operation abfliesst ;
man klemmt also die Darmlumina zu oder umsticht sie mit
dicken Seidenfäden. Die Incision im Darm wird man gerade
dem Ansatz des Mesenterium gegenüber anlegen.
— 270 —
Die Anastomose stellt man heutzutage immer in einer
Sitzung her. v. Wini warter, der die erste Cholecysten-
terostomie ausführte, kam erst nach 6 Sitzungen zum Ziel. Die
erste einzeitige Cholecystenterostomie hat Kapp el er*) gemacht,
die erste Cysto-Gastrostomie stammt von Gersuny und wurde
von Wickhoff und An gelb er g er**) mitgeteilt. Die
Technik der sekundären Cystenterostomie wird bei der Be-
handlung der Gallenfistel erörtert werden.
In drei Zeiten operierte Tillaux***): er heftete in der
ersten Sitzung eine Dünndarmschlinge an die Gallenblase und
cystostomierte ; 9 Tage später eröflnete er den Darm dicht an
der Gallenblase und applizierte eine Klemmpinzette so, dass
ein Arm in die Gallenblase, der andere im Darm lag, um das
Zwischenstück zur Nekrose zu bringen und Kommunikation
beider Organe zu erhalten. Endlich am 18. Tage post op. I
schien das Resultat gesichert, und der plastische Verschluss der
Gallenblasenfistel wurde gewagt. Leider erlag der Patient drei
Wochen später einer Pneumonie. Nur unter ganz besonderen
Umständen wird man zwei- und mehrzeitig operieren: in meiner
Klinik habe ich immer nur eine Sitzung nötig gehabt.
Die übrigen Anastomosen zwischen Gallensystem und In-
testinis unterscheiden sich in der Technik so wenig von der
typischen Cysto-Gastrostomie, dass es unnötig ist, jede einzelne
Anastomose besonders zu besprechen.
Am schwierigsten ist wohl die Cystico-Gastrostoniie resp.
Enterostomie (Nr. 160), da der Cysticus gewöhnlich sehr eng
ist und dadurch die Nahtanlegung erschwert wird. Man wird
deshalb zusehen, dass man die bequemere Choledocho - Diio-
deiiostomie (Nr. 161 — 164) vornehmen kann. Bei dieser Ope-
ration eröffnet man den Gholedochus dicht am Duodenum durch
eine Längsincision; ist der Gang sehr erweitert, könnte auch
eine Querincision (Nr. 161) in Betracht kommen. Am Duodenum
sucht man sich eine gefässfreie Stelle auf und bringt nun beide
Organe ohne allzu grosse Spannung in Verbindung. Die Naht
bedeckt man zweckmässig mit einem Zipfel des kleinen Netzes
(Nr. 161, Nr. 163) oder mit der Peritonealduplikatur der vor-
deren Bauchwand.
*) Korrespondenzblait für Schweizer Arzte. 1887. Nr. 17.
*•) Wiener klin. Wochenschrift 1883. Nr. 18 u. 19.
***) Bulletin et m6moire de la ßociet6 de chir. T. 16. p. 290.
271 —
Fig. 68.
Die Hepatico-Enterostomie bedingt gewöhnlich eine hoch-
gradige Zerrung am Duodenum, das man vielleicht nach den
Vorschriften von Kocher mobil machen kann, um eine be-
quemere und sicherere Nahtvereinigung zu erzielen. Wir hatten
bereits Gelegenheit, bei der Resektion des Ductus choledochus
mit nachfolgender Hepatico-Duodenostomie näher auf diese
Anastomosenart einzugehen (Nr. 152).
Der Chirurg hat bei all' diesen Operationen grosse Gelegen-
heit, sein Operationsgeschick zu verwerten; so könnte man bei
Striktur des Choledochus im
supraduodenalen Teil und
gleichzeitiger Cysticusobli-
teration erst eine Cystico-
Hepaticostomie vornehmen
und dann eine Cysto-Gastro-
stomie oder -Knterostomie
machen, um auf diese Weise
die beiden Hindernisse zu
umgehen.
Fig. 68 möge den Vor-
schlag erläutern.
Dass man auch gerade
in solchen komplizierten Fäl-
len auf den Gebrauch des
Murphyknopfes, Senn 'scher
Platten, Kautschukröhren
nach Duboury (Bordeaux)
etc. verzichtet, sondern ledig-
lich die Nahtraethode an-
wendet, bedarf keiner be-
sonderen Begründung.
Im allgemeinen sind, wie ich in einem späteren Kapitel
noch auseinandersetzen .werde, die augenblicklichen Erfolge der
Anastomosen-Operation sehr günstig; auch Schott berichtet
aus der Heidelberger Klinik über gute Resultate.
Radsiewsky*), der aus der Literatur 56 Fälle von
künstlichen Gallenblasen - Darmfisteln zusammengestellt hat,
kommt auf Grund hiervon zusammen mit den Ergebnissen von
Tierversuchen zu folgenden Resultaten:
*) Mitteilungen aus den Grenzgebieten Band IX, p. 56.
Schema einer Hepatico-Cysticostomie mit
nachfolgender Cystu-Duodenostomie.
a) Tncision des Ductus hepaticus.
b) „ „ „ cysticus.
Beide vereinigt ergeben eine Hepatico-
Cj'Sticostoraie.
c) Incisiun in der (jallenblase mit
d) Incision im Duodenum ergeben eine
Cysto-Duodon ostoraie
e) Obliterierter Ductus cysticus.
f) Verengter Ductus choledochus.
272
1. Die Todesfälle nach Anlegen von Gallendarmfisteln waren
nach den bisherigen klinischen Beobachtungen hauptsäch-
lich durch Hämorrhagien oder durch Kachexie infolge des
Grundleidens (Carcinom) bedingt.
2. Die Anlegung von Gallen-Darmfisteln zieht nach sich
a) Dilatation der Gallengänge;
b) Hypertrophie der Gallengangswände, welche besonders
deutlich in einer Verdickung der Schleimhaut infolge
einer kolossalen Drüsenneubildung ihren Ausdruck findet;
c) Neubildung von lymphatischen Follikeln in der hyper-
trophischen Gallenblasenschleimhaut;
d) das Eindringen von Mikroben die Gallen wege entlang
weit bis ins Leberparenchym hinein;
e) schwach ausgeprägten desquamativen Katarrh der Leber-
gallengänge.
3. Das Epithel der mit dem Darm vernähten Gallenblase
bewahrt vollkommen seine Eigenschaften und "bleibt scharf
abgegrenzt gegen das Darmepithel.
4. Die Anlegung einer Gallen-Darmfistel an und für sich be-
deutet keine Gefahr im Sinne einer Infektionsmöglichkeit
der Wandungen der Gallenwege oder der Leber u. s. w.;
damit letztere eintritt, sind Nebenfaktoren nötig, unter
ihnen gebührt der erste Platz einer Retention des Inhalts
der Gallenwege.
In früheren Publikationen habe ich in Übereinstimmung-
mit Dujardin-Beaumetz, Michaux u. A. der Aiiastomosen-
bildung eine ganz besondere Gefahr zugesprochen: die Mög-
lichkeit, dass durch die angelegte Kommunikation pathogene
Keime in die Gallengänge hochwandern und eine infektiöse
Cholangitis hervorrufen können.
Wie oft sehen wir bei den Gallenblasendarmfisteln, die die
Natur angelegt hat, dass zwar die Steine abgegangen sind,
im Gallensystem aber eine Entzündung sich ausbreitete, die
schliesslich die ganze Leber infizierte. Derartige P'älle habe
ich genug beobachtet.
Radsiewsky hat jüngst in der oben erwähnten Arbeit
den Beweis erbracht, dass zwar diese Gefahr sehr gering ist,
doch wird sie immerhin bei der Ausführung der Cystentero-
stomie von einigen Chirurgen berücksichtigt. So hat Feder
— 273 —
Krause *), um die Infektionsgefahr bei der Cystenterostomie
zu verringern, die in die Gallenblase implantierte Darm-
schlinge durch eine 18 cm. darunter angelegte Enteroanasto-
mose ausgeschaltet, so dass der Darrainhalt nicht direkt in
die Gallenblase gelangen konnte. Auch Krukenberg**) hat
bei einer solchen Operation durch ein besonderes Verfahren die
Möglichkeit der sekundären Infektion zu verhindern sich be-
strebt. Ich habe über diese Methoden keine Erfahrungen, doch
möchte ich die Drehung der Gallenblase um ihre Längsachse,
wie sie Krukenberg ausgeführt hat, für den ungehinderten
Abfluss der Galle nicht gerade günstig halten.
In den letzten Jahren habe ich bis auf einen Fall, den ich-
gleich erwähnen werde, bei meinen zahlreichen Anastomosen keine
sekundäre Cholangitis mehr beobachtet, und ich möchte heute
die Infektionsgefahr nur noch gering anschlagen : wenn der Gallen-
strom kräftig fliesst, und — das ist die Hauptsaclie — wenn
der Choledochus frei von Fremdkörpern ist, d. h. wenn man die
Anastomose nicht bei Steinverschluss, sondern nur bei Tumor-
obstruktion vornimmt, dann wird auch ohne Vorsichtsmassregeln
kaum eine hochsteigende Infektion zustande kommen.
Der Fall, bei dem ich erst kürzlich wieder den Eintritt einer
Infektion der Leber nach einer Cysto-Gastrostomie beobachten
konnte, war folgender: Ich hatte bei einem ca. 60j. Herrn,
welcher mit schwerem Ikterus in meine Klinik kam , wegen
eines Tumors am Pankreaskopf im August 1903 eine C3''sto-
Gastrostomie gemacht. Es Hess sich wie gewöhnlich nicht
feststellen, ob Scirrhus oder nur Pankreatitis chronica vorlag.
Pat. erholte sich sehr und nahm ca. 40 Pfund an Körper-
gewicht zu. Im März 1904 erkrankte er an Influenza, und von
da an verschlimmerte sich sein Zustand. Er bekam Fieber,
viel Schmerzen im Rücken, es trat Appetitlosigkeit ein und
schliesslich ging Pat. zu Grunde. Man fand bei der Sektion
einen kleinen Scirrhus am Pankreaskopf, den linken Leber-
lappen sehr matsch und eitrig infiltriert, und es ist mir doch
das Wahrscheinlichste, dass auf dem Wege der Fistel eine In-
fektion der Leber erfolgte. Natürlich kommen auch andere
Wege in Betracht. — Diese Gefahr der Operation kann uns
aber .nicht abhalten, den in andern Fällen Heilung bringenden
♦) Maragliano. Centralbl. für Chir. 1903, Nr. 35.
**) Centralbl. für Chir. 1904, Nr. 5.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. I. 18
— 274 —
Eingriff iininer auszuführen, sobald wir überzeugt sind, dass der
Ikterus durch einen Tumor am Pankreaskopf bedingt ist und dass
keine Aussichten auf eine spontane Rückbildung vorhanden sind.
Ich habe durch Mitteilung eines Falls auf dem Chirurgen-
Kongress 1904 den Beweis erbracht, dass man selbst Pankreas-
cysten, deren Exstirpation unmöglich ist, und deren Verödung
durch einfache Incision aussichtslos erscheint, durch eine Ana-
stomose mit der Gallenblase in Verbindung bringen kann, damit
das Pankreassekret der Verdauung wieder dienstbar gemacht
wird. Der Fall ist unter Nr. 177 im zweiten Teil näiier
beschrieben, so dass ich mich hier mit der Bemerkung begnügen
kann, dass die Einpflanzung des Fistelgangs in das Duodenum
gewiss den Vorzug verdient hätte. Aber wegen der vielen Ver-
wachsungen war es ganz unmöglich, den Darm frei zu legen,
so dass mir, wenn ich die lästige Fistel überhaupt beseitigen
wollte, nur die Gallenblase zur Anastomosenbildung übrig blieb.
Ich habe bei Gelegenheit der Mitteilung dieses Falls daraufhin-
gewiesen, dass mit Recht gegen das Spezialisieren in der Chirurgie
begründete Einwendungen erhoben werden können. Wer aber
auf einem Gebiete etwas Ordentliches leisten will, muss sich
ganz intensiv mit diesem beschäftigen, und ich gab damals
meiner Überzeugung Ausdruck, dass, wenn ich nicht von vorne-
herein mich ganz speziell mit der Gallensteinchirurgie beschäftigt
hätte, ich niemals Gelegenheit gefunden haben würde, eine Arteria
hepatica zu unterbinden oder einen Choledochus zu resezieren.
Vor Einseitigkeit kann man sich schon wahren, auch wenn man
ein Gebiet in der Chirurgie ganz besonders bearbeitet.
6. Die plastischen Operationen an den Gallenwegen.
Plastische Operationen an den Gallenwegen kamen erst
in ganz vereinzelten Fällen zur Ausführung. Zerreissungen, Per-
forationen oder sonstige Defekte der Gallenblase durch Plastik
zu schliessen, ist im allgemeinen zu widerraten, da die Excision
der Gallenblase derartige Bemühungen unnötig macht.
Enderlen und Justi *) haben an Hunden experimentell
festgestellt, dass transplantiertes Netz bei Defekten der Gallen-
blase sehr gut aufheilt.
*) Über die Heilung von Wunden der Gallenblase und die Deckung
von Defekten der Gallenblase durch transplantiertes Netz. Deutsche
Zeitschr. für Cbir. Bd. 61, p. 235.
— 275 —
Baldassari und G a r d i n i **) haben bei Hunden kleinere
und grössere Stücke der Gallenblasen wandung- reseziert und
das Loch mit einem Bauchfellmuskellappen, welchen sie aus der
Nachbarschaft der Laparotomiewunde exzidiert hatten, plastisch
gedeckt. Die Muskulatur kam dabei nach dem Blaseninneren
zu liegen. Die Lappen heilten stets gut ein und lieferten auch
bei Deckung grösserer Lücken und bei längerer Beobachtungs-
dauer eine gut geformte, nach dem Fundus hin etwas sackartig
ausgebuchtete Blase. Die Muskelfasern der plastischen Lappen
gingen dabei, wie die mikroskopische Untersuchung zeigte, langsam
zu Grunde und wurden durch junges Bindegewebe ersetzt, so-
dass schliesslich nur ein Narbenstreifen übrig blieb.
Ich habe in zahlreichen Fällen von Cysto-Gastrostomie, bei
anderen Anastomosen zwischen Gallenwegen und Darm,, bei der
Clioledocho-Duodenostomie das immer hilf bereite Netz zur Deckung
und Sicherung der Naht benutzt, besonders dann, wenn gleich-
zeitig eine Hepaticusdrainage oder die Drainage eines Pankreas-
al)szesses eine ausgiebige Tamponade erforderten. Jede Tam-
ponade wird mit der Zeit mehr oder weniger infiziert; hat man
eine Darmnaht (z. B. nach .Choledocho-Duodenostomie) in die
Tamponade hineingezogen, so wird in vielen Fällen die Naht
insuffizient. Durch Netzplastik kann man dem vorbeugen. Ich
benutze entweder grosses oder kleines Netz, je nach der Lage
der Anastomose, und sorge immer dafür, dass keine Zerrung
zustande kommt. Auch das am Lig. teres wie ein Hahnenkanmi
herabhängende subseröse Fett ist oft gut verwendbar. (Nr. 157.)
Ausser diesen kleinen Netzplastiken habe ich wohl zum
ersten Male am Menschen eine grössere plastische Operation an
den Gallenwegen vorgenommen und über diesen „Versuch" auf
dem 33. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie (1002)
Folgendes berichtet:
„Plastische Operationen zur Deckung von Defekten der
Choledochuswand sind bisher noch nicht ausgeführt worden ;
wenigstens erwähnen weder Courvoisier, Langenbuch
noch Pantaloni etwas von derartigen Eingriffen.
In der Tat wird die Indikation zu einer solchen Operation
auch nur höchst selten einmal vorliegen. Bei meinen sämtlichen
Gallensteinoperationen habe ich erst 4 mal grössere Defekte der
Choledochuswand anjretroffen.
") Riforma med. 1903, Nr. 31.
18^
— 276 —
In dem ersten Fall hatte ein anderer Chirurg eine Ectomie
ausgeführt und, wie er mir später selbst erzählte, bei der Li-
gatur des Ductus cysticus ein Stück des Choledochus mit hinein-
genommen. Dieser Teil der Choledochus wand wurde nekrotisch,
und es entstand eine breite, komplete Gallenfistel, die ich durch
eine Choledocho-Duodenostoraie zu beseitigen versuchte. Die
Patientin ging indes nach der langdauernden, technisch schwie-
rigen Operation schon am nächsten Tag im Collaps zu Grunde.
In einem zweiten Fall habe ich selbst auf eine ganz ähnliche
Art einen Defekt im Choledochus gesetzt, zu dessen Beseitigung
ich eine plastische Operation ausgeführt habe. Zwar ist die
Patientin, bei der ich ein Carcinom der Gallenblase entfernt habe,
am 7. Tage post op. einer Pneumonie erlegen, doch zeigte die
Sektion, dass die Idee einer Choledochoplastik durch gestielte
Serosa-Muscularislappen aus Magen resp. Gallenblase nicht nur
durchführbar ist, sondern, wie das gewonnene Präparat zeigt,
auch dauernden Erfolg verspricht.
In einem dritten Fall von kompleter Choledochusfistel habe
ich in der Tat mit einer solchen Lappenplastik einen sehr guten
Erfolg erzielt. Seit der Operation sind bereits vier Monate
verflossen, und es sind keine Anzeichen einer Striktur (Ikterus,
Schmerzen) vorhanden.
In einem vierten Falle endlich habe ich die durch einen Chole-
dochusdefekt bedingte, komplete Gallenfistel dadurch beseitigt,
dass ich nach dem Vorgang von Braun ein Netzstück auf das
Loch im Choledochus aufnähte. Auch hier hatte ein kleiner
technischer Fehler bei einer 11 Wochen vorher ausgeführten
Ectomie den Choledochusdefekt hervorgerufen.
Ich hatte bei einer 37 jährigen Frau die stein- und eiter-
gefüllte Gallenblase entfernt und den Cysticus sehr dicht am
Choledochus ligiert. Der gemeinsame Gallengang war sehr eng,
kaum bleistiftstark, und das Loch, welches nach Abstossung der
Cysticusligatur im Choledochus entstand, war im Verhältnis zum
engen Lumen des Choledochus relativ gross. Es kam nun noch
dazu, dass durch Adhäsionsbildung zwischen Bauchwand und
Choledochus eine Abknickung des letzteren eintrat, welche den
Abfluss der Galle nach dem Darm hin erschwerte. Ich habe
in diesem Fall die Verwachsungen gelöst, den Choledochus
gewissermassen reponiert und möchte annehmen, dass, wie
wir das auch nach Cystostomie-Gallenfisteln beobachten, schon
— 277 —
durch diese Beseitig'ung' der Knickung- des Choledochus die
Gallenfistel verschwunden wäre. Aber um ganz sicher zu gehen,
verschloss ich den Oholedochusdefekt noch durch einen Netz-
zipfel, den ich mit wenigen Suturen befestigte. Es trat schnell
vollständige Heilung ein.
Was die Heilung der Choledochusincisionen anlangt, so hängt
diese wesentlich von dem Grade der Infektiosität der Hepaticus-
galle ab. Ist diese steril, so habe ich schon in wenigen Tagen
Verklebung der Choledochus - Wundränder beobachten können.
Bei infizierter Galle kann der Verschluss der zum Zweck der
Hepaticusdrainage angelegten Choledochusincision lange — 6 bis
8 Wochen — auf sich warten lassen, aber im allgemeinen kann
man doch sagen, dass W^unden des Choledochus, trotzdem
fortwährend Galle, die zudem häufig noch schwer infiziert ist,
vorbeifliesst, eine ungemein grosse Tendenz zur Heilung zeigen.
So habe ich bei meinen sämtlichen Hepaticusdrainagen in keinem
einzigen Fall eine Fistel zurückbleiben sehen. Es kommt eben
alles darauf an, dass das duodenale Ende des Choledochus resp.
das Pankreas und Duodenum selbst frei sind von Steinen, Ent-
zündung, Narben oder Tumor, und ist das der Fall, so heilen
selbst 3 — 4 cm. lange Choledochusincisionen anstandslos zu
(Nr. 172), auch dann noch, wenn im supraduodenalen erweiterten
Teil des Choledochus selbst walnussgrosse Konkremente über-
sehen worden sind. In mehreren Fällen habe ich Hepaticus
und Choledochus von der Leber bis zum Duodenum in einer
Ausdehnung von 5 — 6 cm. gespalten und doch vollständige Hei-
lung und zwar ohne Striktur beobachtet. (Nr. 131.)
Bei fast sämtlichen Choledochotomien , welche ich ausge-
führt habe, wurden natürlich Längsincisionen angelegt, wenige
(Querschnitte zeigten eine langsamere Heilung, doch kam auch
hier in allen Fällen schliesslich eine Vernarbung zustande. Aber
auch selbst da, wo der ganze Choledochus bis auf eine die
hintere Wand einnehmende, nur 1 oder 2 mm. ausmachende
Schleimhautbrücke quer durchtrennt ist, kommt es, wie ich in
2 Fällen feststellen konnte, nach 6 — 8 Wochen zu einer de-
finitiven Heilung.
Eine einfache Incision des Choledochus kann einmal zu
einem grösseren Defekt in der Choledochuswand führen,
nämlich dann, wenn die Wundränder nekrotisch werden, was
bei der fast nie fehlenden Infektion zuweilen eintritt. Ich
— 278 —
habe den Eindruck gewonnen, dass bei der anderweitig- noch
sehr beliebten Nahtanlegung diese Nekrose der Wundränder
hcäufiger vorkommt wie bei der Hepaticusdrainage, und aus
diesem und anderen viel wichtigeren Gründen, deren Erörterung
nicht hierher gehört, habe ich in den letzten Jahren die Chole-
dochusincision überhaupt nicht mehr genäht, sondern ausschliess-
lich die Hepaticusdrainage geübt und dabei die Mortalität der
Choledochotomie von 10 pCt. auf 3 pCt. herabgesetzt. Aber
auch dann, wenn nach der Choledochusincision ein grösseres
Loch im Choledochus entstand, trat immer noch Spontanheilung
ein, denn die Choledochi, an denen ich operierte, waren durch
die Entzündung und die Steine um das zwei- und dreifache
ausgedehnt, und es kam nicht darauf an, wenn sie ihr lAimen
etwas einschränken mussten.
Ganz, anders liegt die Sache, wenn ein enger, durch Steine
und Entzündung nicht erweiterter, bleistiftstarker Choledochus
ein Stück seiner Wandung hergeben muss, dann kommt es ent-
weder zu dauernder Fistel oder zu Strikturen.
Wie wir alle wissen, entstehen Defekte der Choledochus-
wand 1. durch perforative und ulcerative Prozesse, wobei Steine
und Geschwüre die Hauptrolle spielen, und 2. durch traumatische
Vorgänge. Doch sind beide Entstehungsursachen so selten,
dass gewiss nur wenige Chirurgen etwas derartiges erlebt und
gesehen haben werden. Die dritte und heute am meisten inter-
essierende Entstehungsursache von Defekten der Choledocbus-
wand schaffen, worauf ich bereits oben hinwies, wir Chi-
rurgen selber durch eine technisch nicht richtig ausgeführte
Ectomie.
Wenn man nämlich die Gallenblase von der Leber abgelöst
und gestielt hat und den die Arteria cystica und den Ductus
cysticus enthaltenden Stiel ligiert, so kann es vorkommen, dass
man ein Stück des Choledochus mitfasst, und dass dann nach
Abstossung der Ligatur ein Defekt in der Choledochuswand
entsteht, der wegen seiner bedeutenden Grösse eine Heilung
nicht zulässt, vielmehr zu einer dauernden Gallenfistel führt.
Man kann sich nun vor diesem fatalen Ereignis schützen, wenn
man die beiden Arterienäste der Cystica und den Ductus
cysticus für sich einzeln ligiert. Ob man zuerst den Ductus
und dann die Gefässe unterbindet, oder ob man in um-
gekehrter Reihenfolge verfährt, das ist ziemlich gleichgültig.
— 279 —
Weiterliin kann, wie aus dem oben mitgeteilten Fall hervorgeht,
eine komplete Choledochusgallenfistel entstehen, wenn man den
('ysticus gar zu dicht am Choledochus ligiert, und das um so
leichter, wenn der gemeinsame Gallengang sehr eng ist und
\'erwachsungen den Choledochus bauchdeckenwärts verzerren
und abknicken. Es dürfte also zu empfehlen sein, vom Cysticus
ca. '/2 cm. stehen zu lassen und seine gründliche Ausrottung
nicht zu weit zu treiben.
Der Fall, bei dem ich einen Defekt des Choledochus ver-
ursachte und später durch eine plastische Operation beseitigte,
war folgender:
Die 64 j. Patientin zeigte alle Symptome eines typischen Hydrops
der Gallenblase. Bei näherer Untersuchung fand man aber das über
der Gallenblase liegende Lebergewebe sehr hart, so dass der Verdacht
eines Carcinoms in mir auftauchte. In der Tat lag ein solches vor.
Da eine Radikaloperation durcliführbar erschien — es bestand weder
Ikterus noch Ascites — wurde die Excision der Gallenblase beschlossen.
Ihr Hals Hess sieb gut isolieren, ich legte hier eine am äussersten
Ende gebogene Klemmzange an, damit kein Gallenblaseninhalt in die
Bauchhöhle fliessen konnte und durchschnitt den Cysticus. Ich musste
aber wohl mit der Klemmzange ein Stück Choledochus mitgefasst
iiaben, denn als ich nach vollständiger Herauslösung der Gallenblase
das Operationsterrain näher betrachtete, stellte sich heraus, dass ich
auch vom Choledochus ein ovales Stück herausgeschnitten hatte,
welches ungefähr der halben Circumferenz des Ganges entsprach.
Wahrscheinlich war durch schrumpfende Vorgänge am Carcinom der
Choledochus gallenblasenwärts verzerrt.
Was sollte man in dieser misslichen Lage tun ? Liesa man die
Sache auf sich herben, so war eine dauernde Gallenfistel mit all'
ihren Schädlichkeiten, re.^p. eine Striktur unausbleiblich : eine Chole-
docho-Duodenostomie vorzunehmen, dazu verspürte ich gar keine Lust,
weil ich, wie schon oben bemerkt, mit dieser Operation in einem
andern Fall üble Erfahrungen gemacht hatte. Eine Resektion des
Choledochus, die ich in einem Fall von spontaner Striktur des Chole-
dochus mit Glück ausgeführt hatte, ist immerhin eine technisch
schwierige, bei erweitertem und verdicktem Choledochus mögliebe,
aber bei normalem engen Gang recht unsichere Operation. Das Loch
durch eine Längsnaht zu schliessen, war wegen der unausbleiblichen
Entstehung einer Striktur nicht angebracht, und den Defekt nach Art
der Pyloroplastik durch eine Quernabt zu vereinigen, wurde versucht
doch stellte sich heraus, dass die Spannung in der Naht zu gross war
und ein Durchschneiden der Fäden über kurz oder lang sicher zu
Stande.gekommen wäre. Ich kam also auf den Einfall einer Deckung
des Defektes auf plastischem Wege. Das einfachste wäre gewiss ge-
wesen, wenn ich nach dem Vorgang von Braun ein leicht erreich-
— ?80 —
bares Stück Netz auf das Choledochusloch aufgenäht hätte. Aber ich
fand in dem spärlich entwickelten Omentum nichts Passendes. Ich
schnitt mir also aus der Magenwand einen aus Serosa und Muscularis
bestehenden, ca. 2'/» cm. breiten und 10 cm. langen Lappen zurecht,
dessen Stiel in der Nähe des Pylorus an der kleinen Curvatur lag,
dessen Ende der grossen Curvatur des Magens zugekehrt war. Der
Lappen Hess sich, ohne das die Schleimhaut verletzt wurde, sehr leicht
abpräparieren; er wurde gedreht, auf den Defekt gelegt und allseitig
durch nicht zu dichte Knopfseidennähte befestigt. Der Defekt am
Magen wurde (sofort durch eine Reihe von Nähten vollständig ge-
schlossen. Eine lockere Tamponade mit steriler Gaze bildete den
Schluss meines Eingriffes.
Ich gehe auf die Einzelheiten der Operation nicht näher ein, denn
auch ohne, dass ich viel Worte mache, kann man sich an der Hand
Fig.
Fig. 70.
Oh. Choledochus. G. Gallenblase. D. Duodenum. L. Lappen. M. Magen.
der nebenstehenden schematischen Zeichnungen (Fig. 69 und 70) eine
gute Vorstellung von dem Verlauf der Operation machen.
Die Patientin bekam am dritten Tag post op. eine Pneumonie.
Von Seiten des Peritoneums trat keine Reaktion a^uf, Blähungen gingen
spontan ab, Erbrechen erfolgte nicht ein einziges Mal. Am siebenten
Tage trat der Exitus ein. Die Sektion zeigte die Peritonealhöhe frei
von Entzündung, und was die Hauptsache war, der transplan tierte
Lappen war allseitig fest verklebt, er war mit Galle und Blut etwas
imbibiert, zeigte aber keine Spur von nekrotischer Verfärbung; keine
einzige Naht hatte nachgegeben, und es war auch kein Tropfen Galle
nach aussen in den Verband getreten.
Zur Fixationsnaht des Lappens am Choledochusdefekt be-
nutzt man, um einer Inkrustation der Fäden vorzubeugen, ent-
weder Catgut, oder man lässt die Seidenfäden lang und wartet
ihre Abstossung ruhig ab. Ferner darf nach den Grundregeln
jeder plastischen Operation der Lappen nicht zu schmal sein.
._ 281 —
weil sonst leicht Nekrose eintreten kann, er darf auch nicht
zu kurz sein, damit keine Verzerrung des Lappens und des
Pylorus stattfindet. Die Sorge, dass die vorbeifliessende
Galle den Lappen ablieben würde, erwies sich von vorneherein
als unbegründet. Es genügt nämlich eine ganz lockere Tampo-
nade, um der Oholedochusgalle den normalen Weg nach dem
Darm zu weisen, wenn nur die schon oben aufgestellte Bedingung
erfüllt ist: die Papille muss frei von Entzündung und Steinen
sein. Hat man, w^ie ich das oft genug beobachtet habe, nach
der Hepaticusdrainage das Gummirohr entfernt, und stopft man
nun die äussere Fistel d. h. den Raum zwischen Bauch wand
und Choledochusincision mit Gaze einigermassen fest aus, so
fliesst, wenn die Papilla duodeni gut durchgängig ist, fast sämt-
liche Galle in den Darm. So genügte auch in diesem Fall der
dünne Serosa-Muskularislappen und eine sehr lockere Tamponade,
um der Galle den Weg nach aussen zu versperren. — Ich habe
in meinem Falle den Lappen mit seiner wunden Fläche auf
den Choledochusdefekt aufgelegt, man handelt aber vielleicht
zweckmässiger, wenn man die Serosafläche des Lappens nach
innen bringt, den Lappen also einfach umklappt.
Vermeiden kann man Defekte der Choledochuswand und
danach notwendige , auf Verschliessung derselben hinzielende
Operationen durch eine technisch richtig ausgeführte Ectomie;
aber da es doch immerhin einmal jedem Chirurgen passieren
kann, dass er bei Gelegenheit einer Gallenblasenexcision mit
dem Choledochus in Konflikt kommt und diesen beschädigt,
möchte ich meinen Vorschlag zur Ausbesserung des angerichteten
Schadens der Beachtung empfehlen.
Bei Zerreissungen des Choledochus durch äussere Gewalt
dürfte eine sofortige Anwendung des geschilderten Verfahrens
keinen Zweck haben; man wird sich vorerst genau wie bei
Gallensteinperforationen mit einer Tamponade begnügen und
erst dann, wenn der Gallenfluss nicht aufhört, durch eine aus-
giebige Laparotomie die Verhältnisse am Choledochus klar legen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass man dann in einem geeigneten
Fall das von mir angewandte Verfahren benutzen kann.
Bei Neubildungen des Choledochus hat man bisher nur in
wenigen Fällen operiert. Es wäre denkbar, dass einmal nach
einer Neoplasmaresektion mein Vorschlag zur Anwendung ge-
bracht werden könnte.
— 282 —
Zum Schliiss möchte ich noch bemerken, dass in den Fällen,
bei denen die gesunde Gallenblase zur Verfügung steht, man
durch Lappen, die der Gallenblase selbst entnommen werden,
eine Deckung von Oholedochuswanddefekteu bewerkstelligen
kann. Man wird in einem solchen Fall den Stiel des Lappens
an den Gallenblasenhals, das Ende an den Fundus verlegen und
dafür sorgen, dass der mediale Ast der Arteria cystica den
Lappen gehörig ernährt. Man kann dann auch die ganze Dicke
der Gallenblase zum Lappen verwenden und hat dabei den Vor-
teil, dass dieser auf der inneren Fläche mit Schleimhaut be-
deckt ist. Natürlich kann man das bei Lappen, die man aus
dem Magen oder Duodenum herausschneidet, auch erreichen;
aber der Eingriff wird dann wegen der erhöhten Infektions-
gefahr gefährlicher, und ich habe in meinen Fällen eine solche
Operation vorzunehmen für ein zu grosses Wagnis gehalten.
Die von mir beschriebene Choledochoplastik stellt weiter
nichts dar, als eine Plastik gewöhnlichster Art, wie wir alle
sie oft genug an der Haut vorzunehmen gewohnt sind, und es
ist auch gar nichts Neues, wenn ich auf die Möglichkeit der
Anheilung solcher gestielter Serosa- Muskularislappen hinweise.
Die ungemein grosse Heilungstendenz der serösen Flächen des
Peritoneums ist schon lange bekannt, aber ich wollte doch durch
die kurze Mitteilung meiner Fälle zeigen, dass sich die einfachsten
Prinzipien der Plastik auch auf den Choledochus übertragen
lassen, und dass dieser Gang, dessen Chirurgie erst seit einem
Dezennium in Angriff genommen worden ist, sich nicht nur
Tomien und Stomien, Resektionen und Enterostomien, die
Einfülirung von Gummiröhren und Laminariastiften gefallen
lassen muss, sondern dass es auch gelingt, Löcher und Defekte,
die für die Naht sich nicht eignen, durch eine plastische Ope-
ration zu schliessen."
Bisher scheint niemand Gelegenheit gefunden zu haben, die
von mir vor 2 Jahren gemachten Vorschläge zu verwerten, und
ich hoife selbst, dass wenigstens nach Ectomien keine Defekte
des Choledochus und Hepaticus mehr zur Beobachtung gelangen,
wenn man die Vorschriften befolgt, die ich bei der Beschreibung
der Technik der Ectomie genauer angegeben habe.
— -^öli —
7. Die Unterbindung der Arteria hepatica propria
wegen Aneurysma.
Die Unterbindung der Art. hepatica ist bisher erst einmal
am Menschen — und zwar von mir — ausgeführt worden, in
einem Fall, den ich in der Münch. med. Wochenschrift 1903,
Nr. 43 bereits ausführlich veröffentlicht habe. Ich berichtete
damals Folgendes :
„Das Aneurysma der Arteria hepatica ist bisher sehr selten
beobachtet worden. Die letzte Arbeit über diese Krankheit
ist im Jahre 1897 erschienen und stammt aus der Feder
A. Hanssons, welcher 22 derartige Fälle in der Literatur
gesammelt hat. Nur in drei Fällen war das Aneurysma Gegen-
stand chirurgischer Behandlung^ aber in keinem wairde der Tod
durch die Operation aufgehalten, weil die Operateure nicht
die richtige chirurgische Behandlung angewandt hatten resp.
anwenden konnten. Eine Unterbindung der Art. hepatica, die
allein imstande wäre, den Kranken vor dem Verblutungstod zu
bewahren, ist bisher am Menschen noch nicht ausgeführt worden.
Ich habe jüngst ein Aneurysma der Art. hepatica operativ mittels
Unterbindung des Gefässes behandelt und freue mich, dass
gleich dieser erste Fall von gutem Erfolg begleitet gewesen ist.
In diagnostischer und therapeutischer Beziehung bietet
derselbe nicht nur für den Fachchirurgen, sondern auch für
den praktischen Arzt soviel Interessantes, dass ich eine aus-
führliche Mitteilung für zweckmässig halte.
Die Krankengeschichte ist folgende :
0. Seh., 29 jähr. Militärinvalide aus Gaiiitz.
Aufgen.: 10. 8. 1903.
Operiert: 12. 8. 1903. Ectomie. Unterbindung der
Art. hep. wegen Aneurysma. Cysticotomie. Chole-
dochotomie. Hepatopexie.
Entlassen: 18. 11. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist bis zum Jahr lUOl völlig gesund gewesen.
In der Familie des Pat. väterlinherseits sind Gallensteinkrankheiten
vorgekommen.
Mitte März 1901 bekam Pat. eine linksseitige Brustfellentzündung
und lag 10 Wochen krank. Eine Punktion der Brusthöhle ergab bei
dem P^. kein Exsudat.
Pat. erholte sich dann völlig wieder.
~ 284 —
Dann aber begannen November 1901 vereinzelte Anfälle von
Magenkrämpfen sich einzustellen, die '/« Stunde und länger andauerten.
Dabei ab und zu Erbrechen. Nach jedem Anfall Gelbsucht, die stets
etwa 3—4 Tage anhielt. Angeblieh damals kein Fieber, keine
Schüttelfröste. Die Anfälle traten anfangs zweimal im Monat, später
öfter auf. Pat. meldete sich schliesslich Mitte März 1902 krank, und
es wurde damals Leberschwellung und Gelbsucht festgestellt. Pat.
wurde mit heissen Umschlägen und Karlsbader Salz behandelt.
Nachdem zuerst eine Besserung eingetreten, bekam Pat. Ende
März desselben Jahres sehr heftiges Bluterbrechen, 14 Tage lang fast
täglich. Dabei starke Schmerzen in der Magengegend. Magen-
geschwüre wurden angenommen. Diese Magenblutungon traten dann
auch weiterhin zunächst noch häufiger, dann vereinzelt bis Weih-
nachten 1902 auf, im Jahre 1903 dann nochmals zu Pfingsten und zu-
letzt im Juli, während einer Kur in Karlsbad.
Die Koliken mit Gelbsucht traten bis Rnde vorigen Jahres, vom
Sommer an, nur vereinzelt auf, im letzten Jahre (1903) etwa monatlich
zweimal und öfter. Die letzte trat in sehr schwerer Form (Pat. lag
4 Tage zu Bett) im Juli in Karlsbad auf, nachdem Pat. dort auch kurz
vorher wieder eine Magenblutung gehabt hatte. Die Koliken sind
immer ziemlich gleich : heftige Krämpfe und Schmerzen in der Leber-
gegend, ab und zu Erbrechen. Nach den Anfällen einige Tage Gelb-
sucht. Seit März 1902 während der Anfälle angeblich auch Fieber,
keine Schüttelfröste. Gallensteine konnten durch Röntgenaufnahmen
nicht nachgewiesen werden, im Stuhle wurden keine gefunden.
Pat. fühlt sich in den Zwischenzeiten zwischen den Koliken ziemlich
wohl, so auch jetzt, hat nur etwas Druckgefühl in der Lebergegend.
Appetit gut. Stuhl regelmässig. Auch sein früheres Körpergewicht
(vor März 1902) hat Pat. angeblich fast wieder erreicht.
Befun d: Sehr anämischer, elender Mann. Gallenblase als manns-
faustgrosser, absolut unempfindlicher Tumor zu tasten. Leber nicht
vergrössert. Kein Ikterus. Urin frei. Herz, Lungen gesund. Auf
die Untersuchung der motorischen Magenfunktionen wird wegen der
Magenblutungen verzichtet.
Diagnose: 1. Hydrops der Gallenblase, dabei Ulcus duodeni.
2. Ulcus duodeni an der Papille (daher grosse, mit Galle gefüllte Gallen-
blase). Ikterus müsste dann hochgradiger sein. 3. Aneurysma der
Art. hepatica. 4. Echinococcus der Gallenblase (dabei Ulcus duodeni?).
Operation 12.8.03. Wellenschnitt. Einijfe Adhäsionen zwischen
Gallenblase, Leber und Peritoneum parietale werden gelöst. Gallen-
blase selbst sehr gross, ist allseitig mit Netz verwachsen, sehr
prall gefüllt. Punktion und Aspiration von 360 com. kakaoähnlicher
Flüssigkeit (Blut). Keine Steine nachweisbar. Am Hals der Gallenblase
ist ein harter, pulsierender Tumor von der Grösse eines Hühnereies zu
fühlen. Diagnose: Aneurysma sehr wahrscheinlich. Spaltung des
Cysticus, die Drüse ist hier etwas erweicht. Es fliesst noch etwas
kakaoähnliche Flüssigkeit in die Tampons. Im Cysticus liegen Fibrin-
gerinnsel. Nach Entfernung dieser kolossale Blutung. Finger darauf
Fig. 72.
Schemata für Operation des Aneurysma der art. hepatica.
— 286 ,~
und feste Tamponade. Aneurysma der Art. cystica, wahrscheinlicher
des rechten Leberarterienastes. Ectomie der Gallenblase, diese innig
mit der Leber verwachsen, so dass man oft in das Lebergewebe
kommt. Starker Gallenfiuss, starke Blutung. Tamponade. Freilegung
des Lig. hepato-duodenale. Ductus choledochus, Vena portarum, Art-
hepatica werden für sich freipräpariert (einige Venenunterbindungen).
Dabei liegt der linke Zeigefinger im Forameu Winslowii und hat
das Ligament so hoch gehoben, dass seine Spitze oberhalb desselben
zum Vorschein kommt. Die Art. hepatica wurde doppelt unterbunden
und zwischen beiden Ligaturen durchtrennt. Bleistiftstarkes Gefäss.
Eine in die nun nicht mehr blutende, gänseoigrosse Aneurysmahöhle
eingeführte Sonde stellt fest, dass die Ligatur den Eingang zum
Aneurysmasack richtig verschliesst. Der Sack wird breit gespalten,
die Fibringerinnsel werden entfernt. Dabei massige Blutung. Feste
Tamponade, besonders des stark blutenden Leberbetts. Hepatopexie
mit 2 Fäden. Der Cysticus wird bis in den Choledochus hinein ge-
spalten; Gang massig weit, frei. Keine Hepaticusdrainage, keine Mäht,
sondern Tamponade. Magen gesund. Bauchwandnaht. Die Gallen-
blase ist sehr gross, wandverdickt. Die Untersuchung im pathologischen
Institut in Marburg ergibt folgenden Befund :
„Die stark dilatierte Gallenblase hat eine sehr derbe, bis 8 mm
dicke Wandung, deren Innenfläche ein buntes Aussehen darbietet, in-
dem unregelmässige weisslich- graue Bezirke abwechseln mit braun-
roten Partien. Im allgemeinen erscheint die Oberfläche narbig ge-
glättet und frei von Schleimhaut.
Mikroskopisch ist in der Wand von Muscularis und Mucosa nichts
mehr zu finden, vielmehr zeigt die dicke Wandung stellenweise einen
keloidartigen Bau, an anderen Stellen den Charakter eines in narbige
Schrumpfung übergehenden chronisch - entzündlichen Granulations-
gewebes mit reichlicher Einlagerung von grobkörnigem Blutpigment,
an wieder anderen Stellen frischeres entzündliches Gewebe von
Blutungen durchsetzt.
Das beigefügte Gerinnsel aus dem Aneurysma besteht zumeist
aus Fibrin und Blut, und lagert sich um einen kleineren, in Organi-
sation begriffenen Kern derartigen Gewebes reichliches frisches Fibrin
und Blut in thrombotischer Schichtung."
Dauer der Operation V\i Stunde, sehr gute Sauerstoff-Chloroform-
Narkose (50 gr. Chloroform).
Verlauf: Puls nach der Operation 100, kräftig. Pat. ist im-
ruhig, hat viel Schmerzen, erhält Morphium 0,01.
Vom 12. bis 17. 8. Temperatur zwischen 37,5 und 38,6 » C.
Puls 100— 110- Kein Blut im Verband. Kein Erbrechen. Blähungen
spontan nacli 48 Stunden; am 17. 8. Stuhlgang von allein. Der Ver-
band wird täglich erneuert, weil er von Galle durchtränkt ist. Die
Tampons bleiben liegen. Aussehen sehr gut, Leib weich, nicht
schmerzhaft.
Am 18. und 19. 8. dieselbe Temperatur ; 38,2-38,8 « C Puls 100
bis 110. Verband mit Galle durchtränkt. Am 19. 8. werden einige
— 287 —
Tampons entfernt. Wunde sieht gut aus, Leber ist aber völlig blut-
leer, von speckigem Aussehen, eine 1 cm. tiefe Incision in den durcli
Hepatopexie fixierten rechten Leberlappen lässt nicht einen Tropfen
Blut hervortreten — trockene Nekrose. Wie weit dieselbe um sich
gegriffen hat, lässt sich natürlich nicht entscheiden. Die tiefen
Tampons bleiben liegen. Leib weich. Spontan Stuhlgang.
20. 8. Dieselben Temperaturen. Etwas Ikterus. Allgemein-
befinden gut.
22. 8. Entfernung sämtlicher Tampons. Der rechte Leberrand
nekrotisch, sonst Wunde in ausgezeichneter Ordnung. Gallenfluss ge-
ringer geworden. Puls 96. Abends 87,6 " C. Appetit massig. Ikterus
hat nicht zugenommen. Pat. macht im allgemeinen einen sehr guten
Eindruck. Neue lockere Tamponade. Die Fäden bleiben lang, Art.
hep. pulsiert kräftig.
23. 8. Wenig Galle im Verband. Man sieht jetzt deutlich , dass
von der Leber sich nur der Rand abstösst und die Nekrose ca. 2 cm.
weit geht. In der Tiefe alles in Ordnung. Zwischen gesunder und nekro-
tischer Leber kommt ganz klare Galle zum Vorschein (aus der Demarka-
tionslinie). Temperatur 37.6-37,9» C. Puls 80— 90. Stuhlgang etwas
gefärbt. Neue lockere Tamponado. Ikterus geringer. Pat. sieht frischer
aus. Verbandwechsel in Gegenwart des Herrn Dr. Offenbach-
New-York.
24. bis 30. 8. Keine Temperaturerhöhung mehr. Puls 80—90.
Guter Appetit. Alle 2 Tage Verbandwechsel. Geringer Gallenfluss.
Wunde wird immer kleiner, die Fäden haben sich abgestossen. Die
Nekrose der Leber ist scharf markiert, die Lösung ist nahezu voll-
ständig.
31. 8. In Gegenwart des Herrn Dr. S tone- Washington Verband-
wechsel. Die beiden Ligaturen der Hepatica stossen sieh ab, der
nekrotische Teil des unteren Randes des rechten Leberrandes wird
mit der Schere entfernt. Sonst alles in Ordnung. Kein Gallenfluss
mehr. Lockere TaiAponade. Mit Heftpflaster werden die Wundränder
einander genähert.
Von da an hält die Besserung an, die Wunde wird immer kleiner.
Pat. steht am
2. 9. zum erstenmale auf. Die Anämie ist bedeutend zurück-
gegangen, Appetit vorzüglich.
28. 9. Wunde ist fast ganz geschlossen. Die Entlassung des Pat.
erfolgte am 18. 11. Wunde geschlossen, keine Hernie. Pat. hat sich
zu Hause noch sehr erholt, ca. 30 Pfund an Körpergewicht zugenom-
men und erfreut sich augenblicklich der besten Gesundheit. Zeichen
von Lebercirrhose sind nicht vorhanden.
Nach der Krankengeschichte bat Pat. seit November 19ÜI
— also seit Vji Jahren — das Aneurysma hepaticum bei sich
getragen. Die damaligen Magenkrämpfe sind auf Schwellungen
und Zerrungen, durch das Aneurysma bedingt, zurückzuführen.
Im März 1902 platzte das Aneurysma und ergoss seinen blutigen
— 288 —
Inhalt durch den Cysticus in die Gallenblase und durch den
Choledochus in den Magen resp. Darm. DiQ letzte Blutung
trat im Juli in Karlsbad auf, seitdem blieb der Cysticus
durch einen festen Blutpfropf verstopft, und die Gallenblase,
die sich nicht entleeren konnte, wirkte wie ein Tampon auf
das Aneurysma. Der Sack füllte sich mit Fibrinmassen, und der
gewaltige Druck , der von der Gallenblase aus auf die Innen-
wandungen des Aneurysmas ausgeübt wurde , mag dazu bei-
getragen haben, dass sich genügend Kollateralen ausbilden
konnten, welche den Erfolg der Operation ermöglichten. Patient
hat also viel Glück gehabt, und ich als Arzt hatte es mit so
günstigen Umständen zu tun, wie das beim Aneurysma der Art.
hepatica kaum wieder zur Beobachtung kommen wird. Ich bin
mir wohl bewusst, dass das „Glück in der Chirurgie" ein
mächtiger Faktor ist, ohne den alle Technik und Sorgfalt häufig
nichts ausrichtet.
Es sei mir gestattet, im Anschluss an die Krankengeschichte
einige Worte über die Aetiologie der Aneurysmen der Art.
hepatica, die Symptomatologie, die Diagnose, den Verlauf und
die Behandlung zu sagen. Ich will mich kurz fassen und ver-
weise den Leser auf die Ausführungen von Quincke in „Die
Krankheiten der Leber". Ueber die Operation des Aneurysma
der Art. hepatica sind dort nur einige Andeutungen gemacht,
die ich an der Hand meines Falles erweitern will.
Die für die Entwicklung des Aneurysma in Betracht kom-
menden Momente — wie Arteriosklerose, Lues, Cholelithiasis,
Trauma — liegen in meinem Fall nicht vor. H a n s s o n hebt
liervor, dass in relativ zahlreichen Fällen suppurative Prozesse
vorausgingen; ob die im März 1901 durchgemachte Pleuritis in
irgend einem ätiologischen Zusammenhang steht, möchte ich
dahingestellt sein lassen.
Was die Symptome anlangt, so sind diese natürlich sehr
verschieden, ob das Aneurysma rupturiert oder nicht, oder ob
es in die freie Bauchhöhle oder in die Gallenwege hindurch-
bricht. In die freie Bauchhöhle einbrechende Aneurysmen führen
den Tod so rasch herbei , dass eine Diagnose gewöhnlich erst
auf dem Sektionstisch zu stellen ist.
In meinem Fall war die Blutung durch den Cysticus in die
Gallenblase und in den Ciioledochus erfolgt, und es lag eine
— 289 —
Diagnose wegen der gleichzeitig eintretenden Kolik und des
Ikterus gewiss in dem Bereich der Möglichkeit.
Als ich den Kranken in meiner Sprechstunde zum ersten
Male sah, fiel mir natürlich sofort die beträchtliche Anämie auf,
welche auf Blutungen hinwies. In der Tat berichtete Patient
über Bluterbrechen, welches von Koliken und Ikterus begleitet
war. In erster Linie dachte ich an Cholelithiasis , umsomehr
als die Untersuchung einen grossen, leicht palpablen Tumor der
Gallenblase ergab. Mir fiel auf, dass diese so gar nicht druck-
empfindlich war, aber dieses kommt nicht nur beim Hydrops,
sondern auch beim Empyem der Gallenblase vor. In erster
Linie diagnostizierte ich Hydrops der Gallenblase, Stein-
verschluss des Cysticus und nebenhergehend duodenales Ulcus.
Auch an ein Aneurysma der Art. hepatica dachte ich, da mir
der Symptomenkomplex noch von meiner Bearbeitung des betr.
Kapitels im Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Berg-
mann, V. Mikulicz, V. Bruns her in lebhafter Erinnerung
war. Ich hatte bisher ein Aneurysma der Art. hepatica weder
auf dem Operations- noch auf dem Sektionstisch gesehen, so
dass ich immer wieder auf Hydrops mit duodenalem Ulcus
zurückkam. Weiterhin konnten vorliegen: Echinococcus der
Gallenblase und duodenales Ulcus an der Papilla duodeni mit
Ectasie der durch Galle gestauten Gallenblase. Im letzteren
Falle hätte intensiver Ikterus vorliegen müssen. Die Diagnose
Echinococcus basierte auch nur auf einer Vermutung.
Ich schnitt also den Bauch auf, in der Erwartung, einen
Hydrops zu finden, plante eine Cystostomie auszuführen und
wegen des vermuteten Ulcus duodeni eine Gastroenterostomie
hinzuzufügen.
Die Gallenblase sah in der Tat entzündet aus, sie war in
Verwachsungen ringsum eingebettet, aber die Aspirationsspritze
förderte blutigen Inhalt an den Tag. Jetzt dachte ich wieder
an ein Aneurysma, und als ich nach Lösung der Adhäsionen in
der Tiefe den prall gefüllten Tumor fühlte, wurde ich in meiner
Diagnose immer sicherer. Zur Gewissheit wurde sie erst, als
ich nach Incision des Ductus cysticus in den Aneurysmasack
eine Kornzange einführte und nun ein gewaltiger Blutstrom
das Operationsfeld überschwemmte. Jetzt Tampon in den
Aneurysmasack und digitale Kompression des Lig. hepato-duo-
denale -sowie der Art. hepatica — das war eins. Die Blutung
Kehr, Technik der GaUenateinoperationen. I. 19
— 290 —
stand sofort, und ich hatte Zeit, in Ruhe den Operationsplan
zu entwerfen, die Gallenblase zu excidieren und die Unter-
bindung der Art. hepatica propria vorzunehmen.
Nach dem, was ich bei diesem Falle in diagnostischer Hin-
sicht gelernt habe, hoffe ich bestimmt, in einem nächsten Fall
die richtige Diagnose zu stellen. Denn wenn wie hier bei den
Koliken Ikterus und Magen- resp. Darmblutungen sich ein-
stellen und zugleich die Gallenblase zum Tumor anschwillt,
kann es nicht schwer fallen, sich Klarheit zu verschaffen über
die pathologischen Vorgänge, die sich an der Unterfläche der
Leber abspielen. Wo dieses oder jenes Symptom fehlt, wird
allerdings erst die Probeincision Gewissheit verschaffen; aber
diese kann dann auch das schwer bedrohte Leben durch die
Unterbindung der Art. hepatica propria vor sicherem Unter-
gang bewahren. In jenen Fällen, die ohne Blutabgang nach
dem Darmkanal hin verlaufen, ist die richtige Diagnose unmög-
lich, da man bei Ikterus und Koliken immer nur an Chole-
lithiasis denken wird. Platzt das Aneurysma in die freie
Bauchhöhle, so ist ebenfalls eine Diagnose erst bei der event.
Operation möglich.
In keinem der bisher beobachteten Fälle von Aneurysma
der Art. hepatica hatte das Aneurysma an und für sich einen
greifbaren Tumor erzeugt: dazu liegt die Art. hepatica zu tief
und versteckt. Auch etwaige aneurysmatische Geräusche werden
kaum hörbar sein. Erst wenn der Bauch geöffnet ist und man
in der Tiefe den Hals der Gallenblase, in der Leberpforte einen
Tumor fühlt, wird man auf die Vermutung kommen, dass ein
Aneurysma vorliegen kann. Ich sprach, wie schon oben bemerkt,
sofort diese Vermutung aus, als ich altes Blut in der Gallenblase
aspirierte und den Tumor in der Tiefe fühlte. Die Drüsen, die
hier liegen, werden niemals eine solche Grösse erreichen; für
ein Carcinom war der Tumor zu weich, eventuell muss man an
eine Gummigeschwulst denken. Wenn man die bisherigen Fälle
von Aneurysma der Art. hepatica durchmustert, so muss man
zugeben, dass in den allermeisten Fällen in der Tat eine genaue
Diagnose ganz unmöglich war. A.uch da, wo Blutungen mit Ikterus
und Kolik einhergingen, wird man zuerst immer an Cholelithiasis
denken, da auch hierbei recht profuse Blutungen eintreten können.
Ich füge hier einige ganz kurze Bemerkungen ein über die
bei der Cholelithiasis vorkommenden Blutungen.
— 291 —
Diese beruhen meist auf clioläraischer Diathese und werden
in den letzten Stadien des chronischen Choledochusverschlusses
nicht selten beobachtet; beim akuten Choledochusverschluss
treten sie nur vereinzelt auf, doch erinnere ich mich eines
Falles, der am 5. Tage des akuten Choledochusverschlusses an
einer solchen Blutung und Cholämie zu Grunde ging. Die
Sektion ergab nirgends eine Ulceration oder Perforation an
den Gallenwegen, dem Magen oder Darm. Viel seltener beruhen
Blutungen bei der Cholelithiasis auf akuten Pfortaderthrombosen,
häufiger auf ulceröser Perforation der Darm- resp. Magenwand.
Ich habe Gelegenheit gehabt, sämtliche Formen zu beobachten,
würdoi aber von meinem Thema zu weit abkommen, wenn ich
auf diese Blutungen näher eingehen würde. Die Komplikation
des duodenalen Ulcus mit der Cholelithiasis ist nach meinen
Erfahrungen nichts Seltenes ; irgend ein direkter Zusammen-
hang besteht zwischen den beiden Erkrankungen wohl nicht.
Auch ohne dass Steine in der Gallenblase vorliegen, erkrankt
dieses Organ bei Ulcus duodeni insofern, als der vom Geschwür
ausgehende Prozess als Duodenitis auf die Gallenblase über-
o-reift (Pericholecystitis), der Cysticus durch Adhäsionen sich
abknickt und so einer Stauung oder Infektion in der Gallen-
blase Vorschub geleistet wird. So wird nicht selten der Gallen-
steinchirurg auf ein Ulcus duodeni stossen, seine Eingriffe werden
sich aber mehr mit der Gallenblase (Ectomie) beschäftigen, als
mit dem Duodenum selbst.
In meinem Fall lag weder Cholelithiasis noch ein duodenales
Ulcus, sondern' lediglich ein in den Cysticus perforiertes
Aneurysma der Art. hepatica vor.
Es kann nicht meine Absicht sein, in diesem Buche
eine ausführliche Zusammenstellung der Arbeiten über das
Aneurysma der Art. hepatica zu geben, ich will nur die grund-
legenden Arbeiten anführen. Es kommen hier in Betracht die
Mitteilungen von Mester, Langenbuch, Ehrhardt und
Han sson.
Die Arbeit von Bruno Mester (Zeitschr. f. klin. Med.,
28. Bd., p. 93) behandelt das Aneurysma der Art. hepatica
sehr ausführlich.
Mester weist daraufhin, dass in allen Fällen, welche bis-
lang zur Beobachtung kamen, die Diagnose erst am Leichen-
tisch gestellt worden ist, und dass bei Lebzeiten auch nicht
19*
— 292 —
einmal an die Möglichkeit einer derartigen Erkrankung gedacht
worden war. Er veröffentlicht einen Fall, bei dem die Diagnose
auf ein Duodenalulcus gestellt wurde, v. Mikulicz machte
am 22. III. 93 eine Gastroenterostomie, der Exitus trat am
27. III. unter ileusähnlichen Erscheinungen ein. Die Sektion
ergab, dass ein Aneurysma spurium des rechten Astes der Art.
hepatica vorlag, welches in den Ductus hepaticus perforiert
war. M. hat 19 Fälle von Aneurysma der Art. hepatica ge-
sammelt (Stokes, Wallmann, Lebert, Quincke, Borchers»
Sauerteig, Pearson Irvine, Uhlig, Dräsche, Schmidt,
Niewerth, Sestiö, Lödieu, Babington, Gairdner,
Heschl, Standhartner, Ross und Ossler, Ahrens),
16mal war der Sitz des Aneurysma extrahepatisch , viermal
intrahepatisch. Entweder nimmt das Aneurysma den Stamm
der Arterie ein oder einen der beiden Hauptäste ; im Fall
Standhartner hatte sich gleichzeitig am linken und rechten
Ast ein Aneurysma entwickelt. Zahlreiche Verwachsungen ver-
binden den Sack mit dem Cysticus, dem Ductus choledochus
oder Hepaticus, der Gallenblase, dem Duodenum, der ünter-
fläche der Leber. Der Sack rupturiert oft entweder in die
freie Bauchhöhle oder in die Gallengänge. Die Blutung kann
so massenhaft sein, dass der Tod sofort eintreten kann. Nur
in dem Falle von Lödieii ist durch Obturation des Sackes
eine spontane Heilung zustande gekommen.
Die selteneren intrahepatischen Aneurysmen sind meist
kleiner wie die extrahepatischen. Die letzteren können die
Grösse eines Kindskopfes erreichen.
M. spricht dann über die Symptome, den Schmerz, die
Blutungen, den Ikterus, Lebervergrösserung, Fieber (Quincke)
und berichtet am Schluss über die bisherigen Operationen, die
wegen Aneurysma vorgenommen worden sind (Riedel [Diss.
Sauerteig]., Niewerth und v. Mikulicz). „Die Möglich-
keit, in einem ähnlichen Falle durch eine Operation dem
Kranken direkt das Leben zu retten, ist ohne Zweifel vor-
handen, und da es eine andere Therapie für das Aneurysma der
Leberarterie nicht gibt, ist der Vorschlag, unter diesen Um-
ständen die Unterbindung eines Astes oder selbst der Arteria
hepatica propria vor ihrer Teilungsstelle auszuführen, wohl
a priori berechtigt. Es ist sogar mehr als eine bloss theoretisch
konstruierte Forderung. Die Versuche von Oohnheini und
— 293 —
Litten haben ergeben, dass beim Hunde die arterielle Blut-
zufuhr zur Leber auch nach Unterbindung der Leberarterie
genügend zustande kommt. Für die Pathologie des Menschen
lehrt dasselbe eine Beobachtung, die gerade bei einem Aneu-
rysma der Art. hepatica gemacht wurde: der Fall von Lödieu.
Hier war die Art. pylorica (coron. ventric. dextr.) durchgängig
geblieben und, wie schon Frerichs gegenüber der irrtümlichen
Pig. 73.
A. hepatica
Aorta abdomin. A. ooeUaoa
A. gastro-
opiploica
dextra
A. ooronaria veatr. aia
A. gastr.
brevis
--__A. gastro-
epiploica
sin.
-A. lienalis
Erklärung Lödieus bemerkt hat, ihre Anastomosen hatten
völlig genügt, die Leber mit arteriellem Blute zu versorgen."
Langenbuch, dem wir die Finführung der Cystectomie
verdanken und der wie ein Prophet die Möglichkeit so vieler
Operationen — ich erinnere nur an die Choledochotomie, die
Behandlung des Aneurysma der Art. hepatica durch Ligatur
dieses Gefässes — verkündete, sagt in seiner Chirurgie der
Leber und der Gallenblase 1894, Bd. I. p. 10: Da die Art.
hepatica auch durch Vasa vasorum die Wandungen aller übrigen
— 294 —
Lebergefässe zu ernähren hat und diese infolge davon absterben^
ist die zentrale Unterbindung der Art. hepatica wegen eine&
an ihr nicht ganz so selten vorkommenden Aneurysma hiernach
also undurchführbar." Aber in dem IT. Bande seines gross-
artigen Werkes (p. 78) — derselbe erschien 1897, also 3 Jahre
später — ändert er seine Meinung. Für diejenigen, die nicht
im Besitze des Lan genb uch' sehen Buches sind, mag es an-
gebracht sein, die eigenen Worte des leider so früh verstorbenen
Chirurgen zu hören ; dadurch werde ich zugleich einer Dar-
stellung der in Betracht kommenden anatomischen Verhältnisse
resp. einer Besprechung des Verlaufs der Art. hepatica ent-
hoben. Langenbuch sagt:
„Greifen wir zunächst etwas auf die Ahnen der Leberarterie
zurück. Da entspringt aus der Aorta die Arteria coeliaca, ein
kurzer, gegen 1 cm. dicker, unpaarer Stamm, der sich zwischen
der Cardia des Magens linkerseits und rechts von dem Spi gel-
schen Lappen, sowie oberhalb des Pankreas gerade nach vorn
erstreckt und nach einem Verlaufe von 2^2 cm. sich hinter dem
kleinen Netz, einer der interessantesten anatomischen Gegenden,
zum Tripus Halleri ausspaltend nun die famosen Drillinge: die
Arteria coronaria ventriculi sinistra, die Arteria hepatica und
die Arteria lienalis zu den betreffenden Organen der Oberbauch-
gegend sendet. Die Arteria hepatica wendet sich sogleich nach
rechts, als ein Stamm, welcher in ca. 5 cm. Verlauf noch keinen
Ast abgegeben hat, wenn nicht, was allerdings vorkommt, aus-
nahmsweise die längs der kleinen Magenkurvatur verlaufende
Arteria coronaria ventriculi dextra, welche mit ihrer Mutter-
schwester oder Tante, der Arteria coronaria sinistra, anastomo-
sierend, sich früher abzweigt. Entscheidend für die weitere
Benennung der Leberarterie ist der Abgang der Arteria gastro-
duodenalis, die vielfach als Ramus gastro-duodenalis bezeichnet
wird und als Zwillingsbruder des weiter zur Leber fortlaufenden
Ramus hepaticus, der Arteria hepatica, gilt. Also, und das ist
chirurgisch von grosser Wichtigkeit und wohl zu merken: die
Arteria hepatica teilt sich nach gut 5 cm. ihres Verlaufes in
2 Äste: den Ramus gastro-duodenalis und den Ramus hepaticus.
Der erstere verläuft nach unten zur Hinterwand des Pylorus
und der andere weiter zur Leber. Der Ramus gastro-duodenalis
läuft aus in die Arteria gastro-epiploica dextra und anastomo-
siert am Magenlundus in kräftigster Weise mit Ästen der Arteria
— 295 —
lienalis. Auch diese Anastomose ist sehr zu beachten! Der
Eamus hepaticus gibt nun in der Regel sehr bald die schon
oben benannte Arteria coronaria ventriculi dextra ab, die ja
mit der gleichnamigen Arteria sinistra anastomosiert. Von jetzt
ab verläuft der Ramus hepaticus ebenfalls noch seine 5 — 7 cm.
isoliert und teilt sich dann erst in den rechten und linken
Leberast, die dann recht schnell in die Tiefe der Leberpforte,
jede in ihrem Lappen verschwinden.
Aus diesen anatomischen Darlegungen wird das Eine klar,
dass eine Unterbindung der ersten Hälfte des Leberarterien-
stammes, also zentralwärts vom Abgange der Arteria coronaria
ventriculi dextra oder dem der Arteria gastro-duodenalis , die
Leber durchaus noch nicht des arteriellen Blutes berauben
würde; es bleiben ja für diese noch die Anastomosen mit der
Arteria coronaria sinistra und der Arteria lienalis im Gange.
Es fragt sich nun : Würde die Unterbindung der zweiten
Hälfte des Stammes, also des Ramus hepaticus, ohne ernste Schä-
digung des Lebergewebes ausführbar sein? Und wir müssen ant-
worten: ohne weiteres gewiss nicht 1 Freilich, würden wir diese
Unterbindung an einem gesunden Tiere, besonders dem Kanin-
chen, in Form eines physiologischen Experimentes unternehmen
(Cohnheim und Litten), so würde die Leber desselben oder
auch die des Menschen schnell und gewiss einer akuten Nekrose
anheimfallen. Denn die Leberarterie ist das Gefäss, welches die
Kapillaren der Gliss on'schen Kapsel, der Gallengänge und vor
allem der Blutgefässe, die Vasa vasorum der Pfortader wie der
Lebervene versorgt; wenn in diese kein Blut mehr gelangt, so
sterben sie ab, geradeso wie rascher oder langsamer alle Gewebe
und Organe des Körpers. Das Absterben der Blutgefässe, hier
der Pfortaderäste, bedingt selbstverständlich das allmähliche Er-
löschen der Zirkulation in ihnen und damit die unvermeidliche
Organnekrose. Somit ist auch klar, dass die Leber die grosse
Masse des Pfortaderblutes weit eher entbehren kann, als die doch
so viel geringere der Arterie; das Pfortaderblut kann bis
zu einem gewissen Grad durch das der Leberarterie ersetzt
werden, das der Leberarterie aber durch nichts anderes als
Arterienblut.
Das sind Erfahrungen von Physiologen, die gesunden Tieren
die Leberarterie einfach plötzlich absperren und die unvor-
bereitete Natur in ihrer Wehrlosiffkeit überraschen.
— 296 —
Anders und wohl viel günstiger wird jedoch die Sache liegen,
wenn der Blutstrom der Art. hepatica durch ein allmählich
wachsendes Hindernis, also z. B. durch eine Aneurysmenbildung,
zunehmend verkümmert wurde. In unserer Liste figurieren
mehrere solcher Fälle, unter ihnen am sichtlichsten der von
Ledieu, in denen die ganze Leber oder Teile von ihr infolge
der Aneurysmenbildung so gut wie gar kein Blut mehr aus der
Art. hepatica beziehen konnten und doch, in genügendem Er-
nährungszustande geblieben, ihren Aufgaben gerecht wurden.
Es müssen also noch andere koUaterale Bezugsquellen als
die Aa. coronaria ventr. dextra und gastro-duodenalis für das
nötige arterielle Blut vorhanden sein, und es ist mir auch ge-
lungen, solche ausfindig zu machen. Es sind das die Aa. phrenicae,
Aortenäste, denen bisher, ausser den systematischen Anatomen,
kaum irgend jemand auch nur die geringste Beachtung schenkte,
zwei Arterien, welche dicht oberhalb der Wurzel der A. coeliaca
entspringen und spitzwinklig divergierend zur unteren Fläche
(ies Zwerchfells verlaufen. Hier versorgen sie zunächst den
Vertebralteil des Zwerchfells, gehen sodann als Aa. suprarenales
supp. zur Nebenniere und teilen sich nunmehr in einen hinteren
und vorderen Ast. Der hintere verbreitet sich weiter zur
Mitte des Zwerchfells hin und umgibt den Hiatus oesophageus
und das Foram. venae cavae mit einem weitläufigen Kranz, in
welchem die Aeste der beiderseitigen Arterien einander begegnen.
Von der Fläche des Zwerchfelles aus gehen nun — und das ist
für uns von der grössten Wichtigkeit — Äste zur Leber und
zwar durch das Bindegewebe zwischen den beiden Platten des
Lig. coronarium, sowie in gleichem Sinne durch das Lig. Sus-
pensorium. Somit wird von dem rechten Aste der A. phrenica
der rechte hintere und vom linken auch der linke hintere Leber-
rand ganz direkt mit arteriellem Blut versorgt. Diese Aa. phre-
nicae sind natürlich unter normalen Verhältnissen nur Gefässe
bescheidenen Kalibers, aber sie werden, zumal sie auch mit den
oberen Aa. lumbales anastomotisch verbunden sind, auf den Appell
einer allmählich notleidend gewordenen Leber hin sich sicherlich
auf die zum Vikariieren erforderliche grössere Leistungsfähig-
keit einrichten. Natürlich kostet die Neuanlage Zeit, die die
Physiologen bei ihren Experimenten nicht vorsehen, während
sie bei der Aneurysmenbildung genügend zur Verfügung ge-
stellt wird.
— 297 —
Aus diesen anatomischen Darlegungen, welchen wir neue und
gesicherte Gesichtspunkte verdanken, geht wohl mit wünschens-
werter Klarheit hervor, dass das Aneuysma oder die Aneu-
rysmen einer Leberarterie, die ja erst durch ihre lebensgefähr-
lichen Blutungen zur diagnostischen Aufdeckung gelangend so-
fortige heroische Massnahmen erheischen, solchen auch mit gutem
Gewissen unterworfen werden können, und unserer Meinung nach
soll man sie, soweit es die räumlichen Verhältnisse irgend er-
lauben, zum mindesten immer zentralwärts, wenn möglich aber
zentral- und peripherwärts zugleich, unterbinden. Davon dürfen
uns die Doktrinen der Physiologen nicht abhalten, denn sie
basieren auf Verhältnissen, die für uns nicht massgebend sind;
sie arbeiten an gesunden Organismen, wir an kranken, sie haben
auf einen schnellen kollateralen Ausgleich der von ihnen gesetzten
Störung nicht zu rechnen, während für unsere Operation ein
solcher dank dem nie versagenden biologischen Gesetz der ar-
teriellen Kollateralentwicklung immer schon vorbereitet sein
muss und wird."
Weiterhin kommt in Betracht eine Arbeit von Ehrbar dt
(Archiv, Bd. 68): „Über die Folgen der Unterbindung grosser
Gefässstämme in der Leber".- Über die Unterbindung der Art.
hepatica am Menschen sagt er folgendes :
„Die Unterbindung des Hauptstamraes der Arteria hepatica
an der Leberpforte führt im Experiment zu einer Nekrose der
ganzen Leber und damit im Verlauf von 48 Stunden zum Tode.
Man muss bei diesem Versuch bedacht sein, die Arterie dicht
bei ihrem Eintritt ins Lebergewebe zu unterbinden, da bei der
Katze wie beim Menschen die Anastomosierung der Leberarterie
mit den umliegenden Arterien eine ziemlich reichliche ist und
durch vikariierende Versorgung von einer Nachbararterie aus
gelegentlich das Versuchsresultat gestört werden könnte. In
meinen Versuchen geschah dies niemals, die Unterbindung war
in 5 Fällen von der Nekrose gefolgt. Das Lebergewebe hatte
sich in eine schlaffe, bräunliche, missfarbige, bröcklig zerfallende
Masse verwandelt, die mikroskopisch die Leberstruktur ange-
deutet zeigte, ohne dass sich die Zellkerne noch färbten.
Beim Menschen liegen Erfahrungen über die Unterbindung
der Arteria hepatica nicht vor. Es sind jedoch einige Beob-
achtungen von Embolie der Arterie bekannt, in denen der Em-
bolus das Lumen völlig verschloss. Solche Embolien gehören
- 298 —
zu den Seltenheiten, da die eigentümliche, beinahe senkrechte
Art des Abganges der Arteria hepatica aus der Aorta den Ein-
tritt des verschleppten Gerinnsels in ihr Lumen nahezu un-
möglich macht. Aber die Fälle zeigten, wie meine Unterbin-
dungsversuche, eine Nekrose der ganzen Leber. Ich erinnere
z, B. an den von Chiari beobachteten Fall von Embolie der
Leberarterie bei einer an Endokarditis leidenden Patientin; die
Sektion zeigte, dass die Anastomosierung mit den Arterien an
der kleinen Kurvatur des Magens die Nekrose des Organs nicht
hatte aufhalten können.
Aus diesen Versuchen und anatomischen Beobachtungen
scheint mir hervorzugehen, dass die Leberarterie chirurgisch
unangreifbar ist.
Dem Vorschlage Langenbuch's, Kehr's u. a., beim
Aneurj'^sma der Leberarterie das Gefäss zu unterbinden, darf
man meines Erachtens nicht Folge leisten, noch mehr aber scheint
die präparatorische Arterienunterbindung als Mittel der Blut-
ersparnis verwerflich. Einige Autoren haben gemeint, dass die
Arteriae phrenicae namentlich beim Aneurysma vikariierend
eintreten können. Widerstrebt eine solche unbewusste Zweck-
mässigkeit, die durch keinerlei mechanisches Moment erklärbar
ist, unserem physiologischen Denken, so zeigt andrerseits die
anatomische Untersuchung, dass die Aste der Zwerchfellsarterien,
die in die Leber eindringen, minimal sind. Ich habe mich an
Injektionspräparaten normaler menschlicher Lebern vergeblich
bemüht^ Anastomosen zwischen Arteriae phrenicae und Ver-
zweigungen der Arteria hepatica nachzuweisen; ich habe sie
nie mit Sicherheit konstatieren können. Wenn sie überhaupt
existieren, sind sie jedenfalls so minimal, dass sie einen Aus-
gleich der Ernährungsstörungen infolge Unterbindung der Leber-
arterie nicht bewirken können. Die Arteria hepatica darf nicht
unterbunden werden.
In einer folgenden Versuchsreihe habe ich einzelne Arterien-
äste unterbunden. Auch hierbei erwies sich die Leber der
Katze als ausserordentlich günstiges Versuchsobjekt; es gelingt
verhältnismässig leicht, die zu dem linken Lappen führenden
Arterienäste isoliert zu unterbinden. Auch hierbei ist von 6
Fällen 5 mal Gangrän des betroffenen Lappens eingetreten; die
Gangrän hatte nach wenigen Tagen den Tod des Versuchstieres
zur Folge. In dem 6. Falle blieb die Gangrän aus, das Tier
— 299 —
wurde getötet. Bei der Autopsie konnte ich mich nicht mit
Sicherheit überzeugen, ob überhaupt ein Arterienast unter-
bunden war."
Die letzte Arbeit über das Aneurysma der Arterie stammt
von A. Hans so n. Fleischhauer referiert über dieselbe
im Jahresbericht von Hilde brand 1897 folgendermassen:
„Ein 14jähriger Jüngling erkrankte im Jahre 1894 an Osteomyelitis
tibiae sin. und femoris dextr. Am 24. September Sequestrotomia tibiae
sin. und am 23. November dieselbe Operation am rechten Femur.
Sequester wurde gefunden und entfernt. Die Heilung wurde durch
eine Erysipelas gestört. Erst am 4. März 1895 konnte Patient ent-
lassen werden mit Fisteln sowohl an Tibia als Femur. Einen Monat
später stellten sich Anfälle von blutigem Erbrechen ein. Patient
wurde am 20. Mai wieder ins Krankenhaus aufgenommen. Er ist sehr
abgemagert und anämisch; das Epigastrium ist etwas empfindlich.
Die Abführung ist teerähnlich. Unter Annahme eines Ulcus ventriculi
wurde eine strenge Behandlung durchgeführt. Nach einiger Besserung
erfolgte plötzlich am 22. Juni schweres Bluterbrechen ; dasselbe er-
neuerte sich am 19. Juli, am 20. August und am 21. September. Ob-
gleich die Kräfte zwischen den Anfällen sich wieder gehoben hatten,
lief doch die letzte Hämatemesis tödlich ab.
Die Sektion erwies reichlich Blut im Magen, Duodenum, Jejunum
und Ileum. im rechten Leberlobus ein Aneurysma von der Grösse
eines Hühnereies; dasselbe hatte seinen Ursprung von Ramus dexter
arteriae hepaticae und hatte den Ductus hepaticus perforiert. Auf diesem
Wege war das Blut in die Gallenblase und ins Duodenum eingedrungen.
Verf. gibt eine Übersicht unserer bisher gewonnenen Er-
fahrungen von Aneurysma art. hepat. Er hat aus der Lite-
ratur 22 Fälle gesammelt. Aetiologisch hebt Verf. hervor, dass
in relativ zahlreichen Fällen suppurative Prozesse vorangegangen
sind, er will jedoch keinen Schluss daraus ziehen. Die Lage
des Aneurysmas ist entweder intrahepatisch oder extrahepatisch ;
der ersten Kategorie gehören nur 5 Fälle an. Das Aneurysma
hat seinen Ausgang teils aus einem der beiden Hauptäste der
Arteria hepatica. Die intrahepatischen Aneurysmen sind kleiner
als die extrahepatischen, welche die Grösse eines Kindskopfes
erreichen können. Das intrahepatische Aneurysma perforiert
gewöhnlich in den Ductus hepaticus, das extrahepatische in
verschiedenen Richtungen, meistens in die Peritonealhöhle. Die
Symptome sind für die beiden Arten gemeinsam. Die wich-
tigsten 'sind : sehr konstante lokale Schmerzen, Blutungen, teils
in die Peritonealhöhle, teils in den Digestionskanal (welch' letztere
besonders charakteristich sind, da sie von blutigem Erbrechen
— 300 —
und blutigen Abführungen gefolgt werden), Ikterus, Schwellung
der Leber und der Gallenblase.
Die Diagnose ist schwierig und in keinem Falle bisher
klinisch gelungen. Die Kombination der oben angeführten Sym-
ptome sollte die Aufmerksamkeit des Arztes auf die Möglichkeit
eines Aneurysma hepaticum richten.
Doch sind Verwechslungen mit Cholelithiasis und besonders
Ulcus duodeni resp. ventriculi naheliegend.
Die Prognose ist sehr schlecht. Nur 2 mal ist eine spontane
Heilung eingetreten, alle übrigen Fälle sind meistens durch
Berstung gestorben.
Therapeutisch wirksam wäre nur ein chirurgischer Eingrifi
mit Unterbindung der Arteria hepatica oder von deren Ästen. Die
Möglichkeit, dass die Leber diesen Eingrifi verträgt, geht aus
Tierversuchen und dem Vorkommen zahlreicher Anastomosen
zwischen Art. hepatica und anderen Arterien hervor."
Es ist von Interesse nachzuforschen, welche chirurgischen
Eingrifi*e bisher bei dem Aneurysma der Art. hepatica zur Aus-
führung kamen. In dieser Beziehung habe ich gefunden, dass
nur in 3 Fällen beim Aneurysma der Art. hepatica chirurgische
Eingriff'e versucht wurden.
Diese drei Fälle stammen aus den Jahren 1892 und 1893.
Den 1. Fall hat Riedel operiert (Sauerteig: Inaug.-Diss.,
Jena 1893).
Es handelte sich um einen 31 jähr. Mann, der nach einer über-
standenen Lungenentzündung plötzlich an heftigen Schmerzen im
rechten Hypochondrium erkrankte. Nach 8 Tagen Ikterus. 3 Monate
später, Juni 1892, zweiter Schmerzanfall. Aufnahme in die Jenenser
Klinik.
Befund: Starker Ikterus, Lebervergrösserung ; Palpation der
Organe schmerzhaft, besonders in der Gallenblasengegend, wo eine
deutliche Resistenz fühlbar ist.
Diagnose: Cholelithiasis. 18. Juni: Plötzlicher Schmerz im
Abdomen, Erbrechen von ca. */< Liter reinen Blutes (Perforation eines
Gallensteines mit Verletzung eines Gefässes?). 20. Juni: Abermals
Bluterbrechen. 23. Juni : Temperatur bis 39,1 ° C. Blut im Stuhl.
Operation: Incision eines wurstförmigen Gebildes, das als der
Steine enthaltende Choledochus imponiert, hat eine heftige arterielle
Blutung zur Folge. Tamponade. Gallenblase im oberen Wundwinkel
angenäht. Am 12. und 13. Juli wieder heftige Darmblutungen. Am
14. Juli erneute Operation. Punktion des apfelgrossen Tumors er-
gibt reines Blut (Varix der Pfortader?). Vernähung der Punktions-
- 301 —
Öffnung. 16. Juli: Exitus. Sektion: Am rechten Ast ein apfel-
grosses Aneurysma mit Perforation in den Ductus cysticus.
Der 2. Fall ist in der Breslaiier Klinik von Mikulicz
operiert worden (22. III. 1898). Ich habe ihn bereits bei dem
Eeferat über die Mester'sche Arbeit erwähnt.
Der 3. Fall ist von Niewerth (Inaug.-Diss. Kiel 1894)
beschrieben ; er stammt aus der chirurgischen Klinik zu Kiel,
der Operateur ist nicht genannt.
19jähr. Pat. erkrankte am 21, 9. 1893. Unvollkommener Ileus.
Bald darauf Geschwulst bemerkbar, welche nach Lage und Gestalt der
prallgefüllten Galleublase entspricht. Collaps. Operation am
24. 9. 1893. In der Bauchhöhle Blut, ebenso in der ausgedehnten
Gallenblase. Starke arterielle Blutung aus der Porta hepatis, Tam-
ponade. Nach 2 Tagen Exitus. Sektion: Grosses Aneurysma der
Art. hepatica (Doppelsack). Durchbruch in die Gallenblase, Ductus
choledochus und Bauchhöhle. Verlegung des Ductus cysticus, Ectasie
der Gallenblase. Verwachsung des Aneurysma mit Leber, Duo-
denum, Gallenblase.
In keinem dieser Fälle wurde weder vor, noch während der
Operation die richtige Diagnose gestellt; sämtliche Eingriffe konn-
ten nichts nützen, weil bei
keinem derjenige Eingriff, wel-
cher wirklich helfen konnte
— nämlich die Unterbindung
der Arteria hepatica propria
— zur Anwendung kam.
Eine Beseitigung der
Gefahren, in welchen der
Trägereines Aneurysma fort-
während schwebt, ist ledig-
lich durch Unterbindung der
Arteria hepatica propria resp.
des linken oder rechten Astes
möflich.
Die Technik der Ope-
ration habe ich zum Teil in
der Krankengeschichte bereits beschrieben, doch will ich zum
8chluss über dieselbe noch einige Bemerkungen hinzufügen.
Die Operation wird wesentlich erleichtert durch einen aus-
giebigen* Bauchwandschnitt. Ich empfehle den von mir geübten
Wellenschnitt. Er muss recht weit oben am Processus xiphoideus
und noch darüber hinaus anfangen, damit die Freilegung des
Schema für ein Aneurysma der art.
hepatica dextra.
1. Arteria hepatica propria.
2. Ramus hepaticus dexter (mit Aneurysma).
3. Raraus hepaticus sinister
4. Art. cystica.
5. Art. gastro-duodenalis.
6. Unterbindungsstelle der Art. hep. propria.
— 302 —
Ligamentum hepato - duodenale recht ausgiebig vorgenommen
werden kann. Wie bei allen Gallensteinoperationen erfolgt dann
eine genaue Inspektion und Palpation der Gallenblase, des
Cysticus und Choledochus. Etwaige Adhäsionen werden gelöst.
Das Aneurysma stellt einen Tumor dar von verschiedener Grösse
(Ei- bis Kindskopfgrösse) und liegt gewöhnlich so tief, dass ge-
rade die Fingerspitzen der in die Bauchhöhle geführten Hand
die Geschwulst erreichen, Ist die Gallenblase prall gefüllt, so
empfiehlt sich eine Aspiration ihres Inhaltes, damit man leichter
in die Tiefe vordringen kann. Aus der blutigen Beschaffenheit
der aspirierten Flüssigkeit wird man wie in meinem Fall die
Vermutung aussprechen können, dass der Tumor, den man in
der Gegend des Cysticus resp. am Lig. hepato-duodenale fühlt,
ein Aneurysma der Arteria hepatica sei.
Man wird nunmehr nach völliger Trockenlegung der Gallen-
blase mit sterilen Gazestreifen den Aneurysmasack dem Auge
zugänglich machen und punktieren. Die Punktion wird negativ
ausfallen, wenn, wie in meinem Fall, viele und feste Gerinnsel
den Sack ausfüllen. Ergab die Punktion flüssiges Blut, so ist
die Diagnose gesichert. Im anderen Fall inzidiere man den
Sack, und erfolgt dann eine heftige Blutung, so tamponiert man
ihn fest mit steriler Gaze aus. Zu gleicher Zeit wird man rasch
den Zeigefinger der linken Hand in das Foramen Winslowii
einführen und auf denselben das Lig. hepato-duodenale samt
Choledochus, Vena portarum und Arteria hepatica aufladen. Ober-
halb des Ligamentum schimmert die Spitze des Zeigefingers
durch das dünne Peritonealblatt hindurch und man kann so
eine sichere Absperrung der Blutgefässe erzielen. Es ist un-
umgänglich notwendig, den Ductus choledochus von der Vena
portarum resp. der Arteria hepatica genau zu isolieren. Ich habe
bei meinen weiteren Gallensteinoperationen, die ich seit dieser
Operation ausgeführt habe, mich überzeugen können, dass ^ie
Unterbindung der Arteria hepatica propria peripher von der
Arteria gastro-duodenalis gar keine besonderen Schwierigkeiten
bereitet. Jedenfalls ging das in meinem Fall viel besser, als
ich dachte: einige oberflächliche Venen im Lig. hepato-duodenale
wurden unterbunden, und dann lag die Arteria hepatica auf eine
Länge von 2 cm. isoliert deutlich vor mir. Ich fühlte sie pul-
sieren und legte um sie die Ligatur. Ehe ich dieselbe zuschnürte,
entfernte ich die tamponierende Gaze aus dem Aneurysmasack^
— 303 —
worauf in einem fingerdiciie Strahl ein mächtiger Spritzer
erfolgte. Ich zog die Schlinge zu, die Blutung stand.
Ist es möglich, die Arteria hepatica propria so zu isolieren,
dass man die Teilungsstelle des rechten und linken Astes genau
übersehen kann, und beschränkt sich das Aneurysma nur auf
einen Ast, so würde natürlich die Unterbindung des betreffenden
Arterienastes genügen. Bei den intrahepatisch sich entwickeln-
den Aneurysmen wäre diese Operation gewiss möglich, und man
könnte hierdurch die Ernährung wenigstens eines Leberlappens
völlig sichern. Ich glaube aber, dass meistenteis nur die Unter-
bindung des Hauptstammes durchführbar sein wird.
Was sollen wir mit der Gallenblase anfangen? Ob man die-
selbe entfernt oder erhält, hängt ausser von der Beschaffenheit
der Gallenblase (Entzündung, Steine) wesentlich davon ab, ob
das Aneurysma in das Hohlorgan perforiert ist oder nicht. Im
ersteren Falle dürfte die Ectomie am Platze sein. Jedenfalls ist
die Gallenblase bei der Operation recht im Wege. Mag sie auch
nicht ganz unnütz sein, so haben die vielfachen Ectomien doch
ergeben, dass ein wesentlicher Schaden den Kranken ohne Gallen-
blase bisher nicht entstanden ist. Erhält man die Gallenblase,
während zwischen Aneurysmasack und Gallenblase resp. Cysticus
eine Perforation besteht, so ist eine Infektion der Gallenblase
und des Aneurysmasackes nicht unmöglich. Durch eine Fistel-
bildung an der Gallenblase (Cystostomie) kann dieselbe einer-
seits zwar beseitigt, andrerseits sogar aber erst angeregt werden.
Ich rate also, wenn möglich, zur Ectomie.
Ich habe diese Operation in meinem Falle sofort vorge-
nommen, ehe ich den Aneurysmasack spaltete, da ich nach gründ-
licher Palpation und Aspiration des blutigen Gallenblaseninhaltes
mir klar war, dass in der Tat ein Aneurysma vorliegen würde.
Sichergestellt wurde die Diagnose, nachdem ich eine Cysticotomie
ausgeführt und von dem Cysticusschnitt aus mit der Kornzange
durch die Perforationsstelle in den Aneurysmasack vorgedrungen
war. Die Blutgerinnsel, die ich dabei herauszog, und der Blut-
strahl, der mir entgegenquoll, Hessen nunmehr an dem w^ahren
Tatbest^jnd keinen Zweifel mehr aufkommen.
Selten dürfte es gelingen, zu entscheiden, ob das Aneurysma
dem linken oder rechten Ast der Hepatica oder der Arteria
cystica angehört. . Es ist diese Entscheidung auch ziemlich
~ 304 —
gleichgültig, da es stets das beste sein wird, den Hauptstamm
der Arteria hepatica propria zu unterbinden.
Ich habe, Langenbuch folgend, in dem Handbuch der
praktischen Chirurgie beim Aneurysma der Arteria hepatica die
zentrale und periphere Ligatur der Arteria hepatica mit Ent-
fernung des Aneurysmasackes empfohlen, glaube aber, dass die
einfaclie Unterbindung der Arteria hep. propria genügt, und dass
es in den meisten Fällen wegen der vielen Verwachsungen, welche
das Aneurysma mit der Nachbarschaft (Leber, Vena portarum,
Ductus choledochus) eingeht, unmöglich sein wird, die Total-
excision hinzuzufügen. Sie ist in der Tat auch überflüssig, aber
man wird nicht umhin können, zu der Ligatur die Ausräumung-
des Aneurysma mit nachfolgender Tamponade mittels steriler
Gaze hinzuzufügen. Da diese Tamponade eine sehr umfangreiche
sein muss, vermeide ich die Jodoforragaze, die ich bei Lapa-
rotomien grundsätzlich seit Jahren nicht mehr anwende. Man
kommt mit steriler Gaze, die ich 12 — 20 Tage unbeschadet dem
günstigsten Wundverlaufe liegen lasse, völlig aus. Ich habe
eine Zeit lang C rede' sehe Silbergaze angewandt, finde aber
der sterilen Gaze gegenüber nicht die geringsten Vorteile.
In meinem Falle habe ich nach Excision der Gallenblase den
Cysticus bis in den Choledochus hinein gespalten. Durch Ein-
führung eines dicken Katheters in den Choledochus bekam ich
so eine bessere Übersicht über die im Lig. hepato-duodenale ver-
laufenden Gebilde. Ich habe die Choledochusincision offen ge-
lassen, um einen freien Abfluss der Galle zu erzielen, und konnte
dadurch während des Verlaufs nach der Operation mich über-
zeugen, dass die Leberzellen in ihren Funktionen nicht gestört
wurden. Es floss reichlich Galle ab, und dank der ausgiebigen
Taraponade erwuchs der Peritonealhöhle durch die ausfliessende
Galle nicht der geringste Schaden.
Ich hatte nach dem Befund, den ich sofort nach Eröffnung;:
des Abdomens und Feststellung des Aneurysma erhob, natürlich
die Überzeugung gewonnen, dass der Patient ohne energischen
Eingriff unter allen Umständen verloren war. Trotz der Ein-
wendungen Ehrhardt's, welche gewiss auf vortrefflichen Ex-
perimenten beruhen, unterband ich die Arterie und habe dadurch
gezeigt, dass, so wertvoll und nötig das Tierexperiment auch
sein mag, man am kranken Organismus ganz anderen Verhält-
nissen gegenübersteht als am gesunden. Ich habe die Operation
— 805 —
gemacht, ohne sie vorher an der Leiche geübt zu haben, und
es war mir etwas schwül zu Mute, als die Ligatur die leber-
ernährende Arterie versperrte.
Die ersten 48 Stunden habe ich fast jede Stunde nach dem
Patienten gesehen, um die Anzeichen der drohenden Nekrose der
Leber zu überwachen. Aber nichts zeigte sich, was auf eine
schwere Leberveränderung hindeutete. Der Verlauf war so wie
nach einer Ectomie. Blut zeigte sich überhaupt nicht im Ver-
band. Hätte die Ligatur die Arteria hepatica nicht richtig ge-
fasst, so hätte Patient keine 2 Stunden nach der Operation ge-
lebt, denn die Tamponade des Aneurysmasackes hätte nicht ge-
nügt, es müsste denn die Arterie peripher embolisch verstopft
gewesen sein. Das war aber nicht der Fall, wie ich bei der
Operation selbst genau feststellen konnte.
Der beschriebene Fall soll den Praktiker mahnen, bei einem
Krankheitsbild, dessen Symptome sich aus Magen- resp. Darm-
blutungen, Koliken und Ikterus zusammensetzen, an die Mög-
lichkeit eines Aneurysmas der Art. hepatica zu denken, und der
Chirurg, den dann der innere Kollege zu Hilfe rufen wird, soll
aus meiner Veröffentlichung den Mut schöpfen, in solchen Fällen
mit dem Messer bis zur Leberpforte vorzudringen und an die
Art. hepatica die Seidenschlinge anzulegen, die den Kranken
vor dem drohenden Untergang bewahren soll. Nachträglich be-
merke ich noch, dass Habs einen Fall von Aneurysma der Art.
hepatica beobachtete, aber nur die Gallenblase exstirpierte.
Schade, dass er nicht auch die Arterie unterband. An seiner Stelle
hätte ich das getan, die Gallenblase aber dem Pat. gelassen. Die
Folgerungen, die Grün er t (Deutsche Zeitschr. für Chir. Band 71,
p. 158) aus der Beobachtung zieht, kann ich nicht gut heissen.
Sein Vorschlag, zweizeitig zu operieren — erst Verwachsungen,
zu erzeugen, um CoUateralen herzustellen — ist nicht übel ; aber
wenn die Natur nicht schon vorher Anastomosen gemacht hat,
wird der Chirurg schwerlich so viele CoUateralen herstellen,
dass einer Nekrose der Leber vorgebeugt wird. Ich habe leb-
haft bedauert, dass auch in dem Habs 'sehen Fall die Unter-
bindung der Arterie unterblieb.
8. Die Behandlung der circumscripten und diffusen
Eiterungen in der Bauchhöhle bei Cholelithiasis.
Wir haben bei der kurzen Besprechung der pathologischen
Anatomie der Cholelithiasis auf die Möglichkeit perforativer
Kehr, Technik der üalloasteinoperationen.I. 20
— 306 —
Prozesse der steinhaltigen Gallenblase hingewiesen. Jüngst hat
Neck*) die Fälle zusammengestellt, bei denen die Perforation
in die freie Bauchhöhle erfolgte und eine Operation gemacht
wurde. Es waren 11 Fälle, Thiel (Zentralblatt für Chirurgie
1904, Nr. 10) hat die Casuistik um einen Fall vermehrt.
Die Fälle sind operiert von Schön born, Küster, Jenner-
Verral, Ullmann, Hochenegg, König jun., v. Arx u. a.
Ich kann hier nicht weiter auf die Pathologie und Sympto-
matologie dieser Perforationen eingehen und verweise auf die
Arbeit von Neck.
Nur soviel will ich bemerken, dass die Perforations-
peritonitis, die sich nach Durchbrüchen der Gallenblase
im Bauchraum entwickelt, sehr verschieden verlaufen kann,
je nachdem der austretende Gallenblaseninhalt wenige oder viele
Infektionskeime enthält. Im allgemeinen sind die Gallenblasen-
perforationen in ihrem Verlauf milder, wie die Perforationen des
Magens und Darmes. Die Peritonitis, die auftritt, ist entweder
eine diffuse oder eine circumscripte. Bei der ersteren ist. so-
fortige Operation indiciert, da beim Warten die Entzündung sich
ausbreitet und das Leben im höchsten Masse bedroht. Bei der
circumscripten ist es besser zu warten, bis Abkapselung gegen
die übrige Bauchhöhle stattgefunden hat. Nun ist es aber sehr
schwer, diese beiden Formen der Peritonitis zu unterscheiden,
und deshalb ist ein aktives Eingreifen mehr am Platze wie das
lange Besinnen. Doch wird nur ein sehr erfahrener Chirurg
hier das Richtige treffen. Puls, Temperatur, Allgemeinbefinden
geben den Ausschlag, ob man exspektativ verfährt oder sofort
eingreift.
Ob man die perforierte Gallenblase exstirpiert oder ob man
sich mit einer Fistelbildung begnügt, das richtet sich nach dem
Zustand des Pat. und der Gallenblase; man muss also von Fall
zu Fall entscheiden. Das Loch in der Gallenblase zu vernähen
und das Organ zu versenken, wie es Küster und Verral
machten, ist falsch. Das schonendste Verfahren ist die einfache
Versorgung der Gallenblase mit einem Bohr und zirkulärer aus-
giebiger Tamponade. Die Entfernung des Steins im Cysticus
muss event. in einem zweiten Akt erfolgen.
Der abgekapselte Abszess in der Bauchhöhle und die diffuse
Eiterung sind durch Ausspülungen mit physiol. Kochsalzlösung,
*) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Band 71. p. 334.
— 307 —
Trockenlegung- und ausgiebige Tamponade zu behandeln.
König jun. hat in einem solchen Fall die Bauchhöhle völlig
geschlossen, nach meiner Meinung kein empfehlenswertes Ver-
fahren. Ich bin dafür, dass man den Sekreten freien Abfluss
verschafft und sich nicht zu sehr auf die Resorptionskraft des
Peritoneums verlässt. Doch das sind Fragen, die noch nicht
befriedigend gelöst sind. — Man müsste die ganze Geschichte
der Therapie der eitrigen Peritonitis hier niederschreiben, wenn
man all' die in Frage kommenden Massnahmen ausführlich er-
<)rtern wollte. Das würde mich aber in diesem Buche zu weit
führen. Einige Krankengeschichten im IL Teil mögen die bei
Peritonitis nötigen Eingriffe erläutern. (Nr. 173 bis Nr. 177.)
Die Technik der Hepatopexie, der Leberresektion, der Er-
■öffnung subphrenischer Abszesse, des Leberabszesses ausführlich
zu beschreiben, würde zu viel Raum in Anspruch nehmen und
passt nicht in den Rahmen dieser Arbeit. Die Hepatopexie
bei Hepatoptose hat Depage (Brüssel) auf dem diesjährigen
Chirurgenkongress ausführlich beschrieben ; ob durch seine
Methode eine bessere Fixation der Leber erreicht und einem
Recidiv vorgebeugt wird, muss die Zukunft lehren. Bei der
Hepatopexie, wie ich sie nach der Ectomie etc. übe, hefte ich
einfach die Leber mit 2—3 mittelstarken Seidenfäden, unter die
ich vor der Knotung Draht lege, an das Peritoneum parietale.
Ich verfolge dabei weniger den Zweck , die Leber zu fixieren
«nd ein Heruntersteigen zu verhindern, will mir vielmehr die
Tamponade des Leberbetts erleichtern und den subphrenischen
Raum abschliessen, um dort eintretenden Entzündungen vorzu-
beugen. Bei sehr umfangreicher Tamponade nach Ectomie ver-
zichte ich, wenn die Tampons die Leber gehörig hochdrängen,
auf eine Hepatopexie. (Nr. 63.)
Ebenso versage ich es mir, über den Oallensteiiiileus und
seine Behandlung mich eingehender zu äussern, will nur bemerken,
dass es recht schwer ist, in solchen Fällen den richtigen Zeitpunkt
der Operation herauszufinden. Mir sind 3 Fälle von Gallenstein-
ileus zwecks Operation zugesandt, in allen kam ich mit der Opera-
tion zu spät. Interessant war der Befund in dem letzten Fall.
Ich fand den grossen Stein dicht am Coecum im Ileum, schnitt
ihn heraus, nähte den Längsschnitt quer und freute mich, als
Tage lang alles gut ging. Da trat plötzlich Perforationsperi-
tonitis ein. Ich glaubte natürlich, die Naht sei insuffizient
20*
— 308 —
geworden. Aber diese war heil, doch fand man ca. 20 cn>
oberhalb der Naht die Perforation, die durch ein Ulcus be-
dingt war. Hier hatte der Stein längere Zeit gelegen und
eine Druckusur gemacht. Da der Gallensteinileus nicht selten
spontan zurückgeht, entschliessen sich Patient und Arzt schwer
zur Operation — sehr menschlich. Es wäre besser, er heilte nie
spontan, dann würde man sofort operieren und gute Resultate
haben, denn die Operation ist leicht und bringt im Anfang sehr
geringe Gefahren.
9. Die sekundären Operationen am Gallensystem
(besonders wegen Schleim- und Gallenfisteln).
Wir haben bisher besonders die primären Operationen im
Auge gehabt; es kommt aber nicht selten vor, dass mit einer
Operation der Patient nicht geheilt wird, sondern mehrfache Ein-
griflte sich notwendig erweisen. Besonders nach Cystostomien
ist das der Fall, wenn komplete Gallenfisteln oder Schlei mfistelrv
zurückbleiben. Mit den sekundären Operationen wollen wir
uns in diesem Abschnitt des speziellen Teils der Gallenstein-
operation beschäftigen. —
In einem früheren Abschnitt habe ich erwähnt, dass die
akute serös-eitrige Cholecystitis grosse Neigung zeigt, auf die
Serosa der Gallenblase überzugreifen, zur Pericholecystitis zu
werden. Die Gallenblase geht dann Verwachsungen ein mit
dem Netz, Duodenum, Magen, Darm und nicht selten mit der
Bauchwand. Es kann sich dann ereignen, dass in dem Bereiche
der Verwachsungen die Gallenblase perforiert und der Eiter in
die Bauchwand durchbricht. Es entsteht dann ein Bauchwand-
abszess, der, wie jeder Abszess, gespalten werden muss.
Das Ziel eines jeden Chirurgen ist bei einer solchen Spal-
tung der Ursache, dem Ausgang der Eiterung nachzugehen.
Die Ursache der in Frage kommenden Bauchwandabszesse ist
die Cholecystitis, resp. der Stein im Hals der Gallenblase. Es
entsteht die Frage, ob man in solchen Fällen bis zum Hals vor-
dringen und den verlegten Cysticus wieder frei machen soll^
oder ob man sich mit der einfachen Spaltung des Bauchwand-
abszesses begnügen soll.
Ich rate zu dem letzteren Vorgehen und verwerfe bei der
primären Operation alle grossen Eingriffe, die darauf hinaus-
gehen, das Hindernis am Gallenblasenhals resp. am Cysticus zu
beseitigen. (Nr. 83.)
— 309 —
Man muss sich klar sein, was man mit der Operation be-
zweckt. Nach meiner Ansicht kann sie bloss darauf hinaus-
gehen, dem Eiter den geradesten Weg nach aussen zu bahnen
und einer weiteren Infektion vorzubeugen. Die Steinentfernung,
spielt dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle. Zwar ist es
sehr angenehm, wenn man sofort den Stein im Hals der Gallen-
blase entfernen kann, hat man aber den Bauchwandabszess breit
gespalten, so genügt das völlig. Es ist deshalb eine Eröffnung
der Bauchhöhle zu vermeiden , wenn nicht die Freilegung er-
gibt, dass neben dem Bauchwandabzess auch noch intraperi-
toneale Abszesse vorliegen.
Als Typus eines Falls von Bauchwandabszess verweise ich
auf Nr. 83 des II. Teils.
Die Incision solcher mit der Bauchwand verwachsenen
Gallenblasen hat also in erster Linie die Bekämpfung der In-
fektion zum Zweck. Das endgültige Resultat der Incision wird
entweder eine Grallenfistel sein, die sich spontan schliesst, oder
eine Gallenfistel, die profus wird und beseitigt werden muss,
oder drittens eine Schleiniflstel.
Wir kommen hiermit auf die Entstehung der Schleim- und
Gallenfisteln zu sprechen.
Die genaue Kenntnis der Ursachen dieser Fisteln ist das
beste Mittel zu ihrer Verhütung.
Beginnen wir mit den Schleimflsteln. Wenn aus einer
Gallenblasenfistel, gleichgültig ob die Natur durch Perforation
der entzündeten Gallenblase in die Bauchdecken und nach aussen
oder der Arzt durch eine Cystostomie dieselbe angelegt hat,*
Schleim oder Eiter abfliesst, so ist das ein Zeichen, dass der
Ductus cysticus unwegsam ist.
Dieser Verschluss kann durch verschiedene Ursachen be-
dingt sein:
1. Die Schleimhaut kann entzündlich verschwollen sein.
2. Der Gang kann obliteriert sein.
3. Es kann ein Stein vorliegen.
4. Es kann ein Tumor den Gang verschliessen (Carcinom,
Drüsenschwellung am Cysticus).
5. Es können Verwachsungen den Cysticus abknicken.
Ad. 1. Auch ohne dass ein Stein im Cysticus steckt, kann
die Schleimhaut des Cysticus resp. des Halses der Gallenblase so
versch wellen, dass keine Galle durchtritt. Hat man z. B. bei
— 310 —
einem Empyem der Gallenblase eine Cystostomie gemacht und
den obturierenden Stein im Hals der Gallenblase entfernt, so
dauert es gewöhnlich 3 — 5 Tage (Xr. 20), ehe Galle läuft, weil
eben die Schleimhaut erst allmählich abschwillt. Besonders wenn
geschwürige Prozesse am Ausgang der Gallenblase vorliegen,
kann die Verschwellung wochenlang anhalten, und erst dann
fliesst Galle; wenn wir schon anfingen, an dem Eintritt dieses
so lange ersehnten Ereignisses zu zweifeln. Es ist meistenteils
unnötig, bei den einfachen Verschwellungen des Ductus cysticus
eine Behandlung einzuleiten, da die Entzündung spontan zurück-
geht. Will man aber etwas tun, so kommen Ausspülungen der
Gallenblase mit physiologischer Kochsalzlösungund 2®/o Borsäure-
lösung in Betracht.
Ad. 2. Die Obliteration und Striktur des Ductus cysticus
beruht darauf, dass ein Geschwür, welches hier oder im Hals
der Gallenblase durch Einwirkung eines Steines entstanden war,
vernarbte. War es ringförmig, so kann eine völlige Obliteration
zustande kommen.
Schleimfisteln, durch Obliteration des Ductus cysticus be-
dingt, können nur dann zur Ausheilung kommen, wenn die
Schleimhaut der Gallenblase funktionsunfähig wird, d. h. auch
obliteriert. Einspritzungen von ätzenden Substanzen, welche
dieses Ziel verfolgen, sind nicht nur schmerzhaft, sondern auch
gefährlich; die Paquelinisierung der Schleimhaut dürfte niemals
völlig gelingen. So bleibt nur übrig die Totalexcision der
Gallenblase bis an die obliterierte Stelle heran. Die Meinung
Riedel's, dass bei Obliteration des Cysticus auch die Gallen-
blase Tendenz zur Obliteration zeigt, kann ich nicht teilen; es
kann sich im Hals einer geräumigen Gallenblase ein Geschwür
ausgebildet haben, und während der Hals zirkulär vernarbt, kann
noch genug Gallenblasenschleimhaut zurückbleiben, die in grossen
Mengen Schleim absondert. Wir haben dabei also denselben
Vorgang vor uns, den Zielewicz durch seine Operationsmethode,
die glücklicherweise keine Nachahmer fand, erzeugte. Zielewicz
unterband den Ductus cysticus, obliterierte ihn also und legte
eine Gallenblasenfistel an. Man stellt auf diese Weise, wenn
die äussere Fistel zum Verschluss kommt, einen Hydrops her,
der steril bleiben, aber ebenso gut infiziert werden kann.
Beide Zustände können nicht den Anspruch erheben für eine
völlige Heilung.
— 811 —
Pig. 75.
Stein im
Diictus
cysticuB
Ad. 3. Die häufigste Ursache der Schleimfistel gibt aber der
Stein im Ductus cysticus resp. im Hals der Gallenblase ab.
Gründliche Primäroperationen, die mit Cystostomie kom-
binierte Cysticotomie, ev. die Ectomie lassen am besten solche
Schleimfisteln verhüten.
Der Cysticusstein soll, wenn irgend möglich, gleich primär
entfernt werden, wenn nicht ganz besondere Kontraindikationen
(schlechte Narkose, grosse Schwäche des Kranken, schwere In-
fektion des Operationsterrains) vorliegen. Hat man die Ent-
fernung des Steines aber nicht vornehmen können, so soll man
ihn während der Nach-
behandlung zu entfer-
nen suchen. Es ist
keineswegs gesagt,
dass eine von aussen
her in die Gallenblase
eingeführte Sonde den
Stein im Ductus cysti-
cus immer fühlen muss.
Sogar Steine im Hals
der Gallenblase ent-
ziehen sich oft der
Sondierung. Folgende
schematische Zeich-
nung (Fig. 75) möge
das Gesagte illustrie-
ren. Der Stein liegt
gewöhnlich von der
Schleimhaut so bedeckt und so versteckt, dass die Sonde ihn gar
nicht berühren kann. Das Instrument fängt sich in den Falten
des Halses der Gallenblase, und selten, sehr selten kann man den
obturierenden Stein durch Sondierung feststellen. Ich betone
das, weil ich oft erfahren habe, dass andere Chirurgen wegen
des negativen Ausfalles der Sondierung das Vorhandensein des
Cysticussteines in Abrede stellten.
Manchmal gelingt der Nachweis des Steines, wenn man
die äussere Fistel durch einen Laminariastift erweitert. Der
ca. 1 — 2 Minuten lang ausgekochte Laminariastift, dessen Dicke
sich nach der Weite der Fistel richtet, wird so weit in die
Fistel vorgeschoben, dass er nur noch 1 cm. aus der Fistel
Warum oft die Sondierung des Cysticussteines
nicht gelingt?
- 312 —
hervorragt. Damit er nicht in die Gallenblase rutsche, wird
er an seinem Haltezüg-el an der Bauchhaut mit Watte und
Collodiura befestigt.
Die Erweiterung durch einen Laminariastift nimmt ca.
24 Stunden in Anspruch. Nach seiner Entfernung gelingt es
manchmal, den Stein mit der Sonde zu finden und mit passenden
Instrumenten (Kornzangen, Löffeln) zu entfernen. Es versteht
sich von selbst, dass man diesen Eingriff unter allen Kautelen
der Asepsis und mit grösster Zartheit vornimmt.
Führt eine Laminariaerweiterung nicht zum Ziel, so ver-
sucht man eine zweite und greift nicht eher zu schärferen Mass-
nahmen, bis man sich von der Nutzlosigkeit unschuldiger Ein-
griffe überzeugt hat. Denn Cysticotomien und Ectomien —
und solche Operationen kommen in Betracht, wenn die Extraktion
des Steins von der Fistel aus nicht gelingt — sind keinesw^egs
unschuldige Eingriffe und erfordern schon einen Chirurgen, der
auf dem Gebiete der Gallensteinchirurgie mehr als eine mittel-
mässige Erfahrung hat. In solchen Fällen tut der Arzt gut,
sich an einen Spezialisten auf dem Gebiete der Gallenstein-
chirurgie zu wenden I
Ad. 4. Schleimfisteln, durch ein Carcinom des Gallenblasen-
halses oder des Ductus cysticus bedingt, rührt man nicht an; eine
radicale Heilung des Carcinoms ist unmöglich. Leider weiss
man oft nicht, dass hinter der Schleimfistel ein Carcinom steckt,
sondern erfährt das erst bei, resp. nach der Operation.
Ad. 5. Die Abknickung des Cysticus durch Adhäsionen lässt
sich durch Lösung der Verwachsungen leicht beseitigen: fürchtet
man ihre Wiederkehr, so wird die Excision der Gallenblase das
beste Verfahren sein.
Ich meine indes, dass man mit der Beseitigung der Schleim-
flstel nicht allzu rasch sei. Eine Schleimfistel macht gar keine
Beschwerden, so lange sie offen ist und der Schleim ablaufen
kann. Scbliesst sich die äussere Öffnung, so sammelt sich der
Schleim in der Gallenblase an, und wenn eine Infektion nicht
vorhanden ist, kann ein steriler Hydrops entstehen. Gewöhn-
lich sind aber — schon durch die mit der Aussenwelt offen
kommunizierende Fistel — genug Bakterien im Innern der
Gallenblase vorhanden : es entsteht ein infektiöser Hydrops
der Gallenblase. Dieser macht Schmerzen, und was noch viel
schlimmer ist, er kann durch übermässigen Druck den Cysticus-
— 313 —
stein in den Choledochus treiben : aus einer unangenehmen
Schleirafistel wird eine g-efährliche Gallenflstel, und wenn der
Stein die Papille nicht passiert, so bildet sich eine permanente
Gallenfistel, die geschlossen werden muss, während die Schleira-
fistel, wenn man sie gehörig überwacht, oflfen gelassen werden
kann. Das ist der grosse Unterschied zwischen diesen beiden
Arten von Fisteln, den man sich immer vor Atigen halten soll! —
Bei der Beseitigung der Schleimfistel muss man sehr
auf die Person ihres Trägers Rücksicht nehmen. Ich habe
z. B. einen Patienten operiert und eine Schleimfistel zurück-
gelassen, die zu beseitigen mir niemals einfallen wird, wenigstens
nicht durch Ectomie. Der Fall, der einen Offizier betrifft,
ist im zweiten Teil unter Krankengeschichte Nr. 73 mitgeteilt.
Wenn also ein Offizier, ohne in seinem Berufe erheblich
gestört zu sein, eine Schleimfistel erträgt, so wird eine vor-
nehme Dame, die nichts zu tun hat, erst recht eine Schleim-
fistel in Kauf nehmen können. Ist sie aber so penibel, dass
ihr das „Laufen ihrer Fistel" ein Greuel wird, so schlage ich
die Beseitigung vor, mache aber darauf aufmerksam, dass die
notwendige Operation eine Mortalität von 3"/o hat. Wer sich
dieser Sterblichkeit aussetzen will, der mag sich operieren lassen.
Bei einer Obliteration des Cysticus ist die Operation kaum
je absolut notwendig, bei Steinverschluss ist sie wünschenswert.
Wir können nie wissen, was aus dem Steine wird ; er kann in
den Choledochus geraten und dort grossen Schaden stiften, er
kann auch in die, Bauchhöhle perforieren oder ein Ulcus her-
vorrufen, das später sich in ein Carcinom umwandelt. Gründe
genug, die eine Operation als notwendigerscheinen lassen. Und da
eine Obliteration des Cysticus diagnostisch sich nicht immer von
dem Steinverschluss trennen lässt, kann man sehr wohl unter be-
sonderen Umständen die Beseitigung einer Schleirafistel empfehlen.
Das gilt besonders für ärmere Patienten, die sich nicht schonen und
ihr Abdomen so rein halten können, wie es sich gehört. Das ewige
Verbinden, die Unkosten, die durch die Beschaffung der Verband-
materialien entstehen, mögen bei raanchera Schleirafistelträger den
Wunsch l|iut werden lassen, der Operateur möge die Fistel beseiti-
gen. Auch da, wo die Fistel immer wieder die Tendenz zeigt, sich
vorübergehend zu schliessen, wo Schmerzen eintreten und die Ge-
fahr des Tieferrutschens des Steines in den Choledochus besteht,
ist also nichts gegen eine Operation einzuwenden. Wer sich aber die
— 314 —
Kosten der Verbände leisten kann, wer über einen Arzt ver-
fügt, der immer die Fistel kontrolliert, der soll sich ja die
Notwendigkeit einer Operation mit 3*^/0 Sterblichkeit überlegen.
Man kann nie wissen, ob er zu den 97 Glücklichen gehört, die
durchkommen, oder zu den 3, die sterben müssen. Alter,
Konstitution, Beruf, Lebensauffassung, soziale Stellung spielen
eben auch hier in der Frage : Operieren oder Abwarten ? die
entscheidende Holle. —
Wir wenden uns nunmehr zu den Oalienflsteln.
Wenn die durch eine Cystostomie angelegte Gallenfistel nach
6 — 8 Wochen nicht geheilt ist, muss man stutzig werden und dem
Grunde nachforschen, warum sich die Fistel nicht schliesst.
Verschiedene Ursachen kommen hier in Betracht :
1) Es besteht noch ein entzündlicher Prozess in der Gallen-
blase ;
2) es liegen noch Steine in der Gallenblase ;
3) die Gallenblase resp. der Choledochus wird durch die
Fixation an der Bauch wand zu sehr gezerrt, so dass die Galle
nicht völlig in den Darm fliessen kann;
4) es besteht eine Lippenfistel;
5) es steckt ein Stein im Choledochus;
6} der Choledochus wird durch Adhäsionen abgeknickt;
7) das Pankreas ist verdickt und komprimiert den Chole-
dochus ;
8) es besteht ein Hindernis in der Papille (Narbe, Tumor).
Welche Mittel stehen uns zu Gebote, die verschiedenen
Entstehungsursachen der permanenten Gallenfistel zu ergründen.
Hat sich eine Gallenfistel entwickelt, so rate ich dem
betr. Operateur in erster Linie, dass er noch einmal eine recht
genaue Anamnese aufnehme, oder ist das vor der Operation
bereits geschehen, dass er noch einmal recht gründlich die
Kranken- und Operationsgeschichte studiere. Da steht vielleicht
in der Anamnese: Bei den Koliken trat oft Ikterus ein, und
in der Operationsgeschichte wird das Freisein des Choledochus
ganz besonders betont, während der Pankreaskopf relativ hart
angetroffen wurde. Oder es ist bemerkt, dass die Gallenblase
sehr gross war oder umgekehrt sich nur schwer an das Perit.
parietale hervorziehen liess. Jedenfalls bekommt man durch
ein Studium der Anamnese und des Operationsverlaufs oft einen
recht wichtigen Fingerzeig und ahnt dann meist, warum die
Gallenfistel permanent wurde.
— 815 —
Wir wollen die einzelnen Entstehungsursachen der permanen-
ten Gallenfistel nacheinander durchgehen.
Ad. 1. Es besteht noch ein entzündlicher Prozess in der
Gallenblase.
In einem solchen Falle dürfte die ausfliessende Galle nicht
ganz klar sein. Wer ein firmer Bakteriologe ist, mag in
seinem Laboratorium die Galle auf vorhandene Keime unter-
suchen. Dadurch schwindet aber die Entzündung nicht. Die
Hauptsache ist, dass man die Gallenblase ausspült, damit
die Schleimhaut zur Norm zurückgeführt wird. Bei diesen Spü-
lungen wird man nicht selten zu der Überzeugung kommen,
dass die Entzündung darauf beruht, dass
Ad. 2. noch Steine in der Gallenblase liegen.
Dadurch wird nicht selten die Heilung der Gallenfistel ver-
zögert, aber keineswegs völlig aufgehoben. Ich habe Beispiele,
dass Gallenfisteln sowohl an der Gallenblase wie am Chole-
dochus zuheilen, obwohl grosse — selbst walnussgrosse Steine
in der Gallenblase resp. im Choledochus steckten.
Hat man mit dem Spülk'atheter oder mit der Sonde einen
Stein in der Gallenblase gefunden, so rüstet man sich zu seiner
Entfernung. Ist der Zugang zur Gallenblase noch genügend
weit, so gelingt es schon durch das Ausspülen mit dem Irrigator,
manchmal besser durch Ausspritzen mit einer Spritze, das Kon-
krement herauszuspülen. Sonst nimmt man Kornzangen und
ähnliche Instrumente zur Hilfe. Kommt man so nicht zum
Ziel — man verliere nicht zu bald die Geduld — , so erweitert
man die Fistel stumpf (mit Laminaria) oder mit dem Messer
(unter Schi ei ch'scher Anästhesie). Erweisen sich all' diese
Massnahmen als unzureichend, danii chloroformiere man den
Kranken und entferne in Narkose den Stein. Es wird meist
ohne weite Eröffnung der Bauchhöhle abgehen, im übrigen
wird man sich vor dieser nicht fürchten. Man eröfi'net neben
der Gallenblase das Abdomen, führt den Zeigefinger der rechten
Hand ein und schiebt sich so den Stein funduswärts. Sitzt er
fester im Hals der Gallenblase oder gar im Cysticus, so werden
wir eine regelrechte Laparotomie machen, die später näher be-
schrieben werden soll. Man kann auch statt Kochsalzlösung Öl
in die Fistel spritzen und zu den verschiedenen sog. steinauf-
lösenden Mitteln seine Zuflucht nehmen, zu denen ich persönlich
gar kein Vertrauen habe.
- 316 —
Ad. 3. Die Gallenblase resp. der Choledochus wird durch
die Fixation an das Perit. pariet. zu sehr gezerrt, so dass die
Galle nicht völlig in den Darm fliessen kann. (Fig. 76 und 77.)
Diese Entstehungsursache der permanenten Gallenfisteln
war früher, als die Technik noch in den Kinderschuhen steckte,
recht häufig. Wer mit aller Gewalt die Gallenblase an das Perit.
pariet. heranzerrte, um sie hier zu fixieren, wer die Naht so
anlegte, dass der Fundus mit der Bauchmuskulatur oder gar der
Bauchhaut vernäht wurde, der brauchte sich nicht zu wundern,
wenn permanente Gallenfisteln entstanden. Bei guter Technik
Fig. 76.
Fig. 77.
Schema I für das Zustandokommen von GaUon-
fisteln büi zu straffer Fixation der GaUenblaso
an der Bauchwand.
Tiefliegende Gallenblase in situ.
Schema II für das Zustandekommen von Gallen-
flsteln bei zu straffer Fixation der Gallenblase
an der Bauchwand. Die tiefliegende Gallen-
blase ist zu straff an die Bauchwand fixiert
und knickt den Choledochus bei X ab.
werden wir diese Art Fisteln fast stets vermeiden. Die Gallen-
blase darf eben nicht gezerrt werden, kleinere geschrumpfte
Gallenblasen dürfen überhaupt nicht eingenäht, sondern müssen
mit dem Schlauchverfahren behandelt oder noch besser
excidiert werden. Das Eiedel'sche Trichter verfahren ist
ebenfalls geeignet, Gallenfisteln zu hinterlassen. Man vermeide
also jede Zerrung, nähe die Gallenblase so hoch wie möglich
in die Bauchwunde ein und bedenke immer, dass sie nachschrumpfen
kann. Je weniger man cystostomiert, um so seltener hat man
mit Gallenfisteln zu kämpfen. Die Ectomie ist das beste Mittel,
um Gallenfisteln zu vermeiden, sie ist auch das radikalste Mittel,
um eine bestehende Gallenfistel zu beseitigen.
— 317 —
Trotzdem möchte ich in erster Linie bei solchen Gallen-
fisteln empfehlen, die Gallenblase von der Bauchwand abzulösen,
das Loch zu vernähen und die Gallenblase zu versenken. (Nr. 74.)
Ehe man aber an diese Operation herantritt, muss man
sich klar sein, dass die Gallenfistel nur durch Verzerrung des
Choledochus und nicht durch einen Choledochusstein bedingt ist.
Um diese Entscheidung herbeizuführen, habe ich das sogen.
Stöpselexperiment eingeführt. Auch die von Kuhn angegebene
Ausspülung der Gallen-
wege kommt in Betracht.
Darüber werde ich weiter
unten in einem besonderen
Kapitel sprechen.
Ad. 4. Am leichtesten
erklärt sich die Perma-
nenz der Gallenfistel bei
der Lippenflstel. (Fig. 78.)
Bei der Anlegung der
Gallenfistel wird oft der
P'ehler gemacht, dass man
den Schnitt in die Gallen-
blase zu gross anlegt oder
ihn nicht genügend ver-
kleinert. Das Rohr, wel-
ches man einnäht, braucht
nicht übermässig stark zu
sein und muss so liegen,
dass nirgends Schleimhaut
zu sehen ist. Man muss
dafür sorgen, dass bei der
Naht breite Serosaflächen
gefasst werden, damit die Schleimhaut ordentlich nach innen um-
gekrempelt wird. Tritt keine prima Intentio ein, sondern geht
die Naht auseinander, dann klaff't der Schnitt, die Schleimhaut
prolabiert, um so mehr, je grösser die Gallenblase von vorne-
herein war. Oft hat man Schwierigkeiten, die Gallenblase,
weil sie eben sehr gross ist, gut an das Peritoneum parietale
anzunähen. Manche habe für diese Fälle die Resektion des
Fundus der Gallenblase empfohlen. Ich bin nicht dafür, weil
häufig im weiteren Verlauf die Gallenblase nachschrumpft und
Schema für Lippenflstel (Schleimhaut.prolaps)
nach Cystostomie bei grosser Gallenblase. Die
Schleimhaut bei a, hat sich in die Bauchwunde
vorgedrängt und vereitelt so den Pistelver-
schluss. b) Muskularis und Serosa der Gallenblase.
— 318 —
schliesslich doch eine Zerrung ain Choledochus zu Stande kommt.
Die beste Art, wie gesagt, um eine Lippenfistel zu vermeiden,
ist die gehörige Verkleinerung des Gallenblasenschnitts und die
exakte Naht, damit eine prima Intentio zustande kommt.
Befolgt man diese Vorschriften, so wird man selten eine Lippen-
fistel unter seinen Fällen sehen.
Ad. 5. Bei der Gallenfistel, welche durch einen Choledochus-
stein bedingt wird, ist der Gallenfluss sehr schwankend, je
nachdem der Stein im Choledochus fest oder locker sitzt resp.
wenig, viel oder gar keine Galle an sich vorbei in das Duodenum
fliessen lässt. Wir werden bei dem Abschnitt: Stöpselung der
Gallenblase die Zeichen kennen lernen, welche auf einen durch
Stein bedingten Verschluss des Choledochus hinweisen.
Ad. 6, 7, 8. Die übrigen Verlegungen des Choledochus,
die zur Ausbildung einer permanenten Gallenfistel führen können,
sind schwer zu diagnostizieren: Adhäsionen, Pankreasver-
dickung, Tumor und Narbe an der Papille. Alle Massnahmen,
wie Ausspülungen und Sondierungen, werden erfolglos bleiben
und schliesslich die aufklärende Laparotomie verlangen, die in
solchen Fällen als die sekundäre Cystenterostomie endigen wird.
Wir haben bei den obigen Auseinandersetzungen schon vielfach
Gelegenheit gehabt, die Eingriffe, die wir an Gallen- und Schleira-
fisteln vornehmen, zu erwähnen. Der besseren Orientierung
halber wollen wir das dort Gesagte in den folgenden Abschnitten
sichtlich zusammenstellen und die einzelnen Eingriffe an Gallen-
blasenfisteln der Reihe nach besprechen.
a) Die Sondierung der Gallenblase.
Wenn sich nach der Cystostomie eine Gallen- oder Schleira-
fistel ausgebildet hat, so wird man immer von Zeit zu Zeit
durch Sondierung feststellen, ob noch Steine in der Gallenblase
stecken oder nicht. Denn man soll nicht vergessen, dass auch
bei Absonderung von klarer Galle Konkremente zurückgeblieben
sein können und dass das Fehlen von Schmerzen kein sicherer
Beweis für die Abwesenheit von Steinen ist. So lange der
Cysticus und die äussere Fistel offen sind, die Galle unge-
hindert abfliessen kann, fehlen die Schmerzen, und wenn in
der Gallenblase walnussgrosse Steine liegen.
Die Sondierung soll mit leichter Hand vorgenommen werden.
Man stellt erst durch eine feine Sonde den Verlauf der Fistel
— 319 —
fest und nimmt dann immer stärkere Sonden zur Hand. Dass
diese vorher ausgekocht sind und dass der Operateur auch zu
dieser kleinen Operation sich gründlich wäscht, das versteht
sich von selbst. Niemals soll man die Sonde mit Gewalt
vorwärtsschieben , sondern genau wie beim Katheterisieren
der Harnblase sich vom Instrument leiten lassen. Die rauhe
Schleimhaut der Gallenblase ruft in der sondierenden Hand des
Chirurgen ein ganz bestimmtes Gefühl hervor, das man kennen
muss, das sich aber schwer beschreiben lässt. Oft könnte man
glauben, man berühre einen Stein, so rauh fühlt sich die Schleim-
haut an. Sobald die Sonde sich in einer Schleimhautfalte fängt,
soll man mit dem Vorschieben haltmachen. Es ist sehr selten,
dass man mit der Sonde den Cysticus sondieren kann.^ Ein nor-
maler Cysticus ist überhaupt der Sondierung unzugänglich, nur
ein pathologischer, durch den Durchtritt eines Steines erweiterter
Cysticus ist sondierbar. Ich kann unter meinen 1000 Fällen
die paar Fälle, bei denen die Sondierung gelang, wohl aufzählen.
Meistenteils fängt sich die Sonde im Hals der Gallenblase und die
Sondierung verläuft resultatlos. Nächst der Sondierung der Gallen-
blase besprechen wir die Ausspülung derselben mit Flüssigkeiten.
b)Die Ausspülung der Gallenblase.
Die Technik einer solchen Ausspülung kann verschiedenartig
gehandhabt werden: entweder man führt ein starres (Katheter)
oder ein weiches Instrument (Drain) durch die Fistel in die
Gallenblase und spült die Höhle unter völligem oder nur teil-
weisem Abschluss aus, oder man setzt das Gummirohr des Irri-
gators so aussen auf die Fistel, dass ein völliger Abschluss
hergestellt wird, und lässt nun unter geringerem oder höherem
Druck die Gallenblase voll laufen. Auch Spritzen etc. kann
man zur Ausspülung der Gallenblase benutzen. Als Spülflüssig-
keit verwendet man am besten physiol. Kochsalzlösung.
Diese Spülungen haben einen verschiedenen Zweck. 1. will
man Schleim und entzündliche Produkte herausbefördern; 2. sollen
zurükgebliebene Steine aus der Gallenblase herausgespült werden;
3. sollen Steinchen im Cysticus und Choledochus durch die Pa-
pille des Duodenum in den Darm gedrückt werden.
Die Indikation unter 1 und 2 lasse ich gelten, ja, es unter-
liegt gar keinem Zweifel, dass durch tägliche Ausspülungen der
Katarrh der Gallenblase schneller schwindet und damit die
— 320 —
Heilung- befördert wird. Aber ganz und gar verwerfen muss
ich alle Spülungen, die den Zweck haben, im Cysticus und Chole-
dochus festsitzende Sitze so zu lockern, dass sie abgehen. Ab-
gesehen davon, dass die Spülflüssigkeit meistenteils nur bis zum
Hals der Gallenblase vordringt und gar nicht in den Cysticus^
geschweige denn in den Choledochus gelangt, ist es doch für den
Pat. ein grosses Unglück, wenn man den Cysticusstein in den
Choledochus schwemmt. Ein Cysticusstein ist im Verhältnis zum
Cholodochusstein ein recht harmloses Gebilde. Im gemeinsamen
Gallengang kann jedes Konkrement Veranlassung werden zu
Ikterus und Cholangitis. Wenn es den Ductus cysticus passiert
hat, ist noch lange nicht gesagt, dass es auch die Papilla duodeni
überwinden wird. Das ganze Kuhn' sehe Beginnen der Spülerei
der Gallengänge ist eine gefährliche Spielerei und streng zu
widerraten. Bei Verdacht auf Cysticusstein spüle man die
Gallenblase unter leichtem Druck aus, giesse Olivenöl ein —
dagegen ist nichts zu sagen, aber hat man eine Schleimfistel
vor sich, dann übertreibe man den Druck nicht, damit nicht
doch einmal der Stein in den Choledochus gedrückt wird. Ist der
Stein in den gemeinsamen Gallengang gelangt, dann werden alle
Durchspülungen so gut wie erfolglos sein, für* kleinere abgangs-
fähige Steine besitzen wir hier ein viel besseres Mittel, das ist
die Stöpselung der Oallenblasenflstel.
c) Die Stöpselung der Gallenblasenfistel.
Bei allen Ausspülungen steigern wir den Druck in kür-
zester Zeit oft derartig, dass der Kranke die schlimmste Kolik
empfindet; bei der Stöpselung besorgt die Druckwirkung die
sich allmählich erst im Verlaufe von Stunden stauende Galle.
Sitzt der Stein im Choledochus — nehmen wir an, in der Papilla
duodeni — , so füllt sich nicht nur die Gallenblase mit Galle, sondern
auch die Lebergänge, es entsteht ein allmählich immer mehr
und mehr wachsender Druck, von dem man hoffen kann, dass
er das Hindernis überwindet, resp. das Konkrement in den Darm
stösst. (Nr. 16.) Auch noch in anderer Richtung kann das
Stöpselexperiment wirken. Wenn lange Zeit die Galle aus dem
Hepaticus in die Gallenblase und von da nach aussen fliesst,
so wird der Choledochus immer enger. Verschliesst man jetzt
die Gallenfistel, so dehnt die Galle, die nunmehr gewungen wird
den natürlichen Weg einzuschlagen, den Choledochus wieder
— 821 —
Dann kann man es erleben, dass, nachdem der Stöpsel ent-
fernt ist, die Galle nunmehr gut in den Darm abfliesst und die
Stöpselung also die Heilung der Gallenflstel einleitet.
Von vorneherein war das Stöpselexperinient von mir aber
nicht zu kurativen Zwecken, d. h. zur Austreibung kleiner Steine
und Erweiterung des Choledochus, sondern zu diagnostischen
Zwecken angegeben. Ich wollte wissen, welcher Art das Hinder-
nis war, welches den Gallenabfluss in den Darm störte.
Wenn eine Cystostomiefistel in ca. 6 Wochen noch nicht
geheilt ist, so hat das verschiedene Ursachen, die ich bereits
oben besprochen habe. Die beiden hauptsächlichsten sind
Verlegung des Choledochus durch einen Stein oder Ab-
knickung des Choledochus durch die zu stark nach aussen ge-
zerrte Gallenblase. In den meisten Fällen gelingt es durch das
sogen. Stöpselexperiment, die beiden Arten des Gallenabtluss-
Hindernisses auseinanderzuhalten. Im ersteren Falle wird die
Stöpselung Schmerzen, Koliken, Ikterus und Fieber machen:
die Galle staut sich, der Stöpsel wird herausgedrängt oder
niuss wegen intensiver Schmerzen herausgenommen werden. Im
zweiten Fall werden nur leichte Druckschmerzen kommen , die
Galle fliesst durch die Papille ab, Ikterus tritt nicht auf, der
Stöpsel bleibt ruhig liegen. Das ist die Regel. Doch kommen
Ausnahmen vor, die ich weiter unten erörtern will.
Hier mögen diese Angaben allgemeiner Art, die den Zweck
des Stöpselexperinients klar legen sollen, genügen.
Die Technik eines solchen Stöpselexperiments ist folgende:
Zuerst sondiert man die Fistel. Ist sie sehr eng, so wird sie
mit einem feinen Laminariastift erweitert. Diesen Laminaria-
stift koche ich ca. 2 Min. aus und führe ihn dann durch die
Fistel in die Gallenblase. Mit Watte, CoUodium, Seide und
Heftpflaster wird der Stift befestigt und Patient zu Bette ge-
bracht: 24 Stunden später wird der Laminariastift entfernt.
Schon jetzt erkennt man, ob ein Stein oder nur eine Abknickung
als Hindernis vorliegt. Fliesst bei der Herausnahme des Stiftes
Galle in Strömen ab, so kann man gewiss sein, dass ein Hin-
dernis im Gang vorliegt; ist der Gallenfluss gering, so lag Ab-
knickung vor. Der Laminariastift hat gewöhnlich schon die
Frage beantwortet, so dass das eigentliche Stöpselexperiment
überflüssig erscheint. Glaubt man es aber doch noch hinzufügen
zu müssen, so geht man folgendermassen vor: Ein ca. 6 cm.
Kehr, Technik der GaUensteinoporationoo. 1. 21
— 322 —
langer, konisch zulaufender Holzstift wird ausgekocht, mit steriler
Watte umwickelt und bis fast an das Ende so in die Fistel
hinein gedreht, dass er schon von ganz allein fest und wasser-
dicht liegt. Damit er nicht herunterrutscht, wird er von einer
Fadenschlinge gefasst. Darüber kommt eine Lage Watte, die mit
Collodium befestigt wird. Patient verhält sich im Bett ruhig
und wird vom Arzt genau beobachtet (alle drei Stunden Temp.
messen, Stuhlgang, Urin, Faeces untersuchen). Am nächsten
Tag wird der Holzstöpsel entfernt und die Gallenblase mit
physiol. Kochsalzlösung ausgespült. Die weiteren Massnahmen
hängen von dem Ergebnis des Stöpselexperiments ab.
Sondierung der Gallenblase, ihre Ausspülung und die
Stöpselung der äusseren Fistel sind ungefährliche, unblutige
EingriÖe zwecks Entfernung von Steinen. Führen sie nicht zum
Ziel, so tritt die blutige Operation, die Laparotomie, in ihre
Rechte. Wir kommen hiermit auf die sogenannten sekundären
Laparotomien, in erster Linie auf die sekundäre Ectomie zu
sprechen.
Die sekundären Operationen nehmen in Bezug auf die Des-
infektion und Asepsis, die Schnittführung und die Technik eine
gewisse Sonderstellung ein, so dass ihre Besprechung in einem
besonderen Kapitel gerechtfertigt erscheint.
d) Die sekundäre Cy stec toni ie.
Bei den Vorbereitungen zwecks Erzielung eines aseptischen
Verlaufs muss man auf die bestehende Schleimfistel die grösste
Rücksicht nehmen. Fat. kann natürlich baden, doch ist es
zweckdienlich, die Fistel mit einem Gazestreifen zu verstopfen,
damit nicht etwa das verschmutzte Badewasser in die Gallen-
blase einläuft. Ein grosses Unglück wäre es zwar nicht, denn
man könnte nach dem Bade die Gallenblase mit einer anti-
septischen Flüssigkeit ausspülen. Jedenfalls sind häufige Aus-
spülungen der Gallenblase notwendig, ehe man die Operation
unternimmt. Ist die Schleimfistel sehr eng, so schicke ich
deshalb eine Erweiterung mit dem Laminariastift voraus, um
mir die Möglichkeit der instrumenteilen Entfernung des die
Schleimfistel verursachenden Cysticussteins zu sichern. Davon
hängt es ja überhaupt ab, ob eine sekundäre Laparotomie an-
gezeigt ist oder nicht.
328 -
Klie der Wärter die Bauchhaut des zu Operierenden reinigt,
ist die Fistel noch einmal zu reinigen und mit einem Gazestreifen
zu verschliessen; erst dann beginnen wir, nachdem dieselben
aseptischen Massnahmen wie bei der primären Laparotomie ge-
troffen sind, die Operation.
Der Bauchdeckenschnitt kann auf zweierlei Art (Fig. 79)
geführt werden. Entweder wählt man meinen Wellenschnitt
und .umschneidet die Fistel so, dass man Haut und Narbe samt
der am Perit. parietale an-
gewachsenen Gallenblase
in toto entfernt. Das ist
schwerer, als wenn man
durch den Hakenschnitt
Ozerny's sicii gewisser-
Fig. 79.
massen von der Seite her
an die Gallenblase heran-
pirscht. Der grosse
Hakenschnitt gibt einen
vortrefflichen Einblick in die Bauchhöhle. Der Querschnitt
durchschneidet nur die inneren - 3 des Muse. rect. abd., nicht
den ganzen Muskel, dann kann man den Bauchwandlappen
samt der Gallenblase nach f)ben aussen schlagen und nimmt
nun die Lösung der Gallenblase vom Magen, Netz und
Duodenum etc. vor. Man kann, indem der Assistent den durch
eine Kompresse geschützten Magen sanft nach links unten drückt,
allmählich bis zum Hals der Gallenblase vorrücken und sich
nun überzeugen, wo das Hindernis sitzt, das die Schleimfistel
erzeugt hat. Ehe man sich definitiv zur Ectomie entschliesst,
erwäge man noch einmal genau, ob nicht doch das einfache Vor-
schieben des obturierenden Steins gelingt oder eine Cysticotomie
genügt. Man prüfe, wie die Gallenblase an der Leber festsitzt, ob
eine Ectomie überhaupt möglich, ob der Hals der Gallenblase sich
isolieren lässt, und wie der Pat. beim Ziehen an der Gallenblase
reagiert. Nur nach reiflicher Überlegung soll man die Ectomie vor-
nehmen. Ich beginne dieselbe so, dass ich zuerst die Galleublase
von dei-^Bauchwand ablöse. Dabei ist genau darauf zu achten,
dass kein Sekret in die Bauchhöhle fliesst, und dass der vor der
Operation eingeführte Gazestreifen nicht herausgezerrt wird. Ist
er vollgesogen, so führe man lieber einen neuen Streifen ein, na-
türlich mit einem Instrument, welches man nicht weiter benutzt.
21*
— 324 —
Nach Ablösung der Gallenblase von der Bauchwand verschliesse
ich zuerst das Loch in der Gallenblase durch eine Muzeux-
Zange oder durch einige Nähte, und dann beginnt die typische
Ectomie, die Ablösung der Gallenblase aus dem Leberbett, die
Unterbindung der Art. cystica, die Isolierung des Ductus
cysticus und seine Versorgung durch eine Ligatui'. Dass man
auch dem Choledochus seine Aufmerksamkeit zuwendet, versteht
sich von selbst. Ein Pat. kann einen Stein im Cysticus und
zugleich einen solchen im Choledochus auch ohne Schmerzen haben.
Die Tamponade bei sekundärer Ectomie ist genau so aus-
zuführen wie bei primärer. Beim Hakenschnitt nähe ich sowohl
den Quer- wie den Längsschnitt völlig und leite die Tamponade
(gewöhnlich zwei Tampons) durch das Loch in der Bauchwand
heraus, welches durch Ablösung der Gallenblase von der Bauch-
wand entstanden ist. Es wird also der primäre Schnitt für die
Tamponade benützt. (Nr. 68.) Bei der Naht des Querschnitts,
in dem gewöhnlich einige spritzende Gefässe zu unterbinden sind,
muss man auf ein recht sorgfältiges Zusammenbringen des
durchschnittenen Muse. rect. abd. achten. Ich habe nichts da-
gegen, wenn man hier einige Etagennähte anlegt, doch kommt
man meist mit der Durchstichknopfnaht aus.
e) Die sekundäre Cysti cotora ie.
Fast nach denselben Prinzipien, nach denen die sekundäre
Ectomie ausgeführt wird, verfährt man bei der sekundären
Cysticotoruie. Meistenteils genügt hier der Schnitt in der Mittel-
linie, entfernt genug von der bestehenden Schleimfi>;tel, damit
die Asepsis nicht gestört wird. (Nr. 88.) Einen Querschnitt hin-
zuzufügen ist nur dann nötig, wenn der Längsschnitt für die Frei-
legung des Ductus cysticus nicht genügt. Hat man die Gallenblase
isoliert und den Ductus cysticus vor sich, so urastopft man ihn
erst mit sterilen langen genähten Tupfern, fixiert den Cysticussteia
und schneidet direkt auf ihn ein. Man vermeidet es, durch die
am Hals der Gallenblase liegende Drüse zu schneiden und legt
den Schnitt so, dass die Nahtstelle eventl. mit der Leber sofort
verkleben kann; der Schnitt soll so gross sein, dass der Stein
ohne viel Drücken zu entfernen ist. Nach Entfernung des Steines
schlingt man die Wundränder der Incision mit Haltezügeln von
Seide an oder fasst dieselben mit König'schen Klemmen. Eine
genaue Sondierung der Gallenblase und des Ductus cysticus
— 325 —
ist notwendig-, «ni sich von dem Vorhandensein weiterer Steine
zu tiberzeugen. Sind alle Steine entfernt, so wird der Schnitt
vernäht durch eine Eeihe Serosa-Muscularisnähte mit einigen
Verstärkungen. Die Mucosa wird geschont, damit keine Inkru-
station der Fäden stattfinden kann. Fliesst sofort Galle in die
Gallenblase, so kann man die Naht versenken; der vorsichtige Chi-
rurg wird auf die Naht einen Gazetampon führen und denselben aus
der Bauchwunde herausführen. Die Gallenblase bleibt im übrigen
unberührt, und an der Fistel wird nichts vorgenommen, wenn
nicht gerade eine Lippenfistel vorliegen sollte. In einem solchen
Fall dürite es übrigens keinen Zweck haben, sich erst mit der
Cysticotomie abzumühen, man würde sofort die Ectomie vor-
nehmen. Überhaupt bin ich der Meinung, dass sekundäre Cystico-
tomien zu Gunsten der Ectomie sehr eingeschränkt werden sollten;
primäre Cysticotomien haben schon mehr Zweck, wenn bei akuter,
serös-eitriger Entzündung die Gallenblase nicht exstirpiert wird,
man aber gern den obturierenden Stein im Ductus cysticus sofort
entfernen möchte. — Ich werde auf diesen Punkt noch bei der
Wahl der Operationsmethoden zurückkommen.
Bei kompleter Gallenfistel kommen folgende Eingriöe in
Betracht:
1. Die Ablösung der Gallenblase von der Bauchwand mit
und ohne Vernähung der Gallenblasenfistel.
2. Die Choledochotomie resp. Hepaticusdrainage.
3. Die Hepaticusdrainage und die gleichzeitige Ectomie.
4. Die Ectomie.
5. Die Cysto-Enterostomie.
Zur Auswahl dieser Operationsmethoden bemerke ich Fol-
gendes:
Habe ich durch das Stöpselexperiment die ungefähre Sicher-
heit gewonnen, dass der Choledochus frei ist, so begnüge ich
mich mit der Ablösung der Gallenblase von der Bauchwand.
Man kann in solchen Fällen das Gallenblasenloch zuitähen, da
ja bei der langen Nachbehandlung das Freisein der Gallenblase
von Steinen und Entzündung sichergestellt ist. Docli heilen
solche Ffsteln auch ohne Naht, wenn nur die Zerrung der Gallen-
blase an der Bauch wand aufhört. Der Pat. sieht es aber lieber,
wenn nach der Operation keine Galle mehr läuft, und deshalb
kann man die „Cystendyse" vornehmen. Bei Lippenfisteln ist
dasselbe Verfahren angrezeifft.
— 326 —
Bei Steinen im CholedochuS' ist Entfernung derselben not-
wendig; dabei kann man die Gallenblase unberührt lassen oder
sie entfernen.
Die Ectomie allein hätte nur Zweck, wenn die Besichtigung
der Gallenblase ergibt, dass sie funktionsuntüchtig ist, oder wenn
wegen vieler Adhäsionen Adhäsionsbeschwerden zu erwarten sind.
Die Cysto-Enterostomie kommt in Betracht bei Tumoren des
Pankreas, bei Pankreatitis chronica, bei der Unmöglichkeit, den
Choledochus freizulegen. Dem geübten Gallensteinchirurgen wird
das fast immer gelingen, und deshalb fällt die letzte Indikation
in der Regel fort.
Die Ablösung der vorher gereinigten, mit steriler Gaze trocken
gelegten und tamponierten Gallenblase von der Bauchwand kann
man unter Seh 1 eich 'scher Lokalanästhesie vornehmen. Doch
rate ich zur Chloroformnarkose, da sich bei der Infiltration die
Grenzen zwischen Gallenblasenwand und Peritoneum parietale
leicht verwischen. Ich durchschneide die alte Narbe und löse
die Gallenblase rings vom Perit. parietale ab; das gelingt oft
ohne Eröffnung der Bauchhöhle d. h. in den Adhäsionen; wird
die Peritonealhöhle eröffnet, so schadet das natürlich auch nichts.
Dann schneide ich den narbigen Teil der Gallenblasenfistel
fort, bis ich gesunde Gallenblasenwandung vor mir habe, und
nähe die (Gallenblase mit feiner Seide zu. (Nr. 75, Nr. T(>.) Die
Fäden fassen breit Serosa und Muscularis, verschonen aber die
Mucosa. Vor dem Knoten lege ich unter jeden Faden Draht.
Die Fäden werden lang gelassen, um später in toto entfernt
zu werden. Ein steriler Gazetampon wird auf die Naiit geführt,
die Bauchdeckenwunde im übrigen möglichst verschlossen. Nach
14 Tagen entferne ich sämtliche Fäden und lasse die kleine
Wunde dann durch Granulation heilen.
• f ) Die sekundäre Choledochotom ie.
Die sekundäre Clioledochotoniie unterscheidet sich von der
primären, was Freilegung und Incision des Ganges anlangt, so gut
wie nicht. Nur für die Schnittführung empfehle ich, wenn man
die Gallenblase erhalten will, den Längsschnitt in der Mittel-
linie (Nr. 94) oder den Ilakenschnitt nach Czerny. (Nr. 95.)
Hat man von vorneherein vor, Ectomie und Hepaticusdrainage
auszufühien, so dürfte der Schnitt am besten die alte Narbe
— 327 —
spalten. Mao löst die Gallenblase von der Bauchwand ab,
exstirpiert dieselbe und verfährt nun genau so wie bei der
primären Choledocbotomie resp. Hepaticusdrainage. (p. 213.)
g) Die sekundäre Cysto-Enterostomie.
Auch diese Operation unterscheidet sich nur in wenigen
Punkten von der primären Operation: Die lebhaft fliessende
Gallenfistel — und diese gibt fast nur die Indikation zur
Operation ab — lässt pathogene Keime in der Gallenblase nicht
aufkommen, sodass die aseptischen Vorbereitungen auf keine
grossen Schwierigkeiten stossen. Jedenfalls sind sie leichter
zu überwinden, wie bei Schleimfisteln. Eine Unannehmlichkeit
muss man oft mit in Kauf nehmen, das ist das Vorhandensein
von Wundsein der Haut rings um die Fistel und häufig sogar
von Eczem, durch die Einwirkung der ausfliessenden Galle
bewirkt. Einpuderung von Amylum, Zinkoxydpasten etc. sind
zur Heilung dieser Eczeme zu verwenden. Die prophylaktische
Behandlung der Eczeme leistet das meiste. Sobald die geringsten
Zeichen des Wundseins sich einstellen, muss man durch häufiges
Einschmieren mit Vaseline . oder Zinkleim vorbeugend wirken.
Die Schnittführung zwecks sekundärer Cysto-Eiiterostoniie
kann wie bei der sekundären Ectomie verschieden sein, und wie
dort kann man sich des Wellenschnittes oder des Hakenschnittes
bedienen. Da wir eine Tamponade bei den Anastomosen zwischen
Gallenblase und Darm nicht nötig iiaben, wird man gut tun,
die alte Narbe zu excidieren, diese samt der Gallenfistel zu
entfernen und dann erst den Fundus der Gallenblase soweit
wegzuschneiden, dass man nur noch ein völlig gesundes Organ
vor sich hat. Nur gesunde Serosa-Flächen, die keine Narben
mehr zeigen, soll man zur Naht verwenden. Die weitere
Technik ist bei der primären Operation beschrieben, und ich
brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, dass man sich vor de-
finitiver Vornahme der Anastomose über das Hindernis orientiert,
welches den Gallenfluss zum Darm hin zum Stocken gebracht hat.
Findet man einen Stein, so wird eben die Cholecystcnterostomie
hinfällig, statt ihr käme die Choledocbotomie resp. Hepaticus-
drainage in Betracht, bei unaufgeklärtem Hindernis, bei Obstruk-
tionen durch Tumoren am Pankreas, Duodenum, bei Pankreatitis
chron. etc. wird die Cysto-Enterostomie anzuwenden sein.
— 328 -
Übt man den Hakenschnitt, so kann man die Gallenblase
von der Bauchhöhle her vom Perit. parietale ablösen; man hilft
von der Bauchwunde her nach und wird schliesslich hier die
Narbe um die alte Fistel herum excidieren und so dem Patienten
zu einer festen Narbe verhelfen. Der Hakenschnitt wird völlig
genäht, eine sicher angelegte Gallenblasen-Darmnaht bedarf
keiner Tamponade, im Gegenteil, sie würde wegen der Mög-
lichkeit des Eintritts sekundärer Infektion nur schädlich wirken
und zu einem eventuellen Nachgeben der Nähte Veranlassung
geben. Ob man die Gallenblase mit dem Darm oder Magen in
Verbindung bringt, hängt von der Art des einzelnen Falles ab,
resp. von der Zugänglichkeit des betreffenden Darmabschnittes.
Ganz schwierig sind sekundäre Anastomosen, wenn bereits
vorher eine Anastomose gemacht ist, die aber ihre Funktionen
einstellte oder die von vornherein nicht richtig funktionierte. Hier-
her gehört der seinerzeit lebhaft besprochene Fall Waldeck-
Rousseau. Hier war eine Anastomose zwischen Gallenblase
und Dünndarm hergestellt. Da der Cysticus nicht wegsam war
oder vielleicht auch nach der Operation unwegsam wurde, er-
füllte die Operation ihren Zweck nicht. Der Ikterus bestand
weiter. Mir fiel die Aufgabe zu, einen neuen Abflussweg der
Galle herzustellen. Ich habe in der deutschen med. Wochen-
schrift 1904^ Nr. 35 den Fall veröffentlicht und verweise auf
das dort Gesagte.
10. Einige Winke über die Auswahl der verschiedenen
Operationsmethoden auf Grund meiner Erfahrungen.
a) Die Vorteile und Nachteile der verschiedenen
Operationen am Gallensystem.
Die Beschreibung der Technik der verschiedenen Opera-
tionen am Gallensystem hätte wenig Zweck, wenn man nicht
ihre Vorteile und Nachteile genau auseinandersetzte und dem
weniger Erfahrenen einen Anhalt gäbe, welche Methode er hier
anwenden und dort vermeiden muss. Ich hatte bereits Gelegen-
heit, bei der Beschreibung der ('ystendyse, der zweizeitigen
Cystostomie mich in dieser Hinsicht zu äussern, will aber ver-
suchen, im Zusammenhang meine Ansichten mitzuteilen. Ich
glaube, dass man bei einem Material von 1000 Gallensteinope-
rationen allmählich ein Urteil über die Zweckmässigkeit der
— 329 —
verschiedenen Operationsraethoden bekommt, und dass gerade
der folgende Abschnitt manchem Leser willkommen sein wird.
Von vorneherein müssen wir darüber klar sein, dass der
Stein in der gut zugänglichen Gallenblase eine ganz andere
Operationsmethode verlangt, als ein Konkrement im tiefliegenden
Choledochus. Ist die Gallenblase geschrumpft, so ist die gewöhn-
liche einzeitige Cystostomie kaum durchführbar, weil es selten
gelingen wird, das Organ so an das Peritoneum parietale zu
nähern, dass man es hier sicher fixieren kann. Eine ulcerierte,
schwer beschädigte Gallenblase verfällt am besten der Ectomie,
und wenn der Stein, fest eingekeilt im Ductus cysticus, unseren
Manipulationen nicht weicht, so bleibt nichts anderes übrig,
als den Cysticus zu öffnen und den Stein zu extrahieren oder
die Ectomie auszuführen.
Schon aus diesen wenigen Beispielen geht hervor, dass es
töricht ist, mit einer Methode in allen Fällen auskommen zu
wollen ; man muss sich ganz und gar nach dem Befunde richten
und besonders auf etw^a bestehende Entzündungen Rücksicht
nehmen. Die Drainage spielt jedenfalls in der Gallenstein-
chirurgie die Hauptrolle, weil wir in der überwiegenden Mehr-
zahl der Fälle wegen entzündlicher Prozesse operieren. Aus
diesem Grunde bin ich im Gegensatz zu Kocher der Meinung,
dass die ideale Methode von den gebräuchlichen Operations-
methoden wegen Cholelithiasis auszuscheiden ist. Ich gebe zu,
dass lür gewisse Fülle (offener Cysticus, gesunde Gallenblasen-
wandungen) die ideale Operation passt, doch sind wir nie sicher,
dass nach der Operation auch wirklich alle Steine entfernt sind.
Auch dann, wenn reine Galle durch den Cysticus während der
Operation abfliesst, können sich Steine in Divertikeln verstecken,
aus den Falten des Cysticus nachrücken und Beschwerden
machen. Da wir fast immer im Stadium der Entzündung ope-
rieren, so ist nach chirurgischen Grundsätzen eine gründliche
Drainage, also eine Fistelbildung am Platze. Die Bemühungen
verschiedener Operateure , durch die extraperitoneale ideale
Methode (Anheftung der entleerten und wieder geschlossenen
Gallenblase an das Peritoneum parietale) die Nachteile der Fistel-
bildung zu vermeiden und die Vorteile der idealen Methode aus-
zunützen, kann ich nur als einen Rückschritt auf dem Gebiete
der Gallensteinchirurgie bezeichnen. Es bleiben also zur Ent-
— 330 —
fernung der Steine in der Gallenblase nur die Cystostomie (ein-
zeitig oder zweizeitig) und die Cystectomie übrig.
Ist die Wandung der Gallenblase gesund und ihre Ein-
nähung in die Bauchwunde gut ausführbar, so kann man sich
mit der einzeitigen Cystostomie begnügen. Zweizeitig zu ope-
rieren hat in solchen Fällen gar keinen Zweck, denn bei gut
ausgeführter einzeitiger Cystostomie können wir eine Infektion
sicher ausschliessen. Und das ist doch der einzige Vorteil der
zweizeitigen Operation, dass sie eine Infektion der Peritoneal-
höhle kaum zu Stande kommen lässt. Sonst hat sie nur Nach-
teile : Schwierigkeiten in der Entfernung tiefsitzender Steine,
zweimalige Operation etc. Bei tiefliegender geschrumpfter Gallen-
blase hat man die ^^'ahl zwischen zweizeitiger Cystostomie, dem
Schlauch verfahren und der Cystectomie. Wenn es irgendwie
geht, entferne ich die Gallenblase, da sie geschrumpft und für
den Organismus wertlos geworden ist. Besser als die zwei-
zeitige Methode ist das Schlauchverfahren, obgleich bei An-
wendung desselben eine Infektion der Peritonealhöhle nicht
sicher vermieden werden kann (Nr. 30); aber bei der zweizeitigen
Operation ist die Entfernung tiefsteckender Steine geradezu
unmöglich, so dass man gezwungen werden kann, noch eine
zweite, sehr schwierige Operation (Cysticotomie , Cystectomie)
folgen zu lassen. Ganz zu entbehren ist die zweizeitige Ope-
ration nicht (bei schlechten Narkosen, grosser Schwäche des
Patienten); ich persönlich habe sie unter den letzten 200 Ope-
rationen nur ein einziges Mal nötig gehabt und sie nur an-
gewandt, wenn weder Ectomie noch einzeitige Cystostomie möglich
war. (Nr. 3 — 5.)
War die Gallenblase mit der Bauchwand verwachsen, so wird
man sich mit der einfachen Incision der Gallenblase begnügen,
ohne dabei die Bauchhöhle zu eröffnen. Die Entfernung tief-
steckender Steine, welche sich durch die Entstehung einer
Schleimfistel dokumentieren, geschieht si)äter von der Gallen-
fistel aus mit Kornzangen und Löff"eln und, wenn num so nicht
zum Ziele kommt, durch eine zweite Laparotomie (in der Mittel-
linie).
Ist die Gallenblase entartet, ulcerös verändert, der Cysticus
obliteriert, so kommt die Ectomie in Betracht. Macht diese
wegen fester Verbindung mit der Leber grosse Schwierigkeiten,
so kann man sich mit einer partiellen Pk'tomie begnügen, d. h.
— 331 —
die an der Leberunterfläche festhaftende Gallenblasenwand stehen
lassen, um entweder die Schleimhaut allein zu exoidieren oder
mit dem Paquelin zu zerstören. Eine weitere Indikation zur
Excision der Gallenblase bildet der chronische Cysticusverschluss
dureh einen Stein. Die Gallenblase ist ja schon längst ausser
Kurs gesetzt, der Patient hat sich also an ihren Ausfall gewöhnt.
Bei Stein im Cysticus kommt die Cysticotomie dann in Betracht,
wenn schwere entzündliche Vorgänge die Gallenblasenexcision
verbieten (bei akuter serös-eitriger Cholecystitis). Ich habe die
Cysticotomie zu Gunsten der Ectomie in den letzten Jahren
wesentlich eingeschränkt.
Wir sehen also, dass jede Operationsmethode ihre Indikation
hat und können nur empfehlen, von Fall zu Fall zu entscheiden
und sich nicht von vornherein auf den Standpunkt zu stellen,
dass man mit einer Operationsmethode alle Fälle behandeln solle.
Die Ectomie ist in den letzten Jahren von mir häufiger
geübt worden, da man bei Entfernung des Organs zugleich die
Hauptbildungsstelle der Cholelithen entfernt und so vor einem
Eecidiv am meisten geschützt ist. Erhält man die Gallenblase,
so kann es wenigstens zu Entzündungsrecidiven kommen, und
selbst die Möglichkeit des echten Recidivs ist nicht ganz von
der Hand zu weisen.
In manchen Fällen (bei sehr beweglichen Lebern, schlaffen
Bauchdecken) ist die Ectomie leichter als die Cystostomie
und verdient deshalb als radikalste Meihode den Vorzug der
Fistelbilduiig gegenüber. (Nr. 45.) In vielen Fällen ist die
Ectomie unausführbar und deshalb durch eine Fistelbildung
zu ersetzen ; besonders bei Männern mit straften Bauchdecken
ist die Ectomie keine leichte Operation und am besten durch
die Cystostomie zu ersetzen. (Nr. 10, Nr. 21.)
Man kann sagen, dass im allgemeinen die akuten entzünd-
lichen und eitrigen Fälle sich am meisten zu einer Cystostomie
eignen: hier kommt es in erster Linie auf die Entfernung des
infektiösen Exsudats, erst in zweiter Linie auf die Beseitigung
der Steine an, während die chronischen Formen der Cholelithiasis,
die man im entzündungsfreien Intervall operiert, am passendsten
mit der Ectomie behandelt werden (Ähnlichkeit mit den Ope-
rationen an der Appendix coeci).
Noch hinzufügen will ich, dass jene Gallenblasen, welche
keine Steine mehr enthalten , die aber mit dem Magen , Darm
— 332 —
oder Netz verwachsen sind, am besten excidiert werden. Wenn
man auch durch die Lösung der Adhäsionen häufig zum Ziel
kommt, so heilt man die Kranken am sichersten, wenn man das
Organ vollständig entfernt. AVeil die Gallenblase dann fehlt,
kann es nicht wieder zu einer Stauung und Spannung in -der
Gallenblase kommen.
Für den chronischen Steinverschluss des Choledochus ist
die Choledochotomie mit nachfolgender Hepaticusdrainage das
beste Verfahren. Die Zertrümmerung der Steine im Choledochus
sollte nie absichtlich geschehen ; zerbricht einmal ein Stein bei der
Fixation desselben, so soll man sich mit dieser unfreiwilligen
Choledochotripsie nicht begnügen und sich erinnern, dass die
Trümmer zur Neubildung von Konkrementen Veranlassung geben
können. Ich empfehle daher in einem solchen Falle sofort den
Gang aufzuschneiden und die Hepaticusdrainage anzuschliessen.
Die Choledochotripsie, welche Kocher ein „vorzügliches Ver-
fahren" nennt, muss als Operationsmethode völlig ausge-
merzt werden. Die Ausräumung des Choledochus von der
Gallenblase aus (nach Rose- Kuhn) ist mir bei über 200 Chole-
dochotomien sehr selten gelungen: den Konservativismus in det
Gallensteinchirurgie gar zu weit zu treiben, ist nicht angebracht,
da man sonst nur unvollständige Heilungen erzielen wird. Die
Steine liegen häufig mehr leberwärts im Choledochus, sodass
man sie von der Gallenblase aus gar nicht erreicht, und dann
ist eine glatte Incision des Choledochus weniger eingreifend wie
das Einführen von Instrumenten im Dunkeln und das Quetschen
und Einreissen der Schleimhaut der tiefen Gallengänge. Nur
bei sehr weitem Cysticus ist eine Ausräumung des Choledochus
von der Gallenblase aus möglich. — Einige Chirurgen empfehlen
zuerst eine Cystostomie zu machen und einige Wochen später
den Choledochusstein in Angriff' zu nehmen. Man verringert
dadurch die Gefahr der Infektion, doch dürfte es für den tech-
nisch ausgebildeten Operateur richtiger sein, wenn man sofort
die Choledochusobstruktion beseitigt. Eine zweizeitige Chole-
dochotomie käme in Betracht, wenn der Patient so schwach ist,
dass man die Operation abbrechen muss. Man stopft die Wunde
mit steriler Gaze aus, um nach 14 Tagen auf den Stein ein-
zuschneiden. Doch kann es natürlich vorkommen , dass in der
Zwischenzeit das Konkrement seinen Platz geändert hat. Im
allgemeinen ist die Methode unsicher und tendiert zu grossen
— 383 —
Hernien. Die extraperitoneale Choledochotomie von einem
Lendenschnitt aus nach Tuffier sollte man nur sekundär vor-
nehmen, wenn die Gallenblase leer ist und es absolut nicht
gelingt, von vorneher den Choledochusstein zu entfernen (Ad-
häsionen, Fisteln zwischen Gallenblase und Darm). Man stopft
die Wundhöhle bis auf den Choledochus mit steriler Gaze aus
und entfernt nach 14 Tagen die Tampons, um dann unter
Leitung einer sehr dicken Sonde von hintenher extraperitoneal
vorzugehen.
Die Cholecysto-Enterostomie ist indiciert, sobald die Chole-
dochotomie ganz unmöglich ist (wegen Verwachsungen , tiefer
Lage des Choledochus), oder wenn chronische Entzündung im
Pankreaskopf vorliegt. Mir ist es unter mehr als 200 Clioledocho-
tomien immer gelungen, den Stein zu entfernen, so dass ich zwei-
zeitige Choledochotomien , die Tuff ier'sche Methode oder eine
Cysto-Enterostomie wegen Choledochussteinen nie auszuführen
brauchte.
Es ist für den Leser gewiss von Literesse, die Lidikationen
zur Cystoslomie und Ectomie kennen zu lernen, nach denen
andere Chirurgen zu operieren gewohnt sind.
Einen Standpunkt, der sich mit deni meinigen so ungefähr
deckt, nimmt Richardsonein, der zu folgenden Leitsätzen kommt :
1) Gewisse Erkrankungen, so besonders Geschwulst und
Gangrän, erfordern naturgemäss die Exstirpation der
Gallenblase.
2) Gewisse andere Erkrankungen, z. B. geschrumpfte und
entzündete Gallenblase, lassen besonders bei verdickter
Wandung die ?]xstirpation als das rationellere Verfahren
erscheinen. Dasselbe gilt von der Gallenblase, bei
welcher eine leichte und sicher wirkende Drainage nicht
ausführbar ist, da bei derartigen Fällen das Risiko der
Drainage grösser ist, als das der Exstirpation.
8) Bei erweiterter und infizierter, sowie bei verdickter und
steinhaltiger Gallenblase ist die Drainage vorzuziehen,
denn nach sorgfältiger Drainierung werden derartig affi-
zierle Gallenblasen wieder völlig normal und können dem-
gemäss ihre Funktionen wieder aufnehmen. Die Gallen-
gänge werden dann ebenfalls genügend drainiert, nach-
dem die zeitweilige Schwellung, welche sich um den
Ductus cysticus etabliert hatte, geschwunden ist.
— 334 —
4) Bei akuter Cholecystitis mit schweren Allgemeinsym-
ptomen kommt es mehr auf die Drainage als auf Ex-
stirpation an.
5) Bei chronischer Cholecystitis, verbunden mit Erweiterung
und Verdickung der Gallenblase, schreite man zur Exstir-
pation, besonders wo es sich zugleich um die Einklemmung
eines Steines in den Ductus cysticus handelt, es sei denn,
dass man denselben nach rückwärts in die Gallenblase
schieben kann. Im letzteren Falle ist die Drainage
jedenfalls zum mindesten der Exstirpation gleichwertig.
6) Bei einfacher Cholelithiasis ohne sichtbare Zeichen von
Infektion oder sichtbaren Gewebsveränderungen ist die
einfache Drainage vollständig ausreichend.
7) Bei chronischer Pankreatitis mit oder ohne Cholelithiasis
soll man durch die Gallenblase drainieren. Cholecyst-
ectomie wäre in einem solchen Falle unberechtigt, zu-
mal später eine Wiedereröifnung der Gallenwege indiziert
sein könnte.
Zu ähnlicher Indikationsstellung kommt Szuman:
1. In den meisten, eine chirurgische Behandlung erfordernden
Gallensteinanfällen genügt die einzeitige Cystostomie
zur Herbeiführung einer völligen und dauernden Heilung.
2. Komplizierte Fälle, in denen nebst der Gallenblase auch
die Gänge von schweren Veränderungen (Ulceration der
Blasen wand und Perforation, Cysticusverschluss, septische
Cholangitis) betroffen sind, erheischen eine Kadikai-
operation, d. h. Cystectomie mit Hepaticusdrainage.
3. Eine Obliteration des Choledochus kontraindiziert die
Cholecystectomie, und kommt in diesen Fällen eine Cysto-
oder Choledochoenterostomie, resp. eine Cysticoentero-
stomie in Betracht.
4. Bei Vorhandensein von Steinen und sekundären Ver-
änderungen in den tieferen Gängen und bei bestehender
Atrophie der Blase ist die Choledochotomie mit Drai-
nage angezeigt. Die geschrumpfte (iallenblase lässt
man unberührt.
5. Bei Beschränkung des Prozesses auf die Gallenblase
allein und postoperativer oder spontanf^r Blasenfistel-
bildung kann man, wenn die übrigen Gallenwege sicher
frei sind, und die Galle nicht infektionsverdächtig er-
— 835 —
scheint, nach Ausführung der Ectomie von einer Drai-
nage absehen.
Die Cho lecy s tec to m ie ist nach Robson in folgenden
Fällen von Gallensteinerkrankung indiziert:
1. bei phlegmonöser Cholecystitis;
2. bei Gangrän der Gallenblase;
'S. bei Geschvvürsbildung und Perforationen der Gallenblase;
4. bei chronischer Cholecystitis, wenn die Gallenblase ge-
schrumpft und zu klein ist, um sicher drainiert zu werden,
und der Choledochus frei ist;
5. bei Schleimfistel infolge von Obliteration des Cysticus;
6. bei Hydrops der Gallenblase inTblge von Obliteration des
Cysticus, sowie bei Fällen, in denen die Gallenblase stark
dilatiert ist;
7. bei Fällen von Empyem, wo die Gallenblasenwand sehr
angegriffen ist.
Ich stehe bei der Behandlung der akuten Cholecystitis,
was die Operationsmethode anlangt, auf einem andern Stand-
punkt wie Körte und besonders Riedel, welche die Ectomie
empfehlen, während ich für das Gros der Fälle die Cystostomie
angewendet wissen möchte. Es ist ja richtig, dass man durch
die Entfernung der Gallenblase zugleich das Mikroorganismen-
Nest gründlich ausnimmt resp. aus der Bauchhöhle eliminiert,
aber mir scheint die Operation zu eingreifend, und ich glaube, mehr
Menschen am Leben zu erhalten, wenn ich die Cystostomie empfehle.
Nachdem ich nunmehr 1000 Operationen ausgeführt habe und die
Technik so ziemlich beherrsche, halte ich die Entfernung einer
frisch entzündeten, stark vergrösserten Gallenblase für einen zu
schwierigen Eingriff, als dass ich denselben allgemein empfehlen
könnte. Umgekehrt ectomiere ich im Intervall häufiger, wo
andere Chirurgen sich mit der Cystostomie begnügen.
Dass an Stelle der Naht des Choledochus, wenn irgend
möglich, die Hepaticusdrainage resp. die offene Wundbehandlung
zu setzen ist, ist für mich zur vollen Überzeugung geworden.
Auch i^i diesem Punkte stehe ich zu Riedel in schroffem
Gegensatz, Körte scheint wie ich für die Hepaticusdrainage
zu stimmen. Steine im retroduodenalen Teil des Duodenum
resp. in der Papille sollen, wenn sie nicht leicht dem Drucke der
Finger folgen, herausgeschnitten werden. Kraske hat ganz
recht, wenn er behauptet, dass die Incision dem Quetschen
— 336 —
vorzuziehen ist. Ich habe in lO^jo die Incision nötig gehabt,
Riedel überhaupt nicht. Über dieses rätselhafte gegensätzliche
Verhalten habe ich mich bei der transduodenalen Choledocho-
tomie geäussert.
Ich will die Vorteile und Nachteile der Cystostomie und
Ectomie, der Choledochusnaht und Hepaticusdrainage bei der
Wichtigkeit der Sache noch einmal gegenüberstellen.
Der Vorteil der Cystostomie liegt besonders darin, dass
sich die Operation mehr an der Oberfläche abspielt und, da wir
kein Lebergewebe zu verletzen brauchen, wenig blutig und
gefährlich ist. Zudem ist die Operationsgefahr sehr gering. Wenn
wir aber darauf sehen, womöglich den Cysticus frei zu machen,
so müssen wir doch schon in die Tiefe gehen und mit dem
Finger am Hals der Gallenblase oft stark drücken, um den
obturierenden Stein hier zu entfernen. Ein weiterer Vorteil der
Cystostomie beruht darauf, dass wir von der Fistel aus bei
übersehenen Steinen im Choledochus durch Sondierung und
Bougierung etc. manchmal eine Freimachung des tiefen Ganges
bewerkstelligen können. Kuhn schlägt diesen Vorteil sehr hoch,
ich sehr gering an. Zudem ist die Cystostomie etwas ungefähr-
licher wie die Ectomie — vielleicht um 2'^/o — , aber sie hat
soviel Nachteile, dass sie erst dann zur Ausführung kommen
sollte, wenn die Ectomie nicht möglich ist.
Die Nachteile der Cystostomie beruhen 1. auf der Mög-
lichkeit, dass man leicht kleine Steine im Cysticus übersieht,
2. auf dem häufigen Vorhandensein von Ulcerationen im Hals,
die später zu Obliterationen und 3. zu Schleimfisteln führen;
4. durch die Anheftung der Gallenblase an die Bauchwand
kann es zu Zerrungen (Nr. 12), zu Abknickungen am Choledochus,
zu erneuter Entzündung und zu falschen Rezidiven kommen.
Gallenfisteln sind keine Nachteile der Cystostomie, bei guter
Technik sind sie vermeidbar, wo sie trotz guter Technik ent-
stehen, beweisen sie, dass der Choledochus noch nicht frei ist,
und geben somit das Signal, dass der Fall noch nicht geheilt
ist und weitere Massnahmen nötig sind.
Die Ectomie habe ich Anfangs der 90er Jahre nur dann
vorgenommen, wenn die Gallenblase nichts mehr wert war,
wenn sie ulceriert, perforiert oder gar carcinomatös entartet
war. Später excidierte ich auch ganz gesunde Gallenblasen,
da die Operation in wenigen Minuten beendet werden konnte
— 337 —
und deshalb oft leichter war wie die leichteste Cystostomie.
Die Nachteile der Cystostomie — das Übersehen von kleinen
Steinen in den Falten des Cysticus, die Unkontrollierbarkeit
des Gallenblaseninnern, die relative Häufigkeit von Ulcerationen
im Gallenblasenhals, die zu Obliterationen und danach zu den un-
angenehmen Schleimfisteln, selbst zur Carcinomentwicklung
(Nr. 67.) führten, — diese Nachteile lernte ich eigentlich erst
durch die Ectomie kennen. Die Tatsache, dass die Gallenblase
die Hauptbildungsstätte der Cholelithen, und dass sie bei der
Revision des Cysticus und Choledochus dem Operateur ira Wege
ist, lernte mich das Organ immer mehr verachten, und so kam
es, dass ich, je mehr ich operierte, um so öfter zur Excision
schritt. Dabei machte ich die Beobachtung, dass Patienten
ohne Gallenblase die besten Dauerheilungen boten und nicht
wieder an Entzündungs- und Adhäsionskoliken erkrankten. Die
Fälle, in denen ich die Gallenblase zurückgewünscht hätte — bei
übersehenen Steinen im Choledochus — kamen so selten vor,
dass ich keine Veranlassung hatte, meinen Krieg gegen die
Gallenblase bis aufs Messer aufzugeben. Es ist ja richtig,
dass ein kleiner Stein, der im Choledochus zurückblieb, nach
ausgeführter Cystostomie von der Fistel aus durch Ausspülungen
(Kuhn) gefunden und beseitigt werden kann, aber wenn man
sogleich zur Ectomie die Hepaticusdrainage fügt, übersieht man
so leicht keinen Stein, und kommt das doch vor, so kann man
ihn während der Nachbehandlung aus dem Choledochus heraus-
spülen. So sehr ich die Ausspülungen der Gallengänge nach
der Hepaticusdrainage empfehle, so wenigen praktischen
Wert messe ich denselben bei der Cystostomie bei, um dem
Stein im Choledochus beizukommen. Hier soll man wenn mög-
lich nicht Cystostomien , sondern Ectomien machen und zur
Exstirpation der Gallenblase die Hepaticusdrainage hinzu-
fügen.
Ich nehme also bei der Ectomie nicht mehr Rücksicht, ob
das Organ krank oder gesund ist, sondern ich richte mich haupt-
sächlich danach, ob die Gallenblase überhaupt exstirpierbar ist.
Besonders bei den akuten Fällen, bei denen der Hals sehr ver-
dickt ist, ist die Excision ein technisch sehr schwieriger EingriflF,
den ich durch die Fistelanlegung ersetzt wissen möchte. Ebenso
ist bei Männern, bei denen die Hantierung in der B9,uchböhle
auch bei tieter Narkose unangenehmes Würgen und Pressen
Kehr, Technik der Gallenateinoperationen. I. ^2
— 338 —
hervorruft, die Cystostomie der Ectomie vorzuziehen. Setzt
man in solchen Fällen mit aller Gewalt die Ectomie durch, so
hat man schlechte Erfolge und vergrössert ganz unnütz die
Mortalität der Gallensteinoperationen.
Körte und Riedel möchten auch, wie bereits oben bemerkt,
bei akuter Eiterung der Gallenblase ectomieren ; ich stimme ihnen
bei, wenn es sich um die phlegmonöse und nekrotisierende Form
der Cholecystitis handelt. Man entfernt mit einem Schlag das
ganze gefährliche Organ und beseitigt so am schnellsten den Infek-
tionsherd. Aber so leicht ist die Ectomie einer akut entzündeten
Gallenblase doch nicht, dass man die Excision als Normalmethode
hinstellen könnte. Es gehört schon eine sehr erprobte Technik
dazu , wenn man solche Operationen ohne Schaden für den
' Kranken glücklich durchführen will. Ich selbst habe genug
akut entzündete Gallenblasen mit Erfolg exstirpiert, neige aber
in solchen Fällen mehr der Erhaltung der Gallenblase, d. h.
der Cystostomie zu. — Dass einmal in einer erhaltenen Gallen-
blase nach Cystostomie sich nachträglich noch ein Carcinoni ent-
wickeln kann, ist richtig (Nr. 67), doch ist das Carcinom der
Gallenblase relativ so selten, dass es bei der Frage, ob Cysto-
stomie oder Ectomie, schwerlich den Ausschlag geben kann.
Die A'orleile der Hepaticusdrainage gegenüber der Chole-
dochotomie mit Naht sind bereits bei der Beschreibung der
Operationen selbst erörtert und werden noch bei der Nach-
behandlung hervorgehoben werden, so dass ich mich hier ganz
kurz fassen und folgende Sätze formulieren kann :
1. Bei der Choledochotomie mit Naht hat man in 15 — 20"/o
der Fälle unechte Rezidive (d. h. zurückgelassene Steine), bei
der Ilepaticusdrainage nur in 2^/,).
2. Die Ilepaticusdrainage ist rascher zu erledigen wie die
Choledochotomie mit Naht und ist deshalb ungefährlicher.
3 Die Hepaticusdrainage beseitigt rascher die im Gang
mehr oder weniger ausgebildete Entzündung wie die Chole-
dochotomie mit Naht, auch deshalb sind die Erfolge der
Hepaticusdrainage besser.
Diese Vorteile sollte man recht benutzen und deshalb der
Ilepaticusdrainage vor der Choledochotomie mit Naht den
Vorzug geben!
Nachteile der Hepaticusdrainage könnten dadurch ent-
stehen, dass von aussen her durch das eingeführte Rohr eine Ent-
— 339 —
zündunü: der Lebergänge zu Stande käme. Ich habe etwas
derartiges nie beobachtet, und dann könnte, wie auch Törn-
quist hervorhebt, eine narbige Verengerung des Chole-
dochus zu Stande kommen. Auch in dieser Beziehung kann
ich jedes Bedenken zerstreuen, ja ich glaube, dass durch die
Naht eher eine Stenose erzeugt werden kann, wie durch die
Hepaticusdrainage. Natürlich ist diese Methode noch ein zu
junger Eingriff, als dass man zu einem endgiltigen Urteil
berechtigt ist, aber ich habe in den 7 Jahren, in denen ich die
Hepaticusdrainage übe, noch keinen Operierten über Beschwer-
den klagen hören, die auf eine Stenose des Choledochus hin-
deuteten; in den Fällen, in denen ich nach einer Hepaticus-
drainage zum zweiten Male operieren musste, habe ich nicht eine
Verengerung des Gangs, sondern vielmehr oft eine Erweiterung
desselben feststellen können. Es sind also die Vorteile der
Hepaticusdrainage so in die Augen springend, dass man sie,
wo nur möglich, anw^enden sollte. Bei sehr engem Hepaticus
(Nr. 96), bei tiefer Lage des Gangs, ist die Hepaticusdrainage
schwer durchführbar, und da auch in solchen Fällen die Naht
technisch nicht leicht ist, wird man die Choledochotomie ohne
Naht mit reichlicher Tamponade ausführen müssen.
b) Die liistorische Entwicklung der Gallenstein-
chirurgie in meiner Klinik.
Während meiner über 2 Jahre währenden Assistentenzeit an
der Klinik des Herrn Oeheimrat Meusel und am Krankenhaus in
Gotha hatte ich nie Gelegenheit gehabt, eine Gallensteinoperation
zu sehen. Audi während meiner Studien nach dem Staatsexamen
in Wien und Berlin sah ich keinen Chirurgen eine 'solche Ope-
ration ausführen.
Meine erste Gallensteinoperation führte ich in meiner Privat-
klinik in Halberstadt am 22. Mai 1890 aus. Ein reiner Zufall
führte mir diese Pat. zu. Es handelte sich um ein älteres
Mädchen, das alle Erscheinungen der Pylorusstenose hatte, viel
Erbrechen, Magenerweiterung. Als Ursache fand ich bei der
Untersuchung einen grösseren Tumor rechts von der Mittellinie,
den andere Ärzte und ich für einen carcinomatösen Pylprus
hielten. Aber durch die Operation stellte sich heraus, dass wir
uns geirrt hatten: der Tumor war die mit Steinen angefüllte
Gallenblase, welche mit dem stenosierten und hypertrophischen
22*
- 340 —
Pylorus verwachsen war. Ich machte die Erweiterung des
Pylorus nach Loreta, eröffnete die Gallenblase, entleerte, ver-
nähte und versenkte sie (Cystendyse). Noch heute ist Fat.
gesund.
Der Fall sprach sich herum, und nun meldeten sich mehr
Gallensteinkranke. Ich bekam für diesen Zweig der Chirurgie
Interesse, studierte die Bücher von Riedel und Courvoisier
und begann fleissig Gallensteine zu operieren. Unter dem Ein-
druck der Lektüre des höchst anregend geschriebenen Buches
RiedeTs: „Die Gallensteinkrankheit mit und ohne Ikterus"
operierte ich so ziemlich jeden Gallensteinkranken^ der in meine
Klinik kam. Nur die Fälle, bei denen unter Ikterus Steine ab-
gingen, stellte ich zurück. Meine Indikationsstellung war damals
extrem, jetzt ist sie zurückhaltend geworden.
Ich hatte in meinem ersten Fall mit der Cystendyse Glück
gehabt^ also vernähte und versenkte ich die Gallenblase weiter.
Aber die nächsten Fälle eigneten sich nicht zur Cystendyse,
da zugleich Ikterus bestand. Ich musste eine Fistel anlegen.
Die zweizeitige Cystostomie habe ich überhaupt methodisch
nicht geübt: ich konnte mich durch die einzeitige Operation
von der Unzweckmässigkeit dieser Operation und von den Vor-
teilen der einzeitigen Cystostomie hinlänglich überzeugen.
Die Vorteile der Cystostomie — zur Excision ging ich
erst später über — zeigten mir aber auch allzu oft ihre Nach-
teile, besonders die Ausbildung der Schleimflsteln fiel mir auf.
Gegen diese machte ich 1892 meine erste sekundäre Cysticotomie
und ging dann zur primären Cysticotomie über, von der ich
hoffte, dass sie die Ectoraie wesentlich einschränken würde.
Mit def Zeit — um das Jahr 1895 herum — sah ich ein,
dass die Ectomie in vieler Hinsicht der Cystostomie überlegen
sei, und nun begann ich die Cystostomie und damit auch die
Cysticotomie einzuschränken und habe seitdem besonders die
Ectomie kultiviert. Besonders die geschrumpften Gallenblasen,
die sich nicht zur Cystostomie mit Einnähung in das Perit.
parietale eigneten, unterwarf ich mehr der Ectomie als dem
sogen. Schlauchverfahren, welches später Poppe rt als die
wasserdichte Drainage proklamierte. —
Die erste Choledochotouiie mit Naht in Verbindung mit
einer Cystostomie habe ich bereits im Jahre 1891 ausgeführt.
Ich nähte zuerst alle Choledochotomieincisionen, kam aber immer
— 341 —
mehr zur Überzeugung, dass die Naht viele Nachteile hatte.
Am 27. April 1897 führte ich meine erste Hepaticusdrainage aus,
und seitdem habe ich fast regelmässig die Choledochusincision
offen gelassen und ein fiohr zur Ableitung in den Hepaticus
geschoben.
Je mehr ich operierte, um so radikaler wurde
ich in der Technik, und um so konservativ e r wurde
ich in der Indikations Stellung. Schliesslich führte ich
die Cystostomie nur noch aus bei schwerer, akuter eitriger Chole-
cystitis, wobei auch die Cysticotomie ihre Berechtigung hat,
während ich bei allen chronischen Entzündungen der Ectoniie den
Vorzug gab. Der Umstand, dass sehr häufig Steine im Chole-
dochus sich latent verhalten, während nur die Gallenblasen-
und Cysticussteine sich verraten, hat mich veranlasst, last in
allen F'ällen auch dem Choledochus die vollste Aufmerksamkeit
zuzuwe\iden und häufig zur Ectomie die Hepaticusdrainage hin-
zuzufügen.
Die Anastomosenbildung zwischen Gallensystem und Darm,
die ich anfangs wenig liebte, führe ich jetzt bei chronischem
Ikterus gern aus, da dieser oft auf Pankreatitis chronica beruht.
Man hat bei dieser Krankheit durch die Cysto-Enterostomie aus-
gezeichnete Erfolge, so dass die unausbleiblichen Misserfolge
bei Carcinom keine Rolle spielen. Anfangs übte ich die Cysto-
Enterostomie, jetzt bin ich ein Anhänger der Cysto-Gastrostomie.
Wo der Magen klein ist und weit nach links liegt, sich das
Duodenum bequem an die Gallenblase heianbringen lässt, ziehe
ich die Cysto-Duodenostomie der Cysto-Gastrostomie natürlich
vor. Aus den im II. Teil aufgeführten Krankengeschichten ist
ersichtlich, dass ich nicht auf eine Methode schwöre, sondern
meine Technik ganz und gar den gerade vorliegenden Verhält-
nissen anpasse.
Man sieht, dass ich in der Wahl der Operationsmethoden
grosse. Wandlungen durchgemacht habe. Anderen Chirurgen
und besonders Riedel ist das genau so ergangen. Wie hat
dieser Chirurg anfangs die zweizeitige Operation in den Himmel
gehoben, wie hat er vor der Ectomie gewarnt. Und jezt! Die
Cystostomie übt er selten, um so mehr exstirpiert er Gallen-
blasen, und nur in der Wahl zwischen Choledochotomie mit Naht
und Hepaticusdrainage sind wir uns noch nicht einig. Ich hoffe,
dass diese Einigkeit noch hergestellt wird , dann kann man
-- 842 -
sagen, dass besondere Differenzen wenigstens in der Auswahl
der Operationsnietlioden nicht mehr vorliegen.
Die von Poppert als wasserdichte Drainage der Gallen-
blase bezeichnete Methode habe ich schon Jahre lang zuvor als
Schlauchverfahren geübt. Riedel verwirft diese Methode, aber
in vielen Fällen, wo man weder die reguläre Cystostomie noch
auch die Ectomie ausführen kann, ist das Schlauchverfahren ein
gutes Auskunftsmittel, das man in der Not gern benutzen wird.
Wer die Wandlungen meiner Operationstechnik genau kennen
lernen will, dem empfehle ich die Lektüre meiner Arbeiten : „Die
Entfernung des eingeklemmten Gallensteins aus dem Ductus
cysticus (Chir. Kongress 1894)" und „Die Behandlung der cal-
culösen Cholangitis durch direkte Drainage des Ductus hepaticus.
(Münch. med. Wochenschr. 1897. Nr. 41.)"
An neuen Operationen führte ich aus die Unterbindung
der Art. hepatica wegen Aneurysma, die Resektion des Ductus
choledochus, die Hepatico-Enterostomie, die Cholangio- Entero-
stomie*), die Einpflanzung des Fistelgang seiner Pankreascyste in
die Gallenblase mit nachfolgender Cysto-Gastrostomie. Über diese
neuen Operationen habe ich auf dem Chirurgen -Kongress 1904
berichtet.
Erst kürzlich habe ich die „Choledochusfege" beschrieben,
eine Operation, welche bei der Unsicherheit, den Choledochus
zwischen der Incision im supraduodenalen Teil und der Papilla
duodeni von Steinen und Steintrünimern zu befreien, vielen
Chirurgen recht willkommen sein dürfte. Aber auch diese Me-
thode deckt sich fast mit dem Ze 1 1 e r'sclien Verfahren, so
dass von einer neuen Idee keine Rede sein kann.
Also noch nach 14jähriger angestrengter Tätigkeit auf dem
Gebiete der Gallensteinchirurgie kam ich in die Lage, neue
Operationen auszuführen, und schon dieser Umstand beweist,
dass wir noch lange nicht von einem Abschluss in der Technik
der Gallensteinoperationen reden können. Wenn auch die Zahl
der verschiedenen Eingriffe sich kaum vermehren lassen wird,
so ist an der Technik derselben noch genug auszubessern. Man
wird auch nicht verlangen, dass eine so junge Disziplin wie
die Gallensteinchirurgie vollkommen dastehen kann, und es wäre
verkehrt, wenn wir Chirurgen weitere Verbesserungen für un-
*) Vor mir bereits von Czorny ausgeführt. (Anm. w. d, Korr.)
— 343 —
nötig hielten. Wir Chirurgen sind aber nicht nur berufen,
Techniker zu sein; wir können durch die zahlreichen Autopsien
in vivo — und darauf sollte man den Hauptwert legen ! — die
pathologische Anatomie mehr und mehr ausarbeiten und werden
auf diese Weise unsere Fähigkeiten in der Diagnose und In-
dikationsstellung erheblich verbessern. Freilich dürfen wir
unsere erworbenen Kenntnisse nicht für uns behalten, sondern
müssen sie unseren inneren Kollegen mitteilen.
„Die Kunst sei noch so gross, die dein Verstand besitzet,
Sie bleibt doch lächerlich, wenn sie der Welt nicht nützet."
Die mir eigene, vielleicht etwas „pathologische" Mitteilsam-
keit entspringt nicht der Absicht, für mich und meine Klinik
Propaganda zu machen , sondern vielmehr dem Wunsche , die
Gallenstein-Chirurgie auszubilden, die inneren Kollegen zu be-
lehren, die Gegner der Operation zu vermindern, neue Freunde
für die Gallensteinchirurgie zu gewinnen und dadurch unseren
Kranken zu nützen.
Im übrigen sind meine Verdienste um die Gallenstein-
chirurgie sehr gering. Die Cysticotomie hatten vor mir schon
Hochenegg, Lindner, Küster ausgeführt, ich hatte nur
Gelegenheit, an einer Reihe von Fällen die Methode zu üben
und ihre Technik zu verbessern. Ebenso verhält es sich mit
der Hepaticusdrainage; englische und amerikanische Chirurgen
haben sie vor mir — wenn auch nur sehr vereinzelt — geübt
und mir blieb nur übrig, ihren Wert an vielen Operationen zu
beweisen. Auch die Idee der Unterbindung der Art. hepatica
bei Aneurysma und der Cholangio -Enterostomie stammt nicht
von mir, sondern von Langen buch. Dass bei meinem grossen
Material sich einmal ein Choledochus - Carcinom finden würde,
das sich für eine Resektion des Ganges eignete, das ist gewiss
kein Verdienst, vielmehr handelt es sich hier mehr um einen
glücklichen Zufall. Mein Verdienst besteht lediglich darin, dass
ich trotz Einwendungen vieler Kritiker und Gegner nicht nach-
gelassen habe, die von mir geliebte Gallensteinchirurgie weiter
auszubilden. Dass ich in zahlreichen Publikationen die Erfolge
und Misserfolge meiner Operationen in ungeschminkter Treue und
Wahrheit veröffentlicht habe, das betrachte ich als kein Ver-
dienst, sondern wie man zu sagen pflegt als „verdammte Pflicht
und Schuldigkeit". Wenn dem praktischen Arzt immer wieder
— 344 —
die Operation empfohlen wird, so will dieser vor allen Dintren
wissen, wie gefährlich die Operation ist. In manchen grossen
Arbeiten über Gallensteinchirurgie älterer Operateure geht man
über diese wichtige Frage hinweg und gibt dem Leser keine
Gelegenheit, sich in dieser Beziehung ein Urteil zu bilden.
Es war für mich nicht uninteressant festzustellen, wie sich
von Jahr zu Jahr die Zahl meiner Operationen in meiner Klinik
vermehrt hat.
Ich führte
aus:
1890
= 2
1898
= 75
1891
= 4
1899
= 88
1892
= 18
1900
= 90
1893
= 30
1901
= 94
1894
= 46
1902
= 105
1895
= 51
1903
= 124
1896
= 72
1904
= 127
1897
= 74
In fast 15 Jahren: 1000 Operationen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass ich anfänglich in Halber-
stadt allein Gallensteine operierte, während jetzt im Halber-
städter Salvator- Krankenhaus dieser Zweig der Chirurgie sehr
blüht, und dass ich meine Indikationen eingeschränkt habe.
Würde ich nach den Indikationen heute noch operieren, nach
denen ich vor 10 Jahren handelte, so würdeich nicht 125, sondern
250 Operationen im Jahre ausführen. Je älter man wird, um
so klüger wird man nicht immer ; bei der Indikationsstellung
zur Operation scheint das für mich aber wirklich zuzutreffen.
C) Die Nachbehandlung der Gallensteinoperierten.
i. Allgemeiner Teil.
„Niclit Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bei dem Werke seinl" '
Dieses Wort aus Goethe's Faust kann so recht als Motto
für den Abschnitt „Nachbehandlung" gelten. Denn die pein-
lichste Asepsis bei den Verbandwechseln, die sorgsamste Aus-
spülung der Gallengänge und die vorsichtigste Sondierung der-
selben allein machen den Erfolg der Operation nicht aus. Ver-
liert der Patient vorzeitig die Geduld, so ist eine völlige Hei-
lung — Beseitigung sämtlicher Steine, Freimachung des Gallen-
systems von Entzündung und Wiederherstellung der Durchgängig-
keit des Cysticus und Choledochus — nicht immer möglich. Und
umgekehrt, lässt der Oper«,teur es an der gehörigen Geduld
fehlen, so reicht alles Wissen und Können, alle Technik und
manuelle Fertigkeit nicht aus, um dem Patienten die so lange
entbehrte Gesundheit wiederzuschenken.
Man kann gar nicht genug darauf hinweisen, dass das
Bestreben einzelner Chirurgen, in 2—3 Wochen eine völlige
Heilung herbeizuführen, gar keinen Wert hat. Wer die Gallen-
blase entleert, vernäht und versenkt, und den Bauch ohne Tam-
ponade verschliesst, der mag das vorgesteckte Ziel dann und
wann erreichen. Aber wie oft können bei solch' idealen Ope-
rationen Steine zurückbleiben! Kein Mensch, der jahrelang
krank ist und auf eine lange Leidenszeit zurückschaut, verlangt,
dass er in 2 bis 3 Wochen völlig geheilt ist. So sehr ich das
möglichst rasche Operieren schätze, so wenig bin ich für eine
rasche Nachbehandlung. Ich behalte keinen Patienten auch
nur eine Stunde unnütz in der Klinik, aber ich treibe auch nicht
zur Eile; ich lasse die Patienten 3 Wochen im Bette liegen,
damit die Narbe möglichst fest werde, und lasse erst ganz
allmählich den Operierten zu der gewöhnlichen Tätigkeit
übergehen.
— 346 —
Vielbeschäftigte Chirurgen müssen oft notgedrungen die
Nachbehandlung ihren Assistenten völlig überlassen, da sie kaum
Zeit finden, das operative Material zu bewältigen. Dagegen
ist nichts einzuwenden, wenn es sich !lm erfahrene und speziell
in der Gallensteinchirurgie bewanderte Assistenten handelt. Aber
wie selten hat der junge Assistent, der direkt von der Universität
kommt, eine Gallensteinoperation richtig gesehen! Sein Platz
war semesterlang auf der obersten Reihe des Amphitheaters,
und um den Operationstisch herum standen immer so viel Ärzte,
dass die Fernsicht noch mehr getrübt wurde, und bei dem paar
Mal Praktizieren wurden gerade keine Bauchoperationen aus-
geführt. Es ist auch später noch nichts ganz Seltenes, dass
ein junger Arzt nie eine Gallensteinoperation gesehen hat. Wie
soll er da die richtige Nachbehandlung einschlagen können.
Die Nachbehandlung der Gallensteinoperierten verlangt,
dass der Operateur sich selbst um den Patienten bekümmert,
und wer der Meinung ist, dass mit der Vollendung der Operation
alles geschehen ist, um dem Kranken die Gesundheit wieder zu
geben, der ist sehr im Irrtum. Die Nachbehandlung ist oft
schwieriger wie die eigentliche Operation, und gerade nach den
Eingriffen an den Gallenwegen bedarf der Patient einer fort-
währenden Überwachung von Seiten des Arztes. Deshalb stand
ich von vorneherein auf dem Standpunkte, dass es nicht an-
gebracht ist, die Operation im Hause des Kranken vorzunehmen.
Ich habe diesen Punkt bereits bei den Vorbereitungen berührt
und dabei auf die Nachbehandlung verwiesen, deren exakte
Durchführung in einem Privathause kaum möglich ist. Im
Krankenhaus und in der Klinik dagegen ist fortwährend ein
Arzt zur Stelle — wenigstens sollte das so sein — , der im Augen-
blick drohender Gefahr eingreifen kann; liegt ein Patient in
seiner Privatwohnung, so niuss erst zum Arzt geschickt werden.
Ehe dieser eintrifft, kann das Schlimmste sich ereignet haben.
In gewissen Fällen habe ich nichts gegen Hausoperationen
einzuwenden; wo Patient schwer oder gar nicht transportabel
ist (bei schweren Verletzungen), oder wenn der Transport
schaden könnte (bei Peritonitis), mag man immerhin den Wunsch
des Patienten, im Hause operiert zu werden, berücksichtigen.
Aber bei unseren Transportmitteln ist selbst bei Schwerkranken
eine Beförderung im einfachen Krankenkorb oder im be-
quemen Krankensalonwagen fast niemals von Schaden. Ich
— 347 —
habe Fälle von schwerster Cholangitis aus dem Süden Russlands
oder aus Ungarn in meine Klinik transportieren lassen , ohne
dass der Patient durch die Reise irgendwie belästigt worden
wäre. Man muss nur dem Patienten nicht immer gleich nach-
geben. Niemand geht gern in ein Krankenhaus oder in eine
Klinik; wenn man aber dem Kranken die grossen Vorteile der
Krankenhausbehandlung auseinandersetzt, so sieht er bald ein,
dass der Arzt nicht in seinem eigenen Interesse, sondern in dem
des Kranken handelt. Denn was soll ich dabei haben, wenn
ich die Operation in einer fremden Stadt ablehne und auf
einem Transport in meine Klinik beharre? Die Angehörigen
würden gerne das dreifache Honorar zahlen von dem, welches
bei reichen Leuten in meiner Klinik üblich ist, und ich würde
bei einer auswärtigen Operation die Verantwortung der Nach-
behandlung auf die Schultern anderer laden können und brauchte
mich nicht um den weiteren Verlauf zu bekümmern.
Setzen wir den Fall einer Ectomie. Die Operation ist im
Privathause glatt verlaufen, denn man hat schon tags zuvor
ein eigenes Operationszimmer hergerichtet, die Gardinen ent-
fernt, den ganzen Raum, mit Formalin desinfiziert, Schüsseln
und alles, was mit den Ärzten in Berührung kommen könnte,
abgeseift und ausgekocht. Der Patient hat auch eine gute
Pflege, indem zwei bestellte Schwestern sich in die Tag- und
Nachtwachen teilen können. Die ersten 24 Stunden war der
Verlauf glatt. Da plötzlich nach heftigem Erbrechen kollabiert
der Operierte, der dicke Verband ist mit Blut durchtränkt,
die Ligatur an der Arteria cystica hat nachgegeben. Rasch
zum Arzt schicken , gellt es durch das Haus. Dieser kommt
sofort, erkennt die drohende Gefahr, aber allein kann er doch
unmöglich zu der nötigen Operation schreiten, ein zweiter und
dritter werden herbeizitiert. Ehe das Verbandzeug hergerichtet
ist, die Hände sterilisiert sind, kann Patient sich längst ver-
blutet haben. In einer Klinik ist fortwährend alles bereit. In
wenigen Minuten liegt der Patient auf dem Operationstisch, und
der Operateur und zwei Assistenten sind imstande, das schwer
bedrohte Leben dem tödlichen Schicksal zu entreissen. Es gibt
ja nun allerdings auch Chirurgen, deren geringes Material es
nicht erlaubt, einen oder zwei .Assistenten anzustellen. Wenn
sie nun gar nebenbei Stadtpraxis treiben und oft schwer auf-
findbar sind, so kann diesen trotz gut durchgeführter Opera-
— 348 —
tionen auch einmal das Missgeschick passieren, dass sie einen
Patienten am Verblutungstod verlieren. Entweder sollten solche
Ärzte die verantwortungsreiche Chirurgie aufgeben, oder sie
müssten sich entschliessen, einen festen Assistenten in ihr Haus
aufzunehmen. Ich halte es überhaupt für unzweckmässig, wenn
ein Chirurg noch nebenbei allgemeine Praxis treibt. Der Vorteil
ist zwar der, dass er immer mit der inneren Medizin in Berührung
bleibt und sich die Fälle zur Operation selbst und zur richtigen
Zeit aussuchen kann. Aber er wird oft gezwungen sein, ein
Scharlachkind in der Stadt zu besuchen und eine halbe Stunde
später in seiner Klinik eine Laparotomie machen zu müssen.
Zahlreiche Besuche in der Stadt lassen den Chirurgen kaum
Zeit, sich in der Literatur so umzusehen, wie es sich gehört,
und es kann nicht ausbleiben, dass so viel beschäftigte Prak-
tiker, die noch nebenbei eine chirurgische Klinik leiten müssen,
mit der Wissenschaft nicht fortschreiten können. Wenigstens in
grossen Städten wäre es richtiger, wenn der Chirurg sich auf
sein Spezialfach beschränkte. Aber da sehen wir, dass der
Spezialist für Chirurgie zugleich Gynäkologe, Ohrenarzt, Urologe,
praktischer Arzt und Kinderarzt in einer Gestalt ist, und das
Publikum staunt ob der Fülle der Kenntnisse, die in einen
einzigen Kopf hineingehen, und verkündet den Ruhm des viel-
erfahrenen Mannes auf allen Plätzen und Strassen der Stadt,
ohne zu bedenken , dass nur der etwas leisten wird , der sich
ganz speziell mit einem Fache beschäftigt und „sich beschränkt".
Diese Forderung hat auch für den Gallensteinchirurgen
Geltung und die Berechtigung derselben stellt sich besonders
während der Nachbehandlung heraus.
Jede Gallensteinoperation, auch die unkomplizierteste Cysto-
stomie, kann derartig anormal verlaufen, dass während der Nach-
behandlung die grösste Aufmerksamkeit des Arztes notwendig
wird. Die üblichen 2 Visiten reichen oft nicht aus, alle paar
Stunden niuss der Arzt den Kranken besuchen. Nun wissen
wir aber, dass wir vorher nie sagen können, ob wir mit einer
Cystostomie auskommen, oder ob wir eine Hepaticusdrainage
ausführen müssen, ob wir sofort alle Steine entfernen, oder ob
wir solche zurücklassen. Ohne Oberlicht ist aber eine spätere
Entfernung der Steine aus dem Ductus hepaticus kaum möglich.
Da dieses in den Privathäusern wohl immer fehlt, da ausserdem
die Verbandwechsel nach einer Hepaticusdrainage nur in einem
- 349 —
gut geleiteten Krankenhaus ohne Schaden für den Patienten
ausgeführt werden können, handeln wir in der Tat richtiger,
wenn wir nur in Kliniken und Krankenhäusern Gallenstein-
operationen ausführen.
Schränken wir also im Interesse des Patienten das Ope-
rieren in Privathäusern nach Möglichkeit ein, in der Ueber-
zeugung, dass die Nachbehandlung in einer Klinik ungleich
exakter geleitet werden kann.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen wollen wir uns mit
der Nachbehandlung des Gallensteinoperierten näher beschäftigen.
Die Operation ist mit der Verbandanlegung beendet. Noch
einmal wird der Puls kontrolliert und bei grosser Schwäche
sofort phys. Kochsalzlösung subkutan (Oberschenkel oder Brust-
haut) injiziert. Ist der Puls gut, die Atmung frei, so über-
geben wir den Operierten dem Wärter, der ihn in warme Decken
hüllt und aus dem Operationszimmer auf der Krankenfahre in
das Zimmer fährt, in dem ihn ein durch Wärmflaschen wohl-
temperieites Bett aufnimmt.
Jeder Operierte bekommt eine besondere Wache, die weiter
nichts zu tun hat, als dass sie sich um den ihr anvertrauten
l^ianken bekümmert. Solchß Wachen lösen sich alle 24 Stunden
ab, länger wie einen Tag und eine Nacht sich intensiv um einen
Kranken bekümmern kann auch die beste Wärterin nicht. Lässt
man sie länger wachen, so schläft sie eben ein, und das kann
dem Operierten recht schlecht bekommen.
Der Patient liegt die ersten 24 Stunden auf dem Rücken,
das Fassende ist durch Klötze erhöht, das Kopfkissen ist ent-
fernt. Durch die Tieflagerung des Kopfes verhütet man am
besten das unangenehme Erbrechen. Die Thrombose der Vena
femoralis kann man nach den Vorschlägen von Lennander
durch Höherstellen des Fussendes des Bettes wohl in den meisten
Fällen verhüten.
In den ersten 24 Stunden bekommt Patient keinen
Tropfen zu trinken, sondern darf nur den Mund spülen. Eis-
stückchen gebe ich nicht; sie tauen sehr rasch auf, der Pa-
tient schluckt das kalte Wasser herunter und beschwert sich
nur seinen Magen. Eine Ausnahme könnte man bei schwerea
Collapszuständen machen, indem man versucht, 4urch heissen
Tee, starken Kaffee, schweren Wein die sinkende Herzkraft
aufzurichten. Ich meine aber, dass man mit Kampher, Äther,
— 350 —
Strychnin, eventuell Kochsalzinfusionen und Kochsalzklystieren
hier viel mehr erreicht wie durch die Darreichun«^ per os.
Ist die Temperatur am Abend des Operationstages normal,
steigt sie nicht über 38,5° C. in ano, bleibt der Puls unter 100
Schlägen, klagt der Patient nicht über Übelkeit, Magendruck,
Völle, so sind besondere Massnahmen für die Nacht nicht nötig.
Ich mache es mir aber zur Regel, dass nicht nur die er-
fahrene Oberin der Klinik die Pflegerin revidiert, sondern dass
auch einer von uns Ärzten um die mitternächtige Stunde ein-
mal nach dem Patienten sieht, damit ja nichts versäumt w^rd.
Die Prüfung des Pulses wird in den ersten 3 Tagen fast
alle 2 Stunden vorgenommen. Wir verlassen uns in dieser Be-
ziehung nicht auf die Wärterin, sondern sehen selbst nach; und
der klinische Assistent muss in den ersten Nächten nach der
Operation jede Nacht ein-, auch zweimal sich von dem Befinden
des Operierten überzeugen. Eine Pulsfrequenz selbst von 150
bis 160 Schlägen (Nr. 37, Nr. 46, Nr. 48, Nr. 95, Nr. 150) pro
Minute haben wir nicht selten nach schweren Gallensteinope-
rationen i:otiert, ohne dass später besondere entzündliche Vor-
gäiige im Operationsterrain nachzuweisen gewesen wären.
Die Temperatur wird bei Frauen stets in vagina, bei Jung-
frauen in axilla, bei Männern in ano geprüft. Es ist oft er-
staunlich, welche Temperaturdifferenzen die Messungen in ano
und in axilla ergeben. Das Verhältnis des Pulses zur Temperatur
spielt gerade bei Bauchaffektionen eine entscheidende Rolle.
Temperaturen von 38,5 — 39,0 " C. (in ano gemessen) nach einer
Gallensteinoperation sind nichts seltenes. Da wir fast nie in
einem bakterienfreien Terrain operieren, ist eine leichte Infektion
desselben kaum zu verhüten. Oft weist die Temperatur auf
Entstehung von Pleuritis und Pneumonie, die besonders in den
rechten unteren Lungenpartien entsteht, hin. Eine genaue
Beobachtung des Kranken wird bald die Ursache der Temperatur-
erhöhung aufldären. — Glaubt man , dass die Temperatur auf
eine Störung im Bereich der Wunde zurückzuführen ist, so ist
zu überlegen, ob man den Verband wechseln soll. Ich möchte
raten, damit nicht allzu voreilig zu sein, und zwar aus folgenden
Gründen : Handelt es sich um diffuse Peritonitis, so wird eine Ent-
fernung der Tampons kaum etwas nützen, liegt circumscripte vor,
so kann durch die Beseitigung der Sekretverhaltung den Kranken
zwar ein Nutzen erwachsen; durch die Loslösung der Tampons
— 351 -
kann aber auch die lokale Entzündung erst allgemein werden
und somit der Verbandwechsel schaden. Im allgemeinen bin ich
gegen ein zu frühzeitiges Verbinden und begnüge mich, wenn
ich überhaupt an dem Verband etwas tue, mit der Lockerung
(ier Tampons. Aus den einzelnen Krankengeschichten geht her-
vor, wie ich in den betr. Fällen vorgegangen bin (Nr. 57.).
Morphium gebe ich meist nur solchen Kranken, die an dieses
Mittel gewöhnt sind; gerade bei diesen spare ich nicht, da ich
die Erfahrung gemacht habe, dass alles gute Zureden doch nichts
nützt. Die Patienten geben doch nicht eher nach, als bis sie
ihre gehörige Dosis weghaben.
Wer noch kein Morphium bekommen hat und seine wunder-
volle Wirkung nicht kennt, ist eher zu beruhigen. Hier genügt
oft eine gewöhnliche Dosis Aspirin (Majo-ßobson). Nur bei
grossen Schmerzen bekommen solche Kranke ein Chloralklystier
2 gr. mit Codein. sulf. 0,2, das event. nach 3 Stunden wieder-
holt wird.
Ist der Puls am Abend klein und beschleunigt, so spüle
ich , auch wenn Pat. nicht erbricht , auch wenn er nicht über
Magendrücken und Völle klagt, den Magen aus. Man ist oft
erstaunt, welche ungeheure Massen Inhalt, oft gallig und
stinkend, oft wasserhell und von normalem Geruch, nicht selten
von blutiger Beschaffenheit, der Schlauch heraushebert.
Die Magenspülung wird im Bett vorgenommen, mit tief-
liegendem nach der Seite gedrehtem Kopf.
Von Kochsalzinfusionen mache ich bei Schwächezuständen,
die sich nach eingreifenden Gallensteinoperatioiien kaum ver-
meiden lassen, einen sehr ausgedehnten Gebrauch. Entweder
gebe ich physiol. Kochsalzlösung per rectum (alle 2 Stunden
^2 Liter) oder subkutan. Intravenöse Injektionen habe ich
selten nötig gehabt.
Die subkutane Infusion nehme ich so vor, dass ich entweder
an der Brust oder am Oberschenkel eine mittelstarke Nadel unter
Schleicii'scher Anästhesie einsteche und dann 1 — 2 Liter
40" C. warme physiol. Kochsalzlösung aus dem ausgekochten
Irrigator einlaufen lasse. Das ist die bequemste Art der In-
fusion. Der Pat. bleibt dabei im Bett liegen. Der Irrigator
wird von dem auf einem Stuhl stehenden Wärter recht hoch
gehalten. Ist die Nadel nicht zu eng, der Druck gehörig gross,
so nimmt diese Prozedur nicht viel Zeit in Anspruch.
— 352 —
Ist der Collaps sehr bedrohlich , so kann man gleich an
2 Stellen die subkutane Injektion vornehmen, oder man mache
eine intravenöse Injektion. Contraindiziert ist dieselbe bei
Cyanose, Lungenödem , Herzinsuffizienz. Statt der Kochsalz-
klystiere lasse ich auch gern Cognac- Wein-Klystiere geben,
die, wie es scheint, auf die Peristaltik besser einwirken, wie
die einfachen Wasserklystiere. Die rektalen Einlaufe von Koch-
salzlösung haben den Vorteil, dass sie das Wartepersonal appli-
zieren kann ; sie löschen den Durst, regen die Peristaltik an, und
wenn sie auch keine Peritonitis verhüten, so ist doch diese „Lavage
du sang" bei jeder Laparotomie von grossem Vorteil. Das Blut
wird verflüssigt, die Toxine ausgeschieden, und man hat deshalb
auch in jüngster Zeit beim Typhus diese wirksame Behandlung
vorgenommen. (Ljubomudroff, Tscherepnin.)
Die Komplikationen, welche die Nachbehandlung eines
Gallensteinkranken leicht stören, können von allen möglichen
Organen ausgehen. Ich habe Gehirn-Apoplexien und Embolien
der Art. pulmonalis (Nr. 76) beobachtet, bei chronischer Nephritis
kann es zur Urämie kommen. Schon bei geringen Eiweissmengen
im Urin muss man mit der Empfehlung der Operation recht zu-
rückhaltend sein und darf nicht versäumen, den Urin mikroskopisch
zu untersuchen. Vor der Operation schon bestehende Blasen-
katarrhe werden meist verschlimmert, besonders wenn man ge-
zwungen ist, den Urin mit dem Katheter ablassen zu müssen,
alte Pyelitiden flackern wieder auf. Wird die Mundpflege vor
und nach der Operation versäumt, so ist eine Parotitis, die auch
zur Vereiterung führen kann, keine ganz seltene Komplikation.
Kranke mit Ikterus sind nach der Operation mehr gefährdet,
wie solche ohne. Cholämische Blutungen, Leberinsuffizienz bei
Cirrhose, Coma cholämicum können sich einstellen und sehr rasch
dem Leben ein Ziel setzen.
Riedel hat in Bezug auf die choläraischen Blutungen
ganz besondere Ansichten. Er sagt: „Den Ikterischen wird eine
grosse Neigung zu Blutungen zugeschrieben ; ich glaube, dass
hier eine Verwechslung vorliegt. Nicht der Ikterus verursacht
die Tendenz zum Bluten, sondern die Infektion der Gallenwege,
wenn die Gelbsucht infolge von Steinen auftritt; ist sie im An-r
schluss an Carcinora des Choledochus, des Pankreas u. s. w.
entstanden, also auf rein mechanischem Wege, so bluten die
betreffenden Individuen stärker, weil sie kachektisch sind." Ich
— 353 —
habe schwere cholämische Blutungen bei Ikterischen gesehen
10—14 Tage post op. (N'r. 112, Nr. 114). Die Steine waren
entfernt, Galle lief reichlich ab, von einer Infektion war keine
Spur mehr vorhanden. Schwer kachektische Carcinomkranke
mit Bronzeikterus bluten oft nicht, während bei leichtem Ikterus
starkes Nasenbluten den Pat. in die höchste Gefahr bringen
kann. Ich will auf die Theorien, welche das cholämische Bluten
erklären, nicht weiter eingehen, glaube aber, dass durch die
Einwirkung der Gallenbestandteile auf die Wandungen der
Blutgefässe eine Alteration der Gefässwände erfolgt und so
Parenchymblutungen hervorgerufen werden, die direkt, auf den
Ikterus und nicht auf Infektion oder Kachexie zurückzuführen sind.
Doch das sind rein theoretische Fragen; in der Praxis
müssen wir sehr mit cholämischen Nachblutungen rechnen und
durch rektale Applikation von Chlorcalcium (3 gr,), durch sub-
kutane Einspritzung von Gelatinelösung und durch Tamponade
der blutenden Wundhöhle mit Gaze, die mit Gelatine getränkt
ist, ihie Gefahren zu beseitigen suchen.
Am häufigsten aber beobachten wir nach den Gallenstein-
operationen Störungen an den Respirationsorganen: Bronchitis,
Pneumonie und Pleuritis. (Nr. 76, Nr. 11:6.) Ich will auf die Ätio-
logie dieser Erkrankungen nicht weiter eingehen und nicht unter-
suchen, ob sie als Aspirations- oder Schluckpneumonien, als Erkäl-
tungspneumonien oder als embolische aufzufassen sind. Auch wäre
es möglich, dass ein direkter Import von Infektionskeiraen durch
die Lymphstomata -des Zwerchfells von dem gewöhnlich immer
etwas infizierten Operationsterrain in die Pleurahöhle stattfände
und auf diesem Wege die Infektion erfolgte. Besonders nach
den schwierigen Hepaticusdrainagen beobachten wir häufiger
Störungen in der Lunge wie nach den einfachen Cystostomien.
Ich möchte mit Albanus*) annehmen, dass wir in ca. 4
bis 5 pCt. der Laparotomien. Thrombosen (Nr. 62) und Embolien,
in ca. 2 pOt. Embolie der Art. pulmonalis beobachten. Die V^er-
hütung der Thrombose der Vena femoralis erreichen wir am
besten durch die von Lenn ander angeordnete Hochstellung
des unteren Teils des Bettes und durch baldige Bewegung resp.
Massage der unteren Extremitäten. Ich lasse schon vom 3. Tage
*) Thrombosen uad Embolien nach Laparotoliiien. Beitr.
klin. Chir. Kd. 40, p. 311.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. I. 23
— 354 —
an, wenn die Hauptschmerzeti vorüber sind, die Kranken me-
thodisch die Beine bewegen.
Die früher so gefürchtete Peritonitis habe ich sehr selten
beobachtet, in den letzten Jahren gar nicht mehr. Wir ver-
danken das einerseits der gründlichen Asepsis vor und bei der
Operation, andererseits der ausgiebigen Drainage und Tamponade
nach derselben, die das Bestreben hat, alle infektiösen Sekrete aus
Gallengängen und Bauchhöhle abzuleiten. Wer noch den Chole-
dochus vernäht und danach womöglich die Bauchhöhle ganz
schliesst, und wer, wie Riedel das tut, die Ectomie ausführt,
ohne eine Tamponade hinzuzufügen, der muss dann und wann eine
Peritonitis erleben. Das ist gar nicht anders möglich. Deshalb
halte ich die Naht der Choledochusincision und die Ectomie ohne
Tamponade geradezu füi" einen Fehler. Ich halte nicht gern
Anderen ihre Fehler vor, aber im Interesse der Kranken ist
ein offenes Wort hier sehr am Platze!
Die oben angeführten Komplikationen haben für die G allen -
Steinoperationen nichts Spezifisches; sie können nach jeder lia-
parotomie eintreten. Besondere Nachkrankheiten entstehen aber
dadurch, dass wir im Oberbauch operieren und besonders den
benachbarten Magen und das Duodenum leicht schädigen, und
deshalb kann es uns nicht wundern, w^enn vor Allem Erscheinungen
von Seiten dieser Organe die Rekonvaleszenz stören können.
Ein Symptom gestörter Magenfunktion steht oben an, das
ist das Erbreclien.
Das Erbrechen nach einer Gallensteinoperation hat ver-
schiedene Ursachen. Entweder ist es reines Chloroformerbrechen,
oder es beruht auf mechanischer Kompression des Pylorus resp.
Duodenum durch die Tampons (Sr. 80) oder auf lokaler Peri-
tonitis im Operationsfeld. Hat man am Duodenum Adhäsionen
lösen müssen, so kommt es hier zur Blutung, Stauung und
Infektion — die Passage wird aufgehoben, der Mageninhalt
kann sich nicht völlig entleeren. Überlässt man solciie Kranke
ihrem Schicksale, d. h. spült man den Magen nicht aus, so
bekommen sie akute Magenerweiterung, und im Anfang meiner
Tätigkeit habe ich diese Komplikation oft genug gesehen. Jetzt
kommt es nicht mehr dazu, weil ich die Gefahren dieser Kom-
plikation rechtzeitig erkenne. Da, wo wir tamponieren, also
bei Ectomien und Hepaticusdrainagen, rufen wir stets eine
peritoneale Reizung hervor, die zu einer serösen Durchtränkung
— 355 —
der Gewebe und zu einem g^e wissen Stillstande der Peristaltik
in der vom Tampon getroffenen Magen- oder Darm wand führt.
Das Chloroformerbrechen hört gewöhnlich schon 48 Stunden
post op. auf, doch werden manche Patienten auch länger da-
von geplaüft.
Bei tagelang anhaltendem Erbrechen ist es richtiger,
weniger an die Nachwirkungen des Chloroforms als an akute
Magendilatation und circumscripte Peritonitis zu denken und da-
nach seine Massnahmen zu treff'en.
Gleichgültig ob das Erbrechen auf das Chloroform oder
auf entzündliche oder mechanische Abknickungen des Pylorus
oder Duodenums zurückzuführen ist, wir werden stets dem Pa-
tienten absolute Abstinenz verordnen, den Magen ausspülen und
den Durst durch rektale Einlaufe oder durch subkutane lujektioii
von Kochsalzlösung zu lindern suchen. Ich habe früher geglaubt,
das postoperative Erbrechen durch Auflegen von Essigkom-
pressen*) einschränken zu können, ich habe mich aber überzeugt,
dass die Wirkung häufig ausbleibt.
Auch ist es nicht nötig, wie Lene witsch**) die Magen-
spülung mit einer V2- 2 prozentigen Salzlösung vorzunehmen.
Einfaches Wasser genügt. Die Hauptsache ist, dass Patient
gar nichts per os zu sich nimmt, auch keine Eisstückchen ver-
schluckt, die gerade recht viel Wass>er im Magen ansammeln
lassen. Zweckmässig ist es in vielen Fällen, den Patienten
auf die rechte Seite zu legen (Xr. 10, Nr. 37, Nr. 68), um den
Abfluss des Mageninhalts zu erleichtern. Ja man hat für die
Fälle von arterio-mesenterialem Verschluss sogar die Bauchlage
empfohlen. Ich habe sie ein paar Mal angewandt (Nr. 108) und
die Operierten ertrugen diese Evolution ganz gut.
Bei profusem Erbrechen rate ich sehr, den Verband abzu-
nehmen und sich den Bauch anzusehen, um festzustellen, ob
nicht etwa akute Magendilatation vorliegt. Oft sieht man
durch die schlaffen Bauchdecken hindurch die Konturen des
aufgetriebenen Magens, stellt starkes Plätschern des Magens
fest (Nr. 80) und wird nun mit grosser Energie der weiteren
Ausbildung der Dilatation entgegenarbeiten.
, Die akute Dilatation des Magens, auf die Riedel zuerst
(1890) aufmerksam machte, entsteht besonders dann, wenn der
*) Lew in, Revue de Chirurgie 1895 Nr. 9.
**) Central bl. lür Chir. 1891 Nr. 2.
23^
— 356 —
Pylorus resp. das Duodenum an und für sich eng sind und durch
die Adhäsionen, die von der Gallenblase ausgehen, gezerrt und
abgeknickt werden. Möglichste Beseitigung solcher Adhäsionen
bei der Operation selbst ist das beste Mittel, der Entstehung
der akuten Magendilatation vorzubeugen. Auch soll man bei
mehr oder weniger ausgesprochener Stenose am Pylorus und
Duodenum die sofortige Vornahme der Gastroenterostomie
nicht scheuen. Die Pyloroplastik kann ich für wirkliche Stenosen
nicht empfehlen; nur da, wo man schwankt, ob man gastro-
enterostomieren soll oder nicht , könnte die Pyloroplastik als
Auskunftsmittel dienen.
Riedel empfiehlt für die Fälle von akuter Dilatation
des Magens (dabei steigt der Puls oft auf 150 Schläge ohne
gleichzeitige Temperaturerhöhung) die Ausspülung desselben mit
nachfolgender Morphiuminjektion. Mit der ersteren Massnahme
bin ich ganz einverstanden, mit der zweiten nicht. Morphium
lähmt die Darramuskulatur und hebt die Peristaltik auf. Es
ist aber Hauptsache , dass der Magen wieder arbeitet. Also
soll man ausspülen und kein Morphium geben. Ich habe mit
der gewöhnlichen Spülung immer mein Ziel erreicht.
Aber nicht nur am Pylorus kommen Abknickungen vor,
sondern auch etwas tiefer an der Duodenojejunalgrenze.
(Nr. 47.) Die akute postoperative Magendilatation, hervor-
gerufen durch arterio-mesenteriale Darinkompression, habe ich
sehr selten gesehen. P. Müller (D. Zeitschr. f. Chir. Bd. 56)
berichtete über diese unangenehme Komplikation in einer sehr
ausführlichen Arbeit. Schon Rokitansky kannte die Ab-
klemmung des Duodenums auf der Duodenojejunalgrenze durch
die im Mesenterium verlaufende Arteria mesaraica superior.
Albrecht hat 19 Fälle von arteriomesenterialem Darmverschluss
zusammengestellt. (Virch. Archiv Bil. 156.) Der Sektionsbefund
in solchen Fällen ist sehr typisch. Müller bericiitet darüber
Folgendes :
„Der Sektionsbefund des arteriomesenterialen Duodenal-
verschlusses ist ein recht typischer. Stets war der Magen und
das Duodenum stark, oft enorm erweitert; stets d. h. in den
Fällen, in denen darauf geachtet wurde, da andernfalls infolge^
des Mangels jeden Schnürrings die Kompression des Duodenum
zu leicht entgeht, wurde die Abklemmung der Duodenojejunal-
grenze, deren Lage nicht ganz konstant zu sein scheint, durch
- 357 -
die im Älesenterinm verlaufende Arteria niesaraica superior, die
sich als fester Strang liinüberspannte, g-efunden. Irgendwelche
Zirkulationsstörungen dieser Stelle ausser einer gewissen Anämie
wurden nicht beobachtet. Der Dünndarm war in den weitaus
meisten Fällen völlig leer und kontrahiert, ebenso der Dick-
darm. Einige Male wurde jedoch ein massiger Inhalt im Dünn-
daim gefnrden. Dieses würde darin seine Erklärung finden,
besonders weil auch im obersten Jejunum Chymus konstatiert
wurde, dass der Verschluss nicht ein totaler gewesen und dass
eine geringe aber unzureichende Passage vorhanden war. Hier-
auf weisen auch Kund rat und Gl^nard hin.
Der leere, zu platten Schnüren kontrahierte Dünndarm lag
stets im kleinen Becken. War der Düundaim nicht leer, so
lag nur ein mehr oder minder grosser Teil desselben im kleinen
Becken, dabei war aber, wie gesagt, das Mesenterium straff
angespannt.
Das Symptom, das das ganze Krankheitsbild beherrscht,
ist das oft äusserst reichliche, gewöhnlich gallige, seltener bräun-
lichgraue oder schwärzliche Erbrechen. Dabei fehlt dem Er-
brochenen jede fäkulente Beschaffenheit. Es ist dies eine Eigen-
schaft, die allen infrapapillären Duodenalverschlüssen eigen ist.
•Der Leib ist gewöhnlich tlach, nicht aufgetrieben, nicht empfind-
lich. In wenigen Fällen sind eine lokale Auftreibung der Magen-
gegend, sehr selten eine allgemeine und äusserst starke spontane
Schmerzen konstatiert worden. Eine direkte Druckempfindlich-
keit, wie sie bei Peritonitis gewöhnlich ist, ist nicht beobachtet.
Die Temperatur ist gewöhnlich nicht erhöht, der Puls da-
gegen stets frequent, häufig über 120 und noch mehr, dabei
klein. Die Patienten machen einen schwer kranken, collabierten
Eindruck und klagen fast immer über grossen, oft unerträg- ,
liehen Durst. Bei *den meisten Fällen ist jeder Abgang von
Flatus und Stuhl sistiert.
Die Frage, wie ohne anatomische Veränderungen, bei an-
scheinend völlig normalem Situs dieser Duodenalverschluss zu
Stande kommt, ist bereits von Kund rat. Schnitz 1er, Alb-
recht genauer untersucht. Doch ist sie noch nicht völlig gelöst."
Die Anatomie der hier in Frage kommenden Organe ist
nach Müllers Angaben kurz folgende. „Hinter dem extraperi-
toneal gelegenen Pankreas, gewöhnlich näher dem oberen Rande
desselben, entspringt aus der Aorta abdominalis unter einem
— 858 —
nach unten zu spitzen Winkel die Art. ines. sup. Etwa 2 cm.
unterhalb des Ursprungs dieser Arterie verläuft fast quer zu
ihr, der Aorta und der Wirbelsäule der Endteil des Duodenum,
über welchen die Arteria mes. sup. samt der sie begleitenden
gleichnamigen Vene ins Mesenterium eingebettet in der Gegend
der Duodenojejunalgrenze hin wegzieht, sodass dieser Darmteil
zwischen ihr und der Aorta wie in einer Gabel liegt. Der
Stamm der Arterie verläuft in einem leichten nach links kon-
vexen Bogen nach abwärts und findet seine Endteilung im Be-
reiche des untersten Tleum und Coecum. Die den Dünndarm
versorgenden Aste gehen sämtlich von der linken convexen
Seite des Hauptstamnies ab. Aus der anatomischen Lage ist
der Mechanismus des Verschlusses leicht ersichtlich. Die beiden
Schenkel der Gabel, d. i. die Aorta und die Art. mes. sup.,
brauchen einander nur genähert zu werden, und das Lumen des
zwischendurchtretenden Duodenums wird verengt bezüglich
aufgehoben werden.
Bei gestellter Diagnose ergibt sich die Therapie von selbst.
Der übermässig dilatierte und gefüllte Magen niuss durch die
Magensonde von seinem Inhalt befreit werden. Ist dies ge-
schehen, so muss der das Mesenterium spannende Dünndarm
aus dein kleinen Becken herausbefördert werden. Das lässt.
sich am einfachsten, wie es Schnitzler getan hat, dadurch
erreichen, dass der Patient auf den Bauch gelegt wird. Will
man noch ein übriges tun, so kann man nach Albrecht auch
die Position ä la vache anwenden. Diese halte ich jedoch für
zu weitgehend. Die Bauchlage ist viel bequemer und genügt
völlig.
In jedem Falle, wo sich auch nur der Verdacht einer der-
artigem Darmocclusion regt, würde ich demnach die Magenspülung
— sowohl aus therapeutischer als auch aus diagnostischer Rück-
sicht — und die sofortige Einnahme der Bauchlage empfehlen.
Ist es eine mesenteriale Darmincarceration, so zeigt sich der
Erfolg dieses so überaus einfachen Eingriffs — die Bauchlage
kann nach jeder Operation, auch nach Laparotomien, ohne jeden
Schaden eingenommen werden ~ spätestens in der nächsten
Stunde, gewöhnlich aber sofort. Wie lange die Bauchlage bei
günstiger Wirkung beibehalten werden muss, das wird der
weitere Verlauf zeigen, jedenfalls so lange, bis ein Lagewechsel
nicht mehr zum Erbrechen führt, da die Bauchlage ja olnie
— 359 —
jeden Schaden beliebig lange eingenommen werden kann. Führt
die Einnahme der Bauchlage in einem so V)ehandelten Falle
keine auffallende Besserung herbei, so dürfte es sich mit grösster
Wahrscheinlichkeit bei bestehender akuter Magenerweiterung
um eine andei'e Form der hohen Darmincarceration handeln, und
hier ist die Laparotomie der einzig beschreitbare Weg. Sollte
sich nun aber wider Erwarten doch eine derartige Duodenal-
kompression finden, so könnte man sich entweder damit begnügen,
den Dünndarm aus dem kleinen Becken herauszuholen und so
die Kompression des Duodenum zu heben, oder es könnte, um
ein derartiges Vorkommen für die Zukunft unmöglich zu machen,
die bereits von Kundrat empfohlene Gastroenterostomie ge-
macht werden. Will man sich nur auf das Lösen der Com-
pression beschränken, so muss nach vollendeter Operation der
Patient sofort in Bauchlage gebracht werden, da andernfalls,
wie ein derartiger von Hochene gg operierter Fall beweist,
ein tödliches Kecidiv eintreten kann."
Nicht selten nimmt das Erbrechen einen noch bedrohlicheren
Charakter an ; es tritt das sog. schwsirze Erbrechen (Nr. 3, Nr. 10,
Nr. 13, Nr. 24, Nr. 25, Nr. 28, Nr. 29, Nr. 35, Nr. 48, Nr. 57,
Nr. 75, Nr. 89, Nr. 105, Nr. 108, Nr. 128, Nr. 158, Nr. 159, Nr. 170,
Nr. 177) ein. Frisches und altes Blut kommt zum Vorschein.
Dieses Bluten in den Magen braucht nur einmal stattzufinden
und kann rasch vorübergehen , es kann aber auch sehr an-
haltend und stark sein und das Leben in grösste Gefahr ver-
setzen. Die Ursache desselben ist noch nicht recht aufgeklärt.
V. Eiseisberg*) hatte dasselbe auf weniger oder mehr aus
gedehnte Netz- und Mesenteriumunterbindungen zurückgeführt.
V. Eiseisberg ist geneigt, „die Blutungen mit Billroth als
Verschleppung von teils infizierten , teils wenig oder nicht in-
fizierten Thromben aus der Operationsstelle der unterbundenen
Netzstürapfe wahrscheinlich im Wege der rückläufigen Embolie
aufzufassen. In der Tat ergab auch in einem der die Blutung
bedingenden Geschwüre die miskroskopische Untersuchung eine
Thrombose von keilförmiger Gestalt, so dass mit Wahrscheinlich-
keit die Ursache des Ulcus in einer Embolie gesucht werden
darf." Ich möchte glauben, dass es in vielen Fällen einfach
darauf beruht, dass der Magen nach der Laparotomie gelähmt
*) Arcli. f. klin. Chir. Bd. 66, 1902. S. 900.
— 360 —
wird und in ihm eine Stauung eintritt; die Blutung in den
Magen ist also als einfache Stauungsblutung aufzufassen. Sobald
der Magen durch die Sonde entleert wird und zusammenfällt,
die Zirkulationsverhältnisse in der Magenwand sich bessern,
hört das Erbrechen wie mit einem Schlage auf, besonders wenn
die Peristaltik in Gang kommt. Derartige einfache Fälle, bei
denen keine Verwachsungen gelöst waren , habe ich öfters
beobachtet. Landow hat 2 Fälle von postoperativer Hämate-
mesis mitgeteilt, in denen er das Chloroform als die Ursache der
Blutung beschuldigt. In Meinhard Schmidts Fall von Ectomie
waren neben der Ligierung von Verwachsungen zwischen Netz
und Gallenblase Manipulationen am Pylorus vorgenommen worden,
so dass die nachträgliche Magenblutung event. auf diese Magen-
zerrung zurückzuführen ist.
Rodmann*) nimmt Sepsis an; für manche Fälle gewiss
die einfachste Erklärung. Wie sind aber die Fälle (Nr. 13.)
zu deuten, bei denen bei einer Temperatur von 36,5 ^—37,5 ° C.
und einem Puls von 70 — 80 Schlägen Magenblutungen ein- oder
zweimal auftreten, um dann bei geeigneter Behandlung nicht
wiederzukehren ? Auf diese Fälle möchte ich meine obige Er-
klärung anwenden.
Friedrich u. Hoff mann**) kommen auf Grund ihrer
Versuche zu dem Ergebnis, dass die Infektion der Thromben
zur Nekrosenbildung in Leber und Magen — eine Annahme,
der Engelhard t u. Neck huldigten — nicht erforderlich sei,
sondern dass die Nekrosen lediglich als Folgen der Zirkulations-
störung durch embolischen Gefässverschluss anzusehen seien.
Sthamer***) fasst das Resultat seiner Untersuchungen in
folgender Weise zusammen: „Es treten beim Meerschweinchen
nach völlig aseptisch ausgeführter Ligatur und Resektion des
Netzes Infarkte in der Leber und Geschwürsbildung im Magen
auf, ohne dass bei der Obduktion Bakterienwachstum aut der
Ligaturstelle sowohl wie aus den Infarktherden nachgewiesen
*) Rodmann, Gastric haemorrhage. The medical Times 1900,
July 25.
**) Friedrich. Arch. f. klin. Chir. Bd. 59, p. 837.
Hoff mann. Diss. Leipzig, Bruno Georgi, 1900.
***) Sthamer, Zur Frage der Entstehung von Magengeschwüren
und Leberinfarkten nach experiment. Netzresektionen. D. Z. f. Chir.
Bd. 61, p. 517.
— 3ßl —
werden kann. Das Auftreten von Leberinfarkten und Magen-
ulcerationen muss nicht durch die Anwesenheit von Bakterien
bedingt sein."
Weiterhin sind bekannt geworden Fälle von Ullmann
(Ventralhernien), Meinh. Schmidt, Reich ardt, Dehler
(Gallensteinoperationen), Lauen stein (Nabelhernie), Mintz
(Epityphlitisoperation), Kolomenkin (Nabelhernie und Adnex-
erkrankung), ßurkhardt (supravaginale Amputation des Uterus),
Landow (intraperit. Abszess, Gallensteinoperation, perityphl.
Abszess), R. Pouves (Nabelhernie, Lithotripsie bei Blasen-
stein, Gallensteinoperation, Nephrotomie, Hernienoperation,
Sectio alta, Ovariotomie, Hysterectomie) und Crooni. Palitzsch
gibt eine Übersicht über 33 in der Literatur beschriebene
Fälle. Die 33 Fälle betreffen 19 Männer und 14 Frauen.
Palitzsch beschreibt einen Fall aus der Trendelenburg'-
schen Klinik (Operation einer Inguinalhernie nach Bassini.)
Die Ursachen der postoperativen Haemateraesis sind gewiss
in verschiedener Richtung zu suchen. Dass das Chloroform
dann und wann die Schuld trägt, habe ich schon vor Landow
ausgesprochen; Zerrungen des Magens und Duodenums sind bei
Gallensteinoperationen an der Tagesordnung und gew^iss zu be-
rücksichtigen. Die Unterbindung vom Netz ist fast* bei jeder
Gallensteinoperation nötig, so dass die Erklärung von Eiseis-
berg, Friedrich, Engelhardt und Neck, Sthamer für
die meisten Fälle zutreffen könnte. Für die leichten, rasch vor-
übergehenden Fälle- möchte ich einfach Stauung im Venensystem
des gelähmten Magens annehmen. Während ich dieses schreibe,
liegt ein Patient in meiner Klinik, der nach dem leichten Schlauch-
verfahren einmal einen Liter blutige Flüssigkeit erbrach und
nach einmaligem M^genausspülen gesund wurde, nachdem die
Peristaltik in Gang kam und der Magen seine Tätigkeit wieder
einstellte. Solche Fälle sind entschieden häufiger als die, bei
denen Sepsis zur Geschwürsbildung im Magen und Duodenum
führt.
Was haben wir therapeutisch bei solchen postoperativen
Blutungen zu tun? Prophylaktisch sorgen wir für gute Asepsis,
hüten uns vor unnützen Zerrungen am Magen und vermeiden
unnütze Unterbindungen des Netzes. Die Leber soll man nicht
unnötig malträtieren. — Ist die Blutung eingetreten, dann
könnte man darüber streiten, ob die Anwendung der Magen-
— 362 —
sonde am Platze ist, und viele werden der Meinung sein, dass durch
diese Manipulation die Blutung event vermehrt werde. Ich
habe aber den Eindruck gewonnen, dass das nicht der Fall ist;
im Gegenteil: es gibt kein besseres Mittel zur Bekämpfung
solcher Blutungen wie die Anwendung der Magensonde und die
so lange fortgesetzte Spülung mit 40 ^ warmem Wasser, bis
die Spülflüssigkeit klar abfliesst. (Nr. 3, Nr, 28, Nr. 29.) Weiter
darf der Pat., der ganz ruhig liegen muss, stundenlang nichts
trinken und bekommt, wenn irgend möglich, kein Morphium.
Die Hauptsache ist, dass der Magen in Bewegung kommt und die
Stauung aufhört, dass sobald wie möglich die Peristaltik anhebt.
Immer und immer wieder macht man^ die Beobachtung, dass
beim Eintritt des Kollerns das Bild sich ändert, und wenn erst
Blähungen gehen, so ist mit diesem „Einsetzen der himmlischen
Musik" fast Alles gewonnen. Seifeneinläufe, Glycerinspritzen,
Einlegen von Darmrohren müssen fortwährend abwechseln, und
wenn ich auch die elektrische Darmeingiessung, wie sie Lejars
beschreibt, bisher nicht nötig halte, so möchte ich sie doch für
die ver/.wei feiten Fälle empfehlen. Auf p. 424 finden wir in
der Technik dringlicher Operationen von Lejars, deutsch von
Strehl, eine sehr ausführliche Beschreibung dieses Verfahrens.
Es kann in einem Buch, welches besonders der Technik
der Operationen und der Therapie nachträglicher Störungen ge-
widmet ist, unmöglich auf all' die Theorien, die sich mit der Er-
klärung der postoperativen Hämatemesis beschäftigen; eingegangen
werden. Wer sich für die Sache interessiert, den verweise ich
auf die Arbeit von Nitzsche „Magenblutung bei Appendicitis",
(deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. ()4, p. 180) und auf die Dissertation
von Palitzsch „Beitrag zur Kasuistik der Haematemesis post-
operativa"^ Leipzig, Georgi, 1903. Ich selbst habe die Magen-
blutungen auch nach anderen Operationen (z. B. nach Nephro-
tomie, Appendicitis -Operationen, Herniotomien etc.) gesehen,
sodass ich mich wundere, dass anderweitig so selten darüber
berichtet wird. Vielleicht liegt das daran, dass dem Erbrochenen
von Seiten der Ärzte nicht die genügende Aufmerksamkeit ge-
schenkt wird, dass es fortgegossen wird, ehe der Arzt Gelegen-
heit hat, dasselbe genau zu untersuchen- Fast möchte ich
glauben, sodass hierdurch die Seltenheit anderweitiger Beobach-
tungen sich erklärt; — wie dem auch sei, ich habe das schwarze
Erbrechen genug beobachtet und bin bei der Nachbehandlung
oft dagegen eingeschritten.
— 368 —
Selbst nach kurzen und leichten Appendicectomien von der
Dauer von 80—40 Minuten habe ich das Bluterbrechen unter
etwa 160 derartigen Operationen ca. 5 mal beobachtet. Dafür
zwei Beispiele aus der letzten Zeit :
J. B., 48jiihr. Förster aus Elend im Harz.
Aufo-en.: 28. 12. 03.
Operiert: 31. 12. 03. Appendicectomie; Lösung von
Verwachsungen.
Entlassen: 21. 1. 04. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, Vater von 4 gesunden Kindern.
3 Geschwister an Tuberkulose gestorben, Mutter an Lungenentzündung.
Will immer gesund gewesen sein. Vor etwa 5 Wochen bemerkte Pat.
einen Druck zuerst in der linken Seite des Leibes; dann einige Tage
frei von Druck ; 8 Tage später in dor rechten Leibseite, nach der Hüfte
zu ausstrahlend, spanneiidrss Druckgeflild, das bis jetzt noch besteht.
Pat. ist in der Zeit sichtlich abgemagert, besonders weil er in der
Zeit fast nichts ass ; Appetit war stark herabgesetzt, ab und zu Auf-
stos^en. Stuhl war in den letzten Tagen etwas angehalten. Herr
Sanitätsrat Dr. H aug-Schierke verordnete flüssige Diät, kalte Um-
schläge lind empfahl dann, als keine Besserung eintrat, mich zu
konsultieren.
Befund: Etwas anämischer Mann in massigem Ernährungs-
'zustand. Im Abdomen rechts vom Nabel zwischen Gallenblasen- und
Blinddarmgegend länglicher Tumor palpabel, der sich unter den Fingern
rollen lässt : derselbe in massigem Grade druckempfindlich.
Operation: Längsschnilt am lateralen rechten Rektusrand. Der
Tumor ist das untere Ende des Ileum, welches durch slrangf'örmige
Verwachsungen an das Coecum herangezogen und eingeschnürt ist.
Wurmfortsatz atrophisch, verwachsen und abgeknickt. Lösung der
Stränge, Appendicectomie, Bauchdeckennaht mitDurchstichknopfnähten.
Appendix atrophisch. Lumen für Sonde kaum durchgängig, das Ende
etwas kolbig aufgetrieben. Sehr gute Sauerstoflfchloroformuarkose,
40 Min. Dauer der Operation '60 Min.
Verlauf: Befinden nach der Operation gut; Puls kräftig, 76.
Abends etwas Aufstossen ; dann plötzliches Erbrechen von über '/ä Liter
schwarzroter Flüssig-keit. Magenspülung eine Stunde später fördert
nochmals reichliche Mengen gleicher blutiger Flüssigkeit zu Tage.
2 Kochsalzeinläufe.
1. 1. 04. Pat. hat nicht wieder gebrochen, kein Aufstossen mehr.
Blähungen bereits im Gang. Da Urin nicht gelassen werden kann,
Abnahme mit dem Katheter.
2. 1. 04. Heute Morgen Urin spontan entleert. Blähungen gehen.
5. 1. 04. Gutes Befinden. Pat. führt ab.
12. 1. 04. Verbandwechsel. Wunde per primam geheilt ; Ent-
fernung sämtlicher Nähte.
18. 1. 04. Verband bleibt fort. Pat. steht auf.
21. 1. 04. Geheilt entlassen.
— 804 -
F. H., 21jähr. Handlungsgehilfe aus Quedlinburg.
Auf gen.: 16. 11. 03.
Operiert: 17. 11. 03. Appendicectomie.
Entlassen: 5. 12. 03. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist sonst immer gesund gewesen. Am 22. Aug.
dieses Jahres Blinddarmentzündung (starke Schmerzen in der rechten
Unterleibseite, Erbrechen, Fieber). Pat. war 14 Tage krank. In den
letzten 2 Jahren dauernd Verstopfung. Nach dem Anfall im August
Stuhl r(^gelmässig. September 2. Anfall von Blinddarmentzündung, der
weniger heftig war, 14 Tage dauerte. Am 1. November letzter Anfall,
und zwar sehr heftig, Schüttelfrost, hohes Fieber, Erbrechen. Dauer
10 Tage. Seitdem Wohlbefinden, guter Appetit, Stuhlgang regel-
mässig. Keine Schmerzen im Leib. Herr Dr. Grund-Quedlinburg
sendet uns den Pat. zu.
Befund: In der Blinddarmgegend ein wurstförmiger, etwas
druckempfindlicher Tumor tastbar.
Operation: 17. 11. 03. Gute Sauerstofi"- Chloroformnarkose
(40 Miimten, 30 gr). Längsschnitt am rechten äusseren Rektusrande.
Appendix sehr verlängert, erigiert und sehr breit aufsitzend; zwischen
mittlerem und äusserem Drittel Perforation ins Netz. Lösung einiger
Verwachsungen. Excision. Schluss der Bauchwunde.
Verlauf: 17. 11.03. Temperatur Abends 37,9. Puls 88. Viel
Aufstossen. 3mal abends galliges Erbrechen, im Erbrochenen Blut-
spuren.
18. 11. 03. Temp. Morgens 37,6, Puls 86. In der Nacht viel Auf-
stossen, heute früh längere Zeit Singultus. Mageuspülnng ergibt
gallig gefärbte Flüssigkeit uud massig viel Blut. Nachher Besserung.
Temp. Morgens 37,5.
19. 11. 03. Temp. normal. Nachts wieder viel Aufstossen, heute
früh noch einmal Erbrechen von etwas Galle. Magenspülung ergibt
nur etwas gallig gefärbte Flüssigkeit. Danach lässt das Aufstossen
nach. Abends fühlt sich Pat. wohl, hat nur noch ab und zu Auf-
stossen. Blähungen gehen.
20. 11. 08. Noch einmal Erbrechen von etwas Tee. Etwas Auf-
stossen. Befinden sonst gut.
21. 11. OB. Kein Aufstossen; kein Erbrechen. Befinden gut.
30. 11. 03. Entfernung der Nähte. Wunde per primam geheilt.
1. 12. 03. Steht auf.
5. 12. 03. Geheilt entlassen. —
Dass nach jeder Laparotomie einmal Ileus vorkommen
kann, ist eine bekannte Tatsache. Gerade bei den Gallenstein-
operationen werden oft so viele Verwachsungen gelöst, dass man
eigentlich erwarten möchte, dass öfter einmal Ileus eintreten
müsste. Und doch gehört echter Ileus nach einer Gallenstein-
operation zu den grössten Seltenheiten und ist jedenfalls nicht
- 365 —
häufiger wie nach einer Laparotomie aus anderen Gründen.
Beim Ileus ist es ein grosses Kunststück, zur richtigen Zeit
einzugreifen. Operiert man zu früh, so macht man oft eine
überflüssige Operation, und greift man zu spät zum Messer, so
kann man nicht immer den Kranken retten. Eine sorgfältige
Überwachung des Kranken, eine fast stündlich vorgenommene
Untersuchung desselben werden in zweifelhaften Fällen uns
über die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffes Gewissheit
verschaffen. Auch bei den bedrohlichsten Symptomen führen oft
noch Magenspülungen und hohe Einlaufe die gewünschte Peristaltik,
Blähungen und Stuhlgang herbei. Meistenteils beruht der Ileus
nach einer Gallensteinoperation auf Abknickung eines Darm-
stückes durch eine bei der Operation übersehene oder auch
erst durch die Operation geschaffene Verwachsung. Man tut
deshalb gut, bei jeder Gallensteinoperation wenigstens die nähere
Umgebung der Gallenblase auf derartige Stränge zu revidieren
und, wenn irgend möglich, auch das Coecum mit seinem Anhang
zu besichtigen. Ich habe oben die Fälle erwähnt, in denen
eine Berücksichtigung der Appendix dringend not tut oder
wünschenswert erscheint.
Riedel hat nach einer Gallensteinoperation ausgedehnte
Diphtherie des unteren Endes des Ileum auftreten sehen. Die
Schleimhaut war schwarz verfärbt, mit grauen, fest haftenden
Auflagerungen. Der Fall ist beschrieben in einer Arbeit über Darm-
diphtherie nach schweren Operationen bei sehr geschwächten
Kranken. (Deutsche Zeitschr. f. Chir. 67. Band, p. 402). Mir
ist eine solche Komplikation nicht vorgekommen, doch führe ich
sie der Vollständigkeit halber an.
Einmal habe i«h nach einer Cystostomie, die allerdings
durch eine Magenresektion kompliziert war, die Entwicklung
eines suphrenischen Abszesses beobachtet. (Nr. 54.) In Fall
Nr. 70 war der saphrenisclie Abszess bereits operiert, als
Pat. in meine Behandlung trat; es führte nur noch ein Fistel-
gang in den subphrenischen Raum.
Auf zweierlei Art kann von einer Eiterung im Gallengang-
system eine Infektion des subphrenischen Raums erfolgen:
1) durch Perforation der Gallenblase oder eines der grossen
Gallengänge: es entsteht ein pericystischer Abszess in oder
unter der Leber, der sich weiter bis auf die Leberconvexität
d. h. auf den subphrenischen Raum ausdehnen kann; 2) durch
— 866 —
Platzen eines der Leberoberfläche nahe liegenden, mit Eiter an-
gefüllten Gallengangs in den subphrenischen Raum hinein. Dieser
Vorgang kann sich bei diffuser eitriger Cholangitis infolge Chole-
dochusverschlusses durch Steine ereignen.
Für die Eröffnung des subphrenischen Abszesses stehen
uns zwei Wege offen: 1) der perpleurale und 2) der abdominale.
Der letztere hat den Vorzug, dass die Pleura nicht eröffnet zu
werden braucht und eine Infektion der Bauchhöhle bei guter
Technik leichter zu verhüten ist, wie die der Pleurahöhle,
die sich nicht so sicher abschliessen lässt, wie die Bauchhöhle.
Welchen 'Weg man bei der Eröffnung des subphrenischen Ab-
szesses einschlägt, das hängt ganz von dem betr. Fall ab. Die
Technik solcher Operation zu schildern, inuss ich mir versagen.
Die Erörterungen über die akute Magendilatation, das Blut-
erbrechen etc. haben gezeigt, wie wichtig es ist, die Zufuhr
von Flüssigkeit nach einer Gallensteinoperation genau zu über-
wachen. Es ist überhaupt von grosser Bedeutung, die Diät
nach einer Oallensteinoperation genau zu regeln. Dieselbe
richtet sich in erster Linie nach den Bedürfnissen des Kranken,
resp. nach seinen Magen- und Darmverhältnissen. Ich gebe,
was ich bereits oben erwähnte, im allgemeinen die ersten fünf
Tage nur flüssige Kost. Die ersten 24 Stunden bekommt Pat.
nichts per os, bei grosser Schwäche wird durch Kochsalzeinläufe
per clysma, event. Kochsalzinfusionen und Öleinsprilzungen nach-
geholfen. Hat Pat. nicht erbrochen, so bekommt er am 2. Tage
kalten Tee, und zwar nur alle 10 Minuten 2 — 3 Teelöffel voll.
Auch ist Zitronenwasser, Tee mit Cognac erlaubt. Sekt gebe
ich nicht, um den Kranken nicht unnütz den Leib durch die
Kohlensäure aufzublähen ; gegen schweren Rheinwein ist nichts
einzuwenden. x\ni 3. Tage erlaube ich kalte Milch und Kaffee,
und gewöhnlich erst am 4. Tage bittet sich Pat. eine leichte
Fleischbrühe aus. Überhaupt wollen viele nur kalte Getränke,
doch verordne ich heisse, wenn die Herztätigkeit schwach ist
und eine Hebung des Pulses mir geboten erscheint. Sehr gern
nehmen die Pat. vom 3. bis 4. Tage an Fleischgelee von
Brand-London — ein ausgezeichnetes Präparat. Stuhlgang er-
folgt gewöhnlich nie spontan vor dem 5. Tage; durch Einlaufe,
Glyzerinklystiere wird er angeregt und durch eine Gabe von
Rizinusöl schliesslich in vollendeter Weise erzielt. Danach beginnt
Pat. mit fester Kost, Zwiebäcken, Kalbsbrieschen, Huhn, Taube,
— 867 —
und der Chirurg- hat dann Gelegenheit, sich als tüchtig-er
Diätetiker zu zeigen und seinen Pat. klar zu machen, dass er
nicht nur in seinem speziellen Fach, sondern auch in „Küche
und Keller" Bescheid weiss. Es ist oft geradezu ein Verg-nügen,
die Freude zu beobachten, welche Kranke empfinden, die oft
Wochen lang so gut wie nichts genossen haben und plötz-
lich nach allerlei Leckerbissen Verlangen bekommen. Es ist
in der Tat aber auch erstaunlich, wie ein Hydrops der Gallen-
blase oft die Magenfunktionen in Grund und Boden verderben
kann, und wie schon 8 Tage nach Beseitigung des Hinder-
nisses am Ductus cysticus sich beim Pat. ein Löwenhunger ein-
stellt. Ich hatte, um nur ein Beispiel zu erwähnen, einmal
eine Thüringerin operiert, die gleich mir — ich bin selbst
Thüringer Kind — die Thüringer Kartoffelklösse mit Gänse-
braten über alles liebte. (Thüringer Kartotfelklösse sind, bei-
läufig bemerkt, das unverdaulichste Essen, was es gibt. Die
Kartoffeln werden gerieben, alles Nahrhafte herausgepresst, und
es bleibt die pure Cellulose, die den Magen so belästigt, dass
man gewöhnlich 24 Stunden überhaupt nichts mehr essen kann.)
Besagte Pat. hatte 3 Monate vor der Operation kaum mehr
wie Rotwein, Milch und etwas Cakes zu sich genommen und
trotzdem oft genug erbrochen. 14 Tage nach der Operation
hörte sie, dass es in meiner Küche Kartoff'elklösse gab, sie war
von einem solchen Heimweh nach dem heimatlichen Gericht
erfasst, dass ich ihrem Bitten und Flehen nachgab und ihr einen
Klos zukommen liess, den sie mit der gehörigen Menge fetter
Sauce und Gänsebraten vertilgte. Aber der Magen, der 3 Monate
lang so ,,schwer krank." war, sagte nichts zu dieser ungewohnten
Mahlzeit : die Pat. war am nächsten Tage ohne alle Beschwerden.
Ich erzähle diese Geschichte nicht, um diese Thüringer
Kartoffelklösse für die Nachbehandlung der Gallensteinoperierten
zu empfehlen ; doch man sieht, wie rasch die Patienten sich oft
erholen und schon nach 14 Tagen so gut wie alles essen können.
Ich lasse trotzdem die Gallensteinkranken 14 Tage ganz
diät leben, nach 3 Wochen gehen sie aber allmählich zu der
gewöhnlichen Kost über, und wenn sie entlassen werden, so
gebe ich denselben folgende Ratschläge inbezug auf die Diät
mit auf den Weg : Ein Gallensteinoperierter soll oft (alle drei
Stunden) kräftige und leicht verdauliche Speisen zu sich nehmen.
Er soll oft essen, da es festgestellt ist, dass dadurch der beste
— 368 —
Abfluss der Galle erzielt wird. Alles, was den Magen unnütz
belästigt und die Verdauung erschwert, was ihm erfahrungs-
geraäss nicht bekommt, soll er fortlassen. Weitere Massregeln
sind kaum nötig, vorausgesetzt, dass die Magen- und Darm-
funktionen in Ordnung sind.
Am einfachsten ist die Diät auszuführen bei Ectomierten.
Haben wir cystostomiert oder eine Hepaticusdrainage angelegt,
so müssen wir auf die bestehende Gallenfistel resp. auf die
Menge der ausgeschiedenen Galle Rücksicht nehmen.
Haben wir bei Ikterischen Anastomosen zwischen Gallen-
system und Darm angelegt, so ist doppelte Vorsicht in der
Diät nötig 1) wegen des Ikterus und 2) wegen der Darmnaht.
Welche Diät Ikterische zu halten haben, ist eine bekannte
8ache: ich kann diese Frage übergehen, und dass man nach
allen Laparotomien, bei denen man Magen und Darm genäht
hat, mit der Kost doppelt vorsichtig ist, bedarf auch kaum
näherer Begründung.
In einem normal verlaufenden Fall wird also ein Gallen-
steinoperierter 5 Tage nur flüssige Kost zu sich nehmen, dann
14 Tage leichte, feste Kost sich erlauben dürfen, um dann die
gewohnte Ernährung wieder aufnehmen zu können.
Aber gar oft wird diese Regel durch Ausnahmen gestört!
Die Magenfunktionen kehren meist nicht so rasch zur Norm
zurück, wie in dem oben geschilderten Fall, und es bedarf aller
Künste der Köchin, aller Überredungen des Pflegepersonals, um
dem Patienten oft die vielbeneidetsten Leckerbissen, selbst Caviar
und Austern, beizubringen. Besonders dann, wenn das Gallen-
system infiziert ist, bleibt der Appetit lange aus, und so lange
die Galle aus der Hepaticusdrainage herausfliesst, ist zwar der
Durst sehr gross, der Appetit aber gering. Doch da gerade bei
der Hepaticusdrainage die Infektion der Leber rasch schwindet
und der GalJenfluss gewöhnlich schnell nachlässt, hebt sich
auch schnell der Appetit, und die Kräfte der Patienten kehren
zurück. Ich lege auf eine gute Verpflegung der Gallenstein-
kranken grossen Wert; trotz der besten Technik des Operateurs
werden keine guten Erfolge erzielt, wenn die Küche nicht ihre
Schuldigkeit tut. Ich habe in meiner Klinik die Einrichtung
getroffen, dass für I., IL und III. klässige Patienten dieselbe
Suppe gekocht wird und ein Fleischgericht für alle Klassen das
gleiche ist. Fernerhin bekommen die Patienten dieselbe Kost,
- 369 —
wie ich selbst und meine Familie. Dadurch kann ich am besten
die Güte der Speisen kontrollieren und bin sicher, dass auch
die Beköstigung- der Gallensteinkranken eine kräftige und nahr-
hafte ist. Jedenfalls ist es kein Fehler, wenn ein Bauchchirurg
auch etwas vom Kochen versteht und nicht nur für Ordnung
im Operations- und Verbandzimmer sorgt, sondern auch den
Betrieb in der Küche kontrolliert.
Ich übe diese Kontrolle persönlich sehr gern aus, sofern
es meine Zeit erlaubt, trotzdem ich weiss, dass viele Witze
und üble Bemerkungen über meine Vorliebe für die Küche
gemacht werden. Ich lasse derartige Reden gerne über mich
ergehen, meine aber, dass der Ruf einer Privatklinik nicht
darunter leidet, wenn auch die Art der Beköstigung die Ope-
rierten in jeder Art zufrieden stejlt. Wie viele Klagen hört
man nicht von Patienten über andere Kliniken! Arzt und Pflege
sind gut, aber das Essen ist entsetzlich! Warum? Weil die
meisten Chiturgen die Verwaltung ihrer Klinik fremden Leuten
zu übertragen gezwungen sind, die „verdienen" wollen und für
viel Geld wenig liefern. An der Verpflegung der Operierten
kann man, wenn sie gut sein soll, nichts verdienen, man müsste
schon sehr hohe Verpflegungssätze feststellen. Deshalb habe
ich es vorgezogen, die Verwaltung der Klinik und die Ver-
pflegung der Patienten selbst zu übernehmen: so weiss ich,
dass nicht am unrechten Ort gespart wird und kann die Ope-
rierten so ernähren, dass sie sich ordentlich erholen und wohl
befinden.
Es ist natürlich nicht nötig, dass der Chirurg „mitkocht",
aber zweckmässig ist es, wenn der Leiter einer Privatklinik,
falls er ein holdes WeiF) errungen und sein eigen nennen darf,
mit diesem und Koch oder Köchin den Küchenzettel bespricht
und für jeden Operierten ganz bestimmte Anordnungen trifft.
Liegt es doch auf der Hand, dass ein Patient, bei dem fast
sämtliche Galle durch eine Hepaticusdrainage nach aussen ge-
leitet wird, anders ernährt werden muss, als ein Kranker, dem
nur die Gallenblase exstirpiert zu werden brauchte. Ich habein
der Ernährungstherapie von V. Leyden und Klemperer darüber
Folgendes gesagt:
„Bei der Cystostomie, der Anlegung einer äusseren Gallen-
blasenflstel, leiten wir einen Teil der Galle ab und schädigen
den Organismus insofern^ als nur ein Teil der Galle für die
Kohr, Technik der Ganonsteinoperationen. I. 24
— 370 —
Verdauung ausgenutzt wird. Es ist hier nicht der Ort zu unter-
suchen, ob die Galle ein Sekret oder ein Exkret ist und ob sie
bei der Verdauung wirklich die Rolle spielt, die man ihr bei-
misst. *) Auf jeden Fall steht fest, und ich habe das bei zirka
250 Gallenblasenfistelanlegungen beobachtet, dass eine Reiiie
von Operierten, obgleich sie durch die äussere Fistel 500 bis
800 gr. Galle täglich verlieren, durch diesen Verlust in ihrem
Ernährungszustand gar nicht beeinträchtigt werden: trotzdem
nur wenig Galle in den Darm fliesst, der Stuhlgang ganz farb-
los ist, haben sie guten Appetit, keinen grossen Durst und fast
normale Verdauung. Andere wieder leiden schwer unter dem
Gallenverlust, ja so schwer, dass sie in wenigen Tagen sehr
herunterkommen und das Schlimmste befürchtet werden muss ;
sie verlieren vcJllständig den Appetit, klagen über fortwährenden
Durst und magern entsetzlich ab. Die Ursache von diesem
merkwürdig verschiedenen Verhalten kennen wir nicht, aber wir
müssen in den Fällen der letzten Kategorie durch eine rationelle
Ernährung die sinkende Lebenskraft zu erhalten suchen. Wir
vermeiden besonders alle Fette, weil nach der Anlegung einer
Fistel die Fettresorption im Darmkanal erheblich gestört ist, **)
und geben eine kräftige, an Eiweis und Kohlehydraten reiche
Kost, eventuell müssen wir, um überhaupt ernähren zu können,
die Fistel schliessen oder eiue Cholecystenterostomie ausführen,
d. h. die Galle durch eine Anastomose zwischen Gallenblase
und Darm der Verdauung wieder nutzbar machen.
Nach der Gallenblasenexstirpation ist es keineswegs nötig,
eine andere Ernährung innezuhalten, als wie das bei jeder Lapa-
rotomie angezeigt wäre. Wenn auch Oddi***) beobachtet hat,
dass nach dieser Operation Heisshunger und gallige Diarrhöen
eintreten sollen, so konnte der uns leider so früh entrissene
*) Vergl. Carl Voit, Über die Bedeutung der Galle für die Auf-
nahme der Nahruugsstoffe im Darmkaual. Stuttgart 1882 und L. Her-
mann, Lehrbuch der Physiologie. II. Aufl. Berlin 1896, S. 198.
**) Während im normalen Zustand von 150 — 250 gr. Fett fast
99 pCt. resorbiert werden und nur 1 pCt. im Kot auftritt, wird nach
Anlegung der Fistel ein grosser Teil des verzehrten Fettes unverändert
wieder ausgeschieden, von 100 — 150 gr. Fett werden dabei nur 40 pCt.
resorbiert, grössere Mengen Fett gar nicht mehr ertragen.
*♦*) R. Oddi, Effeti dell'estirpazione della cistifellea. (Bullet,
d. sc. med. Bologna 1888. Heft 3—4.)
— 371 —
Nasse*) von alledem nichts nachweisen, und ich selbst habe
nach zahlreichen, von mir ausgeführten Gallenblasenexcisionen
niemals eine Störung der Magen- und Darmtätigkeit beobachtet,
die eine besondere Ernährung erheischte; zudem hat P. Eosen-
berg **) nachgewiesen, dass die Exstirpation der Gallenblase
am Hunde nicht die mindeste Einwirkung auf die Verdauung
hat, und W. Sachse***) muss auf Grund von klinischen Be-
obachtungen die Frage, ob beim Menschen die Resorption der
Nahrung Einbusse erleidet, wenn die Galle kontinuierlich
in den Darm abfliesst, statt unter Mitwirkung der Gallenblase
periodisch abgegeben zu werden, verneinen.
Sehr vorsichtig mit der Ernährung muss man nach Chole-
dochotomien sein: gewöhnlich handelt es sich um sehr geschwächte
Individuen, die schon lange an Ikterus und dessen Folgen ge-
litten haben und durch bei der Cholämie nicht selten auftretende
Blutungen in ihrem Kräftezustande stark heruntergekommen sind.
Dazu ist die Choledochotomie eine sehr schwierige Operation,
die leicht zu Kollaps führt und eine recht lange Überwachung
inbezug auf die Ernährung erfordert. Man tut gut, bei dem
nach der Operation nicht immer sofort schwindenden Ikterus
alle fetten, schwerverdaulichen Speisen fortzulassen; es dauert
gewöhnlich 14 Tage, meist noch länger, ehe jede Spur des Ikterus
beseitigt ist, und so lange dürfte eine fettfreie Nahrung zu
reichen sein. Dass auf der anderen Seite nach schwächenden
Operationen eine recht kräftige Ernährung am Platze ist, ver-
steht sich von selbst.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass eine reichliche Mahl-
zeit ein besseres Cholagogum ist als alle Arzneimittel, denen
man galletreibende Kraft nachrühmt (Olivenöl, salizylsaures Na-
tron u. s w.); wir werden in Fällen, in denen Steinreste im
Choledochus zurückgeblieben sind und durch den Gallenstrom
herausgeschwemmt werden sollen, von dieser Erfahrungstatsache
Gebrauch machen, um dadurch die Kraft des Gallenstromes zu
erhöhen; leider liegt der Appetit, so lange der Choledochus
*) Nasse, Über Experimeate au der Leber und den Gallenwegen.
Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. XLVIII. S. 885.
**) Über den EinflussderGalleublasenxstirpation auf die Verdauung.
Pflügers Archiv. Bd. LIII. Heft 9— 10. 1893.
***) Über die Resorption der Nahrung bei Verschluss des Gallen-
blasenganges. Dissert. Berlin 1894.
24*
- 372 —
durch Steine verstopft ist, derärti^^ darnieder, dass kräftige,
reichliche Mahlzeiten von den Operierten nicht angenomineii
werden,"
Ehe ich zu der speziellen Nachbehandlung, welche die ver-
schiedenen Operationsmethoden erfordern, übergehe, will ich
beschreiben, wie ich an meinen Operierten einen Verbandwechsel
vornehme. Man wird daraus ersehen, dass diese Prozedur sehr
einfach vor sich geht und nicht solche Umstände macht und
Vorbereitungen erheischt, wie man das nach Eiedel's Schilderung
annehmen sollte. Riedel verlangt 3 Wärter, 2 stärkere und
einen schwächeren, also event. Pflegerin und spricht sogar von
einem Wärter Nr. 4. Ich halte es für dringend nötig, dass in
einer Klinik genügend Personal vorhanden ist, aber zu einem
Verbandwechsel ist eine solche Mobilmachung von 4 Leuten
ganz und gar unnötig. Ich habe keine 3 oder 2 Wärter,
sondern nur 2 und zwar einen starken (Wärter) und einen
schwachen (Wärterin) und werde damit sehr gut fertig. Der
starke Wärter fasst den im Bett liegenden Kranken so von
hinten, dass er mit den flachen Händen in die Axilla greift und
die Hände ausgestreckt an den Brustkorb legt, die Wärterin fasst
die Beine. Der Kranke soll alles ruhig an sich vornehmen
lassen, er legt seine Hände auf die Brust und macht nur die Knie
steif; so wird er auf die Fahre gelegt und von dieser wieder,
so bald er im Verbandzimmer angekommen ist, auf den Verband-
tisch. Eine „besondere Verbandrede" halte ich nicht. Der Patient
braucht bei Abnahme des Verbandes, wenn man diesen nicht
durchschneiden will, weiter nichts zu tun als die Kniee krumm zu
machen und das Gesäss zu lüften; das ist alles. Ich habe nie-
mals bemerkt, dass der Fat. mit den Beinen in die Luft fährt
und dadurch an seiner Wunde zerrt oder sie gar sprengt. Ist
der Verband resp. die Binde mit Galle durchtränkt, so schneide
ich sie durch, ist das nicht der Fall, so werden die Binden,
(breite Cambricbinden) abgewickelt, damit sie vom Wärter
gekocht und zu weiteren Verbänden verwandt werden. Gaze
und Watte nehme ich nur mit der Pinzette ab, nie mit den blossen
Fingern. Die Entfernung der tamponierenden Gaze geschieht unter
reichlicher Verwendung von 40° C. warmer Kochsalzlösung.
Ich spüle so lange, bis die Gaze völlig gelockert ist und ohne
Schmerzen sich entfernen lässt. Jenachdem an dem Fat. eine
Cyst.ostoraie, Ectomie oder Hepaticusdrainage vorgenommen
— 373 —
worden ist, spüle ich Gallenblase oder Galleng-änge mit steriler
Kochsalzlösung so lange aus, bis die Flüssigkeit klar wieder zurück-
fliesst. Bei der unkomplizierten Ectomie ruft die Beseitigung
der das Leberbett deckenden Tampons gewöhnlich eine massige
Nachblutung hervor, die aber unter erneuter Tamponade stets
steht. Auch wird durch Eröffnung kleiner und kleinster Gallen-
giinge nicht selten ein Gallenfluss geringer oder grösserer Art
hervorgerufen. Derselbe ist ohne alle Bedeutung. Eine neue
Tamponade wird nicht eher eingeführt, bis der letzte Tropfen
Spttlflüssigkeit mit Kornzange und Gaze weggetupft ist. Dabei
kann der Chirurg so recht seine leichte Hand zeigen. Die neue
Tamponade, die dann tolgt, sei locker, aber immer so umfang-
reich, dass alle Buchten der Wundhöhle ausgefüllt werden.
Die Spülung mache ich mit einem Irrigator, der aus Emaille-
blech hergestellt ist und ca. 4 Liter Wasser aufnehmen kann.
Irrigator samt Schlauch wird jeden Morgen von dem Wärter
ausgekocht und dann so hoch an der Wand des Verbandzimmers
aufgehängt, dass genügender Druck vorhanden ist und die
Spülung bequem vorgenommen werden kann. Zwischen jedem
Verl)andwechsel wird das Gummiansatzrohr am Schlauch des
Irrigators mit den Instrumenten zusammen ausgekocht. Der
Irrigator wird direkt aus dem Kochsalzapparate mit neuer
physiol. Kochsalzlösung versehen.
Die Entfernung der Fäden geschieht bei dem ersten gründ-
lichen Verband wecjisel, also 14 Tage post op. ; durch die Unter-
legung des Bronce-Aluminiumdrahts wird das Herausziehen der
Fäden sehr erleichtert. Man zieht mit einer Pinzette den Draht an
und verfolgt ihn bis^zura Knoten. Etwaige darüber gewachsene
Granulationen schiebt man mit der Spitze der Schere zurück.
Schneidet man nun unterhalb der Drahtknoten die Seide durch,
so muss der ganze Seidenfaden inkl. Knoten folgen. Die dabei
entstehende Blutung aus den Granulationen ist der Rede nicht
wert und steht bei der folgenden Tamponade.
Nur in Ausnahmefällen, wenn die Bauchdeckenfäden zu fest
angelegt sind und durchschneiden oder eine Bauchdeckeneiterung
eingetreten ist, entferne ich die Fäden eventuell schon vom
fünften Tage ab (Nr. 58), sichere aber die feste Heilung der
Bauchwunde durch Heftpflasterstreifen. — Wenn nach 14 Tagen
die Revision des Verbandes ergibt, dass die Tampons noch
sehr fest sitzen, kann man auch mit ihrer definitiven Entfernung
— 374 —
noch einige Tage warten oder durch Baden, Kochsalzirrigationen,
Anwendung von Wasserstoffsuperoxyd die Gaze zu lockern
suchen (Nr. 43).
Fast alle meine Verbandwechsel habe ich ohne Narkose
und ohne vorherige Injektion von Morphium vorgenommen.
Nur bei sehr ängstlichen Patienten — sehr nervösen Damen etc.,
denen es schon ein Gräuel ist, in das Verbandzimmer und auf
den „schrecklichen Tisch" transportiert zu werden — wende ich
Narkose an und zwar den Ätherrausch (Nr. 58). Ich kann
aber die Narkosen schnell zählen, die ich je beim Verbandwechsel
einleiten liess.
Die weiteren Einzelheiten des Verbandwechsels sollen in
den folgenden Kapiteln beschrieben werden. —
li. Spezieller Teil der Nachbehandlung.
Wir haben schon im speziellen Teil der Technik bei dem
Kapitel Schleim- und Gallenfisteln so viele Bemerkungen über
die Nachbehandlung nach Cystostomie machen müssen, dass
es fast unnötig erscheinen könnte, in einem besonderen Abschnitt
die Nachbehandlung der verschiedenen Operationen am Gallen-
system abzuhandeln. Es ist aber bei der Wichtigkeit der Sache
gewiss am Platze, eine zusammenfassende Darstellung der Nach-
behandlung zu geben, wobei ich Gelegenheit finde, auf nähere
Einzelheiten hinzuweisen, die ich oben nur kurz oder gar niciit
berührt habe.
An erster Stelle wollen wir die Nachbehandlung der Cysto-
stomie besprechen.
1) Die Nachbehandlung der Cystostomie.
Wenn man an der Gallenblase eine Fistel angelegt hat, so
fliesst aus dieser entweder Galle, wenn der Cysticus ofien ist, oder
Schleim, wenn er geschlossen ist. Manchmal fiiesst abwechselnd
Schleim und Galle, ein Zeichen,, dass der Ductus cysticus resp.
der Hals der Gallenblase siclr vorübergehend schliesst und wieder
öffnet. Bei beweglichen Steinen im Hals der Gallenblase, bei
ansteigenden und absteigenden Entzündungsvorgängen an dieser
Stelle können wir diesen Wechsel der bald schleimig, bald gallig
abfliessenden Flüssigkeit beobachten. Fliesst Galle, so hat es
keinen Zweck, dieselbe in den Verband (wie das Riedel tut)
oder gar in die Betten laufen zu lassen, sondern man fängt die
— 375 —
Galle auf. Bei Riede Ts. Methode — er verwendet nur ein
kurzes Drain — ^schwimmt Pat. am nächsten Morgen meist in
Galle". Trotzdem verbindet ihn Riedel nicht, um keine un-
nützen Schmerzen zu machen. Warum Riedel seinen Pat.
dieses Gallenbad verordnet, und warum er sie nicht trocken legt,
ist mir rätselhaft. Ich habe früher auch so verfahren wie Riedel
und nur ein kurzes Rohr eingelegt, aber den Patienten war es
unangenehm, vielen sogar ekelhaft, „in der Galle zu schwimmen'^,
und seitdem habe ich die Gallenblase so drainiert, dass ein langer
Gummischlauch aus der Gallenblase durch den Verband hindui-ch
in eine neben dem Kranken liegende Flasche (am besten männliches
Urinal) geführt wird. Seitdem ist es Regel, dass der Verband
14 Tage liegen und, was die Hauptsache ist, auch trocken
bleibt. Ich brauche ihn erst nach 14 Tagen zu wechseln. Riedel
verbindet nach 24 Stunden noch nicht, aber nach 48 Stunden.
Er verbindet also in 14 Tagen 13 Mal. Schade um die schöne
Zeit, die man besser verwenden kann, und schade um das Ver-
bandzeug und das Geld, welches diese Verbände kosten! Unter
3 Mk. wird man kaum einen grossen Gallenverband bekommen.
Wenn ich im Jahre 100 Gallenoperationen mache, so erspare
ich mir durch meine Art der Drainage, die auch bei der He-
paticusdrainage zur Anwendung kommt, ca. 1300 Verbände =
3900 M., d. h. ich erspare das Geld dem Kranken.
Es ist höchst selten, dass einmal meine Art der Drainage
nicht funktioniert, d. h., dass neben dem Rohr Galle in den
Veiband tritt. Ist 'das der Fall, so überwickele ich die feuchte
Stelle, wenn die Gallendurchnässung geiingfügiger Art ist. Ist
sie sehr ausgedehnt, so nehme ich den Verband ab bis auf die
Gaze, die direkt in (ter Wunde und auf der Wunde liegt. Oft
kommt es danach nicht wn'eder zur Durchfeuchtung des Ver-
bands, und dann brauche ich den eigentlichen Verbandwechsel
erst 14 Tage post op. vorzunehmen.
Die Drainage hat niemals eine Infektion der Gallenblase
bedingt, vielleicht deshalb nicht, weil ich sehr darauf sehe, dass
die Flasche, welche die Galle aufnimmt, öfter ausgekocht
wird. Um das durch den Hals der Flasche tretende Rohr lege
ich Watte ein, so dass die Flasche luftdicht abgeschlossen ist.
Eine Infektion halte ich bei gut fliessender Galle überhaupt für aus-
geschlossen. Sistiert der Gallenfluss, so ist eine Infektion bei der
Ried e r sehen Methode auch unter dem besten Verbände möglich.
- 376 —
Der Gallenfluss aus der Cystostomiefistel dauert im Durch-
schnitt 4 Wochen. Ich entferne fast immer nach 14 Tag'en
das Rohr aus der Gallenblase, damit die Fistel zuheilen kann.
Dann ist g-ewöhnlich täglicher Verbandwechsel nötig, da die
Galle den Verband durchnässt. Ich benutze diese Gelegenheit,
um die Gallenblase mit physiol. Kochsalzlösung auszuspülen,
damit die letzten Reste der Entzündung sicher beseitigt und
etwa bei der Operation übersehene Steine herausgespült werden.
(\r. 7, Nr. 8, Nr. 11, Nr. 19, Nr. 23, Nr. Ti, Nr. 77, Nr. 83,
Nr. 177.)
Auch hiebei sehe man darauf, dass man die Steine in toto
entfernt, doch lässt sich nicht immer eine Zertrümmerung der
Steine bei der Extraktion verhüten. (Nr. 14, Nr. 19.) Nach
4 Wochen ist die Fistel so eng, dass kaum mehr Galle hervor-
tritt. Die noch bestehende Wunde ist meist nach weiteren 14
Tagen völlig geheilt.
Die Entfernung der Fäden und derjenigen Tampons, welche
zwischen den Silberdrähten und den äusseren Wundrändern
liegen, erfolgt bei der Beseitigung des Drainrohrs am 14. Tage
post operat. Durch reichliches Spülen mit physiol. Kochsalz-
lösung werden die Gazestücke auf und in der Wunde erweicht,
bis sie dem leichten Zug der Hakenpinzette folgen. Das ein-
genähte Drainrohr kommt gewöhnlich von allein heraus, da sich
der fixierende Faden bereits abgeslossen hat. Die Drähte zu ent-
fernen macht gewöhnlich gar keine Umstände, auch wenn sie
im wüsten Wirrwarr durcheinanderliegen. Man braucht nur
den Draht bis an den Knoten zu verfolgen , zieht ihn fest an
und schneidet unterhalb des sichtbaren Knotens die Seide durch.
Dann folgt der Faden. Oft haben auch die Fäden durch-
geschnitten und lassen sich leicht entfernen. Man muss darauf
sehen, dass kein einziger Seidenfaden in der Wunde zurück-
bleibt. Ist das der Fall, so lässt die Heilung länger auf sich
warten und tritt nicht eher ein, bis der betr. Faden sich aus-
gestossen hat oder entfernt wurde.
Stösst sich ein Knoten in die Gallenblase ab, so kann es
zum Rezidiv kommen, indem sich der Faden inkrustiert und zu
neuer Entzündung und Steinbildung Veranlassung gibt. (Nr. 67.)
Die Bauchdeckenfäden werden je nach der Art ihrer Reaktion
vom 10. — 16. Tage entfernt. Bei Stichkanaleiterung entferne
ich sie möglichst bald, bei sterilem Verlauf erst am 14. — 16.
— 377 —
Tage. Der Vorsicht halber leg^e ich dann ober- und unterhalb
der Cystostomiefistel zwei ca. 30—40 cm. lange und 3 cra. breite
Heftpflasterstreifen quer über den Bauch, damit die junge Narbe
vor den Insulten des Hustens und unvorsichtigen Bewegungen
geschützt ist. Läuft die Galle klar ab, so wird die kleine
Wunde rings um die Fistel ebenfalls durch einen Heftpflaster-
streifen zusammengezogen. Auf diese Weise ist es mir gelungen,
schon nach 3 — 4 Wochen fast völlige Heilung zu erzielen. Die
meisten meiner Cystostomie-Patienten entlasse ich nach 4 Wochen
und übergebe sie der Behandlung der Kollegen, die sie mir
überwiesen haben. Bildet sich nach einer Cystostomie eine
Schleim- oder eine komplete Gallenfistel aus, so ist die weitere
Behandlung nach Grundsätzen zu leiten, die ich bereits oben
unter dem Kapitel : Gallen- und Schleimfisteln besprochen iiabe.
2) Die Nachbehandlung der Ectomie.
Obwohl die Cystostomie die einfachste Operation am Gallen-
system ist, kann ilire Nachbehandlung viel schwieriger sein,
wie die der Ectomie.
Eine glatt verlaufene Ectomie stellt oft in den ersten
14 Tagen an den Arzt gar- keine besonderen Anforderungen.
Tritt kein Erbrechen ein, gehen die Blähungen spontan nach
24 — 48 Stunden ab, bleiben Puls und Temperatur normal, wird
der Verband weder von Blut noch von Wundsekret durchfeuchtet,
so unterscheidet sich die Nachbehandlung eines Ectomierten in
Nichts von der einer gewöhnlichen Laparotomie.
Auf einige Abweichungen im Verlauf will ich im Folgenden
hinweisen.
' 1. Der Verband kann mit Blut durchtränkt werden. Ich
verhalte mich dabei folgendermassen :
Tritt die Durchtränkung noch am Operationstag ein und
ist der Blutfleck im Verband nicht sehr gross, so wird einfach
etwas Watte aufgelegt und der Puls dauernd geprüft. Bleibt
der Puls gut und nimmt der Blutfleck an Umfang nicht zu, so
sehe ich von weiteren Massnahmen ab. Die Blutung kann
entweder aus den Bauchdecken oder aus dem Leberbett oder
aus der Art. cystica, deren Ligatur nachgegeben hat, stammen.
Man sei mit einer Eevision der Wunde nicht zu voreilig. Es
kann sehr stark aus dem Leberbett bluten, aber eine Entfernung
der Tampons würde die Blutung nur verschlimmern. Nur wenn
— 378 —
der Patient stark blutet, d. h. der Verband oft gewechselt werden
muss, wenn er anfängt, anämisch zu werden, muss man Ver-
dacht haben, dass die Blutung aus der Art. cystica stammt,
und dann ist allerdings ein Nachsehen zu erwägen. Es ist nicht
leicht, in solchen Situationen das Richtige zu treffen und zu
entscheiden, ob man nachsehen soll oder nicht* Wie gesagt, nur in
bedrohlichen Fällen entschliesse ich mich zur erneuten Operation.
Im Übrigen begnüge ich mich damit, mit den bekannten Mitteln
den Patienten über den Blutverlust hinwegzubringen. Kochsalz-
infusionen wende ich ungern an, da sie die Blutung wieder
anregen können, Kochsalzklystiere scheinen mir rationeller.
Man muss bedenken, dass eine erneute Unterbindung der
Art. cystica eine Wiedereröffnung fast der ganzen Bauchwunde
erfoidert. Wir machen also eine erneute Laparotomie und
dürfen bei ihr keine der aseptischen Massnahmen ausser acht
lassen, die wir bereits bei der ersten Operation anwandten.
Lebensgefährliche postoperative Blutungen aus dem Leber-
bett und der Art. cystica sollten einem guten Chirurgen nicht vor-
kommen, vorausgesetzt, dass Patient keinen Ikterus hat. Cholä-
mische Blutungen verhütet die Technik nicht. Bei ihnen nützt eine
lokale Behandlung auch sehr wenig, dieselben müssen wir, wie wir
schon bei den Vorbereitungen auseinandergesetzt haben, durch
Darreichung von Chlorcalcium und Injektion von 2*^jo Gelatine-
Lösung zu verhüten suchen.
Schwere Blutungen nach der Ectomie habe ich in mehr
als 400 solchen Operationen nur zweimal beobachtet. Einmal
gab die Ligatur an der Art. cystica wenige Stunden nach der
Operation nach, so dass eine Wiedereröffnung der Bauchhöhle
sich nötig erwies, das zweite Mal kam die Blutung erst L5 'I'age
post. op. Hier Hessen sich die Unterbindungsfäden bei dem
nach 14 Tagen vorgenommenen Verbandwechsel ganz leicht ent-
fernen. Am nächsten Tage (ca. 36 Stunden nach dem Verband-
wechsel) trat eine sehr heftige Blutung ein ; der Verband wurde
schnell mit Blut durchtränkt, und als er abgenommen wurde,
quoll das Blut im Strom aus der Tiefe hervor. Ein mit Gelatine-
lösung getränkter Gazestreifen stillte die Blutung; diese wieder-
holte sich zweimal, so dass stets wieder erneute Tamponade
nötig war. Dann heilte die Wunde rasch. Diese Blutung
stammte sicher aus der Arteria cystica. Warum die Patientin
eine so geringe Neigung zur Blutgerinnung zeigte, ist mir nicht
— 879 —
klar j>eworden. Jedenfalls handelt es sich um einen Ausnahme-
fall, der aber gewiss alle Beachtung verdient. Der Fall ist erst
kürzlich beobachtet worden, so dass ich ihn in die Casuistik
des IL Teils nicht mehr unterbringen konnte. Übrigens bot er
ausser der Blutung in technischer Hinsicht keine weiteren
Besonderheiten.
2, Der Verband kann mit Galle durchtränkt sein. (Nr. 34,
Nr. 39, Nr. 40—42, Nr. 52, Nr. 60, Nr. 62). Entweder ist die
Ligatur vom Ductus cysticus abgeglitten (Nr. 34, Nr. 39), oder
aber durch die Ablösung der Gallenblase von der Leber sind
kleinere Gallengänge eröffnet worden (Nr. 52, Nr. 60), aus denen
nun die Galle in die Taraponade tritt. Durchtränkung des Ver-
bandes mit Galle bedingt keine Erneuerung des Verbandes. Ich
lasse die Tamponade ruhig liegen und wechsle nur die aufgelegten
Gazeschichten. Die Galle schadet auch dann dem Peritoneum
nichts, wenn sie infiziert ist. Gallige Durchtränkung des Ver-
bandes hat sogar den Vorteil, dass die spätere Entfernung der
Tampons wesentlich leichter ist, wie bei ganz sterilem Verlauf.
Die Ligatur am Ductus cysticus kann nachgeben, wenn sie
schlecht angelegt ist; entweder lag sie zu locker, oder es war
ein zu kurzes Stück des Ductus cysticus gefasst. Die Regel
ist, dass ein Gallenfluss post Ectomiam rasch vorübergeht, hält
er an, so ist es möglich, dass ein Stein im Choledochus über-
sehen wurde. (Nr. 41.) Hinter diesem hatte sich die Galle
gestaut, und die Ligatur musste dem erhöhten Druck nachgeben.
Aber auch bei Steinen im Ductus choledochus kann der Ductus
cysticus sich wieder schliessen. Selbst walnussgrosse Steine
im Ductus choledochus verhindern nicht die Heilung einer
Cysticusfistel, wenn sie im erweiterten Choledochus die Galle
neben sich vorbei in das Duodenum gelangen lassen.
In Fall Nr. 41 ging der im Choledochus übersehene Stein
trotz offenem Cysticus ab, wonach rasch der Gallenfluss nach
aussen hin nachliess. Man wolle die in der Epicrise diet^es
Falls ausgesprochene Mahnung wohl beherzigen! Auch Fall
Nr. 42 ist in dieser Richtung von Bedeutung!
Permanenter Gallenfluss aus einer Cysticusfistel fordert,
wenn der Patient herunterkommt, von vielen Koliken geplagt
wird, nochmalige Laparotomie resp. Revision des Ductus chole-
dochus, Entfernung des übersehenen Steins, Hepaticusdrainage.
Findet man keinen Stein, so muss man daran denken, dass
— 380 —
Adhäsionen, Lymphdrüsen, Schwellung des Pankreaskopfes, ab-
norme Engigkeit des Choledochus den Abfluss der Galle in den
Darm verhindern können und wird eventuell eine C3'^stico- resp.
Choledocho-Enterostomie vornehmen müssen.
3. Durchtränkung des Verbandes mit Wundsekret erfordert
Entfernung der Tampons, wenn diese riechen und der Verdacht
besteht, dass hinter denselben eine Sekretanhäufung stattgefunden
hat. Aber auch hier sei man in den ersten Tagen mit der
Entfernung des Verbandes nicht zu voreilig, nur hohe Tem-
peraturen, schlechter Puls, sehr gestörtes Allgemeinbefinden
rechtfertigen eine vorzeitige Abnahme des Verbandes resp. Ent-
fei'niing der Tamponade.
Ich lasse den Verband gew^öhnlich 14 Tage lang liegen und
unterscheide mich in dieser Beziehung von vielen Chirurgen,
die bereits am 4. oder 5. Tage mit der Lockerung der Tampons
beginnen. Ich bin einerseits der Meinung, dass ein sicherer
Al)schluss der Bauchhöhle vor 12 — 14 Tagen nicht erreicht ist,
(Nr. 63) und andererseits kann ich nicht recht daran glauben,
dass durch ein zu langes Liegenlassen der Gaze eine sekundäre
Lifektion der Wunde erfolgen kann. Das ist jedenfalls bei
frühzeitiger Entfernung der Tampons viel eher möglich. Eine
geringe Infektion wird wohl zuweilen bei lange liegenden Tampons
eintreten, aber die.-^e schadet weder der Wunde noch dem
Patienten etwas.
Die Entfernung der Tampons geschieht wie bei der Cysto-
stomie unter gleichzeitiger ausgiebiger Spülung mit 40 '^ C.
warmer Kochsalzlösung. Die Tampons werden gelockert und
einer nach dem andern entfernt. Dann wird die Höhle durch
sterile Gaze trocken gelegt und neu tamponiert.
Zugleich entferne ich die Haut- und Durchstichnähte und,
wenn sie locker sind, auch die Ligaturen des Ductus cysticus
und der Art. cystica. Gewaltsames Ziehen an diesen Ligaturen
ist verboten ; das macht unnütz Schmerzen, und es kommt gar
nicht darauf an, ob die Ligaturen nach 14 oder nach 28 Tagen
zum Vorschein kommen.
Die Hepatopexiefäden, unter welche Draht gelegt ist,
nehme ich meist beim ersten Verbandwechsel (14 Tage post op.)
fort, da später die Granulationen über den Draht wegwachsend
die Entfernung erschweren. Bei ganz sterilem Verlauf sitzt
die Gaze oft recht fest. Die gewaltsame Entfernung würde
. — 381 —
Schmerzen und unnötige Blutung aus dem Leberbett verursachen.
Ich lasse die Gaze unter solchen Umständen auch bis zum 21.
Tage liegen und feuchte sie immer nur mit physiol. Kochsalz-
lösung an , wodurch ich die spätere Entfernung wesentlich
erleichtere. Auch die Verwendung von Wasserstoffsuperoxyd
ist oft von Vorteil.
Meistenteils sind nach 3 Wochen alle Tampons und Fäden
beseitigt, es besteht nur noch ein schmaler Wundtrichter, den
man entweder locker ausstopfen oder auch mit Gummi- oder
Glasdrain versehen kann.
Vier Wochen nach der Operation ist die Wunde in der
Tiefe geschlossen, und nur noch eine seichte Granulation bedarf
der Höllensteinätzung, um nach 2 weiteren Wochen völlig über-
liäutet zu sein.
Den Schmerz nach einer Höllensteinätzung beseitigt man
bekanntermassen augenblicklich durch eine sofortige Bespülung
mit physiol. Kochsalzlösung.
Durch Heftpflaster kann man den Verschluss der Wunde
erheblich beschleunigen. Wenn man keine Ausstopfung der
Wunde mehr nötig hat, kann man die Wundränder durch Heft-
pflaster so einander bringen, tlass ein erstaunlicher Fortschritt
in der Heilung erreicht wird.
Was die Diät bei der Ectomie anlangt, so bedarf es hier,
wenn kein Ikterus besteht, keiner besonderen Anordnungen.
Ich habe nie beobachtet, dass die Ectomie irgendwie die Magen-
oder Darmfunktionen alteriert. Ich gebe also Ectomierten die-
selbe Diät wie jeden anderen La[»arotomierten. Genauere An-
gaben habe ich bereits [m allgemeinen Teil der Nachbehandlung
gemacht.
Ectomierte lasse ich nach 3 Wochen aufstehen und ent-
lasse sie, wenn sie aus der Umgebung von Halberstadt stammen,
am Schluss der 4. Woche. Sind sie weither zugereist, so
ist der Kräftezustand bei der Entlassung massgebend. Wer
wünscht, dass erst alles geheilt sein soll, muss 5 — 6 Wochen
in der Klinik bleiben.
3. Die Nachbehandlung der Choledochotomie und
der Hepaticusdrainage.
Da wir in den meisten Fällen bei der Choledochotomie resp.
Hepaticusdrainage zugleich die Gallenblase entfernen, ist die
- 382 — .
Nachbehandlunc^ der Choledochotomierten nicht viel anders wie
die der Ectomierten.
Doch lieg-t ausser dem Tampon für das Leberbett noch
ein Rohr in der Choledochusincision, durch welches wir die Galle
ableiten. Mit der Entfernung dieses Rohrs beginnt die eigent-
liche Nachbehandlung der Hepaticusdrainage. Mein früherer
Assistent, Herr Stabsarzt Dr. Berger, hat eine ausgezeichnete
Arbeit im Lan gen b eck 'sehen Archiv über die Hepaticus-
drainage geschrieben und eine mustergültige Beschreibung der
Nachbehandlung gegeben, die ich im Folgenden anführe. Vorher
will ich noch erwähnen, dass ich das Hepaticusrohr einlege,
damit die infizierte Galle abfliessen kann und nicht, wie Riedel
anzunehmen scheint, damit Steine durch das Rohr abgehen sollen.
Das ist nie meine Absicht gewesen. Die Steinentfernung können
wir meist nicht der Natur überlassen, sondern müssen sie selbst
vornehmen. Ein ganz kleines Konkrementchen kann einmal ge-
legentlich durch das Rohr abgehen, in den allermeisten Fällen
beginnt die Steinentleerung erst dann, wenn wir den ersten
Verband wechseln. Dieser bleibt — wie Berger schildert —
in der Regel 14 Tage unberührt liegen; in dieser Zeit tiiesst
fast alle von der Leber gebildete Galle durch das Rohr nach
aussen, der Stuhl ist völlig acholisch, nur in wenigen Fällen
beginnt er schon nach einigen Tagen sich zu färben, wenn
nämlich in dem erweiterten Choledochus die Galle am Rohre
vorbei zum Darm abfliessen kann. Drückt der Verband oder
kommt an einer Stelle Wundflüssigkeit, Blut oder Galle durch,
so werden die oberen Verbandschichten gewechselt. Nur aus-
nahmsweise wird vor Ablauf der 2. Woche Rohr und Tamponade
entfernt, wenn sich das Rohr verstopft oder hinter der Tamponade
eine Sekretstauung stattfindet, sowie wenn man annehmen kann,
dass durch die Tamponade eine Abknickung des Duodenum
stattfindet, und endlich, wenn der Austritt von Magen- oder
Darminhalt anzeigt, dass der Intestinaltraktus mit dem Wund-
trichter in Kommunikation getreten ist. Sonst werden erst am
14. Tage post op. die Gazetampons unter reichlichem Spülen
mit physiologischer Kochsalzlösung, die auf 40 ° C. erwärmt ist,
entfernt und das Rohr herausgezogen. Meist hat sich die Naht,
welche es am Choledochus fixierte, schon abgestossen, so dass
es einem leichten Zuge folgt. Ebenso haben sich in der Regel
die übrigen Choledochusfäden soweit abgestossen, dass sie ohne
— 383 —
Gewalt herauso;enommen werden können, während die Unter-
bindungsfaden des Cysticusslumpfes und der Gallenblasengefässe
in der Regel immer noch festsitzen und sich erst im Laufe der
nächsten 8 — 14 Tage herausziehen lassen. Da es uns darauf
ankommt, die Wunde längere Zeit offen zu halten, ist das ganz
belanglos, und wir können ihre spontane Abstossung in Ruhe
abwarten. Alle Nähte und ünterbindungsfäden sind langgelassen,
so dass kein Seidenfaden zurückbleiben und durch Inkrustation
zur Steinbildung führen kann. Durch die ausgedehnte Tampo-
nade ist ein breiter und tiefer Wundtrichter zwischen Leber,
Magen und Duodenum gebildet worden, in dessen Tiefe — und
zwar bisweilen in sehr erheblicher Tiefe — das Lig. hepato-
duodenale liegt. Der Wundtrichter ist durch feste Verwachsungen
nach allen Seiten hin sicher gegen die freie Bauchhöhle abge-
schlossen, nur selten kommt es vor, dass beirti Herausziehen
einer ausnahmsweise fest haftenden Taniponade die Verwachsungen
gesprengt werden und Netz sich herausdrängt oder der sub-
phrenische Raum offen ist. Bei strenger Asepsis sind davon
keine Schädigungen zu erwarten, in wenigen Tagen sind die
Verwachsungen wieder ebenso fest wie vorher.
Durch Zurückhalten des Leberrandes und des sich meist
vorblähenden Magens und Duodenums mit grossen und breiten
stumpfen Haken (Fig. 13), denen man zum besseren Schutz der
berührten Organe Gaze unterlegen kann, gelingt es in der Regel
leicht, die CholedocUusincision zugänglich zu machen und Sonde
und Spülkatheter in den Hepaticus einzuführen. (Nr. 109,
Nr. 110, Nr. lU, Nr. 115, Nr. 119, Nr. 121, Nr. 126, Nr. 136,
Nr. 170.) Die Sondierung des Choledochus ist bisweilen weniger
leicht, oft ist es, wenn nicht besondere Drainage desselben
darmwärts vorgenommen war, sogar recht schwer, ihn aufzu-
finden. Liegt der Choledochus sehr tief, so ist eine Ausspülung
überhaupt unmöglich (Nr. 123, Nr. 142;, Nr. 167). In einigen
Fällen hat uns bei der Besichtigung des tiefen Wundtrichters die
elektrische Stirnlampe recht gute Dienste getan. Zum Sondieren
benutzen wir die gewöhnliche Uterussonde, zum Ausspülen der
Gänge einen besonders gebogenen, silbernen Spülkatheter, dessen
unteres Drittel siebartig durchlöchert ist. (Fig. 20.) Mit diesem
werden die Gallengänge ordentlich ausgesprudelt; da die durch
das Rohr offen gehaltene Choledochuswunde grösser ist als der
Durchmesser des Spülkatheters, so dass das Spülwasser, phy-
— 384 —
siologische Kochsalzlösung von 40 ^ C, frei neben ihm abfliessen
kann, wird das anfangs ohne Beschwerden ertragen. Wenn sich
später die Choledochusöffnung so weit geschlossen hat, dass
der Spülkatheter sie abschliesst, ruft die Füllung und Spannung
im Gallensystem einen drückenden Schmerz hervor, der gewöhn-
lich als „zum Magen hinziehend" beschrieben wird. Ist der
Hepaticus ausgesprudelt, so wird der Katheter darmwärts ein-
geführt und der Choledochus einer gründlichen Spülung unter-
zogen, meist gelingt es, den Katheter soweit vorzuschieben, dass
er die Papille passiert und das Wasser in den Darm fliesst.
Auf diese Weise können dem Patienten auch Medikamente, be-
sonders das unbeliebte ßicinusöl. zugeführt werden, ohne dass
er durch ihren Geschmack belästigt wird. Mit dem Spülwasser
entleeren sich häufig zuiückgelassene und übersehene Steinchen,
(Nr. 88, Nr. 98, Nr. 103, Nr 104, Nr. 107, Nr. 110, Nr. 111,
Nr. 113, Nr. 117, Nr. 119, Nr. 120, Nr. 127, Nr. 131, Nr. 134,
Nr. 143, Nr. 153, Nr. 168, Nr. 169), aber auch wo solche nicht
vorhanden sind, werden dadurch allerlei Schmutz, Schleim- und
Riterflocken, gangränöse Schleimhautfetzen und Bröckel einge-
dickter Galle aus den Gallenwegen herausgeschwemmt. (Nr. 107.)
Grössere Steine, die dem Spülwasser nicht folgen, werden mit
der Kornzange gefasst und möglichst unverletzt extrahiert.
Nach Beendigung des Eingriffs am Choledochus wird der VVund-
trichter ausgetrocknet, mit steriler Gaze breit tamponiert und
ein reichlicher Verband angelegt. Da das Rohr nicht wieder
eingeführt wird, fliesst jetzt alle Galle in den Verband, der
in den nächsten Tagen täglich mindestens einmal gewechselt
werden muss. Wird die Haut in der Umgebung der Wunde
durch die Galle gereizt und entsteht ein Ekzem, so ist Auf-
streuen von gewöhnlichem Salicylpulver zu empfehlen ; die Haut
gewöhnt sich in der Regel bald an die Benetzung mit Galle.
Der erste Verbandwechsel nach einer Hepaticusdrainage
nimmt oft eben so viel Zeit in Anspruch, wie die Operation
selbst, und dauert nicht selten ^/-i Stunden. Auch die nächsten
Verbände nehmen den Operateur sehr in Anspruch, doch ist
eine recht sorgfältige Nachbehandlung nötig, um durch Frei-
machung der Gallengänge etwaigen Rezidiven aus dem Wege
zu gehen.
In der nächsten Zeit werden Hepaticus und Choledochus
täglich sondiert und ausgespült, und dies wird so lange fortgesetzt,
385 —
bis keine Konkremente mehr nachweisbar sind und die Galle
klar abfliesst. Bleibende Trübung: der Galle und Beimengung:
bröckeliger weicher Massen beweist, dass die Infektion im He-
paticus noch nicht erloschen ist, und zwar sind in den weitaus
meisten Fällen Steine die Ursache der fortbestehenden Infektion,
auch wenn sie sich durch ihren Sitz hoch in den Ästen des
Hepaticus dem Nachweis durch die Sonde entziehen. Der Zweck
der Operation wäre nicht erreicht, wenn ein Stein zurückbliebe,
deshalb dürfen wir die Fistel sich nicht eher schliessen lassen,
als bis wir sicher sind, dass keine Steine mehr im Gallensystem
stecken und dass die Infektion
erloschen ist. Es dauert bis- Fig. so.
w^eilen wochenlang, bis die Galle
klar und ohne Beimengungen
abfliesst, und im Verlaufe dieser
Zeit hat sich der anfangs riesige
Wundtrichter mehr und mehr
verkleinert, so dass schliess-
lich nur mehr ein enger Fistel-
gang besteht, gerade gross
genug, um Sonde und Spül-
katheter passieren zu lassen.
Feste Tamponade genügt meist,
um die Galle, welche gewöhn-
lich schon bald nach Heraus-
nahme des Rohres -^ bisweilen,
wie wir eben sahen, schon vor-
her — anfängt ins Duodenum
zu fliessen, ganz in den Darm
zu leiten, so dass der Verband-
wechsel nur noch alle 2—3 Tage nötig wird. In unkomplizierten
Fällen schliesst sich die Fistel in 5 — 6, in Ausnahmefällen
schon in 3—4 Wochen post op. Damit ist die Heilung beendet,
die Überhäutung des zurückgebliebenen Granulationsstreifens
geschieht schnell.
Dieser normale Verlauf einer Hepaticusdrainage erfährt
nicht selten Störungen, die besondere Eingriffe erfordern. Hat
sich bei noch bestehender oder wieder auftretender Trübung
der Galle die äussere Fistel soweit geschlossen, dass der
Spülkatheter nicht mehr eingeführt werden kann, so muss
Schema für Ausspülung des Choledoohus.
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen.I.
25
— 386 —
sie erweitert werden. Dies g-eschieht durch Einführung
eines Laminariastiftes; der einen Augenblick in das kochende
Wasser geworfene Quellstift wird in die Fistel eingeführt
und durch den an ihm befestigten Seidenfaden vor dem
Hiheinrutschen, durch übergelegtes Heftpflaster oder Watte-
Collodium vor dem Herausrutschen geschützt. Der Patient muss
bis zum nächsten Verbandwechsel im Bett bleiben und erhält,
wenn die Schmerzen beim Quellen des Stiftes unerträglich werden,
Morphium. In der Regel wird aber die Dehnung der Narbe
gut vertragen. Von der erweiterten Fistel aus lassen sich so-
dann die Gallenwege bequem wieder ausspülen. Bei sehr lang
anhaltender Infektion des Gallensystems oder wenn immer wieder
Steine aus der Leber herabsteigen, muss man die Erweiterung
der Fistel durch Laminariastifte öfter wiederholen, jedenfalls
wäre es falsch, sie zuheilen zu lassen, bevor man die Über-
zeugung hat, dass die Gallen wege wirklich von Steinen frei sind.
Hält der Gallenfluss, obwohl nichts mehr zur Oflfenhaltung
der Fistel geschieht, sehr lange an, so besteht der Verdacht,
dass ein Hindernis darmwärts den Choledochus verlegt. Ist die
Sondierung bis an die Papille nicht mehr möglich, so wenden
wir das als „Stöpselexperiment" bezeichnete Verfahren an. Ein
Holzstift, dessen Dicke der äusseren Fistel entspricht, wird
mit Watte umwickelt und in die Fistel fest hineingedrückt, ein
um sein oberes Ende geschlungener Seidenfaden sichert ihn vor
dem Hineingleiten, ein Heftpflaster oder Watte-Collodiumverband
vor dem Herausrutschen. Der Patient bleibt ebenfalls bis zur
Abnahme des Verbandes im Bett und erhält nach Bedarf
Morphium.
Der Zweck dieses Verschlusses der Fistel ist folgender:
Ist der Choledochus frei und wurde er nur durch einen Schleim-
pfropf in der Papilla Vateri oder durch Abknickung infolge von
Verwachsungen verlegt, so drängt sich die Galle unter Besei-
tigung dieses Hindernisses hindurch und fliesst in den Darm.
Man sieht keine Erscheinungen von Gallenstauung, bei Heraus-
nahme des Stiftes fliesst nur wenig hinter ihm angesammelte
Galle heraus, der Stuhl ist am nächsten Tage gefärbt. Damit
haben wir die Gewissheit, dass der Gallenabfluss zum Darm
frei ist und können nunmehr in Ruhe abwarten, bis sich die
Fistel schliesst. Liegt aber tatsächlich ein Stein im Chole-
dochus, oder ist sonst ein unüberwindliches Hindernis, Schwellung
— 387 —
des Pankreaskopfes, durch feste Verwachsungen fixierte Ab-
knickung u. a. vorhanden, so staut sich hinter dem Stöpsel die
Galle; vermag sie weder den Stein durch die Papille noch den
Holzstöpsel aus der äusseren Fistel herauszupressen, so hat der
Pat. eine Kolik, bei schwer infizierter Galle mit Schüttelfrost,
zum Ikterus kommt es gewöhnlich nicht, weil der Verschluss
nicht lange genug anhält. Beim Herausnehmen des Stöpsels
stürzt die in Menge angesammelte Galle unter Druck heraus.
Damit ist bewiesen, dass der Choledochus verschlossen ist; zur
Hebung dieses Verschlusses, der in den allermeisten Fällen auf
dem Vorhandensein eines Steines beruht, wird man sich zunächst
durch Erweiterung der äusseren Fistel in der oben angegebenen
Weise den Zugang zu den tiefen Gallen wegen wieder frei
machen und sodann mit Spülkatheter, Kornzange, Löffel und
Gallensteinfänger das Konkrement zu beseitigen versuchen.
Gelingt dies nicht, so bleibt, um die Entstehung einer dauernden
Gallenfistel zu verhüten, nichts übrig, als durch eine neue
Laparotomie den Choledochus aufzusuchen und frei zu machen.
Ein absolut sicherer Beweis für die Steinfreiheit des Chole-
dochus ist auch der negative Ausfall des Stöpselexperimentes
nicht; wir sahen in einem Falle nach dem Verschluss der
äusseren Fistel die Galle frei in den Darm abfliessen, der Stuhl
färbte sich, Erscheinungen von Stauung traten nicht auf, und
doch lagen sogar mehrere Steine im Choledochus. Sie ver-
hielten sich symptomlos, weil jede Entzündung fehlte.
Es kommt selten vor, dass man einen Stein im Hepaticus
resp. seinen Asten zwar mit der Sonde nachweisen kann, dass
es aber auf keine Weise gelingt, ihn mit der Kornzange zu
fassen und ganz oder in Trümmern zu extrahieren. Ist der
Stein beweglich und entschlüpft er dem eingeführten Instrument,
so ist der Schaden nicht gross, da die Galle an ihm vorbei-
fliesst und man erwarten kann, ihn bei einem der nächsten
Verbandwechsel zu bekommen. Anders wenn der Stein fest ein-
gekeilt ist und den Hepaticusast verschliesst. Hier kann seine
Entfernung ein dringendes Erfordernis sein, wie ich bei einem
Fall erlebte. (Nr. 103.) Hier w^urde nach anfangs fieberfreiem
Verlaufe am 10. Tage das Rohr und die Tamponade entfernt;
3 Tage danach gelang es, 2 kleine Steinchen aus dem Hepaticus
herauszuspülen und einen dritten durch Sondieren nachzuweisen.
Derselbe Hess sich auf keine Weise fassen, dagegen wurde die
25*
— 388 —
schon zur Ruhe gekommene Infektion durch die Extrakt ions-
versuche wieder aufgerührt, es traten Ikterus, Kräfteverfall,
Temperatursteigerungen und Pulsbeschleunigung, kurz alle
Zeichen cholangitischer Affektion auf. Bei den Extraktions-
versuchen floss reiner Eiter aus der Umgebung des Steines ab.
Wenn es nicht gelang, den Stein zu entfernen und die Passage
wieder frei zu machen, stand das Leben des Patienten auf dem
Spiele. Am 15. Tage post op. wurde deshalb in Narkose noch
einmal versucht, den Stein zu fassen ; obwohl der Hepaticus bis
an die Leberpforte hin gespalten wurde, gelang es nicht. Es
wurde deshalb als letzter Versuch ein Laminariastift in den
rechten Hepaticusast, in welchem der Stein steckte, eingeführt
und der Patient ins Bett gebracht. Am Abend traten bedroh-
liche Erscheinungen auf, der Stift wurde entfernt, doch hatte
er - seinen Zweck bereits erfüllt, beim Verbandwechsel am
nächsten Morgen war die Extraktion des Steines leicht. Die
Cholangitis ging zurück, der Patient war gerettet. Dieses Ver-
fahren, die Einlegung eines Laminariastiftes in den Hepaticus
innerhalb der Leber ist meines Wissens bisher noch nirgends
angewendet worden ; es ist ein schwerer und zweifellos gefähr-
licher Eingriff, der aber in unserem Falle durch die Lebens-
gefahr des Patienten gerechtfertigt erschien und für ähnliche
Fälle empfohlen werden kann.*)
Eine sehr schwere Komplikation des Verlaufes nach Hepaticus-
drainage ist die Entstehung von Magen- und Duodenalfisteln, da
durch Ausfliessen der genossenen Nahrung die Patienten sehr
geschwächt werden. Wir haben die Bildung derartiger Fisteln
oft genug (Nr. 70, Nr. 99, Nr. 165, Nr. 166) gesehen, einmal ent-
stand sie durch Gewebsnekrose an der Duodenalwand infolge
Schädigung derselben bei Lösung ausgedehnter Verwachsungen,
ein anderes Mal durch Perforation eines Ulcus duodeni, ein drittes
Mal durch Aufgehen einer übernähten Cysticus-Magenfistel, wahr-
scheinlich infolge Infektion der Naht durch die neben dem Rohr
ausgeflossene Galle, ein viertes Mal endlich bei einer hochgradig
heruntergekommenen und anämischen Patientin, welche schon
vor der Operation durch Nährklysmen und Kochsalzinfusionen
erhalten worden war, durch Nekrose der Duodenalwand an
*} Einen Fall von Erweiterung der Choledochusöffnuiig durch
einen in den Cholodochus in Richtung auf den Hepaticus eingeführten
Laminariastift berichtet End aus der Freiburger Klinik.
— 389 —
Stellen, an welchen bei der Operation blutende Gefässe unter-
bunden worden waren.*) v. Cackovic**) hat füfr die Ent-
stehung derartiger Fisteln folgende Erklärung: „Durch die
Unterbindung mehrerer Gefässe am Duodenum kommt es an
einer umschriebenen Stelle der Darmwand zu Zirkulations-
störungen , welche eine Unterbrechung des Blutkreislaufes zur
Folge haben. Eine solche Partie stirbt ab, es kommt durch die
verdauende Kraft des Magensaftes zu einem peptischen Geschwür."
Lilienthal gibt für die Entstehung solcher Fisteln
3 Möglichkeiten an :
„l) Kann bei Lösung der peritonitischen Adhäsionen auch
gleichzeitig die Duodenalwand verletzt sein und nun eine Nekrose
derselben eintreten.
2) Die Entzündungsvorgänge im Gallensystem haben die
Zusammensetzung der Galle geändert, dieselbe ist neutral, ja
sauer geworden, ausserdem ist wegen Choledochusverschluss
der Abfluss der Galle zeitweilig stark gehemmt, so dass der
saure i\lagensaft im Duodenum seine Wirkung voll entfalten
und gelegentlich ein Ulcus duodeni erzeugen kann.
3) Die Duodenalwand ist schon durch früher stattgehabte
Prozesse nekrotischer Art geschädigt worden , die Muscularis
ist dabei zu Grunde gegangen, eine grössere Narbe zurück-
geblieben, bei der Lösung der Adhäsionen kommt es nun leicht
zur Perforation."
Die Bildung einer derartigen Fistel erkennt man meist am
Geruch des Verbandes; aller flüssige Mageninhalt, bei grösseren
Defekten auch feste Speiseteile, fliessen in den Verband, der
ständig nass ist und 3—4 Mal täglich gewechselt werden muss
Wenn es der Kräftezustand des Patienten erlaubt, entziehen
wir ihm die Nahrung per os für einige Tage ganz und erhalten
ihn durch Nährklystiere , Kochsalzinfusionen und subkutane
Darreichung von sterilisiertem Olivenöl. Das macht sehr viel
Arbeit, man kann aber damit vollständig die Körperkräfte erhalten.
Später gibt man trockene, feste Nahrung, der Durst wird weiter
mit Kochsalzinfusionen und -einlaufen bekämpft. Unter dieser
Behandlung können bei gutem Kräftezustand des Patienten die
*) Einen ähnlichen Fall berichtet End aus der Freiburger
chirurgischen Klinik, auch dieser endete letal.
**) V. Cackovic. Über Fisteln des Duodenums. Arcli. f. klin.
Chir. Bd. 69, p. 843.
— 390 —
Fisteln heilen, der Versuch, sie durch die Naht zu schliessen,
ist uns nie gelungen, die Fäden halten einen Tag, am nächsten
ist das Loch wieder offen und meist grösser als vorher. Da-
gegen wäre die Ausführung einer Gastroenterostomie, event.
mit Verschluss des duodenalen Magenendes in Betracht zu
ziehen, wir haben dies in einem Falle als äusserstes Mittel ver-
sucht; vielleicht hätte die Operation, früher ausgeführt, den
Fig. 81.
Schema fUr Bougierung der PapiHa duodoni.
1. Papille. 2. Spitze des Bougies.
gewünschten Erfolg gehabt, in unserem Falle konnte sie die schon
fast in extremis befindliche Patientin nicht mehr retten. (Nr. 133.)
Besser als die kunst- und mühevollste Behandlung der
entstandenen Fistel ist es jedenfalls, ihrer Entstehung nach
Möglichkeit vorzubeugen. Dazu empfiehlt es sich, beschädigte
Stellen der Magen- und Darmserosa sorgfältig zu übernähen
und diese Stellen ebenso wie übernähte Fistelöffnungen ausser-
halb der Tamponade zu lagern, so dass sie von der ausfliessen-
— 391 —
den Galle nicht berührt werden. Zur noch grösseren Sicherheit
kann man sie, wenn angängig, mit Netz überkleiden. Gegen
die Entstehung geschwüriger Prozesse von der Mucosa her sind
wir machtlos.
Unsere anfängliche Furcht, dass der in den Wundtrichter ein-
fliessende Magen-Darminhalt durch die Öffnung im Choledochus das
Gallensystem infizieren könnte, erwies sich als grundlos. Anfangs
führten wir nach dem Verbandwechsel immer wieder ein Kohr
in den Hepaticus ein, um eine etwaige Infektion zu verhüten,
später haben wir es nicht mehr getan, ohne Nachteile davon
zu sehen.
Die Hepaticusdrainage hat aber nicht nur den Vorteil,
dass man nachträglich herabrückende Lebersteine durch Aus-
spülen etc. herausbefördern kann, man kann auch Steinen, die
im retroduodenalen Teile des Choledochus stecken blieben, bei-
koramen und Verengerungen im papillären Teil des Choledochus
allmählich durch Sondierungen erweitern. (Nr. 98, Nr. 106.) Ich
benutze dazu französische Bougies, die man je nach dem Grad der
Striktur fein oder stark wählen kann. (Fig. 81.) Ich habe auf diese
Weise den lästigen Gallenfluss nach aussen beseitigen und
rasche Heilung erzielen können. (Siehe auch p. 89 des I. Teils.)
Die Nachbehandlung der übrigen Operationen am Gallen-
system bietet keine weiteren Besonderheiten. Hat man bei der
Cysto-Enterostomie die Bauchdeckenwunde völlig geschlossen, so
ist die Wuudversorgung so einfach, wie bei jeder gewöhn-
lichen Laparotomie ; man braucht ja nach 14 Tagen nur die
Fäden zu entfernen.
Gerade bei den Anastomosenoperationen, die man fast
immer an hochgradig Ikterischen vornimmt, ist an die Möglich-
keit cholämischer Nachblutungen zu denken; man muss sofort
mit den bei solchen Blutungen üblichen Mitteln (Chlorcalcium,
Gelatine) zur Hand sein.
Während der Nachbehandlung der Gallensteinoperierten,
speziell der Hepaticusdrainierten habe ich es nie für nötig
gehalten, dieselbenKarlsbaderWassertrinken zu lassen. Spült man
den Hepaticus recht sorgsam aus und verordnet man den Patienten,
sobald sie Appetit zeigen, eine recht nahrhafte gemischte Kost,
so wird die Galle auch ohne Karlsbader Wasser bald ganz
klar und läuft in stärkerem Masse, als einem lieb ist, nach
aussen. F i n k - Karlsbad hat jüngst in der- Münchener med.
— 392 —
Wochenschrift Nr. 47 einen Fall -veröffentlicht und setzt bei dieser
Gelegenheit den Nutzen derKarlsbader Thermen in derRekonvales-
zenznacheinerHepaticusdrainageindashellsteLicht. Ich hätte Fink
bei der Beurteilung einer Karlsbaderkur mehr Objektivität zugetraut
und man kommt fast auf den Gedanken, dass er als Karlsbader
Arzt sich dann und wann bewogen fühlt, ,,pro domo" zu
reden. Ich verstehe wenigstens nicht, wie er aus den Beob-
achtungen eines Falls eine Behauptung aufstellen kann, die
sich mit den von mir an ca. 200 Fällen gemachten gar nicht
deckt. Der Fall, den Fink beschreibt, ist noch lange kein
„untrüglicher Beweis für die gallenvermehrende und die Galle
und Gallengänge reinigende Wirkung des Karlsbader Wassers."
Hätte Fink statt Karlsbader Wasser Giesshübler, Biliner Wasser
oder gar ganz gewöhnliches Karlsbader Wasser-Leitungswasser
in denselben Mengen gegeben, so hätte er wahrscheinlich die-
selbe Beobachtung gemacht, „über die physikalische Veränderung
der angestauten und veränderten Galle, über die quantitative
Zunahme, die Änderung der Farbe und der Konsistenz."
Fink hat nebenbei noch die Gallengänge gespült; hätte er
diese Spülungen fortgelassen, so hätte ihn auch die vielgepriesene
Karlsbader Quelle im Stich gelassen. Was Fink auf seinen
Sprudel bezieht, beziehe ich auf die gründliche Operation, auf
die sorgsame Ausspülung der Gallengänge und auf die gute
Ernährung. Ein gutes Frühstück — dazu ein gutes Glas
Pilsener — lässt die Galle besser fliessen, als der langweilige
Karlsbader Schinken und drei Becher Sprudel! Fink hätte
Kontrollversuche anstellen sollen, dann hätten seine Schluss-
folgerungen Beachtung beansprucht. Er hätte am ersten
Tag den Operierten Karlsbader Wasser trinken lassen sollen,
am zweiten Tag ihm jede Flüssigkeit entziehen müssen, am
dritten Tag gewöhnliches Leitungswasser geben sollen usw. Dann
hätte er eingesehen, dass die Menge Flüssigkeit, die er zuführt,
— und nicht ihre Art den Gallenfluss bedingt. Die Galle ver-
flüssigt sich nach einer Karlsbader Kur, weil der Mensch
mehr Flüssigkeit zu sich nimmt wie gewöhnlich, dass eine
gallentreibende Kraft dem Sprudel innewohnt, glaube ich nicht.
Jedenfalls ist das Karlsbader Wassertrinken nach einer Hepaticus-
drainage nicht die Hauptsache; nach Finks Arbeit könnte es
vielleicht das Richtigste erscheinen, wenn der Chirurg Gallen-
steinoperationen nur an Ort und Stelle der alkalisch-salini-
— 393 —
sehen Quellen vornähme, und wenn also die Gallensteinchirurgen
nach Karlsbad, Neuenahr, Vichy oder Tarasp verzögen. Es
ist aber nacli meinen Erfahrungen wirklieh nicht nötig-, dass
man die Operierten mit Karlsbader Wasser traktiert; ich habe
auch ohne diesss bei mehr als 200 Choledochotomien so aus-
gezeichnete Erfolge zu verzeichnen, dass ich auch in Zukunft
ohne Karlsbader Wasser auszukommen hofie. Der von Fink
veröffentlichte Fall zeigte bei der Operation im Clioledochus
„Gallenschlamm". Fink hält diesen Gallenschlamm für ,, pri-
märe Anlagen". Ich bin gerade entgegengesetzter Ansieht.
Der Gallenseiilamm ist, wie ich annehmen möchte, hervorgerufen
durch die bei der ersten Operation von einem Dr. L. in H.
gemachte Zertrümmerung von Steinen, „von zwei kleinen harten
Körpern". Es liegen also sekundäre Gebilde vor. Ich kann
hier auf den Fall nicht näher eingehen, möchte aber doch
darauf hinweisen, dass, wenn in dem Fink 'sehen Fall das
Karlsbader Wasser noch' nicht einmal den Schlamm beseitigen
konnte, die grossen festen Steine erst recht nicht der gallen-
treibenden Kraft der Karlsbader Thermen nachgeben. Wenn
Fink die Leser seiner Arbeit von der Eichtigkeit seiner An-
sichten überzeugen will, so "darf er nicht nur einen Fall, son-
dern muss eine ganze Reihe anführen, er muss Kontrollversuche
anstellen. Beides hat er versäumt, und deshalb kann der Fall,
der in technischer Hinsieht von einigem Interesse ist, nicht
als beweiskräftig Cur die gallentreibende Kraft des Karls-
bader Wassers gelten.
Fink empfiehlt, die Karlsbader Kur recht frühzeitig zu
gebrauchen, weil bei den weichen „primären Anlagen" nicht nur
eine Herbeiführung der Latenz, sondern sogar eine völlige
Heilung, d. h. Beseitigung der später zu Steinen werdenden
weichen Gebilde eintreten kann. Für die Praxis hat die
Empfehlung frühzeitiger Kuren leider gar keinen Wert. Denn
wann fühlt der Patient etwas von seinen Steinen? Im Anfang,
d. h. so lange sie weich sind, so gut wie nichts. Erst wenn
eine Entzündung, resp. eine Infektion sich zu den Steinen
gesellt, wenn diese durch ihre Grösse den Ductus cysticus und
Choledochus verlegen, wird der bis dahin scheinbar Gesunde
darauf aufmerksam gemacht, dass irgend etwas in seinem Ober-
bauch nicht in Ordnung ist. Die Steinkrankheit in der Gallen-
blase wird aber in gewiss 70 pOt. der Fälle, so lange kein
— 394 —
Ikterus auftritt, sehr oft für ein Magenleiden erklärt und weder
Patient noch Arzt denken an eine Kur in Karlsbad. In Wirk-
lichkeit kann also der Karlsbader Sprudel selbst in den Fällen,
wo die Cholelithiasis schon fertig ist, d. h. wo fast nur grosse
Steine in der Gallenblase vorhanden sind , seine heilsame
Wirkung kaum entfalten; demnach wird im Anfang der Stein-
bildung, bei den primären Anlagen, erst recht niemand daran
denken, nach Karlsbad zu fahren.
So wird der Wunsch Fi n k's, dass die Kranken mit w^eichen
Anlagen nach Karlsbad kommen sollen, — und zwar so früh-
zeitig wie möglich — ebenso selten in Erfüllung gehen, wie
die Forderung der Chirurgen einer frühzeitigen Operation.
Innere Mediziner und Chirurgen werden eben erst beim aus-
gebildeten Gallensteinleiden Gelegenheit haben , therapeutisch
vorzugehen. Es wird immer so bleiben, dass erst Karlsbad
versucht wird und, wenn dieses nichts nützt, ganz zuletzt der
Chirurg um Rat gefragt wird. Dass ich persönlich kein ab-
soluter Gegner von Karlsbad bin, habe ich in dem Abschnitt der
Indikationen auseinandergesetzt, aber ich habe auch betont, dass
der Erfolg einer Karlsbader Kur selten auf völliger Heilung,
sondern nur auf einer Herbeiführung der Latenz beruht. Dass
sich unter den 72 bis 87 pCt. Latenz, die Fink erreicht hat,
„ein guter Teil von Heilungen" finden wird, glaube ich nicht.
Fi n k's Begeisterung für die Quellen der Stadt, in der er
praktiziert, ist natürlich und begreiflich, aber dass er die
Wirkung der Karlsbader Kur weit überschätzt, wird jeder bald
merken, der häufig Gelegenheit hat, durch operative Eingriffe
festzustellen, wie selten eine Heilung durch innere Mittel zu
eizielen ist. Ich stehe auf dem sicheren Boden von 1000
Autopsien in vivo; ich weiss, was ich gesehen habe. Dass die
nächsten 1000 Operationen meine Ansichten über die Behand-
lung und Heilbarkeit der Cholelithiasis wesentlich ändern
werden, möchte ich bezweifeln, doch würde ich mich über jeden
Fortschritt der iiineren Therapie freuen und ihn im Interesse
der zahlreichen Gallensteinkranken g-ern verwenden.
D) Die Erfolge der Gallensteinoperationen.
I. Die augenblicklichen Erfolge.
Ich will meine Arbeit schliessen mit einem Bericht über
die Erfolge, die ich bei meinen 1000 Gallensteinoperationen zu ver-
zeichnen habe. Sämtliche Kollegen, die mir von der Lektüre des
Riedel'schen Buches berichteten, vermissten in demselben
eine genaue Darlegung der erzielten Erfolge. Ich stellte ihnen
vor, dass Ei edel bei der Bezeichnung seines Buches ,,Die
Pathogenese, Diagnose und Behandlung des Gallensteinleidens'*
gar keinen Grund hatte, über seine Erfolge mit Zahlen zu be-
richten, doch waren sie der Meinung, dass Sätze, wie: „Die
Gallensteinoperation kann man bei richtiger Ausführung als
ungefährlich bezeichnen" etc. zu wenig Aufschluss gäben über
die Gefahren der Operation. Auch die Bemerkungen Riedels
auf dem Chirurgenkongress 1904 bei Gelegenheit der Diskussion
über die Choledochotomie mussten bei den Unkundigen den
Glauben erwecken, dass eine Choledochotomie gar keine
Schwierigkeiten bereite: „Bauch weit aufschneiden, Leber um-
kippen, dann liegt der Choledochus vor der Bauchwand,"
das war der Sinn der Worte Riedels, die — ich möchte es
fast befürchten — eine für die Patienten schädliche Wirkung
hervorrufen können. Aber wie gross seine Sterblichkeit ist, das
erfuhren wir bei dieser günstigen Gelegenheit wiederum nicht.
Ich will im Folgenden, um allen Einwendungen aus dem
Weg zu gehen, an der Hand von Tabellen eine genaue Aus-
kunft über die Sterblichkeit nach Gallensteinoperationen geben.
Im allgemeinen hört man immer wieder nicht nur im
Kreise der Laien, sondern auch der Ärzte die Behauptung
aufstellen : „Die Gallensteinoperation ist ein Eingriff, der auf
Leben und Tod geht."
Wenn von 100 Patienten 50 durchkommen und 50 sterben,
so kann man mit Recht sagen : Die Operation geht auf Leben
— 396 —
und Tod! Aber wenn man nach 100 Gallensteinoperationen,
bei denen man keine Krebsbildung, keine diffuse Cholangitis an-
trifft, nur 2 oder 3 verliert, so ist eine solche Behauptung
gewiss nicht am Platze.
Die meisteil Grallensteinoperierten sterben nicht an der
Operation, sondern trotz der Operation an iiirer Krankheit,
weil diese einen bösartigen Charakter angenommen hatte
und weil die Kranken — leider auch oft die Aerzte —
sich zu spät zur Operation entschlossen hatten.
Die Chirurgie leistet heutzutage Erstaunliches, aber eine
Leber, die sich wie ein Schwamm mit Eiter vollgesogen hat,
vermag auch sie nicht wieder gesund zu machen, und ist die
Gallenblase oder der Coledochus krebsig entartet, so hilft die
beste Technik so gut wie nichts.
Handelt es sich aber nur um Eiterungen, die auf die Gallen-
blase beschränkt sind, sind die Steine aus dem Choledochus
und Hepaticus mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln entfern-
bar, so ist, wie wir weiter unten anführen werden, die Operation
recht ungefährlich und beträgt kaum mehr wie 2—3*^/0 Mor-
talität. Ja, ich habe von den letzten 50 Hepaticusdrainagen
nicht einen einzigen Kranken mehr verloren.
Die Sterblichkeit meiner 1000 Gallensteinoperationen ist
folgende :
1. 275 konservative Operationen (Cystostomie, C3'Sten-
dyse, Cj^sticotomie) mit 5 Todesfällen = • h^^io
2. 220 Ectomien mit 7 Todesfällen = 3,2 o/o
3. 202 Choledochotomien, resp. Hepaticusdrainagen mit
10 Todesfällen = 5 »/o
4. 174 gleichzeitige Operationen wegen gutartiger
Komplikationen am Magen, Darm, Leber, Pankreas
mit 30 Todesfällen = .17 »/o
5. 129 gleichzeitige Operationen wegen bösartiger Kom-
plikationen (Carcinom der Leber, der Gallenblase,
des Choledochus, diffuser eitriger Cholangitis etc.)
mit 110 Todesfällen = 85 X
Summa 1000 Laparotomien mit 162 Todesfällen = 16,2 "/o
Unter Abzug von 4 und 5
697 reine Gallensteinlaparotomien mit 22 Todes-
fällen = 3,2 o/o
— 397 —
Bei diesen 1000 Gallensteinlaparotomien kamen folgende
1726 Einzeleingriffe zur Ausführung:
Tabelle der Einzeleingriffe.
1726 Einzeleingriffe bei 1000 Laparotomien an 925 Kranken
(22. 5. 1890 bis 14. 12. 1904.)
A. Eingriffe an den Gallenwegen selbst.
1. Einzeitige Cystostomie 316
2. Zweizeitige Cystostomie 12
8. Cysticotomie 109
4. Cysticolithotripsie nach Tait 1
5. Oysticectoraie 5
6. Cystendyse (ideale Operation) 13
7. Extraperit. ideale Operation 2
8. Cystectomie (totale und partielle) 416
9. Choledochotomie (1 Mal Choledochotripsie) .... 74
10. Choledochoplastik 3
11. Resektion des Choledochus 2
12. Hepaticus- und Choledochusdrainage 164
13. Hepaticotomie 4
14. Oholedocho-Duodenostomia externa et interna ... 23
15. Hepatico-Duodenostomie 2
16. Cysto-Gastrostomie 17
17. Cysto-Enterostomie 14
18. Cystico-Enterostomie 3
19. Hepato-Cholangiö-Enterostoniie 1
20. Gallenblasenfistelverschluss 14
21. Wiedereröffnung schon geschlossener Gallenblasen . . 12
22. Probeincision wegefl Tuberkulose, Carcinom, Lues und
Lösung von Adhäsionen als selbständige Operation 71
B. Eingriffe an Magen, Darm, Pankreas,
Nieren, Leber etc., welche die Gallensteinoperationen
komplizierten.
23. Laparotomie wegen Gallensteinileus 3
24. Laparotomie wegen Nachblutung (Ectomie) .... 1
25. Eröffnung von intraperitonealen, durch Cholelithiasis
bedingten Abscessen 7
26. Herniotoraien (Hernie der Linea alba, Bauchwand-
hernien) 14
— 398 — •
27. Magenresektion . . . .• 5
28. Gastroenterostomie 87
29. Pyloroplastik 28
30. Loreta's Divulsio pylori 1
31. Gastroanastomose 1
82. Excisio Ulc. ventric. et duodeni 2
88. Pylorus-Ausschaltung 1
34. Darmresektion 2
85. Entero-Enterostomie 28
86. Beseitigung von Fisteln zwischen Gallensystem und
Intestinis 50
87. Apendicectomie 56
88. Einnähung und Excision von Pankreascysten ... 4
89. Incision /on Pankreasabscessen ........ 6
40. Einnähung eines Pankreascysten - Fistelganges in die
Gallenblase 1
41. Ileocolostom.ie und Colostomie 3
42. Unterbindung der Art. hepatica (Aneurysma) .... 1
48. Omphalectomie 1
44. Netzplastik 8
45. Nephropexie (Wanderniere) 6
46. Nephrotomie (Eiterniere) 1
47. Leberresektion 16
48. Hepatopexie 110
49. Rippenresektion (Subphr. Abscess) 5
50. Leberechinococcus 5
Summa 1726 Einzeleingriffe.
Ich will dazu bemerken, dass die 1000 Gallensteinlaparo-
tomien an 925 Kranken vorgenommen wurden. Von diesen
925 Kranken waren 193 männlichen und 782 weiblichen Ge-
schlechts; es kommen also auf 5 gallensteinkranke Frauen
1 gallensteinkranker Mann. Eine besondere Genugtuung ist es
mir gewesen, dass ich 16 Arzte, 10 Ärztefrauen und 8 Arzte-
mutter resp. Ärzteschwiegerraütter von ihren Steinen befreien
durfte. Wenn eine Schwiegermutter — darauf wies ich schon in
dem in Karlsbad gehaltenen Vortrag hin — auf den Rat ihres
Schwiegersohnes sich wegen Gallensteinen operieren lässt, so
ist das ein glänzender Beweis für das grosse Vertrauen, welches
heutzutage der chirurgischen Behandlung der Gallensteinkrank-
heit entgegengebracht wird.
— 399 —
Wie vorauszusehen war, hat die Cystostomie die besten
Resultate gegeben; die Fistelanlegung- ist die einfachste Ope-
ration, und da wir dieselbe meist nur bei Steinen in der Gallen-
blase und im Ductus cysticus vornehmen, so können wir von
vornherein darauf rechnen, dass die Mortalität nach dieser Ope-
ration eine relativ geringe sein wird. In der Tat beträgt sie
nicht mehr wie 2'^jo. Diese 2^/0 Mortalität wird bedingt wie
bei jeder Laparotomie durch die Zufälligkeiten, welche die
Narkose scliaift (Pneumonie, Eihbolie), und durch den Eintritt
von Komplikationen, die eben mehr dem Narkoticum wie der
Operation als solcher zur Last gelegt werden müssen (z. B.
Urämie). — Derartige Todesfälle kommen auch bei der Ectomie
vor, deren Mortalität ungefähr 3 — 4<^/o beträgt. Dieser etwas
höhere Prozentsatz der Mortalität ist weniger bedingt durch
die technisch schwierigere Operation als vielmehr durch die ge-
ringere Widerstandsfähigkeit der Kranken, die bei der lange be-
stehenden Krankheit natürlich nicht ausbleiben kann. Eine wenig
veränderte Gallenblase kann man ohne grosse Gefahr für den
Kranken exstirpieren und die Mortalität dieser Operation ist
nicht viel grösser wie die der Fistelanlegung.
Auch die Choledochotomie an und für sich, d. h. die
Incision des Choledochus ist keine besonders lebensgefährliche
Operation. Ich hatte unter meinen ersten 50 Choledochotomien
ca. lO"/o Mortalität und bei den letzten 150 Operationen*) nur noch
S^jo, — ein Beweis, wie die Erfolge bei hinreichender Übung
und Erfahrung immer besser werden. 3"/o Mortalität nach einer
Choledochotomie ist sehr wenig, wenn wir bedenken, dass wir
an Menschen operieren, die ikterisch sind und von Entzündungen
im Choledochus und in der Leber heimgesucht wurden, wenn
wir weiterhin in Betracht ziehen, dass eine Choledochotomie
viel länger dauert, wie eine Ectomie, dass dabei das Ein-
fliessen von Galle in die Peritonealhöhle nicht immer vermieden
werden kann und die Technik solcher Operation viel schwieriger
ist wie die der Ectomie. Die Besserung der Erfolge nach der
Choledochotomie in den letzten Jahren spricht deutlich für den
Nutzen der Spezialisierung auf chirurgischem Gebiete. Ope-
rationen, zu denen andere Chirurgen 2 auch 3 Stunden gebrauchen,
bezwinge ich jetzt in 1 Stunde, und den Vorteil geniesst der
Kranke, der sich meiner Klinik anvertraut. Nicht weil ich
*) Bei den letzten 50 Hepaticusdrainagen kein Todesfall mehr — O^/o.
— 400 —
etwa eine ganz besondere Anlage zum Chirurgen habe, sind
meine Erfolge besser wie die anderer Operateure, sondern weil
ich an einem grösseren Material durch Übung und Erfahrung
das schnellere Operieren erlernen, das bessere Orientieren mir
aneignen konnte. Ich rühme mich nicht meiner guten Erfolge,
ich rühme mich aber meines Fleisses, und seines „Fleisses
darf sich Jedermann rühmen", sagt Lessing. Dadurch, dass
ich besonders in der Münch. med. Wochenschrift über meine
Erfahrungen auf dem Gebiete der Gallensteinchirurgie be-
richtete und es durch anderweitige Veröäentlichungen bekannt
wurde, dass ich mich ganz speziell mit Gallensteinoperationen
beschäftige, wuchs mein Material von Jahr zu Jahr' und ich
hatte kürzlich die Freude, die lOOOste Gallensteinoperation
ausführen zu können. Durch die Mitarbeit tüchtiger Assistenten
wurde es mir allerdings leichter gemacht, literarisch fleissig sein
zu können, und ich verfehle nicht, diesen immer wieder meinen
Dank auszusprechen für ihre aufopfernde Mühe und sorgfältige
Unterstützung.
Die Unterstützung durch gewissenhafte Assistenten machte
sich recht bemerkbar bei jenen Operationen, die durch kompli-
zierende Erkrankungen am Magen und Darm besonders während
der Nachbehandlung grosse Ansprüche an den Arzt stellen.
Die Gallensteinkrankheit ergreift recht häufig den Magen und
das Duodenum, es kommt zu Pylorusstenosen, welche Pyloro-
plastiken und Gastroenterostomien erfordern. Wie die Gallenblase
wird auch die Appendix coeci, das Pankreas infiziert, und Appendi-
cectomien muss man oft zur Gallensteinoperation hinzufügen.
Dadurch wMrd die Operation verlängert, die Gefahren steigen,
und ca. 17 pCt. der Operierten gehen an der Dauer der Ope-
ration und an der Schwierigkeit des Eingriffs zu Grunde. Peri-
toneale Infektionen spielen auch hier eine sehr geringe Rolle.
Der Gallensleinkranke, der magenkrank wird und nebenbei der
Inanition verfällt, gleicht einer Maschine, deren Arbeitskraft er-
schöpft ist, Das Ol ist eingetrocknet, überall hapert's, und die
oft recht schwierige Operation wird bei der geringen Leistungs-
fähigkeit des Organismus nicht mehr überwunden.
Wenn nun gar die Gallensteinkrankheit sich mit Carcinoni
der Leber, der Gallenblase, des Pankreas, des Choledochus, mit
Pankreasnekrose, mit diffuser eitriger Cholangitis, Thrombo-
phlebitis, Sepsis, Peritonitis kompliziert, dann müssen wir mit
— 401 —
einer sehr hohen Sterblichkeit, ca. 85 pCt. rechnen. In solchen
Fällen kommt nur ausnahmsweise einmal ein Patient durch.
Aber ohne Operation wären sie schliesslich Alle zu Grunde ge-
gangen, deshalb kann man sich schon freuen, wenn man von
100 solchen Todeskandidaten nur 5 — 10 durchbringt. Im Hin-
blick auf diese Fälle habe ich in meinem Karlsbader Vortrag
das Wort Platen's zitiert: „So viel Mühe um ein Leichen-
tuch!" Clemm ist der Ansicht, dass man mit einfachem
Zuwarten auf Selbsthilfe der Natur sicherlich nicht mehr ge-
schadet hätte, wie mit solch' verzweifelten Eingriifen. Ich
stimme Clemm nicht bei und halte ihm die Fälle von Eesektion
des carcinomatösen Choledochus und Unterbindung der Art- he-
patica vor. Was hätte hier die Natur leisten können? Nur
der Tod wäre der Abschluss dieser Krankheiten gewesen. Wenn
ich von 100 Fällen, die sicher dem Tod verfallen sind, 5 ge-
sund mache, dann ist das eine Leistung, auf die ich stolz bin.
Man sieht aus diesen Auseinandersetzungen, dass die Sterb-
lichkeit in erster Linie von der Form der Gallensteinkrankheit
abhängt, die den Chirurgen zum Messer greifen lässt. Die Art
der Operation spielt für den geübten Chirurgen keine so wesent-
liche Rolle, wenn man auch zugeben muss, dass die Dauer der
Operation in Bezug auf die Prognose von grosser Bedeutung ist.
Aber ich will nicht verschweigen, dass, trotzdem von den
Cystostomierten nur 1,8 pCt., von den Ectomierten 3,2 pCt., von
den Choledochotomierten 5 pCt. starben, doch sehr viele Ope-
rierte, die schliesslich gesund wurden, recht „kritische Tage
erster Ordnung" durchmachen mussten; sehr bedrohliche Zustände
(Bliiterbrechen, Pulsbeschleunigung bis 150 Schläge, hohe Tem-
peraturen etc.) stellten sich in relativ vielen Fällen (ca. 10 pCt.)
ein, und nur einer gewissenhaften Nachbehandlung gelang es,
die Patienten über Wasser zu halten. Was hier meine Assistenten
geleistet haben, ist geradezu bewundernswert, und der Patient
sollte die Kunst der Nachbehandlung in der Tat höher schätzen
wie die Kunst der Operation, Es gehört wirklich mehr Er-
fahrung dazu, bei der Nachbehandlung die richtige Behandlung
herauszufinden, als bei der Operation die richtige Methode zu
wählen. —
Ob wir in Zukunft viel bessere Resultate erzielen werden,
ist mir fraglich. Es wird schliesslich alles darauf ankommen,
nicht erst die schweren Folgezustände zur Ausbildung kommen
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. I. 26
- 402 —
zu lassen, die so sehr die Mortalität nach Gallensteinoperationen
erhöhen. Es ist — da die Sterblichkeit der Cystostomie, Ec-
tomie und Hepaticusdrainag-e ungefähr die gleiche (2 — 3 pCt.)
ist — gewiss kein grosses Unglück, wenn ein Stein in den
Oholedochus rutscht, und die Riedel'sche Indikationsstellung,
die Steine zu entfernen, ehe sie in die tiefen Gallengänge ge-
raten, iiat deshalb keinen grossen Wert, weil ihre Entfernung
aus Gallenblase oder Choledochus im Hinblick auf die Sterblich-
keit — einen geübten Operateur vorausgesetzt ! — keinen grossen
Unterschied mehr macht. Aber ist der Stein im Choledochus
angelangt, so sollen wir nicht warten, bis sich diffuse Cholangitis
und biliäre Cirrhose entwickelt, sondern sollen ihn beizeiten ent-
fernen. Was ich also in der Münch. med. Wochenschrift gesagt
habe, gilt noch heute: Nicht die frühzeitige Entfernung der
Steine aus der Gallenblase brauchen wir anzustreben, sondern
ihre rechtzeitige Entfernung aus dem Choledochus.
Gewiss geben Gallensteine in der Gallenblase oft genug die
Indikation zur Operation ab, z. B. bei eitriger Cholecystitis
oder beginnender Perforation, aber der Stein in der Gallen-
blase ist im Vergleich zu seinem Kollegen im Choledochus ein
ziemlich harmloser Geselle. Ich würde ganz der Meinung
E i e d e l's sein und den Stein aus der Gallenblase entfernen, wenn er
in der Mehrzahl der Fälle in den Choledochus geraten sollte. Aber
das ist nicht der Fall, und deshalb entferne ich den Stein aus der
Gallenblase nicht aus dem Grunde, um ein Tiefertreten zu ver-
hindern. Ich operiere bei Steinen in der Gallenblase bei heftigen
Entzündungen, die einer inneren Medikation trotzen und aus
sonstigen Gründen, die ich bereits oben bei der Besprechung
meiner Indikationsstellung auseinandergesetzt habe.
Ich will noch darauf aufmerksam machen, dass die Gallen-
steinoperation von einer Frau, die geboren hat, besser vertragen
wird wie von einer Jungfrau mit straffen Bauchdecken, und dass
Männer „lange nicht so viel aushalten" wie Frauen. Die meisten
Männer sind Verehrer des Alkohols und des Nikotins, ihr Herz
ist oft nicht mehr intakt, sie brauchen mehr Chloroform, man
muss viel mehr an der Bauchwand zerren, die sie spannen, sie
haben keine Hepatoptose, es liegt alles tiefer, mit einem Wort:
Bei den Männern ist die Operation in der Regel schwerer und
auch gefährlicher wie bei den Frauen, das soll man bei der
Indikationsstellung nicht vergessen.
- 408 —
Die fiühzeiliofe Operation Riedel's würde, wenn sie allge-
mein zur Anwendung- käme, d. h. auch von weniger geübten
Chirurgen ausgeführt würde, mehr schaden als nützen. Gewiss
wäre sie am Platze, wenn die traurigen Folgezustände, mit
denen auch ich es so oft zu tun habe (Pertoration, Cholangitis,
Carcinom etc.), zur Regel gehörten. Sie sind aber in Anbetracht
der kolossalen Häufigkeit der Cholelithiasis Ausnahmefälle, und
für Ausnahmefälle kann man nicht eine in jedem Falle durch-
zuführende Frühoperation proklamieren. Bei der Appendicitis
liegen die Verhältnisse ganz anders. Hier kann man schon
eher sagen, dass die üblen Ausgänge nicht mehr zu den Selten-
heiten gehören. Die Appendicitis ist eine völlig unberechenbare
Krankheit, und da hat es noch Sinn bei einer Sterblichkeit von
ca. lO^lo auch die übrigen 90 Fälle operativ zu behandeln,
um einem tödlichen Ausgang vorzubeugen. Die Sterblichkeit
der Cholelithiasis — wohlbemerkt nicht der latenten, sondern
der aktuellen Form — beträgt aber gewiss nicht mehr wie
2 — 4*^/0. Es wäre absurd, deshalb in jedem Falle zu operieren!
Die Sterblichkeit der Choledocholithiasis ist schon bedeutend
höher^ ich schätze sie immerhin auf 50 "/o; da hat es Zweck,
eine chirurgische Behandlung einzuleiten, besonders wenn diese
nur 3 "/o Sterblichkeit hat und also die Erfolge innerer
Kuren um 47 "/o überragt.
Beim Carcinom der Gallenblase, welches bekanntlich in vielen
Fällen durch den Reiz der Steine entsteht, kann, das liegt auf
der Hand, nur die frühzeitige Operation nützen. Aber gerade
in diesen Fällen merkt der Träger fast nie etwas von seinen
Steinen, er sucht erst dann Hilfe beim Chirurgen, wenn das
Carcinom fertig, d. h* inoperabel ist. Der einzige Segen, den so-
mit die frühzeitige Operation für die Behandlung des Gallen-
blasenkrebses entfalten könnte, wird durch die Symptom-
losigkeit der hegleitenden Cholelithiasis vereitelt. —
Auf einen Punkt will ich noch, eingehen, den ich bereits
oben berührt und in der Münchener medizin. Wochenschrift in
einer Arbeit: „Wie gross ist heute die Mortalität nach Gallen-
steinoperationen? (1901 Nr. 23)" erörtert habe; er betrifft den
Unterschied der Sterblichkeit beim männlichen und weiblichen
Geschlecht. Ich konnte damals an der Hand von 100 Opera-
tionen, die ich vom 1. 4. 1900 bis 16. 4. 1901 ausgeführt hübe,
feststellen, dass auf die 100 Laparotomien 75 Frauen und 25
26*
— 404 —
Männer kamen, dass von den 25 Männern 10 = 40 "/o und von
den Frauen nur 6 = 8^/0 starben. Diesen unterschied hielt
ich für die Indikationsstellung von grosser Bedeutung. Von
meinen letzten 100 Operationen kamen auf 30 Männer 70 Frauen.
Von den Männern starben 11 = 37 °/o, von den Frauen 9 = 12"/o.
Es kommt also ein ähnliches Verhältnis heraus wie vor
3 Jahren. Von den 11 gestorbenen Männern litten 10 an
Krankheiten, die auch dem Messer des Chirurgen nicht
weichen (Carcinom, Pankreasnekrose, Lebercirrhose etc.). —
Worauf beruht es, dass die Mortalität bei Männern viel
grösser ist wie bei Frauen? Vor 4 Jahren gab ich darauf
folgende Antwort: „Carcinorae, z. B. am Pankreaskopf, scheinen
bei männlichen Individuen häufiger vorzukommen, wie bei
weiblichen. Weiterhin habe ich von jeher den Eindruck
gehabt, dass selbst kräftige und robuste Männer die Narkose
und das Hantieren in der Bauchhöhle viel schlechter vertragen
als Frauen. Ich will auf die Gründe dieser Tatsache nicht
näher eingehen, glaube indes, dass deshalb besonders das starke
Geschlecht einer Laparotomie gegenüber sich so schwach ver-
hält, weil es sich durch Nikotin und Alkohol die Herzkraft in
hohem Masse schädigt. Ich operiere lieber 5 Frauen als einen
Mann und bin überzeugt, dass in dieser Beziehung mir erfahrene
Laparotomisten beistimmen. Bei Männern kommt deshalb nur selten
die soziale Indikation (Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit durch
fortwährende Koliken), meistenteils nur die vitale Indikation
(Empyem der Gallenblase, chronischer Choledochusverschluss
durch Stein) in Betracht. Übrigens will ich nicht versäumen
darauf hinzuweisen, dass von den männlichen Laparotomierten,
die frei von Carcinom, diffuser eitriger Cholangitis waren —
und ihre Zahl betrug im letzten Jahre 15 — kein einziger ge-
storben ist. Es läuft eben Alles darauf hinaus, dass man mit
der Operation nicht allzu lange wartet."
Auch von den 20 nicht durch unheilbare Krankheiten kom-
plizierten männlichen Gallensteinoperationen des letzten Jahres
starb nur 1 Patient (ein älterer Mann) an Pneumonie, die übrigen
19 wurden gesund* —
Ich möchte diesen Bemerkungen noch hinzufügen, dass die
Sterblichkeit bei Männern auch deshalb grösser ist, weil der
Mann sich viel schwerer zur Operation entschliesst und mit ihr
viel läng-er wartet wie die Frau. Er ist der Ernährer der
— 405 —
Familie, und wenn er stirbt, ist das Unglück meist viel grösser,
als wenn die Mutter der Familie entrissen wird. Und dann
findet man bei Männern relativ viel häufiger neben der Chole-
lithiasis Lebercirrhose, die den Ausgang der Gallensteinoperation
wesentlich beeinflusst. Im übrigen spielt wie gesagt der Nikotin-
und Alkohol - Missbrauch bei der Prognose der Operation eine
nicht zu unterschätzende Eolle. —
Bei der Beurteilung meiner Erfolge müssen schliesslich
noch folgende Punkte berücksichtigt werden :
1. Ich habe immer erst dann operiert, wenn entweder eine
innere Behandlung, vor allen Dingen Karlsbader Kuren erfolglos
blieben, oder der Fall von vorneherein so schwer auftrat, dass
nur eine chirurgische Behandlung in Frage kam (also z. B. beim
Empyem der Gallenblase). Fast meine sämtlichen Operationen
waren sog. Spätoperationen. Wer frühzeitig zum Messer greift,
wird natürlich bessere Erfolge haben, als wer fast nur mit
Fällen von chronischem Choledochusverschluss, schweren Ent-
zündungen und ausgedehnten Ulcerationen der Gallenblase zu
tun hat.
2. Ich habe mir durch meine spezialistische Beschäftigung
mit der chirurgischen Behandlung der Cholelithiasis allmählich
den Ruf eines Gallensteinoperateurs erworben. Zu einem solchen
kommen aber fast nur die weitvorgeschrittenen, die schwierigen
Fälle: die leichten operiert jetzt jeder Chirurg, der auch
sonst Bauchoperationen macht, die ganz komplizierten gehen
zum Spezialisten. So habe ich in den letzten zwei Jahren sehr
viele Choledochotomien resp. Hepaticusdrainagen ausgeführt; in
meinem letzten Jahresbericht befanden sich unter ca. 120 Gallen-
steinlaparotomien 46 = fast 40°/o Hepaticusdrainagen. Auch
sonst musste ich so viele schwierige Fälle operieren, wie sie eben
nur ein Spezialist in Behandlung bekommt. Die Gallenstein-
kranken, die von weither — z. B. aus Kussland — meine
Klinik aufsuchten , repräsentierten in der Mehrzahl absolut
desolate Fälle. Die Gallensteinkrankheit komplizierte sich mit
Lebercirrhose oder Pankreasnekrose, meist steckte ein Carcinom
dahinter, und so kam es, dass, je weiter der Patient wohnte,
um so gefährlicher die Operation sich gestaltete. Von den
Gallensteinkranken aus Halberstadt und Umgegend stirbt selten
einer. —
— 406 —
Von meinen Operierten wären sicher über kurz oder
lang 60 "/o an den Folgen der Krankheit gestorben^ wenn
ich nicht durch das Messer den Tod abgewendet hätte; sie
litten an chronischem Choledochusyerschlass mit Ikterus
und Schüttelfrösten und bargen in ihren Grallenblasen Eiter.
Ich glaube also nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass
ich in 60^/0 aus vitaler Indikation operiert habe. In den übrigen
Fällen hat meine Operation zwar keine augenblickliche Gefahr
beseitigt, aber Arbeitsunfähige wieder arbeitsfähig gemacht und
solchen, die das Leben recht satt hatten, die Freude am Leben
wiedergeschenkt.
Es liegt auf der Hand, dass mit wachsender Übung und
Erfahrung meine Erfolge immer besser wurden, obgleich immer
mehr schwere Fälle der Klinik zugingen. So habe ich z. B.
von meinen letzten 200 Gallensteinlaparotomierten^ die ohne
Carcinom und ohne septische Cholangitis zur Operation
kamen und bei denen keine komplizierenden Eingriffe am
Magen und Darm vorgenommen wurden, nur noch 3 verloren,
davon nach 46 Hepaticusdrainagen keinen und nach 80 Cysto-
stomien und Ectomien nur 2 (einen über 60 Jahre alten Mann
an Pneumonie 14 Tage post op. und eine sehr elende Patientin
mit hochgradiger Hepatoptose bald nach der Operation im
CoUaps). Es kommen also auf 126 reine Gallensteinoperationen
nur 2 Todesfälle = 1,6 o/o Mortalität.
Wir haben also allen Grund, mit den augenblicklichen Er-
folgen der chirurgischen Behandlung der Gallensteinkrankheit
zufrieden zu sein ; wer von den unkomplizierten Gallenstein-
fällen, d. h. denen, die frei von Carcinom oder diffuser
Cholangitis zur Operation kommen, mehr als 5 "/„ verliert,
operiert entweder nicht richtig, oder die Patienten sind zu
geschwächt in seine Behandlung getreten. Das lange Ab-
warten, die immer wieder versuchte Kur in Karlsbad oder gar
der Gebrauch von Geheimmitteln, die gerade bei der Gallen-
steinkrankheit leider eine so grosse Rolle spielen, müssen die
Erfolge der Chirurgen verschlechtern, und die Misserfolge sind
nicht dem Chirurgen beizumessen, sondern sind auf die vorher
geübte und zu lange Zeit fortgesetzte innere Behandlung zurück-
zuführen.
— 407 —
II. Die Dauererfolge.
Als ich auf dem Chirurgenkongress 190D zum ersten Male
über „Recidive nach Gallensteinoperationen" sprach, leitete ich
meinen Vortrag mit folgenden Worten ein :
„Jeder Arzt spricht lieber von seinen guten als von seinen
schlechten Erfolgen, und es ist verzeihlich, wenn der Chirurg
sich nicht gern entschliesst, von den Schattenseiten der von ihm
ausgeführten und empfohlenen Operationen zu berichten. Aber
durch Schönfärberei und Verheimlichung von Irrtümern und
Fehlern, die wir begehen, schaden wir der Entwickelung der
Chirurgie mehr, als wenn wir offen und ehrlich die Misserfolge
bekennen und den Gründen und den Mitteln nachspähen, die
uns in den Stand setzen, solche in Zukunft zu vermeiden. Die
Achtung unserer inneren Kollegen vor der Leistungsfähigkeit
der chirurgischen Kunst wird noch mehr wachsen, wenn wir
uns nicht scheuen, auch die bösen und trüben Erfahrungen, die
keinem erspart bleiben, mit ehrlicher Offenheit mitzuteilen.
Nehmen wir uns auch in dieser Hinsicht ein Beispiel an dem
unvergesslichen Theodor Billroth, der, wenn er von seinen
kühnen und glänzenden Operationen sprach, niemals vergass,
die Misserfolge hervorzuheben.
Jeder von uns weiss, dass der augenblickliche Erfolg, den
wir durch eine Operation erzielen, oft überraschend gut ist :
Kranke, die schon, mit einem Fuss im^ Grabe standen, blühen
wieder auf, und der Chirurg ist beglückt, dass seine Arbeit
von so herrlichem Erfolg gekrönt ist. Ich erinnere nur an
den Segen, der in der»Gastroenterostomie steckt, die wir wegen
eines inoperablen Magencarcinoms vornehmen. Der Patient, der
Wochen lang jede Speise vvieder erbrach, bis auf das Skelett
abgemagert war, verträgt schon zwei Wochen nach der Ope-
ration eine schwere Kost und nimmt häufig 30 — 40 Pfund
an Körpergewicht zu. Ich erinnere weiter an die herr-
lichen Erfolge, die wir bei Gallensteinkranken mit einer
Sicherheit erzielen, welche uns die Gefahren und Schrecken
der Narkose und des blutigen Eingriffs vergessen lässt. Der
Kranke, der seit Wochen ein Empyem der Gallenblase bei sich
trug, vor Schmerzen keine Nacht mehr schlief und in ängst-
licher Weise jede Nahrungszufuhr mied, wird auf einmal durch
den Gallenblasenschnitt von seinen Qualen befreit und erholt
— 408 —
sich in kürzester Zeit. Aber wie in dem ersten Fall ein
Dauererfolg unmöglich ist, weil ein Krebsleiden vorliegt, so
tritt in dem zweiten Fall eine endgültige Heilung erst dann
ein, wenn der Stein, der im Hals der Gallenblase das Ein-
fliessen der Galle in das Hohlorgan hemmte, bei Seite ge-
schafft ist. Aber selbst dann, wenn die Gallengänge voll-
ständig frei und all' die ungebetenen Gäste herausgeschafft
sind, kann der Dauererfolg ausbleiben, weil sich Beschwerden
einstellen, die vom Operierten selbst unter allen Umständen,
wenn auch oft ganz mit Unrecht als sogen. Recidiv seiner
Krankheit, d. h. als eine Neubildung von Steinen aufgefasst
werden." —
Ich habe also mit klaren Worten auf die Notwendigkeit
hingewiesen, nicht nur die augenblicklichen, sondern auch die
Dauererfolge im Auge zu haben, und um so mehr war ich
empört, als ich die Worte las, die Schürmayer im März
d. J. niederzuschreiben sich erkühnte : „Sie (d. h. die „extremen"
Chirurgen) übersehen nur zu oft, dass ihre einzige Leistung
darin beruht hat, den Patienten glücklich nach der Operation
über die Folgen derselben hinauszubringen, sie schliessen ihre
Statistik damit ab, wenn der überlebende Patient glücklich
die Tore der chirurgischen Klinik hinter sich hat." Man kann
vermuten, dass Schürmayer, der angibt, von Haus aus
selbst Chirurg zu sein, nach diesen Prinzipien gehandelt hat,
und es ist deshalb ein. Glück, dass er aus dem edlen Kreise
der Chirurgen ausgeschieden und sich einer Behandlungsmethode
hingegeben hat, deren wahres Wesen ich bei den Indikationen
zur Operation gründlich aufgedeckt habe. Bedauern aber
wird kein Chirurg, dass er den Vertreter der „kombinierten
Behandlung der Gallensteinkrankheit" nicht mehr zu seinem
SpezialkoUegen rechnen darf. Wer solche falsche Gerüchte über
die Tätigkeit der Chirurgen ausstreut, kann allerdings auf diesen
Ehrentitel keinen Anspruch erheben.
Mir und keinem ernsten Gallensteinchirurgen ist es jemals ein-
gefallen, etwaige Recidive zu vertuschen, ich habe immer be-
tont, dass die guten augenblicklichen Erfolge bei der Wert-
schätzung einer Operation nicht massgebend, sondern in
dieser Beziehung nur die Dauererfolge von Bedeutung sind.
Aber ich habe ebenso darauf hingewiesen, dass es Unrecht
ist, wenn Aerzte alle nach einer Gallensteinoperation auftretenden
— 409 —
Beschwerden in den grossen Topf der echten Recidive werfen,
und dass es geboten ist, die verschiedenen Arten der Recidive
streng von einander zu trennen.
Zweckmässiger Weise unterscheiden wir, worauf ich schon
auf dem Chirurgen - Kongress 1900 hinwies, zwischen einem
echten und einem unechten Recidiv.
Bei einem echten üecidiv kommt es nach vollständiger
Säuberung der Gallenblase und der Gallengänge von Concre-
menten wieder zu einer Neubildung von Steinen, während wir
unter einem unechten Recidiv alle jene Beschwerden ver-
stehen, die durch absichtlich oder unabsichtlich zurückgelassene
Steine, erneute Entzündung der Gallenblase, Bildung von Ad-
häsionen, Entstehung von Hernien hervorgerufen werden.
Was das echte Recidiv anlangt, so freue ich mich versichern
zu können, bisher auch nicht ein einziges beobachtet /u haben.
Aber ich gebe zw, dass die sichere Erkennung des echten
Recidivs auf die grössten Schwierigkeiten stossen kann und
eigentlich nur durch die zweite Laparotomie ermöglicht wird.
Aber auch dann können die gefundenen Concremente noch von
der ersten Operation herstammen! Die Diagnose des echten
Recidivs ist eben genau so- schwierig und oft unmöglich wie die
der Cholelithiasis selbst. Wie oft nehmen wir Gallensteine an
und stossen bei unseren Operationen nur auf Verwachsungen!
Ich erinnere mich, dass ich in meiner Anfangstätigkeit auf dem
Gebiete der chirurgischen Behandlung der Cholelithiasis oft
erstaunt war, nach Eröffnung der Bauchhöhle in der Gallenblase
keine Steine zu fühlen, obgleich alle Symptome auf diese hin-
wiesen. Erst als ich^ lernte, dass nur nach Entfernung der
Flüssigkeit aus der Gallenblase es uns möglich wird, die Con-
cremente nachzuweisen , gewöhnte ich mich daran in jedem
Fall die Gallenblase zu eröffnen und zu entleeren. Wie oft
fühlte ich dann erst im Hals der Gallenblase oder im Cysticus
den vermuteten Stein! Ich habe jüngst einen Herrn operiert,
bei dem ein anderer Chirurg einige Jahre vorher eine Gallen-
steinoperation gemacht hatte: aber er fand, wie er mir schrieb,
keine Steine. Trotzdem gingen kurze Zeit darauf häufig unter
Ikterus und Koliken solche ab. Als ich Anfang dieses Jahres
eine zweite Laparotomie an dem Kranken ausführte, fühlte ich
vor der Eröffnung der Gallenblase, die stark gefüllt war,
auch keine Cholelithen. Als ich aber den Gallenblaseninhalt
— 410 —
aspiriert hatte, fand ich viele Steine im Hals der Gallenblase
und im Cysticus. Ich bin weit davon entfernt, dem ersten
Operateur vorzuwerfen, dass er die Steine übersehen hat, und es
ist ja nicht unmöglich, dass diese sich erst später nach der ersten
Operation neugebildet haben. Aber wahrscheinlicher ist es doch,
dass schon bei der ersten Operation Cholelithiasis bestand, der
Operateur aber die Steine nicht fühlte, weil er die Gallenblase resp.
den Cysticus aufzuschneiden versäumte. Jedenfalls setzt die
Annahme des echten Recidivs voraus, dass die erste Operation
vollständig und gründlich war. Da nun die bis vor kurzem ge-
bräuchlichen Methoden, besonders die Cystostomie keine Gewähr
dafür bieten, dass die Entfernung aller Steine gelungen ist, so
wird bei den meisten Fällen, bei welchem eine zweite Operation
Konkremente aufdeckte, die Annahme die richtigere sein, dass
es sich um zurückgelassene und nicht um neu gewachsene
Steine handelt.*) Wo ich dagegen mit voller Gewissheit wusste,
dass kein Stein zurückgeblieben war — und nach einer Cystec-
tomie, kombiniert mit der Hepaticusdrainage kann man das
fast sicher annehmen -- , entpuppten sich die nach der Operation
eintretenden Beschwerden als unechte, meist auf Adhäsionen
beruhende ßecidive.
Schon aus diesen kurzen Bemerkungen ersieht man, dass
es recht schwierig ist, den Nachweis eines echten Recidivs mit
voller Bestimmtheit zu führen, und leicht kann, man, wenn man
sich nicht der grössten Objektivität befleissigt, in Versuchung
kommen, ein unechtes Recidiv da vorzuschützen, wo in der Tat
ein echtes vorliegt. Ich habe aber wirklich gar keine Veran-
lassung, solche Ausflüchte zu machen; denn zwei oder drei
echte Recidive würden bei meinen zahlreichen Gallensteinlaparo-
tomien keine grosse Rolle spielen, jedenfalls keinen verständi-
gen Arzt bestimmen, auf die Segnungen der Gallensteinchirurgie
Verzicht zu leisten. Schliesslich bin ich der Ansicht, dass wir
uns nicht zu schämen brauchen, wenn wirklich einmal die
Steine wieder wachsen sollten. Ich leugne doch nicht, dass wir
*) Anfang November d. J. operierte ich einen Herrn, bei dem
ein sehr gewiegter Chirurg zwar 2 walnussgrosse Steine aus der
Gallenblase entfernte, den dritten ebenfalls walnussgrossen Stein —
den Hauptattentäter — aber im Choledochus zurUekliess. Wer keine
grosse Übung im Abtasten des Choledochus hat, dem kann ein solches
Missgeschick leicht passieren. —
— 411 —
Steine bei unseren Operationen zurück lassen, ja ich bekenne,
dass das in ca. 4"/o meiner Operationen der Fall war, und
Jeder wird mir zugeben, dass daraus schon eher ein Vorwurf
gemacht werden könnte. Warum sollten wir also ein Vorkomm-
nis in Abrede stellen, an welchem wir völlig unschuldig sind ?
Wenn wir wegen Nephrolithiasis eine Niere aufschneiden oder
aus der Harnblase einen Stein entfernen, — und Niemand wird
die Notwendigkeit solcher Operationen in bestimmten Fällen in
Abrede stellen! — so verlangt doch kein Mensch, dass wir durch
unsere chirurgischen Eingriffe einer Neubildung von Steinen
auf ewig vorbeugen. Was aber für die Lithiasis der Harnwege
billig ist, ist für die der Gallenwege recht! Unsere Macht geht
eben nicht so weit, dass wir unter allen Umständen ein Wieder-
wachsen der Steine verhüten können, und es ist unbillig, vom
Chirurgen zu verlangen, dass er in allen Fällen ideale Erfolge
erzielt und unter allen Umständen einer erneuten Steinbildung
vorbeugt. Uns Chirurgen fällt es doch gar nicht ein, von einer
Karlsbader Kur eine vollständige Restitutio ad integrum zu fordern.
Wir sind zufrieden, wenn das Leiden auf einige Zeit latent wird
und die Anfälle nicht allzu häufig wiederkehren und sich
al)schwächen. Der innere Arzt kann von uns Chirurgen nur
verlangen, dass wir sämtliche vorhandenen Steine entfernen und
die Durchgängigkeit der Gallengänge wieder herstellen. Weitere
Anforderungen müssen wir auf das Entschiedenste ablehnen,
und es ist mehr S^che der inneren Medizin, nach erfolgter
C)peration dafür zu sorgen, dass keine neuen Steine sich wieder
bilden. Aus diesem Grunde schicke ich meine Patienten nach
der Operation gern aach Karlsbad, denn Körperbewegung,
Entlastung des Pfortadersystems, gründliche Reinigung des
Darmes, Beseitigung der entzündlichen Vorgänge in den Gallen-
wegen sind die besten Mittel, um die Tendenz zur Steinbildung
zu beseitigen. Aber auch dem Karlsbader Sprudel gelingt es
nicht immer, die auf ihn gesetzten Hoffnungen und Erwartungen
zu erfüllen.
Es gab eine Zeit, in der ich gern bei Wiederauftreten von
Beschwerden an wieder gewachsene Steine glaubte und den
Kranken so lange zuredete, bis sie sich einer Relaparotomie
unterwarfen. Gerade diese Fälle haben mir die Gewissheit
geschenkt, dass ein Recidiv zu den grössten Seltenheiten ge-
hören muss; was ich bei solchen Nachoperationen fand, waren
— 412 —
keine Steine, sondern entzündliche Prozesse in der Gallenblase
oder Abknickung des Cysticus durch Verwachsungen, patholo-
gische V^orgänge, deren Bedeutung bei der Besprechung der
unechten Recidive erörtert werden soll.
Jedenfalls ist die Furcht mancher Ärzte und vieler Kranken
vor einem Wiederwachsen der Steine nach Operationen theoretisch
zwar begründet, durch die praktischen Erfahrungen bisher aber
gegenstandslos. Auch Riedel ist ganz meiner Ansicht, wenn er
sagt (Penzoldt und Stintzing): „Recidive von Gallensteinen
habe ich noch nicht gesehen ; der Theorie nach sind Recidive
ja nicht ausgeschlossen, in praxi fehlen sie; die Gallenblase
wird eben durch die Drainage gesund und verliert die Neigung
zur Steinbildung."
Auch in den „Grenzgebieten" hebt Riedel nachdrücklich
hervor, dass er bisher kein echtes Recidiv gesehen habe. Er
sagt dort Folgendes: „Es ist nicht im Interesse der Kranken,
immer wieder von der Gefahr des Recidivs von Steinen zu
sprechen. Wo sind in praxi die Recidive, wenn der Gallen-
steinkranke nach Entfernung der Steine richtig behandelt, d. h.
die Gallenblase so lange drainiert wird, bis sie gesund ist und
bis jeder etwa versehentlich zurückgebliebene Stein entfernt ist?
Seit 12 Jahren operiere ich Gallensteine, bis jetzt sah ich noch
keinen Fall von Recidiv.
Wohl aber kenne ich Komplikationen des Gallenstein-
leidens, die als Recidiv gedeutet werden können, aber keine
Recidive sind.
Es handelt öich in erster Linie um unvollständige und
zwar um notwendigerweise unvollständig ausgeführte Operationen.
Wenn gleichzeitig grosse Steine in der vereiterten, mit den
umgebenden Organen verwachsenen Gallenblase und kleinere
oder grössere im Duct. choled. stecken, so bleibt eben nichts
anderes übrig, als zunächst die grossen Steine aus der ver-
eiterten Gallenblase zu ziehen, die im Duct. choled. befindlichen
stecken zu lassen, weil man doch absolut die Adhäsionen in
diesen Fällen nicht lösen darf. Entschliesst sich dann der
Kranke später nicht zur Choledochotomie oder ist letztere
bei Verdacht auf kleine Steine kontraindiciert, so kann daraus
bei neuen Attacken von Gallensteinkolik der allerschönste Fall
von Recidiv nach Gallensteinoperation konstruiert werden; es
handelt sich aber gar nicht um ein Recidiv, sondern um Steine,
— 413 —
die bei der ersten Operation notwendigerweise stecken bleiben
mussten.
Weiter: Extrahiert man bei obliteriertem Duct. cyst. Steine
aus der Gallenblase und schliesst sich sodann die Schleimfistel
nach einiger Zeit, so dass ein Hydrops vesicae felleae ohne
Steine restiert, so entwickeln sich auch in einem solchen
Hydrops gelegentlich Attacken leichteren Charakters, weil ein
so vollständig abgeschlossener Hydrops doch auch ein Fremd-
körper ist; diese Attacken können als Symptome eines Kezidivs
von Gallensteinen gedeutet werden, obwohl letztere fehlen.
Vereinzelt kommt es auch vor, dass restierende Adhäsionen —
bei eitrigen Prozessen in der Gallenblase dürfen dieselben selbst-
verständlich nicht gelöst werden — Schmerzattacken hervor-
rufen, die gar nicht von Gallensteinkoliken zu unterscheiden
sind. Alles dieses kommt vor, aber nur ausnahmsweise; jeden-
falls handelt es sich dabei um kein Rezidiv von Gallensteinen.
Würde aber jemals ein Rezidiv eintreten, so wäre ja die
mit der vorderen Bauchwand verwachsene Gallenblase so leicht
zu eröffnen, und zwar extraperitoneal, dass überhaupt von Ge-
fuhr keine Rede sein könnte; nötig habe ich allerdings diesen
Eingriff bis jetzt nicht gehabt, weil die von mir operierten
Kranken frei von Rezidiv blieben."
Ausser Riedel hat Petersen an der Hand von 96 Ope-
rationen gezeigt, dass echte Rezidive zu den grössten Selten-
heiten gehören. Fall 44 seiner Statistik rezidivierte wieder,
doch bin ich mehr geneigt, ein unechtes als ein echtes Rezidiv
anzunehmen, weil bei der Kleinheit der caviarähnlichen Steine
ein Übersehen leicht möglich war. Löbker erw^ähnt ebenfalls
nichts von einem Wiederwachsen der Steine.
Als ich im Jahre 1896 auf dem Chirurgen-Kongress einen
Vortrag hielt: „Ein Rückblick auf 209 Gallensteinlaparotomien
mit besonderer Berücksichtigung gewisser anderweitig selten
beobachteter Schwierigkeiten bei 29 Choledochotomien", machte
Körte bei der Diskussion im Hinblick auf das Rezidiv nach
Gallensteinoperationen einige Bemerkungen, welche verdienen,
wiederholt zu werden:
„Dann, glaube ich, müssen wir einen Punkt einmal zur
Sprache bringen, wenn uns die inneren Mediziner nicht Vorwürfe
machen sollen. Das ist die Frage: „Können wir die Gallen-
steinkranken dauernd von ihren Beschwerden befreien?" Da
— 414 --
muss ich bekennen, dass nach meinen Erfahrungen und auch
nach denen anderer Kollegen, mit denen ich über den Punkt
gesprochen habe, in einem geringen Prozentsatz von Fällen ein
Rezidiv der Beschwerden vorkommt. — Ich möchte auf den
Ausdruck „Beschwerden'* insistieren, ich will nicht sagen: ein
Rezidiv der Steine, denn das ist eine ausserordentlich schwierige
Frage.
Wir wissen über die Art der Bildung der Gallensteine noch
recht wenig und so gut wie gar nichts über die Zeit, die sie zu
ihrer Entstehung brauchen. Es ist daher, wenn wir nach Ent-
fernung von Gallensteinen später neue Konkremente antreffen,
schwer zu sagen: Sind diese erst nach der Operation neu ent-
standen oder sind sie übersehen worden, weil sie an unzugäng-
licher Stelle lagerten, oder sind sie aus den Lebergallengängen
nachgerückt? Alle diese Möglichkeiten können zutreffen. Nach
unseren Erfahrungen an den Konkrementbildungen in anderen
Organen (Nierenbecken, Blase) müssen wir die „Möglichkeit"
erneuter Konkrementbildung jedenfalls zugeben.
Ein fernerer Grund für das Wiederauftreten von Beschwerden
nach der Operation kann liegen in dem Entstehen von Ver-
wachsungen in dem Operationsgebiete.
Ich glaube, gegen diese Verwachsungen sind wir vorläufig
ziemlich machtlos; denn wenn wir von neuem operieren und
diese flächenhaften Adhäsionen trennen, dann gibt es ganz sicher
wieder flächenhafte Verwachsungen. Wir haben noch kein Mittel,
in der Bauchhöhle die Verklebung seröser Flächen zu hindern.
Mit strangförmigen Verwachsungen ist es etwas anderes. Die
können wir trennen und dadurch bedingte Beschwerden heilen.
Ferner können Magen- und Duodenal-Katarrhe, die so oft mit
Gallensteinleiden verbunden sind und vielleicht auch bei der
Aetiologie eine Rolle mitspielen, nach geschehener Entfernung
der Gallensteine von neuem auftreten und Beschwerden ver-
ursachen, die denen der Gallensteine ähnlich sind. Ich habe
zwei- oder dreimal Kranke, die geraume Zeit nach Gallenstein-
operationen wiederkamen mit der Angabe, sie hätten wieder die
früheren Schmerzen, in das Krankenhaus aufgenommen und habe
mich überzeugt, dass nach entsprechender Behandlung des Magens
die Beschwerden völlig schwanden, und dass von Seiten der
Gallenblase keine Beschwerden mehr bestanden, und auch keine
Veränderungen des Organes nachweisbar waren. Wir werden
— 415 —
durch die Tatsache, dass in einem geringen Prozentsatze von
Fällen wieder Beschwerden aus einem der angeführten Gründe
auftreten, uns in keiner Weise beirren lassen, in der chirurgischen
Behandlung der Cholelithiasis, die eine sehr segensreiche Errungen-
schaft der Chirurgie darstellt, fortzufahren. Aber ich glaube,
wir müssen auf diesen Punkt unsere Aufmerksamkeit ganz
besonders richten. Denn nachdem die Indikationen und Wege des
operativen Vorgehens jetzt ziemlich klargestellt sind, müssen
wir darin weiter fortzuschreiten suchen, dass wir das Auftreten
von neuen Beschwerden, wenn möglich, verhindern. Wir müssen
uns darüber klar sein, woran es liegt; wie können wir es even-
tuell besser machen?"
Ich habe absichtlich nicht nur meine Beobachtungen und
Erfahrungen, sondern auch die anderer Chirurgen wiedergegeben,
damit wir ein möglichst klares Urteil über die Häufigkeit echter
Rezidive nach unseren Gallensteinoperationen bekommen. Es
ist mir nach den gegebenen Darlegungen nicht recht klar, Wo-
rauf Naunyn seine Behauptung begründen will, dass nach
vollständig gelungener Operation wieder Steine wachsen können.
Derartige Äusserungen sind natürlich, wie Riedel ganz richtig
sagt, nicht im Interesse des Kranken, weil dadurch sich mancher
abhalten lässt, eine sehr notwendige Operation an sich vornehmen
zu lassen.
Wenn also jetzt ein Kranker zu mir kommt mit dem Wunsche,
durch eine Operation von seinen Gallensteinen befreit zu werden,
und mich fragt, ob die Steine auch wiederwachsen können, so
antworte ich ruhig auf Grund meiner Erfahrungen nach bestem
Wissen und Gewissen auf diese Frage mit einem entschiedenen
„Nein". Wer ganz vorsichtig zu Werke gehen will, mag sagen:
„Die Ansicht, dass Steine wieder wachsen, ist theoretisch wohl
begründet, bisher nur von inneren Ärzten vertreten worden,
während die Chirurgen, die eine grosse Erfahrung auf dem Ge-
biete der Gallensteinchirurgie haben, ein richtiges Rezidiv noch
nicht beobachtet haben".
Unsere Kranken können also sich in dem Punkte des Wieder-
wachsens der Steine völlig beruhigen, und unsere inneren Kollegen
sollten derartige Vorwürfe nur dann erheben, wenn sie bestimmt
wissen, dass die erste Operation vollständig war.
Woher aber wollen sie das wissen? Sie führen doch selbst
keine Gallensteinoperationen aus, und durch das Zusehen allein
— 416 —
bekommt man kein Urteil, ob die Gänge völlig frei von Steinen
sind. Deshalb sollten sie mit ihren Ansichten in Bezug auf das
echte Eezidiv etwas zurückhaltender sein und keine Behauptungen
aufstellen, die sie nach meiner Meinung unmöglich beweisen
können. *) — Wie Torsichtig man in der Annahme eines echten
Rezidivs sein muss, mag folgender Fall beweisen. Ein angesehener
Chirurg hatte im Jahre 1895 eine sehr nervöse Frau cystostomiert
und ihr mehrere Steine entfernt. Die Gallenblasenfistel war in
6 Wochen zugeheilt. Sie klagte aber trotzdem nach wie vor über
Koliken, zumal ihr Arzt der Meinung war, dass sie nicht gründ-
lich genug operiert sei. Sie kam anfangs 1900 zu mir mit der
Bitte, unter allen Umständen noch einmal operiert zu werden.
Ich fand auch erhebliche Druckempfindlichkeit in der Gallen-
blasengegend und war sehr gespannt, ob die Furcht der Patientin
und ihres Hausarztes begründet sei, dass wieder Steine ge-
wachsen seien. Ich fand aber weiter nichts als eine in Ad-
häsionen eingebettete, normalwandige, helle, bakterienfreie Galle
enthaltende Gallenblase und habe, um späteren Beschwerden
vorzubeugen, die Gallenblase entfernt und den Hepaticus drai-
niert. Der Kranken geht es jetzt gut.
Noch mehr aber wie in den Köpfen der Ärzte spukt das
„Rezidiv" in den Köpfen der Operierten.
Es ist geradezu lächerlich, was alles unter dem Namen
„Rezidiv" geht, aber es ist ergötzlich, bei diesem Kapitel einige
Augenblicke zu verweilen. Der trockene Ton statistischer Er-
hebungen erhält dadurch eine angenehme Anfrischung.
Wenn einmal, wie ich selbst beobachtet habe, ein Gallen-
steinoperierter wieder Magendrücken nach Sauerkraut und Eis-
bein oder Thüringer Kartoffelklössen bekommt und ihm die
Blähungen stocken, Migräne oder Intercostalneuralgie sich ein-
stellen, so schiebt er das natürlich auf wiedergewachsene Steine.
Eine richtige Hysterica behält oft ihre Koliken, gleichgültig
ob man ihr die Gallenblase erhält oder entfernt, ob man den
Choledochus verschliesst oder den Hepaticus drainiert. Will
der Anfänger in der Gallensteinchirurgie einen recht guten
Erfolg haben, so operiere er ja keine Hysterica. Der Vor-
wurf, dass die Operation nichts nützt resp. die Steine wieder
wachsen, bleibt ihm sonst nicht erspart.
*) Vergleiche auch deu weiter unten stehenden Fall von Leo
Kl em p e r e r — Karlsbad.
— 417 —
Ich hörte jüngst von einer Dame, der ich vor Jahren
einen CVsticnsstein entfernt hatte, dass sie wieder Koliken mit
Steinabirang habe. Als ich sie später untersuchte, konnte ich
feststellen, dass die Steine mit dem Urin abgegangen waren,
dass also die durchgemachten Schmerzen Nierensteinkoliken
waren.
Eine zweite Patientin, die ich operiert habe, war so nervös,
dass man ihre Schmerzen im rechten Hyj)Ochondrium wirklich
einmal als „nervöse Leberkolik" auffassen konnte. Als ich aber
die Bauchhöhle eröffnete, fand ich die entzündete Gallenblase
mit Steinen vollgepfropft, den Choledochus frei und durchgängig.
Ich habe die Ectomie ausgeführt, aber trotz tieberfreiem und
glattem Verlauf behielt die Kranke ihre Schmerzen und hat sie
heute noch. Soll man in einem solchen Falle von einem Rezidiv
sprechen? Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn man
sagt: „Auch die Operation hat nichts genützt." Bei der hoch-
gradigen Nervosität der Patientin konnte ich von vornherein
auf keinen glänzenden Erfolg rechnen. Die Operierte, die ich
im Auge habe, berichtete mir, dass sie weder Ikterus noch
Steinabgang beobachtet, weder einen Bruch noch eine Fistel
habe, dass an der Operation^sstelle überhaupt alles in Ordnung sei,
— trotzdem spricht man in der Stadt, in der sie lebt, von
einem „Rezidiv" ihrer Krankheit.
Bricht nun gar einmal eine Fistel wieder auf, oder stösst
sich aus der Bauchnarbe ein Seidenfaden ab, so heisst es gleich
überall: „Die Operation hat nichts genützt, die Steine wachsen
doch wieder."
*■
Als ich im Jahre 1898 in Karlsbad war, weilte gerade
eine meiner Choledochotomierten in dem berühmten Badeort
zur Nachkur. Eines Tages zeigte sich ein kleiner Abscess in
der Bauchnarbe, welcher auf einen Seidenfaden zurückzuführen
war. Nun erhob sich am vSprudel und Mühlbrunnen eine leb-
hafte Diskussion über die Nachteile chirurgischer Therapie bei
der Cholelithiasis, so dass ich mich hätte schämen müssen, der
unglückliche Operateur des viel besprochenen Falles gewesen
zu sein. Als schon nach 8 Tagen die Fistel wieder zugeheilt
war, wurde dieser glückliche Ausgang dem heissen Sprudel, von
dessen Heilkraft bei Wunden mir bis dahin nichts bekannt
war, zugeschrieben.
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. I. 27
— 418 —
Schon in früheren Arbeiten habe ich von Operierten er-
zählt, die glaubten, ein Rezidiv ihrer Steinkrankheit zu haben
und bei denen die Untersuchung für die wieder eingetretenen
Schmerzen eine ganz andere Ursache ergab. Am instruktivsten
in dieser Beziehung sind jene Fälle, bei welchen sich die üallen-
steinkrankheit mit einem Magenleiden oder einer Appendicitis
kombiniert. Begnügt man sich in einem solchen Falle mit der
Beseitigung der Gallensteine, und treten dann von selten des
Darmes oder Magens wieder Beschwerden ein, so kann man
sicher sein, dass der Patient auf den Chirurgen kein Loblied
singt, im Gegenteil alle Schuld für die neuen Schmerzen auf
eine schlechte Operation schiebt. Ich habe es mir deshalb zur
Regel gemacht, etwaige Magenkomplikationen sofort mit zu
beseitigen. Daher erklären sich auch die vielen Pyloroplastiken
und Gastroenterostomien, welche bei Gelegenheit meiner Gallen-
steinoperationen zur Ausführung kamen. Erst jüngst habe ich
einen Herrn operiert, bei dem ich nicht nur aus der Gallen-
blase einen haselnussgrossen Stein entfernte, sondern auch
wegen chronischer rezidivierender Appendicitis den Wurmfort-
satz fortnahm und wegen eines Duodenalulcus eine Chole-
cystenterostomie und eine Gastroenterostomie in Verbindung
mit der Braun' sehen Entero-Enterostomie ausführte. Der
Patient ist vollständig genesen. (Nr. 159.)
Das spassigste sogen. Rezidiv aber, welches ich erlebt
habe, betrifft eine junge Frau, die erst kurze Zeit verheiratet
war und in ihre Ehe die fürchterlichsten Koliken mitbrachte.
Ich befreite sie von denselben durch eine Cystostomie. Glück-
lich kehrte sie in die Arme ihres Gatten zurück, aber schon
3 Monate später schrieb mir der Arzt, dass ein Rezidiv ein-
getreten sei: „Die Patientin klagt wieder über Magenschmerzen
und Kreuzschmerzen, sie erbricht fast täglich und wird immer
elender." Dann kam eine Pause, und das Magendrücken und
Erbrechen hörte definitiv auf, als 6 Monate später die Frau
ihrem Manne einen kräftigen Jungen schenkte. Seitdem blieb
sie frei von Koliken. Derartige Rezidive mögen häufiger be-
obachtet werden. — In der Tat könnte ich noch über manches
Rezidiv berichten, das den Leser in die fröhlichste Stimmung
versetzen würde. Die Rezidive sind aber oft mit so viel
Schmerzen verbunden, dass es nicht angebracht ist, zu scherzen
und zu spassen, sondern dass man allen Grund hat, die Klagen der
— 419 —
Operierten recht ernst zu nehmen. — Ich tue das auch, und
ich habe niemals in Abrede gestellt, dass die Gallenstein-
operierten nach der Operation von den verschiedenartigsten
Beschwerden befallen werden können. Ich habe selbst darauf
aufmerksam gemacht, dass für die Patienten es gleichgültig
sein kann, ob die Beschwerden als ,, echte oder unechte Rezidive"
aufzufassen sind. Ein Operierter verlangt, dass er überhaupt
keine Schmerzen wieder bekommt, denn zu diesem Zwecke
lässt er sich ja operieren!
Wir erreichen das durch möglichste Einschränkung der
Indikationen für die Operation, durch eine gründliche Freilegung
der Gallengänge, durch Einschränkung der Cystostomie, aus-
giebigen Gebrauch der Ectomie womöglich in Verbindung mit der
Hepaticusdrainage und Choledochusfege und durch manche Mass-
nahmen, die bereits in den vorausgehenden Kapiteln erörtert wurden.
Trotzdem werden wir Rezidive erleben, und ich hatte des-
halb schon oft Gelegenheit, über solche zu berichten. Meine
erste Umfrage bei meinen ersten 400 Operierten im Jahre 1900
führte zu folgenden Ergebnissen:
1. Steine hatte ich in 4*^/0 der Fälle zurückgelassen.
2. Hernien entstanden in 7 °/o.
3. Adhäsionskoliken hatte ich in 11 "/o und
4. Entzündungskoliken in 6 "/o beobachtet.
Nicht jeder Arzt wird meinen damaligen Vortrag vom
Chirurgen-Kongress j^elesen haben, so dass ich hier eine Erklärung
abgeben muss, was ich unter Adhäsions- und Entzündungskoliken
verstehe.
Durch unsere zaWreichen Operationen haben wir die Tat-
sache feststellen können , dass auch ohne Anwesenheit von
Steinen durch entzündliche Prozesse in der Gallenblase und
durch Zerrung der Adhäsionen besonders am Ductus cysticus
kolikähnliche Zustände entstehen können. Es liegt auf der Hand,
dass also ein Chirurg, der besonders die Cystostomie, die Fistel-
bildung kultiviert, mehr Entzündungs- und Adhäsionskoliken
post op. beobachten wird, wie einer, der die Ectomie vorzieht.
In der Tat hatte ich bei den ersten 400 Operierten in 17"/o,
bei den letzten 500 — wie wir nachher sehen werden — nur
in ö^jo Adhäsions- und Entzündungskoliken beobachtet, weil
ich in den letzten Jahren die Cystostomie zugunsten der Ectomie
eingeschränkt habe. —
27*
— 420 —
Auf eine Art Rezidiv habe ich schon in der speziellen
Technik hingewiesen: auf das sog. Fadenrezidiv. (Nr. 07.)
Ich habe es sechsmal beobachtet. Früher schnitt ich die
Fäden, welche die Gallenblase an die Bauchwand fixierten, kurz
ab, ebenso verfuhr ich mit der Abschliessungssutur des Ductus
cysticus. Wenn aber solche Fäden in die Gallenblase oder in den
Ductus choledochus sich abstossen, so kommt es, wenn die Ent-
zündung noch nicht ganz erloschen ist, zu einer erneuten
Inkrustation, zu einem Rezidiv. Einmal habe ich sogar be-
obachtet, dass ein grösserer „Gazefussel" sich in den Chole-
dochus abgestossen und sich hier inkrustiert hatte. (Nr, 147.) Man
muss also dafür sorgen, dass die Gaze nicht fusselt (siehe die Vor-
bereitungen), und muss die Faden lang lassen und nachträglich
in toto entfernen. Seitdem ich dies tue, sind die Fadenrezidive
weggefallen.
Waren also die Dauerresultate bei den ersten 400 Ope-
rierten schon recht zufriedenstellend, so hat eine Nachfrage bei
den letzten 500 Operierten im Februar 1904 ergeben, dass in
jeder Beziehung eine wesentliche Besserung meiner Dauer-
erfolge zu verzeichnen ist.
Von meinen letzten 500 Gallensteinlaparotomien lasse ich
die letzten 50 unberücksichtigt, da die Beobachtungszeit zu kurz
ist, um ein gültiges Urteil über den schliesslichen Erfolg zu ge-
winnen. Ich berücksichtige nur 450 Fälle. Davon starben in der
Klinik 72 = 16 "/o (davon 13 ^jo an komplizierendem Carcinom,
Cholangitis etc., nur 3''/o an der eigentlichen Gallensteinoperation}.
Nachträglich d. h. nach der Entlassung aus der Klinik starben
noch 21, fast sämtlich an Carcinom, 2 an Tuberculosis pul-
monum, 1 an Apoplexie, 1 an Suicidium etc. Es blieben also
übrig 357 Operierte. An diese schickte ich Fragebogen und
erbat mir über folgende Punkte Aufklärung:
1. Wie ist Ihr jetziges Befinden?
2. Haben Sie wieder einmal Koliken wie vor der
Operation gehabt? Oder Darm- und Magenschmerzen? Wie oft,
seit wann? Wo sassen die Schmerzen? Bitte um genaue Be-
schreibung derselben.
3. Haben Sie in der Narbe eine Fistel? a) Schleinifistel.
b) Gallenfistel. Stört Sie diese Fistel?
4. Haben Sie einmal Gelbsucht gehabt, wie lange, mit oder
ohne Schmerzen?
— 421 —
5. Haben Sie einen Bruch in der Narbe? Ist die Narbe
fest oder weich, buchtet sie sich beim Husten vor? Haben Sie
dadurch Beschwerden und welche? Tragen Sie eine Leibbinde
und welche?
6. Sind einmal Steine nach der Operation abgegangen?
Wie gross, wie oft? (Bitte die Steine, wenn vorhanden, ein-
senden!) Wie sahen sie aus? Hat sie der Arzt als Gallen-
steine anerkannt?
7. AVas haben Sie sonst zu bemerken ? (Appetit, Verdauung,
Gewichtszunahme, Geburten etc.)
8. Da ich grossen Wert auf das Urteil Ihres Hausarztes
lege, wäre ich ihm dankbar, wenn dieser hier seine Meinung
äusserte.
Nur in 7 Fällen erhielt ich keine Antwort, während 350
genaue Antwort gaben.
Ich konnte in der Hauptsache folgendes feststellen :
1. Steine habe ich 9 mal zurückgelassen, also in 2,5 "/o
der Fälle, und zwar musste ich bewusst 5 mal Steine zurück-
lassen, da die Verhältnisse an den Gallen wegen so kompliziert
waren, dass ich die Operation nicht so gründlich ausführen
konnte, als ich selbst gewünscht hätte. p]nt weder war die Nar-
kose mangelhaft, oder die Gallengänge lagen so tief, dass eine
Ausräumung des Hepaticus und Choledochus technisch geradezu
unmöglich war. In einem kleinen Prozentsatz der Fälle kommt
man trotz aller Übu;ig und Erfahrung nicht an das gewünschte
Ziel, d. h. man muss Steine zurücklassen, wenn man nicht das
Leben des Patienten aufs Spiel setzen will.
ünbewusst habe »-ich 4 mal Steine zurückgelassen, und
zwar immer im Choledochus und Hepaticus, da die Symptome
und der Befund ein Freisein der Gallengänge erwarten Hessen,
während, wie der Verlauf bewies, das nicht der Fall war. 3mal
sind nachträglich Steine abgegangen, und seitdem fühlen sich
die Kranken wohl und scheinen in der Tat endgültig geheilt.
In einem Falle (Nr. US) habe ich noch einmal operiert. Hier
hatte ich ein Jahr vorher eine Hepaticusdrainage bei zahlreichen
Steinen im Choledochus ausgeführt und dabei ein grosses Kon-
krement unfreiwillig zertrümmert. Es blieb einer der Trümmer
zurück, inkrustierte sich und wuchs und verlegte die Papilla
duodeni. Ich machte eine neue Hepaticusdrainage, entfernte
den Stein und hoffe den Kranken nun definitiv geheilt zu haben.
422 —
Ein Wiederwachsen der Steine habe ich bisher — bei 1000
Operationen — noch nicht beobachtet !
2. Von den 350 Operierten haben nur je einer eine Schleim-
und eine Gallenfistel. In dem ersteren Fall Hess ich bewusst
den Stein im Cysticus zurück, da bei der grossen Tiefe des
Cysticus eine direlite Incision technisch sehr schwer gewesen
wäre. Patient, ein Offizier, ist aber ganz wohl, tut völlig
seinen Dienst und ist mit dem Ausgang der Operation sehr
zufrieden. (Nr. 73,) Die Gallenfistel entstand nach einer Hepaticus-
drainage bei vielen Steinen im Choledochus. Patient, bei dem
während der Nachbehandlung zahlreiche Konkremente aus den
Gallengängen herausgespült wurden, verlor leider die Geduld
und verliess die Klinik, ehe ich darüber klar war, ob der
Choledochus völlig frei sei. (Nr. 153,)
. 3. Hernien kamen nur 11 mal zur Beobachtung, also in
3 "/o, und immer nur dann, wenn bei ausgedehnter Eiterung
sehr reichlich tamponiert werden musste und die Patienten
nach der Operation sehr bald wieder schwere Arbeit verrich-
teten. Aus dem letzten Grunde herrschen die Hernien bei
den Männern vor. In keinem Falle sind aber die Beschwerden,
die die Hernien verursachen, derartig, dass eine Radikaloperation
der Hernien indiziert wäre.
4. Adhäsionskoliken sind in 12 Fällen und Entzündungs-
koliken *) in 5 Fällen beobachtet worden. Bei diesen 17 Fällen
wurde 5 mal die Appendix coeci entfernt, wurden 3 Pyloro-
plastiken und 2 Gastroenterostomien ausgeführt, und Imal bestand
eine hochgradige Hepatoptose. Über die Ursache der Adhäsions-
beschwerden werden wir in diesen Fällen also niemals ins
klare kommen. In 3 Fällen stellten sich die zuerst als Galleu-
koliken gedeuteten Schmerzen als Nierenkoliken heraus (Stein-
abgang, Blut im Urin), und es ist nicht zu verwundern, dass
Gallensteinkranke auch zur Nephrolithiasis neigen.
Von den 350 Operierten hatten also nur 39 Grund zur
Klage, also \l ^jo, während 89 "/o völlig geheilt wurden und
den Erfolg der Operation gar nicht genug rühmen konnten.
*) Aus welchen Beschwerden und Zeichen ich Adhäsions- und
Entzündungskoliken diagnostiziere, habe ich in meinem Vortrag auf
dem 29. Chirurgenkongress auseinandergesetzt. (Siehe Arch. f. klin.
Chir., 61. Bd., 2. Heft.)
— 423 —
Die allermeisten konnten meine Bitte, „der Hausarzt möge
sein Urteil über den Erfolg- der Operation abgeben,*^ nicht er-
füllen, „da sie seit der Operation einen Arzt nicht mehr nötig
gehabt hätten". Es war für mich eine grosse Freude, die aus-
gefüllten Fragebogen zu studieren und über meine Erfolge eine
Zusammenstellung zu machen.
Gegen früher ist eine wesentliche Besserung eingetreten,
denn statt in 4*^/0 der Fälle Hess ich nur in 2,5 ^'/o Steine
zurück, Hernien hatte ich früher 7%, jetzt 3 °/o, Adhäsions-
und Entzündungskoliken statt in 17 °/o nur in 5 "/o. Die sehr
auffallende Besserung hat verschiedene Gründe. Erstens war
ich imstande, mit wachsender Übung und Erfahrung die Operation
schneller zu beendigen wie früher, und dann setzte ich an Stelle
der Cystostomie häufiger die Ectomie, wodurch die Adhäsions-
und EntzündungsSoliken seltener wurden, und drittens übte ich
statt der Choledochotomie mit Naht die Hepaticusdrainage,
wodurch statt 15— 20 "/o zurückgelassene Steine nur noch 2 '^/o
beobachtet wurden.
So fordern also nicht nur die augenblicklichen Erfolge der
Gallensteinoperation (mit nur 3% Sterblichkeit in Fällen, die
frei von Carcinom und Cholangitis sind) zu einer Verallgemei-
nerung der chirurgischen Therapie beim Gallensteinleiden auf,
sondern auch die Dauererfolge, die in ca. 90*^/o den Kranken
w^ieder völlig gesund und arbeitsfähig machen.
Ein Kollege hielt zwar „den Wert der Statistik nicht für
so bedeutend, dass sie die Wissenschaft gerade in der Gallenstein-
frage so sehr bereichern könnte", gab aber zu, „dass sie für den
einzelnen Arzt zu seiner Orientierung und zu seiner eigenen
Kontrolle, aber auch nur dazu, unentbehrlich sei'^. Demnach
könnte ich die von mir angestellten Erhebungen für mich be-
halten und brauchte sie nicht zur Kenntnis aller Arzte zu
bringen. Ich glaube aber nicht, dass die Ansicht des betreifen-
den Kollegen von vielen gebilligt wird. Nach meiner unmass-
geblichen Meinung müssen alle Ärzte wissen, welche Dauer-
erfolge die Gallensteinchirurgie aufzuweisen hat, damit sie sich
selbst ein Urteil über die Güte des chirurgischen Eingriffs
beim Gallensteinleiden bilden können. Hätte ich 10 "/o echte
Rezidive, 20 "/o Hernien und 30 "/o Entzündungskoliken, so
würde ich es keinem Arzt verdenken, wenn er weiterhin davon
absieht, seine Gallensteinkranken zum Chirurgen zu schicken,
— 424 —
aber bei den oben mitgeteilten Resultaten wird mancher, der
bisher von der Operation bei der Cholelithiasis nichts wissen
wollte, seine Zurückhaltung aufgeben, der Gegner der Ope-
ration muss ihr Anhänger werden und wird bei den vortreff-
lichen Resultaten der Gallensteinchirurgie die Operation öfter
empfehlen als bisher.
Bei der Beurteilung der Dauererfolge muss man sich bewusst
sein, dass jede Laparotomie, gleichgiltig, ob wir sie wegen
Leber-, Magen- oder Darmkrankheiten vornehmen, von gewissen
Störungen gefolgt ist, die wir überhaupt nicht aus der Welt
schaffen können. Unserer Operation folgen eine Narbe und oft
Verwachsungen. Die Narbe schmerzt zuweilen bei Witterungs-
wechsel genau wie ein gut geheilter Knochenbruch noch lange Zeit.
In der Narbe kann sich ein Bruch entwickeln und Störungen
verursachen; wie oft das geschieht, haben wir oben gesehen.
(3-7%.)
Nächst der Hernie fürchtet der Bauchchirurg .am meisten
die Verwachsungen, und man kann sagen, dass die Adhäsions-
bildung in der Bauchhöhle der grösste Gegner der Bauch -
Chirurgie ist. Die Adhäsionsbeschwerden kommen, wie icli bereits
oben bemerkte, besonders nach Cystostomie vor und beeinträch-
tigen nicht selten den guten Erfolg der sonst gelungenen
Operation.
Auffallend gross ist unter den Gallensteinbehafteten die
Zahl der Hysterischen. Manche von diesen werden durch die
Operation gesund, bei vielen nützt der Eingriff gar nichts,
scheint sogar die hysterischen Beschwerden in erhöhtem Masse
zurückkehren zu lassen.
Schliesslich bedenke man noch eins. Wenn ein von seinen
Gallensteinen durch Operation Befreiter einmal Appendicitis
bekommt oder sonst ganz unschuldige Darmkoliken, oder wenn
er sich nur den Magen verdirbt, dann fürchtet er sofort die
Wiederkehr seiner alten Koliken und ist gerne geneigt, derartige
Beschwerden, die ja gar nichts mehr mit dem alten Leiden zu
tun haben, mit der Operation in Verbindung zu bringen. So
berichten einige Operierte über Darmschmerzen in der Gegend
der Narbe und bringen diese Schmerzen in Verbindung mit der
Operation, während die behandelnden Ärzte extra bemerken,
dass sie der Überzeugung sind, dass diese Beschwerden mit
— 425 —
dem ursprünglichen Leiden resp. mit der Operation gar nichts
zu tun haben.
Ich habe diese Klagen der Operierten nicht unberücksich-
tigt gelassen, sondern sie trotzdem als Adhäsionsbeschwerden
registriert, da ich der Meinung bin, dass man kaum ein sicheres
und giltiges Urteil über den Ursprung der Schmerzen abgeben
kann. Es ist ja sehr einfach, wenn man die bei Frauen auf-
tretenden Schmerzen als hysterische bezeichnet. Ich will aber
nicht zu den Chirurgen gehören, die dem Satze huldigen: „Was
man nicht diagnostizieren kann, das sieht man als hysterisch an."
Nur in den Fällen, in denen der ganze Verlauf vor und nach
der Operation alle Kriterien der Hysterie aufwies, möchte ich
an einen solchen Zustand glauben.
In den Fällen, wo neben der Gallensteinoperation Ein-
griffe am Magen (Pyloroplastik, Gastroenterostomie) oder Darm
(Appendicectomie) vorgenommen wurden, kann man im Zweifel
sein, woher die Schmerzen kommen.
Ich sehe wohl ein, dass die oben angeführten Dauererfolge
sich noch in mancher Hinsicht ändern können. Oft kommt die
Hernie erst nach 2 oder 3 Jahren; der übersehene Stein kann,
wie wir wissen, Jahre ja Jahrzehnte lang sich latent verhalten
und dann erst aus seiner Ruhe heraustreten und Beschw^er-
den machen. Auch Adhäsionen brauchen erst nach vielen
Jahren Störungen zu bereiten. Aber da ich nun bereits seit
15 Jahren Gallensteinchirurgie treibe, habe ich doch ein un-
gefähres Urteil über die endgültigen Erfolge mir bilden können
und glaube nicht, dass diese erheblich schlechter werden, wie
ich oben angegeben hab^, d, h. dass weniger als 90 "/o der
Operierten völlig ihre Beschwerden los werden.
Auf einen Punkt, den ich schon oben eingehend erörterte,
muss ich noch einmal mit wenigen Worten zurückkommen : er
betrifft das sog. echte Rezidiv, das Wiederwachsen resp. die Neu-
bildung der Steine in einem durch die Operation völlig gesäuberten
Gallensystem. Erst jüngst hat wieder ein Karlsbader Arzt
ganz mit Unrecht über ein sog. echtes Eezidiv berichtet, und
deshalb muss ich zur Richtigstellung noch einige Worte über
das echte Rezidiv sagen. Ich wies bereits oben darauf hin,
dass wir bei der Feststellung, ob das Gallensystem auch wirk-
lich völlig von allen Steinen befreit ist, allerdings niemals ein
ganz sicheres Urteil abgeben können, und deshalb ist die Frage
— 426 —
des echten Rezidivs nach meiner Ansicht überhaupt unlösbar.
Auch nach Ectomien und Hepaticusdrainagen lassen wir in ca.
2 pCt. der Fälle Steine zurück. Kommen in solchen Fällen
Koliken, so kann man natürlich an ein echtes Rezidiv denken,
aber ich habe diese Fälle zum zweiten Mal operiert und konnte
mich aus der Beschaftenheit der Steine überzeugen, dass kein
echtes Rezidiv vorlag, sondern ein unechtes, d. h. dass die
Steine sich um Trümmer neugebildet hatten resp. bei der ersten
Operation übersehen waren. Ich leugne keineswegs die Möglich-
keit eines echten Rezidivs, aber ein sicherer Fall ist mir
persönlich noch nicht vorgekommen. Ich betone das mit
Nachdruck, weil immer wieder von Laien und auch von Ärzten
^uf das Wiederwachsen der Steine hingewiesen wird. Ja manche
machen sich eine Freude daraus, die bereits Operierten mit
dem Gespenst des Rezidivs zu erschrecken und scheinen die
grösste Genugtuung zu empfinden, wenn die Operierten wieder
über Beschwerden klagen. Es herrscht über die Erfolge des
Chirurgen bei der Gallensteinkrankheit noch eine grosse Un-
kenntnis unter vielen Ärzten ; ja Neid und Missgunst verblenden
manchen derartig, dass die gröbsten Entstellungen über die
chirurgischen Resultate verbreitet werden. So erzählte mir
jüngst eine Patientin, dass ihr ein Karlsbader Arzt erzählt habe:
„Dutzende von meinen Operierten hätten richtige Rezidive
bekommen und müssten immer wieder in Karlsbad die Kur
durchmachen, das Operieren sei ganz nutzlos, die Steine
kämen doch wieder." Ich gebe im allgemeinen nicht viel
auf die Angaben der Patienten^ aber solche Aussprüche sind
so oft an mein Ohr gedrungen, dass etwas Wahres an ihnen sein
muss. Ich verstehe nicht, wie wissenschaftliche Ärzte solch'
falsche Tatsachen verbreiten können, es scheint aber doch, als
ob die Eifersucht einige Badeärzte so gepackt hätte, dass sie
alle Hebel ansetzen, die Gallensteinchirurgie in Misskredit zu
bringen. Denken solche Kollegen nicht an ihre eigenen Rezi-
dive, die sie mit ihren Kuren haben? Wo haben sie die
Kenntnisse erworben, die sie in den Stand setzen, die richtige
Natur der Rezidive zu ergründen? — Nun, sie mögen die
Patienten noch so sehr vor den Chirurgen warnen und noch so
oft das Wiederwachsen der Steine predigen, den Siegeslauf des
aseptischen Messers halten sie doch nicht auf. Die "heute am
meisten „nörgeln", werden später vielleicht noch zu begeisterten
Anhängern der Gallensteinchirurgie,
— 427 —
Recht häufig ist es, dass Patienten mir Steine vorzeigen,
die weiter nichts als Fruchticerne vorstellen und mit Gallen-
steinen gar nichts zu tun haben. Am meisten werden die ver-
seiften Olklumpen, die nach einer Olivenölkur im Stuhlgang
erscheinen und in der Tat mit Steinen eine grosse Ähnlichkeit
haben, für Cholelithen gehalten. Es ist deshalb notwendig, dass,
wenn ein Operierter angeblich Steine nachträglich in seinen
Faeces gefunden hat, der Arzt dieses Gebilde chemisch und
mikroskopisch untersucht, dann wird er sehr oft sich über-
zeugen, dass kein Rezidiv vorliegt.
Auch die von Klemperer *)-Karlsbad gemachte Mit-
teilung von einem Fall echter Gallensteinrezidive einige Monate
nach der Operation (Cholecystectomie) beweist noch lange nicht
das Vorkommen echter Rezidive; in dem Fall, über den ich im
13. Jahresbericht meiner Klinik (IL Teil, p. 307) berichtete,
konnte ich nur die Ectomie machen und musste wegen schlechter
Narkose die Hepaticusdrainage unterlassen. Dass ich den Chole-
dochus sondiert und leer vorgefunden habe, davon steht dort
nichts. Aber selbst wenn ich sondiert hätte, ist der Beweis
eines echten Rezidives noch nicht erbracht. Es ist mir viel
wahrscheinlicher, dass sich .die Steine nicht neugebildet haben,
sondern dass Patient Lebersteine hatte. Es ist wirklich nicht
nötig, dass andere Ärzte meine Rezidive veröffentlichen, das
tue ich von ganz allein. Ich habe die Nr. 28 der Prager med.
Wochenschrift 1903 erst am 15. Mai 1904 in die Hände be-
kommen und schon lange hatte ich in meinem Jahresbericht über
dieses Rezidiv der Frau Rechtsanwalt aus Schlesien berichtet.
Recht beklagenswert i%t aber, dass Klemperer in seiner Ver-
öffentlichung die Behauptung: „der Choledochus wurde sondiert
und leer vorgefunden" auf Grund der Angaben der Patientin
aufstellt. Es war mir gerade in diesem Fall unmöglich, den
Choledochus wegen tiefer Lage und schlechter Narkose zu
sondieren. Warum richtet der Kollege nicht an mich ein paar
Zeilen, um über den Operationsbefund und die vorgenommene
Operation Aufklärung zu bekommen? Ich hätte ihm gern Aus-
kunft erteilt. Aber so geht der Fall durch alle Zeitungen als
echtes Rezidiv, hält so und soviel Patienten von der nötigen
Operation ab und schädigt das Renomm^ der Gallensteinchirurgie.
*) Prag. med. Wochenschrift 1903, Nr. 28.
— 428 —
Dass auch ich persönlich davon Schaden habe, will ich gar
nicht sagen; die vielen guten Erfolge, die ich habe, bringen mir
immer mehr Gallensteinkranke ins Haus, und die wenigen Rezidive
sind nicht mehr im Stande, die Vorteile der operativen Behandlung
in den Schatten zu stellen. Aber ich möchte doch meine schon
oben ausgesprochene Bitte wiederholen: Wenn ein Innerei' Arzt
über ein Rezidiv nach einer Gallensteinoperation berichten will,
so mag er sich mit den betr. Chirurgen in Verbindung setzen,
damit er keine falschen Tatsachen verbreitet und dem betr.
Operateur nicht Unrecht tut ; auch ist es nötig, dass er genau
die angeblichen abgegangenen Steine untersucht.*)
Wie schwer sich eine solche ünterlä,ssung rächt, mag jenes
Rezidiv beweisen, das unter dem Namen „Mohnkörnerrezidiv"
geradezu populär geworden ist.
Körte hatte am 27. Nov. 1895 eine Patientin wegen Chole-
dochusverschluss operiert und drei Steine entfernt. Im Jahre
1898, also 3 Jahre später, bekam sie wieder Beschwerden und
ging nach Karlsbad. Dr. Herrmann leitete eine Kur ein, und
nun gingen täglich grosse Mengen Steine ab , aber es waren,
wie Körte nachwies, keine Steine, sondern Mohnkörner.
In Karlsbad haben die Bäcker die Angewohnheit, auf das
Frühstücksgebäck Mohnkörner zu streuen. Der Sprudel, der
sonst nach den Ansichten der Laien und auch mancher Ärzte
Steine auflöst, hatte über diese Mohnkörner keine Gewalt, sie
widerstanden der Verdauungskraft des Darmes und gingen mit
den Faeces ab. Es wäre wirklich sehr wünschenswert, wenn
die Karlsbader Bäcker das Mohnkörnerstreuen unterliessen,
damit nicht wieder solche Rezidiv-Berichte (Her rm ann, Mitt.
aus den Grenzgebieten Bd. 4, p. 240) in die weite Welt hinaus-
gehen.
Überhaupt soll man bei der Beurteilung chirurgischer Ein-
grifle immer daran denken, dass die schlechten Erfolge viel
mehr besprochen werden wie die guten. Ein Rezidiv, ob
echt oder unecht, geht durch Aller Munde, 19 glatte und ein-
wandfreie Heilungen werden als etwas Selbstverständliches hin-
gestellt. Über einen Todesfall redet man lange Zeit, der kommt
auch in alle Zeitungen ; wird der Patient durch die Operation
*) Auch in dem Jahresbericht für Chirurgie von 190B von Hilde-
brand ist über diesen Fall von L. K 1 e m p o r e r referiert, doch hat der
Herr Referent selbst die Echtheit des „Rezidivs" bezweifelt.
— 429 —
gerettet, so wird von der Sache kein grosses Aufsehen gemacht.
Aber wenn auch Laien so kritiklos die Resultate des Gallen-
steinoperateiirs beurteilen, sollten deshalb die Arzte um so sorg-
fältiger den Ursachen der Misserfolge, den Rezidiven nachgehen.
Ich schliesse mein Buch mit einer Erklärung, die ich auf
Grund von nunmehr 1000 Operationen am Gallensystem jederzeit
vertreten kann: Die augenblicklichen und Dauer-Erfolge
nach Gallensteinoperationeu sind so gut, dass gewiss kein
Orund vorliegt, immer wieder den Gallensteinkranken vor
dem Chirurgen zu warnen. Im Gegenteil, es muss Pflicht
der wissenschaftlichen Ärzte sein, in Fällen, bei denen die
innere Medikation versagt, die Yornahme eines chirurgischen
Eingriifes zu erwägen.
Die schon jetzt erzielten Erfolge haben die Berechtigung
der operativen Behandlung der Cholelithiasis erwiesen. Wir
Chirurgen sollten uns mit den errungenen Erfolgen aber nicht
begnügen, sondern wir müssen auf diesem Gebiete weiter arbeiten,
damit die Resultate noch besser werden. Wir werden das
weniger dadurch erreichen, dass wir unsere aseptischen Mass-
nahmen verbessern und die Technik auf eine höhere Stufe
bringen. Gewiss lässt sich in dieser Beziehung noch viel tun :
die Hauptsache aber wird sein, dass wir die Diagnostik der Chole-
lithiasis mehr und mehr ausbauen und die Indikationen verfeinern.
Die inneren Ärzte müssen in Gemeinschaft mit den Chir-
urgen gegen die Krankheit vorgehen, die man nicht mit Un-
recht im Hinblick auf die politischen Verhältnisse im fernen
Osten als „gelbe Gefahr" bezeichnen könnte. Sie bringt
jahrein jahraus gewiss», mehr Verluste als die explodierenden
Minen im Hafen von Port Arthur und die Schnellfeuergeschütze
der japanischen Heere. Selbst so lange die Gallensteinkrank-
heit noch im weissen Gewände kindlicher Unschuld dahin-
schreitet, sollten wir sie mit argwöhnischen Augen betrachten und
den lauernden Feind im Hinterhalt nicht gering schätzen. Er
verfügt oft über eine gewaltige Macht, die zu brechen nur
vereinten Bemühungen gelingt.
Einigkeit unter den Ärzten macht stark nicht nur im
Kampf gegen die Krankenkassen, sondern auch im Kampf gegen
die Cholelithiasis.
Möge mein Buch mit dazu beitragen, diese Einigkeit in
Zukunft herbeizuführen !
Literatur.
(Unter besonderer Berücksichtigung der grundlegenden Arbeiten und der seit
1897 erschienenen Abhandlungen nebst einer Aufzählung der aus meiner Klinik
hervorgegangenen Veröffentlichungen.)
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Zuhörst, Über Gallendurchbruch des Ductus cysticus etc. Inaug.-
Dissert. Kiel 1903.
Die aus meiner Klinik hervorgegangenen, von meinen Assistenten
und mir selbst verfassten Arbeiten sind folgende:
l)Kehr, Eilers, Lücke: Bericht über 197 Gallenstein-
operationen aus den letzten 2*/» Jahren. Arch. f. klin. Chirurgie.
58. Bd. Heft 3.
2) Wie, wodurch und in welchen Fällen von Cholelithiasis wirkt
eine Karlsbader Kur und warum gehen die Ansichten des Chirurgen
und des Karlsbader Arztes inbezug auf Prognose und Therapie der
Gallensteinkrankheit so weit auseinander? Münch. med. Wochenschr.
1898. Nr. 38.
3) Die Resultate von 300 Gallensteinlaparotomien unter besonderer
Berücksichtigung der in den letzten 2 Jahren ausgeführten 151 Ope-
rationen. Samml. klin. Vorträge von Volkmaun. Nr. 225. Okt. 1898
4) Die Behandlung der kalkulösen Cholangitis durch die direkte
Drainage des Ductus hepaticus. Münch. med. Wochenschr. 1897.
Nr. 41.
5) Die chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit. Berlin
1896. Fischer's med. Verlag (H. Kornfeld).
6) Ein Rückblick auf 209 Gallensteinlaparotomien mit besonderer
Berücksichtigung gewisser anderweitig selten beobachteter Schwierig-
keiten bei 30 Ckoledochotomien. Arch. f. klin. Chir. Bd. 53. Heft 2.
7) Die Entfernung des eingeklemmten Gallensteins aus dem
Ductus cysticus durch Infision dieses Gangs. Arch. f. klin. Chir. Bd. 48.
Heft 3. (Chir. Kongr. 1894) und Berl. klin. Wochenschr. 1894. p. 536.
8) Neue Erfahrungen auf dem Gebiete der Gallensteinchirurgie.
Berliner Klinik. Heft 78. Dez. 1894.
9) Zur Chirurgie der Gallensteinkrankheit. Deutsche Zeitschr. f.
Chir. 38. Bd. p. 321. . 1894.
10) Zur Chirurgie der Gallensteinkrankheit. Berl. klin. Wochen-
schrift. 1893. Nr. 2.
11) Über einen durch ideale Cholecystotomie geheilten Fall von
Schussverletzung der Gallenblase. Ctrbl. f. Chir. 1892. Nr. 31.
12) Operativer Beitrag zum Aufsatz des Herrn Dr. Hochhaus
in Nr. 17 dieser Wochenschrift. Über Magenerweiterung und Duodenal-
stenose. Berl. klin. Wochenschr. 1891. Nr. 22.
13) Zur Chirurgie der Gallenblase. Vortrag, geh. im Ärzte- Verein
des Reg.-Bez. Magdeburg. 20. Okt. 1891..
— 44() —
14) Anleitung zur Erle:nung der Diagnostik der einzelnen Formen
der Gallensteinkrankheit. Berlin 1899. Fischer's med. Verlag. Von
W. W. Seymour in die englische Sprache übersetzt. Philadelphia.
P. Blakiston's Son & Co. 1901.
15) Die Verletzungen und chirurgischen Erkrankungen der Leber,
der Gallenwege und der Milz. Handbuch der praktischen Chirurgie
von V. Bergmann, v. Bruns, v. Mikulicz. Ferd. Enke. Stuttgart.
16) Wie gross ist heute di^Mortalität nach Gallensteiuoperationen?
Münch. med. Wochenschrift. Nr. 23. 1901.
17} Wie verhält es sich mit den Recidiven nach unseren Gallen-
Steinoperationen? Archiv f. klin. Chir. 61. Band. Heft 2.
18) Über Rezidive nach Gallensleinoperationen. Berliner Klinik.
Heft 148. Berlin. Okt. 1900.
19) Die chirurgische Behandlung der Gallensieinkrankheit.
Deutsche Klinik von v. L e y d e n. Berlin. Urban und Schwarzen-
berg 1901.
20) Eine seltene Anomalie der Gallengänge. Münch. med. Wochen-
schrift. Nr. 6. 1902.
21) Ein Rückblick auf 720 Gallensteinlaparotomien unter be-
sonderer Berücksichtigung von 90 Hepaticusdrainagen. Münch. med.
Wochenschrift. 1902. Nr. 41, 42, 43. '
22) Über den plastischen Verschluss von Defekten der Chole-
dochuswand durch Netzstüoke und durch Serosa- Muscularislappen aus
Magen oder Gallenblase. Arch. für klin. Chir. Bd. 67. Heft 4.
23) Beiträge zur Bauchchirurgie von Kehr, Berger und Welp.
Berlin. Fischer's med. Verlag. 1902. (Casuististik von 84 Gallenstein-
laparotomien.)
24) Beiträge zur Bauchchirurgie. Neue Folge. Von Kehr,
Berger und Welp. Berlin. Fischer's med. Verlag. 1902. (Casuistik
von 95 Gallensteinlaparotomien.)
25) Zwölfter Jahresbericht der Kehr' sehen Privatklinik. 1902.
Guben. Albert Koenig. (Über gleichzeitige Erkrankungen der Gallen-
blase imd des Wurmfortsatzes.)
26) Über einen Fall von ausgedehnter Resektion des Ductus
choledochus und hepaticus wegen Carcinoma choledochi mit nach-
folgender Ectomie der Gallenblase und Hepatico -Duodenostomie.
Münch. med. Wochenschrift. 1903. Nr. 3.
27) Die Verwendung der Gelatine zur Stillung cholämischer
Blutungen nach Operationen am Gallensystem' nebst Bemerkungen
über Popp e rt's wasserdichte Drainage der Gallenblase. Münch. med.
Wochenschrifr. 1900. Nr. 6 u. 7.
28) In welchen Punkten ich von Riodol's Ansichten über
Gallensteinchirurgie abweiche? Münch. med. Wochenschr. Nr. 16
und 17. 1903."
29) Zur Richtigstellung. (Antwort auf Fink's Arbeit: Zu
Riedel's und Kehr 's Ansichten über Path. u. Therapie des Gallen-
steinleidens.) Wiener klin. Wochenschr. 1903. Nr. 34.
— 447 —
30) Der erste Fall von erfolgreicher Unterbindung der Art. hepa-
tica propria wegen Aneurysma. Münch. med. Wochenschrift 1903.
Nr. 43.
31) Die Chirurg. Behandlung des akuten und chronischen Chole-
dochusverschlusses durch Stein und Tumor. Münch. med. Wochen-
schrift. 1903. Nr. 22.
32) Dr. Berger: Die Hepaticusdrainage. Arch. f. kl in. Chir.
69. Band. p. 299. (Festschrift für von Esmarch). 1903.
33j Derselbe: Trauma und Cholelithiasis. 12. Jahresbericht der
Kehr 'sehen Privatklinik. 1902. Verlag von Albert Koenig. Guben.)
34) Derselbe: Ergebnis bakteriologischer Untersuchungen der bei
und nach Gallensteinoporationen gewonnenen Galle. Beitr. zur Bauch-
chirurgie von Kehr, Berger, Welp. Berlin. Fischer's med. Ver-
lag. 1901.
35) Dr. Herbst: Pankreatitis chronica iuterstitialisoderPankreas-
carcinom? (12. Jahresbericht der Kehr 'sehen Privatklinik. 1902.
Verlag von Albert Koenig. Guben.)
36) Kehr: Über fünf neue Operationen an Gallensystem und
Leber. (Chirurgen-Kongress Berlin 1904).
a) Aneurysma der Art. hepatica;
b) Hepato-Cholangio-Enterostomie;
c) Resektion des Ductus choledochus;
d) Einpflanzung eines Fistelgangs einer Pankreascyste in die
Gallenblase mit nachfolgender Cholecysto- Gastrostomie.
e) Über die Beseitigung eines Duodenaldefektes durch völlige
Durchtrennung des Duodenum, Verschliessung beider
Darmlumina und nachf'olgende Gastroenterostomie.
37) Dr. Prätori US : Zur Chrurgie des Pankreas (wird dem-
nächst erscheinen).
38) Kehr: Die Choledochusfege. Zentralblatt für Chir. 1904.
Nr. 28.
39) Derselbe: Über die von mir an Waldeck- Rousseau vor-
genommene Operation. Deutsche med. Wochenschrift 1904. Nr. 35.
40) Derselbe: Ber?V3ht über 137 Gallensteinlaparotomien aus dem
letzten Jahre. (6. 10. 1902 bis 6. 10. 1903.) München, J. F. Lehmann 1904.
Tafel 1.
LymphdKlse
am Cboledochus
Ductus cysticus
Lymphdrüse
am Cysticus
Gallenblabe
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Gallenblase und Gallengänge.
Das Gallünsystem ist durch den Wellenschnitt freigelegt. Der Teil der Leber,
welcher die Gallenblase und die Gallengänge bedeckt, ist fortgelassen. Die
Gebilde an der Leberpforte sind durch teilweise Entfernung des kleinen Netzes
(lig. hepato-duodenale) freigelegt. Die Zeichnung ist von mir selbst nach der
Natur und unter Anlehnung an Fig. 111 des Atlas der topographischen Anatomie
des Menschen von Prohse (Bardeleben und Haeckel) Jena 1901 entworfen.
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Ductus
choledochus
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hepaticae
Ductus
cysticus
lobus
Quadratus
vesica
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Leberpforte mit den Gefässen und Lymphdrüsen (die Vena cava inferior
ist der Länge nach aufgeschnitten).
(Aus Sobotta, Deskriptive Anatomie II.)
]
Tafel 4.
Pig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5,
Art. gastro-
diiodena]is
Die Anomalien der Arteria liepatica nacli Ha aal er.
(Arch. f. klin. Chir. 58. Band.)
Tafel 5.
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Die Tafeln 8 — 13 zeigen in natürlicher Grösse photogfraphische
Reproduktionen von einigen grösseren Gallensteinen, die
operativ durch mich entfernt wurden.
IL Teil.
Mit 24 schematischen Figuren im Text.
177 Kranken- und Operationsgeschichten,
durch welche die Technik der verschiedenen
Operationen am Gallensystem, die Abweich-
ungen im Verlauf und die bei der Nach-
behandlung notwendigen Massnahmen erläutert
werden sollen.
Inhalt des zweiten Teils.
Seite
A) Die Operationen an der Grallenblase 2
I. Die ideale Operation (Cystendyse) . 2
II. Die zweizeitige Cystostomie 7
III. Die einzeitige Cystostomie 14
a) Mit völliger Einnähung der Gallenblase in die Bauch-
wunde und gleichzeitiger Tamponade 14
b) Cystostomie mit nur teilweiser Einnähung der Gallen-
blase in die Bauchwunde und gleichzeitiger Tamponade 41
c) Cystostomie nach Ablösung der Gallenblase von der
Leber .... - 49
d) Das Schlauchverfahren nach Kehr, die wasserdichte
Drainage nach Poppert 51
IV. Die Lösung von Verwachsungen an der Gallenblase als
selbständige Operation 60
V. Die primäre Cholecystectomie 62
a) Mit Unterbindung des ductus cysticus 62
b) Ectomie mit Drainage des ductus cysticus .... 99
c) Ectomie mit gleichzeitigen Operationen an Magen,
Darm und Leber 100
d) Ectomie wegen Carcinom (Leberresektion) .... 121
"VI. Die sekundäre Cholecystectomie 129
VII. Die Kesektion der Gallenblase 138
VIII. Der Verschluss kompleter Gallenfisteln 142
B) Die Operationen am dnctns cysticns 153
I. Die Cysticolithotripsie 153
II. Die primäre Cysticotomie (kombiniert mit Cystostomie) 155
III. Die sekundäre Cysticotomie 163
IV. Die Cysticectomie 166
C) Die Operationen am dnctns clioledoclius 173
I. Die Choledocholithotripsie 173
II. Die Choledochotomie mit Naht 175
a) Die primäre Choledochotomie mit Naht 175
b) Die sekundäre Choledochoiomie mit Naht .... 183
IV
Seite
III. DieCholedochotomieohneNahtunddieHepaticusdrainage 187
1. Die primärr Hepaticusdrainage 187
a) mit Cystostomie 187
b) Hepaticusdrainage mit Ectomie 189
c) Hepaticusdrainage mit Cydticotomie und Ectomie 222
d) Hepaticusdrainage ohne Inangriffnahme der Gallen-
blase 254
e) Hepaticusdrainage mit Resection der Gallenblase 262
f) Hepaticusdrainage unter gleichzeitiger Vornahme
operativer Eingriffe an Magen, Darm, Appendix etc. 264
g) Das Verfahren nach Rose-Kuhn 287
b) Die Drainage des ductus hepaticus und des ductus
choledochus ■ 290
i) Die Drainage des ductus hepaticus und des ductus
choledochus durch die Papille hindurch bis in das
Duodenum 296
2. Die sekundäre Hepaticusdrainage 307
3. Die transduodenale Choledochotomie 310
4. Die retroduodenale Choledochotomie 315
IV. Die Resektion des ductus choledochus 318
D) Die Operationen am dactns Iiepaticns 338
E) Die Anastomosen zwischen Galiensystem nnd Intestinis . . 342
I. Die äusseren Anastomosen ... 342
a) Die Cysto-Gastrostomie 342
b) Die Cysto-Enterostomie 348
c) Die Cystico-Gastrostomie 351
d) Die Choledocho-Duodenostomia externa 355
II. Die Choledocho-Duodenostomia interna 361
F) Laparotomien bei gleichzeitiger, dnrcli Cholelitliiasis bedingter
intraperitonealer Eiterung , 382
IL Teil.
Ich hatte ursprünglich die Absicht, meine sämtlichen
900 Krankengeschichten in dem II. Teil der „Technik der
Gallensteinoperationen " zu veröffentlichen. Aber bald sah ich
ein, dass das unzweckmässig sei, denn 1. wäre der II. Teil
viel zu umfangreich geworden, und 2. hätte ich zu viele ein-
fache und typische Fälle mitteilen müssen. Ich beschränke
mich also darauf, für jede Operationsmethode nur eine Kranken-
geschichte zu bringen, die als Typus gelten kann. Die übrigen
sind atypische Fälle, und das sind natürlich die wichtigeren.
Sie sollen gewissermassen als Belege die mannigfaltigen Ver-
laufsarten während und nach der Operation erläutern. Im
Texte des ersten Teils ist durch Zahlen auf diese Kranken-
geschichten hingewiesen, so dass dem Leser es leicht gemacht
wird, sich rasch über die Einzelheiten der Operation zu orien-
tieren. Viele (lieser Krankengeschichten sind noch nicht ver-
öffentlicht, die meisten sind den Jahresberichten meiner
Klinik, welche nur in die Hände weniger Ärzte gelangen, ent-
nommen. In den angeführten Epicrisen wird kurz auf die Be-
sonderheiten der einzelnen Fälle hingewiesen. Was an den
einzelnen Krankengeschichten mir besonders wichtig erschien,
ist durch fetten Druck kenntlich gemacht. Doch wird es
nicht schaden, wenn der Leser auch dem übrigen Teil der
Krankengeschichte seine Aufmerksamkeit zuwendet: aus der
Anamnese lernt man die Symptomatologie der Cholelithiasis,
aus dem Operationsbefund die Pathologie; und viele inter-
essante Einzelheiten sind fast in jedem Fall vorhanden, welche
zur Klärung so mancher wichtigen Frage beitragen können.
Ich möchte deshalb das Studium der Krankengeschichten dem
Leser warm empfehlen.
Kehr. Technik der Gallensteinoperationen.
A) Die Operationen an der Gallenblase.
I. Die ideale Operation (Cystendyse).
An der Spitze der Operationsmethoden marschiert die
Cystei;dyse, weil sie das einfachste Verfahren an der Gallen-
blase darstellt. Dass sie von rechtswegen an die allerletzte
Stelle gehörte, resp. überhaupt nicht verdiente, angeführt zu
werden, habe ich bereits im I. Teil ausführlich begründet.
Ich gebe hier meine allererste Gallensteinoperation wieder,
die ich am 22. 5. 1890 — also vor nunmehr 14 Jahren — aus-
geführt habe. Es handelte sich um eine Cystend^'se in Ver-
bindung mit Loreta's divulsio pylori.
Nr. 1. A. B., 28j. Fräulein aus Halberstadt.
Aufgen.: 20. 5. 1890.
Operiert: 22. 5. 1890. Cystendyse. Divulsio pylori.
Entlassen: 22. 6. 1890. Geheilt.
Anamnese: Im November 1889 litt Patientin angeblich an In-
fluenza, seitdem an fortwährendem Erbrechen nach jeder eingenom-
menen Mahlzeit, nur dünne Suppen, in geringen Mengen genossen,
behielt sie bei sich. Sie gab an, niemals ernstlich krank gewesen zu
sein, und hatte — darauf kam es hier besonders an — niemals Ikterus
und Gallensteinkoliken gehabt. Sie hatte trotz des Erbrechens keine
Appetitstörung, sondern immer Hunger. Der Stuhlgang war meist
retardiert und nur durch Laxantien zu bewirken. Eine ausserordent-
liche Abmagerung — das Gewicht der Pat. war in einem halben Jahr
von 110 auf 80 Pfund herabgesunken — gab ibr ein erschreckendes
Aussehen.
Befund: Hochgradige Magenectasie; im rechten Mesogaslrium
eine faustgrosse, wenig bewegliche, harte Geschwulst, die als Neu-
bildung des Pylorus ventriculi imponieren musste. Die Curvaturen
des Magens hoben sich durch die mageren Bauchdecken scharf ab,
die grosse Ourvatur reichte in der Linea alba last bis in die Mitte
zwischen Nabel und Symphyse. Deutliches Succussionsgeräusch.
Diagnose: Pylorusstenose, wahrscheinlich carcinomatöser Natur.
Operation: 22. 5. 1890. Eröffnung der Baucl^öhle in der Mittel-
linie durch einen Schnitt vom Processus xiphoideus bis unterhalb des
Nabels. Der Magen reichte mit dem Pylorus bis in das rechte Meso-
— 3 —
gastriuin, wo er in der Gegend der Gallenblase adhärent war. Am
Pylorus fand sich eine last faustgrosse Geschwulst, die durch ihre
Consistenz und Farbe sich deutlich in 2 Teile schied. Der eine Teil,
mehr nach rechts gelegen, fühlte sich hart an imd war weniger dunkel
gefärbt wie der andere Teil des Tumors, der mehr fleischige Konsistenz
zeigte. Die harte Geschwulst, die an der Hinterfläche der Leber nach
oben zog, musste der Lage nach die Gallenblase und der Härte nach
mit Steinen angefüllt sein. Die andere Geschwulst gehörte dem Pylorus
selbst an. Dieser konnte entweder eine Neubildung in sich bergen
oder rausste allgemein hypertrophisch verdickt sein. Beide Geschwülste
waren so eng und so flächenhaft mit einander verwachsen, dass von
einer Isolierung derselben nicht die Rede sein konnte. Es war mir
also wahrscheinlich, dass irgend ein entzündlicher Prozess die mit
Steinen angefüllte Gallenblase an den Anfangsteil des Duodenums
fixiert hatte, dass es dann zu einer Abknickung desselben gekommen
war, so dass die Folgezustände, Hypertrophie der Pylorusrauskulatur
und Magoiidilatation nicht ausbleiben konnten.
Eine Totalexstirpation der Gallenblase war wegen der innigen
Verwachsungen nach allen Seiten hin ausserordentlich schwierig und
fast unmöglich, deshalb Cholecystotomie. Ich spaltete die Gallen-
blase an der mir zugänglichsten Stelle durch einen 2 cm langen, senk-
rechten Schnitt und fixierte sofort die beiden Wundränder durch je
eine dicke Fadenschlinge, entfernte nun teils mit der Kornzange, teils
durch Fingerdruck von unten her 14 mittelgrosse Gallensteine, legte
einen Jodoformtampon in die Gallenblase ein, zog die beiden Faden-
schlingen provisorisch zusam-men und wandte mich nun dem steno-
sierten Duodenum zu. Wäre die Totalexstirpation der Gallenblase,
resp. die Lösung der Adhäsionen möglich gewesen, so hätte man sich
und der Pat. vielleicht einen Eingriff am Duodenum, resp. Pylorus er-
sparen können: die Passage durch denselben hätte sich dann mög-
licherweise von allein wieder hergestellt. Aber das war eine unsichere
Sache ; es kam mir vor allen Dingen darauf an, den Pylorus sofort
wieder durchgängig zu machen, sonst konnte man gewiss sein, dass
die an und für sich hinfällige Pat., durch den blutigen Eingriff noch
mehr geschwächt, sich nicht wieder erholt hätte. Noch ein weilerer
Grund veranlasste mich zur Eröffnung des Duodenums zu schreiten:
denn wenn ich auch annahm, dass es sich um eine einfache Hyper-
trophie des Pylorus handele, so war die MtJglichkeit nicht von der
Hand zu weisen, dass doch eine Neubildung im Pylorus vorlag. Um
mich davon einerseits zu vergewissern und andererseits die Stenose
schleunigst zu beseitigen, eröffnete ich das Duodenum durch einen
Längsschnitt bis in den Pylorus und fand dessen Muskularis bis zu l cm
verdickt. Ich führte den Zeigefinger ein und kam nur mit Mühe durch
die strikt urierte Stelle dos Duodenums hindurch; den Eingang zum
Magen konnte ich mit dem Finger nicht erzwingen, er war so eng,
dass sich kaum eine Uterussonde durch den Pylorus in den Magen
einschieben Hess. Nur ganz allmählich durch Einführen von Korn-
zangen und durch Dehnen mit den Fingern gelang es mir, zugleich
1*
_ 4 —
mit Mittel- und Zeigefinger in den Magen eingehen zu können. Nun
konnte icli mich davon überzeugen, dass es sich um eine einfache
Hypertrophie handelte, von einer Narbe, einem Geschwür, oder einer
Neubildung war nichts zu linden. Aus dem Magen, der vor der
Operation auf das Sorgfältigste entleert war, floss kein Inhalt heraus;
der in das Duodenum eingeführte Finger wurde mit hellgelber Galle
gefärbt.
Das Verfahren der manuellen Dilatation von Pylorusstenosen hat
Loreta in Bologna angegeben, nur erweitert derselbe die Stenose
vom Magen aus.
Nach dieser gehörigen Dehnung des strikturierten Duodenums
und hypertrophierten Pylorus schritt ich zur Naht der Darmwunde
durch 12 Nähte nach Czerny. Nach demselben Pi'inzip schloss ich die
Gallenblase nnd versenkte sie. Ich führte also die sogen, ideale Chole-
cystostomle aus, zn der ich mich deshalb entsehliessen konnte, »eil
ich erstens gesunde (Jallenblasenwandungeu vor mir hatte und weil
ich zweitens weder im Cysticns noch im Choledochus einen Stein fühlte.
Nach genauer Revision des Operationsfeldes wurde die Bauch-
wunde durch tiefe und oberflächliche Nähte vereinigt, und dann der
Verband angelegt. Die Operation hatte 2^* Stunde gedauert und war
ohne erhebliche Zwischenfälle von Statten gegangen.
Verlauf: Vollkommen reaktionslos. Fat. hat nie gefiebert
und nie wieder gebrochen. Ich bin natürlich mit der Ernährung
in der ersten Zeit sehr vorsichtig gewesen, aber gleich nach dem
ersten Teller Mehlsuppe gab die Fat. an, dass sie das Gefühl habe,
als ob alles ,, besser rutsche." Die Magenerweiterung bildete sich
sehr rasch — man könnte sagen acut — zurück. Schon nach 3 Wochen
konnte die Kranke fast alles essen: die Bauchwunde war unter einem
Verband per primam geheilt. 4 Wochen nach der Operation wurde
die Fat. aus meiner Klinik entlassen. Sie erholte sich ausserordentlich
rasch und wiegt jetzt nach 14 Jahren 120 Ff und, sie hat also 40 Pfund
zugenommen. Ich habe mich erst in diesen Tagen von ihrem blühen-
den Aussehen und ihrer vollkommenen Gesundheit überzeugen können.
Epicrise: Man ersieht aus dem Mitgeteilten, wie merk-
würdig in jeder Beziehung dieser Fall ist. Wir erfahren aus
der Anamnese nichts, was auf Gallensteine hindeuten könnte:
es ist weder Ikterus noch Gallensteinkolik dagewesen.
Wie die Anamnese so konnte auch die Untersuchung niemals
den Verdacht auf Gallensteine lenken. Ich fand eine hoch-
gradige Magenerweiterung in Folge einer Pylorusgeschwulst.
und als ich den Magen mit Luft anfüllte, gingen die beiden
Curvaturen direkt in die Geschwulst über. Ob die Unter-
suchung des Mageninhalts, welche bei der nach rascher Abhilfe
drängenden Pat. leider versäumt wurde, bei der Stellung der
Diagnose etwas genützt hätte, möchte ich nicht entscheiden :
— 5 —
der gefundene Tumor verlangte auf jeden Fall gebieterisch
einen sofortigen blutigen Eingriff.
Dass die Diagnose der Geschwülste in abdomine überhaupt
und besonders der Nachweis ihres Ausgangspunktes gar oft recht
schwer, ja manchmal ganz unmöglich ist, ist zur Genüge be-
kannt. Für solche Fälle bleibt uns der Probeschnitt, der erst
in den letzten Jahren zu seiner Geltung gekommen ist. In
diesem Falle glaube ich ganz bestimmt, dass nur die proba-
torische Laparotomie das Dunkel der Diagnose lichten konnte,
und es war selbst nach weiter Eröffnung der Bauchhöhle und
nach klarer Freilegung der Verhältnisse nicht ganz leicht, sich
sofort eine richtige Vorstellung von der Sachlage zu machen.
Auch die Aetiologie des Falles hat ihre Merkwürdigkeiten.
Wenn ich zwar die Meinung vertrete, dass durch den Reiz der
Gallensteine die Gallenblase an den Anfangsteil des Duodenums
fixiert wurde, so dass es zu einer Knickung und Strikturierung
desselben mit consecutiver Pylorushypertrophie und Magen-
dilatation kam, so gebe ich gern zu, dass auch andere Möglich-
keiten nicht von der Hand gewiesen werden können. So konnte
z. B. das Mädchen ein Duodenalgeschw'ür gehabt haben, das ja
nicht selten ohne irgend welche Symptome verläuft; von diesem
Geschwür konnte die Entzündung, welche dann die Gallenblase
an das Duodenum fixierte, ausgegangen sein. Es konnten dann
beide Momente an der Pylorusstenose schuld sein, die Abknickung
durch die Verwachsungen, als auch das zur Narbe gewordene
Geschwür. Aber ich fand bei der Operation weder ein Geschwür
noch eine Narbe und halte somit die obige Ansicht für die
richtige.
Der Fall ist endlich für den inneren Arzt wie für den
Chirurgen eine Mahnung, selbst in den verzweifeltsten Fällen
die Hände nicht müssig in den Schoss zu legen. Bei der auf
Pyloruscarcinom gestellten Diagnose — und soviel ich weiss,
haben alle Kollegen, die die Pat. vor mir behandelt haben,
den Fall so gedeutet — hätte vielleicht mancher Arzt wegen
der traurigen Resultate in der chirurgischen Therapie dieser
Krankheit die Pat. ihrem Schicksal überlassen oder hätte wo-
möglich gar von einer Operation abgeraten. Dann wäre sie an
einem Leiden zu Grunde gegangen, dem, wie wir gesehen haben,
nicht allzu schwer abzuhelfen war. In solchen Fällen ist —
ich wiederhole das noch einmal mit allem Nachdruck — die
probatorische Laparotomie nicht nur erlaubt, sondern geradezu
Pflicht des Arztes. Dieser Fall war, wie gesagt, meine erste
Gallensteinoperation. Heute würde ich wahrscheinlich die
Ectomie und Gastroenterostomie gemacht haben, damals nahm
ich 2 Operationen vor, die ich jetzt — 14 Jahre später — als
falsch bezeichne. Damals hatte ich einen guten Erfolg. Gb
ich heute mit Ectomie und Gastroenterostomie ebenso glücklich
sein würde. Wer weiss?
Nr. 2. A K., 28 j. Köchin aus Blankeuburg.
Aufgen.: 13. 8. 1901.
Operiert: 15. 3. 1901. Appendicectomie. Cystendyse.
7. 5. 1901. Cystostomie. Hepatopexie.
Entlassen: 30. 6. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. war immer gesund. Seit einigen Jahren hatte
sie öfters Anfälle von Völle und Druckgefühl in der Oberbauchgegend
mit Übelkeit, aber ohne Erbrechen. Ende Dezember 1900 erkrankte
sie mit Erbrechen und Schmerzen rechts oberhalb des Nabels, sie
hatte Fieber bis 39" C, der Stuhl, der auch sonst träge gewesen war,
war angehalten und wurde durch Einlaufe hervorgerufen. Nach an-
fänglicher Besserung verschlimmerte sich ihr Zustand noch einmal, im
ganzen lag sie 6 Wochen zu Bett. Seitdem hat sie dauernd Beschwer-
den in der Blinddarmgegend, Schmerzen bei Bewegungen und beim
Stuhlgang. Herr Dr. Lüddecke riet ihr zur Operatioo.
Befund: Gracil gebautes Mädchen in massigem Ernährungs-
zustand, Herz und Lungen gesund, Puls und Temp. normal, Urin frei,
Leib flach, weich, oberhalb der Blinddarmgegend fühlt man einen
wurstförmigen Tumor. Gallenblasengegend frei von Schmerzen.
Diagnose: Chron. Appendicitis.
Operation: 15.3.1901. Längsschnitt am äusseren Rand des musc.
rect. abci. Appendix verdickt, verwachsen, enthält Eiter. Heraus-
geschnitten zeigt sie eine verheilte Perforationsstelle. Lateral vom
Coecum eingedickter Eiter. In der nicht verwachseneu Gallenblase
ein haselnussgrosser Cholestearinstein. Cystendyse. Fäden werden
lang gelassen. Tamponade nach Yersorgnng des Appeiidixstnnipfes.
Daqer der Operation */« Stunde. Essiglappen auf den Mund.
Verlauf: Fieberfrei.
29. 3. Verband-Wechsel. Entfernung der Tampons und der Fäden
an der Gallenblase, sowie der Nähte.
22. 4. Pat. klagt über Schmerzen in der Magengrnbe, hat keinen
Appetit, Sohwindelgefühl. Der Anfall geht bald vorüber. Ebenso
25. 4. und 27. 4.
1. 5. Heute wieder ein Anfall, nach Morphium geht er vorüber.
Die Schmerzen beginnen in der Galleublasengegend, ziehen zum Kücken,
strahlen anch znr Brnst, Beklemmung, Schwindelgefiihl.
— 7 -
4. 5. Pat. hat heute Nacht heftige Schmerzen gehabt, morgens
zeigte sich der Verband gallig durchtränkt.
Vorband -Wechsel. Auskratzung der entstandenen Fistel, die
Sonde dringt mit einiger Schwierigkeit in die Gallenblase ein. Ein
Stein ist nicht zu tasten. Ausspülung. Verband.
6. 5. Wieder Galle im Verband. Wechsel. Keine Galle im Ver-
band. Wieder Koliken.
Operation: 7. 5. 1901. Leberrandschnitt, lateral bis zur Fistel.
Leber mit perlt, pariet. verwachsen. Gallenblase gross, sehr wandrer-
dickt, enthält schmierige dicke, stinkende Galle, keine Steine. Drainage,
nachdem die Leber mit 4 Suturen (Draht) am Perit. pariet. fixiert ist.
Tamponade. Dauer der Operation '/4 Stunden.
Verlauf: Fieberfrei.
12. 5. Abführen. 22: 5. Verband -Wechsel. Herausnahme der
Tampons, Fäden und Nähte. 26. 5. Steht auf. Täglich Verband-
wechsel.
1. 6. Alle 2—8 Tage Verbandwechsel.
Bis 15. 6. desgleichen.
30. 6. Geheilt.
Epicrise: Ich fand bei der Resektion des proc. vermif.
einen grossen Stein in der Gallenblase, den ich herausschnitt,
da ich den Bauchdeckenschnitt nicht zu verlängern brauchte
und die Operation höchstens um 10 Minuten verzögert wurde.
Da gar keine Spur von Entzündung in der Gallenblase sich
zeigte, vernähte ich die Oallenblasenincision und versenkte
das Organ.
Trotzdem ich die Fäden nur durch die Serosa und Mus-
cularis führte und dieselben lang Hess und später entfernte,
trat eine Infektion in der Gallenblase ein, und nun kam es erst
lecht zu Koliken.
Der Fall lehrt recht deutlich die Nachteile der Cysten-
djse, und obwohl ich so oft mich gegen diese Operation
ausgesprochen habe, bin ich doch wieder auf sie herein-
gefallen.
Von jetzt an weiss ich aber ganz genau: Eine Cysten-
dyse führe ich nie wieder aus.
II. Die zweizeitige Cystostomie.
Nr. 3. Dr. W., 44 j. Arzt aus Wilna.
Aufgen.: 12. 10. 1898.
Operiert: 16. 10. 1898. Zweizeitige Cystostomie.
Entlassen: 1. 12. 1898. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat als Student Lungenspitzenkatarrh, als
jüngerer Arzt eine Pleuritis exsudät. sinistra durchgemacht, beide sind
ausgeheilt.
Vor etwa 6 Jahren bekam Pat. häufig nach schweren fetten Speisen
krampfartige Schmerzen in der Magengegend, welche nach dem Rücken
ausstrahlten, selten von leichtem Erbrechen begleitet waren und von •
ihm als von einem Magenkatarrh ausgehend gedeutet wurden. Nicht
lange danach, vor ca. ö'/a Jahren setzte plötzlich ohne nachweisbare
Ursache ein typischer Gallensteinkolikanfall ein, der mit ileusartigen
Erscheiuungen einherging, so dass die Laparotomie in Frage gezogen
wurde. Heftige, krampfartige Schmerzen in der Lebergegend, reich-
liches Erbrechen, dabei aufgetriebener Leib und drei Tage lang Stuhl-
verstopfung; dazu Ikterus, der 2 Wochen anhielt, viel Gallenfarbstofl"
im Urin, grosse Prostation. Pat. hütete 5—6 Wochen das Bett; ging
dann nach Karlsbad. Nach der Karlsbader Kur eine Zeit lang Wohl-
befinden, dann stellten sich nach Diätfehlern wieder leichte Koliken
ein. Im folgendem Frühjahr wieder ein Anfall, fast so heftig wie der
erste — Pat. sucht wieder Hilfe in Karlsbad. 2 Monate nach der Rück-
kehr von dort erneuter heftiger Anfall mit Ikterus, Fieber u. s. w. In
der Folge traten nun in grösseren und kleineren Zwischenräumen An-
fälle auf, die in ihrer Intensität wechseln, teils mit, teils ohne Ikterus, meist
unter leichten Temperatursteigerungen. Pat. sucht nochmals Karls-
bad auf, findet dort jedesmal Linderung und ist mehrere Monate nach
der Kur beschwerdefrei,. Im Frühjahr 1898 trifft ihn während des Karls-
bader Aufenthaltes ein äusserst heftiger Anfall, dabei war zwar viel
Gallenfarbstoff im Urin, der Hautikterus aber sehr gering. In den
folgenden Monaten magerte Pat. beträchtlich ab, klagte fast dauernd
über dumpfe, bohrende Schmerzen in der Gallenblasengegend , welche
ihn sehr nervös machten und in Arbeits- und Leistungsfähigkeit be-
schränkten. Im letzten Juli warf ihn ein gewaltiger Anfall nieder;
derselbe setzte mit intensivem, l'/2 stündigem Schüttelfrost ein, die
Temperatur stieg auf 40**, hielt sich 3 Tage lang so hoch, Ikterus und
alle übrigen Symptome des typischen Kolikanfalls waren vorhanden.
Nach zweiwöchentlicher Bettruhe konnte Pat. wieder aufstehen, fühlte
sich aber matt imd hinfällig, unlustig zur Arbeit; trotz sorgfältigster
Diät plagten ihn ständig dumpfe, bohrende Schmerzen in der Gallen-
blasengegend.
Steine sind während der Erkrankung nicht gesucht worden. Ab-
gang solcher ist nie bemerkt.
Befund: Magerer blasser Mann. Etwas Arteriosclerose. Urin frei
von Eiweiss, Zucker und Gallenfarbstoff. Herz und Lungen gesund.
In der Gallenblasengegend geringe Resistenz. Kein Tumor, keine
Lebervergrösserung. Temperatur normal.
Die Diagnose wird auf geschrumpfte Gallenblase mit Steinen
gestellt. Adhäsionen.
Operation: 16. 10. 98. Dauer '/* Stunden. Keine gute Chloro-
formnarkose. Längsschnitt im rechten M. roct. abdom. Gallenblase
klein, geschrumpft, einige Adhäsionen mit dem Queroolon. leichte
- 9 -
Trennung. Cysticus frei, hier eine gesehwollene Drüse zu fühlen.
Excision wegen tiefer Lage und schlechter Narkose iiuniöglich, ebenso
l'ysiostoniie. Die seitlich von der Gallenblase gelegeneu Partien des
unteren Leberrandts werden, um die gelb verfärbte, 2 grosse Steine
enthaltende, uuerötfuete Gallenblase für einen weiteren Eingriff zu-
gänglich zu uiachen, mühsam mit dem Peritoneum parietale vernäht.
Dann Tamponade mit steriler Gaze an der Gallenblase entlang. Schluss
der übrigen Kauchhöhie.
Nach der Narkose in den ersten 24 Stunden viel Erbrechen bräun-
licher Massen (Blul). Kein Fieber, Puls 80, gut, kräftig. Abends 38" C.
in ano, Puls 80. Dasselbe wiederholt sich sehr häufig, so dass eine
Ausspülung des Magens mit 2proz. Sodalösung mit nachfolgender Spülung
einer 1 pM. Arg. nitricnmlösnng vorgenommen wird. Daneben Nähr-
klystiere mit Znsatz von Seeale cornnt. 0,5.
Das Bluterbrechen hielt ca. 3 Tage an und Hess dann nach häufiger
Ausspülung des Magens mit Eiswasser nach. Pat. hatte dann viel
unter Husten zu leiden, wobei ihn die Wunde schmerzte. Sonst war
der Verlauf fieberfrei. 10 Tage nach der Operation wurde nach Ent-
fernung der Tamponade die Gallenblase mit dem Messer eröffnet und
Eiter entleert. Ein ca. kirschgrosser Stein wird mit der Zange ent-
fernt, ein zweiter lag mehr in der Tiefe. Neue Ausstopfung der
Wunde. Am 1. 11. neuer Verband. Der zweite Stein kann erst ge-
fusst werden, nachdem mit einem Knopfmesser die mediale Wand der
Gallenblase gespalten ist. Es wird ein haselnussgrosser Stein heraus-
befördert. Darauf fliesst Galle in massigen Mengen. Am 5. 11. 98.
steht Pat. mit einem breiten Heftpflasterstreifen um den Bauch zum
1. Mal auf. Appetit und Stuhlgang in Ordnung, der Husten hat
nachgelassen. Immer normale Temperatur. Am 1. 12. mit fast ge-
schlossener Wunde in seine Heimat Wilna entlassen.
Epicrise: Der Fall ist dadurch interessant, dass nach
ganz leichter Operation sehr starkes Bluterbrechen eintrat,
welches unter geeigoeter Behandlung am 3. Tage authörte.
Nr. 4:. R. K., 37j. ßeamtenfrau aus Lodz (russ. Polen).
Aufgen.: 17. 9. 1901.
Operiert: I. 20. 9. 1901. Eröffnung der Bauchhöhle.
Tamponade. II. 4. 10. 1901. Cystostomie.
Entlassen: 30. 11. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat 2 Frühgeburten und 3 normale Entbindungen
durchgemacht. Sie war im allgemeinen gesund.
Vor ca. 10 Jahren hatte sie einen Anfall von Atemnot; dabei
traten Schmerzen im rechten Hypochondrium auf. Der Anfall ging
schnell vorüber. Doch litt Pat. danach längere Zeit an Magenbeschwer-
den, machte auch zu Hause eine Karlsbader Kur durch.
Im Winter 1896/7 hatte sie einen sehr heftigen Anfall von bohren-
den Schmerzen in der Lebergegend, die zum Rücken, zwischen die
— 10 -
Schulterblätter und in die rechte Schulter ausstrahlten, mit Atemnot,
Erbrechen. Ob F'ieber und Ikterus da waren, weiss Fat. nicht.
Danach hatte sie fast alle Tage nach dem Essen einen kleinen
Anfall, der auf heisse Umschläge schnell schwand.
Im Frühjahr 1897 war sie zum 1. Male in Karlsbad, dort hatte
sie anfangs leichte Schmerzen, dann fühlte sie sich wohl; nach Hause
zurückgekehrt war ihr Zustand bald wieder wie vorher. Seitdem war
sie jedes Jahr in Karlsbad, im ganzen 5 Mal, ihr Zustand blieb unver-
ändert, nur kamen in den letzten Jahren die Anfälle seltener aber
heftiger. Sie beobachtete danach in der letzten Zeit öfter Ikterus der
Konjunktiven. Der Urin war dunkelbraun, den Stuhl hat sie hin-
sichtlich der Farbe nicht betrachtet. Im letzten Winter sind mehrere
weiche Steine von über Erbsengrösse abgegangen.
Im letzten Winter hatte sie 2 grössere und mehrere kleinere An-
fälle. Sie kam bei grösseren Anfällen sehr herunter, erholte sich aber
schnell wieder.
Im Juni 1901 hatte sie wieder einen heftigeren Anfall, doch waren
die Schmerzen diesesmal anderer Art als bisher. Es waren mehr
dumpfe, bohrende und stechende Schmerzen im rechten Hypochondrium,
dabei hatte sie Erbrechen, Schüttelfröste, Temp. ist aber nicht ge-
messen worden, Ikterus der Konjunktiven, der Urin war dunkelbraun,
auf den Stuhl hat sie nicht geachtet. Der Anfall dauerte ca. 14 Tage.
Als sie sich erholt hatte, ging sie im August nach Karlsbad. Dort
hatte sie einen dem vorigen gleichen Anfall, der von ihrem behan-
delnden Arzt, Herrn Dr. Simon- Karlsbad, genau beobachtet wurde.
Aul Rat des Herrn Dr. Simon und ihres Bruders, des Herrn
Dr. Gärtner- Breslau, entschliesst sich Fat. zur Operation und kommt
hierher.
Befund: Frau in gutem Ernährungszustand, von blass-gelblicher
Gesichtsfarbe.
Leib mit reichlichem Fettpolster, weich. Befund bis auf leichte
Resistenz der Gallenblasengegend negativ. Augenblicklich keine
Schmerzen.
Urin frei von pathol. Bestandteilen. Temperatur und Puls normal.
D iagnose : Chron. recid. Cholecystitis, vielleicht Steine im Chole-
dochus (jetzt latent).
Operation: 20. 9. Ol. Schlechte Chloroform - Narkose. Wellen-
schnitt. Die Leber liegt sehr hoch, so dass es sehr schwer ist, an sie
heranzukommen. Die Gallenblase ist hochgradig geschrumpft, sie enthält
Steine, ebenso stecken Steine im Cysticus. Hepaticus und Choledochus
scheinen frei zu sein. Zwisc.iieii Hals der Galleublase nnd Duodenum besteht
eine feste Yerbindun^ (sicher bestellende oder in Entwicklung begri'i^-
fene Fistel, mit einem Stein). Bei der Unzui^ting^lichkeit der Gallen-
blase, zumal Pat. fortwährend presst, ist es nicht möglich, die Ectomie
zu machen. Cystoatomie mit Schlanchverfahren ist wegen des sicher
sehr infectiösen Inhalts der GallenlHase zu gefährlich, e.s wird deshalb
beschlossen, die (Operation /welzeitig auszuführen und rorläiifig durch
reichliche Tamponade der Weg zur Gallenblase offen gehalten.
— 11 —
Verlauf: 20. 9. Ol. Abends 37,8, Puls 80.
21. 9. Ol. 38,1, Puls 88. Etwas Chloroformerbrechen, seit gestern
Abend nicht mehr. Nachts Kollern im Leibe, Urin spontan. 88,1.
22. 9. Ol. 38,0, Puls 90. Blähungen im Gange. Normaler Ver-
lauf. 25. 9. Abführen.
I. 10. Ol. Fortgesetzt Klagen über Schmerzen in der Gallenblasen-
gegend. (Koliken?) Morphium.
4. 10. Ol. Entfernung der Tamponade. Gute Granulationen in dem
sehr tiefen Trichter. Abschluss nach der Bauchhöhle durch Ver-
klebungen überall sicher. Es gelingt mit vieler Mühe, die Oallen-
blasenknppe mit der Pnnktionsspitze zn treffeu, dann mit einem spitzou
Messer zu eröffnen. Entleerung trüber, mit Schleim gemischter Galle.
3 Steine mit der Koruzange entfernt. Spülung mit Kochsalzlösung.
Tamponade. Verband. Abends 38,8. Puls 90.
II. 10. Ol. Verbandwechsel. Es werden 4 kleine Steine entfernt.
14. 10. Ol. Verbandwechsel. Es wird ein grosser Stein mit der
Koruzange gefasst, derselbe geht dabei in Trümmer nnd wird stück-
weise entfernt, Galle fliesst ziemlich reichlich.
16. 10. Ol. Verbandwechsel. In der Tiefe ein Stein zn sondieren.
Derselbe kann nicht gefasst werden. Einlegen eines Laminariastiftes
in die Oallenblasenöffnung.
17. 10. Ol. Klagt über Rückenschmerzen. Verbandwechsel. Stift
wird herausgenommen. Bei Spülung der Gallenblase wieder 6 ca. kaffee-
bohnengrosse Steine herausgespült. Ein neuer Stift wird eingelegt.
Abends 37,4. Morphium.
18. 30. Ol. 38,6. Verbandwechsel. Ein kleiner, erbsengrosser
Stein. Tamponade ohne Stift.
Da Pat. äusserst empfindlich ist und sofort bei jeder Berührung
der Gallenblase spannt, so wird beschlossen, den heutigen Verband-
wechsel in Narkose vorzunehmen. Es werden schleimiger Eiter und
10 kleine Steine durch Spülung entleert. Tamponade.
28. 10. Ol. Fieberfreier Verlaut. Heute Verbandwechsel. Steine
nicht mehr zu sondieren^.
3. 11. Ol. Verbandwechsel. Gallenblase mit Mühe zu spülen.
Es wird ein kleiner Stein herausgespült. Sonde findet keine Steine weiter.
7. 11. Ol. Verbandwechsel. Es wird wieder ein Steinchen heraus-
gespült.
21. 11. Ol. Seit dem 7. 11. sind keine Steine mehr herausgespiilt
worden. Einige Tage nachher yersiecht der Crallenfluss. Wunde jetzt
durch Granulation wesentlich verkleinert, in der Tiefe geschlossen.
Pat. ist völlig wohl und ausser Bett.
30. 11. Ol. Wird mit kleiner granulierender Wunde entlassen.
Ausgezeichnetes Allgemeinbefinden.
E p i c r i s e : Pat. war eine iieissige Besucherin von Karls-
bad. Aber es gelang dort nicht, die Latenz der Cholelithiasis
herbeizuführen. Deshalb redete auch Herr Dr. Simon sehr
zur Operation zu. Die Anamnese deutete auf eitrige Entzün-
— 12 —
düng in der Gallenblase hin, auch war es nicht ausgeschlossen,
dass der Choledochus Steine enthielt. Da der Befund zur Zeit
der Aufnahme völlig negativ war, konnte die Diagnose nur aus
der Vorgeschichte gestellt werden. Man fand , was man ver-
mutete, und bei der Unzugänglichkeit der Gallenblase und der
schlechten Narkose war man gezwungen, zweizeitig zu operieren.
Bei Frauen macht gewöhnlich die Freilegung des Gallensystems
gar keine Schwierigkeiten, bei Männern kommt es schon häufiger
vor, (Jass man Mühe hat, die Gallenblase dem Auge und der
Hand zugänglich zu, machen. Frauen, die geboren haben, haben
schlaffe Bauchdecken, sie leiden mehr oder weniger an Entero-
ptose resp. Hepatoptose, während Männer mit strafi'en Bauch-
decken dem Vordringen des Chirurgen auf Cysticus und Chole-
dochus grosse Hindernisse in den Weglegen. Zwar gibt der von mir
geübte Schnitt, den ich sehr empfehlen mochte, einen ausgezeichne-
ten Überblick über das Gallensystem. Aber trotz bester Freilegung
ist besonders bei fetten Personen die Orientierung am Gallensystem
oft so schwierig, dass es ganz unmöglich ist, in einer Sitzung fertig
zu werden. Die Kippenresektion nach Lannelongue kompliziert
den Eingriff" bedeutend und verursacht störende Hernien. Quer-
und Schrägschnitte helfen nicht viel. So bleibt in der Tat nichts
Anderes übrig, als zweizeitig zu operieren. Da es nach 10 bis
14 Tagen schwer ist, in dem granulierenden Wundtrichter die
kleine geschrumpfte Gallenblase aufzufinden, empfiehlt Riedel
die Kuppe der Gallenblase durch einen schwarzen Faden zu
kennzeichnen. Das ist ganz praktisch, es kann einem aber
leicht passieren, dass man die Gallenblase ansticht, sodass in-
fektiöses Sekret ausfliesst. Sticht man aber zu oberfiächlich,
so findet man bei der zweiten Operation, dass der Faden sich
abgestossen hat- Ich mache mir in solchen Fällen nach der
Operation eine ganz genaue Skizze von dem Operationsterrain,
und so ist es mir dann immer geglückt, die Gallenblase wieder
zu finden und ohne grosse Schwierigkeiten zu eröff'nen. Ist
das geschehen, so ist die Einleguiig eines Laminariastiftes zu
empfehlen. Dabei darf man aber mit dem Morphium nicht
sparen , da derartige Manipulationen gewöhnlich recht viel
Schmerzen herbeiführen. Man sorge dalür, dass der Wiind-
trichter recht lange weit bleibt und überzeuge sicii bei jedem
Verbandwechsel mit der Sonde, ob noch Steine zurückgeblieben
sind. Nicht eher, als bis man sieht, dass die Galle ganz klar
abfliesst, lasse man die Wunde zuheilen.
— 13 —
Die zwischen Gallenblasenhals und Duodenum bestehende
sehr feste Verbindung deutete auf eine bereits vorhandene oder
in Entwicklung begriffene Gallenblasen-Duodenalfistel hin, ein
pathologischer Befnnd, der nicht selten ist.
Xr. 5. Frau P., 53 j., aus Husum.
Aufgen.: 26. 3. 1897.
Operiert: 29.3. 1897 und 10. 4. 1897. Zweiz. Cysto-
stomie.
Entlassen: 23. 5. 1897. Geheilt.
Anamnese: Pat., Mutter eines gesunden Kindes, will bis zum
Jahre 1866 vollständig gesund gewesen sein. Um diese Zeit erkrankte
sie an heftigen Magenkrämpfen, verbunden mit Erbrechen und Stuhlver-
stopfung. Diese Anfälle wiederholten sich in demselben Jahre noch
mehrere Male, dann blieb Pat. gesund bis zum Jahre 1889, wo besonders
heftige Koliken unter Abgang eines etwa erbsengrossen Gallensteines
sieh einstellten. Trotz des Steinabganges weitere Anfälle, die Pat.
zwangen, nach Karlsbad zu gehen. Eine 4 wöchentliche Kur brachte keine
Heilung. Beständiges Druckgefühl ohne eigentliche Kolik bis zum Jahre
1895, wo abermals unter den heftigsten Schmerzen zwei etwa haselnuss-
grosse Steine abgingen. Bei diesem Anfall zum ersten Male Ikterus. Da
eine Besserung trotz Anwendung der verschiedensten Mittel nicht
eintreten wollte, entschloss sich Pat. im März 1897 zur Operation,
nachdem sie in diesem Jahre noch eine besonders heftige Kolik, ver-
bunden mit Ikterus, aber ohne Steinabgang, durchgemacht hatte.
Befund: Sehr korpulente Dame von gesundem Aussehen.
Kein Ikterus. Herz und Lungenbefund normal. Leber und Milz
nicht vergrössert. In der Gallenblasengegend besteht starke Druck-
empfindliohkeit. Kein' tastbarer Tumor. Der Urin ist frei von Eiweiss,
Gallenfarbstoff und Zucker. Braungefärbter Stuhl. Kein Fieber, Puls
regelmässig, kräftig, 83 Schläge in der Minute.
Diagnose: Adhäsionen, Steine in der Gallenblase.
Operation am 29. 3. 97. Chloroformnarkose. Längsschnitt im
rechten Muse. rect. abdomin. Nach Eröffnung der Uanchhöhle zeigt
sich die kleine Leber hoch oben unter dem Rippenbogen liegend.
Die Gallenblase ist nicht sichtbar. Erst nach dem Lösen zahlreicher
fester Vernachsnngen, die rom Netz und Magen nach dem Fundas der
Gallenblase hinziehen, gelingt es, letztere zn fühlen. Beim Lösen der
Verwachsungen in der Bauchhöhle setzen Puls und Atmung des Öfteren
aus. Da der Puls andauernd sehr klein bleibt, entschliesst man sich
zur zweizeitigen Operation. Nachdem die Gallenblase unter grossen
Schwierigkeiten von Verwachsungen gelöst und sichtbar gemacht ist,
wird sie mit 2 Fäden an das Peritoneum parietale geheftet, darauf
ihre ganze Umgebung fest ausgestopft. In der Gallenblase selbst wurden
2 Steine gefühlt. Cysticus und Choledochus frei von Steinen. Teil-
weiser Schluss der Bauch wunde. Dauer der Operation l'/2 Stunde.
— 14 —
Verlauf: Pat. hat den Eingriff gut überstanden; es trat kein Fieber
ein, am 2. Tage post operat. spontaner Abgang von Blähungen. Nach
Ablauf von 12 Tagen, am 10. April 1897, wird zur Eröffnung: der Gallen-
blase geschritten, da nunmehr angenommen werden kann, dass die
Umgebung der Gallenblase sich nach der freien Bauchhöhle vai gut
abgeschlossen hat. Zunächst wird ohne Narkose der Versuch der
Incision gemacht; da diese sich aber bei der Unruhe der Pat. und der
ausserordentlichen Tiefe, in welcher die Gallenblase liegt, als unmög-
lich erweist, wird die Chloroformnarkose eingeleitet. Der rechte Rippen-
bogen wird durch scharfe Haken stark nach oben gezogen; in der
Tiefe wird die Gallenblase sichtbar. Punktion derselben: dabei ent-
leeren "sich etwa 50 com trübe Galle. Die Gallenblase wird nun durcli
Schnitt eröffnet; die eingeführte Sonde kommt auf einen Stein, e.s
gelingt denselben mit einer langen, gebogenen Kornzange zu fassen,
aber nicht zu extrahieren. In den Branchen der Zange finden sich
feine Steintrümmer. In die eröffnete Gallenblase wird ein langes Rohr
gelegt; dann Vorband, da wegen des kleinen Pulses eine längere Nar-
kose gefährlich erscheint.
Bei den nun folgenden Verbandwechseln werden teils durch Aus-
spülen der Gallenblase, teils mittelst Kornzange Steintrümmer entfernt.
Nach langen Bemühungen sind endlich alle Reste entfernt, in der
Gallenblase kein Stein mehr fühlbar. Es fliesst Galle, ein Beweis, dass
der Uuct. cystic. frei ist. Die Heilung schreitet nun ungestört fort,
so dass Pat, völlig geheilt am 23. 5. entlassen werden kann.
E p i c r i s e : In diesem Falle hatte man sich notgedrungen
zur zweizeitigen Operation entschliessen müssen, da die
Narkose so ausserordentlich schlecht vertragen wurde. Man
sieht aber aus dem sehr protahierten Krankheitsverlauf, w^e
schwer es gelingt, bei der zweizeitigen Cystostomie alle Steine
zu entfernen. Jedenfalls ist in den Fällen, wo es irgend an-
geht, die einzeitige Operation der zweizeitigen vorzuziehen.
Nur bei hochgradiger Schwäche des Pat. ist letztere indiziert.
III. Die einzeitige Cystostomie.
a) Mit völliger Einiiähung der Gallenblase in die
Bauch wunde.
Nr. ö. A. V., 40 j. Rechtsanwalt aus Neapel.
Aufgen.: 4. 10. 1903.
Operiert: 6. 10. 1903. Cystostomie.
Entlassen: 2. 11. 1903. Geheilt.
Anamnese: Bis zum 18. Lebensjahre gesund, damals trat ohne
Schmerzen 8 Tage anhaltender Ikterus auf, ohne Fieber; Stuhl und
Urin normal. Vom 20. bis 30. Jahre litt Pat. viel an schwerer Malaria
— 15 —
mit Darmblutungen im 28. Jahre (teilweise Quoditiana, die Blutungen
dauerten 4 Tage lang). Im Mai 1902 Anfall von dreistündigen heftigen
Magenschmerzen, welche 2 Monate lang anhaltende Rückenschmerzen
zurückliessen, dabei beständiger Brechreiz. Im September 1902 Schmer-
zen in der Gallenblasengegend, Brechen, kein Ikterus, Fieber bis 39,0.
Damals wurde eine Anschwellung der Gallenblase festgestellt. März
1903 machte Fat. eine Naunyn'sche Kur durch. Seit September 1903
besteht wieder dauernder Rückenschmerz, ab und zu Empfindlichkeit
der Gallenblase. Im Juli 1903 Karlsbader Kur; im Laufe der Zeit
leichte Besserung, Empfindlichkeit und Schwellung der Gallenblase
etwas geringer; Rückenschmerzen bestehen in leichtem Grade fort.
Gewichtsabnahme im letzten Jahre etwa 20 kg. Fat. kommt auf An-
raten des Frof. der Chirurgie und Gynäkologie Herrn C a b a 1 d i in
Napoli zur Operation in die Klinik.
. Befund: Grosser, sehr beweglicher, etwas druckempfindlicher
Tumor der Gallenblase. Kein Ikterus. Urin frei; Herz, Lunge gesund.
Diagnose: Hydrops vesicae felleae.
Operation: 9. 10. 03 in Gegenwart des Herrn Frof. Ca bald i-
Xeapel Wellenschnitt. Galleublase sehr gross, enthält ca. 200 gr. ganz
klare, wasserlielle Flüssigkeit und einen liaselnnssgrossen Solitär-
( holestearin - Stein von bester Krystallisation im Hals. Einige Ver-
wachsungen mit dem Netz werden gelöst. Cystostomie. Dauer der
Operation 35 Min. Gute SauerstofT-Chloroform-Narkose (45 gr.). Vorher
0,01 Morphium. Galle läuft sofort aus dem Rohr.
Glatter Verlauf.
Epicrise: Im Sept.. 1902 hatte Pat. eine fieberhafte
Cholecystitis durchgemacht. Trotzdem blieb nur ein steriler
Hydrops zurück. Der Wellenschnitt lässt in solchen Fällen ein
schnelles Herabdrücken der Steine im Gallenblasenhals zu,
während bei kleinem Schnitt das ziemlich schwierig ist. Eine
Cystostomie genügt'.
Nr. 7. 28 j. Pastorsfrau aus Strasburg, Westpr.
Aufgen.: 18. J. 1904.
Operiert: 15. 1. 1904. Cj^stostomie.
Entlassen: 17. 2. 1904. Mit Gallenfistel entlassen.
Die Anamnese stammt von dem behandelnden Arzte Herrn
Dr. Krause, Strasburg (Westpr.) und lautet:
„Frau Ffarrer D. hierselbst beabsichtigt, sich in Ihre Klinik am
Dienstag, den 12. d. M. aufnehmen zu lassen.
Dieselbe, 28 Jahre alt, erkrankte im Sommer 1902 an Magen-
schmerzen, welche ich damals trotz des negativen Befundes (keine
Schwellung, kein Ikterus) auf Gallensteine zurückführte. Eine Trink-
kur mit Karlsbader Mühlbrunnen schaffte bald Linderung und fühlte
sieh Fat. bald wieder ganz wohl.
Frau D. Hess mich am 25. Dezember 1903 wieder holen, gab an,
sie hätte vor ca. 10 Tagen schon einmal Schmerzen gehabt und klagte
- 16 -
gegenwärtig wieder über so heftige Beschwerden, dass ich eine Mor-
phiuminjektion machen musste. Der Befund war folgender:
Leber 2—3 Finger breit vergrössert, sehr prall gespannt und em-
pfindlich. Der Riedel'sche Lappen ragt fast bis zur Nabelhöhe herab.
Kein Ikterus. Abgang von Steinen nicht beobachtet.
Allmählich lassen Schwellung und Schmerzen nach, doch fühlt
man noch heute einen Tumor, der bis zum Nabel herabreicht und den
ich für die erweiterte Gallenblase halten möchte. Derselbe ist gegen
Druck und beim Verschieben mittelst bimanueller Untersuchung sehr
empfindlich. Stuhlgang angehalten, ist dunkel- bis gelbbraun. Steine
nicht gefunden. Urin frei von Gallenfarbstoff und li]iweiss. Tem-
peratur immer normal. Appetit und Allgemeinbefinden leidlich.
Da ich den Fall für geeignet zur Operation ansehe , erlaube ich
mir, die Pat. Ihnen zu übergeben.
Frau D. hat 5 Wochenbetten durchgemacht, sämtliche Kinder
leben".
Dazu bemerken wir noch :
Mutter der Pat. ist an Magen- und Leberkrebs, Vater an Para-
lysis agitans gestorben. 5 gesunde Kinder. Pat. ist im zweiten Monat
gravida. Bis auf die Kinderkrankheiten und Nierenentzündung nach
Scharlach ist Pat. immer gesund gewesen.
Im Juni 1902 kurz nach der Entbindung plötzlicher, dumpfer,
überwältigender Schmerz in der Lebergegend^ sodass Pat. beinahe ohn-
mächtig wurde. Das dauerte etwa einen halben Tag, dann fühlte sich
Pat. wieder wohl. Kein Ikterus, kein Erbrechen, ob Stuhl- oder Urin-
veränderungen vorlagen, ist nicht bekannt. Ein derartig typischer
Kolikanfall ist überhaupt nicht wieder aufgetreten. Schon seit fast
10 Jahren leidet Pat. an häufigen Aufstossen, oft Tage lang anhaltend.
Auch^ öftere leichte Magenbeschwerden, Druck, Widerwillen gegen
sauere Speisen und Fleisch. Aufregungen wirkten auch leicht auf den
Magen der Pat. Bei dem Schmerzanfall am 25. XII. 03 bestand deut-
liches Gürtelgefühl. Nie Fieber, keine Abmagerung, keine stärkere
Beeinträchtigung im Allgemeinbefinden.
Vor der Aufnahme: Nie Ikterus, einmal Lebersohwellung und
Gallenblasentumor.
Bei der Aufnahme: Kein Ikterus, keine Leberschwellung,
schmerzhafter Gallenblasentumor.
Befund: Am 13. 1. 04 sehr deutlicher, langgestreckter, harter
Tumor der Gallenblase, Leber nicht gross, kein Ikterus.
Am 15. 1. 04 Tumor bedeutend kleiner; selbst in der zwoks
Operation am 15. 1.04 eingeleiteten Narkose (Sauerstoff-Chloro-
form 70 gr.) kaum mehr nachweisbar. Grosse, aberschlaffe, sehr wand-
verdickte Gallenblase. Fundus spitz ausgezogen, mit Netz verwachsen.
Trennung. Der äus.serste Zipfel des Netzes etwas verfärbt, wird aligetrageii.
3 Unterbindungen. Gallenblase blaurot mit Fibrin belegt, wird punktiert.
Aspiration von 40 gr. Eiter. 30 Steine, davon 5 grosse, 1 walnussgross
(Schluss-Stein). Dieser lässt sicli leiclit fundusnärta drücken. Cysto
stomia totalis. Viel Pressen bei der Nurkose.
— 17 —
Dauer der Operation 50 Min. Aus dem Rohr fliesst Galle.
15. 1. 04: Befinden nach der Operation gut. Kein Erbrechen.
Galle läuft.
16. 1. 04: Blähungen gehen bereits spontan. Wenig Aufstossen.
20. 1. 04: Pat. führt ab.
28. 1. 04: Erster Verbandwechsel. Wunde per primam geheilt;
Entfernen sämtlicher Hautnähte , Drähte und langen Fäden. Beim
Ausspülen der Gallenblase werden noch 2 etwas über erbsengrosse grau-
weisse Steine entfernt.
31. 1. 04: Fat. steht auf.
I. 2. 04: In vergangener Nacht hat Fat. vorübergehend Magen-
drücken gehabt.
4 2.04: Letzte Nacht ein zweistündiger Anfall von Magenkrampf,
Fat. fühlt sich am Morgen ziemlich matt. Beim Verbinden zeigt sich,
dass noch ein erbsengrosser, kantiger Stein in der Galleublase steckt,
welcher heransgespfilt wird. Galle fliesst reichlich und klar. Im Urin
etwas Gallenfarbstoff.
5. 2. 04: Fat. fühlt sich wieder ganz wohl, bleibt heute noch zu Bett.
8. 2. 04: Täglich Vorbandwechsel; heute Verband sehr stark mit
Galle durchtränkt. Gestern Abend etwas Diarrhoe. Stuhl weiss. Zu-
sammenziehen der Wnndränder durch Heftpflasterstreifen.
9. 2. 04: Verband wieder sehr stark gallig durchtränkt. Stöpselang
der Gallenblase, um festzustellen, ob etwa ein Concrement in den
Choledochus geraten ist.
II. 2. 04: Galle läuft etwas weniger reichlich. Verbandwechsel.
12. 2. 04: Verband trocken; oflenbar hat die Stöpselnng einen
Sclileinipfropfen oder ein kleineres Concrement durch den Choledochus
getrieben.
13. 2. 04: Verband stark durch, wird gewechselt. Ausspülen der
Gallenblase, Abkratzen der Granulationen und Zusammenziehen durch
Heftpflaster - Streifen. Abends 39,4, nachmittags etwas Frost und
Schnupfen, anscheinend leichte Erkältung nach Spaziergang. 2 mal
Aspirin 1,0. Flüssige Kost.
14. 2. 04: 39,0— 39,'f. Verband trocken, bleibt liegen. Etwas Kopf-
schmerzen. Abends Aspirin.
15. 2. 04: Fieber wieder abgefallen, Fat. fühlt sich bis auf etwas
Mattigkeit und Appetitlosigkeit wieder ganz wohl. Verbandwechsel.
Gallenblasenfistel fast ganz geschlossen.
17. 2. 04: Verbandwechsel. Pat. wird mit massig laufender
GaUenfistel auf Wunsch entlassen.
Epicrise: Als Pat. in die Klinik kam, fand ich sofort
den vom Hausarzt konstatierten Tumor der Gallenblase. Auch
am nächsten Tage war er noch vorhanden. Am Tage der
Operation war er fast verschwunden (Ricinusöl — Wirkung I).
Die Gallenblase war in der Tat schlaff, aber trug noch alle
Zeichen der Entzündung, der flüssige Inhalt war zwar gering,
Kehr, Technik der GalleDBteinoperationen. 2
— 18 —
aber reiner Eiter. Der Cysticus war nach Beseitigung; der
Steine sofort offen. — Bei der Nachbehandlung- wurden durch
Ausspülen der Gallenblase noch einiofe Steine entfernt.
Nr. 8. E» Seh., 26 j. Direktorswitwe aus Halberstjadt.
Autgen.: 24. 9. 1901.
Operiert: 28. 9. 1901. Cystostomie.
Entlassen: 19. 11. 1901. Mit Gallenfistel entlassen.
^ Später geheilt
Anamnese: Pal. war immer gesund. Um Weihnachten 1898 im
Wochenbett hatte sie zum ersten Male einen schnell vorübergehenden
Schmerz in der Magengrube. Der Schmerz wiederholte sich etwa alle
3 Wochen und dauerte immer nur ein paar Minuten.
Im November— Dezember 1900 kamen zum ersten Male aus-
gesprochene Koliken, Schmerzen, in der Gallenblasengegend beginnend
und zum Rücken ziehend, Brustbeklemmung, kein Erbrechen, aber
Übelkeit und Würgen, Frost, danach leichter Ikterus der Conjunktiven.
Die Schmerzen kamen gewöhnlich nach dem Mittagessen und waren
am nächsten Morgen weg. Längere Zeit kamen die Anfälle täglich.
Im Januar — Februar war Pat. anfallsfrei. Im März ein schwerer Anfall
von 3—4 Tagen Dauer, dabei soll die Gallenblase geschwollen gewesen
sein. Pat. bekam Öleingiessungen, im Juni war sie 4 Wochen in Karls-
bad. Im August kam wieder ein zweitägiger Anfall, seitdem häuften
sich die Anfälle, kamen zeitweise täglich. Der letzte Anfall dauerte
vom 17. September bis jetzt. Pat. hat wieder Öleingiessungen be-
kommen, aber ohne Erfolg.
Urin und Stuhl zeigten nie Veränderungen. Der Stuhl war bei
den Anfällen angehalten, sonst regelmässig.
Auf Anraten des Herrn Dr. H. Müll er- Halberstadt kommt sie zur
Operation.
Befund: Frau in gutem Ernährungszustande. Leib flach, weich,
in der Lebergegend resistent, in der Gallenblasengegend druckempfind-
lich. Herz und Lungen gesund. Urin frei.
Diagnose: Recidivierende Cholecystitis. (Kürzlich überstandene
akute serös-eitrige Entzündung.)
Operation: 28. 9. Ol. Im Beisein des Herrn Dr. H. Müller-
Halberstadt. Sehr schlechte Chloroforiiinarkose. Fortwährendes Pressen
und Cyaiiose. Kleiucr Puls. Welleuschnitt. (^alleublase niittelgross,
prall gespannt, enthält Schleim, /aletzt Eiter, 50 mittelgrosse Steine.
Cjsticns sehr dick, mit lig. hepato-daodenale resp. Diiodeniini flüch(Mi*
haft und sehr fest verwachsen. (Fistel?) Mau kauu nicht feststellen, ol»
eine Driise, ein olceröscr Prozess oder ein Stein hinter der Induration
steckt. Cystostomie mit Draht. Verband. Dauer der Operation 1 Stunde.
Verlauf: Fiebertroi.
11. 10. Ol. Verbandwechsel. Es werden die Tampons und die
Nähte entfernt. 8 kieiue Steine ^verden ansgespült.
— 19 —
13. 10. Ol. Verbandwechsel. 2 kleine Steine entfernt.
15. 10. Ol. Verbandwechsel. 4 kleine Steine entfernt. Man fühlt
in «ler Tiefe einen Stein mit der Sonde, kann ihn aber nicht entfernen.
Pat. klagt Nachmittags über Rückenschmerzen. Bis jetzt fieberfrei.
Heute Abend 39,1. Gegen Abend Hessen die Rückenschmerzen nach.
16. 10. Ol. Puls 120. Leichter Ikterus. Im Laufe der Nacht ein-
mal Erbrechen.
17. 10. Ol. 39,5, Puls 116. Verhandwechsel. In der Gallenblase
schleimig-eitriges Sekret. Stein nicht mehr sondierbar.
18. 10. Ol. 38,3. Starker Ikterus. Verbandwechsel. Ein mit
(Tiimmirohr nmhüllter Laniinariastift wird in die CTallenblase eingelegt.
Heute läuft wieder etwas Galle aus der Wunde. 38,4.
21. 10. Ol. 37,1—40,4. Nachmittags etwas Erbrechen. Kein
Appetit. Wenig Schmerzen. Starker Ikterus.
22. 10. Ol. 38,0—41,4. Puls 128. Verbandwechsel am Vormittag.
Starke Eitersekretion aus der Gallenblase. Es läuft nach reichlicher
Spülung etwas Galle. Neuer Stift eingelegt. Nach dem Verband-
wechsel heftige Schmerzen in der Wunde, so dass der Stift wieder
entfernt werden muss. 0,01 Morph, subkutan.
23. 10. Ol. 38,2—37,3. Morgens subjektiv besser.
31. 10. Ol. Jetzt wieder fieberfrei. Gallenfluss reichlich. Fast
täglich Verbandwechsel.
6. 11. Ol. Verband ist heute trocken, dabei ist der Stuhl seit
■einigen Tagen dunkel gefärbt, die ikterische Hautfärbung schwindet.
9. 11. Ol. Klagt bei sonst gutem Allgemeinbefinden über Schmer-
zen im Kreuz und in der linken Hälfte des Epigastriums. Der Ikterus
blasst allmählich ab. Fieberfrei.
13. 11. Ol. Schmerzen waren seit vorgestern verschwunden.
Pat. völlig wohl. Wunde trocken und fast geschlossen. Heute wieder
•Gallenfluss aus der Fistel.
19. 11. Ol. Wunde ist bis auf eine kaum sichtbare Fistel ge-
schlossen. Noch immer geringer Gallenfluss. Pat. wird nach Hause
entlassen. Soll noch zum Verbinden herkommen. Ikterus fast völlig
^bgeblasst.
Pat. erholt sich zu Hause und ist jetzt völlig gesund. Entweder
ist der Stein spontan abgegangen oder aber er verhält sich im Chole-
dochus latent. (Wohlbefinden im November 1903 konstatiert!)
Epicrise: Die Diagnose stimmte, aber es war nicht möglich,
die Operation so zu gestalten, dass man sicher war, dass der
Cysticus frei sei. Man muss in solchen Fällen sich bescheiden
und darf unter keinen Umständen den Eingriff forcieren: die
Pat. gehen sonst fast sicher zu Grunde. Eine zweite Operation
ist nicht immer zu umgehen. Pat. wurde mit einer wenig Galle
seceriilerenden Fistel entlassen. Wahrscheinlich steckt noch
ein Stein im Choledochus, der während der Nachbehandlung
aus dem Cysticus in den Choledochus getreten ist, doch hoffe
2*
— 20 —
ich, dass dieser spontan abgehen wird. Treten wieder Schmer-
zen und erfolglose Koliken auf, so ist eine zweite Laparotomie
indiziert. Nach dem bisherigen Verlauf scheint aber dauernde
Ruhe eingetreten zu sein.
Nr. 9. D. Pf., 52 j. Schmiedmeistersfrau aus Aderstedt.
Aufgen.: 26. 10. 1901.
Operiert: 29. 10. 1901. Cystostomie.
♦Entlassen: 27. 11. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. war früher stets gesund. Im Laufe des Sommers
hatte sie schon einmal einen leichten Anfall. Vor 3 Wochen bekam
sie plötzlich sehr heftige kolikartige Schmerzen in der Lebergegend,
welche am späten Nachmittage einsetzten und im Laufe der Nacht
wieder nachliessen. Dabei bestand kein Erbrechen, kein Ikterus, der
Appetit war nicht gestört; der Stuhl wenig angehalten. Pat. lag auf
Anraten des behandelnden Arztes ca. 14 Tage zu Bett, ohne dass die
Schmerzen in der Gallenblasengegend ganz aufhörten. Als sie wieder
aufstand, wurden die Schmerzen wieder stärker. Sie hat jetzt immer-
fort leichte Schmerzen in der rechten Seite, die sich zeitweise etwas
steigern. Von Herrn Dr. Klavehn wird sie zur Klinik geschickt.
Befund: Grosse, etwas abgemagerte Frau. Auf den Lungen ver-
einzelte Kasselgeräusche. Herz gesund. Urin frei.
Die Leber überragt den Rippenbogen um fast 2 Querfinger. Unter-
halb des Leberrandes in der Mammillarlinie ein grosser, mit der Atmung
beweglicher, in die Tiefe verschieblicher, aber stets zur Oberfläche
zurückkehrender Tumor von geringer Druckempfindlichkeit. Kein
Fieber.
Diagnose: Hydrops event. Empyem der Gallenblase.
Operation: 20. 10. Ol. Wellenschnitt. Gallenblase gross, mit
Netz verwachsen, enthält dünnen Eiter und im Hals einen walnuss-
grossen Stein. Die Verwachsungen werden bis auf eine selir feste
zwisclieii Cysticns und Magen gelöst. Cystostomie in 30 Minuten.
Gute Narkose. Im Beisein des Herrn Dr. Klavehn.
Verlauf: Gut.
27. 11. Ol. Mit gut granulierender Wunde nach Hause entlassen.
Epicrise: In der Gallenblase befand sich Eiter, obwohl
Pat. nie Fieber gehabt hatte und eine sehr grosse vSchmerz-
haftigkeit nicht bestand. Derartige Fälle sind gar nicht selten,
aber es ist nicht möglich, eine genaue Diagnose, ob Hydrops
oder Empyem vorliegt, zu stellen. Im allgemeinen sind hydro-
pische Tumoren weicher und nicht so schmerzhaft wie ICmpyeme.
Das letztere macht gewöhnlich fortdauernd Beschwerden, oft
geringfügiger Natur. —
— 21 —
Nr. 10. K. R., 34j. Lehrer aus Stendal.
Aufgen.: 29. 12. 1902.
Operiert: 31. 12. 1902. Cystostomie.
Entlassen: 11. 2. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist angeblich immer gesund gewesen. Die
Mutter des Pat. hat vermutlich an Gallensteinen gelitten. Im Herbst
1900 bekam Pat. kurzdauernde Anfälle von drückenden Schmerzen im
rechten Hypochondrium, die nach dem Magen und dem Rücken hin
bis zum Kreuz ausstrahlten. Er wurde als magenleidend behandelt,
die Schmerzen wurden mit Morphium bekämpft. Die Anfälle traten
dann häufiger auf. Doch konnte Pat. immer am nächsten Tage
wieder unterrichten. Im Februar dieses Jahres bekam er wiederum
einen Anfall, der mit starken Kolikschmerzen begann und bis Ostern
dauerte. Es stellte sich Gelbsucht ein. Der Stuhl war meist an-
gehalten und lehmfarben. Es wurden Steine, darunter ein etwa
erbsengrosser, gefunden. Pat. wurde mit heissen Umschlägen, Karls-
bader Wasser und Morphium behandelt. Nachdem um Pfingsten noch
ein leichterer Anfall sich eingestellt, traten Anfälle dann erst wieder
im September und Oktober auf. Am 4. Dezember d. J. stellte sich
dann wieder ein kürzerer Anfall ein, dem am 6. Dezember ein zweiter
folgte, der bis zum 20. Dezember anhielt. Pat. hatte während dieser
Zeit dauernd Schmerzen in der Gallenblasengegend, besonders beim
Gehen und Bücken. Gelbsucht bestand nicht. Der Stuhl war meist
angehalten und etwas lehmfärben. Steine wurden nicht mehr gefun-
den. Zur Zeit fühlt Pat. sich wohl und hat keine Klagen; auf An-
raten des Herrn Dr. Sudendorf kommt er in die Klinik.
Befund: Leib weich. Deutliche Resistenz in der Gallenblasen-
gegend, dort typische Druckempfindlichkeit. Leber nicht vergrössert.
Kein Ikterus. Kein 'Fieber. Urin : weder Eiweiss noch Gallenfai bstoff,
normal.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis calculosa.
Operation: 31.12. 1902. Wellenschnitt. Leber nicht vergrössert.
Gallenblase klein, geschrumpft, enthält Eiter und vier erbsengrosse
Maulbeer-Steine. Im Cysticus, dessen Serosa sehr ödematös ist, ein
grösserer Stein. Nach vielen BemUhnngeu — wobei Pat. stets schwer
kollabiert — gelingt es, den Stein fandnswärts zu schieben und zu
eutfernen. Cj'stostomie mit Draht. Annähung der Leber an das perit.
pariet. mit einer Sutur. Dauer der Operation, die durch vieles Würgen
und Pressen von Seiten des Pat. gestört wird, ca. ^i* Stunden. Bauch-
deckennaht. Verband.
Verlauf: 31. 12. 1902. Temp. Ab. 37,1. Starke Übelkeit. Reich-
liches Erbrechen mit etwa.o Spuren von Blnt. Abends Magenspülung.
Puls 108.
22
1. 1. 1903. Temp. 37,7. Ab. 37,8. Puls 108—124. Fortgesetzte
starke Übelkeit. Gegen Abend noch zweimal reichliches Erbrechen.
Chloroformgeschmack. Zweimal Magenspülung. Abends Kochsalz-
infusion.
2. 1. 1903. Temp. 37,6. Ab. 37,8. Puls 112—104. Frühmorgens
nochmals Erbrechen ohne Blntspnren. Wurde im Lanfe der vergangenen
Nacht auf die Seite gelegt. Gegen 9 Uhr Morgens Magenspülung,
Magen leer. Im Laufe des Vormittags noch zweimal Kochsalzinfusion.
Abends Puls kräftig, Allgemeinbefinden gut,
3; 1. 03. Weiterer Verlauf fieberfrei. Befinden gut.
5. 1. 03. Führt ab. Gallenfluss vom ersten Tage ab reichlich.
8. 2. 03. Es läuft keine Galle mehr. Wunde wesentlich kleiner.
11. 2. 03. Wird mit gut granulierendem Wundtrichter entlassen.
Epicrise: Uass Empyem der Gallenblase vorlag, über-
raschte uns sehr. Pat. hatte wohl dauernde Schmerzen, aber
dieselben waren doch nicht sehr hochgradig.
Übrigens eine richtige Männer - Gallensteinoperation !
Ewiges Würgen nnd Pressen, so dass man zufrieden ist,
wenn man die Gallenblase einnähen kann. Ton einer
Ectomie kann in solchen Fällen keine Rede sein; die
Mortalität nach Gallenstein - Operationen würde sonst ge-
waltig zunehmen.
Nr. 11. E. G., 28j. Arbeitersfrau aus Halberstadt.
Aufgen.: 11. 2. 1901.
Operiert: 11. 2. 1901. Cystostomie.
Entlassen: 14. 3. 1901. Geheilt.
Anamnese: Eine Schwester ihrer Mutter leidet an „Magen-
krämpfen". Pat. war immer gesund, nur will sie schon als Kind öfter
Anfälle von Magenschmerzen, selten mit Erbrechen, gehabt haben.
Sie hat 8 Kinder. 1897 nach der 5. Entbindung (Zwillinge) hatte sie
mehrere Wochen lang Anfälle von Schmerzen in der Magengrube und
beiderseits davon, die Schmerzen zogen zum Rücken, Erbrechen kam
nur selten und war mit grossen Schmerzen verbunden. Nachdem sie
Olivenöl genommen hatte, sollen im Stuhlgang Steine gefunden worden
sein. 1899 nach der 6. Entbindung hatte sie einige kleinere Anfälle.
Dann frei. Am 20. Nov. 1900 7. Entbindung, seitdem sind die Anfälle
- 23 —
häufiger, mehrmals in der Woche, gekommen, die Schmerzen hielten
meist einige Stunden an, schwanden dann von selbst. Erbrechen
selten, Gelbsucht wurde nicht beobachtet, Fieber soll bei schweren
AnföUen dagewesen sein.
Vor 8 Tagen heftigerer Anfall, ein leichter Druck blieb danach
bestehen. Heute morgen 6 Uhr plötzlich heftige Schmerzen, Erbrechen
galligen Schleims, Fieber und Frostgefühl, Gelbfärbung des Gesichts.
Herr Dr. Bötticher-Halberstadt schickt sie zur Klinik.
Befund: Kräftig gebaute etwas cyano tische Frau mit leichtem
Ikterus. Im Urin leichte Trübung von Eiweiss, Gallenfarbstoff positiv,
kein Zucker. Herz und Lungen gesund. Pnls 130. Temperatur 40,0.
Gallenblase als schmerzhafter, prallgefüllter Tumor zu tasten,
Leib aufgetrieben, aber weich.
Diagnose: Cholecystitis acutissima.
Operation: 11. 2. 1901. Längsschnitt im r. musc. rect. abd.
Gallenblase gross mit Netzverwachsung. Keine Perforation. Viel
trübe Galle in der Gallenblase. Aspiration. Viel Steine. Cystostcmie.
Wegen des schlechten Pulses (140) nnd hohen Fiebers wird auf die
gründliche Ansränmnng der Gallenblase verzichtet. Später soll durch
AnsspUlnng die Beseitigung sämtlicher Steine vorsichgehen. Nur Jfalit
des Perltoneunis und der tiefen Fascie, keine Naht der Mnskeln und
Haut. Leichte Tamponade bis auf die Naht. Dauer der Operation
'/< Stunden.
Verlauf: 12. 2. 38. Puls 76. Kein Erbrechen, sieht gut aus. 38,4.
13. 2. 37,5. Puls 80. Blähungen gehen. Gallenfluss gering. 38,0
16. 2. 38,0. Puls 84. Abführen. Es fliesst fast keine Galle.
20. 2. Verband-Wechsel. Herausnahme der Tampons und Nähte.
Beim Ausspülen werden noch ca. 50 Steine entleert. Zusammenziehen
der Wundränder mit Heftpflaster.
21. 2. Verband, durch. Wechsel. Es entleeren sich wieder einige
Steine.
14. 3. Geheilt entlassen. Trotzdem Muskel und Haut nicht ge-
näht worden sind, haben sie sich schnell und gut angelegt, so dass eine
lineare Narbe entstanden ist. Die Stelle der Tamponade ist noch nicht
ganz überhäutet. Pat. kommt 1—2 mal in der Woche zum Verbinden.
30. 4. Heilung beendet.
Epicrise: Pat. machte ganz den Eindruck, als ob sie an
Perforationsperitonitis erkrankt wäre ; hochgradige Cyanose, auf-
getriebener Leib, schneller Puls, hohes F.ieber, Doch fand man
nur eine sehr grosse Gallenblase mit vielen Steinen und trüber
Galle. Schon bei der Entleerung wurde der Puls langsamer, das
Aussehen besser. Es handelte sich um einen sehr schweren Infekt.
In solchen Fällen niuss man die Operation beeilen, auf eine gründ-
liche Entleerung verzichten und die Herausbeförderung der Steine
bei der Nachbehandlung vornehmen. Das gelingt zwar nicht immer,
— 24 —
so dass nachträgliche Operationen vorgenommen werden müssen.
Man tut gut, gleich nach — noch besser vor der Operation
die Kranken auf die Möglichkeit einer zweiten Operation auf-
merksam zu machen, damit man nicht später von Seiten der
Pat. Vorwürfe bekommt, die Operation ungeschickt und unvoll-
kommen ausgeführt zu haben. Nach jeder Cj'^stostomie kann
es zu Störungen kommen, die eine Wiedereröffnung der bereits
geschlossenen Fistel erfordern ; Steine im Cysticus und Chole-
dochus können übersehen werden und müssen später durch
Oysticotomie, Ectomie. oder Choledochotomie entfernt werden.
Nr. 12. Dr. 0., 50 j. Arzt aus Dresden.
Aufgen.: 26. 11. 1898.
Operiert: 28. 11. 1898. Cystostoniie.
Entlassen : 22. 12. 1898 mit Gallenfistel. Geheilt.
Anamnese'): „Vater im 65. Jahre nach vorheriger absoluter
Gesundheit in Beziehung auf die Leber — er litt meines Erinnerns
allerdings auch an denselben Magenbeschwerden wie ich — an einer
perforierenden Gallensteinkolik innerhalb 10 Tagen gestorben. Ich
selbst leide seit dem 20. Jahre ca. — jetzt 49 — an vorübergehenden
starken Diarrhoen (Bier 1), — die sich seit ca. 15 Jahren allmählich zu
einem regelrechten chronischen Dickdarmkatarrh ausbildeten. Erst
Wochen- und monatelange Diarrhoen mit Koliken, später auch Ver-
stopfungen ; durch mehrfachen Gebrauch von Karlsbad geheilt resp.
gebessert. Seit 2'/2 Jahren ca. eine Glycosurie, bis zu 3V»*/o, welche
sich durch einzelne Neuralgien und nervöse Reizbarkeit zu erkennen
gab. Seit ca. 8— 10 Wochen gar kein Zucker mehr trotz vollkom-
mener Diätlosigkeit. Während dieser Zeit und unregelmässig während
des chronischen Darmkatarrhs tage- und wochonlange Schmerzen an-
scheinend im Quercolon bei Gehen, Stehen u. s. w., im Magen schein-
bar nicht, denn nach dem Essen wurden dieselben nicht schlimmer.
Wiederholung dieser Schmerzen bes. 1897 März in Karlsbad.
1. Cholelith.-Kolikanfall Ende August 1897, erst ca. alle
3 Wochen, dann alle 14 Tage, 8 Tage etc. Wiederholung, zumeist
nachts. Morphium nach 1—2 Stunden injiciert: Besserung, so dass
anderen Tags Praxis möglich. Anfang Oktober 1898 Beginn anhaltender
Koliken täglich abends oder nachts, volle 4 Wochen anhaltend, all-
mälich an Intensität und Ausdehnung sich verringernd nach ca. 3 Wochen.
Die einzelnen Anfälle vor Beginn der grossen Attaque dauerten zu-
weilen 2—3 Tage — jede Nacht sich wiederholend — an. Der gewöhn-
liche Beginn war Schmerz im Rücken, der sich nach vorn zog oder
vorn und hinten gleichzeitig. Aufhören allniälich oder plötzlich im
•) Die Anamnese stammt vom Pat. selbst.
— 25 —
Verlauf von 10 - 15 Minuten. Wärme — Karlsbader Flasche — tat zu-
erst gut. Eigentliches Erbrechen fast nie , hingegen zumeist perio-
disches Aufstosseu, wonach vorübergehend Erleichterung. Nach den
Anfällen ist der Appetit nicht wese^itlich vermindert, hie und da starke
Hungergefühle während und nach den Anfällen. Nie Ikterus.
Die Gallenblase wurde 2 mal angeblich von den Collegen pal-
piert, Schmerz bei Druck war oft längere Zeit, d. h. tagelang, ebenso
oft aber schon am andern Morgen nicht mehr vorhanden. Seit 14 Tagen
haben die Anfälle ganz aufgehört, es ist nur noch Schmerz nach
Sitzen und längerem Gehen, zumeist unter dem rechten Schulterblatt,
aber nur vorübergehend, vorhanden.
Abmagerung ca. 20—25 Pfund, auch 30 vielleicht seit den
letzten 6 Monaten.
Bemerkenswert seit ca. 10 Jahren Schlaflosigkeit mit Druck in
der Lebergegend nach jedem kleinen Diätfehler. "
Befund: Organe gesund. Befund an Leber und Gallenblase
völlig negativ. Harn ohne path. Veränderungen. Kein Ikterus, keine
Schmerzhaftigkeit.
Diagnose: Altes Gallensteinleiden, auf die Gallenblase beschränkt
(wahrscheinlich schon geschrumpft). Ev. liegen nur Adhäsionen vor
{ Dickdarmkatarrh). Augenblicklich wird der Cysticus frei sein.
Operation: Chloroformnarkose. 15 cm langer Schnitt im rechten
M. rectus abdominis. Die Leber zeigt sich kaum vergrössert, die Gallen-
blase liegt rechts hoch und oben unter der Leber, ist nicht verwachsen.
Es gelingt mit Mühe sie soweit jorzuziehen, dass sie zu punktieren ist.
Es wird eine reichliche Menge dunkler Galle aspiriert. In der Blase
selbst sind Steine nicht nachweisbar, dagegen liegt im Hals ein Con-
crement. Dasselbe lässt sich mit der Kornzange extrahieren. Es ist
ein taubeneigrosser, schwarzer glatter Stein. Sofort fliesst reichlich
Galle. Einnähung der Blase mittelst Catgut- und Seidennähten, bei
denen Draht unterlegt wird. Schluss der Bauchwunde im oberen Teil
durch Etagennähte, im unteren durch durchgreifende Seidenknopfnähte;
einige Hautnähte. Dauer l'/a Stunde. Sofort Gallenfluss.
Der Verlauf war volffetändig fieberfrei. In den ersten Tagen floss
viel Galle in die Flasche , dann weniger. Am Tage , wenn Pat. ass,
sistierte der Gallenflnss, in der Nacht war er stark. Entfernung der
Fäden am 14. Tage.
Aufstehen am 14. Tage. Pat. ist im Stande, schon am 18. Tage
post. op. ein längeres Diner mitzumachen. Keine Beschwerden.
3*/» Wochen nach der Operation entlassen. Gallenfistel ist noch
nicht geschlossen, Gallenfluss bewegt sich in normalen Grenzen, Nach-
behandlung in Dresden. Die Fistel schliesst sich ert nach Wochen,
um wieder aufzubrechen. Anfang Mai Fistel zu. Geringes Zerren in
der Tiefe. Vielleicht ist später eine Ablösung der Gallenblase von der
Baucliwand notwendig.
Epicrise: Die Ablösung der Gallenblase wurde nicht
nötig, da sich die Schmerzen mit der Zeit gänzlich verloren.
— 26 —
Doch unterliegt es gar keinem Zweifel, dass die strafte
Fixation der Gallenblase die Schmerzen verursacht hatte:
heute würde ich das Schlauchverfahren anwenden.
Nr. 13. Dr. R., 52j. Hofrat aus Dresden.
Aufgen.: 17. 4. 1898.
Operiert: 19. 4. 1898. Cystostomie.
Entlassen: 14. 5. 1898. Geheilt.
"■ Anamnese'): „Dr. med. Hofrat R., Oberarzt der chirurg. Al)-
teilung am Diakonissenhospital zu Dresden, 51'/« Jahr alt. — Vater
starb, 76 Jahre alt, an Apoplexia cerebri, nachdem er wiederholt An-
fälle von Podagra gehabt. Mutter starb, 66 Jahre alt, an Urämie durch
Harngriesverstopfung beider Ureteren. Drei seiner Geschwister wollen
bisweilen Nierensteinkoliken haben. Er selbst war, abgesehen von
ansteckenden Kinderkrankheiten und mehreren leichten Verletzungen,
gesund bis zum 34. Lebensjahre. Damals erkrankte er an einem sechs
Wochen anhaltenden Ikterus catarrhalis mit Leberschwellung, grauem
Stuhl und dunklem Harn, ohne Schmerzen und ohne Erbrechen. Da-
nach 10 Jahre völlig gesund. Vom 44. Lebensjahre bis zum Beginn
des 49. wurde bisweilen mit zunehmender Häufigkeit (Anfangs halb-
jährlich, später vierteljährlich, dann noch öfter) ein lästiges Wärme-
gefühl, anscheinend in der Magengegend, empfunden, '/a — 1 Stunde an-
dauernd, meist am Vormittag, der von 8 — 2 Uhr ohne Nahrungsaufnahme
verbracht wurde. Im Beginn des 49. Lebensjahres (Frühjahr 1896)
plötzlich nachts heftiger Schmerzanfall rechts vom Schwertfortsatz,
1—2 Stunden andauernd, ohne Unterbrechung sich langsam steigernd,
zuletzt ziemlich rasch verschwindend. Derartige Schmerzanfälle wieder-
holten sich 1896 etwa alle 6—8 Wochen, im Jahre 1897 etwa alle 8—4
Wochen und im ersten Quartal 1898 beinahe wöchentlich. In der Zeit
zwischen den Schmerzanfällen bestand ungestörtes Wohlbefinden,
namentlich wurden alle Speisen und das unregelmässige Leben eines
stark beschäftigten Arztes anstandslos vertragen. Die genannten
Schmerzanfälle traten immer nur nach Mitternacht, etwa von 2 — 4 Uhr
morgens auf. Ei'brechen war mit denselben nur ausnahmsweise ver-
bunden, 3—4 mal unter 40 Anfällen. Gewöhnlich wurden dabei spät
abends aufgenommene Nahrungsmittel entleert, — keine Galle. Mor-
phium 0,005 per OS wurde nur ausnahmsweise genommen, meist mit
erwünschter Linderung. Regelmässig war während der Anfälle unter
dem rechten Rippenbogen ein apfelgrosser, kugeliger, glatter, stark
druckempfindlicher, mit der Atmung und mit Lagewechsel sich deut-
lich verschiebender Tumor fühlbar, der mit dem Nachlassen der
Schmerzen spurlos vorschwand und in der schmerzfreien Zeit, selbst
bei genauester bimanueller Palpation im warmen Bade nicht mehr zu
entdecken war. Ikterus, Verfärbung des Harns oder Entfärbung des
Stuhls war nie vorhanden. Nach Gallensteinen (entleerten) wurde nicht
') Die Anamnese stammt vom Pat. selbst.
- 27 —
gesucht. Die Wahl der Speisen schien keinerlei Einfluss auf die
Häufigkeit der Anfälle zu haben. Dieselben konnten eintreten nach
einer Mehlsuppe und ausbleiben nach einem üppigen Souper. Niemals
traten die Anfälle am Tage oder des Abends auf. Die Schmerzen
strahlten nach der rechten Rückenhälfte aus, niemals nach der Schulter.
Am Tage nach den Anfällen bestand Stuhlverstopfung, im übrigen war
der Stuhl im ersten Schmerzensjahre regelmässig , im zweiten etwas
angehalten.
Anfang April 1898 trat ein Kolikanfall ein, welcher durch 8 Tage
und Nächte anhielt und mit einer 48 Stunden andauernden umschrie-
benen Peritonitis in der Gallenblasengegend endete. Nach diesem An-
fall blieb die Gallenblase durch 10 Tage in abnehmender Stärke fühlbar
und druckempfindlich. Die Peritonitis äusserte sich durch Temperatur-
steigerung (38,7), sowie durch Bewegungsschmerzen unter dem rechten
Rippenbogen (heim Atmen, Husten, Pressen).
Diagnose: Gallensteine mit Kolikschmerzen , letztere hervor-
gerufen durch Gallenstauung und Entzündung in der Gallenblase. Zu-
letzt Pericholecystitis.
Der letzte Stägige Aufall. welcher zur Einstellung der Berufs-
tätigkeit nötigte und eine druckempfindliche Gallenblase zurückliess,
brachte den Entschluss zur Reife , auf operativem Wege Heilung zu
suchen. (Karlsbader Mühlbrunn war, wiewohl nicht kurgemäss, wieder-
holt monatelang getrunken worden). Operation am 19. April durch
Professor Kehr-Halberstadt. Ein taubeneigrosser Stein am ßlasen-
hals, Gallenblasen wand verdickt (l cm), einige frische Adhäsionen mit
der vorderen Bauchwand, Inhalt reine Galle, Gallengänge frei. Ein-
nähung und 18tägige Drainage der Gallenblase. Gute Heilung. Am
17. Mai mit nahezu geschlossener Wunde nach Karlsbad".
Befund: Lungen, Herz gesund, im Urin weder Eiweiss noch
Zucker oder Gallenfarbstoff. Leber nicht vergrössert, in der Ge-
gend der Gallenblase e,ine schmerzhafte, ca. walnusgrosse Resistenz.
Sonst alles normal. Die Diagnose wird auf häufig überstandene Cho-
lecystitis serosa und Pericholecystitis gestellt. Augenblicklich ist der
Cysticus frei.
Operation 19.4.98. Chloroformnarkose. Dauer */4 Stunde. Längs-
schnitt im r. M. rect. abdom. , vom Rippenbogen abwärts , stumpfe
Durchtrennung des Muskels. Nach Eröffnnng der Banchhöhle findet
man den Fandnsteil der übrigens nicht vergrösserten Gallenblase ad-
häreut an einem dem Feritonenm parietale angehörigen FettklUmpchen,
welches ziemlich genan in der Mittellinie liegt. Daher ist die ganze
Gallenblase nach links verzogen. Es wird stumpf die Verwachsung
gelöst, sofort entschlüpft die Blase nach oben; sie wird vorgezogen
und nun abgetastet. Weitere Adhäsionen fanden sich nicht, dagegen
ist die Blasenwaud sehr derbe und man fühlt ein grosses Concrement
hoch oben im Gallenblasenhals. Die mit zwei Hackenpinzetten vor-
gezogene Blase wird im Fundusteil mit dicker Nadel angestochen und
mittelst Aspirationsspritze nach Abschluss der Bauchhöhle durch
Gazekompressen zähe, schwärzliche, gallige Flüssigkeit angesaugt;
— 28 -
trotzdem eine reichliche Menge entfernt war, fliesst nach Entfernung-
der Nadel aus der Stichöffnung noch fortwährend ebensolche Masse
aus, die sofort aufgetupft wird. Nun wird eine Incision durch den
Fundus gemacht, welche durch den Stich geht. Die ausfliesseuden
Mengen werden durch Tupfen entfernt, dann die Kompressen ge-
wechselt und der Stein mit nicht geringer Mühe nach dem Fundus
hingedrückt; zur Extraktion des Gebildes uiuss der Gallenblasenschnitt
noch verlängert werden. Jetzt wird mit der Kornzange ein haselnuss-
grosser, granulierter Stein herausbefördert. Nun fliesst Galle in grosser
M^enge, dieselbe wird aufgetupft und die Blase temporär mit trockenen
Gazestreifen tamponiert. Der ziemlich ausgedehnte Längsschnitt in
der Gallenblase wird durch Serosanähte, welche sich bei der starken
Wandverdickung unschwer anlegen lassen, von oben und unten her sa
weit verkleinert, dass ein kleinflngerdicker Schlauch noch passieren
kann. Vorläufig bleibt die Gaze lioch in der Blase, welche ringsherum
am Peritoneum der Bauchwand fixiert wird. Nachdem die Einnähung
vollendet war, wird das Peritoneum parietale von der Einnähungsstelle
der Blase abwärts durch Knopfnähte , welche Fascie und Muskel
durchdringen, geschlossen, dann die übrige Wunde durch Knopfnähte
vereinigt, mit Ausnahme der Gegend, wo die Blase, soweit sie durch
Schnitt eröffnet war, extraperitoneal fixiert ist. Die in der Blasenwand
liegenden Fäden werden lang gelassen, der Schlauch tief in die Blase
geführt, rings um die Fistel Gaze gestopft und ein grosser Bauch-
verband angelegt. Sofort fliesst dunkle Galle reichlich.
Verlauf: Herr R. erwacht ziemlich schnell aus der Narkose. Er
erhält keine Flüssigkeit, ausser dass er den Mund mit kaltem Wasser
spült. Bis zum Abend um 6 Uhr erbricht er 2 mal, dann nicht mehr, klagt
aber in der Nacht über Schmerzen. Daher wird der Schlauch nachts
etwas, am Morgen des 20. 4. noch mehr aus der Blase herausgezogen.
Pat. erhält am 20.4. morgens die erste Nahrung: Mehlsuppe, später
Kaffee mit Milch, Das Allgemeinbefinden ist gut, nur klagt Herr R.
über Durst und grosse Mattigkeit. Seit 2 Uhr (20. 4.) würgt er oft und
erbricht zuerst etwa esslölfelweise, dann abends bis '/^ Liter schwärz-
lich braune Massen, letztere nach Genuss eines Glases kalten Wassers.
Daraufhin schläft Pat., dessen Puls abends 98, Temp. 36,9" beträgt,
in der Nacht gut und fühlt sich am Morgen des 21. 4. sehr gut (Puls 88,
Temp. 37,5° in ano). Das Erbrechen hat sich nicht wieder eingestellt.
Seitdem bessert sich das Befinden immer mehr und der weitere Ver-
lauf ist ganz glatt, kein Fieber. Die Fäden werden am 10. Tage ent-
fernt, Wunde gut verheilt, stets Gallenfluss. Die Fistel schliesst sich,
nachdem die Gallenblase 18 Tage lang drainiert war, schnell und am
14. 5. kann Herr R. zur Nachkur nach Karlsbad entlassen werden mit
kleiner Granulation an der Fistelstelle.
Epicrise: Pat. war schon bald wieder in der Lage, oline
irgend welche Beschwerden seine schweren Berufspflichten ganz
und voll zu erfüllen; er erfreut sich einer grossen Arbeitskraft^
eines ausgezeichneten Appetits und gesunden Schlafs.
— 29 —
Hier handelt es sich um eine relativ frühzeitige Operation,
zu welcher der in Gallensteinchirurgie selbst sehr erfahrene
Operateur sich entschloss, weil er die Gefahren der Chole-
lithiasis genau kannte und die Vorteile der frühzeitigen Operation
sich nicht entgehen lassen wollte.
Nr. 14. A. P., 25 j. Grastwirtsfrau aus Brauiischwende bei
Wippra a. H.
Aufgen.: 8. 8. 98.
Operiert : 15. 8. 98. Cystostoraie.
Entl.: 17. 9. 98. Geheilt.
Anamnese: Fat., deren Eltern leben und gesund sind, war
selbst nicht erheblich krank, bis sie 1894 plötzlich in der Nacht einen
von Erbrechen eingeleiteten Schmerzaufall bekam. Die Schmerzen
waren auf die r. Oberbauchgegend lokalisiert und wechselten während
der 8 Tage, die Fat. bettlägerig war, in ihrer Intensität. Der Arzt
machte Morphiuminjektionen. Es trat wieder Wohlbefinden ein, bis
1896 dieselben Anfälle von 3 tägiger Dauer sich einstellten. Eine
Diagnose wurde nicht gestellt. Seitdem traten krampfartige Schmerz-
anfälle öfters auf mit Pausen von 4—8 Wochen. Der Schmerz war
stets rechts unter den Rippen am stärksten, zog sich später mehr
nach der Mitte hin. Kurz bevor Fat., die nie gelb gewesen ist, hier-
her kam, wurden Gallensteine diagnostiziert. Die letzten 8 Tage vor
ihrem Herkommen hatte die Frau ungemein heftige Schmerzen.
Befund: Mittelgrosse , etwas zarte , gutgenährte Frau. Organ-
befund normal, Harn frei von Eiweiss und Zucker und Gallen-
farbstofi". Lebergegend sehr druckempfindlich, Leber nicht vergrössert,
Galleublase als Tumor, welcher an der Aussenseite des Rektus liegt,
palpabel, jedoch wohl in Folge der straffen Bauchdecken und exqui-
siten Druckempfindlichkeit undeutlich. Untere Tumorgrenze daumen-
breit unterhalb Nabelhöhe. Temp. 37,9», Fuls 88.
Diagnose: Akute ^Cholecystitis. Nach mehrtägigem Abführen
ist die Druckempfindlichkeit fast gänzlich geschwunden, der Gallen-
blasentumor nicht mehr nachweisbar. Temp. 37,3 ". Die Operation
verzögert sich in Folge baulicher Veränderungen im Operationszimmer
und wurde erst am 15. 8. vorgenommen.
Operation: Chloroformnarkose. 8cm. langer Längsschnitt im
rechten M.rectusabdominis. Die Gallenblase überragt mit ihrer Kuppe den
Leberrand, sie ist prall gefüllt, leichte Adhärenz am Netz, welche dem
Druck des palpierenden Fingers weicht. Schutz der Bauchhöhle durch
Kompressen, Anschlingung der Blase durch 2 provisorische Seiden-
ligaturen, Funktion und Aspiration des Blaseninhalts; es wird eine
reichliche Menge trüber, brauner Flüssigkeit angesaugt. Die Falpation
weist einen Stein im Blasenhals nach, derselbe lässt sich in die Blase
drücken. Eröffnung der Blase im Fundus durch Längsschnitt, Aus-
trocknung der Blase mittelst trockener Gazestreifen. Extraktion von
-- 30 —
2 schwarzen Steinen, einem liaseinnssgrossen nnd einem gut kirgcbkern-
grossen, sofort Gallenüuss. Einnähung der Blase ins Peritoneum parie-
tale, dann Knopfnähte des Peritoneum parietale bis zum unteren Wund-
winkel, Muskelfazienknopfnähte, Hautnähte. Einführung eines dicken
Schlauches in die Blase, Gazetamponade auf die die Blase an das Peri-
toneum fixierenden Nähte. Verband.
Verlauf: Es fiiesst ständig Galle, die Temperatur bleibt stets
in normalen Grenzen. Am 24. 8. wird der erste Verbandwechsel vor-
genommen, die genähte Wunde ist p. p. verheilt, die Fäden werden
entfernt, der Schlauch, welcher sehr dünnwandig, durch langes Kochen
ganz erweicht war, herausgezogen. E« gelang nicht wieder in die
Gallenblase hineinzukommen nnd daher wurde bis auf ihre Öffnung
ein Tampon eingelegt. Heim nächsten Verbandwechsel am 27. 8.
keine Galle im Verband. Man gelangt leicht in die Blase und weist
mit der Sonde einen Stein im Blaseuhals nach ; derselbe lässt sich
nicht entfernen. Schlauch in die Blase. Verband. Galle fliesst nicht.
31. 8. Verbandwechsel, Stein in Trümmern zum Teil entfernt. 4. 9.
Reste des Steins extrahiert, reichlicher Gallenfluss, seitdem häufige
Verbände. Schlauch weggelassen am 10. 9. Häufiger Verbandwechsel
wegen Durchtränkung mit Galle. Beschwerdefrei mit noch fliessen-
der Gallenfistel nach Hause entlassen am 17. 9. 98. Pat. soll sich zu
Hause weiter verbinden lassen. Stellt sich im Dezember geheilt vor.
Epicrise: Nach der Operation hatte man die üeber-
zeugung, dass alle Steine entfernt waren; jedenfalls war der
ductus cysticus offen, denn es floss Galle. Und doch war ein
Stein übersehen worden. Fast wäre die Gallenfistel geheilt
nnd der Stein wäre an Ort und Stelle geblieben.
Nr. 15. H. K , 36j. Oberwärter aus Dresden.
Aufgen. 4. 5. 1898.
Operiert: 7.5. 1898. Cystostomie.
Entlassen: 28. 5. 1898. Geheilt.
Anamnese: Eltern gestorben, Vater starb an Lungenkrank-
heit, Mutter an Schlaganfall. 3 noch lebende Geschwister sind gesund,
4 gestorben. Pat. seit 5 Jahren verheiratet, 2 gesunde Kinder. Immer
gesund bis zum 28. Lebensjahre. Im Herbst 1892 nach Genuss frischen
Obstes starke Schmerzen in der Magengegend, krampfartig, ausstrahlend
nach der rechten Seite. Tiefes Atemholen sehr schmerzhaft. In
2 Stunden Anfall vorüber. Kein Erbreclien. Der Stuhl war immer
regelmässig, braun gefärbt. Blut und Schleim nie bemerkt. Die An-
fälle wiederholten sich in Pausen von 1—6 Monaten. 1894 8 Wochen
lang, oft den ganzen Tag anhaltende, krampfartige, ziehende Schmerzen
in der Magengegend. Druckempfindlichkeit der rechten Seite, Un-
behagen in der Magengegend, ab und zu bitteres Aufstossen. 1895 nach
einem Anfall dunkelgelber Harn, beim Schütteln gelbschaumig. Pat.
untersucht den Stuhl, ein erbsengrosser, vielkantiger, gelber, harter
— 81 —
Stein wird gefunden. Bei einem späteien Anfall gingen 18 kleine
Steine auf einmal ab. 1897 im August geht Pat. 4 Wochen zur Kur
nach Karlsbad, darnach Erleichterung bis Anfang 1898, wo die Anfälle
in alter Weise auftreten. 14. 4. 8 Stunden langer Anfall, darnach Ab-
gang eines Steines. Mit der Zeit hat Pat, gegen 70 Steine gesammelt.
Appetit und Schlaf war [immer unregelmässig. 20 Pfund Körper-
gewichtsabnahme. Kein Fieber.
Befund: Mittelgrosser, hagerer Mann. Organbefund normal.
Harn desgleichen, nicht ikterisch. Geringe Druckempfindlichkeit in
der Gallenblasengegend. Kein Tumor, keine Lebervergrösserung.
Diagnose: Die Diagnose wird auf Steine in der Gallenblase
gestellt ohne Cysticusversehluss. Jetzt Ruhe in der Gallenblase.
Operation: Die Indication zur Operation wird durch die so-
ziale Stellung des Pat., der schwer arbeiten muss, gegeben. Operation
am 7. 5. 1898 unter Schleich'» Lokalanästhesie. Dauer l'/2 Stnudeii,
Längsschnitt im rechten Musculus rectus abdomiois vom Rippenbogen
abwärts bis etwas über Nabelhöhe. Die mittelgrosse Gallenblase tritt
gleich zu Tage ; sie ist mit dem Magen verwachsen, stumpfe Lösung
der Adhäsionen. Aspiration von dicker Galle. Kleiner Längsschnitt
in den Fundus nach Schutz der Bauchhöhle durch Compressen, Ent-
fernung von 154 gelben kantigen erbsengrossen Steinen, es fliesst
Galle, temporäre Tamponade der Blase, Einnähung ^derselben, im un-
teren Wundwinkel 2 Durchstichknopfnähte, darüber Peritonealfascien-
nähte, im übrigen Hautnälite, Gazetamponade auf die Fixationsfäden
der Gallenblase um das jetzt eingeführte Gummirohr. Verband.
Verlauf: Ziemlich ungestört, die höchste Abendtemperatur wird
am 9. 5. mit 38,2° erreicht. Galle fliesst stets. Der erste Verbandwechsel
am 16. 5. zeigt die Wunde per pr. verheilt, die Fäden werden heraus-
genommen. Nach weiteren 5 Verbänden wird Pat. mit noch bestehender
Gallentistel und granulierender Wunde entlassen. Laut brieflicher Mit-
teilung vom 21. 6. 1898 hat sich die Gallenfistel seit 12. 6., der Rest
der Wunde seit 13. 6. 1898 vollständig geschlossen. Herr K. bemerkt
weiter, dass es ihm reclit gut ginge und er sich wohl fühlte, Be-
schwerden hätte er nicht mehr.
Rpicrise: Ich habe den Pat. im Jahre 1898 während
einer Nachkur in Karlsbad oft getroffen: er ist vollständig frei
von Beschwerden.
Die Operation verlief unter Schleich'seher Anästhesie
gut; vom Bauchwandsclinitt hat er überhaupt nichts ge-
merkt. Bei der Lösung der Adhäsionen bekam Patient
Magendrücken und Erbrechen. Wo keine Adhäsiouen vor-
liegen, der Cysticus frei ist, kann man die Lokalanästhesie an-
wenden, sonst muss man immer die allgemeine Narkose be-
nutzen, da eine Abtastung des Cysticus und Choledochus
ausserordentlich schmerzhaft ist. Versäumt man die Palpation
— 32 —
der Gallengäiige, wird man . häufig, wie bei der zweizeitigen
Cystostoraie, nur unvollkommene Heilungen erzielen.
Nr. 16. R., 33 j. Sattlermeistersfrau aas Westeregelii.
• Aufgen.: 14. 5. 1894.
Operiert: 15. 5. 1894. Cystostomie.
Entlassen: 21. .6. 1894. Geheilt.
< Anamnese: Seit 4 Jahren „Magenkrämpfe", seit 13 Tagen fort-
während heftige Schmerzen. Stuhlgang grau , geringer Ikterus. Am
11. 5. im Stuhlgang ein linsengrosser Stein. Am 14. 5. nach Ricinusöl
brauner Stuhlgang mit 8 kleinen Steinchen. Da sich annehmen lässt,
dass nunmehr der Choledochus frei ist, Pat. aber „gründlich kuriert"
sein will, wird zur Operation geschritten.
Operation: 15. 5. 1894. Incision im rechten musc. rect. abd.
Adhäsionen zwischen mittelgrosser Gallenblase und Magen. Trennung.
Hals der Gallenblase divertikelartig erweitert. In ihr 30 Steine, dar-
unter 2 grosse. Choledochus anscheinend frei. 150 gr. Äther, vorher
Morphium-Atropin. Dauer der Operation 1 Stunde.
Verlauf: Fieberfrei, der Oalleuflnss ist stets sehr profus, so
dass die Erholung der Pat. langsam rorwärts schreitet. Die äussere
Fistel wird am 5. 6. durcli einen Stöpsel yerschlossen — es treten
Schmerzen dabei auf, so dass der Stöpsel entfernt werden ninss.
Darauf wird der Stuhlgang branner gefärbt, die Gallensekretion lässt
nach. Im Stuhlgang wird ein linsengrosser Stein aufgefunden. Mit
fast geschlossener Fistel wird Pat. am 21. 6. entlassen, laut brieflicher
Mitteilung des Herrn Dr. Schiele am 25. 7. ist die Fistel i-u, das All-
gemeinbefinden vorzüglich.
Epicrise: Ich habe immer den Rat gegeben, während
des Durchwanderns von Steinen durch den Choledochus
nicht zu operieren. Ist die Fistel angelegt, und noch ein
Stein im Choledochus, so fliesst alle Galle aus der Fistel,
denn es fehlt die vis a tergo, um den Stein im Choledochus
in den Darm zu treiben. Man kann sich in diesem Falle mit
dem Stöpselexperiment helfen, doch ist es besser, ehe man
operiert, so lange zu warten, bis man sicher ist, dass der
Choledochus frei ist. Im obigen Fall war, ein linsengrosser
Stein im Choledochus übersehen worden, der dann durch das
Stöpselexperiment herausgetrieben wurde. In diesem Fall
hatte also das Experiment einen curativen Erfolg! Pat. ist
vor 10 Jahren operiert, heute würde ich mit der Operation
noch längere Zeit warten, bis ich sicher wäre, dass der Cho-
ledochus auch wirklich frei sei.
— 33 —
Nr. 17. eil. S., 49 j. Kaufniannsfrau aus Ekaterinoslaw
(Riisslaud).
Aufgen.: 6. 3. 1903.
Operiert: 8. 3. 1903. Cystostomie nach Resektion
des Gallenblasen-Fundus.
Entlassen: 3. 4. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat als Kind Tjphus überstanden.
Seit etwa 20 Jahren besteht bei Fat. angeblich eine Vergrösserung
der Leber. Magenkatarrh hat schon jahrelang bestanden. Vor 14 Jahren
hat Pat. V* Jahr lang an Magenkrämpfen und Erbrechen gelitten. Im
Mai 1902 plötzlich kolikartige Schmerzen in der Gegend der Magen-
grube und im Rücken, welche eine Nacht anhielten und sich 2—3 Tage
lang wiederholten. Zugleich bestand Fieber.
Zwei Monate später stellte sich bei Pat., ohne dass Schmerzen
sich eingefunden, allgemeine starke Gelbsucht ein. Stuhl war weiss
(Steine wurden in demselben nie gefunden). Urin war bierbraun. Alle
2—3 Tage trat Fieber (39—40") auf. Auch bestand starkes Hautjucken.
Die Fieberanfälle wurden dann weniger häufig und das Fieber niedriger.
Seit 6 Monaten steigt die Körpertemperatur alle 8 — 14 Tage nur noch
bis auf ca. 38". Die Gelbsucht wurde etwas weniger intensiv. Der
Stuhl war teils weiss, teils grau, niemals aber richtig gefärbt. Pat.
hat keine Schmerzen in der Lebergegend, auch keine Kolikanfälte
gehabt, doch hat sie ab und zu etwas Druck und Stiche in der Leber-
gegend und wird ihres Lebene nicht mehr froh, fühlt sich nie wohl.
Pat. ist mit Karlsbader Wasser, Vichy-Wasser, heissen Umschlägen,
Klystiereu und mit Medizin behandelt worden.
Herr Dr. Notkin-Kiew sendet uns die Pat. zu.
Befund: Stark ikterische Frau. Leber gross, gesenkt, unterer
Rand in Nabelhöhe., Gallenblasengegend wenig druckempfindlich.
Herz und Lunge gesund. Milz nicht palpabel. Urin enthält massige
Menge Eiweiss, viel Gallenfarbstoff.
Diagnose: Steine im Choledochus.
Operation: 8. 3. 03. Wellenschnitt. Leber sehr gross, unterer
Rand steht in Nabelhöhe. Gallenblase von Lebergewebe bedeckt, ist
mft Steinen prall gefüllt und mit Netz und Duodenum verwachsen.
Lösung. 3 Unterbindungen. Im Choledochus, der einen völlig nor-
malen Eindruck macht, wird kein Stein gefühlt. Das Foramen Wins-
lowii ist auf. Auch an der papilla duodeni fühlt man keine Steine.
Das Pankreas ist normal. Der Befund ist ganz wider Erwarten. Die
Gallenblase wird eingestochen, es entleert sich durch Aspiration trübe
Galle. Incision der Gallenblase am Fundus, der sehr morsch ist.
Extraktion von ca. 20 teils haselnussgrossen leicht zerbrechlichen
Steinen. Der Fiindiis der Galleublase wird abgetragen und die Gallen-
blase bis zu ihrer Mitte von dem Leberbett abgelöst. Hier stösst man
auf einen bleistiftstarken Strang, bei dessen leicliter Einritznng trübe
Galle in grosser Menge abfliesst. Es handelte sich um einen Hepa-
Kchr, Technik der GaUensteinoperationPO. 3
— 34 —
ticusast. Eine Uterussonde lässt sich vom Leberbett ans in den
rechten Leberlappeu ca. 5 cm vorschieben, ebenso vom Leberbett aus
in die Gallenblase. Aus der Leber fliesst zuerst trübe, dann ganz helle
Oalle. Bei weiterer näherer j^Betraclitung wird ein zweiter, ebenso
starker Ast, etwa VJ2 cm tiefer freigelegt. Von der Galleublase aus
lässt sich auch dieser gut sondieren. Alle diese Massnahmen sind
sehr leicht, da die Leber sich vollständig umkippen lässt und man
bequem au ilirer unteren Fläche arbeiten kann. Cysticus ist frei,
leicht sondierbar, die Sonde dringt in den Choledochus vor bis in den
retroduodenalen Teil. Der zur Hälfte stehen gebliebene Rest der Gallen-
blase wird mit einem dünnen Gummischlauch versehen und durch
eine dichte Naht wasserdicht verschlossen. Tamponade auf das Leber
bett und die Gallenblasennaht. Naht der übrigen Bauchwunde. Dauer
der Operation 55 Min. Puls hinterher gut. Chloroformnarkose gut.
Verlauf: Gut.
10. 3. 03. Galle läuft die ersten 4 Tage nicht.
12. 3. 03. Galle läuft etwas.
13. 3. 03. Führt ab. Befinden gut. Reichlich brauner Stuhl.
15. 3. 03. Verband ziemlich stark mit Galle durchtränkt. 1. Ver-
bandwechsel. Entfernung der unteren Tampons , welche sehr lose
sitzen. Tampons stark mit etwas stinkendem Sekret durchtränkt, hinter
den Tampons etwas Sekretverhaltung. Ausspülung. Wunde sieht gut
aus. Tampons im Leberbett bleiben liegen. Tamponade, Verband.
Temp. abends 38,2. Nach Lösung der untern Tampons beginnt klare
Galle durch das Rohr tropfenweise abzufliessen.
16. 3. 03. Verband etwas mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel.
Wiederum Wechsel der unteren Tampons. Aus der Gallenblase ent-
leert sich beim Ausspülen stinkende trübe Galle. Tamponade. Verband.
Galle läuft nicht durchs Rohr. Rohr gekürzt. Stuhl braun. Befinden gut.
18. 3. 03. Temp. mittags 37,6, abends 38,4. Etwas Schmerzen an
der Wunde. Verband trocken. Verbandwechsel. Entfernung sämt-
licher Tampons. Aus der Tiefe entleert sich aus der Gallenblase
dicke trübe und stinkende Galle. Ausspülung. Tamponade. 2 etwas
vereiterte Nähte werden entfernt.
19. 3. 03. Temp. 37,5, abends 38,2. Klagen über Schmerzen an
der Wunde. Verbandwechsel. Verband ziemlich stark mit Galle
durchtränkt. Wunde sieht rein aus. Galle fliesst durch das kurze
Drainrohr, Tamponade. Verband.
20. 3. 03. Fieberfrei. Verband trocken. Befinden gut. Wenig
Schmerzen an der Wunde.
23. 3. 03. Verband heute mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel.
Entfernung der Nähte. Galle läuft ganz klar durch das Rohr. Wunde
sieht gut aus. Temp. 37,8-38,2.
24. 3. 03. Verband stark mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel.
Entfernung dos kurzen Rohres und eines Teiles der langen Fäden.
Galle läuft klar. Ausspülung. Tamponade. Verband. Steht auf.
-T 35 —
27. 3. 03. Verband 3 Tage trocken. Heute massig mit Galle
durchtränkt. Verbandwechsel. Weitere lange Fäden entfernt. Wunde
sieht gut aus, verkleinert sich schnell. Ausspülung der Gallenblase
jnit Spülkatheter. Es fliesst klare Galle. Tamponade. Verband. Tem-
peraturen dauernd normal.
30. 3. 03. Letzte lange Fäden entfernt, Galle läuft wenig.
2. 4. 03. Verbandwechsel. Verband trocken. Galle läuft nicht
tnelir. Wundtrichter sehr klein und nicht mehr tief. Man gelangt
nicht mehr in die Gallenblase. Beim Ausspülen der Wundhöhle fliesst
keine Galle mehr. Tamponade. Verband.
3. 4. 03. Pat. wird mit kleinem, gut granulierendem Wundtrichter
als geheilt entlassen.
Epicrise: Der Fall ist ein Unikum. Eine Einmündung
von so starken Hepaticusästen direkt in den Fundus der
<^allenblase ist nirgends beschrieben. Es handelt sich sicher
um eine angeborene Missbildiing, und es ist nicht denkbar, dass
•erst während der Gallensteinkraukheit die Gänge entstanden
sein sollen. Mehrere Möglichkeiten kommen in Betracht
1. Pat. hat zwei normale Hepaticusäste und einen nor-
malen Choledochus, dazu nebenbei zwei direkt in die
Gallenblase mündende Hepaticusgänge. (Fig. 1.)
2. Pat. hat statt des rechten Hepaticusastes die beiden
Hepaticusäste, die direkt in die Gallenblase münden^
einen normalen linken Hepaticusast, Choledochus
normal. (Fig. 2.)
3. Pat. hat weder einen linken noch rechten normalen
Hepaticusast, sondern sämtliche Galle fliesst durch die
beiden in die Gallenblase mündenden Hepaticusäste, von
hier durch den Cysticus in den Choledochus. (Fig. 3.)
Für mich ist die Annahme unter 2 am wahrscheinlichsten.
Ich hatte keine Gründe, den sonst ganz normalen Choledochus zu
incidieren, sonst hätte ich durch Sondierung vielleicht die
Sachlage klären können. Aber der Krankheitsveriauf spricht
für die Erklärung 2. Pat. hatte eine akute Entzündung der
l)rall mit Steinen gefüllten Gallenblase durchgemacht. Dadurch
war der Abfluss der Galle aus dem rechten Leberlappen gestört.
Würden die Verhältnisse sein wie in Nummer 1, so hätte Pat.
überhaupt keinen Ikterus bekommen, würden sie so sein wie unter
Nummer 3, so wäre schwerster Ikterus eingetreten und Pat. hätte
nicht noch 7 Monate gelebt. Wie dem auch sei, der Fall ist
für die Ausführung und Technik der Ectomie von grosser Be-
3*
Hepah'cus
accesson
Rechter
Hepäticus
Fig. 2.
Linker 1 1 Hepaticus
Fig. 3.
Choledochus
— 37 —
deutung. Hätte man die Gallenblase ganz exstirpiert und lagen
die Verhältnisse wie unter 2 (wie ich das annehme), so hätte
man einfach den rechten Hepaticusast abgeschnitten. Bei der
Anordnung, die im Gallensystem herrschte, wäre es ja möglich
gewesen, dass der anfänglich grosse Gallenausfluss mit der
Zeit sistiort hätte und die Galle sämtlich durch den linken
Hepaticusast in den Choledochus gelangt wäre, oder man
hätte durch eine Anastomose zwischen Lebernische und Duodenum
den Gallenabfluss in den Darm wieder herstellen können. Besser
war es aber jedenfalls, dass man die Gallenblase samt den
einmündenden Hepaticusästen erhielt und sich mit einer C^^sto-
stomie begnügte. Der Choledochus selbst war, wie die genaue
Besichtigung — die Palpation ist weniger zuverlässig — ergab,
bestimmt bei der Entstehung des Ikterus unbeteiligt. Der
Choledochus machte einen durchaus normalen Eindruck, keine
Spur von Entzündung, keine Adhäsion in der Tiefe, Foramen
Winslowii frei.
Ich habe in der Literatur (bei Courvoisier und Langenbuch)
keinen Fall gefunden, der dem meinigen gleicht. Nur bei Cour-
voisier ist etwas ähnliches verzeichnet. Von einer ganz eigen-
artigen abnormen Anordnung der gesamten Gallenkanäle be-
richtet Crucknell : In die obere Wand der kleinen Gallenblase
mündete mit weiter Öffnung der gemeinsame Hepaticus, der
kurz vorher vom linken Leberlappen dessen betreffenden Gang
aufgenommen hatte. Aus dem Fundus der Blase entsprang ein
Kanal, welcher zugleich Cysticus und Choledochus war, indem
er die Leber mit dem Duodenum verband. Alle Galle musste also
hier die Gallenblase* passieren, um in den Darm zu gelangen.
In meinem Falle musste nur die Galle des rechten Leber-
lappens die Gallenblase passieren, wenigstens nehme ich das
an ; eine völlig richtige Erklärung des Falles wäre nur durch
die Sektion möglich gewesen. Die Pat. war so verständig, sich
dieser durch Überstehen der Operation zu entziehen*), aber ich
habe Herrn Dr. Notkin in Kiew gebeten, den Fall im Auge
zu behalten und bei einem — hoffentlich noch lange aus-
bleibenden — Exitus durch die Sektion die gewünschte Aut-
klärung zu bringen.
*) Pat. teilte im Februar 1904 mit, dass es ihr sehr gut gehe.
(Anm. während der Korrektur.)
— 38 —
Nr. 18, K. P., 50j. Lebeiisversicherungsdirektor aus Schöne-
berg.
Aufgen.: JO. 9. 1903.
Operiert : 14. 9. 1903. Cystostomie. Appendicectomie-
Entlassen: 28. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat keine Kinder.
Mutter hat früher an Magenkrämpfen gelitten, leidet jetzt viel
an krampfartigen Rückenschmerzen.
Fat. ist immer gesund gewesen.
April 1902 bekam Fat. Beschwerden nervöser Natur, Schwinde^
Kopfschmerzen, Schmerzen in den Waden, allgemeine Mattigkeit nach
psychischen Aufregungen. Fat. wurde 6 Wochen lang von einem Ner-
venarzt massiert und zwar mit Knetmassage des Unterleibes , da es
sich um eine Krankheit des Leibes handele. Danach Kur in Kis-
singen. Dort Wohlbefinden, nur litt Fat. etwas an Verstopfung.
Ende September 1902 begannen jedoch wieder die alten Be-.
schwerden (Schwindel etc.). Darauf Behandlung bei einem Mageii-
spezialarzt.
Mitte November 1902 plötzlich eine Nacht hindurch in der Leber-
gegend dumpfe, drückende Schmerzen, die bis in den Rücken aus-
strahlten. Gleicher Anfall 3-4 Tage später. Kein Erbrechen, kein
Fieber, keine Gelbsucht. Angeblich Stuhl damals weiss, Urin aber
dabei hell. Stuhl stets breiig, „wie in Gärung". Danach wieder völliges
Wohlbefinden.
März, April und Mai 1903 je einmal ein gleicher, jedoch viel mil-
derer Anfall.
Ende Juni Kur in Karlsbad. Dort die Kolikanfälle häufiger, wäh-
rend 4 Wochen 6—8 Mal, jedoch ziemlich milder Art. Einmal dabei
Erbrechen. Auch ab und zu kurze zuckende Schmerzen im Rücken
wie elektrische Schläge. Dazwischen Wohlbefinden.
Ende Juni und Anfang August neue leichte Anfälle. Anfang
August bemerkt Fat. eine Geschwulst in der Gallenblasengegend.
Letzte leichte Anfälle am 4. und 7. September. Darauf riet Herr
Dr. Hertzberg- Berlin zur Operation und sandte uns Fat. zu.
Anfang Juni wurde im Magen des Fat. abnorm viel Schleim und
Salzsäure festgestellt.
Zur Zeit, etwa seit 8 Tagen, hat Fat. dauernde Schmerzen etwa
handbreit unterhalb des rechten Rippenbogens.
10. 9. 03. Temp. abends 37,8.
11. 9. 03. Temp. morgens 37,8 abends 38,0.
12. 9. 03. Temp. morgens und abends 37,7.
13. 9. 03. Temp. morgens 37,8, abends 38.0.
Befund: Wenig schmerzhafter, hühnereigrosser Tumor der
Gallenblase, ziemlich weit nach rechts hinübergelagert. Darunter in
der Ileocoecalgegend Druokempfindlichkeit. Leber etwas vergrössert,
— 39 —
deutlich palpabel. Kein Ikterus. Im Urin Spuren von Eiweiss, " kein
GallenfarbstofF, kein Zucker.
Diagnose: Entzündlicher Hydrops der Gallenblase (Appendicitis
catarrhalis acuta?)
Operation: 14. 9. 03. Gute Sauerstoff -Chloroform -Narkose.
Dauer 70 Min., 45 gr. Chloroform. Wellensclinitt mit rölllger Diirch-
trennnng der masc. rect. abd., da die (ialleublase weit nach rechts liegt.
Galleublase sehr gross, gespannt, enthält dünnen, gallig gefärbten
Eiter und ca. 50 erbsengrosse Steine. Im Hals der Gallenblase, der
sehr verdickt ist und sich wie eine Portio uteri anfühlt, ein walnuss-
grosser Stein, der sich aber leicht funduswärts drücken lässt. Cysto-
stomie mit Draht. Appendix geschwollen, enthält Kot, ist im Sta-
dium akuter katarrhalischer Entzündung. Appendicectomie. Dauer
dieser Operation kaum 10 Min.
Verlauf: Gut.
28. 10. 03. Wunde fast ganz geschlossen. Nur noch Spuren von
Galle im Verband. Wird geheilt entlassen. Muss noch einige Male
vom Hausarzt verbunden werden.
Kpicrise: Es machte auf mich den Eindruck, als ob eine
Infektion der Gallenblase und des Appendix vorlag, die viel-
leicht auf eine und dieselbe Ursache zurückzuführen ist. Bei
dem geschwollenen Hals der Gallenblase ist in solchen
Fällen einer Ectomie zu widerraten. Dass man die kranke
Appendix mit'entfernt, versteht sich ganz von selbst.
Nr. 19. M. D., 38j, Gastwirtsfrau aus Pabstorf.
Aufgen.: 12. 3. 1904.
Operiert: 18.8.1904. Cystostomie. Appendicectomie.
Entlassen: 26. 4. 1904. Geheilt.
Anamnese: Mutter hat an Magenkrämpfen gelitten, Schwester
wegen Gallensteinen in Braunschweig operiert. War immer gesund
bis vor 6 Jahren, wo sie eine schwere Blinddarmentzündung durch-
machte; damals 8 Wochen bettlägerig. Seit 5 Jahren etwa jährlich
einmal Magenkrampf, bei welchem 6 Wochen bettlägerig. Vor 6 Tagen
Anfall von Magenkrampf mit Schüttelfrost und Fieber, der aber am
andern Tage vorüberging; danach wieder Fieber bis 40° und Fröste.
Herr Dr. Klavehn schickt die Pat. wegen schwerer akuter eitriger
Cholecystitis zur Operation.
Befund: 39,5'' C. Fieber; prall gespannler sehr druckempfind-
Hcher Tumor der Galleriblase. Am 13. 3. 03 morgens 38,5° C. Tumo-
weniger empfindlich.
Vor der Aufnahme : Kein Ikterus, keine Leberschwellung, Tumor
der Gallenblase. .
Bei der Aufnahme: Kein Ikterus, keine Leberschwellung, Tumor
der Gallenblase. Urin frei.
Diagnose: Serös-eitrige Cholecystitis.
— 40 —
Operation: 13. 'S. 04 in Beisein der Herren Dr. Klavebn-
Pabstorf und Dr. Dwight M. Lewis-Baltimore. Gute Chloroforni-
Sauerstoff-Narkose, 65 gr. Dauer der Operation 55 Minuten. Wellen-
schnitt. Gallenblase sehr gross, prall gespannt, mit Netz locker ver-
wachsen. Lösung. Appendix geschrumpft, eng. wird entfernt. Typische
Cystostouiie nach der Drahtuiethode. Der Cysticns sehr wand verdickt,
so dass es schwer ist, zu entscheiden, ob noch Steine dort stecken.
Inhalt der Grallenblase trüber Schleim, eitrige Galle. Wand der Gallen-
blase sehr verdickt. Es werden im ganzen ca. 20 Steine von Hasel-
nussgrösse entfernt.
Verlauf: Fieberfrei.
16. 3. Gallenfluss beginnt, ziemlich trübe Galle.
18. 3. Führt ab.
24. 3. Galle läuft reichlich, vollkommen klar.
28. 3. Verbandwechsel. Entfernen aller Cjstostomiefäden und
Drähte und sämtlicher Hautnähte. Wunde absolut reizlos. Beim
Ausspülen der Gallenblase ein kantiger Stein ausgespült.
30. 3. Beim Ausspülen der Gallenblase wieder ein Stein entfernt.
3. 4. Wieder ein Stein, anscheinend der letzte ausgespült. Fat.
steht auf.
5. 4. Beim Ausspülen kommt noch ein kantiger Stein zu Tage.
Galle läuft jezt sehr gut.
9. 4. Noch ein grösserer Stein in Trümmern extrahiert und die
Trümmer durch Ausspülen entfernt. Galle läuft.
21. 4. Nachdem bisher noch sehr reichlich Galle gelaufen ist,
hat sich jetzt die Gallenfistel nahezu ganz geschlossen.
24. 4. Geheilt entlassen; es besteht nur noch kleine Granulation.
Herr Dr. Klavehn übernimmt die Nachbehandlung. Nachdem 8 Tage
die Fistel geschlossen war, bricht sie wieder auf. Es entleert sich
trübe Galle. Bei Sondierung findet man keinen Stein. Ausspülung
der Gallenblase. Nach 3 Tagen Fistel geschlossen. Befinden sehr gut.*)
Epicrise: Ich habe gerade diesen Fall auf die Möglich-
keit einer Ectomie geprüft. Da aber in solchen Fällen der Cysticus
sehr wand verdickt und die Leber sehr blutreich ist, dürfte die
Technik nicht leicht sein. Auch die Infektionsgefahr ist nicht
gering. Lässt man die Gallenblase geschlossen, so kann sie intra
operat. leicht platzen; entleert man sie, so ist eine Infektion
immerhin möglich. — Ich meine, dass die Cystostomie der In-
dikation — der Entleerung des Eiters — völlig genügt und das
ist die Hauptsache. Ich sage in solchen Fällen stets den An-
gehörigen, dass nicht immer eine Operation genügt, sondern
manchmal noch nach Wochen eine zweite nötig wird. — Während
der Nachbehandlung wurden noch einige Steine entfernt. Bei
*) Fat. fühlt sich zur Zeit völlig wohl. Gallenfistel fest geschlossen.
(Anmerkung während der Korrektur.)
~ 41 —
Wiederkehr der Entzündung- wäre es leicht, die Narbe zu spalten
und die Gallenblase auszuspülen.
b) Cystostomie mit nur teilweiser Einnäiiung- der
Gallenblase in die Bauchwunde und gleichzeitiger
Tamponade.
Nr. 20. S. K., 52 j. Rentiersfrau ans Dessan.
Aufgen.: 9. 10. 1902.
Operiert: 12. iO. 1902.. Laterale Cystostomie.
Entlassen: 20. 11. 1902. Geheilt.
Anamnese: Seit ca. 20 Jahren hat Pat. „Magenkrämpfe",
Schmerzen im Oberbauch, besonders rechts, ein beengendes, atem-
raubendes Gefühl um die Taille; die Schmerzen gehen zum Rücken
und zwischen die Schulterblätter, dabei Übelkeit, Erbrechen, Schwäche-
gefühl, nie Ikterus. Vor ca. 15 Jahren Hämorrhoidenoperation. Vor
ca. 10 Jahren häuften sich die Koliken, sie kamen monatelang mehr-
mals in der Woche, Pat. lag meist einige Tage lang zu Bett, erholte
sich aber immer bald wieder. Später kamen die Anfälle seltener.
Vor 4 Jahren Fall von einer hohen Leiter, Pat. schlug mit dem Kopf
-an eine Schrankecke, seitdem hat sie öfter Neuralgieen und ist sehr
nervös. In der Rekonvalescenz kamen die Anfälle wieder viel häufiger,
nachher seltener, in den letzten Jahren etwa alle 2 Monate. In der
letzten Zeit fühlte sie dauernd Unbehagen, der letzte Anfall kam vor
4 Wochen, er war sehr schwer, dauerte 13 Stunden. Die Schmerzen
Sassen mehr nach rechts und waren viel heftiger als sonst. Pat. lag
14 Tage zu Bett, es kamen öfters kleine Schmerzattacken, aber keine
ausgesprochenen Koliken. In den ersten 8 Tagen hatte sie Fieber,
nachts fast regelmässig einen Schüttelfrost. Das Unbehagen in der
Gallenblasengegend ist sie nicht mehr losgeworden. Sie hat an Ge-
wicht und Kräften verloren.
Pat. hat mehrmals 'Karlsbader Wasser getrunken, in Karlsbad
war sie nicht. In den Anfällen bekam sie häufig Morphium. Herr
Dr. Klauder-Dessau riet ihr zur Operation.
Befund: Schmerzhafte Resistenz der Gallenblasengegend. Kein
Ikterus, keine Leberschwellung. Am 10. und 11. 10 nachts kurze
Koliken mit Neigung zum Erbrechen. Kein Fieber. Urin frei.
Diagnose: Chron. Cholecystitis (wahrscheinlich Empyem).
Operation: 12. 10. 02. Wellenschnitt. Starker panniculus
adiposus. Leber normal. Gallenblase massig gross, prall gespannt,
mit Netz verwachsen, enthält Eiter und 5 haselnussgrosse und 20
kleinere Steine. Cystostomie, Snspeusion der Gallenblase lateral am
Perit. pariet., die mediale Fläche wird tamponiert. Naht der Bauch-
decken. Verband. Dauer der Operation 35 Min. Gute Chloroform-
Narkose,
Verlauf: Abends einmal Erbrechen.
— 42 —
13. 10. 38,8. Puls 70. Kein Erbrechen mehr, Leib weich. Zunge
feucht. Es läuft noch keine Galle ans dem Rohr, auch der Verband
ist trocken. Kein Urin. Katheterisieren. 38.5.
14. 10. 38,4. Puls 72. 38^.
15. 10. 37,7. Puls 72. Urin spontan. Gallenflnss massig.
17. 10. Abführen.
25. 10. Vorbandwechsel. Herausnahme der Tampons und Nähte.
Ausspülung der Gallenblase.
28. 10. Herausnahme der letzten Nähte.
2. 11. Aufstehen.
20. 11. Geheilt entlassen. *
Epicrise: Ein typischer Fall von Empyem der Gallen-
blase. Kein Ikterus, fortwährendes Unbehagen in der Gallen-
blasengegend.
Nr. 21. C. N., 30j. Kaufmann aus Osnabrück.
Aufgen.: 20. 1. 1903.
Operiert: 22. 1. 1903. Laterale Cystostomie. Hepatopexie.
Entlassen: 24. 2. 1903. Geheilt.
Anamnese: Vor 10 Jahren bekam Pat. einen Kolikanfall, der
anfangs für Magenkrampf gehalten wurde. Es bestanden 10— 12 Stunden
andauernde kolikartige Schmerzen in der Gegend des Magens und der
Magengrube. Es traten dann zunächst alle 3 — 4 Tage, später etwa
alle 14 Tage neue gleichartige Anfälle auf, bis Pat. im Herbst vor
10 Jahren eine Kur in Karlsbad durchmachte, die guten Erfolg hatte.
Die Anfälle traten seltener auf (Pat. war bis zu ^/i Jahr frei von An-
fällen) und waren weniger heftig, dauerton auch kürzere Zeit (nur bis
zu V* Stunde). Pat. machte dann noch eine Kur in Neuenahr und dann
fast jedes Jahr eine solche in Karlsbad durch. In den Zwischenzeiten
zwischen den Anfällen war Pat. immer völlig wohl und frei von jeg-
lichen Beschwerden.
Im Frühjahr 1902 bekam Pat., der sich beim Radfahren eine
Wunde zugezogen hatte, eine allgemeine Blutvergiftung (Fieber bis
über 39°). Nach 14 Tagen bekam Pat. dabei einen heftigen Kolikanfall
mit leichter Gelbsucht. Das Fieber stieg nunmehr auf 41,5° und
dauerte noch 4 Tage. Pat. erholte sich danach wieder ziemlich schnell.
Jedoch traten jetzt wieder häufiger Kolikanfälle auf; die Schmerzen
dabei bestanden jetzt auch namentlich in der Lebergegeud. Im Herbst
machte Pat. wieder eine Kur in Karlsbad durch.
Im November 1902 wiederum ein sehr heftiger, mehrtägiger Kolik-
anfall mit Gelbsucht und Fieber bis 40,6°. Danach wurde ein etwa
erbsengrosser Stein im Stuhl gefunden. Im Dezember darauf zunächst
ein leichterer Anfall und Weihnachten wieder ein heftiger mit Gelb-
sucht und Fieber bis über 39,0, der 3— 4 Tage dauerte und bei dem
sehr heftige Schmerzen an einer talergrossen Stelle in der Gegend
der Gallenblase bestanden. Seit November hat Pat. jetzt andauerndes
— 48 —
Druckgefühl und Unbehagen in der Lebergegend. Die Leber soll zur
Zeit der letzten Karlsbader Kur geschwollen gewesen sein. Gelbsucht
zeigte sich vor 3— 4 Jahren zum erstenmal, wobei erst einige Tage
nach ihrem Auftreten eine Kolik folgte. Auch ist die Gelbsucht immer
nur leicht gewesen. Es wurden mehrmals kleine Steinchen gefunden,
zuletzt der grösste etwa erbsengross im November 1902. Der Stuhl
ist angeblich nicht entfärbt gewesen. Fieber bei den Anfällen stellte
sich seit dem Anfall im Frühjahr vorigen Jahres ein. Die Anfälle
selbst traten zu verschiedenen Tageszeiten auf, die Schmerzen be-
gannen jedesmal an anderen Partien des Rumpfes, teils im Rücken,
teils im Leib, in der Magen- oder Lebergegend. Behandelt wurde Pat. mit
Karlsbader Wasser, Morphium und Morphiumatropin - Einspritzungen ,
Opium und Opium-Stuhlzäpfchen.
Befund: Leber nicht vergrössert. Inder Gegend der Gallenblase
in der Tiefe eine deutliche, harte, rundliche Resistenz, welche sehr
druckempfindlich ist. Keine Gelbsucht. Urin frei.
Diagnose: Empyem der Gallenblase sehr wahrscheinlich.
Operation: 22. l. 03. Wellenschnitt. Leber normal. Gallen-
blase liegt tief, mit Netz verwachsen, enthält Eiter und Schleim und
ca. 40 kleine und 3 — 4 haselnussgrosse Steine. Hals der Gallenblase
und Cysticus sehr verdickt. Choledochus erscheint frei. Narkose
schlecht, deshalb nnr Cystostoinie, Hepatopexie mit 2 Sntnren. Laterale
Seite der Gallenblase wird angenäht. Auf die mediale kommt Tam-
pouade. Dauer 40 Min.
Verlauf: 22. 1. 03 normal.
23. 1. 03. Temp. mittags 37,8, abends 37.9. Puls 80— 89.
In der Nacht häufiges Erbrechen von grünlichem Schleim, daher
Magenspülung. Im Magen nur grünlicher Schleim. Im Laufe des
Tages viel Aufstossen und mehrmaliges Erbrechen grünlichen Schleimes.
Befinden sonst leidlich. Galle läuft nicht.
24. 1. 03. Temp. mittags 38,3, abends 38,4. Puls 82-80, sehr
kräftig. Im Laufe der Nacht und des Tages sehr häufiges Aufstossen
und Erbrechen von etwas grünlicher Galle. Kollern im Leib, nach
der Spritze gehen Blähungen. Leib weich, nicht druckempfindlich.
2 Kochsalzinfusionen, 2 Kochsalzklystiere, 2 Nährklystiere. Pat. liegt
auf der Seite, abwechselnd Bauchlage. Allgemeinbefinden durch das
häufige Aufstossen und Erbrechen sehr gestört.
25. 1 . 03. Temp. mittags 37,7 , abends 38,2 , Puls 78-84. Pat.
würgt und bricht noch den ganzen Tag über. In der Nacht noch eine
Magenspülung mit Sodalösung (l : 1000) , danach etwas Besserung.
2 mal am Tage noch Magenspülung; ferner Nährklystiere und Einlaufe.
Galle läuft. Blähungen gehen reichlich von selbst.
26. 1. 03. Temp. mittags 38.5. Puls 92. Kräftig. Temp. abends
38,8. Puls 96. Gestern Abend nach 2 Chloralspritzen etwas
Ruhe. Seit Mitternacht kein Aufstossen und Erbrechen mehr.
Befinden besser. Nachmittags wieder mehrmaliges Würgen und etwas
Erbrechen. Magenspülung. Danach Besserung.
- 44 --
27. 1. 03. Nacht ziemlich gut. Heute wieder mehrmals etwas
Würgen und Erbrechen, besonders nachmittags. 2 mal Magenspülung.
Temp. mittags 38,8, abends 38,9. Puls 120, etwas dikrot und inaequal.
Verbandwechsel. Entfernung der Tampons. Mediale Gallenblason-
wand und anliegende Magenwand etwas missfarbig belegt. Tamponade.
Rohr in der Gallenblase wird gekürzt, bleibt liegen. Galle läuft massig
reichlich.
' 24. 2. 03. Pat. wird mit oberflächlicher, kleiner, gut granulieren-
der Wunde als geheilt entlassen.
Epicrise: Die deutliche, sehr intensive Druckempfindlich-
keit Hess im Zusammenhang mit der Anamnese die Diagnose
auf ein Empyem stellen. Weil Pat. ein Mann war, musste man
sich mit der Cystostomie begnügen. Pat. hat sich im Juli 1903
in blühender Gesundheit mit einer Gewichtsvermehrung von
über 30 Pfund vorgestellt.
Nr. 22. Dr. H., 52 j., aus Dresden.
Aufgen.: 13. 12. 1898.
Operiert: 15. 12. 1898. Cystostomie mit teilweiser
Annähung.
Entlassen : 27. 1. 1899 mit Gallenfistel.
Anamnese: Die Anamnese hatte der Pat. selbst niederzu-
schreiben die Güte. Sie lautet : „Erbliche Verhältnisse : Vater ge-
storben, 76 Jahr alt. Mutter lebt, 80 Jahr alt, gesund. Geschwister,
8 leben gesund, 1 gestorben im Alter von 10 Jahren an Herzklappenfehler.
Als Kind habe ich an Rhachitis massigen Grades und skrophu-
lösen Eczemen gelitten. Später kräftig und gesund.
1878 hatte sich eine Insufficienz der Mitralis ganz allmählich ent-
wickelt, die von Prof. Wagner in Leipzig und Geheimrat Dr. Fied-
ler in Dresden festgestellt wurde. Kompensation bis jetzt trotz
grosser beruflicher Anstrengungen gut.
In den letzten 6—8 Jahren periodisch in Zwischenräumen von
6 bis 8 Wochen Magenstörungen durch übermässige Säurebildung
und Atouie des Magens, besonders nach gewissen Ingestis, z. B.
nach Zwiebel.
Diese Anfälle dauerten nur mehrere Stunden; nach reichlichem
Erbrechen der letztgenossenen Speisen als stark saure Massen trat
wieder vollständiges Wohlbefinden ein. Appetit vorher und nachher
normal. Defäkation immer normal und regelmässig.
Am 10. Oktober, abends gegen 6 Uhr, wurde ich auf der Land-
strasse von einem Radfahrer angerannt und zu Boden geworfen. Der
Stoss erfolgte gegen die Brustgegend. Zunächst durchaus keine
schmerzhafte Empfindung, am späteren Abend aber um 10 Uhr erster
Anfall von heftigen Schmerzen, die ganz allmählich einsetzten, dann
bohrend und spannend, anschwellend und wieder nachlassend an der
— 45 —
Stelle der Gallenblase lokalisiert erschienen. Dauer bis gegen 1 oder
2 Uhr. Dabei wie früher saures Erbrechen und Übelkeit.
Diese Anfälle haben sich seitdem mit Pausen von 1 — 3 Tagen,
zumeist 2 Tagen mit peinlicher Regelmässigkeit zur gleichen Abend-
stunde wiederholt, indem sie allmählich das Brechen dabei abstreiften
und sich mehr und mehr als reine Schmerzanfälle charakterisierten.
Bei einigen habe ich schliesslich Morph.-Iujekt. 0,01 zu Hülfe
genommen.
Die dazwischen liegende Zeit war meist vollständig normales Ver-
halten, guter Appetit, regelmässiger normaler Stuhl vorhanden.
Ikterus fehlt. Urin frei von Eiweiss und Zucker, ebenso von
Gallenfarbstoff".
Die Diagnose wurde auf akute Entzündung in der Gallenblase
gestellt, geschrumpfte Gallenblase. Tumor nicht zu tasten. Am Herzen
ein blasendes, systolisches Geräusch. Die übrigen Organe gesund.
Operation am 15. 12. Zuerst Chloroform, dann wegen schlech-
ter Atmung und Herztätigkeit Äther. Längsschnitt im rechten M. rect.
abdom. Gallenblase klein, sehr prall gespannt, liegt weit rechts, enorm
hoch unter der Leber. Keine Adhäsionen, ein Stein im Cysticus.
Resektion des Rippenbogens nach Lannelongne, nin überhaupt die
Gallenblase zu Gesicht zn bekommen. Aspiration einer eitrigen Flüssig-^
keit (Bact. coli nachgewiesen). Im Cysticus ein Stein ; lässt sich in
die Gallenblase drücken. Extraktion. Einnähnng der Gallenblase ge-
lingt nur teilweise. Ausstopfnng der Banchhölile an der unteren Fläclie
der Gallenblase mit steriler Gaze. 2stündige sehr schwere Operation.
Puls 120: klein. Pat. rast und tobt im Bett, ist kaum zu halten.
Abends 37,2. Puls 130. Kein Erbrechen.
Verlauf: Der Puls wird bald langsamer und besser. Temperatur
immer normal. Der Ausfluss von Galle beginnt am 4. Tage nach der
Operation in reichlicher Menge. Am 12. Tage post op. Verbandwechsel
und Entfernung der Tampons. Die Wunde sieht gut aus. Im Januar
läuft aus der noch zugänglichen Gallenblase keine Galle mehr ab,
sondern nur geringe Mengen Schleim. Es wurde dafür gesorgt, dass
die Gallenblasenfistel noch^lange Zeit aufblieb, um einen etwa nach-
rückenden Stein leicht entfernen zu können. Die Gallenblase wird
immer noch mit steriler Gaze ausgestopft. Stein nicht nachweisbar.
2 Tage vor der Entlassung findet man im Verband Galle.
Allgemeinbefinden vorzüglich. Schlaf, Appetit, Stuhlgang gut.
Die Entlassung erfolgte am 27. 1. 1899 mit Gallenfistel. Nach-
behandlung in Dresden.
Epicrise: Sehr bemerkenswert ist die Entstehung der
Koliken nach dem von dem Kollegen in der Anamnese geschil-
derten Unfall. (Überfahrenwerden durch einen Radler.) Das
Trauma spielt, wie auch von anderer Seite berichtet wird, bei
der Überführung der Cholelithiasis aus dem latenten Stadium^
in das aktive eine grosse Rolle, und wir Chirurgen haben allen
— 46 -
Grund, bei Arbeitern, die an Gallensteinen erkrankten, auf etwa
vorausgegangene traumatische Einwirkungen zu achten.
Die Lannelongue'sche Rippenknorpelresektion zur bes-
seren Erreichung der tief liegenden versteckten Gallenblase ist
nur selten nötig — und fast nur bei Männern, bei denen sehr
häufig die Gallenblase recht hoch liegt. Hätte ich schon damals
den Wellenschnitt geübt, wäre wahrscheinlich die Rippenresek-
tion in Wegfall gekommen.
Das Empyem der Gallenblase, welches in diesem Falle
vorlag, war schwer zu diagnostizieren, da die Gallenblase na-
türlich nicht getastet werden konnte.
Nr. 23. H. K, 45 j. Pfarrer aus Hoygeudorf bei Allstedt.
Aufgen.: 11. 10. 1899.
Operiert: 13. 10. 1899. Laterale Cystostoraie.
Entlassen: 14. 12, 1899. Fast geheilt. Später ganz
gesund.
Anamnese: Vater starb, 74 Jahre alt, an Apoplexia cerebri;
die Mutter starb, 59 .Jahre alt, infolge einer inoperablen Geschwulst
des Unterleibes. Von 4 Schwestern des Pat. sind 2 in den ersten Lebens-
tagen gestorben (Zwillinge); die beiden anderen sind gesund.
Pat. selbst war, von den Kinderkrankheiten abgesehen, bis zum
28. Jahre gesund. In diesem Jahre stellte sich ein Halsleiden ein,
wahrscheinlich eine Cyste des Nasenrachenraumes, die Pat. im Jahre
1898 exstirpieren Hess. Seit dem 30. Lebensjahre etwa bestehen zwar
leichte, aber fast ununterbrochene Schmerzen in der Brust, im Rücken
und in der Lebergegend. Diese Schmerzen machen sich besonders bei
anhaltendem Sprechen bemerkbar. Der Appetit war gut, leichte wie
schwere Speisen wurden gut vertragen. Es wurde zunächst an eine
Erkrankung der Lungen oder des Herzens gedacht, später diagnosti-
zierte Herr Dr. Sc hrader- Allstedt Anschwellung der Leber.
Im August 98 erster charakteristischer Gallensteinkolikanfall mit
krampfartigen Schmerzen im Rücken und in der Oberbauchgegend.
3 Tage vor dem Anfalle heftig ziehende Schmerzen zwischen den
Schulterblättern. Der Anfall dauerte 8 Tage, doch wurden die Schmel-
zen allmählich geringer. In den ersten Tagen des Anfalles ein stark
quälendes Würgen, ohne dass es zum Erbrechen kam. Nach dem An-
falle blieb noch für mehrere Wochen ein erhel)Hches Schwächegefühl
zurück.
Der zweite Kolikanfall stellte sich Ende Mai 99 ein, verlief aber
milder: die Schmerzen waren weniger krampfartig und dauerten nur
2 Tage. Auch diesem Anfalle gingen als Vorboten Schmerzen zwischen
den Schultern 3—4 Tage lang voraus.
— 47 —
Der dritte Anfall verlief wieder heftiger. Am 3. und 4. 10.
Schmerzen im l^ückeu; am. 5. 10. Kolikanfall, der 2 Tage anhält.
Während des Aufalles heftiges Würgen. Zur Zeit der Anfälle war der
Appetit jedesmal gering; in der Zwischenzeit war er gut. Der letzte
Anfall ging mit ausgesprochenem Frostgefühl einher. Während der
Anfälle bestand Stuhlverstopfung, sonst war der Stuhl regelmässig.
Die Farbe des Stuhles soll normal gewesen sein; nach Steinen wurde
nicht gefahndet. Gelbsucht hat nie bestanden. Während des ersten
Anfalles angeblich Herzklopfen. Am 12. 4. 99 konsultiert Fat. Herrn
Geh. Rat Prof. Seidel -Jena, der Gallensteine diagnostiziert und den
Fat. der KHnik überweist.
Befund: Mittelgrosser, ziemlich gut genährter Manu von
leidendem Gesichtsausdrucke. An Herz und Lungen nichts krankhaftes,
im Urin weder Eiweiss noch Zucker^ noch Gallenfarbstoff. Die Leber
nicht vergrüssert, in der Gegend der Gallenblase undeutlich ein druck-
empfindlicher, mit der Atmung verschiebbarer Tumor von Walnuss-
grösse zu tasten. Temperatur normal. Stuhlgang, braun.
Diagnose: Acute serös-eitrige Cholecystitis, in Abheilung be-
griffen.
Operation: Längsschnitt im rechten Rect. abd. Gallenblase
unter der Leber versteckt, stark gespannt, enthält trübe eitrige Galle
(nachträglich wird fast in Reinkultur das Bact. coli nachgewiesen).
Zwischen Gallenblasenhals und Magen flächenhafte, sulzige Adhäsionen.
Lösung. Iiu Cysticus ein harter Körper (ob Stein oder Drüse lässt
sich schwer sagen). Da eiue Cysticotomie bei dem schwachen, blassen,
schlecht atmenden Pat. zu gefährlich erscheint, wird die Galleublase
nur an ihrer lateralen Fläche an das Perlt, pariet. angenäht, die Unter-
fläche bis zum Cysticus tamponiert, um event. eine seciindäre Cysticotomie
aasfliliren zu können. Teilweiser Verschluss der Bauchwand. Schlechte,
*/4 st. Narkose.
Verlauf: Es läuft nie Galle. Am 10. Tage post. op. Verband-
wechsel. Die Gaze zwischen Cysticus und Magen wird erneuert, die
Gallenblasenöffnung erweitert, aber ein Stein ist nicht zu finden. Wahr-
scheinlich verbirgt sich dieser in den Falten des Cysticus. Dabei ist
das Befinden gut, kein Fieber, nur ist der Schlaf schlecht. Pat. steht
am 9. 11. auf. Schleimfistel.
Trotz mehrfacher Einlegung von Laminariastiften gelingt es nicht,
den Cysticus frei zu machen und den Galleufluss herzustellen. Pat. er-
holt sich dabei täglich mehr, aber immer wahrscheinlicher wird es, dass
der Cysticusverschluss ein lithogener ist. Deshalb wird am 28. 11. 99
eine secundäre Cysticotomie beschlossen, dieselbe aber unterlassen, da
zum erstenmale Galle reichlich ausfliesst. Da unterdess die äussere
Fistel sehr eng geworden ist, wird wiederum ein Laminariastift ein-
gelegt, um dadurch das Gallenblaseninnere besser zugänglich zu
machen.
Am 1. 12. fühlt man mit der Sonde in der Tiefe der Galleublase
einen Stein, der nun in Trümmeru am 3. und 3. 12. zum Yorscheiu
— 48 —
kommt. Die Gallenfistel sondert .geringe Mengen Galle ab, Pat. fühlt
sich wohler, wird am 14. 12. mit fast geschlossener Fistel in gutem
Ernährungszustand entlassen.
Epicrise: Der Fall lehrt, dass man durch eine ungefähr-
liche Operation und geduldiges Abwarten oft mehr erreicht, als
durch rücksichtsloses Vorgehen. Besonders dann, wenn man
sich nicht im Klaren ist, ob das, was man am dnctus cysti-
cus fühlt, verhärtete Drüse oder Stein ist, möchte ich für
den weniger Geübten rechte Zurückhaltung empfehlen.
Nr. 24. R. V., 46 j. Buchdruckereibesitzer aus Bernburg»
Aufgen.: 4. 3. 1902.
Operiert: 6. 3. 1902. Laterale Cystostomie.
f 8. 3. 1902 an „schwarzem" Erbrechen.
Anamnese: Pat. hat seit einigen Jahren geringe Mengen (0,2*'/o^
Zucker im Urin. Die Beschwerden von Seiten der Gallen wege hat er
seit 5 Jahren. Im Anfange seltener , späterhin häufiger traten ge-
wöhnlich 2—3 Stunden nach dem Essen heftige kolikartige Schmerzer^
in der rechten Seite auf, welche nach dem Rücken ausstrahlten.
Meist hielten sie mehrere Stunden, manchmal die ganze Nacht an.
Immer fühlte sich Pat. nach Ablauf derselben sehr angegriffen. In sel-
tenen Fällen trat nach dem Anfalle eine leichte Spur von Ikterus auf.
Zuweilen waren die Anfälle mit Migräne verbunden. In den ersten
Jaliren kamen die Anfälle selten, in mehrmonatlichen Pausen, und Pat,
fühlte sich in der Zwischenzeit völlig wohl. Mit den Jahren nahm die^
Häufigkeit der Anfälle zu. Pat. fühlte sich auch in den Zwischenzeiten
nicht völlig wohl und hatte häufig ein leichtes Druckgefühl in der
Gegend des rechten Rippenbogens. Seit November vorigen Jahres
kehren die Anfälle ca. alle 14 Tage wieder und sind sehr heftig. Auch
in der anfallsfreien Zeit ist Pat. nie ganz ohne Beschwerden. — Mehr-
malige Karlsbader Kuren waren nur von vorübergehenden Besserungen
gefolgt. Morphium hat Pat. während der Anfälle innerlich genommen.
Befund: Starke Resistenz in der Gallenblasengegend. Diese sehr
schmerzhaft. Kein Ikterus. Im Urin geringe Menge Zucker. An der
Mitralis ein leises systolisches Geräusch. Leber nicht vergrössert.
Diagnose: Chron. Cholecystitis calculosa.
Operation: 6. 3. 02. Wellenschnitt. Gallenblase liegt versteekty
ist prall gefüllt, enthält 7 Steine von der Grösse der Viktoriaerbse und
1 (im Hals) von Kirschengrösse. In der Gallenblase trübes Serum.
Keine Adhäsionen. Cystostomie. Siispeusion der Oallenblnse lateral am
Perlt, pariet. Medial wird die Gaze eingelegt. Schlauch in die
Gallenblase.
Dauer der Operation 40 Min. Schlechte Chloroformnnrkoso, viel
Chloroform.
— 49 —
Verlauf: 6. 3. 02 abends: 37,6, Puls 88.
Gutes Befinden. •
7. 3. 02. Im Laufe des Vormittags häufiges Erbrechen gallig gefärb-
ter Massen. Bei der Magenspüliiug fludet sich grosse Menge schwarzen
Inhalts. Im Lanfe des Tages 3 mal Magenspülung , 3 mal Kochsalz
snbkntau. Abends Nachlassen der Herzkraft. Puls sehr weich.
Abends Magen fast leer, nur wenig blutiger Inhalt. Im Laufe der
Nacht noch 2 mal Kochsalz subkutan, 1 mal Magenspülung. Campher.
Trotzdem unter zunehmender Herzinsuffiziens Exitus am 8. 3. 02
morgens 8 Uhr.
Sektion : Revision der Bauchhöhle von der Wunde aus. Im Ver-
band massige Menge Wundsekret. Bauchhöhle allenthalben gegen den
tamponierten Wundtrichter gut abgeschlossen. Serosa überall glatt,
glänzend; Magen gebläht, fast leer. Auf der Magenschleimhaut zahl-
reiche kleine Ekchymosen, welche stellenweise deutlich einen ober-
flächlichen Snbstanzverlust erkennen lassen. Im Magen zähe Schleim-
masserf, mit schwarzem Blut vermischt.
E p i c r i s e : Ich habe dem Pat. nicht viel zur Operation
zugeredet, aber er wünschte sie, da er eigentlich nie ganz frei
von Schmerzen war. Er war von den vielen Schmerzen mürbe
und fühlte sich überhaupt nicht gesund. Der Tod erfolgte an
schwarzem Erbrechen, dessen Ursache immer noch dunkel ist;
-irgendwelche Zeichen von Sepsis wurden in diesem Falle nicht
gefunden.
c) Cystostomie nach Ablöstmg der Gallenblase von
der Leber.
Nr. 25. fi. ß., 34 j. Lehrer aus Watenstedt.
Anfgen. : 30. 6. 1903.
Operiert: 4*7. 1903. Cystostomie nach Ablösung der
Gallenblase von der Leber.
Entlassen: 8. 8. 1903. Geheilt.
Anamnese: Eine Schwester litt an Gallensteinen.
Im 15. Lebensjahre chronischer Magen- und Dünndarmkatarrh
('/4 Jahr lang), der sich hauptsächlich in ständigem Druckgefühl in der
Magengegend äusserte.
Vor 4'/« Jahren ein etwa 5 Stunden andauernder Anfall von hef-
tigen Schmerzen in der Gegend der Magengrube und der Leber, dabei
Rückenschmerzen, Erbrechen, kein Fieber, keine Gelbsucht. Dauer
der Anfälle 3—4 Tage. In den Zwischenzeiten stets Wohlbefinden.
Am 31. Mai nachts einige Stunden dauernder Schmerzanfall. Der
Schmerz hörte ganz plötzlich auf, sodass Pat. glaubt, es sei dabei ein
Stein abgegangen. In der Zwischenzeit stets völliges Wohlbefinden.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 4
— 50 —
Mitte Juni letzter, sehr heftiger Kolikanfall. Pat. lag 14 Tage
zu Bett. Temp. an einem Abend etwas über 88,0. Der eigentliche
Schmerzanfall dauerte 5 Tage lang. Zugleich sehr starke Gelbsucht.
Stuhl weiss. Urin dunkel. Schmerzen hörten wiederum ganz plötzlich
auf, ebenso die Schmerzhaftigkeit an der Stelle der Gallenblase, wäh-
rend die Rückenschmerzen noch einige Zeit anhielten. Die Gelbsucht
dauerte 5 — 6 Tage. Gallenblase wieder etwas angeschwollen. Die
Rückenschmerzen hielten noch bis vor etwa 8 Tagen an, seitdem hat .
Pat. keinerlei Beschwerden, fühlt sich völlig wohl.
Appetit gut. Stuhlgang regelmässig.
Herr Dr. Rose-Watenstedt sendet uns den Pat. zu.
Befund: Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend. Kein
Ikterus, Urin frei, Leber nicht vergrössert.
Diagnose: Chron. Cholecystitis.
Operation: 4. 7. 03. Wellenschnitt. Leber nicht gross. Gallen-
blase liegt sehr versteckt, ist ein langgestreckter Tumor. Keine Ver-
wachsungen. Galleiiblase wird von der Leber abgelöst, dann incidiert.
Ectoniie wegen der Tiefe ganz anmöglich. Tauiponade des Leberbettes.
Im Uebrigen wird die Gallenblase, die nach Ablösang von der Leber
sich gut hervorziehen lässt, nacli Entfernung von 50 kleinen Steinen
an das Peritoneum parietale augenäht. Dauer der Operation 50 Min.
Dauer der Narkose 05 ^in. (70 gr.) Gute Chloroform-Sauerstoffnarkose.
Verlauf: 4. 7. 1903. Temp. abends 87,8, Puls 120. Kein Er-
brechen. 5. 7. 1903. Temp. mittags 37,8. Puls 120-180, sehr klein.
In der Nacht etwas galliges Erbrechen. Morgens Magenspülung. Im
Magen etwas Galle. Bis mittags noch zweimal galliges Erbrechen.
Magenspülung. Im Magen viel Galle. Puls sehr klein, kaum zu
zählen. Kochsalziufusion. Stündlich Kampferinjektion. Abends Temp.
38,3, Puls noch sehr klein, jedoch etwas kräftiger als mittags. Einmal
etwas Blutbrechen. Magenspülung, im Magen wenig Galle und etwas
Blut. Kochsalziufusion. Durch den Schlauch läuft nur etwas trübe
Flüssigkeit.
6. 7. 03. Befinden bessert sich im Laufe der Nacht erheblich.
Temp. M. 88,0. Puls 120, kräftiger. Pat. sieht frischer aus. Kein Er-
brechen mehr, kein Aufstossen. Keine Magenspülung und Kochsalz-
iufusion mehr. Kein Kampfer mehr. Blähungen gehen von selbst
reichlich. Seit heute früh läuft etwas Galle. Temp. abends 87,7.
Puls 116, kräftiger.
7. 7. 08. Befinden weiter gut. Puls 110—114, ziemlich kräftig.
Aussehen frischer.
8. 7. 03. Befinden gut. Puls 86, kräftig.
9. 7. 03. Führt ab. Reichlich Stuhl (gefärbt).
Weiteres Befinden gut.
8. 8. 03. Pat. wird auf seinen Wunsch entlassen, Gallenfistel
schliesst sich schnell.
Epicrise: Bei Männern ist, worauf ich schon ölter hin-
wies, die Operation schwierig:er wie bei Frauen : an eine
— 51 —
Ectomie war hier gar nicht zu denken. In solchen Fällen
ist die Cyätostomie, die als Ectomie mit Ablösung des Organs
von der Leber beginnt, ein sehr willkommenes Auskunftsmittel.
Die Gallenblase darf man nicht ganz in die Bauchwunde ein-
nähen, sondern man muss einen Tampon auf das Leberbett
.schieben, um Blut- und Gallenaustritt zu verhüten.
d) Das Schlauchverfahren nach Kehr, die wasser-
dichte Drainage nach Poppert.
Nr. 26. K. H., 39j. Chemiker aus Dessau.
Aufgen.: 17. 10. 1899.
Operiert: 19. 10. 1899. Schlauchverfahren.
Entlassen: 28. 11. 1899. Geheilt.
Anamnese: Vater des Pat. starb 78 Jahre alt infolge apoplek-
tischen Anfalles; die Mutter lebt noch und ist gesund.
Pat. war in seiner Jugend stets gesund, von belanglosen Kinder-
krankheiten abgesehen. Im Jahre 1890 erkrankte er an Influenza, die
in chronische Heiserkeit und Husten überging. Prof. Stintzing-Jena
diagnostizierte linksseitigen Lungenspitzenkatarrh; die Behandlung be-
stand in Tuberkulin-Iujektionen. Die lokalen Erscheinungen gingen
nach ungefähr 2 Monaten zurück. Pat. wiederholte die Tuberkulinkur
Jeden Sommer, bis 1895 auch die Bacillen aus dem Sputum verschwanden
iind das Körpergewicht wieder zunahm.
Das jetzige Leiden des Pat. begann im Frühjahr 1896. Damals
•erkrankte Pat. plötzlich mit krampfartigen Schmerzen in der Gallen-
blasengegend, die 6 Stunden anhielten. Diesem Anfalle folgten in
3 Wochen 5 andere von etwas geringerer Intensität. Bis zum Herbste
98 war Pat. darauf völlig besohwerdefrei, wurde dann hochgradig ner-
vös und bekam Herzklopfen. Er konsultierte wieder Prof. Stintzing,
•der ihn in seiner Klinik mit Kohlensäurebädern behandelte. Ungebessert
reiste er von Jena fort, dte Herztätigkeit wurde im Januar 1899 spontan
gleichmässiger und ruhiger. Ende Januar setzten die Kolikanfälle
wieder ein mit teilweise heftigen krampfartigen Schmerzen und tage-
langer Dauer. Während sie anfangs in wechselnden Zwischenräumen
kamen, ist in den letzten Wochen kaum ein Tag ohne Kolikanfall ver-
gangen. Pat. trank während der ersten Anfälle im Januar Karlsbader
Mühlbrunnen und Emser Wasser, das ihm im Jahre 1896 gute Dienste ge-
leistet hatte. Endo Februar unterzog er sich auf Anraten des Herrn Dr.
Chrysander-Hamburg' einer Massagokur des ganzen Bauches; die An-
fälle wurden jedoch infolge der Kur häufiger und heftiger. Anfang April
wieder Reise nach Jena, Konsultation des Herrn Prof Matthes, der
Hyperacidität des Magensaftes feststellt, im sonstigen keine Veränderung
irgend eines Organes gefunden haben soll. Am 9. Mai Kur in Karlsbad von
4 7-2 wöchentlicher Dauer. Der Erfolg ist aber ein sehr negativer, da in
21 Tagen 17 Anfälle auftraten. Auch während der nun folgenden Reise
— 52 —
nach Tirol trat fast jeden 2. oder 3. Tag ein Anfall auf. Vom letzten
August bis Mitte September Aufenthalt in Heringsdorf, täglich ein
kaltes Bad und verhältnismässig wenig Anfälle. Seitdem traten die
Anfälle fast täglich ein.
Der Appetit ist während der Anfälle stets gut geblieben, in erster
Zeit ist mehrfach Erbrechen aufgetreten. Später hat Pat., sobald sich
Brechreiz einstellte, gleich Morphium subkutan genommen. Überhaupt
hat er sich seit Januar dieses Jahres fast täglich, jedesmal aber bei
den Anfällen 1 — 2 ctgr. Morphium injiziert. Gelbsucht ist nie vor-
handen gewesen, der Stuhlgang war stets regelmässig, in letzter
Zeit infolge des Morphiums etwas angehalten. Fieber hat nie be-
standen.
Pat. konsultiert noch Herrn Prof. Riedel, der die Diagnose auf
Steine in der Gallenblase stellt, entschliesst sich dann in Halberstadt
zur Operation.
Befund: Herz, Lunge gesund. Leber nicht vergrössert. Gallen-
blase nicht fühlbar. Kein Ikterus, im Urin nichts Pathologisches.
Diagnose: Steine in der Gallenblase, zeitweilig Cysticus-Ver-
schluss.
Operation: 19. 10. 99. Längsschnitt im rechten m. rect. abd.
Gallenblase klein, kontrahiert, enthält Steine, keine Verwachsungen.
Im Cysticus ziemlich feststeckend ein haselnussgrosser Stein; er wird
in den Fundus der Gallenblase geschoben. Extraction von ca. 10 Steinen,
die in eingedickter leimartiger Galle liegen. Schlauch r erfahren nach
Kehr-Poppert. Ein feiner Grummischlauch wird ca. 2 cm tief in die
Gallenblase eingeführt, mit einer feinen Naht an der Galleublase be-
festigt. Die übrige Gallenblase wird möglichst dicht geschlossen, so
dass das Rohr wasserdicht liegt. Rings um das Rohr ausgiebige Tam-
ponade mit steriler Gaze. Schluss der Bauchhöhle. Atmung daiiernd
schlecht. Vor der Operation 0,03 Morphium, zuerst Aether, dann Chlo-
roform. Dauer der Operation ca. 1 Stunde.
Verlauf: Fieberfrei, Galle läuft gut aus dem Schlauch in die
Flasche, Pat. fühlt sich wohl, doch hält es schwer, ihm das Morphium
zu entziehen. Er bekommt täglich 4—5 mal 0,01 Morphium resp. Co-
dein 0,03. Allmählich wird der Morphiumgebrauch eingeschränkt. Am
19. 11. erhält er nur noch 2 mal täglich 0,004. Appetit ist gut, Galle
läuft klar ab. Wunde fast geschlossen. Am Tage der Entlassung,
am 28. 11. 99, ist nur noch eine kleine gi-anulierende Stelle vorhanden.
Pat. hat leidlichen Appetit, gebraucht gar keine Narkotica mehr, doch
ist er noch sehr nervös. Herr Medizinalrat Bött eher- Dessau über-
nimmt die weitere Behandlung. Galle ist seit dem 20. 11. nicht mehr
geflossen.
Epicrise: Pat. ist während der Nachbehandlung von
dem Morphium völlig- entwöhnt worden; ob ein Dauererfolg er-
zielt worden ist, kann ich nicht angeben, da ich über die
weitere Behandluns: des Pat. keine Nachrichten erhalten konnte
— 53 —
Hr. 27. C. M., 42j. Fahrsteiger aus Helbra.
Aufgen.: 17. 5. 1904.
Operiert: 19. 5. 04. Schlauchverfaliren.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Patient ist verheiratet und Vater zweier gesunder
Kinder. Grossmutter und Tante väterlicherseits litten an Gallensteinen.
Dezember 1902 hatte Pat. einen Lungenspitzenkatarrh mit einer leichten
Lungenblutung, aber fast ohne Husten. Juli 1903 Lebers. hwellung
jnit leichtem Fieber und Druckschmerzen in der Lebergegend ; der
Arzt dachte an Lebercirrhose. Das dauerte etwa 8—10 Tage, Pat. war
dabei nicht bettlägerig. Arn 19. Oktober 03 trat vormittags während
•der Arbeit zum 1. Male ein Anfall von Magenkrampf auf; der Schmerz
■begann in der Magengrube und strahlte nach beiden Seiten bis zum
Rücken hin aus; die Schmerzen waren so stark, dass Pat. mit Unter-
brechung bewusstlos wurde; er wiu-de nach Hause gefahren und ins
Bett gebracht, bekam Morphiuminjektionen und heisse Breiumschläge
•siuf den Leib. Die Schmerzen hielten aber an, gegen Abend leichtes
Fieber mit Phantasieren. Erst am Mittag des folgenden Tages hörte
der Krampf auf. Jetzt trat Erbrechen von Speiseresten und grüner
Gallo während des ganzen übrigen Tages ein. Der Urin soll rotbraun
gewesen sein, auf den Stuhl wurde nicht geachtet. Einige Tage danach
verliess Pat. das Bett. In den nächsten 2—3 Wochen noch Magen-
katarrh mit häufigem Erbrechen besonders nach dem Mittagessen.
Bis zum Dezember 03 will Pat. etwa 35 Pfund abgenommen haben.
Am 17. Xn. 03 zweiter Anfall; die Schmerzen begannen diesmal in
der Lebergegend ganz rechts mit Druckgofühl und zogen sich dann
nach der Gegend der Gallenblase. Der wesentlich leichtere Anfall
ging ohne Morphium nach heissen Umschlägen vorüber, er dauerte
vom Abend bis zum andern Morgen. Urin soll wieder dick gewesen
sein, Erbrechen trat diesmal nicht auf. Der 3. schwere Aufall kam
am 20. II. 04, verlief wie der vorige, doch begann der Krampf gleich
in der Gallenblasengegend. In den nächsten Tagen wieder Magen-
katarrh mit Erbrechen, Ikterus war nie aufgetreten. Deswegen
Hess sich Pat. in die med. Klinik zu Halle aufnehmen, woselbst
man Gallensteine feststellte und zur Operation riet. Pat. war
damit einverstanden, doch wurde aus äusseren Gründen dieselbe bis
nach Ostern verschoben, sodass Pat. erst nach Hause reisen musste.
Hierselbst riet ihm Herr Dr. Böttger, dessen Bruder in Halberstadt
wegen Gallensteinen operiert worden ist, die hiesige Klinik zu konsul-
tieren. Die jetzigen Beschwerden bestehen nur in leichtem Druck-
gefühl in der rechten, aber auch in der linken Oberbauchseite.
Befund: Nach Abführen deutlicher stark schmerzempfindlicher
Tumor (schon bei leichtem Druck) in der Gallenblasengegend palpabel.
Leber kaum vergrössert, Oberfläche anscheinend etwas höckerig.
Diagnose: Chronische Cholecystitis, vielleicht Empyem. Dem
Pat., der eine Neuenahrer Kur durchmachen sollte, wird die Operation
als die beste Behandlungsart empfohlen. Pat. muss schwer arbeiten und
— 54 —
deshalb ist ans sozialen Gründen die Operation mehr am Platze als eine
Kur in Neuenahr.
Operation: 19. 5.04 in Gegenwart des Herrn Oberstabsarzt
Dr. Krämer. Dauer derselben 30 Min. Gute Chloroform-Sauerstoff-
Narkose (35 gr.). Wellenschnitt. Gallenblase ist vergrössert, liegt aber
so unter der etwas massigen, an der Oberfläche rauhen Leber (Cir-
rhose?), dass die normale Cystostomie eine zu grosse Zerrung hervor-
bringen würde. Desbalb nach Verschiebnng des Gallenblaseuhalssteincs
in den Fundus und Aspiration von cn. 40 ccni trüber, seröser Flüssigkeit
(mit Eiterflocken) typisches Schi auch verfahren. 3 Tampons rings um
den Schlauch und die langgelassenen mit untergelegtem Draht ver-
sehenen Fäden. Das Rohr und die Tampons werden in der Mittellini«^
(wo der schräge Schnitt durch den mnsc. rect, abd. beginnt.) heran s-
geleitet. Die übrige Bauchwunde wird durch Durchstichknopfnabt
völlig geschlossen. Aus der Gallenblase wurden 10 rauhe, teilweiso
haselnussgrosse Steine entfernt.
Verlauf ohne Temperaturerhöhung und Pulsbeschleunigung.
Galle läuft reichlich. Schmerzen sehr gering.
26. 5, 04. Verband wird gewechselt, da die äusseren Gazeschichteii
trocken geworden sind und drücken. Wunde gänzlich reizlos, Rohr
und Tampons bleiben liegen, nur die äusseren Verbandschichten werden
entfernt. Immer reichlicher Gallenfluss und normale Temperatui-.
Stuhlgang spontan.
30. 5. 04. Tampons werden entfernt. Wunde in Ordnung. Gallen-
blase lässt sich gut spülen.*)
Epicrise: Ein Fall, bei dem die Ectomie auch für deu
geübten Chirurgen sehr schwierig ist, die Fixation der eröif-
neten Gallenblase aber wegen der entstehenden Zerrung falsch
gewesen wäre. Für diese. Fälle ist das von Riedel verachtete-
Schlauchverfahren ein ausgezeichnetes Auskunftsmittel, dessen
sich gerade der weniger Geübte — also der Dirigent kleiner Kran-
kenhäuser — mit Erfolg bedienen kann. Die Leber war massig^
der Cirrhose verdächtig: da tut man gut, das Lebergewebe
recht schonend zu behandeln, d. h. auf die Ectomie zu verzichten.
Nr. 28. A. B., 50jähr. Schuldirektor aus Zschopau i. Sa.
Aufgen.: 3. 5. 1904.
Operiert: 5. 5. 1904. Schlauchverfahren.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Patient ist kinderlos verheiratet. Vor 7 Jahren
hatte er einen Aufall von Ischias. Weihnachten 1901 traten, vielleicht
im Anschluss an einen Diätfehler, zum 1. Male starke Schmerzen in
der Lebergegend auf, später bis zum Rücken und den Schultorblättern
*) Fat. ist unterdessen aufgestanden und kann bald entlasse»
werden. (Anmerkung während der Korrektur.)
— oo
ausstrahlend. Die Schmerzen hielten etwa 2 Stunden lang an. '/4 Jahr
später ein gleicher Anfall, etwas länger dauernd: seitdem traten die
Anfälle bald alle Wochen, bald alle Monate auf. Während der Anfälle
erfolgt meist Erbrechen. Pat. litt an unregelmässigem Stuhlgang,
Diarrhöen und Verstopfung wechselten ab. Der Arzt konstatierte
bei den Anfällen, die einigemale auch von Fieber begleitet gewesen
sein sollen, jedesmal deutliche Leberschwellung, meist um 2—3 Quer-
fi'iger. Ikterus trat nie auf, ebensowenig Verfärbung des Stuhles
und des Urins; beim leti^-ten Anfall, der in der Nacht vom 24. zum
25. März auftrat und 8 Stunden lang anhielt, soll zum 1. Male
eine ganz leichte Gelbfärbung der Bindehäute beobachtet worden sein.
Morphiuminjektionen wurden erst bei den letzten Anfällen nötig,
sonst wurden heisse Umschläge mit gutem Erfolge augewendet. Vor
1 Jahr trank Pat. Homburger Friedrichsquello auf Rat seines Haus-
arztes, später Neuenahrer Sprudel. Herr Dr. Klöpper-Zschopau schickte
den Pat. zur Untersuchung und eventuellen Operation hierher.
Befund: Kein Ikterus, Resistenz in der Gallenblasengegend,
auch manchmal ein Tumor tastbar. Darunter in der Appendixgegend
Druckschmerzen. Urin frei.
Diagnose: Cliron. Cholecystitis (Appeudix?J '"
Operation: 5. 5. OJ. Wellonschnitt. Gallenblase liegt sehr tief
nnd rersteckt. Gallenblasen-Wandungen verdickt, um Steine kontrahiert.
Keine Verwachsungen. Incision der Gallenblase. 1 grossei- und 1 kleiner
Stein. Schlauchverfahren ohne irgendwelche Fixation der Grallenblase am
perit. parietale: ein kleiuflugerdicker Schlauch wird ca. 4cm weit in die
OallenI)la8e eingeschoben und eine Naht an der Gallenblase selbst
fixiert, die übrige lucision wird möglichst wasserdicht yerschlossen.
Appendix verwachsen und geschwollen, wird entfernt. Tamponade
um den Gallenblasen-Schlauch herum mit 3 Tampons. Dauer der
Operation 1 Std. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. (50 g Chloroform.)
5. 5. Abends 37,1. Befinden gut. Nachts ziemUch viel Aufstosson.
6. 5. 37,8-38,0. Puls 140. Häufiges Aufstossen und Bluterbreche n.
Magenspülung am Abend ^gibt ziemlich viel Galle mit Blut. Blähungen
gehen noch nicht. Nachts noch einmal Magenspülung; diesmal weniger
Galle und Blut. Kochsalzinfusion. Kochsalzeinläufe.
7. 5. 37,8-38,0. Heute Morgen Puls 144, etwas kleiner. Xoch
kein Gurren im Leib. Magenspülung fördert sehr wenig blutige Flüssig-
keit zu Tage. Kochsalzinfusion. Strophantus 3 Mal 10 Tropfen. Gegen
Mittag nach Seifeneinläufen endlich Gurren im Leib. Danach gleich
besseres Aussehen. Leib wird weicher. Nachmittags gehen spontan
Blähungen.
8. 5, 37,8. Heute Morgen sehr gutes Befinden, Puls kräftig 106.
Kein Aufstossen mehr. Leib weich, reichlich Blähungen. Trinkt bereits
ziemlich reichlich. Abends 37,8.
16. 5. Temperatur normal. Pat. führt ab, hat reichlich braunen
Stuhl; seit gestern keine Galle mehr in die Flasche gelaufen. Puls 100.
17. 5. Entfernung sämtlicher Fäden und der untergelegten Drähte.
— 56 —
Wunde heilt gut. In den Tampons reichlich Sekret. Rohr wird ent-
fei*nt und die Wunde mit Gaze tamponiert.
24. 5. Pat. steht auf, isst Alles, trinkt Bier.*)
Epicrise: Für diesen Fall gilt dasselbe, was ich in der
Epicrise der letzten Operationsgeschichte (Nr. 27) sagte. Da die
Gallenblase sehr tief und versteckt lag, war sowohl die Ectomie
als auch die Einnähung der Gallenblase in die Bauchwunde
schwierig, ja unmöglich. Für solchen Fall ist — ich möchte
das immer wieder betonen ! — das Schlauchverfahren, das
E i e d e 1 verwirft, ein sehr gutes Auskunftsraittel. Patient
bekam Bluterbrechen, aber schon die erste 3Iagenspüiung^
brachte ihm Erleichterung und als die Blähungen einsezten,
änderte sich mit einem Schlag das Bild, und Pat. machte
einen sehr guten Eindruck.
Nr. 29. 0. E., 40 j. Kaufmann aus Schweidnitz.
Aufgen.: 20. 8. 1901.
Operiert: 21. 8. 1901. Schlauchverfahren.
Entlassen: 24. 9. 1901. Geheilt.
Anamnese: Familien- Anamnese ohne Belang. Pat. war immer ge-
sund, Stuhlgang stets unregelmässig, Pat. hat viel Abführmittel gebraucht.
Vor ca. 10 Jahren hatte Pat. einen heftigen Anfall von Schmerzen
in der Magengrube, '/4 Stunde dauernd, nach Morphiuminjektion schwin-
dend, mit Beklemmungsgefühl, Kältegefühl und Schweissausbruch, ohne
Erbrechen, ohne Ikterus. Die Anfälle wiederholten sich in gleicher
Weise alle Jahre 4—5 mal. Pat wurde auf nervöse Magenbeschwerden
behandelt, 1892 wurde die Diagnose auf Gallensteine gestellt, doch
tat Pat. nichts dagegen, weil er wenig Beschwerden hatte. Allmäh-
lich verschlimmerte sich das Leiden, 1897 war er 4 Wochen in Karls-
bad, Besserung verspürte er nicht. Ebenso 1898. Im Jahre 1899 hatte
er wieder 3—4 Anfälle, dazu gesellte sich ein dumpfer stundenlang
anhaltender Sehmerz in der Gallenblasengegend, der besonders beim
stillsitzen und beim Fahren hervortrat.
Im April-Mai 1900 war er zum 3. Mal in Karlsbad, am 2. Tage
seines Dortseins hatte er einen Anfall, der diesen und den folgenden
Tag anhielt. Der Charakter der Schmerzen hatte sich gegen früher
geändert, die Schmerzen waren nicht wie früher krampfartig, sondcM-n
äusserten sich mehr als unerträglicher Druck, sie strahlten von der
Magengrube nach rechts herum zum Rücken und zur Schulter aus.
Dabei hatte er wie früher Kältegefühl und Schweissausbruch, am
nächsten Tage leichten Ikterus der Konjunktiven, kein Erbrechen.
Auf der Heimreise hatte er einen 3tägigen Anfall, nach welchem
sich ein Steinchen im Stuhlgang fand. Dann hatte er Anfälle : im
*) Pat. ist am 14. Juni mit geschlossener Wunde entlassen worden.
(Anmerkung während der Korrektur.)
— O (
November 1900 einen kleinen und im Januar 1901 einen 2tägigen.
Im Februar d. J. nahm er ein Geheimmittel gegen Gallensteine (Apo-
theker Ziedler-Nürnberg), am Tage, an dem er die Kur beendigte,
kleiner Anfall. Tm Juli kleiner Anfall mit leichtem Fieber, im An-
sclilusö daran Influenza mit Brustfellreizung. 24.-27. Juli ein grosser
Anfall, Schmerzen wie oben geschildert, dabei das Gefühl, als ob er
die Seite stützen müsse. Grosse Druckempfindlichkeit der Gallen-
blasengegend, angeblich Leberschwellung, Pulsverlangsamung auf 48
Schläge, Temp. 38" (zwischen den nates gemessen), Stuhlverstopfung,
keine Winde. Danach blieb noch 4—5 Tage ein leichtes Druckgefühl
zurück. Einmal dabei Erbrechen, Ikterus wurde nicht beobachtet.
Im Stuhl fand man 1 grossen und 5 kleine Steine.
Seitdem kein Anfall mehr, aber Druckempfindlichkeit. Während
■der Anfälle war der Appetit weg, grosse Schwäche, in den anfalls-
freien Pausen schnelle Erholung. Herr Dr. S chu bert-Schweidnitz
riet dem Fat., zur Operation hierher zu kommen.
Befund: Bei gewöhnlicher Untersuchung kein Befund, keine
Schmerzhaftigkeit, auch bei bimanueller Palpation ist nichts Beson-
deres festzustellen. Aber sobald Fat. tief inspiriert, und man unter-
sucht bimanuell auf der Höhe der Inspiration die Gallenblasengegend,
klagt Fat. über heftigen Druckschmerz. Kein Ikterus.
Diagnose: Steine in der entzündeten Gallenblase.
Operation: 21. 8. 1901. Wellenschnitt reicht nicht aus, um die
lateral und versteckt unter der Leber liegende Oallenblase freizulegen.
Daher Qaerschultt auf die Mitte des Liingsschnilts. Gallenblase mit
Eiter gefüllt, entzündet, enthält 300 Steine von der Grösse der Schrot-
körner. 2 grosse Steine im Hals der Gallenblase. Mühsame Entfer-
nung. Sclilauehverfahren. Tamponade. Naht des Längsschnitts. Der
<^uerschnitt wird zur Herausleitung der Tampons benutzt, Verband.
Dauer der Operation 50 Min. Massige Chloroformnarkose.
Verlauf: 22. 8. Puls 88. Etwas Erbrechen mehrmals. Bis
gestern Abend lief kein'e Galle, dagegen war der Verband durch-
tränkt. Heute morgen ist Galle in der Flasche, ca. 200 gr.
Alle paar Minuten Würgen und Erbrechen einiger Esslöffel
dunkelgrüner Flüssigkeit, Magenspülung entleert stark galle- und
«twas bluthaltigcn Mageninhalt. 38,0.
23. 8. ü7,8. Puls 112. Nachts 3mal Magenspülung, noch immer
Erbrechen. Blähungen kommen in Gang. Abends 1 mal Magen-
spülung. 37,6.
24. 8. 37,8. Puls 112. Noch immer etwas Brechreiz. Magen-
spülung. Kochsalz. 37.8.
25. 8. 37,6. Puls 98. Besseres Befinden. Gallenfluss sehr gering,
37,8.
26. 8. 37,9. Puls 82. Abführen.
Normaler Verlauf.
4. 9. Herausnahme der Tampons, Nähte und Fäden.
— 58 —
24. 9. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die mit Eiter gefüllte Gallenblase entging
der gewöhnlichen Palpation, weil sie vom Lebergewebe völlig
bedeckt war. Erst auf der Höhe der Inspiration konnte man
den typischen Druckschmerz erzeugen — für versteckte, ent-
zündete Gallenblasen ein wichtiges Merkmal.
Das Bluterbrechen trat hier nur einmal auf und ging
bald zurück.
In diesem Falle kam man mit dem gewöhnlichen Wellen-
schnitt nicht aus ; ich musste noch einen Querschnitt nach
aussen hinzufügen, das ist aber nur in Ausnahmefällen nötig.
Nr. 30. F. 0., 43j. Schuhmacher aus Sargst edt.
Aufgen. : 16. 2. 1900.
Operiert: 21.2.1900. Schlauchverfahren.
t 23. 2. 1900 an Peritonitis.
Anamnese: Familien-Anamnese und Vorleben ohne Belang-.
1885 erster Kolikanfall mit Erbrechen, Fieber, ohne Ikterus. 1889 zweiter
Anfall mit Ikterus. In den Zwischenzeiten bisweilen leichte Schmerzen.
14. 2. 00 dritter Anfall mit heftigen Schmerzen, Erbrechen galliger
Massen. Fat. wird mit den Erscheinungen des Darm verschlusses der
Klinik überwiesen;
Diagnose: Cholangitis und Cholecystitis acuta.
Befund: Kräftiger Mann. Die Lebergegend ist äusserst druck-
empfindlich, ein Tumor ist bei leichtem Falpieren nicht zu fühlen,
wohl aber eine Resistenz. Im Urin Spuren von Gallenfarbstoff, kein
Eiweiss oder Zucker. Lunge imd Herz gesund.
Operation 21. 2. 00. Üblicher Wellenschnitt. Gallenblase sehr
gross. Es finden sich zahlreiche Verwachsungen zwischen Gallonblase
und Netz. Trennung. In der Gallenblase Serum und Eiter und zahl-
reiche, bis walnussgrosse Steine. Schlaucliverfahreu resp. wasserdichte
Drainage genau nach Poppert's Vorschrift. Tamponade. Dauer der
Operation '/a Stunde.
Der Verlauf war die ersten 36 Stunden gut. Kein Galleiifluss.
Dann Zeichen von akuter Feritonitis mit solchen Collapserscheinungen,
dass ein Nachsehen keinen Zweck gehabt hätte. Tod am 23. 2. abends.
Die Sektion ergibt, dass das Rohr wasserdicht liegt, die Fäden
nicht durchgeschnitten haben. Im Rohr ein zäher Schleimpfropf. In
der Gallenblase 2 Esslöffel stinkendes Exsudat. Kein Stein im vor-
schwollenen Cysticus. Peritonitis wahrscheinlich durch Infektion durch
das in der Gallenblase stagnierende Sekret entstanden.
Epicrise: Bei der völligen Einniihung der Gallenblase
wäre die Peritonitis wohl vermieden worden; Poppert's Mit-
— 59 —
teilungen bestimmten mich aber, seine Methode auch bei der
grossen Gralleiiblase anzuwenden. In Zukunlt werde ich in
solchen Fällen bei der Cystostomie mit Naht bleibeii.
Nr. 31. C. B., 57 j. Gutsbesitzer aus Maasdorf bei Cöthen.
Aufgen.: 27. 12. 1899.
Operiert: 1. 1. 1900. Schlauch verfahren.
f 5. 1. 1900. an Cholangitis.
Anamnese: Vater, 60 Jahre alt, an Schlaganfall f. Mutter an
Schlaganfall f, hat viel an „Magenkrämpfen" gelitten.
Fat. hat seit etwa 15 Jahren erst seltener, dann allmählich häufiger
auftretende, kurzdauernde, sehr schmerzhafte Anfälle gehabt, die er
aber für Magenkrämpfe hielt. Schon vor einem Jahre ist seinen An-
gehörigen eine leichte Gelbfärbung an ihm aufgefallen, er selbst be-
merkte die dunkelbraune Färbung seines Urins. Beide Erscheinungen
wechselten in ihrer Stärke. Im Sommer lh99 trat kein Anfall auf,
Fat. war von blühendem Aussehen und fühlte sich völlig gesund.
Seit Oktober 1899 begannen die Anfälle wieder, und zwar traten sie
viel häufiger als früher auf, seit dem 16. 12. kommen die Anfälle
täglich mehrmals, sie sind länger und schmerzhafter als früher, bei
d«n Anfällen tritt häufig Erbrechen ein, der Urin ist dunkelbraun. Er
wird von Herrn Dr. Glendenberg-Görzig zur Klinik geschickt.
Befund: Haut und Konjunktiven intensiv gelb gefärbt. Fat. ist
sehr matt und hinfällig, Temp. 40,2, Puls 120, unregelmässig, von fieber-
hafter Spannung. Schmerzen bestehen zur Zeit nicht. Urin bierbraun,
enthält Gallenfarbstoff, Spuren von Eiweiss. Stuhl tonfarben. Fat.
hat keinen Appetit, viel Durst.
Diagnose: Stein im Choledochus, Cholangitis.
28. 12. Morgens sehr matt, abends kräftiger, Fuls wie gestern,
hat geschlafen. 40,2. 38,4.
29. 12. Kein Schlaf, Trional (I gr.) wird ausgebrochen, sehr
matt. 89,2. 41,8. 40.8. t)er Ikterus hat zugenommen.
30. 12. 89,7. 40,1. 40,2.
31. 12. 39,8. 38,8. 40,3.
Operation: 1. 1. 1900. Unter Schleich' scher Inflltrations-
Anästhesie wird darcli Querschnitt am rechten Rippenrande nach
Courvoisier die Bauchhöhle eröffnet. Gallenblase geschrumpft, mit
Netz verwachsen. Bei Lösung der Verwachsungen reisst sie ein, es
tritt reichlich trübe Galle aus. Aus der Blase werden zahlreiche
grössere und kleinere Steine entfernt, auf die JEntfeninng der tiefer
in der Blase und im Choledoclins liegenden wird vorläufig verziclitet,
da es heute nur darauf ankam, der infizierten Galle Abfiuss zu ver-
schaffen. Einlegen eines Drainrohrs nach Vernähen des übrigen
Gallenblasenschnittes. Tamponade der Umgebung.
Verlauf: 2.1. 89,0*'. Es fliesst reichlich Galle ab. Blähungengehen,
Urin wird spontan gelassen. Fat. fühltsich sehr matt, bustetetwas, erbricht
— 60 —
öfters geringe Schloimmengen. Seit gestern Mittag sind 750 gr. Galle
abgeflossen.
3. 1. Gallenfluss seit gestern 650 gr. Flüssige Kost, viel Wein.
Hinten rechts unten Dämpfung und Knisterrasseln.
4. 1. Gallenfluss 500 gr. Schwäche hat zugenommen. Temp. seit
2. 1. morgens in ano über 39. Puls 130, schwach. Digitoxin in nied-
rigster Dosis per clysma. Puls hebt sich nicht. Kein Erbrechen oder
Aufstossen. Blähungen spontan. Leib weich. Pat. stirbt am 5. 1.
morgens 2 Uhr unter den Zeichen der Herzinsuffizienz. Sektion nicht
möglich.
Epicrise: Es ist kein Zweifel, dass trotz der gut wir-
icenden Drainage die Cholangitis weitere Fortschritte gemacht
hat. Pat. machte zuletzt einen durchaus septischen Eindruck,
von Seiten des Peritoneum war keine Reaktion eingetreten.
Eine Hepaticusdrainage war bei der Schwäche des Pat. un-
möglich, man musste sich mit der Eröffnung der Gallenblase
begnügen. Die Cystostomie ist bei Cholangitis aber viel weniger
wirkungsvoll wie die Hepaticusdrainage. —
Die bei der Operation unter allen aseptischen Kautelen
aufgefangene Galle wurde nach Göttingen in das pathol. Institut
geschickt, woselbst aus der übersandten Galle eine typische
Reinkultur von Bacterium coli gezüchtet wurde.
Den Angehörigen war die Operation als Ultimum refugium
empfohlen worden mit der ausdrücklichen Betonung, dass sie
höchstwahrscheinlich den ungünstigen Ausgang nicht aufhalten
würde.
üer Querschnitt nach Courvoisier wurde in diesem Fall
gewählt, weil wir unter Schleich'scher Anästliesie operieren
und bei dem Querschnitt die schmerzhafte Durchtrennung
der Nervenstiimme vermeiden wollten, die ja beim Längs-
schnitt unvermeidlich ist.
IV. Die Lösung von Verwachsungen an der Gallen-
blase als selbständige Operation.
Nr. 32. Dr. med. F. K., 39j. Arzt aus Idstein.
Aufgen.: 20. 3. 1903.
Operiert: 22. 3. 1903. Lösung von Adhäsionen an
der Gallenblase.
Entlassen: 17. 4. 1903. Geheilt.
— 61 —
Anamnese: Pat. hatte im 19. Lebensjahre Pneumonia croup.,
war sonst stets gesund. Am 2. Februar lÜOO verspürte Pat. von nach-
mittags 4 Uhr ab eine eigentümliche Schwere und ein starkes, aber
nicht schmerzhaftes Druckgefühl im rechten Hypochondrium. Gegen
7 Uhr stellte sich bei Zunahme der Beschwerden lebhaftes Hunger-
gefühl und Lust nach allen möglichen Speisen ein. Der Druck nahm
immer mehr zu und nötigte beim Bergabgehen und Treppensteigen,
bei Besorgung der Praxis dazu, die rechte Bauchseite mit der Hand
zu stützen. Nach Aufsuchen des Bettes um 9'/« Uhr sofortiges Aufhören
der Beschwerden und guter Schlaf bis 11 Uhr, wo ein typischer Gallen-
steinkolikanfall mit Erbrechen und starkem Rückenschmerz eintrat.
Von da ab bis zum 23. Februar stets Nachmittags^ Schüttelfröste mit
Steigen der Temperatur zuweilen bis 41° C. in axilla und tiefen Re-
missionen nach Mitternacht mit abundanten Schweissen. Am 23. 2. krisis-
artiges Aufhören des Fiebers und sofortiges Wohlbefinden, guter Appetit
und so schnelle Erholung, dass nach 10 Tagen trotz eines Gewichts-
verlustes von fast 4(J Pfund die Praxis wieder aufgenommen werden
konnte. Bis Mitte November 1902 bestand relatives Wohlbefinden,
manchmal wochenlang ohne jegliche Beschwerde zeigte sich dann
während einiger Tage, besonders nach schweren Körperanstrengungen
in der sehr beschwerlichen Laiidpraxis, leichtes Druckgefühl. Mitte
November — während einer ausgebreiteten lufluenzaepidemie — traten
etwa 14 Tage lang abendliche leichte Temperatursteigerungen ohne
jegliche Erscheinungen von Schmerz oder Druck im rechten Hypo-
chondrium oder im Rücken auf. Während dieser Zeit regelmässige,
allerdings ausserordentlich ermüdende Ausübung der Praxis. Von An-
fang Dezember bis 18. Dezember völliges Wohlbefinden. Am 18. 12. 02
abends 40,2° C. ohne Erscheinungen seitens der Gallenblase. Am 24. 12.
zum ersten Mal leichte Schmerzen im rechten Hypochondrium und
stärkere Empfindlichkeit der Gallenblase, die langsam au Umfang zu-
genommen hatte. So zog sich die Erkrankung ohne besondere Schmerzen
mit Abendtemp. bis 39,5° C. und Morgentemp. von 37—38° C. und mit
ausserordentlich schwerem Krankheitsgefühl, das bei der ersten Er-
krankung nicht vorhandeh gewesen war, bis zum 3. Januar 03 hin.
Dann Aufhörexi des Fiebers, starke Körperschwäche und langsame Re-
konvalescenz. Die Praxis konnte erst wieder am 18. 2. 03 aufgenommen
werden und machte im Gegensatz zur vorigen Erkrankung ausser-
ordentlich müde. Sonst bestand bis heute gutes Wohlbefinden, guter
Appetit, regelmässige Defaekation, kein Schmerz ausser leichtem Druck-
gefühl hier und da. Temp. am 21. 3. 03 morgens in axilla 37,0, in
ano 38,2° C.
Befund: Am 21. 3. Kein Ikterus, Leber nicht vergrössert, Tu-
mor der Gallenblase, der bei einer Consultation Mitte Februar apfelgross
war, ist kleiner geworden, aber noch deutlich schmerzhaft. Urin frei.
Diagnose: Chron. Empyem der Gallenblase. (Eine Röntgen-
aufnahme anderwärts aufgenommen soll 2 grosse Steine nachge-
wiesen haben.)
- 62 —
Operation: 22. 3. 03. Wollenschnitt. Galleublase ganz in Netz
eingewickelt, sehr schwierige Lösung. Gallenblase klein, geschrumpft,
Cysticns mit Duodenum fest verwachsen (FistelJ). Kein Stein fühlbar.
Abbruch der Operation. 2 Tampons auf die Gallenblase. Dauer der
Operation 35 Min. Leidliche Chloroformnarkose.
17. 4. 03. Verlauf gut. Pat. wird mit oberflächlicher, gut granu-
lierender Wunde entlassen.
E p i c r i s e : Der Tumor der Gallenblase wurde vorgetäuscht
durch das Netz, in welches die Gallenblase wie eingewickelt
w^ar. Ich habe die feste Überzeugung, dass eine Cysticus-Duo-
denalfistel vorliegt. Wann diese zu Stande gekommen ist, geht
aus der Krankengeschichte nicht deutlich hervor. Steine konnte
ich nicht fühlen. Ich brach deshalb die Operation ab, weil
weiteres Operieren zu gefährlich war. Pat. wird vielleicht
durch die eingetretene Naturheilung noch ganz gesund.*) Bei
der Vorgeschichte und den noch bestehenden Druckschmerzen
war gewiss eine Operation gerechtfertigt, aber sie mit Rück-
sichtslosigkeit zu Ende zu führen, wäre ein grosser Fehler ge-
wesen. Der Fall zeigt, wie wenig gerechtfertigt Riedels Ijidi-
kationsstellung ist. Ich operierte, weil noch keine Ruhe im
Gallensystem eingetreten war und musste einsehen, dass es besser
gewesen wäre, wenn jnan den Bauch nicht aufgeschnitten hätte.
V. Die primäre Cholecystectomie.
a) Mit Unterbindung des ductus cysticus.
Nr. 33. S. B., 51 j. Kaufmaiinsfrau aus Bniizlau,
Aufgen.: 27. 10. 1903.
Operiert: 30. 10. 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 12. 12. 1903. Fast geheilt.
Anamnese: Pat. ist Mutter von 5 Kindern (l Fehlgeburt); einen
26jährigen Sohn verlor Pat. vor 5 Wochen an Diabetes. Der Gatte
leidet auch an Gallensteinen. Vor 8 Jahren ist Pat. gynäkologisch wegen
einer Verlagerung operiert. Vor 5 Jahren zum erstenmale Mageokrampt
gehabt; seitdem besteht andauernd ein dumpfer Druck in der Magen-
gegend und rechts vom Nabel, der oft in bohrende Schmerzen über-
geht. Typische Koliken mit sehr starken Schmerzen hat Pat. nicht
gehabt. Pat. suchte vor 4 Jahren Karlsbad zum erstenmal auf, zur
Begleitung ihres Galten; ihr Leiden wurde von den Ärzten für ein
Magenleiden gehalten. Seitdem war Pat. jedes Jahr in Karlsbad. Am
6. Februar dieses Jahres bekam Pat. mit den F^rscheiuungen des akuten
*) Pat. berichtet an Jahrestag der Operation (22. 3. 1904), dass
€8 ihm ausgezeichnet gehe und er die Praxis ohne Störung ausüben
könne. (Anmerkung während der Korrektur.)
— 63 —
Blutverlustes (Ohrensausen, Schwindel, Ohnmacht) schwarzes Erbrechen
und reichlich blutige Stuhlentleerung; dabei stärkere Schmerzen rechts
vom Nabel. Pat. erholte sich bald wieder und war im Mai und Juni
in Karlsbad, wurde daselbst mit heissen Umschlägen und Sprudel
behandelt. Vor einigen Monaten im Stuhl nach einem Anfall
feiner Gries gefunden worden. Seit Februar besteht stärkere Nervo-
sität, die in den letzten Wochen durch den Tod des Sohnes noch
gesteigert wurde. Stuhlgang ist immer angehalten. Kein Erbrechen.
Zur zeit andauernd Druckgefühl in der rechten Bauchseite. Herr Dr.
Haefner schickt die Pat. zur Klinik.
Befund: Kein Ikterus, Leber gesenkt, Gallenblasengegend sehr
empfindlich, dort harter Tumor fühlbar. Urin frei.
Diagnose: Chronische Cholecystitis (Empyem?). Adhäsionen.
Operation: 30. 10. 03 in Gegenwart des Herrn Prof. Dr. Ca-
paldi-Neapel. Wellenschuitt. Leber gesenkt, lässt sich samt grosser,
rerwachsener Galleublase leicht herauswälzeu. Pylorus eng, narbig
(Ulcus sanatum). Gallenblase enthält Eiter, 3 haselnussgrosse Steine;
einer sitzt fest im C^'sticus. Ectomie. Gallenblase gross, chronisch
entzündet, der Stein im Cysticus sitzt sehr fest. Cysticus choledochus-
wärts sehr eng. Tamponade. Hepatopexie. Vernähnng des stark blnteu-
den Leberbettes mit 3 Sutnren. Wegen sehr starken Fettpolsters wird
das untere Ende des Schnitts in Etagen genäht. Dauer der Operation
35 Min. (40 gr Chloroform). Sehr glatte Sauerstoff- Chloroformnarkose.
Verlauf: 30. 10. 03. Kein Erbrechen nach der Narkose, kein
Aufstossen. Gegen Abend Urin spontan. Abends 38,0. Puls 100, kräftig.
Abends bereits Kollern im Leib.
31. 10. 03. Temp. 38.1. Nacht mit wenig Morphium teilweise
geschlafen. Ganz vereinzeltes Aufstossen. Nachts auf Spritze bereits
Blähungen abgegangen. Schmerzen geringer. Abendtemperatur 38,3".
Bähungen wenig abgegangen. Abends Chloralspritze.
1. 11. 03. 37,7—38,2. Befinden bereits sehr gut, Nachmittags reich-
lich Blähungen und Stuhl. Kein Aufstossen mehr.
2. 11. 03. Nachts mit Chloral massig gut geschlafen. Tagsüber
bereits guten Appetit. Trinkt viel Milch, Tee und Bouillon. Kein
Aufstossen. Abends V« cg. Morphium subkutan. Temp, 37,3—38,1.
3. 11. 03. Letzte Nacht besser geschlafen. 38,1-38,2.
4. 11. 03. Temp. 38,0-38,4. Pat. führt ab, hat reichlich Stuhl.
Befinden gut. Kein Aufstossen.
5. 11. 03. Temp. 38,2—38,4. Gutes Befinden. Appetit reichlich.
6. 11. 03. Temp. 38,0-38,7. Wechsel der oberflächlichen Schichten
des Verbandes und Entfernen eines kleinen Tampons aus dem unteren
Wundwinkel. Wunde in Ordnung.
10. 11. 03. Verbandwechsel. Entfernen der Tampons und eines
Teils der Hautnähte.
13. II. 03. Entfernen der übrigen Hautnähte. Da etwas Sekret-
yerlialtung hinter dem Tampon eingetreten ist, wird ein Draiurohr
mit Mull umwickelt in die Wunde eingeführt.
— 64 ~
2Ü. II. 03. Pat. steht auf.
13. 12. 03. Wunde bis auf einen dünnen Gang, der noch etwas
sezorniert, geheilt. Wird entlassen, soll von ihrem Arzt noch einige-
male verbunden werden. Pat. hat sich bereits sehr gut erholt.
Die mikroskopische Untersuchung der Gallenblase ergibt folgendes:
Die Gallenblase ist ziemlich stark erweitert. An der Innenfläche
sieht man ein deutliches Netzwerk vorspringender Bälkchen mit ziem-
lich tiefen Gruben zwischen denselben, sodass die Wand an einzelnen
Stellen ganz durchsichtig erscheint. Die Halsgegend und der duct.
cysticus erscheinen weniger stark verändert.
Micr. zeigt letzterer allerdings eine viel weitergehende Zerstörung
als macr. zu vermuten war. Es findet sich nämlich eine völlige Zer-
störung der Schleimhaut und Muskelschicht auf weite Strecken, mit
Umwandlung in ein schwieliges Narbengewebe, an dem das Ober-
flächenepithel vollkommen fehlt, von Drüsen nur noch kümmerliche
Reste vorhanden sind. Die Balken im Fundus erweisen sich micr. als-
die hochgradig verdickten elastisch muskulären Bänder der Ring-
muskeln, zwischen denen überall die Schleimhaut divertikelartig aus-
gestülpt ist. In diesen letzteren finden sich gelegentlich Haufen von
eingedickter Galle mit vielen Cholestearinkrystallen. Das Epithel ist
an solchen Divertikeln zerstört, das umgebende Bindegewebe zeigt
entzündliche Reaktion, und es ist zur Bildung von Fremdkörperriesen-
zellen-gekommen. An den vom Epithel entblössten Gebieten des duct.
sind die obersten Zeil-Lagen des Bindegewebes mit Gallenfett stark
angefüllt.
Epicrise: In solchen Fällen von Cholelithiasis, die sich
mit Ulcus pylori oder duodeni komplizieren, ist ein völliges
Freiwerden von Beschwerden nicht immer zu garantieren. Das
stark blutende Leberbett machte mehrere Umstechungen nötige
wegen des starken Fettpolsters zog ich die Etagennaht der
Durchstich knopfnaht durch die ganze Bauch wand vor.
Nr. 34. H. K., 26 j. Oberleutnantsfrau aus Chemnitz.
Aufgen.: 4. 11. 1903.
Operiert: 6. 11. 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 12. 12. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist seit 4 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder.
Letzte Geburt im Juni 1902. Sonst war Pat. immer gesund, hat nur
ab und zu an Mandelentzündung gelitten. Vor 8 Tagen wiederum
Mandelentzündung (4 Tage lang). Eine Schwester der Mutter leidet
an Gallensteinen. Im März 1903 begannen sich Schmerzen in der Leber-
gegond und der Gegend der Magengrube einzustellen , die sich bald
nach rechts und links bis in den Rücken hinzogen und mehr dumpfer
Natur waren. Die Schmerzen traten besonders beim Gehen und fast
— 65 —
täglich auf. Appetit war zunächst f^ut. Pat. machte dann im Sommer
eine Kur bei Lahmann durch. Doch wurde es nicht besser, vielmehr
traten die Schmerzen allmählich stärker auf, besonders in den letzten
14 Tagen und lokalisierten sich zuletzt in der Gallenblasengegend und
rechts im Rücken, traten jetzt auch beim Sitzen auf. Appetit
ist schlecht. Körpergewicht hat etwas abgnommen. Dabei kein
Fieber^ kein Schüttelfrost, keine Gelbsucht, kein Erbrechen. Herr Prof.
Rosenheim-Berlin stellte bei Pat. Gallenblasenentzündung fest. Herr
Dr. B erndt-Chemnitz sendet uns die Pat. zu.
Befund: Hepatoptose, rechter Lappen massig, dahinter schmerz-
hafte Resistenz. Kein Ikterus. Pat. ist elend und sieht grau aus.
Diagnose: Cholecystitis chronica (Adhäsionen?)
Operation: 6. 11. 03. Wellenschnitt. Gallenblase gross, liegt
unter dem massigen rechten Leberlappen, ist mit Duodenum und Netz
verwachsen. Im Hals ein haselnussgrosser rauher Stein. Trübe Galle.
Ectomie leicht. 3 Suturen an der art. cystica. Appendix wird revidiert,
weil am Coecum Verwachsungen gefunden werden, wird aber gesund
gefunden und in Ruhe gelassen. Hepatopexie mit 1 Sutur. Tamponade
mit 2 Tampons. Bauchwandnaht. Sehr gute Chloroform - SauerstofiF-
narkose (30 gr.). Dauer der Operation 35 Min.
Verlauf: 7. 11. 03. Temp. normal, abends 2 mal Erbrechen von
etwas stinkender Galle und Thee. Nachts Magenspülung, ergibt viel
Galle und stinkende Flüssigkeit (Thee) im Magen. Puls 72- 80.
8. 11. 03. Befinden heute erheblich besser. Etwas Aufstossen,
keine Übelkeit, kein Erbrechen. Einmal Magenspülung, im Magen
nur Spuren von Galle, Blähungen gehen nach Spritze. Puls 72-80.
9. 11. 03. Befinden gut. Kein Aufstossen, keine Übelkeit.
11. 11. 03. Führt ab.
17. 11. 03. Wechsel der oberen Verbandschichten. Entfernung
einiger Nähte aus dam untern Wundteile.
20. 11. 03. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons, des
Drahtes und sämtlicher Nähte. Wundlrichter sehr eng.
24. 11. 03. Sieht auf.
3. 12. 03. Letzter langer Fadeu entfernt, sass sehr fest,
5. 12. 03. Keine Tamponade des sehr engen Wundtrichters mehr.
7. 12. 03. Etwas Galle im Verband.
8. 12. 03. Galle läuft reichlicher.
10. 12. 03. Yerbaud 3 Tage trocken. Es läuft keine Galle mehr.
Wundtrichter völlig geschlossen.
12. 12. 03. Pat. wird mit kleiner granulierender Wunde geheilt
entlassen.
Das pathologische Institut Marburg schreibt uns über die Gallen-
blase folgendes :
Die Gallenblase ist an ihrer Innenfläche grünlich gefärbt, zeigt
aber sonst makroskopisch die normale Zeichnung der Schleimhaut. Es
besteht auch keine Verdickung der Wand. Mikroskopisch findet sich
ebenfalls eine ganz normale Schleimhaut, wenigstens an den unter-
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 0
— 66 —
suchten Stellen. Das Epithel ist hoch cylindrisch , zeigt vielfach in
den freien Zellhälften körnige bezw. körnig-fädige Einlagerungen, die
mit Hämatoxylin die Schleimreaktion geben. Ausserdem sind die
Zellen sehr reichlich von Fettkörnchen durchsetzt, auch finden sich
viele Fettkörnchen in den Bindegewebszellen der Schleimhaut.
Epicrise: Der Befund war so, dass schon die gesenkte
Leber und das Vorhandensein der Verwachsungen die Beschwer-
den erklärten. Der Stein war ein vplliger Nebenbefund. Die
Verwachsungen am Cysticus knicken den Gang ab, machen
Stauung in der Gallenblase und die chronische Entzündung
lässt die Fat. nicht zur Ruhe kommen. Sonst bot die Operation
keine Besonderheiten. JVachdem der letzte Faden entfernt
war, stellte sich Gallenfluss — wahrscheinlich aus dem
wiedergeöff'neten Cysticus — ein, aber schon nach wenigen
Tagen sistierte der Gallenfluss und die AVunde heilte rasch zu.
Nr. 35, M. M., 26 j. Postassistent aus Halberstadt.
Aufgen.: 15. 10. 1901.
Operiert: 17. 10. 1901. Ectomie.
Entlassen: 23. 11. 1901. Geheilt.
Anamnese: Vater an Blutsturz gestorben. Mutter leidet an
Gallensteinen.
Fat. selbst war früher immer gesund.
Im Oktober 1900 bekam er aus voller Gesundheit heraus einen
Anfall von Schmerzen im Rücken, welche dann um den ganzen Leib
zogen, wie ein Panzer. Der Anfall dauerte von Spätnachmittags bis
nachts um 2 Uhr und endete mit Erbrechen. Ein zweiter Anfall kam
8 Tage später und dauerte einige Stunden.
Im ganzen hat Fat. seitdem 10 Anfälle gehabt, welche alle in
gleicher Weise verliefen.
Im Mai dieses Jahres trat ein sehr heftiger Anfall auf. Herr
Sanitätsrat N e b e 1 ung diagnostizierte Magengeschwür und verord-
nete Milchdiät.
Anfang Juni, kurz nach Beginn der Milchkur, welche Fat. zu
Hause durchmachen wollte, trat ein erneuter Anfall auf. Hier wurde
Fat. zum ersten Male iktorisch. Der Urin war bierbraun, der Stuhl
longelb (Milclistuhl?). Die Gelbfärbung der Haut hielt 8 Tage an.
Ein nächster Anfall folgte am 2. Oktober dieses Jahres; zwei-
tägiger Ikterus.
Seitdem Ruhe.
In den Zwischenpausen zwischen den AnföUen war Fat. nie ganz
wohl. Er hatte stets angehaltenen Stuhl, nach Diätfehlern Magenbe-
schwerden, Völlegefühl nach Speisenaufnahme.
Fat. kam Anfang Oktober während des Anfalls hier zur Unter-
suchung : damals wurde von einer Operation abgesehen, eine Karls-
— 67 —
bader Kur, heisse Umschläge (Thermophor) etc. verordnet. Da aber
keine Latenz eintrat und Pat. fortwährend Beschwerden hat, so kommt
er zur Operation.
Befund: Schlanker Mann. Spur von Ikterus. Herz und Lungen
gesund. Leber etwas vergrössert. Urin frei. Gallenblasengegend etwas
druckempfindlich.
Diagnose: Cholecystitis calculosa.
Operation: 17. 10. 1901. Wellenschnitt. Gallenblase langge-
streckt, ohne Verwachsungen, leer, im Hals ein haselnussgrosser Stein.
Ectomie. Gallenblase ohne Flüssigkeit, enthält einen Klumpen zäher,
dicker Galle. Wandungen ödematös, besonders da, wo der Stein liegt.
Choledochus frei, Cysticus sehr eng. Dauer der Operation V^ Stunde.
Verlauf: 17. 10. Abends 87,3. Puls 84.
18. 10. 1901. 37,7. Puls 88. 38,6. Puls 96.
Nachmittags etwas Aufstossen, kein Erbrechen. Abends 7 Uhr
ganz wenig gallige Massen erbrochen. Um 8 Uhr Magenspülung. Da-
jbei entleert sich eine ziemliche Menge schwarzer, kafteesatzähnlieker
Massen. 10 Uhr Kochsalzinfusion.
19. 10. 38,6. Puls 88. 37,1. Puls 84. Morgens Kochsalz-
infusion, Magenspülung (5 Uhr). Wieder Blut im Magen. Um 12 Uhr
nochmals Magenspülung. Der Magen ist frei von Blut. Nochmals
Kochsalz. Ebenso nachmittags 6 Uhr. Da Pat. kein Blut mehr im
Magen hatte, Aufstossen sich nicht mehr einstellte, wird von weiteren
^Spülungen abgesehen.
30. 10. Fieberfreier Verlauf. Verbandwechsel. Tamponade ge-
wechselt. Einige Fäden bleiben noch liegen. Ebenso die Nähte
■der Hautwunde.
4. 11. Sämtliche Nähte entfernt. Tamponade gewechselt.
10. 11. Die Wunde wird immer kleiner.
23. 11. Die Wunde ist fest geschlossen. Pat. wird im besten
Befinden entlassen.
Epicrise: Der Ikterus ist so zu erklären, dass durch
-den Reiz der Steine ijji Hals der Gallenblase eine ödematöse
Schwellung hier eintrat, die sich auf das lig. hepatoduodenale
fortsetzte und den Gallenabfluss hinderte. Dass ein Stein in
4en Choledochus getreten ist, ist sehr unwahrscheinlich.
Auch hier trat das „schwarze Erbrechen" auf, doch ging
^s nach einigen Magenspülungen schnell zurück. —
^iV' 36. F. G., 29 j. Hoteliersfrau aus Gossensass am Brenner
(Tirol).
Aufgen.: 9. 10. 1902.
Operiert: 11. 10. 1902. Ectomie.
Entlassen: 20. 11. 1902. Geheilt.
Anamnese: Pat. war früher gesund. Vor ca. 6 Jahren im
1. Wochenbett hatte sie zum 1. Male einen Magenkrampf, Schmerzen,
5*
— 68 —
die unter dem rechten Rippenbogen begannen und beiderseits um die-
Taille und zum Rücken bis zwischen die Schulterblätter ausstrahlten,
ein beengendes atemraubendes Gefühl, dabei Fieber, Erbrechen, keinen
Ikterus. Die Anfälle wiederholten sich in wechselnden Pausen.
Vor ca. 4 Jahren im 3. Wochenbett kamen sie sehr häufig und
stark, dann Hess ihre Intensität nach, Erbrechen ist seitdem nicht mehr
aufgetreten.
Jetzt kommen sie in Pausen von 2—3 Mon. Der letzte Anfall
war vor 7 Wochen.
Die Diagnose wurde bald auf Gallensteine, bald auf nervöse Be-
schwerden, Wanderniere imd gynäkol. Leiden gestellt. Herr Oberstabs-
arzt a. D. Dr. Mahn er-Mons -Erfurt, der im Sommer in Gossensass
war, riet ihr, hierher zu kommen. Pat. war 1899 und 1901 in Karls-
bad, 1900 machte sie zu Hause eine Karlsbader Kur durch.
Befund: Schlanke Frau in gutem Ernährungszustande. Kein
Ikterus. Herz und Lungen gesund. Leib weich, flach. In der Gallenblasen-
gegend fühlt man einen rundlichen, etwas druckempfindlichen Tunior^
wahrscheinlich den über der Gallenblase ausgezogenen Leberlappen.
Diagnose: Recidiv. Cholecystitis calculosa,
Operation: W^ellenschnitt. Gallenblase gross, nicht verwachsen,,
enthält viele kleine und 3 grössere Steine; mehrere Steine im aus-
gebuchteten Hals der Gallenblase. Ectomie. Keiue Unterbindung au
der art. cystica nötig; (sehw.ache Entwicklung derselben). Choledochus
frei. Dauer der Ectomie 10, die der ganzen Operation 20 Min. Gute
Chloroformnarkose. Galleublase, wenig verändert, zeigt geringe Spuren
chronischer Entzündung.
Verlauf: Ganz normal.
20. 11. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die Pat., Frau eines Hoteliers, hatte in Karls-
bad keine Heilung gefunden, und da sie in ihrem Haushalt
nicht mehr tätig sein konnte, entschloss sie sich zur Operation.
Die Diagnose wurde, da Ikterus fehlte, von vielen Ärzten nicht
gestellt.
Nr. 87. A. D., 31j. Kaufinannsfrau aus Quedlinburg.
Aufgen.: 18. 4. 1903.
Operiert: 20. 4. 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 24. 5. 1903. Geheilt.
Anamnese: Die Mutter der Pat. hat an Gallensteinen gelitten.
Vor 8 Jahren während der ersten Schwangerschaft bekam Pat. häufige,
einige Stunden bis mehrere Tage dauernde Anfälle von Druckgefühl
und Schmerzen (jedoch nicht kolikartig) in der Lebergegond und der
Gegend der Magengrube. Kein Erbrechen, kein Fieber, keine Gelbsucht.
Diese Anfälle stellten sich auch weiterhin alle 4—6 Wochen in
ganz gleicher Art ein. In den anfallsfreien Zeiten fühlte sich Pat-
völlig wohl.
— 69 —
Während der zweiten Schwangerschaft vor 2 Jahren blieben die
Anfälle gänzlich fort. Etwa 3—4 Monate nach der Geburt des zweiten
Kindes traten die früheren Anfälle in ganz gleicher Art wieder auf
und stellten sich dann weiterhin alle 4 Wochen bis jetzt wieder ein
und zwar regelmässig kurz vor oder nach der Periode. Vor Weih-
nachten 1902 bemerkt Pat. eine allmählich sich vergrössernde Ge-
schwulst in der rechten Seite des Leibes, die sich leicht nach allen
Seiten hin verschieben Hess und ärztlicherseits zunächst als der Bauch-,
muskulatur angehörig angesehen wurde. Die Geschwulst ist etwas
druckempfindlich, macht spontan nur Schmerzen beim Gehen, wenn
das Kleid darauf drückt.' Sonst fühlt sich Pat. völlig wohl. Erbrechen,
Fieber, Gelbsucht ist nie vorhanden gewesen.
Da die Geschwulst sich vergrösserte, sendet uns Herr Dr. Stro-
korb-Quedlinburg die Pat. zu.
Befund: Grosser Tumor im rechten Hypochondrium, der sich
nach allen Seiten besonders medial leicht verschieben lässt. Er steigt
init der Atmung in die Tiefe. Bei Reposition kommt er immer wieder
an die Oberfläche. Nach Ricinus ist der Tumor entschieden kleiner
geworden. Er ist wenig empfindlich.
Diagnose: Hydrops vesicae felleae.
Operation: 20.4.03. Im Beisein der Herren Dr. Rennebaum-
Halberstadt und Dr. Schilling- Nürnberg. Der Tumor ist die hydropische
Gallenblase. Sie enthält im Hals 6 haselnussgrosse Steine. Ectomie
.nach Aspiration von serös-schleimiger Flüssigkeit. Keine Adhäsionen.
Gallenblase ist wandverdickt, Schleimhaut stark ulceriert. Hepatopexie
mit zwei Suturen (Draht). Dauer der Operation 35 Min., der Narkose
50 Min. (35 gr. Chloroform). Gute Sauerstoff-Chloroform-Narkose. Tampo-
nade. Verband,
Verlauf: 20. 4. 03. Temp. abends 37,3, Puls 60. Befinden gut.
Kein Erbrechen, wenig Aufstossen.
21. 4. OB. Temp. morgens 37,5, abends 37,5. Puls 100. Mehrmals
(3 mal) reichlich Galle gebrochen. Magenspülung, viel Galle im
Magen. Nachher Ruhe.., Blähungen gehen noch nicht.
22. 4. 03. Morgens Temp. 37,6. Hente früh 6 Uhr Erbrechen grosser
Meugen grüner Galle. Magenspülung, im Magen viel grüne Galle.
Pat. sieht sehr schwach und elend aus. Puls sehr klein, 120—130.
Kochsalzinfusion. Blähungen gehen nach Rohr. Den Tag über kein
Erbrechen mehr. Mittags Magenspülung, im Magen noch ziemlich viel
Oalle, jedoch weniger als heute früh. Kochsalzinfusion.
Temp. nachmittags 37,6. Puls 120, noch klein, jedoch kräftiger
als in der Frühe. Pat. sieht wohler und munterer aus. Zunge etwas
irocken. Leib weich. Blähungen gehen wieder nur vereinzelt. Koch-
salzinfusion.
23. 4. 03. Temp. morgens 37,6. Puls 120, etwas kräftiger. In der
Nacht kein Erbrechen, doch Gefühl von Völle im Magen. Daher nachts
Magenspülung, die eine Spur Galle ergibt. Pat. sieht heute früh
Avesentlich munterer und wohler aus, ist nicht mehr so matt. Blähungen
gehen.
— 70 —
Vormittags niehrmals wieder galliges Erbreclien. Magcnspiilnng^
viel Gralle iui Magen. Darauf Lagerung auf die rechte Seite, darnach
kein Erbrechen mehr, etwas Aufstossen. Temp. abends 37,7. Puls 116.
24. 4. 03. Temp. normal. Kein Erbrechen mehr seit gestern
Mittag. Puls 100, bräftig. Pat. liegt dauernd auf der rechten Seite,
sieht sehr gut aus, ist frischer. Nachmittags etwas Klagen über Völle
im Leib.
25. 4. 03. Befinden gut, keine Klagen. Kein Erbrechen, kein
Aufstossen. Führt ab, reichlich Stuhl.
4. 5. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung der Tam-
pons, die ziemlich locker sitzen, sämtlicher Nähte und einzelner langer
Fäden und des Hepatopexie-Drahtes. Wunde sieht gut aus. Tampo-
nade. Verband.
24. 5. 03. Pat. wird, nachdem 5 Verbandwechsel noch nötig
waren, mit kleiner granulierender oberflächlicher Wunde entlassen.
Epicrise: Lieblein hat in der Münch. med. Wochenschr.
1903 Nr. 15 eine Arbeit über abnorme Beweglichkeit der Steine
führenden Gallenblase veröffentlicht. Solche Fälle habe ich
sehr oft gesehen, auch dieser Fall war ein solcher. Die
Diagnose ist in der Tat nicht leicht, wer aber viel mit Galleii-
steinkranken zu tun hat, wird sich selten irren. Es war
interessant, dass in der Narkose der Tumor ganz medial
versclioben werden konnte> sieh zwisclien Bauch wand und
Omentum minus einklemmte und so bei der Operation an-
getroffen wurde.
Nr. 38. A. W., 30j. Wirtschafterin aus Kusey bei Clötze.
Aufgen.: 11. 4. 1903.
Operiert: 13. 4. 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 29. 5. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. war früher stets gesund. Vor etwa 2'/« Jahre»
bekam sie Magendrücken, welches unabhängig von Speisenaufnahme
und sonstigen äusseren Umständen die Pat. fast ununterbrochen be-
lästigte. Im Januar vor 2 Jahren trat zum erstenmale eine sehr
heftige typische Kolik auf. Pat. lag damals 14 Tage zu Bett. Seit-
dem hat sie alle 14 Tage bis 4 Wochen eine Kolik, ist jedoch auch
in der Zwischenzeit nie ohne ein dumpfes Druckgefühl in der Gallen-
blasengegend. Sie hat eine ganze Reihe von Mitteln angewendet.
Eine Neuenahrerkur zu Hause und eine in Neuenahr selbst wnron
ebenso erfolglos wie eine Ölkur. Bei der letzteren sollen über 70
weiche (1 !) Steine abgegangen sein, die Koliken bestanden aber nach
wie vor. Da der Zustand seit 2 Jahren ohne Unterbrechung derselho
ist, Pat. durch die fortwährenden Schmerzen uud durch die Behinderung
der Nahrungsaufnahme bei den häufigen Koliken sehr herunterkommt,
entschliesst sie sich zur Operation. Pat. hat häufig während der
— 71 —
Anfälle Morphium subkutan bekommen. Herr Dr. Rom mel-Clötze
schickt die Pat. zur Operation.
Befund: Resistenz der Gallenblasengegend. Sehr starke Druck-
emplindlichkeit. Kein Schmerz, keine Lebervergrösserung. Urin frei.
Diagnose: Cholecystitis chron. (wahrscheinlich Hydrops).
Operation: 13. 4. 03. Wellenschnitt. Bauchdecken sehr straff.
Schlechte Chloroformnarkose. Gallenblase ist geschrumpft, liegt hoch,
unter Leber und Rippenbogen , kaum erreichbar. Verwachsungen
zwischen Netz und Gallenblase. Hals der Gallenblase sehr ansge-
buchtet, erstreckt sicli nach oben bis unterhalb des Choledochus. In
der Gallenblase Elter; er ist aber so dick, dass er nicht aspiriert
werden kann. Leberpartie über der Gallenblase narbig, wird mit
Kleniuizange gefasjst und nach oben gezogen. Lig. teres wird durch-
schnitten, um die Leber beweglich zu machen; hilft nicht yiel. Bei
Ablösung der Gallenblase vom Leberbett reisst dieselbe mehrere Male
ein, es tritt Eiter in die untergelegten Tupfer. Im Foramen Winslowii
liegt kein Tupfer, dorthingelangter Eiter wird fortgetupft. Excision der
Gallenblase ist sehr mühsam. Gefässe liegen hoch, werden unterbunden,
ductus cysticus ebenso. Choledochus frei, es läuft klare Galle ab.
Hepatopexie mit 2 Sutui-en. 8 Tampons. Naht. Dauer 70 Min. Gallen-
blase chronisch entzündet, enthält dicken, gelben Eiter und viele er-
weichte Steine. Die Schleimhaut ist im Fundus papillomatös entartet,
ein Divertikel am Fundus.
Verlauf: Anfangs gut.
16. 4. 03. Ziemlich reichlicher Husten und Auswurf. Atmung
etwas beschleunigt. Rechts hinten unten pneumonischer Herd nach-
weisbar.
24. 4. 03. 37,5—37,8. Husten und Auswurf nur gering.
27. 4. 03. Temp. dauernd normal. Kaum noch Husten und Aus-
wurf. 1. Verbandwedisel. Entfernung der Tampons, die ziemlich
locker sitzen, nicht riechen, der Nähte, sowie der Hepatopexiedrähte
und einzelner lauger Fäden. Wunde sieht sehr gut aus. Tamponado.
Verband. Wundtrichter •sehr tief und eng.
30. 4. 03. 2. Verbandwechsel. Entfernung des Restes der langen
Fäden. Wunde sieht sehr gut aus. In der Nacht ist reichlich Gallo
gelaufen, sodass Verband heute durchtränkt war. Tamponade. Verband.
9. 5. 03. Verbandwechsel. Sekretion nur noch gering. Wund-
trichter wird deutlich enger. Kein Husten und Auswurf.
22. 5. 03. Sekretion sehr gering. Wundtrichter sehr eng, weniger
tief. Befinden dauernd gut.
29.5.03. Pat. wird mit kleiner, granulierender, oberflächlicher
W'inde entlassen.
Epicrise: Das Empj'^em der Gallenblase war nicht zu dia-
gnostizieren, die Operation war sehr schwierig; die Steine waren
erweicht (unter dem Einfluss des Eiters?) Es war gut, dass die
Gallenblase entfernt wurde, denn die Schleimhaut war papillomatös
entartet. Eine C^'stostomie hätte nichts genützt.
— 72 —
Nr. 39. L. H., 38 j. Land wir tsfrau aus Burgstaden.
Aufgen.: 4. 2. 1903.
Operiert: 7. 2. 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen. 15. 3. 1903. Geheilt.
Anamnese: Vor 18 Jahren im Wochenbett nach Geburt ihres
zweiten Kindes bekam Pat. mehrmals leichtere Anfälle von drückenden
Schmerzen in der Gegend der Magengrube, die aber bald wieder
vorübergingen. Dann war Pat. wieder frei von diesen Anfällen.
Vor 7 Jahren traten jedoch diese Anfälle von neuem auf. Die
Schmerzen waren erst drückend und wurden immer heftiger und
krampfartiger. Sie zogen von der Mitte des Leibes, der Gegend der
Magengrube, nach beiden Seiten hin zum Rücken und strahlten auch
nach oben, der Brust hinauf, aus. Zugleich bestanden auch starke
Kopfschmerzen. Die Anfälle dauerten '/*"'/« Tag lang. Pat. war
jedoch meist längere Zeit, bis zu V* Jahr, frei von Anfällen.
Vor 2 Jahren, nachdem Pat. im November 1900 eine Fehlgeburt
überstanden, trat im Januar 1901 ein sehr heftiger Anfall auf und es
stellte sich dabei Erbrechen ein. Der Anfall dauerte länger und Pat.
wurde damals zum erstenmal wegen Gallensteinkolik ärztlich behandelt.
Darauf im September 1901 neuer Anfall, dann Ostern 1902, darauf
August/September 1902 während drei Wochen mehrere Anfälle, im
Dezember 1902 leichter Anfall. Endlich vor 14 Tagen äusserst heftiger
Anfall mit Erbrechen, der 1'/« Tag dauerte, darnach noch 3 leichtere
Anfälle, der letzte vor 4 Tagen.
Fieber hat angeblich nicht bestanden, auch kann Pat. nicht an-
geben, ob sie bei den Anfällen gelb gewesen. Nach Gallensteinen im
Stuhl ist nicht gesucht worden. In den anfallsfreien Zeiten ist Pat.
frei von Beschwerden gewesen, nur in den letzten 14 Tagen hat sie
dauernd etwas Druekgefühl in der Lebergegend gehabt. Pat. wird
von Herrn Dr. Radeoke-Lauchstedt zugesandt.
Befund: Leib ziemlich weich. Typische und ziemlich starke
Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend. In der Tiefe ein rund-
licher Tumor zu tasten. Keine Gelbsucht. Herz und Lunge gesund.
Urin frei.
Diagnose: Entzündlicher Hydrops der Gallenblase.
Operation: 7. 2. 03. Wellenschnitt. Gallenblase liegt tief unter
Netz verwachsen, enthält im Hals einen walnussgrossen Stein, der
sich leicht in den Fundus schieben lässt. Aspiration des wässrig-
trUben Inhalts. Extraktion. Ectomie. Die Gallenblase wird bis zum
Choledoclins isoliert und rcisst bei stärkerem Anziehen diclit am Cliole-
doch US ab. Die Gallenblase ist stark entzündet und enthält im Hals ein de-
kubitales Ulcus mit aufgeworfenen Rändern. Cysticusschleimhaut sehr
zart und normal, scharf gegen die hochgradig entzündete Schleimhaut
der Gallenblase abgegrenzt. Unterbindung des Cysticus. Tamponade
mit 2 Streifen. Hepatopexie. Dauer der Operation '/» Stunde.
Verlauf: Gut.
— 73 —
21. 2. 03. 1. Verbandwechsel. Entfernung sämtlicher Tampons,
Nähte und einzelner Fäden. Wunde sieht gut und rein aus.
25. 2. 03. 2. Verbandwechsel. Am Tampon etwas klare Galle,
sehr reichliche Sekretion. Letzte Fäden entfernt.
27. 2. 03. 3. Verbandwechsel. Es läuft reichlich klare, goldgelbe
Pralle. Verband stark diirchträukt.
28. 2. 03. Steht auf.
8. 3. 03. Verbandwechsel. Spur Galle im Verband. Wunde ver-
kleinert sich schnell von der Tiefe aus.
15. 3. 03. Keine Galle im Verband. W^unde hat sich erheblich
verkleinert. Pat. wird nach Hause entlassen.
lJI;er den Befund an der Gallenblase teilt uns das path. Institut
in Gö tingen folgendes mit:
Die 8 cm lange Gallenblase hat eine braunrote, unregelmässig
netzförmig gezeichnete, derb anzufühlende Innenfläche, die in der Fundus-
gegend im Umfang einer Haselnuss eine leichte Ausstülpung zeigt. Am
Übergang des Corpus zum Collum erscheint die Schleimhaut gut er-
halten und wenig pigmentiert, während sich in der Mitte des Blasen-
halses, woselbst die Wandung eine Gesamtdicke bis zu 7 mm erreicht,
an 2 einander gegenüberliegenden Stelion 2 schwarzbraun gefärbte
Ulcerationen von ca. Erbsengrösse finden. Überall ist das die eigent-
liche Gallenblasenwand umgebende Bindegewebe stark ödematös ge-
quollen.
An den untersuchten Schnitten vom Blasenhals lassen sich
Nekrosen der Schleimhaut umschriebener Art u. z. T. tiefgehende
zellige Infiltration im Verlauf der Lymphgefässe konstatieren.
Im Fundusteil fanden sich die gleichen Veränderungen , jedoch
leichterer Art.
Epicrise: Keine Gelbsucht, weil der Prozess sich ledig--
lich in der Grallenblase abspielte. Da die Cysticusschleirahaut
resp. die des Gallenblasenhalses durch ein Ulcus sehr verdünnt
war, riss die GallenWase bei der Operation ab. Die ab-
schliessende Ligatur hatte sich mit der Zeit gelockert, so-
dass eine Gallenfistel entstand, die sich aber wieder schioss.
Nr. 4(). A. H., 51 j. Schlossermeistersfrau aus Gardelegen.
Aufgen.: 12. 1. 1904.
Operiert: 14. 1. 1904. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 24. 2. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. kommt auf Anraten des Herrn Dr. Butschkus-
Gardelegen zur Untersuchung. Mutter ist an Leberkrebs gestorben;
Pat. hat 2 gesunde Kinder, 3 sind gestorben. Vor einigen Jahren
hatte Pat. Blasen- und Nierenkatarrh.
Vor 17 Jahren hatte Pat. zum eisten Mal Gallensteinkrämpfe,
die vom Magen nach dem Rücken ausstrahlten, Pat. bekam Morphium-
— 74 —
tropfen. Pat. wurde gelb, hatte dunkeln Urin, Farbe des Stuhles
nicht bekannt. Im selben Jahre noch etwa 2—3 Anfälle; dann war
Pat. lange gesund. Vor 2 Jahren begannen wieder Schmerzen in der
Lebergegend, diesmal nicht kolikartig, mehr andauernd. Seitdem
häufige Übelkeit, kein Erbrechen, aber starke Salivation und Hoch-
würgen von wässeriger ii'lüs&igkeit. Stuhlgang ist immer etwas an-
gehalten. Die Schmerzen pausieren zuweilen '/* Jahr, dann treten sie
wieder aut. Zur Zeit hat Pat. seit etwa 4 Wochen wieder die Schmer-
zen, nicht allzuschlimm, aber doch psychisch stark deprimierend. Pat.
wurde mit Ölkuren, warmen Umschlägen und Karlsbader Wasser
zu Hause behandelt, hat seit etwa '/« Jahre ca. 30 Pfund an Gewicht
abgenommen.
Vorher : Einmal Ikterus ( ? ) , keine Leberschwelluhg, aber Gallen-
blasentumor. Bei Aufnahme: Kein Ikterus, keine Lebersehwellung,
schmerzhafter Gallenblasentumor.
Befund: Anämische, elende Frau. Kein Ikterus, Urin frei.
Leber normal, grosser schmerzhafter Gallenblasentumor.
Diagnose: Hydrops der Gallenblase; Carcinom nicht völlig
auszuschliessen.
Operation: 14. 1.04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (30 gr.)
Wellenschnitt. Gallenblase kinükopfgross, lose mit Netz und Duodenum
verwachsen, enthält klare, wasserhelle Flüssigkeit. Im Cysticus fest-
sitzend ein haselnussgrosser Stein. Ectomie nach Aspiration. Gallen-
blasenwand verdünnt, gallenblasenwärts der Cysticus, wo der Stein
sitzt, narbig, choledochuswärts glatt, Hepatopexie mit 3 Suturen (Draht).
Ein Tampon. Naht. Dauer der Operation 28 Min.
Die Untersuchung der Gallenblase, die ca. 50 eckige Steine ent-
hält, ergibt :
Die mikroskop. Untersuchung verschiedener Stellen der Gallen-
blasenwand ergibt das überraschende Resultat, dass die Schleimhaut
überall fehlt und die noch deutlich vorhandene Muskulatur nur noch
von einer dünnen Bindegewebsschicht bedeckt ist. In dieser Binde-
gewebsschicht finden sich frische Blutungen und zellige Einlagerungen.
Das Protoplasma dieser Zellen ist mit Fettkörnchen dicht erfüllt.
Diese entzündlichen Zellanhäufungen ragen gelegentlich bis in die
Muskelschicht hinein. In der Muskulatur besieht eine starke Zunahme
der elastischen Fasern. Die Gefässe des Peritonealüberzugs sind von
Zügen lympathischen Gewebes eingeschlossen.
Verlauf: 15. 1. Blähungen gehen noch nicht, Leib ziemlich
gespannt und aufgetrieben. Kein Fieber. Ziemliche Unruhe. Puls
116—120. Abends Magenspülung, fördert grössere Mengen Thee und
Galle mit Spuren von Blut zu Tage.
16. 1. Morgens kommen die ersten Blähungen, Leib weicher,
Pat. fühlt sich wesentlich erleichtert. Nachmittags sistieren die
Blähungen wieder; Leib ist ziemlich aufgetrieben und gespannt. Urin
spontan. Abends Wein - Kognakklystier. Magenspülung. Grosse
Unruhe.
(O —
17. 1. Mittiigs beginnen wieder Blähungen; Abends Leib weich.
Fat. fühlt sich wieder ganz wohl.
18. 1. Kein Aufstossen mehr. Sehr gutes Allgemeinbefinden.
Kräftiger Puls, 80; Temperatur immer normal.
19. 1. Pat. führt ab.
28. 1. Erster Verbandwechsel. Tainpous, die zumeist mit Galle
dnrcliträulit sind, entferuen sich leicht. Ein Teil der langen Fäden
und der Drähte werden entfernt.
30. 1. Entfernen von noch 2 Drähten und der Hautnähte.
5. 2. Pat. steht auf.
11. 2. Da Pat. schmerzhafte Venenverhärtung in der linken Knie-
kehle bekommt, bleibt sie heute zu Bette. Spiritusumschlag um das
linke Knie.
16. 2. Unter Spiritusverbänden sind die Schmerzen in der linken
Kniekehle verschwunden; es sind bloss noch einige kleine, nicht druck-
empfindliche Knötchen zu fühlen.
17. 2. Letzte lange Fäden entfernt.
18. 2. Pat. steht wieder auf.
24.2. Wunde bis auf kleine Granulation geheilt. In vorzüglichem
Gesundheitszustande entlassen.
Epicrise: Ein Fall von selten grossem Hydrops. Obwohl
der Stein ganz fest im Anfangsteil der Gallenblase sass, hatte
Pat. augenblicklich keine Beschwerden, da die Entzündung
fehlte. Inhalt war wasserklar.
Nr. 41. M. B., 37j. Bäckersfrau aus (Groningen.
Aufgen.: 27. 10. 03.
Operiert : 29.- 10. 03. Ectoraie.
Entlassen : 17. 12. 03. Mit Gallenfistel. Später geheilt.
Anamnese: Pat. ist sonst immer gesund gewesen; in der Fa-
milie keine besonderen Erkrankungen. 9 Geburten, 6 Kinder sind am
Leben, Zwillinge sind gestorben, ebenso ein in Narkose geborenes Kind
(Querlage.) Bei der 1. Schwangerschaft vor 14 Jahren zum 1. Male
Anfälle von Magenschmerzen, die aber nur kurzdauernd waren. Die-
selben pausierten dann einige Jahre, um plötzlich wieder aufzutreten.
Vor 8 Wochen zum 1. Male richtiger Anfall von Kolikschmerzen in
der Lebergegend, die besonders nach dem Kreuze ausstrahlten ; Mor-
phium wurde nötig: Pat. musste 5 Tage zu Bette liegen; aber kein
Ikterus, keine Stuhlentfärbung, kein Erbrechen. Ein gleicher Anfall
vor 14 Tagen, auch wieder 5 Tage lang bettlägerig; vorletzter Anfall
vor 8 Tagen, etwas kürzer, letzter Anfall vor 5 Tagen; beim letzten
soll der Urin dunkelrot gewesen sein. Der Arzt Herr Dr. Röhrbein
behandelte die Pat. mit Morphium, heissen Umschlägen und Trinken
von heissem Wasser und riet der Pat. als einziges sicheres Mittel zur
Heilung die Operation.
— 76 —
Befund: Kleiner, aber sehr deutlicher und schmerzhafter Tumor
der Gallenblase. Kein Ikterus. Leber normal. Urin frei.
Diagnose: Abgelaufene serös-eitrige Cholecystitis. Gallenblase
ist wenig gespannt.
Operation: 29. 10. 03. In Gegenwart der Herren Dr. Rohr-
be in -Groningen und Prof. Dr. Capald i-Neapel. Sehr gute Sauer-
stoff-Chloroformnarkose, 45 gr. Wellenschnitt. Gallenblase massig
gross, ist mit Netz verwachsen, enthält Steine. Einer fest im Cys-
ticus. Ectomie ziemlich schwierig, wegen vieler Verwachsungen am
Hals. Im Cysticus ein Stein von Kirschkerngrösse. Choledochus an-
scheinend frei. Gallenblase chronisch entzündet, enthält Schleim und
Eiter. Tamponade. Dauer der Operation 35 Min.
Die Untersuchung der Gallenblase ergibt: Keine Erweiterung.
Schleimhaut stark höckrig. Am Fundusteü, ca. 1 Finger breit
von der Spitze entfernt, eine linsengrosse, schwärzlich verfärbte
Stelle, die einer kleinen mandelgrossen Vorwölbung an der Aussenseite
entspricht. Auf dem Durchschnitte sieht man hier ein über erbsen-
grosses vielkammeriges Divertikel der Gallenblase mit dem Lumen an
deir oben erwähnten schwärzlichen Stelle kommunizierend, ganz mit
kleinen Figmentkalksteinen gefüllt.
Mikroskopisch findet sich in den steinerfUllten Divertikeln kein
Epithel, vielmehr ist die Wand von einem sehr gefässreichen Granulations-
gewebe gebildet, wie wir es ja wiederholt bei Gallenstauung in den
perforierenden Schleimhautausbuchtungen der Gallenblasenwand ge-
funden und geschildert haben. Es ist nicht unmöglich, dass diese
Gallenretentionen, zu denen die zahlreichen, die Muskel wand perfo-
rierenden Schleimhautausstülpungen leicht Gelegenheit geben, durch
bakteriologische oder chemische Zersetzung umschriebene Entzün-
dungen an der Gallenblasenwand hervorrufen, wie es auch hier wieder
der Fall ist, wodurch die klinisch beobachtete starke Schmerzhaftig-
keit der Blase in vielen E'ällen am besten erklärt würde. Die Schleim-
haut selbst und die Muskulatur zeigt nämlich von einer leichten Hyper-
trophie abgesehen keine stärkeren entzündlichen Veränderungen.
Nur dort, wo am Blasenhals Drüsen die Muskelwand durchbrechen,
finden sich stärkere entzündliche Zellenanhäufungen.
Verlauf: Nach der Operation etwas Aufstosscn, kein Erbrechen.
Abends nach Morphium gute Nachtruhe. Blähungen kommen schon
am Abend in Gang. Abendtomperatur 37,1.
30. 10. 38,0—38,0. Fat. hat etwas Zeichen von Bronchitis, hustet
zähes, fade riechendes Sputum aus. Puls immer kräftig, kaum beschleunigt.
31. 10. 37,8. Bronchitis noch nicht gebessert; Husten aber etwas
lockerer. Blähungen gehen nach Spritze. Abends 6 Uhr plötzlich sehr
starker kolikartiger Schmerz in dem rechten Hypochondrinm, der eine
Morphinmeinspritznng nötig macht; darauf Erleichterung. 38,5.
1. 11. Fat. hustet heute noch ziemlich viel. Verband mit Galle
dnrchtrUnkt; Entfernen der oberflächlichen Schichten. Blähungen
— 77 —
gehen gut. Keine Schmerzen. 37,8—38,5. Puls kräftig , zuweilen
etwas aussetzend, 120.
2. 11. Fat. hat die ganze Nacht nicht gehustet. Morgens beginnt
der Husten wieder. Da der Puls etwas unregelmässig und be-
schleunigt ist, erhält Pat. Infus, fol. digital. Temp. 38,2—38,4.
3. 11. Temp. 38,7—38,4. Verbandwechsel der oberflächlichen
Schichten, da ziemlich reichlich Galle gelaufen ist. Heute deutlicher
Ikterus. Über dem linken Unterlappeu Dämpfung und Bronchialatmen,
rechts Vesiculäratmen mit yerschiedenen Rasselgeräuschen. Pat. führt
heute ab, hat 2 mal nahezu weiss gefärbten Stuhl. Digitalis. Wein.
Puls kräftig, aber noch beschleunigt.
4. 11. Pat. hat nachts etwas geschlafen. Husten heute weniger,
aber noch locker. Keine Schmerzen beim Atmen. Ikterus hat nicht
zugenommen. Temp. 37,9—38,8** C.
5. 11. Temp. 38,2— 38,5. Sputum etwas rostbraun heute, Digitalis-
wirkung jetzt vorhanden ; Puls 100, kräftig. Digitalis wird ausgesetzt.
Appetit gut, Schmerzen wenig. Da Verband durchtränkt, Wechsel der
oberflächlichen Schichten.
6. 11. Temp. 38,2—38,2. Heute Husten fast verschwunden. Puls
kräftig, 100, noch unter Digitaliswirkung. Ikterus geringer. Urin
etwas dunkel, eiweissfrei. Wechsel der oberflächlichen Verband-
schichten.
7. 11. Temp. 37,7-37,8.
8. 11. Heute Auswurf wieder etwas reichlicher. Verband durch-
tränkt, wird gewechselt. 38,2—37,7.
10. 11. Verbandwechsel. Entfernen der Tampons und sämtlicher
langen Fäden und Hautnähte.
15. 11. Temp. 39,0-39,0.
16. 11. Pat. ist heute' eine Stunde ausser Bett. Seit gestern ziem-
lich hartnäckiger Durchfall. Glühwein. Opium. Über der Lunge,
besonders links, noch ziemlich reichliche klein- bis mittolgrossblasige
Rasselgeräusche. Keine Dämpfung. 38,5—39,2.
17.11. 38,5-38,7. Durchfälle bestehen noch. Pat. erhält Tannal-
bin. Schleimsuppen. Rotwein.
18. 11. 37,5—38,7. Eichelkakao. Noch 2 mal heute Durchfälle.
19. 11. 37,9-38,4. Kein Durchfall mehr.
20. 11. 37,3—38,5. Auswurf locker, noch immer reichlich. Lungen-
befund unverändert.
23. IL Allgemeinbefinden bedeutend besser. Stuhlgang geformt.
Appetit hebt sich. Gallensekretion lässt etwas nach.
15. 12. Pat. hat sich sehr gut erholt. Verband heute zum 1. Male
3 Tage trocken. Gallenfluss minimal.
17. 12. Pat. wird mit sehr wenig absondernder Gallenflstel ent-
lassen. Kommt noch zum Verbinden her.
25. 12. Pat. hat inzwischen 2 typische Kolikanfälle (am 21. und
23. 12. 03) gehabt mit Ikterus; Urin war dunkel.
— 78 —
Heute Verbandwechsel. Im Verband sehr wenig Galle. Chole-
dochusstein vielleicht bereits abgegangen ?
28. 12. Keine Koliken wieder. Verband trocken. Es läuft keine
Galle mehr. In den faeces wird ein erbsengrosser Stein gefunden.
1. 1. 04. Völlig trocken. Pat. ist ganz beschwerdefrei und hat
sich sehr erholt. Herr Dr. Köhrbein wird Pat. weiter verbinden.
Epicrise: Als Pat. operiert wurde, bestand kein Ikterus,
der Choledochus war ansclieinend frei, und doch war ein Stein
im Choledochus übersehen worden. Die Ligatur am ductus cys-
ticus gab nach, und es floss nun fast 2 Monate lang viel Galle.
Als der äussere Fistelgang eng wurde und eine feste Tanipo-
nade angewandt wurde, bekam Pat. 2 heftige Koliken, welche
den Stein abtrieben. Sofort hörte der Gallenfluss auf. Hat
man ectomiert und einen Stein übersehen, so sei man mit
einer sekundären Choledocliotomle nicht zu rasch bei der
Uand. Nur kleine Steine wird ein erfahrener Gallensteinchirurg
übersehen, aber diese gehen oft nocli spontan ab. Eine feste
Tamponade genügt, um den Druck im Choledochus so zu er-
höhen, dass das Hindernis überwunden wird.
Nr. 42. L. P., 26 j. Kaufmann aus Seligenstadt (Hessen).
Aufgen.: 9. 4. 1900.
Operiert: 12. 4. 1900. Ectomie.
Entlassen: 5. 6. 1900, vorläufig mit Gallenflstel.
Später geheilt.
Anamnese: Pat. stammt aus einer Familie, deren Angehörige
sämtlich etwas nervös sind. Gallensteinleiden sind nicht vorgekommen.
Pat. war früher stets gesund, Stuhlgang regelmässig. Im Sommer
1896 hatte er zum ersten Male Anfälle von Schmerzen in der Magen-
grube, die 2-3 Stunden, später länger dauerten, sehr heftig waren,
ohne Fieber und Erbrechen — einmal aufgetretenes Erbrechen wird
auf einen Diätfehler zurückgeführt — einhergingen und sich in Pau-
sen von 3 Tagen bis mehreren Monaten wiederholten. Die Anfälle
endeten meist mit Durchfall, der letzte war im Dezember 1897. In
der folgenden Zeit litt Pat. viel an Sodbrennen und Aufstossen, Kopf-
schmerzen und unregelmässigem Stuhlgang, wodurch er körperlich
sehr herunterkam.
Im September 1897 traten die oben beschriebenen Anfälle wieder
auf, Pat. hatte stundenlang vorher ein zusammenziehendes Gefühl im
Rücken und konnte den Anfall vorhersagen. Auf hoisse Umschläge
erfolgte jedesmal Besserung. Er wurde von Herrn Dr. N o 1 1 - Hanau
behandelt, der Wanderniere diagnostizierte und ihn eine Mastkur
machen und eine Leibbinde tragen Hess. Durch erstere nahm Pat.
7 Pfund an Gewicht zu, die Schmerzen schwanden, seitdem er die
- 79 —
Leibbinde trug, Sodbrennen, Aufstosson etc. blieben bestehen. Ihm selbst
fiel sein fahles Aussehen auf. Vor ca. 14 Tagen kam wieder einer
der oben beschriebenen Schmerzanfälle, der sich bisher noch 5 mal
wiederholte, der letzte und schwerste war am 6. 4. Erbrechen,
Fieber, Ikterus fehlten wieder, das Körpergewicht soll abgenommen
haben. Dr. N o 1 1 fand nach dem ersten Anfall ausgesprochene cir-
cumskripte Empfindlichkeit in der Gallenblasengegend, nach einem
späteren Anfall die gespannte druckempfindliche Gallenblase palpabel.
Seine Diagnose lautete Duodenalkatarrh, Cholecystitis, wahrscheinlich
ohne Steine. Ferner konsultierte Fat. noch Herrn Dr. Abend -Wies-
baden, der sekundäre nervöse Dyspepsie mit Superacidität, chronische
Obstipation, Cholelithiasis diagnostizierte. Auf Rat des Herrn Dr.
Noll kommt Fat., der die Operation selbst dringend wünscht, hier-
her. Der betreffende Arzt hat von der Krankheit folgende Auffassung:
.fl Herrn F. aus Nürnberg, z. Z. in Seligenstadt in Hessen, habe
ich geraten, sich wegen der Erkrankung an Cholecystitis operieren
zu lassen. Die kurze Krankengeschichte ist folgende '.
P. kam im September vorigen Jahres zu mir mit den Klagen
über einen seit Wochen bestehenden Darmkatarrh und über zeitweise
Anfalle von „Magenkrampf".
Bei der Untersuchung fand ich eine rechtsseitige Wanderniere
und musste diese für die (mechanische) Ursache des Darmkatarrhes,
wie der wahrscheinlichen Gallenkoliken (durch Choledochus-Kom-
pression) halten. Ich liess eine Leibbinde (Teufel'sche) anlogen mit
dem Erfolg, dass von der Stunde an der Darmkatarrh verschwand
und der sehr schlechte Ernährungszustand des Fat. sich ganz wesent-
lich besserte. Vor etwa 14 Tagen bekam Fat. wieder einen Kolik-
Anfall zu Haus. Zwei Tage nach der Attaque kam er zur Unter-
suchung zu mir. Ich konnte eine ausgesprochene Empfindlichkeit
an circumskripter Stelle in der Gallenblasengegend konstatieren. Vor-
gestern kam Fat. wieder zu mir, nachdem er abends vorher wieder
einen heftigen Kolik-Anfall geiiabt hatte. Diesmal konnte ich die
gespannte druckempfindliche Gallenblase deutlich palpieren. ,
Diagnose: Duodenalkatarrh durch Kompression und Zerrung
von Seiten des ren mobilis, sodann Infektion der Gallenblase aus dem
unter Druck stehenden Inhalt des Duodenum. Steine sind wahr-
scheinlich nicht vorhanden.
Nunmehr riet ich dem Fat. umso dringender zur Operation. Ver-
mutlich wird nach vorgenommener Cholecystostomie eine Nephropexie
nicht nötig werden ?"
Befund: Kleiner, mittelkräftiger Mann von fahler Gesichts-
farbe. Kein objektiver Befund. Urin frei von Eiweiss, Zucker und
Gallenfarbstoff. Herz und Lungen gesund. Geringe Druckempfindlich-
keit der Gallenblasengegend. Temperatur, Fuls normal.
Diagnose: Wieweit die sehr unklaren Beschwerden des Fat.
auf einer Erkrankung des Gallensystems beruhen, ist fraglich. Haupt-
sächlich dafür spricht der Befund des Herrn Dr. Noll, der zweimal
— 80 —
die Gallenblase palpieren konnte. Vielleicht liegt Ulcus duodeni vor.
Wahrscheinlicher ist Cholecystitis calculosa.
Operation: 12. 4. In der Nacht zuvor hat Pat. Schmerzen.
Am nächsten Morgen deutlich Resistenz in der Gallenblasengegend,
so das» die Diagnose Cholecystitis an Wahrscheinlichkeit gewinnt.
Wellenschnitt. Leber klein, Gallenblase klein, mit Magen flächenhaft
verwachsen. In ihr viele Steine und seröseitrige Flüssigkeit. Im
Cystieus ein Stein. Cystectomie. Lebhafte Blutung aus der art.
cystica, deren Unterbindung einige Schwierigkeiten macht. Chole-
dochus anscheinend frei. Tamponade. Bauchdeckennaht. Rechte
Niere etwas locker, am Duodenum nichts.
Verlauf: 13. 4. 37,8. Puls 92. Urin spontan. Kein Er-
brechen, Blähungen nach Glycerin. Jammert viel. Verband mit
Galle durchtränkt, wird erneuert, ohne dass die Tampons ent-
fernt werden.
Vom 14. 4. bis 22. 4. wird der Verband täglich erneuert, weil er
von Galle durchnässt ist.
23. 4. 37,1. Puls 80. 3 ',9. l Kein Verbandwechsel
24. 4. Fieberfreier Verlauf. J notwendig,
25. 4. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons.
Vom 26. 4r. an ist jedesmal der Verband mit viel Galle dnrchnässt,
so dass täglich verbunden werden mnss. Pat. hat öfters Durchfälle,
schläft nicht gut, macht dabei aber einen guten Eindruck.
Am 10. 5. wird die äussere Fistel durch eiuen Stöpsel verschlos-
sen, um über die Durcligängigkeit des Choledoohus ins Klare zn
kommen. Schon nach 2 Stunden ist der Verband mit Galle durch-
tränkt. (Stein im Choledochus, bei der Operation übersehen ?). Aller-
dings hatte Pat. vor dem Ausfliessen der Galle keine Schmerzen, auch
keinen Magendruck.
Am 11. 5. wird das Stöpselexperiment wiederholt.
12. 5. Der Verband ist trotz des Stöpsels wieder stark dnrcli-
tränkt. Wechsel. Abends noch einmal.
Vom 13. 5. bis 22. 5. wird der Verband zweimal am Tage er-
neuert, weil er stets mit Galle durchtränkt ist. Stuhlgang völlig
entfärbt.
23. 5. dito. Stöpselexperiment.
24. 5. Verband trocken, keine Schmerzen, nachmittags wieder
reichlicher Gallenfluss. Wechsel.
25. 5. Stöpselexperimeut, nachmittags wieder Verband durch-
tränkt. Stuhl grau.
Vom 26. 5. bis 29. 5. zweimaligei Verbandwechsel am Tage.
30. 5. Stöpselexperiment.
31. 5. Verband durchtränkt. Stöpselexperiment.
1. 6. Verband trocken. Stöpsel entfernt. Danach wieder reich-
lich Gallenfluss, Abends Wechsel.
Vom 2. 6. bis 4. 6, einmaliger Verbandwechsel am Tage.
5. G. Verlüsst vorläufig die Klinik mit kompleter Gallenflstel.
— 81 —
20. 6. Herr P. schreibt, dass er zn Hause 2 heftig:e KolikanraUe
gehabt liat, und dass danach sich die Fistel geschlossen habe. Sein
Befinden ist ausgezeichnet.
Epicrise: Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass bei
der Operation kleine Steine im Choledochus übersehen wurden,
daher der profuse Gallenfluss in den ersten Wochen. Als dann
die äussere Fistel immer enger wurde, presste die sich stauende
Gralle die Steinreste unter heftiger Kolik durch die Papille in
das Duodenum, und mit einem Mal hörte der Gallenfluss auf.
Die in der Nacht vor der Operation auftretende Kolik hat
die Steine in den Choledochus gepresst, vielleicht wäre es
besser gewesen, man hätte mit dem Eingriff noch ein paar
Tage gewartet, bis der Stein die Papille des Duodenums
passiert hatte. Pat. meldet im Februar 1904, dass es ihm
ganz ausgezeichnet gehe und er nie wieder Beschwerden ge-
habt habe.
Nr. 48. M. H., 44j. Seminardirektorsfraa aus Königsberg
i. d. Neumark.
Aufgen.: 29. 8. 1900.
Operiert: 31. 8. 1900. Ectoraie.
Entlassen: 1. 11. 1900. Geheilt.
An amnese: •Vorleben ohne Belang. Frau H. ist Mutter von
4 Kindern, hat bei der letzten Gravidität vor 7 Jahren in Posen eine
Laparotomie durchgemacht.
Empfindlichkeit in der Gallenblasongegend schon seit Jahren.
Weihnachten 1899 Influenza, hinterher Masern. April 1900 schwere
Kolik, welche mehrere Morphiumeinspritzungen nötig machte (Herr
Dr. Nimts ch -Königsberg). Im Sommer Kur in Karlsbad. Herr Dr.
Fink fand zugleich rechtsseitige Wanderniere. Bald nach der Rück-
kehr trat ein sehr schwerer Anfall auf, der die Pat. 14 Tage ans Bett
fesselte. Röntgenbild negativ. Nie Ikterus. In der letzten Zeit nie
frei von Schmerzen.
Pat. kommt auf den Rat der Herren Prof. Klemperer-Berlin
vmd Dr. Neum eis ter-Danzig in die Klinik.
Zu erwähnen ist noch, dass Pat. im letzten Jahre 14 Pfund ab-
genommen hat.
Befund: Hagere, blasse Dame. Herz und Lunge gesund.
Urin frei. Leber normal gross. Gallenblase als hühnereigrosser,
harter Tumor sehr deutlich zu tasten. Massige Schmerzhaftigkeii
bei Druck. Rechtsseitige Wanderniere.
Diagnose: Chron. Cholecystitis. Hydrops der Gallenblase.
Kehr, Technik der GaUcnsteinoferationen. 6
— 82 —
Operation: 31. 8. 1900. Wellenschuitt. Gallenblase gross, über-
ragt den Leberrand um 3 cm, prall gefüllt, mit Netz verwachsen.
Lösung. Beim Anziehen entleert sich ein Teil des Gallenblaseninhalts
in den Choledochus. Sofort fühlt man 3 haselnussgrosso Steine. Einer
liegt im Hals der Gallenblase. Cystectomie. Unterbindung der art.
cystica und des Cysticus. Choledochus frei. Tamponäde mit steriler
Gaze. Durchstichknopfnähte mit Seide. Verband. Dauer der Ope-
ration V« Stunde. Die aufgeschnittene Gallenblase zeigt auf ihrer
Schleimhaut viele Ulcera, besonders im Hals der Gallenblase, dessen
Muscularis sehr hypertrophisch ist. Cysticus eng, gesund, die Heister-
schen Falten scharf ausgebildet. In der Gallenblase 3 haselnussgrosse
und 14 kleine, schrotkorngrosse Steine.
Verlauf: Abends 37,5. P. 80.
1. 9. 37,3. P. 84. Blähungen beginnen. Kein Erbrechen.
Leib weich.
2. 9. 37,7. P. 94. Etwas Aufstossen. Leib weich.
5. 9. Kein Fieber. Ricinus. Fängt an zu essen. Fühlt sich aus-
gezeichnet.
6. 9.— 10. 9. Sehr gutes Befinden.
Die Entfernung der tamponierenden Gaze maclite hier etwas Schwie-
rigkeiten, sie sass sehr fest, und trotzdem Pat. am 18. Tage post op.
2 mal badete, liess sich die Gaze am nächsten Tage mir nuter grossen
Schmerzen entfernen. Hinterher einige Tage Fieber (39,0 0 (ij^ gej^
30. 9. guter Verlauf. Wundkanal schon sehr eng. Pat. wird am 1. 11. 00
geheilt entlassen.
Epicrise: Der Befund war in diesem Fall so charakteri-
stisch, wie selten und müsste jeden, der in^der Untersuchung
von Gallensteinkranken nur einige Übung hat, zur Operation
einladen. Der Cysticus selbst war ganz eng und normal, aber
der Stein im Hals der ^"Gallenblase hatte eine bedeutende
Schwellung der Schleimhaut und zugleich Hypertrophie der
Muskulatur des Gallenblasen-Halses hervorgerufen. Die Schleim-
haut hier war ulceriert, doch glaube ich nicht, dass schon
Carcinoni vorlag. Jedenfalls ist in einem solchen Fall die
Cystectomie richtiger wie die Cystostomie. Man kann nie wissen,
ob solche Ulcera sich zuriickbilden oder später bösartig werden.
Nr. 44. W. Z., 47 j. Kaufmannsfrau aus Riga.
Aufgen.: 29. 3. 1900.
Operiert: 31. 3. 1900. Ectomie.
Entlassen: 8. 5. 1900. Geheilt.
Anamnese: Vater hat öfters an „Magenschmerzen" gelitten
und mehrmals Gelbsucht gehabt.
— 83 —
Pat. selbst ist früher nie erheblich krank gewesen. 1886 legte
Ihr die Hebamme nach dem 4. Wochenbett ein stark drückendes Korsett
an. Als Pat. es etwa 4 Wochen getragen hatte, fühlte sie ein leise
ziehendes Schmerzgefühl in der Lebergegend, das sich in Pausen von
einigen Tagen wiederholte und jedesmal stärker auftrat, so dass sie
■nach 14 Tagen zum Arzt ging, ohne aber Linderung zu finden. Im
nächsten Jahre steigerten sich die Schmerzen noch mehr und strahlten
nach dem Rücken aus, bisweilen trat in den Anfällen Erbrechen auf,
Fieber nicht.
1887 im Oktober kam ein sehr heftiger Schmerzanfall mit Er-
brechen und Ikterus, sie litt nach ihrer Angabe 3 Wochen lang an
Leberentzündung, ob sie dabei Fieber gehabt hat, weiss sie nicht an-
zugeben. Sie erhielt damals viel Morphium und war körperlich sehr
-geschwächt. Es blieb ein dauernder schmerzhafter Druck in der
Lebergegend zurück, der erst nach einer Kur in Karlsbad — Mai 88 —
schwand. Februar 89 hatte sie 2 leichtere Anfälle mit geringen
Schmerzen. Mai 89 zum 2. Male Karlsbad , danach 3 Jahre frei von
Beschwerden. Erst im Februar 92 trat wieder ein leichter Schmerz
in der Lebergegend und im Rücken auf, dem sich ein nervöser Zu-
stand von Kopfschmerz, Schwäche und allgemeinem Unwohlbefinden
anschloss. 14 Tage danach kam wieder ein Gallensteinanfall mit
Schmerzen und Erbrechen, ohne Ikterus, auf Fieber ist nicht geachtet
worden. Im Stuhlgang wurden 2 Steine gefunden. Das Allgemein-
befinden blieb schlecht, Pat. neigte zu Ohnmächten. Deshalb 1892
3. Kur in Karlsbad. Danach.blieben die Gallensteinbeschwerden wieder
aus, das Nervenleiden trat aber wiederholt auf, so dass Pat. 1893 in
einer Kaltwasserheilanstalt einige Wochen zubrachte. Danach ging
sie im Mai 93 wieder nach Karlsbad, hatte dort einen heftigen Gallen-
steinanfall, bei dem 5 Steine gefunden wurden. Von der Reise kam
sie wieder krank an, hatte gleich einen heftigen Anfall, bei dem
18 Steine abgingen. Danach war sie wieder beschwerdefrei, im Winter
95/96 kamen einige kleinere Anfälle, deshalb Mai 96 zum 5. Male Karls-
bad. Mai 98 zum 6. Male. November 98 sehr heftiger 2 Tage dauern-
<ler Anfall mit Schmefzen, Erbrechen, Fieber, l Stein wurde gefunden.
■Gleich darauf Lungenentzündung, in der Rekonvaleszenz wieder An-
fall. Mai 99 zum 7. Mal in Karlsbad, im Sommer und Herbst ausge-
zeichnetes Befinden, im Dezember wieder leichtes Druckgefühl nach
dem Essen. Anfang Januar wieder sehr heftiger Anfall mit Schmerzen,
Erbrechen und Fieber, ebenso im Februar 1900. Beide Male viel Mor-
phium. Im ganzen sind etwa 80 Steine bis zu Erbsengrösse im Stuhl
gefunden worden.
Auf Rat des Herrn Dr. Schabert-Riga entschhesst sich Pat. zur
Operation.
Befund: Kräftige Frau in gutem Ernährungszustande. Urin frei
von pathol. Bestandteilen. Herz und Lungen gesund. Gallenblasen-
.^e^end druckempfindlich. Kein Ikterus. Temperatur, Puls normal.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Cysticus zur Zeit offen.
6*
— 84 —
Operation: 31. 3. 00. Wellenschnitt. Leber sehr mobil, lässt
sich so extraperitoneal lagern, dass die ganze Operation gewisser-
uiassen ausserhalb der Bauchhöhle vorgenommen werden kann. Gallen-
blase gross, verdickt, mit Netz an der unteren Fläche verwachsen.
Lösung. Cystectomie. In der Gallenblase dicke Galle und 90 Steine.
Choledochus frei. Unterbindung des Cysticus und der art. cystica für
sich. Tamponade. ßauchnaht nach Spencer-Wells. Die Gallenblase
ist verdickt, im Cysticus eine sternförmige Narbe (altes Ulcus). Schleim-
haut sehr hypertrophisch. Operationsdauer V^ Stunde.
Verlauf: l. 4. 37,5. Pulß 72, kräftig, regelmässig. 37,5. Mehrmals
vv^enig erbrochen, subjective Mattigkeit, sonst Wohlbefinden. Blähungen
noch nicht.
2. 4. 37,5. Puls 76. Blähungen spontan. 37,5.
Fieberfreier Verlauf.
13. 4. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons.
24. 4. Steht auf.
8. 5. Verlässt geheilt die Klinik.
Epicrise: Der Befund eines Ulcus im ductus cysticus ist
nichts seltenes. Macht man die Cystostomie, so kann, da die
Narbe an recht ungünstiger Stelle liegt — der Cysticus zeigt
an und für sich grosse Neigung zur Obliteration — später ein
Hydrops der Gallenblase ohne Steine entstehen. Zudem weiss
man nie, ob nicht doch einmal auf dem Boden einer Narbe
sich ein Carcinom entwickelt, welches überhaupt beim Gallen-
steinleiden nicht sehr selten ist. Diese Überlegungen haben
mich mehr und mehr zu einem Anhänger der Cystectomie
gemacht.
Xr. 45. H. Z., 44 j. Kanfmannsfraii aus Leopoldshall bei
Stassfurt.
Aufgen.: 12. 10. 1898.
Operiert: 14. 10. 1898. Ectomie.
Entlassen: 13. 11. 1898. Geheilt.
Anamnese: Die Eltern der Fat. sind tot, der Vater starb vor
10 Jahren an Lungenkrankheit, die Mutter vor 6 Wochen an Paralysis-
agitans. Frau Z. heiratete 32 Jahre alt und ist Mutter zweier Kinder,
welche gesund sind. Abgesehen von Kinderkrankheiten war Fat. ge-
sund, bis sie, ca. 23 Jahre alt, abends beim Zubettgehen plötzlich einen
Krampf, der seinen Anfang in der Magengrube nahm und nach dem
Rücken ausstrahlte, bekam. Der Anfall dauerte etwa eine Viertel-
stunde. Der Appetit blieb gut. Ähnliche Anfälle wiederholten sich
in der Folgezeit in mehr weniger grossen Fausen von einigen Monaten
bis höchstens zu einem halben Jahre. In der letzten Zeit war die Inten-
sität der Schmerzen geringer, die Dauer aber grösser, bis zu 5 Tagen-
— 85 —
Vor 5 Jahren ist zum erstenmal bei einem Anfall Gelbsucht auf-
getreten: seitdem wurde auch Abgang von etwa linsengrosseu Steinen
beobachtet. In den letzten Jahren waren die Anfälle häufig von Gelb-
sucht begleitet. Der Appetit war ausser zur Zeit der Anfälle gut, nur
bisweilen klagte Pat. über leichten Druck in der Oberbauchgegend.
Im Hause sind öfters Trinkkuren mit Karlsbader Wasser ohne Erfolg
vorgenommen worden. Frau Z. ist im Laufe der Zeit um 20 Pfund
abgemagert, vielleicht erklärt sich das aus allzu vorsichtiger Nahrungs-
aufnahme. Herr Dr. Israel- Stassfurt schickt Pat. her.
Befund: Grosse, magere Frau mit normalen Organen, kein
Ikterus, Harn frei von Eiweiss, Zucker, Gallenfarbstofl'. Resistenz
in der Gallenblasengögend , kein Tumor palpabel. Leber nicht
vergrössert.
Die Diagnose wird auf altes Gallensteinleiden gestellt. Steine
in der Gallenblase und im Cysticus, Choledochus frei.
Operation: Längsschnitt im rechten Rectus vom Rippenbogen
abwärts in Ausdehnung von ca. 12 cm. Nach Eröffnung der Bauch-
höhle präsentiert sich sofort die mit Steiaen vollgepfropfte Gallen-
blase, die den Leberrand drei Querfinger breit überragt. Die Blase
lässt sich leicht hervorwälzen und wird frei von Verwachsungen be-
funden. Kleine Konkremente lassen sich mit Mühe aus dem Cysticus
in die Blase drücken. Der Choledochus enthält keine Steine; der Pan-
kreaskopf ist etwas verdickt, aber nicht sehr bedeutend. Da die Ex-
stirpatiou der Blase technisch sehr leicht schien, wnrde sie der Fistel-
bildnng vorgezogen, und die' Ectomie in typischer Weise unter geringer
Blutung aus dem Leberbett ausgeführt. Dreifache Ligatur des Cysticus
mit Catgut, Tamponade des Leberbettes bis zum Cysticusstumpf hin.
Schluss der Bauchwunde durch durchgreifende Seidenknopf- und einige
Hautnähte bis auf die Durchtrittstelle der Gaze nahe dem oberen Wund-
winkel. Verband. Dauer ca. V^ Stunde.
Befund der Gallenblase: Die Gallenblase zeigt normale Wan-
dung, keine Ulceration oder Narbenbildung der Schleimhaut. In der
Blase klare Galle und>eine sehr grosse Anzahl (870) graugelber, rund-
licher Steine, deren Grösse von Hanfkorngrösse bis zu Haselnussgrösse
schwankt.
Verlauf gut und fieberfrei, Pat. steht am 5. 11. auf. Die Tam-
ponade blieb 19 Tage liegen, beim 2. Verband am 4. 11. fast vollständige
Heilung, Gutes Allgemeinbefinden. Geheilt entlassen.
Epicrise: Wie sind in diesem Falle die Beschwerden zu
erklären? Keine Entzündung- in der Gallenblase, keine Adhä-
sionen. Der Steintumor rauss als Fremdkörper Druckerscheinungen
gemacht haben. Trotz der gänseeigrossen Geschwulst, die fast
nur aus Steinen bestand, fühlte man bei der mageren Frau kaum
eine Resistenz, weil der Cysticus offen war und eine Spannung
der Gallenblase fehlte.
— 86 —
Nr. 46. W., 44:j. Kommerzienratsfrau aus Danzig.
Aufgen.: 20. 4. 1899.
Operiert: 21. 4. 1899. Ectomie. Cysticotomie.
Entlassen: 25. 5. 1899. Geheilt.
Anamnese: Mutter der Fat. lebt und ist gesund bis auf Giehtr
Vater ist f (Zuckerlcrankbeit). Frau W. war ganz gesund bis vor
4 Jahren ; da bekam sie einen krampfartigen Schmerz, welcher in Brust
und Rücken seinen Sitz hatte und äusserst heftig war. Morphium-
injektion mit gutem Erfolg. Dann 2jährige Ruhepause, Magen sehr
gut, keine Schmerzen. Nun neue, selten auftretende Anfälle, weniger
heftig als der erste; der Schmerz aass nicht in der rechten Oberbauch-
gegend und wird nicht als Magenkrampf gefühlt, vielmehr wird er ii>
der Hauptsache in die Speiseröhre lokalisiert. Die Anfälle waren von
Erbrechen begleitet, nicht von Gelbsucht; das Erbrechen ist gegen da&
Ende der Anfälle aufgetreten. 1898 Kur in Karlsbad; dort kein Anfall.
Dann, angeblich da die angeordnete strenge Diät nicht innegehalten
wurde, Anfälle in '/* jährigen Zwischenräumen. Schmerz nicht sehr
heftig. Schliesslich homöopathische Kur mit strenger Diät, daher wohl
Abmagerung um 20 Pfund. Zurzeit permanente Druckempfindung in
der Speiseröhre und Brennen im Magen. Appetit gut, keine Schmerzen
in der Lebergegend.
Befund : Geringe Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend,
Leber nicht vergrössert.^ Kein Ikterus. Herz, Lunge gesund. Urin
nicht pathologisch verändert.
Diagnose: Steine in der Gallenblase und im Cysticus. Chron.
Cholecystitis. Gallenblase wahrscheinlich schon geschrumpft.
Operation: Längsschnitt im r. M. rectus abdom. von 12 cm.
Länge. Gallenblase liegt hoch unter der Leber, schlecht zugänglich.
Mühsam gelingt es, dieselbe vorzuziehen und durch Aspiration aus ihr
30 com trüber seröser Flüssigkeit zu entleeren Es wnrden 2 hoch-
sitzeude Konkremente gefühlt, das eine lässt sich nach dem Fiindus^
drücken und aus dem angelegten GalleHblasenquerschnitt heraus-
drücken, das andere nicht. Die Blase wird provisorisch zugeklemmt^
vorgezogen und auf das Konkrement im Hals eingeschuitteu. Nach-
dem dasselbe entfernt ist, quere Abtragung der Blase oberhalb des
Halses. Isolierte Ligatur des Cysticus und der art. cystica mit
Catgut. Sterile Gazestreifen in das Foramen Winslowii , auf einen
massig blutenden Riss in der Leber oberhalb desselben, der jedenfalls
durch das starke Ziehen an der Blase entstanden ist, und auf das
Leberbett. Schluss der Bauchhöhle mittelst Durchstichknopf- und
einiger Hautnähte. Herausleitung der Tampons aus dem oberen Wund-
winkel.
Verlauf: Fieberfrei, nicht über 37,6°. Puls beschleunigt^
gegen 100, steigt am 3. Tage auf 130. Leib aufgetrieben, aber
nicht schmerzhaft. Im Leib hatte es 24 Stunden post. op. ge-
kollert; trotz Glycerinclysmen, Mastdarmrohr gehen keine Blähungen
ab. Dabei viel Aufstossen. In der Nacht vom 22./28. 4. zweimalige.'?
— 87 —
Erbrechen grüner Massen. Man deukt an akute Dilatatio ventricnli.
Mageiiansspiilnng. ftferinger Inhalt. Da 60 Stunden post. op. noch
immer keine Blähungen abgegangen sind, der Puls 140 Schläge auf-
weist, Einlauf, Glycerinklystiere erfolglos sind, erhielt Pat. 2 Theel.
Sagradawein. Darauf Kollern im Leibe und Abgang von Flatus. Puls
hebt sich und ist nachts vom 23.;24. 112. Kein Fieber. Am andern
Morgen sieht Pat. besser aus. Puls 92. Temp. 37,3"* C. Kein Er-
brechen. Grosse Mattigkeit. Der Mangel von Flatus, das Sistieren der
Peristaltik nach Laparotomien ist stets eine grosse Sorge für den Chi-
rurgen. Ohne dass die geringste EntzHndnng vorliegt, kann sich der
Leib auftreiben, der Pals beschleunigt und klein werden; kommt die
Peristaltik in Gang, so ist mit einem Schlag die Sachlage geändert.
Der Puls wird langsam und kräftig, das Aufstossen hört auf, die Uu>
ruhe verschwindet. Vom 5. Tage an sehr guter Verlauf; Pat. erholt
sich täglich und fühlt sich schon am 8. Tage so wohl, dass sie den
Wunsch hat, aufzustehen. Am 12. Tage Verbandwechsel. Wunde per
primam geheilt. Entlassung am 25. 5. 1899.
Epicrise: Pat. hatte einen chronischen Hydrops in einer
erheblich geschrumpften Gallenblase. Die Leber war völlig:
normal. Der Schmerz, den der Cysticusstein resp. das in der
Gallenblase sich stauende Sekret hervorrief, wurde mehr in der
Biust, in der Speiseröhre gefühlt. Tastbefund bis auf geringe
Druckempfindlichkeit bei tiefer Exspiration normal. Kein Ikterus,
kein Tumor. Die Indikation wurde gegeben durch das Nicht-
vertragen der Karlsbader Kur und durch eine Abmagerung in
kurzer Zeit um 30 Pfund. Der Stein am Cysticus sass so unver-
rückbar fest, dass irgend ein Verschieben unmöglich war.
Adhäsionen waren nur am Cysticus, nach dem Choledochus sich
ausspannend, vorhanden. —
Nr. 47. C. W., 28j. Oberlehrei-sfrau ans Pillau.
Aufgen.: 18. 12. 1900.
Operiert: 20. 12. 1900. Ectomie.
Entlassen: 22. 1. 1901. Geheilt.
Anamnese: Grossvater und ein Bruder der Mutter litten an
Blasen- oder Nierensteinen. Pat. war stets gesund, ihr Stuhlgang regel-
mässig.
Im April d. J., 4 Tage vor der Entbindung, hatte sie zum ersten
Male krampfartige Schmerzen, in der Magengrube festsitzend, etwa
15—20 Min. anhaltend. Kein Erbrechen oder Ikterus. In der Folge-
zeit war sie nie ganz schmerzfrei, sie hatte dauernd ein unbequemes
Gefühl in der Magengrube, das manchmal stärker, aber nicht zum
ausgesprochenen Anfall wurde. Die Entbindung verlief normal. Der
Zustand blieb unverändert, erst Anfang September kam wieder ein
— 88 —
Anfall. Pat. hatte 3 Tage lang sehr heftige krampfartige Schmerzen
in der Magengrube und im Rücken, dabei Erbrechen, kein Fieber,
nachher leichte Gelbfärbung der Bindehäute. Sie bekam erst Opium,
dann Morphium, beides angeblich ohne Erfolg. Sie reiste sofort nach
Karlsbad, wo sie nach etwa 10 Tagen einen l'/a Tag dauernden ebenso
verlaufenden, aber nicht ganz so heftigen Anfall hatte. Auch nach
Karlsbad hatte sie dauernd leichte Beschwerden, Besserung empfand
sie, als sie eine Zeit lang Pillen nahm, die ein starkes Abführmittel
enthielten. Vorgestern hatte sie den dritten grösseren Anfall, der von
morgens bis abends dauerte. Da entschloss sie sich zur Operation
und kam, von Herrn Dr. Christiani-Königsberg darauf aufmerksam
gemacht, trotz des Abratens anderer Arzte hierher.
Befund: Schlank gebaute Frau in massigem Ernährungszustande.
Leib flach, weich, die Gallenblase ist als apfelgrosser, prall gespannter,
druckempfindlicher Tumor zu fühlen. Herz und Lungen gesund. Puls
und Temperatur normal, Urin frei von pathol. Bestandteilen.
Diagnose: Cholecystitis. Stein im Cysticus.
Operation: 20. 12. ^/^stünd. Chloroformnarkose. Längsschnitt
im r. Muse, rectus. Die prall gespannte, stark vergrösserte Gallenblase
tritt unter dem Leberrand hervor. Lösung von Verwachsungen
zwischen ihr und dem Magen und Netz. Ablösung der Gallenblase
aus dem Leberbett, Unterbindung der A. cystica und des Cysticus erst
zusammen, dann einzeln. Tamponade, Schluss der Bauchwunde durch
Durchstichknopfnähte. In der Gallenblase viele kleine Steine, im Hals
ein haselnussgrosser und ein Ulcus. Galle trübe, übelriechend. Essig-
kompresse auf den Mund.
Verlauf: 20. 12. 37,1. Puls 96.
21. 12. 37,0. Puls 118. Nachts mehrmals Erbrechen, Leib weich,
etwas Singultus. Kochsalz 3 Mal. Nachmittags Puls 124. Temp.
36,8, abends 37,7. Thee heiss mit Kognac, Kampher. Aufstossen
quälend, Magenspülung ergibt wenig galligen Inhalt. Grosse Unruhe.
22.12. 37,6. Puls 116. Nach Morphium gute Nachtruhe. Über-
haupt ist das Befinden heute morgen besser, nur quält das Aufstossen
noch etwas. Blähungen gehen noch nicht, auch noch kein Kollern
im Leib. Leib wenig gespannt. Glycerin, Mastdarmrohr. Nachmittags
nach Glycerin etwas Blähungen; Erleichterung, Puls 104. Abends
stocken die Blähungen wieder, Aufstossen vermehrt, Gefühl von
Spannung im Leib. Glycerin, Mastdarmrohr. Temp. 37,1, Pnis abends
144, 3 mal Kochsalz, mehrmals Morphium, Kampher, Thee mit Kognac.
23. 12. 37,1. Puls 118. Nachts wieder etwas Blähungen nach»
Glycerin, Leib dabei weich, Aufstossen noch immer. 1 mal Kochsalz
von Mittag an Blähungen spontan. Puls 108, kräftig, kein Kochsalz
mehr. 37,1.
24.12. 37,3. Puls 110. Nachts Erbrechen, einmal Magenspülung ,
im Magen sehr wenig grüne gallige Flüssigkeit. Morgens wieder
etwas Erbrechen. Verbandwechsel. Wunde sieht gut aus. Da für
das Erbrechen keine andere Ursache gefunden werden Icann, wird au
_ 89 —
arterio-iiies. Daruiyerächlnss gedacht und Fat. aar deu Bauch gelagert,
doch erbricht sie mittags wieder, ebenso abeuds noch einmal. 38,0.
25. 12. Gutes Befinden, kein Erbrechen, guten Schlaf. Ol. Riciui,
■danach wieder Erbrechen. 2 Tamarinden. Abends Stuhlgang.
26. 12. Fieberfreier Verlauf.
22. 1. Verlässt die Klinik. Die Wunde stellt noch eine granu-
lierende Fläche dar. Pat. erhält die Weisung, sich noch weiter ver-
binden zu lassen.
Nach eingelaufenen Nachrichten geht es der Pat. sehr gut.
Epicrise: Das anhalteude Erbrechen liess au arterio-
mesenterialen Darm verschluss denken, doch war es dafür
nicht intensiv genug. Durch fleissiges Magenspülen, Ein-
nahme der Bauchlage liess das Erbrechen nach. Im Übrigen
war der Verlauf gut.
Nr. 48. A. M., 53 j. Apothekersfrau aus Jerxheim.
Aufgen.: 4. 1. 1901.
Operiert: 7. 1. 1901. Ectomie.
Entlassen: 5. 3. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie und war selbst
immer gesund.
Vor 14 Jahren nach einer Gemütsaufregung (Arger) hatte sie zum
erstenmale einen eigentümlichen Schmerz in der Oberbauchgegend, der
bald vorüberging, nach einigen Tagen wiederholte sich der Schmerz,
dauerte einige Stunden an und war mit Erbrechen verbunden. Über
die Art des Schmerzes in den ersten Jahren weiss sie nichts anzu-
geben. Von ihrer Familie wurde ihr manchmal gesagt, dass sie gelb-
liche Gesichtsfarbe habe, sie selbst hat es nie bemerkt, auch der Arzt
hat nie etwas gesagt. Die Anfälle kamen anfangs etwa alle Viertel-
jahre, später häufiger, bis zu mehrmals im Monat, meist nach Ärger
oder kleinen Diätfehlern, Erbrechen war nur bei grösseren Anfällen,
Fieber nie. Weihnachten 1891 ein grösserer, langdauernder Anfall,
danach 7 Jahre Ruhe, in den ersten 1'/« Jahren hat sie regelmässig
Karlsbader Salz genommen. Ostern 1899 nach Aufregung wieder ein
Anfall, 36 Stunden dauernd, die Schmerzen begannen in der Gallen-
blasengegend, zogen nach der Mitte und nach links herüber. Wenn
sie vorn nachliessen, wurden sie im Rücken stärker. Dabei Erbrechen,
kein Fieber. Im Juni 1899 4 Wochen Karlsbad, dort nach Diätfehlern
4 kleinere Anfälle, danach Ruhe bis Juni 1900. Damals wieder ein
Anfall, im September nach einer sehr anstrengenden Reise wieder ein
Anfall. Ebenso Mitte November, der letzte grössere Ende November.
Dieser endete mit einem Gefühl, als ob etwas über den Leib hin-
streiche, im Augenblick waren die Schmerzen verschwunden. Bei den
beiden letzten Anfällen hat Frau M. Morphium bekommen , sonst
machte sie heisse Umschläge, nahm ein heisses Bad oder ähnliches.
Ausserdem hielt sie Diät und sorgte für regelmässigen Stuhl.
— 90 —
Vor 5 Tagen hatte sie einen kleineren Anfall, den sie als „Magen-
krampf" bezeichnet, die Schmerzen sassen in der Magengrube fest,
ohne auszustrahlen, der Anfall war kurz und endete mit Aufstossen.
Frau M., die früher sehr stark war, ist in den letzten Jahren ab-
gemagert, zumal in den letzten Wochen seit dem vorletzten Anfall.
Seitdem ist ihr Appetit schlecht, Erbrechen ist ausserhalb der Anfälle
nicht aufgetreten.
Herr Dr. Pütz-Jerxheim rät zur Operation.
Befund: Anämische, sichtlich abgemagerte Frau in sonst gutem
Ernährungszustande, kein Ikterus. Herz und Lungen gesund, Puls und
Temp. normal, Urin frei von pathologischen Bestandteilen. Bauch-
decken schlaff, Leib weich, nicht gespannt, in der Gallenblasengegend
druckempfindlich. Sonst ausser leichter Resistenz und geringer dilatatio
ventriculi kein Befund.
Diagnose: Recidiv. Cholecystitis calculosa. Cysticus zurzeit
frei. Verwachsungen mit dem Pylorus. (?)
Operation: 7. 1. 1901. Wellenschnitt. Diagnose stimmt. Ver-
wachsungen zwischen Gallenblasenhals und Magen. Trennung. Ex-
cision der mittelgrossen, schlaffen Gallenblase. In ihr ca. 200 Steine
von Erbsengrösse. 4 sind haselnussgross. Tamponade nach Ligatur
der Art. cystica und des ductus cysticus. Naht. Verband. Dauer der
Operation V* Stunde. Essigkompresse auf den Mund.
Verlauf: Abends 37,P. Puls 92.
8. 1. 37,4. Puls 100. Gestern Abend bis heute Morgen 5 Uhr
öfters Erbrechen galliger Massen, es wird jedesmal nur sehr wenig
entleert. Noch kein Kollern im Leib. In der ersten Hälfte der Nacht
nach Chloral etwas Schlaf. 38,2. Puls 124.
9. 1. 38,0. Puls nicht zn zählen. Nachts dreimal Kochsalz, stünd-
lich Kampfer, Tee und Milch mit Kognak. Erbrechen seit gestern
nachmittags 4 Uhr nicht mehr, Blähiingen seit der Nacht im Gange.
Wunde sieht gut aus. Leib weich, nicht schmerzhaft. Pat. bricht
1 Liter dnnklen blntigen Mageninhalt. Magenaiisspttlnng. Abstinenz.
Kochsalzlösung und Kampfer weiter. Puls dann und wann 116—120.
Von Mittag an bessert sich das Befinden der Pat. Der Puls wird
kräftig und geht auf 110 herunter, ihr Aussehen ist gut, ihr ganzes
Wesen frischer. Abends noch einmal Magenspülung und Kochsalz.
38,0. Puls 110.
10. 1. 36,1. Puls 106. Nachts einmal Erbrechen. Im Erbrochenen
schwärzliche Beimengungen (Blut). Pat. war nachts unruhig. Bläh-
ungen gehen seit gestern nicht mehr, doch ist der Leib weich. Der
Verband ist durch. 37,0.
11. 1. 36,7. Puls 96. Heute ist das Befinden sehr gut. Das Aus-
sehen ist frisch, die Stimme kräftig, der Puls langsam und voll. Bläh-
ungen gehen. 37,0.
12. 1. 37,0. Puls 96. Abführen.
F'ieberfreier Verlauf.
— 91 —
21. 1 Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons und Nähte.
Die lang gelassenen Fäden bleiben noch liegen.
26. 1. Verbandwechsel. Die letzten Fäden haben sich abgestossen.
7. 2. Steht auf. Verbandwechsel alle 2 Tage.
5. 3. Gebeilt entlassen.
Epicrise: Das blutige Erbrechen ging nach einer Magen-
ausspülung vorüber; der Puls, der kaum zu fühlen war, hob sich
wieder. Derartige Fälle haben wir öfters beobachtet.
Nr. 49. L. H., 53j. Kaufniannsfrau aus New-York.
Aufgen.: 21. 5. 1904.
Operiert: 26. 5. 1904. Ectomie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Herr Dr. König, New-York, schreibt uns über
die Patientin folgendes:
„Frau H. leidet schon seit 14 Jahren an periodisch auftretenden
heftigen Schmerzen in der Lebergegend. Dem ersten Anfall folgte ein
länger anhaltender Ikterus, ebenfalls ging in diesem Anfall ein spiral-
förmig aussehender Gallenstein ab.
Seitdem wiederholten sich die Schmerzanfiille, anfangs mit längeren
Zwischenpausen ; in den letzten Jahren jedoch leidet die Dame bei-
nahe konstant.
Die Patientin war mehreremale zur Kur in Karlsbad, in letztem
Sommer bei Herrn Dr. Griaser in Mnri, aber ohne danerndea Erfolg.
Die Dame hat sich während der Schmerzattacken mit ziemlich
starken Morphiumzäpfchen beholfen, ebenfalls hat sich Patientin dieses
Mittels bei Gelegenheit von hysterischen Muskelkontraktionen bedient,
die besonders vor Eintritt des Schlafes sich einzustellen pflegen, so
dass w^ohl eine massige Angewöhnung des Morphiums vorhanden ist.
Dass die Patientin an heftigen Leberschmerzen leidet, ist zweifel-
los, aber dass ebenfalls ein neurotisches Element dabei eine Rolle
spielt, ist sehr wahrscheinlich."
Pat. trifft am 16. 5. in Hamburg ein, nachdem sie auf der See-
reise viel von Schmerzen zu leiden hatte. In Hamburg vom 16. 5. bis
21. 5. viel Anfälle.
Dazu bemerken wir noch : Seitdem ersten Wochenbette litt die
Pat. viel an Magenschmerzen, sogenannten „Magenkrämpfen", die sich
von den später aufgetretenen Gallensteinanfällen in ihrer Art voll-
kommen unterschieden. Bei den Gallensteinkoliken trat nur sehr
selten Erbrechen auf. Der Stein soll im Jahre 1898 im Stuhle ge-
funden worden sein. Pat. war im ganzen 7mal in Karlsbad, verspürte
dort immer Linderung nie Beseitigung der Schmerzen. Im Februar
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dieses Jahres Gürtelrose. Ist seit längeren Monaten auch in den an-
fallsfreien Zeiten nie frei von drückendem, schmerzhaftem Gefühl in
der Lebergegend. Ihr Ernährungszustand hat wenig gelitten. Ihre
nervösen Erscheinuug-en bringt sie selbst mit dem Klimakterium teil-
weise in Zusammenhang.
Befund: Pat. ist sehr nervös und sieht blass und elend aus.
Ein umschriebener Tumor der Gallenblase ist nicht tastbar. Leber
nicht vergrössert. Urin frei. Gallenblasengegend bei Druck äusserst
empfindlich.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Chronisch recidiv. Chole-
cystitis.
Operation: 26. 5. 04. Wellenschnitt. Sehr fette Bauchdecken.
Schnitt ist deshalb fast 40 cm lang. Gallenblase sehr gross, nicht ver-
wachsen, enthält viele Steine und trübe Galle. Aspiration. Stich-
öffnung wird abgeklemmt und Gallenblase entfernt. Stark entwickelte
Art. cystica. Zweifache Sutur. Cysticus sehr eng, dort befludliche
kleine Steine werden gallenblasenwärts verschoben und dann der
Cysticus abgeltlenimt, damit wäiirend der Excision keine Steine in den
Choledochus gedrückt werden. Dieser sieht normal aus und ist an-
scheinend leer. Pat. presst während der Narkose viel, das lig. hepato-
duodenale liegt sehr tief und ist schwer zugänglich, von einer He-
paticusdrainage wird deshalb Abstand genommen. Ligatur des ductus
cysticus. 3 Tampons. Bauchwandnaht. Dauer der Operation 1 Stunde.
Massige Chloroform-Sauerstoffnarkose (45 gr). Die Gallenblase stark
■erweitert, ist chronisch entzündet und enthält 3 Generationen von
Steinen — 2 haselnussgrosse, ca. 200 erbengrosse und unzählige ganz
kleine von Mohnkorngrösse. Die Steine sind sehr fest und zeigen
nicht die geringste Einwirkung des Chologens. Die Galle ist sehr trübe
und etwas übelriechend.
Verlauf: Sehr guter Verlauf. Am Abend des zweiten Tages
Temperaturerhöhung bis 38,7" C. Nach einmaliger Magenspülung —
Pat. hatte viel dunkle Galle gespuckt — rasche Besserung und weiter-
hin guter Verlauf. Seit 8. Juni ausser Bett.
Die mikroskopische L^ntersuchung der Gallenblase im pathol.
Institut in Marburg ergibt folgenden Befund:
Die mikroskopische Untersuchung der Gallenblasenwand zeigt
feinwarzige Verdickungen, hervorgerufen durch drüsenähnliche Ein-
stülpungen; das Bindegowebe der Schleimhaut und der Serosa ist
faserreich, die Muskulatur stark verdickt, anscheinend Zeichen einer
langandauernden Entzündung.
Epicrise: Das Chologen hatte auf die Steine gar nicht
eingewirkt. Bei den vielen kleinen Steinen ist es nicht aus-
geschlossen, dass auch im Choledochus solche stecken. Aber
die Narkose war massig, das Lig. hepato-duodenale lag so tief,
dass eine Hepaticusdrainage geradezu unmöglich war. Man
— 93 —
tut gut, sich in solchen Fällen mit der Ectomie zu begnügen ;
stecken noch Steine im Choledochus, so sind diese klein und
werden schon spontan abgehen. Gegen nachträgliche Karls-
bader Kuren ist in solchen Fällen nichts einzuwenden.
Xr. 50. M. Seh., 36j. Kanfmaniisfraii ans Torgaii a/E.
Aufgen.: 5. 5. 1904.
Operiert: 7. 5. 1904. Ectomie.
Entlassen: 6. 6. 1904. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Krause- Torgau schreibt uns über die Pat. :
.,Die 34jährige Frau Scb. war bis zu ihrer Verheiratung vor 9 Jahren
ein zartes, häufig blutarmes, sehr sensibel angelegtes Mädchen, hat in
der Jugend viel Gemütsbewegungen durchgemacht, immer sehr wenig
geschlafen, sich körperlich sehr angestrengt und auch häufig an Magen-
krampfähnlichen Anfällen gelitten. Nach Ijähriger Ehe hat sie ein^
Kind spontan geboren und sich dann einige Jahre ganz leidlich wohl
gefühlt, aber immer mal an Magenkrämpfen gelitten. Vor 2 Jahren
erkrankte sie an einer Blinddarmentzündung, die sehr stark auftrat
mit peritonitischen Erscheinungen und wurde in Leipzig von Herrn
Prof. Krönig zugleich wegen eines gynäkologischen Leidens operiert.
Der Krankheilsverlauf war zuerst günstig, wurde aber dann durch
eine böse Venenentzündung des linken Beines sehr verlängert. Ge-
legentlich meiner ersten Untersuchung etwa vor 4 Jahren stellte ich
eine deutliche Resistenz in der Gallenblasengegend fest, die auch heute
noch besteht. Nach der Operation, August 02, haben sich nun sehr
lebhafte Kolikanfälle im rechten Hypochondrium ausgebildet, die so
viel in den letzten Monaten sich gehäuft haben, dass der Zustand uner-
träglich geworden ist. Zur Zeit der erwarteten Menses beginnen die
Mammae anzuschwellen, und es stellt sich ein allgemeiner nervöser Er-
regungszustand ein, der mit stundenlangen Bewusstseinstörungen, Deli-
rien einhergeht, aber niemals mit den typischen Kolikanfällen verbunden
ist , sondern mehr einem» rein hysterischen Zustand gleicht. Die
schweren Kolikanfälle kamen fast innner ganz plötzlich und ge-
wöhnlich in der Rückenlage. Es bestand niemals Ikterus, niemals
Steinabgang, niemals Fieber. — Dagegen Hess eine Zeitlang der Abgang
von sehr reichlichen IJrinmengen nach dem Anfalle und den Morphium-
injektionen eine Wanderniere vermuten. Der Hauptgrund, weshalb ich
die Frau zu Ihnen schicke ist der, dass vor etwa acht Tagen ganz plötz-
lich nach einigen heftigen Anfällen etwa ILiter ganz dunkle eingedickte
Galle ganz allein für sich ohne andere Exkremente entleert wurde,
woran sich mehrere Tage langes Wohlbefinden anschloss. Dieser Vor-
gang machte den Eindruck, als ob eine grössere Gallenverhaltung frei
geworden wäre, hat sich aber nicht wiederholt, sondern 2 neue Anfälle
traten nach 4—5 Tagen ein. So hat noch kein Kollege eine absolut
sichere Diagnose stellen können.
— 94 —
Die Diagnose schwankt: ,
1) Reine schwere Hysterie.
2) Wanderniere. ^
3) KoUkanfälle von Gallensteinen ausgehend.
4) Verwachsungen und Narbenzerrungen, durch die grosse Opera-
tion von 1902 verschlimmert.
Bei grossen Anfällen braucht Fat. 0,03 Morphium, bei leichten
genügen 0,02, um die Anfälle zu coupieren.
Meine persönliche Ansicht ist, dass es sich um eine alte
aus der Jugendzeit herstammende Gallenblasenerkrankung handelt,
die durch die Operation im Unterleib verschlechtert worden ist, und
die ganz von den schweren nervösen Anfällen, die zur Zeit der Menses
auftreten, zu trennen ist."
Pat. gibt noch an, dass sie alle Kinderkrankheiten durchgemacht
hat; nach dem Scharlach bekam sie eine Nierenentzündung. Als Kind
auch Lungenentzündung gehabt. Als Mädchen hat sie viel an Chlo-
rose gelitten.
Befund: Harter, druckempfindlicher Tumor der Gallenblase an
tiefgelagerter Leber. Der Tumor folgt zu deutlich den Atmungsbe-
wegungen und liegt zu oberflächlich, als dass es sich um eine fixierte
Niere handeln könnte. Kein Ikterus.
Diagnose: Steine in der Gallenblase und im Cysticus.
Operation: 7. 5. 04. im Beisein des Herrn Oberstabsarztes Dr.
Krämer. Wellenschnitt. Leber lässt sich umkippen, Gallenblase liegt
dann bis znm Cysticus bequem zugänglich vor der Bauch wand. Sehr grosse
Gallenblase mit beweglichem fast gestielten „Mesenterium" wird in
wenigen Minuten excidiert. Ein Tampon auf das Leberbett und die
3 Suturen. Keine Adhäsionen. Bauchwandnaht. Dauer der Operation
ca. 25 Min. Sehr gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (35 gr).
Die Gallenblase enthält ganz dicke, teerartige Galle, 8 haselnuss-
grosse, viele kleine Steine; im Hals ein Ulcus mit papillomatösen
Excrescenzen.
Das Marburger path. Institut gibt über die Untersuchung der
Gallenblase folgenden Bescheid:
Die Gallenblase ist besonders im Halsteil stark erweitert und
zeigt zahlreiche feine Einsenkungen an der Schleimhaut, wohl Drüsen-
ausführungsgängen entsprechend. Am Fundus ist in Fünfmarkstück-
grösse die Schleimhaut feinwarzig und papillär verdickt.
Die mikroskopischen Schnitte durch die Gallenblasenwand ergeben
in den nach dem Cysticus zu gelegenen Abschnitten nur eine fein-
papilläre Wucherung der Schleimhaut, welche das Mass der gewöhn-
lichen Faltenbildung weit überschreitet. Das Oberfläclienepithel ist
einfaches hohes Cylinderepithel, in dem kernfreien Abschnitt des Proto-
plasma eine auffallend starke Ablagerung feinster gelber Pigment-
körnchen. Im Fundustoil sind die Falten und Zotten der Blasen-
schleimhaut ungewöhnlich kräftig entwickelt, zeigen auch eine viel
stärkere Zerklüftung als in der Norm. In die Falten ziehen starke
— 95 —
Büudel glatter Muskelfasern hinein. Die stärkeren Falten sind von einem
förmlichen System drüsenartiger Gänge, die cystische Hohlräume bilden,
durchsetzt. Ueberall findet sich niedriges Cylinderepithel ohne Pigment.
Die Epitheleinsenkungen gehen ziemlich tief in die stark verdickte
muscularis hinein, ja dringen hie und da bis an die Serosa vor. Echte
Schleimdrüsen und schleimbildende Zellen werden in den untersuchten
Schnitten vermisst.
Verlauf: Fieberfrei. In den ersten 2 Tagen häufiges galliges
Aufstossen. 2mal Magenspülung fördert wenig Galle zu Tage.
Viele nervöse Aufregungszustände machten sich in den nächsten
Tagen bemerkbar. Wundverlauf ohne irgendwelche Besonderheiten.
Völlig geheilt am 3. Ü. 04. Nervensystem viel besser.
Epicrise: Die gesenkte Leber Hess sich weit aus der
Bauchhöhle herausnehmen und vollständig- umkippen, so dass
man die Gallenblase gewissermassen extraperitoneal excidieren
koimte. Das ist eine Operation, die gar keine Schwierigkeiten
bereitet! Die Gallenblase war sehr locker an der Leber an-
geheftet und konnte mit wenigen Messerzügen entfernt werden.
Die Blutung aus dem Leberbett war minimal, so dass ein
einziger Tampon genügte, um so mehr, als Zeichen der Entzün-
dung im Augenblick fehlten.
Nr. 51. L. 8., 51j. Raiigiermeistersfrau aus Egeln.
Aufgen.: L U. 1903.
Operiert: 3. IL 1903. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 13. 12. 1903. Geheilt.
Anamnese: 3 Kinder totgeboren, t Kind gesund. Eltern ge-
sund. Fat. will seit über 20 ,Iahren an Schlaflosigkeit leiden, kann
oft 8 Tage lang überhaupt nicht schlafen; seitdem ist Fat. nie recht
arbeitsfähig gewesen, weil sie sich immer zu schwach fühlte. Seit
der gleichen Zeit besieht hartnäckige Obstipation, gegen die alle mög-
lichen Abführmittel utJd Irrigator gebraucht wurden. Blähungen
gingen immer sehr schwer und Fat. hatte immer viel Aufstossen und
Magendrücken. Im Jahr durchschnittlich 3— 4mal Erbrechen, sonst
viel Uebelkeit. Fat. hat zwar immer Appetit gehabt bis vor einigen
Wochen, riskierte aber nie, viel zu essen. Seit 10 Jahren soll viel
Ohrensausen besonders rechts bestehen, desgleichen Brummen im Kopf.
Fat. hat seit 6 Jahren nicht mehr menstruiert, früher sehr profus,
nach den Geburten soll eigentlich ununterbrochen Blut, teils in
grösseren Klumpen, abgegangen sein. Vor 8 Jahren zum letzten
Male ausgekratzt worden. In letzter Zeit ziemlich viel Schmerzen in
der linken Bauchseite, angeblich vom erschwerten Stuhlgang her-
rührend. Koliken hat Fat. nie gehabt, oft Kreuzschmerzen. Gelbsucht
war nie vorhanden. Viel Kopfschmerzen. Fat. sucht wegen der
Schlaflosigkeit und Stuhlverstopfung die Klinik auf. Herr Dr. Schwarz-
lose in Egeln behandelte Fat. wegen Nervosität.
— 96 ~
B efun d: Anämische, elende Frau. Tumor der Gallenblase, massig
druckempfindlich. Kein Ikterus. Urin frei.
Diagnose: Hydrops der Gallenblase.
Operation: 3. 11. OB. Wellenschnitt. Dauer der Operation
35 Min. (30 gr Chloroform). Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. Gallen-
blase gross, Hals mit Duodenum verwachsen. Im Hals walnuss-
grosser Stein. Ectomie. Schwierige Blntstillnng an Aesten <1. Art.
cystica. Starlie Bliitiing ans dem Leberbett. Ternähniig desselben. Cysticns
selir eng (feine Sonde !). Gallenblase clironisch ent/Uudet, im Hals pa-
pilläre Excrescenzen. Hepatopexie mit 2 Fäden. Tamponade mit
2 Tampons. Bauchwandnaht.
Makroskopisch zeigt die Gallenblase folgenden Befund:
Die Gallenblase ist deutlich erweitert, ihre Wandung im grossen
und ganzen dünn, wenn auch nicht ganz entsprechend der Dehnung,
die bei der Erweiterung stattgefunden. An der Innenfläche sieht man.
nichts mehr von der normalen Felderung der Schleimhaut, vielmehr
sieht dieselbe ganz glattnarbig aus. Nur an einzelnen Stellen sind
an der Innenfläche buckeiförmige linsengrosse Verdickungen von
leicht gelblicher Farbe zu sehen. Am Blasenhals sieht man die pa-
pilläre Zeichnung der Schleimhaut, die sich mit scharfer Grenze gegen
die narbig geglättete übrige Innenfläche abhebt. Inmitten der Schleim-
haut des Blasenhalses sieht man ein kleines Geschwür.
Mikroskopisch ist in der Tat im Blasenfundus keine Spur von
Schleimhaut mehr zu entdecken. Die Muskulatur und das elastische
Gewebe ist nur noch in kümmerlichen Resten vorhanden. An Stelle
der Schleimhaut findet sich ein grobfaseriges narbenartig aussehendes,
z. T. hyalin degeneriertes Bindegewebe, das dort, wo die linsenförmigen
Verdickungen sind, besonders stark ausgeprägt ist, zahlreiche Herde
fettkörnchenhaltiger Zellen enthält, auch sonst von Spindel- und Rund-
zellen reichlich durchsetzt ist und ganz an das Bild einer atheromat.
verdickten Aortenintima erinnert. Im Halsteil das elastische mus-
kulöse Gewebe kräftig entwickelt; die Schleimhaut zeigt die -nor-
malen, vielleicht etwas zellig verdickten, papillären Fortsätze; die
Drüsen sind nur wenig entwickelt. An einer Stelle besteht ein bis an
das Peritoneum reichender Defekt, der aber bereits z. T. von Epithel
wieder überhäutet ist. Carcinomatöse Wucherungen fehlen.
Verlauf: 3. 11. Nach der Operation kein Erbrechen. Abends
ganz vereinzeltes Aufstossen. Nach Morphium etwas Schlaf. Puls
kräftig, 60 in der Minute. Abendtemperatur: 37,3.
4. 11. Temperatur: 37,2—37,5. Befinden gut; Puls kräftig, 64 in
der Minute. Blähungen beginnen auf Spritze. Leib weich. Nach-
mittags Verband am unteren Rande durch. Kein Aufstossen. Ueber-
wickeln des Verbandes.
5. 11. Blähungen noch sehr gering. Wein -Kognakklystier nützt
auch wenig. Sonst vorzügliches Befinden.
— 97 —
6. 11. Blähungen sind jetzt gut im Gang. Da Verband durch-
tränkt, Wechsel der oberflächlichen Schichten.
8. 11. Verlauf weiter fieberfrei. Heute führt Pat, ab.
17. 11. Entfernen sämtlicher Haut- und langen Fäden und aller
Tampons. Wundtrichter rosig.
23. 11. Heute Verband zum ersten Male gallig durchtränkt.
Abendtemperatur seit 3 Tagen 38,1° C. Wunde in Ordnung.
25. 11. Pat. steht auf.
27. 11. Verband heute wieder trocken.
13. 12. Wunde bis auf oberflächliche Granulation geheilt. In
letzter Zeit auch der Schlaf etwas besser gewesen. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die Schlaflosigkeit und die Nervosität, die
im Vordergrund der Beschwerden stand, kann man doch wohl
auf den Hydrops zurückführen, obwohl eigentliche Koliken fehlten.
Der Inhalt der Gallenblase war wasserklar, die Entzündung
fehlte^ der Stein lag im Hals der Gallenblase, der Cysticus war
wegsam.
Nr. 52. M. R., 30j. Fabrikbesitzersfrau aus .Wehrsdorf
(Sachsen).
Aufgen.: 30. 5. 1904.
Operiert: 3. 6. 1904. Ectomie. Hepatopexie.
Noch in Behandlung.
Die Anamnese stammt von Herrn Dr. Michaelis und lautet:
„Pat. ist eine ca. 30jährige Dame von etwas zarter Konstitution, die ich
seit etwa 3 Jahren behandle. Sie hat in dieser Zeit öfters an Gallen-
steinkoliken gelitten. Die Anfölle waren anfangs nicht so typisch wie
in letzter Zeit, wo sie unabhängig von der Nahrungsaufnahme auch
öfters Nachts , mit Schüttelfrösten , heftigem Würgen und Erbrechen
von galligem Mageninhalt und den typischen, ausstrahlenden Schmerzen
auftraten. Die Anfälle wiederholten sich fast regelmässig alle 4 Wochen,
traten aber auch bei Aufregungen, Eisenbahnfahrt, bei längeren Wegen
auf. Linderung brachte nur eine Spritze Morphium ; der Pat. habe ich
das Mittel nie in die Hand gegeben , stets selbst injiciert. In den
schmerzfreien Intervallen wurden alle Speisen , auch schwere , gut
vertragen. Ikterus trat bei den Anfällen nie auf, Pat. hat überhaupt
nur einmal vor 9 Jahren einen rasch vorübergehenden Ikterus gehabt.
Die Lebergegend ist sehr empfindlich ; die Leber sehr vergrössert,
reichte bisweilen bis zum Nabel, Oberfläche stets glatt; die Grösse der
Leber wechselte; nach einer Kur in Karlsbad war sie etwas zurück-
gegangen; vielleicht besteht auch Hepatoptose. Infolge der vor-
gelagerten Leber konnte ich einen Galleu blasenhydrops oder dergl.
von aussen nie fühlen.
Ehe die Anfälle so typisch auftraten, wie jetzt, war ich in der
Diagnose noch unsicher, vor allem machte mich die so eminent ver-
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. 7
— 98 -
grösserte Leber stutzig. Pat. hat zweimal geboren , beidemale waren
die Kinder sehr lebensschwach, bekamen Pemphigusbläschen und
starben nach 6 bezw. 3 Wochen.
Es besteht massige Magendilatation. Urin frei von Eiweiss und
Zucker. Gallensteine sind nie abgegangen, auch war der Stuhl, den
ich oft selbst untersucht habe, nie verfärbt. Letzteres habe ich auf
die ganz hartnäckige chronische Obstipation geschoben; in letzter Zeit
half auch Karlsbader Salz und Bitterwasser nicht mehr."
Befund: Gracile Patientin ohne Ikterus. Hochgradige Hepato-
ptose. Ein Gallenblasentumor ist nicht tastbar. Gallenblasengegend
etwas druckempfindlich. Urin frei. Herz, Lunge gesund.
Pat. bekommt am 31. 5. Rizinus. Nach eitler Stunde starke Kolik,
wobei das Oel erbrochen wird. Bei der Untersuchung fühlt man deutlich
die sehr druckempfindliche, vergrösserte Gallenblase. Pat. erhält
0,01 Morphium und Thermophor; darauf ist nach einer Stunde die
Kolik vorbei, die Gallenblase kleiner, aber deutlich tastbar und wenig
druckempfindlich. Am 1. und 2. 6. drei solche Anfälle; immer ist dabei
die Gallenblase deutlich palpabel.
Diagnose: Entweder seröse Cholecystitis oder mechanische
Verlegung des ductus cysticus durch Adhäsionen resp. Verdrehung
des Gangs bei Hepatoptose.
Operation: 3. 6. 04 in Gegenwart des Herrn Dr. Michaelis.
Wellenschnitt. Leber sehr gesenkt, besonders der rechte Lappen
reicht tief in die Bauchhöhle hinab. Der Lappen ist sehr voluminös
und es sind an ihm die Zeichen der Stauung deutlich ausgesprochen.
Gallenblase sehr gross, wandverdickt, anscheinend ohne Steine. Keine
Adhäsionen am Oysticus. Die Gallenblase ist prall gespannt, und ihr
Inhalt lässt sich auch bei grösserer Kraftanwendung nicht ausdrücken.
Ectomie sehr leicht, in wenigen Minuten: die Gallenblase hängt sehr
locker an der Leber. Tamponade mit 2 Streifen. Magen, Pylorus,
Appendix, Pankreas ohne Besonderheiten. Die Leber wird durch
4 Fäden unter welche Draht gelegt wird, möglichst hoch fixiert. Leber-
bett blutet stark, mehrere Unistechnngsnähte, darunter Draht. Dauer
der Operation 'j* Stunden. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (40 gr.).
Die Gallenblase ist verdickt, chronisch entzündet, Cysticus so eng,
dass die feinste Sonde nicht passiert, Galle sehr dickflüssig wie Teer.
Verlauf: Fieberfrei, Puls immer langsam. Kein Erbrechen.
Am 4. 6. Verband, von Galle durchtränkt, wird bis auf die Tamponade
erneuert. Vom 6. 6. bis 16. 6, Verband trocken.
Am 16. 6. Entfernung der Tampons und Fäden. Dieselben sitzen
noch ganz fest: der Gallenflnss kann also nicht dadurch entstanden
sein, dass die Ligatur am ductus cysticus nachgegeben hat; die Galle
stammt vielmehr ans den Gallengängen des Leberbetts. Weiterhin
normaler Verlauf.
Epicrise: Ist der Ci'^sticus abnorm eng, besteht zugleich
Hepatoptose resp. Anteversio hepatis, so kann der Gang geradezu
„abgedreht" werden. Dann staut sich die Galle und dehnt die
— 99 -
Wandungen der Gallenblase, wodurch Koliken entstehen. — Solche
Fälle lassen sich von den Attacken seröser Cholecystitis sehr
schwer unterscheiden; charakteristisch ist das plötzliche Sistieren
■der Kolik und das sofortige Zurückgehen des Gallenblasen-
tuniors. Nur bei langer Beobachtung wird man einen solchen
Fall richtig erkennen.
b) Ectomie mit Drainage des ductus cysticus.
Nr. 53. S. M., 44 j. Direktor aus ßarby.
Aufgen.: 12. 4. 1895.
Operiert: 14. 4. 1895. Ectomie mit Drainage
des ductus cysticus.
Entlassen: 9. 5. 1895. Geheilt.
Anamnese: Fat. hatte im Jahre 1894, ohne dass er vorher
schwer krank war, — auf jeden Fall deutete weder Ikterus noch
Schmerz auf eine Gallensteinerkrankung hin — einen walnussgrossen
Stein per vias naturales verloren. Er quälte sich Tage lang mit dem
Stuhlgang, hatte das Gefühl, als ob etwas nicht durch den Sphincter
durchkommt; als der behandelnde Arzt digital untersuchte, fand er
-einen grossen Gallenstein, den er mit der Kornzange entbinden musste.
Dann blühende Gesundheit, keine weiteren Symptome von Seiten des_
■Gallensystems. In den ersten Tagen des Aprils 1895 lebhafte Koliken
mit Ikterus. Leib in der Gallenblasengegend sehr empfindlich. Fieber
und Schüttelfrost. Da die Koliken täglich immer heftiger werden,
-entschliesst Fat. sich auf Anraten seines Arztes, des Herrn Dr.
Damm in Barby, am 14,4. zur Operation. Ich fand ein Empyem
4er viele kleine Steine enthaltenden Gallenblase und am Gallen-
blasenhals eine feste Verbindung zwischen diesem und Duodenum
^die alte Durchbruchstelle). Da di« Gallenblasenwandang eitrig infil-
triert ist, Exstirpation. Ans dem Cysticus fliesst triibe Galle. Ich
rerschliesse deshalb den Cysticus nicht, da mir ein Hindernis im
Choledoehns wahrscheinlich war und ich Sorge trug, dass sich
-Cholangitis entwicli^elu könnte, sondern drainierte den Cysticus mit
«inem langen, dünnen Gnmmirohr. Dasselbe wird mit reichlich Gaze
umgeben, diese durch die Bauchwunde nach aussen geleitet. Im Chole-
■dochus, den ich sehr sorgfältig abtastete, fand ich keinen Stein, hier
waren auch keine Verwachsungen zu finden, so dass der grosse Stein
nicht durch eine Choledochus-Duodenalfistel, sondern durch eine Gallen-
Jblasenduodenalfistel durchgebrochen sein musste. —
Verlauf: glatt; die Galle ist die ersten Tage noch trübe,
das in den letzten Tagen vor der Operation bestehende Fieber geht
allmählich zurück, dann, vom 4. Tage an, wird die Galle klarer. Der
Stuhlgang, der immer genau auf Concremente vergebens untersucht
wird, wird brauner, die Gallensekretion wird geringer, die Fistel
.schliesst sich allmählich. Entlassen am 9. 5. 1895. Zu Hause trat noch
7*
— 100 -
einmal eine Verschwellung des Choledochus auf, die indes rascb
zurückging. Als ich den Pat. zum letzten Male (am 1. 6. 04) sah, war
er vollständig gesund.
Epicrise: Riedel ist der Meinung, dass in den Fälleür
in denen vorher grosse Steine per vias naturales abgegangen,^
d. h. in den Darm durchgebrochen sind, nicht operiert
werden soll. Mein Fall beweist, dass die Ansicht nur teilweise
richtig ist. Hier war das Loch, das doch recht gross gewesen
sein musste und das der „stillen Arbeit" der Gallensteine seine
Entstehung verdankt, wieder verheilt. In der Gallenblase
hatte sich ein eitriger Prozess entwickelt, der unbedingt den
chirurgischen Eingriff erheischte. Der Fall beweist endlich,^
wie wenig der Naturheilung zu trauen ist ; dass die Natur bei
der Gallensteinkrankheit Wunder schafft, ist bekannt, aber
ebenso sicher ist, dass ihre Arbeit oft recht stümperhaft sein,
ja für den Pat. geradezu gefährlich werden kann. — Pat. ist vor
9 Jahren operiert; heute würde ich Ectomie und Hepaticus-
drainage machen.
c) Ectomie mit gleichzeitigen Operationen an Magen,.
Darm und Leber.
Nr. 54. W. B , 39 j. Förster aus Ballenstedt a. H.
Aufgen.: 29. 5. 1899.
Operiert: 30. 5. 1899. Ectomie. Pylorusresektion.
Entlassen: 24. 6. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Wichtigkeit, Herr B. war
stets gesund, bis er 1896 nach einer Influenza an Magendrücken erkrankte,
welches ständig zunahm. Der Appetit war nicht gestört. Damals
diagnostizierte Herr Dr. Danziger-Ballenstedt Gallensteine und ver-
ordnete Spriidelsalz. Die Beschwerden Hessen nach, kehrten aber
wieder. Verordnung des Durande'schen Mittels. Schliesslich fast
völliges Verschwinden der Beschwerden. Stuhlgang regelmässig.
Winter 1898 Wiederkehr der früheren Erscheinungen. Frühjahr 1899
Verschlimmerung in der Weise, dass die Beschwerden in der Magen-
gegend — ausdrücklich als nicht krampfartig bezeichnet — lebhafter
wurden, der Appetit schwand, Kur in Karlsbad ohne Erfolg. Nach
14 Tagen Aufenthalt bessert sich der Appetit, das üefühl von Druck
und Ziehen in der Magengegend hört auf. 8 Tage später jedoch Wieder-
eintritt der Beschwerden, welche bis jetzt in schwankender Stärke
anhalten. Dabei ist der Appetit sehr gut, Stuhlgang regelmässig, Stein-
abgang nicht beobachtet. Golbsucht möglicherweise (1) vorübergehend
vorhanden gewesen.
Befund: Mittelgrosser, magerer, massig kräftiger Mann von nor-
malem Organbefund. Kein Ikterus, Urin frei von pathologischen Be-
— 101 -
standteilen. Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend. Leber
nicht vergrössert, kein Tumor palpabel.
Diagnose ist schwierig. Differentialdiagnostisch kommen in Er-
wägung: 1. Steine in der Gallenblase, 2. Verwachsungen des Cysticüs
mit dem Pylorus bezw. Duodenum, 3. Atonie des Magens und Hyper-
acidität (Ulcus ventriculi?).
Operation: Längsschnitt im r. m. reotus 15 cm. lang. Gallen-
blase, nicht verwachsen, sehr gross, in sich selbst geknickt, keine Steine
nachweisbar. Ziemlich nublntige Exstirpation derselben, doppelte Cy-
sticusunterbinduug mittelst Catgut. Ulcusnarbe an kleiner Magen-
kurvatur nahe dem Pylorus. Resectio pylori nach Kodier. Länge des
entfernten Stückes an der gr. Curvatur 12 cm, an der kl. 8 cm.
Befund: Ulcus an der kl. Curvatur, 0,5 cm. tief, 1 cm. jm Durch-
messer. Darüber das Netz verdickt.
Tamponade des Leberbettes und Cysticusstumpfes. Schluss der
Bauehwunde bis zum oberen Wundwinkel mit durchgreifenden imd
Hautnähten. Operationsdauer 54 Min.
Verlauf: Fieberfrei. Harnverhaltung, Katheterismus. Zwischen
Leber and vorderer Baochwand sammelt sich Eiter an (snbphr. Abszess).
Ausspülung. Die Ansammlnng des Eiters im Snbphreniiim schwindet
schnell, im übrigen heilt die Wunde sehr gut. Die Kräfte nehmen
zu. Fat. kann schon S'/a Wochen nach der Operation im besten
Wohlbefinden entlassen werden.
Epicrise: Die Entwicklung des subphrenischen Abscesses
wurde bei Zeiten bemerkt.- Zu seiner Entfernung- war ein be-
sonderer Schnitt nicht nötig. Durch eine Hepatopexie hätte
man die Eiterung yielleicht vermeiden können.
Nr. 55. L. H., 51 j. Güterbegleitersfrau aus Wolfenbttttel.
Aufgen.: 28. 4. 1898.
Operiert; 29. 4. 1898. Ectomie und Magenfistelver-
schliessung.
Entlassen: 28. 5. 1898. Geheilt.
Anamnese: Eltern der Fat. f, von 9 Geschwistern leben noch 6,
welche gesund sind. Frau H. war als Kind oft krank, heiratete
27 Jahre alt, war Mutter von einem frühgeborenen Kinde (7 Monate),
welches im 14. Lebensjahre starb, im übrigen machte sie 5 Aborte
dturch. Vor 10 Jahren bekam sie plötzlich Magenkrämpfe, welche
in häufigen , kurzdauernden Anfällen bestanden. Erbrechen trat
mitunter dabei ein, Gelbsucht desgleichen. Frau H. hatte dann heftige
Schmerzen rechts unter dem Rippenbogen, so dass sie ganz krumm
ging. •/4 Jahr später besserte sich der Zustand. Jetzt war 10 Jahre
lang das Befinden ganz gut, abgesehen davon, dass gelegentlich Druck
in der Magengegend bestand und nicht alle Speisen vertragen wurden.
Ende Februar 1898 erkrankte Fat. von neuem, angeblich an Grippe,
nach 8 Tagen kam Gelbsucht hinzu, und es stellten sich sehr heftige
— 102 —
Schmerzen in der rechten Oberbauchgegend ein, Erbrechen fehlte, der
Stuhlgang war angehalten. Der Ikterus schwand nach 8 Tagen , die
Schmerzen blieben bestehen, der Zustand besserte und verschlimmerte
sich, Pat. konnte nicht gestreckt liegen. Herr Dr. Breymann über-
wies die Pat. meiner Klinik.
Befund: Kaum mittelgrosse, ziemlich magere, schlecht aus-
sehende Frau mit gebeugter Haltung, welche von der kolossalen
Schmerzhaftigkeit , welche die ganze Gallenblasengegend bis fast in
Nabelhöhe einnimmt, herrührt. Man fühlt dort eine Resistenz, welche
auf eine entzündete Gallenblase bezogen wird. An den übrigen Organen
nichts Bemerkenswertes. Harn normal. Temp. 38,7** C. Puls 110.
Diagnose: Cholecystitis acuta purulenta bei Cystolithiasis.
OpQ.ration: Chloroformnarkose. Längsschnitt im r. m. rectus
vom Rippenbogen abwärts bis etwas unter den Nabel reichend; nach
Durchtrennung von Haut und Muskel kommt man auf das Peritoneum,,
welches sich mit den unterliegenden Teilen verwachsen zeigt. In der
Oegend, wo man die Gallenblase yermntet, wird mit der Praraz-
spritze punktiert und bald auch etwas Eiter aspiriert. Bei der Incision
gelangt man in einen Hohlraum, der als Gallenblase erkannt wird und
viele Steine und Eiter enthält. Verwachsung der Gallenblase mit den»
Magen. Elitomie. Bei Ablösung der Gallenblase entsteht im Magei»
ein Loch, aus dem Schleimhaut herauskommt; dasselbe wird durch
6 Scideuknopfnähte geschlossen. Tamponade bis auf den Cysticusstumpf
Durchstichknopf nähte der Bauchdecken, einige Hautnähte; der obere
Wundwinkel bleibt offen.
Verlauf-: Der Verband ist am 4. 5. 98 durchtränkt und wird
daher gewechselt; die Magennaht hat nicht völlig gehalten, es wird
etwas Mageninhalt entleert. In der Folge häufiger Verbandwechsel,
da die austretende Flüssigkeit die umliegende Haut anätzt. Beim
Verbandwechsel am 20. 5. 98 zeigt sich die Fisel geschlossen, breite
Granulation im Niveau der Haut, übrige Wunde geheilt, Haut leicht
wund. Die Vernarbung macht weiterhin schnelle Fortschritte, se
dass Frau H. am 28. 5, 98 mit kleiner Granulation im oberen Wund-
winkel entlassen wird. Heilung. Ausgezeichnetes Befinden.
E p i c r i s e : In solchen Fällen mag man zur Prayaz'sclien
Spritze greifen, um nach Eiter zu suchen. — Bemerkenswert
ist das Nachgeben der Magennaht, doch gelang es durch ge-
eignete Behandlung das Loch zu schliessen und einer Inani-
tion vorzubeugen.
Nr. 56. F. B., 25 j. Zuschneidersfrau aus Wernigerode.
Aufgen.: 21. 5. 1902.
Operiert: 22. 5. 1902. Ectomie. Pyloroplastik.
Entlassen: 24. 6. 1902. Geheilt.
Anamnese: Die Pat. wird von Herrn Dr. Morgenroth aus
Wernigerode geschickt. Derselbe teilt Folgendes mit:
— 103 —
„Die Ueberbringerin dieses, Frau Schneidermeister B. von hier,
25 Jahre alt, leidet an Cholelithiasis. Das Leiden begann vor ca.
17» Jahren am Ende der ersten und bis jetzt einzigen Gravidität.
In meine Behandlung trat sie Ende August 1901 wegen einer
Gallensteinkolik, die mit deutlichem Ikterus, Leberschwellung und
Schmerz in der Tiefe (Choledochus) verbunden war. Nach Beseitigung
der heftigen Koliken durch Opium und heisse Umschläge blieb doch
der Schmerz in der Tiefe und ikterischer Harn. Karlsbader- und eine
Ölkur Hessen am 5. Tage nach Beginn der Kolik einen gut pfefferkorn-
grossen Stein abgehen. Rückenschmerzen rechts und Schmerzen in
der Lebergegend blieben jedoch bei heftigen Bewegungen und Er-
schütterungen.
Ab und zu traten neue Koliken auf, welche Frau B. auf 8—14 Tage
ans Bett oder Sopha fesselten; verschiedentlich gingen auch wieder
Steine derselben Grösse ab; gezählt sollen im ganzen 14 sein.
Therapeutisch wurden noch Karlsbader Salz, Ölklystiere und eine
Kräuterkur angewandt.
Nachdem jetzt 4 Monate Ruhe gewesen war, trat am 15. Mai
wieder eine neue Kolik auf: Die Gallenblase war stark vergrössert, die
Leber leicht geschwollen, die Haut leicht ikterisch, der Urin schwarz-
braun. Fieber war nicht vorhanden.
Ich nehme an, dass in der Gallenblase eine grössere Zahl kleiner
Steine liegt, sowie dass auch schon einige Verwachsungen mit der
Nachbarschaft eingetreten sind. Wegen der so häufigen Koliken und
in der Annahme, dass trotz aller inneren Mittel auch fernerhin
noch eine lange Reihe von Koliken auftreten wird, die die Kräfte der
Fat. unnütz aufzehren, halte ich eine operative Beseitigung der Steine
für indiciert."
Befund: Magere Frau. Rechte Leber gesenkt. Druckempfind-
lichkeit der Gallenblasengegend. Magen steht tief, ist atonisch. Viel
Plätschern. Urin frei.
Diagnose: Hepatoptose, Steine in der Gallenblase, Adhäsionen
am Pylorus.
Operation: 22. 5. 02. (700. Operation) im Beisein der Herren
Prof. Dr. Stern-Philadelphia und Dr. Heinrich-Cassel. Wellen-
schnitt. Rechter Leberlappen gross. Gallenblase liegt dahinter, ent-
hält ca. 20 erbsengrosse Steine, ist schlaff, trübe Galle in der Blase.
2 — 3 erbsengrosse Steine im Cysticus. Choledochus frei. Pankreas
härter als normal. Pylorus eng, verwachsen mit dem Hals der Gallen-
blase. Ectomie. Gallenblasenwand ödematös, Schleimhaut chronisch
entzündet. Operation 20 Min. Pyloroplastik nach Lösung der Ad-
häsionen (10 Min.). Auf die Pyloroplastiknaht wird ein Zipfel des kleinen
Netzes fixiert. Am Pylorus strahlige Narbe. Tamponade des leb-
haft blutenden Leberbettes. Bauchdeckennaht. Massige Chloroform-
narkose. Viel Cyanose.
Verlauf: 22. 5. Abends 37,4. Puls 76.
23.5. 87,5-37,9. Puls 84-120-132— 120.
— 104 —
Morgens viel Aufstossen. , Magenspülung ergibt sehr viel
dunkles Blut, teils zu Gerinnseln zusammengeballt, Nachmittags plötz-
lich hohe Pulsfrequenz, welche sehr rasch wechselt. Leib weich, viel
Darmgeräusche. Aussehen sehr frisch. 2 mal Kochsalz subkutan.
Abends nochmals Magenspülung, welche wieder Blut fördert.
24. 5. 37,0-37,4. Puls 120-120.
Morgens noch immer frequenter Puls. Aufstossen. Kochsalz
subkutan; im Magen kein Blut mehr, nur massige Menge Galle und
Thee. Auch Abends kein Blut im Magen.
25. 5. Temperatur normal. Puls immer noch von sehr wechseln-
der Frequenz, aber besserer Qualität. Pat. klagt abends über Voll-
sein im Magen. Magenspülung ergibt wenig Inhalt.
26. 5. Status idem. Allgemeinbefinden besser.
26. 5. Führt ab.
6. 6. Verbandwechsel: Sämtliche Tampons und Nähte entfernt,
ein Faden noch fest. Wunde in gutem Zustand.
12. 6. Der letzte lange F'aden abgestossen.
24. 6. Wundtrichter durch Granulation last völHg ausgefüllt.
Wird zur Behandlung durch ihren Hausarzt entlassen.
Epicrise: Der behandelnde Arzt hatte eine sehr gute
Diagnose und Indikation gestellt. Die strahlige Narbe am
Pylorus deutete auf ein ausgeheiltes Ulcus hin, die Stenose
war immerhin so, dass eine Pyloroplastik gewiss am Platze
war.
Nr. 57. P. L., 49 j. Rentiersfrau aus Blankenburg.
Aufgen.: 9. 11. 1899.
Operiert: 11. 11. 1899. Ectomie. Pyloroplastik.
Entlassen: 20. 12. 1899. Geheilt.
Anamnese: Vater starb 64jährig infolge einer Pankreas-Ge-
schwulst (Sektion), die Mutter starb 66 Jahre alt nach jahrelangem
Leiden an Rheumatismus. Von den 6 Geschwistern der Pat. ist eine
lungenleidend, eine andere vermutlich leberleidend.
Pat. war als Kind gesund, in den Entwicklungsjahren blutarm.
Sie verheiratete sich mit 36 Jahren und blieb ohne Kinder. Seit 1880
leidet sie an Beschwerden beim Stuhlgange, Abführmittel und Ein-
laufe sind ihr saitdem ein unentbehrliches Bedürfnis. 3 Jahre nach
ihrer Verheiratung entwickelten sich Myocne des Uterus. Von Leopold,
Olshausen und Zweifel wurde Pat. teils mit Ergotin-Injektionen,
teils mit dem elektrischen Strome behandelt. Da der Erfolg jedoch
ausblieb, im Juli 1892 Extirpation der Myome durch Zweifel. Es
folgen dann 3 Jahre völliger Gesundheit, nur die Verstopfung bleibt
bestehen. Von 1895 ab traten ab und zu Magenkrämpfe auf, die mit
Belladonnapräparaten wirksam bekämpft wurden. Die Krämpfe hielten
durchschnittlich 2 Stunden an und kamen in Zwischenräumen von
— 105 —
mehreren Monaten. Erbrechen fehlte. Die Arzte sprachen diese
Krämpfe als nervöse an. Anfangs Januar 1899 trat der erste wirk-
liche Kolikanfall ein, der 3 Stunden währte. Die Schmerzen strahlten
von der Magengegend nach dem Rücken hin aus. Während des An-
falles erfolgte Erbrochen unverdauter Massen. Tage lang nachher be-
standen noch Rückenschmerzen. 14 Tage später 2. Kohkanfall, doch
weniger heftig; in den ersten Tagen nach diesem Anfalle wieder
ziehende Schmerzen im Rücken. Von Februar bis Ende Juli hatte
Pat. Ruhe, dann traten mehrere heftige Anfälle dicht hintereinander
auf, der schmerzhafteste Ende August von 12 stündiger Dauer. Vom
15. 9. bis 19. 10. Kur in der Anstalt des Herrn Dr. Abend in Wies-
baden wegen nervöser Dyspepsie und Hyperacidität des Magens.
Während der Kur traten 3 schwere Anfälle auf; Dr. Abend diagno-
sticiert Gallensteine. Zurückgekehrt befindet sich die Pat. 14 Tage
lang wohl, sie trinkt Neuenahrer- Sprudel. Ende Oktober erfolgen
wieder 2 heftige Attaquen. Den letzten schweren Anfall vor ihrer
Aufnahme in die Klinik hatte Pat. am 2. November; derselbe dauerte
4 Stunden, und die Schmerzen in der Seite und im Rücken sind seit-
dem heftiger als sie vorher waren. Pat. fühlt sich sehr matt. Seit
Mai 1899 hat sie ca. 12 Pfd. an Gewicht verloren. Erbrechen ist nur
bei dem ersten Anfalle im Januar aufgetreten, später nicht mehr. Ob
einmal Gelbsucht vorhanden war, kann Pat. nicht mit Sicherheit an-
geben. Im Stuhlgang sind trotz sorgfältiger Untersuchung niemals
Steine gefunden. Die Nahrung der Pat. bestand stets in leichtver-
daulicher, flüssiger Kost. Auf den Rat des Herrn Dr. Abend- Wies-
baden begiebt sich Pat. in die Klinik.
Befund: Grosse, etwas magere Dame. Herz- und Lungenbe-
fund normal. Im Urin nichts Pathologisches. Leber nicht vergrössert,
Gallenblase nicht palpabel. Kein Ikterus. Stuhlgang von regelrechter
Farbe. Puls regelmässig, kräftig, 76. Kein Fieber.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Cysticus zur Zeit frei.
Vielleicht Adhäsionen zwischen Gallenblase und Pylorus.
Operation: 11. 11. 1899. Chloroformnarkose. Dauer der Ope-
ration 1 Stunde. Längsschnitt im r. musc. rect. abdomin. Gallenblase
von normaler Grösse, ödematös geschwollen. Der Halsteil mit Duode-
num verwachsen, enthält zahlreiche erbsengrosse Steine, ein gleiches
Steinchen im Cysticus. Exstirpation der Gallenblase, Entfernung des
Cysticus-Steines. Zwischen Cysticus und Duodenum bestehen Ad-
häsionen, Lösung derselben. Sondierung des Choledochus ergibt, dass
derselbe frei ist. Der Pylorus ist massig hypertrophisch , der
Magen etwas dilatiert. Pyloroplastik. Von einer Gastro-Enteroätouiie
wird bei der geringfügigen Stenose abgesehen. Tamponade des Leber-
bettes und des Cysticusstumpfes. Naht der Bauchdecken.
Verlauf: In den ersten 24 Stunden 4 mal Erbrechen von galliger
Flüssigkeit. Vom 12. 11. bis 13. 11. Erbrechen von blutiger Flüssig-
keit. Keine Blähungen, Leib treibt sich auf, Pals 110—130, klein,
weich, Temperatur vaginal 37,8° C. Viel Aufstossen und Erbrechen
— 106 —
von geringen Mengen grüner Flüssigkeit. Ausspülen des Magens er-
gibt geringe Reste. Wegen des schlechten Pulses Kampher, Koch-
salzinfusion 3 mal in 24 Stunden. Puls hebt sich. Soll man in solchen
Fällen den Verband wechseln, da die Annahme besteht, dass die tam-
ponierende Gaze den Pylorua zudrückt? Peritonitis war auch nicht
sicher auszuschliessen (trotz niedriger Temperatur schneller Puls).
Ich halte es für richtig, nicht die Gaze zu entfernen; liegt lolcale
Peritonitis ror, so beschränlit sie sich schon^ ist sie diffus, so hilft
der Verbandwechsel nicht. Im ersteren Falle schadet er geradezu I
Also nicht verbinden, sondern Magenansspttleu, Olycerinltlysmata, da*
mit die Peristaltik beginnt, Eampher, Kochsalzinfnsion, Thee mit Cog-
uac, auf die rechte Seite legen I Am 13. und 14. 11. Puls etwas lang-
samer, HO, kein Fieber, kein Erbrechen. Am 15. 11. Stuhlgang nach
Ricinusöl. Gutes Allgemeinbefinden.
Geheilt entlassen am 20. 12. 1899.
Epicrise: Man beachte in diesem Falle mein Terhalten
während der Nachbehandlung; ich glaube, ich habe richtig
gehandelt, dass ich nicht die Gaze entfernt habe. Doch ist
es nicht leicht, in solchen Fällen das Richtige zu treffen.
Nr. 58. M. K., 32 j. Fabrikantenfrau aus Düsseldorf.
Aufgen.: 1. 3. 1904.
Operiert: 3. 3. 1904. Ectomie. Appendicectomie.
Hepatopexie.
Entlassen: 10. 4. 1904. Geheilt.
Anamnese: Dieselbe stammt von dem behandelnden Arzt, Herrn
Sanitätsrat Dr. Fleischhauer, und lautet:
„Mutter dreier Kinder. Ausgesprochene Neigung zur Adipositas,
jetzt allerdings etwas abgemagert, leichte Enteroptose. Vor 3 Jahren
der erste leichte Gallensteinkolikanfall mit leichtem Ikterus. Der-
selbe ging nach Morphiuminjektion, Diät und Karlsbader Kur hiersei bst
leicht vorüber. Darauf 1 '/« Jahre Ruhe. Es folgten dann noch zwei
frustrane Anfälle, die jedoch jedesmal stärker wurden. Darauf im
Sommer eine Kur in Karlsbad unter Herrn Dr. Ritter. 3 Monate später
ein heftiger Anfall in Vitznau in der Schweiz, der nach einer Gletscher-
tour und Trinken kalten Wassers auftrat. Nach weiteren 3 Monaten
(vor 8 Wochen) ein enorm heftiger Anfall von Gallensteinkolik. Die
Dauer des Anfalls 8 Tage. Die Schmerzen waren so heftige, dass
mehrmals täglich Morphium nötig war. Es bestand starker Ikterus
der Conjunktiven und der Haut. Urin fast schwarz. Erbrechen
im Anfang. Neben dem Rectus abdominis eine fast kindskopfgrosse
Geschwulst, die in die Leberdämpfung überging. Enorme Schmerz-
haftigkeit, das subjektive GetUhl des Pulsierens in der Geschwulst
(als ob Biter darin sei) und das Wichtigste: 2 Tage Fieber bis zu
39,5 abends. Ich konsultierte deshalb einen hiesigen Chirurgen, und
wir waren fast schon zur Operation entschlosseü, als alle Erscheinungen
— 107 —
allmählich nachliessen, und die Geschwulst rasch zurückging. Steine
wurden diesmal nicht gefunden. Die Fat. ist nun seit etwa einem
Jahre niemals mehr ganz frei von Schmerzen. Trotz sorgfältiger Diät
i§t seit dem letzten Anfall der Stuhl angehalten.
Bei der Untersuchung findet man verhältnismässig schlafle Bauch-
decken, die ein Eindringen bis fast auf die Wirbelsäule ermöglichen.
Die Gallenblase ist als eine nussgrosse feste Resistenz unter dem
Leberrand zu fühlen. Bei leichtem Druck schon hat Fat. Schmerzen
im Rücken, die bis in die rechte Schulter ausstrahlen. Heute Morgen
fand ich nun ein Novum, nämlich eine Schmerzhaftigkeit des Mac
Burneyschen Funktes. Diese war vor dem letzten Anfall niemals vor-
handen. Nie Zeichen einer Appendicitis. Ob es sich hier um
eine Adhäsion des Netzes handelt oder um eine Kombination mit
Appendicitis, steht dahin."
Befund: Schmerzempfindlicher Tumor der Gallenblase deutlich.
Kein Ikterus, keine Lebervergrösseruug. In der Gegend der Appendix
schmerzhafte Resistenz. Urin frei.
Vor der Aufnahme -.Ikterus, Gallenblasentumor, Lebervergrösserung.
Bei der Aufnahme : Kein Ikterus, Gallenblasentumor, keine Leber-
vergrösserung.
Operation: 3. 3. 04. Wellenschnitt. Gallenblase prall gespannt,
dunkelblau, von spinnnetzartigen Auflagerungen bedeckt. Leber normal,
sehr weich. Funktion und Aspiration von trüber, eitriger Galle,
ö.haselnussgrosse Steine werden entfernt. Im Cysticus festsitzend ein
haselnussgrosser Stein. Gallenblasenschleimhaut sieht dunkelgrün
aus, wie nekrotisch. Der Cysticusstein liegt sehr tief, so dass die ge-
plante Cysticotomie nicht möglich ist. Ectoniie. Dabei kommt das
Messer immer in das morsche, schwer von der Gallenblase abzulösende
Lebergewebe. Starke Blntnng. 3 Suturen an der art. cystica. Cysticus
ganz eng, kaum für feine Sonde durchgängig. Im Cysticus festsitzend
ein Stein. Appendix krank, verdickt, wird exstirpiert, enthält Eiter.
Tamponade des Leberbetts etc. mit 3 Tampons. Hepatopexie mit
2 Suturen. Bauchwandna^t. Dauer der Operation */4 Stunden. Gute
ChloroformsauerstofiFnarkose (50 gr.).
Die exstirpierte Gallenblase ist wandverdickt, zeigt tiefe Ulcera-
tionen, besonders im Hals der Gallenblase.
Verlauf: Fieberfrei.
7. 3. Verband wird neu überwickelt; da die Fäden des obersten
Wundwlnkels etwas spannen und schmerzen, werden die 4 oberen Faden-
schlingen durchgeschnitten. (4. Tag post op.)
17. 3. Entfernung der festsitzenden Tampons im Aetherransch.
Weiterer Verlauf normal. Fat. wird am 10. 4. 04 geheilt entlassen.
Epicrise: Pat. hat erst jüngst eine schwere eitrige Chole-
cystitis durchgemacht. Der Infekt war so ziemlich erloschen,
aber der Stein im Cysticus blieb fest sitzen. Der damals ent-
standene Ikterus wird wahrscheinlich durch Entzündung der
— 108 —
benachbarten Leberpartieen entstanden sein. Eine Cysiostomie
war we^en der schweren Veränderungen der Gallenblase falsch,
die Ectomie sehr schwer, da das weiche Lebergewebe sich
kaum von der Gallenblase ablösen Hess. Die wahrscheinlich
durch denselben Infekt erkrankte Appendix musste mit-
heraus, da sie Eiter enthielt. Eine akute Appendicitjs hatte
Pat. nie gehabt, wenigstens keine Symptome derselben.
Nr. 59. J. H., 49 j. Kauf raaiinsf ran aus Nürnberg.
Aufgen.: 11. 10. 1903.
Operiert: 14. 10. 1903. Ectomie. Appendicectomie.
Entlassen: 28. 11. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat 7 mal geboren. 4 Kinder
leben, 3 sind an Diphtherie gestorben.
Pat. hat 2 mal an Wochenbettfieber und vor 2 Jahren an sehr
heftigem, langdauernden Bronchialkatarrh gelitten, ist sonst immer,
gesund gewesen.
Vor 2 Jahren erster Anfall von, Magenkrampf, der eine Nacht lang
dauerte. 1901 und 1902 dann etvra 3—4 gleiche Anfälle.
Darauf etwa l Jahr anfallsfrei, doch litt Pat. ab und zu nach dem
Essen an Magendruck. Am 10. 8. 1903 neuer, schwerer, mehrere Tage
dauernder Anfall. Schmerzen auch im Rücken und in die Brust bis
zu den Schultern aufsteigend. Kein Erbrechen, viel Aufstossen, kein
Fieber oder Schüttelfrost. Leichte Gelbsucht, Stuhl lehmfarben, im
Urin Gallenfarbstoff.
Danach vom 18. 8. bis 22. 9. Kur in Karlsbad. Dort zv^eimal
leichte, '■j* Stunde dauernde Anfälle, einmal mit etwas Ikterus. Urin
frei von Eiweiss und Zucker.
Am 24. 9. schwerer, zwei Tage dauernder Anfall ohne Gelbsucht
Am 1. bis 3. 10. nochmals 2 schwere Anfälle.
Dann vom 4. bis 10. 10. schwerster, äusserst heftiger Anfall mit
andauernden sehr heftigen Schmerzen und vielen Kolikanfallen. Keine
Gelbsucht, Temperatur normal. Steine im Stuhl wurden nicht ge-
funden. Während des letzten Anfalles einige Tage heftige Schmerzen
in der Blinddarmgegend, die zu Zeiten stärker waren als die Schmerzen
in der Magengrube. Schon im Laufe des letzten Jahres hatten ab
und zu Schmerzen in der Blinddarmgegeud sich eingestellt.
Pat. leidet seit zwei Jahren an starker Verstopfung. Appetit ist
leidlich, doch hat Pat. in letzter Zeit ca. 10 Pfund abgenommen. Jetzt
fühlt sich Pat. fast völlig wohl.
Pat. wurde mit Karlsbader Kur, in den Anfällen mit Morphium
(subkutan) und Opium behandelt. Auch hat sie 3 Tage lang Zie gier '-
sches Salz (Ziegler ist ein Apotheker in Nürnberg, der dies Salz gegen
Gallensteinkrankheit herstellt) gebraucht, kam aber infolge äusserst
reichlicher wässeriger Stuhlentleerungen so herunter, dass sie das
— 109 —
Mittel nicht weiter gebrauchen konnte. Bei einer Konsultation in
Nürnberg mit Herrn Dr. Fr. Merkel stellte Prof. Kehr eine grosse
Druckerapfindlichkeit der Gallenblase fest ; daneben war die Gegend
der Appendix coeci sehr empfindlich. Pat. entschliesst sieb sofort zur
Operation und reist am 11. 10. nach Halberstadt.
Diagnose: Chron. Cholecystitis.
Befund ist jetzt völlig negativ, kein Ikterus, Urin frei.
Operation: 14. 10. 03. Im Beisein des Herrn Dr. Capaldi-
Neapel. Wellenschnitt. Chloroform-Sauerstoffnarkose 55 gr, 90 Min.
Dauer der Operation 75 Minuten. Massig gute Narkose, Pat. presst
viel. Gallenblase gross, enthält mehrere kleine Steine. Im Cysticus
ein überkirschkerngrosser und viele kleine Steine. Lösung von Adhä-
sionen zwischen Gallenblasenhals, Cysticus und Duodenum. Leber
nicht vergrössert. Vena porta sehr gebläht, schwer von dem darunter
liegenden Ductus choledocbns zu unterscheiden. Ectomie. Son-
dierung des Choledochus vom Cysticusstumpf aus, keine Steine
tastbar. Appendicectomie. Appendix chronisch entzündet, enthält Kot;
zahlreiche Verwachsungen gelöst. Nach der Appendicectomie Deckun;^
der Naht durch Netzzipfel. Naht der Bauchwunde nach Tämponade
des Leberbettes und Cysticusstumpfes.
Die Wand der Gallenblase zeigt im grossen und ganzen mikro-
skopisch normale Verhältnisse. Die Muskulatur ist nicht besonders
verdickt, aber kräftig entwickelt. Stark entwickelte Faltenbildung
der Schleimhaut mit zahlreichen feinen Sekundärfalten an den Ab-
hängen der Hauptfalten. Überall wohlerhaltenes, regelmässig ange-
ordnetes einschichtiges Cylinderepithel. Keine sichtbare Schleim-
produktion, keine Zellsäume. In den Sudanpräparaten fällt eine sehr
starke feinkörnige Fettresorption in den Epithelzellen auf, besonders
in den freien Abschnitten des Zellleibes. Auch in den subepithelialen
Bindegewebsschichten findet sich sehr starke feinkörnige Fett-
ablagerung in den Zellen, die in den tieferen Schichten fehlt.
Verlauf: 23. 10. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung
sämtlicher Tampons, die nwt Sekret ziemlich stark durchtränkt sind,
etwas riechen, sowie eines Teiles der Nähte. Wunde sieht besonders
in der Tiefe gut aus, nur oberflächlich am Unterhautfettgewebe nekro-
tisch gewordene Partie. Ausspülung. Tamponade.
24. 10.03. Temp. morgens 38,1, abends 38,5. Befinden erheblich
besser. Puls 100. Appetit gut.
25. 10. 03. Temp. morgens 37,5, abends 37,7. Befinden gut. Puls ICD.
26. 10. 03. Temp. morgens 37,1, abends 37,2.
27. 10. 08. Temp. morgens 37,2, abends 37,7. 2. Verbandwechsel.
Es ist etwas Galle gelaufen. Wunde sieht in der Tiefe sehr gut aus.
An der unteren Naht eitern mehrere Stichkanäle, auf Druck entleert
sich aus denselben reichlich Eiter, der offenbar von einer ziemlich aus-
gedehnten Fettnekrose des Unterhautfettgewebes herrührt. Er-
weiterung der Stichkanäle, Ausspülung. Entfernung der letzten Nähte.
— 110 —
29. 10. OB. Befinden dauernd sehr gut. Temp. normal. 3. Ver-
bandwechsel. Keine Sekretentleerung aus den Stichkanälen der
unteren Naht mehr, auch auf Druck nicht. Wundtrichter sieht sehr
gut aus.
31. 10. 03. Verbandwechsel. Keine Sekretion aus den Stich-
kanälen mehr. Wunde sieht sehr gut aus. Letzte lange Fäden entfernt.
1. 11. 03. Steht auf.
12. 11. 03. Keine Tamponade des bereits engen Wundtrichters mehr.
16. 11. 03. Wundtrichter in der Tiefe geschlossen.
28. 11. 03. Wundtrichter völlig geschlossen. Wunde vernarbt.
Fat. wird als geheilt entlassen.
Epicrise: Eine Kombination von Cholecystitis und Appen-
dicitis. Die geblähte vena portarum Hess sich kaum vom
Choledochiis unterscheiden, und erst bei Einführung der Sonde
in den Choledochus wurde man sich über die anatomischen
Verhältnisse klar.
Nr. 60. B. S., 56 j. Kaufmannsfran aus Osnabrück.
Aufgen.: 31. 7. 1903.
Operiert: 2. 8. 1903. Ectomie. Appendicectoraie.
Hepatopexie.
Entlassen: 10. 9. 1903. Geheilt.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat 7 mal geboren. Angeblich
hat Fat. vor 22 Jahren an Eierstocksentzündung gelitten. Vor 2 Jahren
Blinddarmentzündung.
Vor 28 Jahren, im Wochenbett, bekam Fat. den ersten Anfall
von kolikartigen Schmerzen in der Magengrube, der rechten Seite
und im Rücken. Gleiche Anfälle traten seitdem in teils wochen-,
teils monate-, teils jahrelangen Abständen wieder auf. Dabei niemals
Fieber, Erbrechen (ausser nach Morphiuminjektion) oder Gelbsucht.
Vor 3V2 Jahren, nachdem Fat. 5—6 Jahre lang keinen Anfall
gehabt hatte, traten wieder neue heftige Kolikanfälle auf. Fat. hatte
kurz vorher einen Beinbruch erlitten und war nachher an Influenza
erkrankt.
Seitdem traten die Anfälle wieder sehr heftig auf, die letzten im
Februar und dann im Mai 1903, etwa 3 Tage dauernd. Erbrechen und
Fieber stellten sich nicht ein, doch soll manchmal ein leicht gelb-
licher Schimmer der Haut vorhanden gewesen sein. Der Stuhl ist
etwas verstopft, in den Anfällen manchmal hell, Steine darin wurden
nicht gefunden.
Fat. hat auch in den Zwischenzeiten zwischen den Anfällen
immer etwas Schmerzen in der Magengrube und im Rücken. Dabei
ist Fat. äusserst nervös, leidet dauernd an Kopfdruck, Schwindel, Auf-
geregtheit, besonders des Nachts. Der Appetit ist gut. Fat. ist mit
heissen Umschlägen (Thermophoren), Karlsbader Wasser, Kuren in
— 111 —
Neuenahr, in den Anfällen mit Morphium (bezw. Morphium mit Bella-
donna) behandelt worden. Auch eine Chologen-Kur hat Pat. 8 Wochen
lang durchgemacht, ohne anderen Erfolg zu erzielen als Regelung des
Stuhlgangs bezw. Beseitigung der Verstopfung,
Befund: Kein Ikterus, schlechte gelbliche Gesichtsfarbe. Leber
gesenkt, rechter Leberlappen massig, daneben medial die druck-
empfindliche, gespannte Gallenblase. Urin frei, Herz, Lunge gesund.
Diagnose: Steine in der Gallenblase, Cholecystitis chronica.
Operation: 2. 8. 03 in Gegenwart der Herren Dr. Belz-Char-
koflf und Dr. Noble-Philadelphia. Gute Chloroformnarkose 70 Min.
(mit Sauerstoff). 45 gr. Chloroform. Wellenschnitt. Rechter Leber-
lappen massig, Gallenblase mittelgross, mit Netz verwachsen. Lösung.
Punktion der Gallenblase, Aspiration von kleinen Mengen blutigen
Serums, Ectomie schwierig, weil die morsche Gallenblase überall ein-
reisst. Die art. cystica bei der £xcision stark spritzend, lässt sich in
der enormen Tiefe nicht unterbinden, deshalb bleibt eine König>Klemme
liegen. Cysticus sehr eng, ist sehr hypertrophisch. Choledochus frei.
Appendix an der Spitze mit Netz verwachsen, ist chronisch entzündet;
Appendicectomie. Tamponade um die Klemme herum , Hepatopexie
mit 2 Suturen. Naht. Verband. Dauer der Operation 58 Min. Gallen-
blase enthält im Hals einen runden Schlussstein, darüber im Cysticus
noch einen kleineren Stein, im Fundus 9 Steine, überall Ulcerationen.
Wandungen der Gallenblase sehr verdickt. Von der Einwirkung des
Chologens natürlich keine Spur zu bemerken.
Verlauf: 3. 8. 03. In der. Nacht und Vormittags dreimal Er-
brechen von etwas Flüssigkeit mit Spuren von Blut. Magenspülung,
im Magen etwas Blut. Befinden sonst gut. Temp. morgens 37,5,
abends 37,7, Puls 84, kräftig. Nachmittags noch ab und zu Aufstossen,
dabei kommt öfters etwas mit Blutspuren vermischte Flüssigkeit hoch.
5. 8. 03. Befinden gut.
11. 8. 03. Wechsel der oberen Schichten des Verbandes. Heraus-
nahme der seitlich tamponierenden Gazestreifen. Klemme sitzt noch
sehr fest, wird daher liegen, gelassen.
16. 8. 03. Eutfernnng der Tamponade, der Klemme, der Fäden
und Nähte. Gute Heilung. Orientierung in dem tiefen Wundtrichter
wegen Blutung aus den Granulationen nicht möglich.
28. 8. 03. Verband 3 Tage trocken. Etwas Galle im Verband,
Wundtrichter erheblich enger.
1. 9. 03. Wieder etwas reichlicher Galle gelaufen. Entzündete
Varix am rechten Oberschenkel. Bettruhe.
6. 9. 03. Entzündung der Varix zurückgegangen. Pat. steht auf.
8. 9. 03. Neue entzündete Varix etwas unterhalb der alten.
9. 9. 03. Noch Spur Galle im Verband. Entzündung der Varix
bereits zurückgegangen.
10. 9. 03. Pat. wird mit kleinem, engen, gut granulierenden
Wundtrichter entlassen.
— 112 —
Die mikrosk. Untersuchung der Gallenblase durch das pathol.
Institut in Marburg ergibt folgenden Befund:
An der prall gespannten Blase fällt mikroskopisch vor allem eine
beträchtliche Verdickung der Muskulatur auf, die mit ihren innersten
Bündeln vielfach in das Lumen vorspringt. Die Schleimhaut ist überall
hochgradig atrophisch und nur noch am Hals teilweise erhalten. In
den Resten der Mucosa fleckweise stärkere Zellinfiltrationen (spärliche
eosinophile Zellen, hauptsächlich Lymphocyten). Zahlreiche submucöse
kleine Blutungen.
Epicrise: Ein Arzt hatte von der Operation abgeraten
wegen der Nervosität der Kranken ; gerade deshalb schlug ich
die Operation vor. Ein anderer sagte: Ich kann nichts fühlen,
deshalb keine Operation! Es war genug zu fühlen, ausserdem
sprach die Anamnese sehr für die Operation. — Die Unter-
bindung der art. cystica war sehr schwer; ich rate, in solchen
Fällen die Klemme liegen zu lassen, sonst kann es leicht
passieren, dass die Arterie sich unter der Sutur retrahiert und
eine schwere unstillbare Blutung erfolgt. — Von einer Ein-
wirkung des Chologens war bei 8 Wochen langem Gebrauch
(täglich 1--3 Tabletten) gar nichts zu bemerken. Das Chologen
wirkt, wie jedes Abführmittel, auf die Cholecystitis günstig
ein, eine lösende Kraft hat es bestimmt nicht.
Nr. 61. M. V., 66 j. Witwe aus London.
Aufgen.: 8. 6. 1903.
Operiert: 12. 6. J,903. Ectomie. Appendicectomie.
Entlassen: 7. 7. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist immer gesund gewesen, hat nur 1866 an
Typhus gelitten und leidet jetzt etwas an Gicht.
Ein Onkel der Pat. ist an Gelbsucht gestorben.
Im Jahre 1868 nach einer Entbindung litt Pat. 3 Monate lang an
Gelbsucht. Pat. hatte während dieser Zeit Schmerzen im Kreuz und
fühlte sich sehr matt. Kolikanfälle waren nicht aufgetreten.
Pat. war dann wieder ganz gesund bis zum Jahre 1897.
1897 nach dem Hebej» einer schweren Last plötzlich heftige
kolikartige Schmerzen in der Gegend der Magengrube, nach rechts bis
in den Rücken und das rechte Schulterblatt ausstrahlend, dabei starke
Herzangst. Der Anfall dauerte einige Stunden; nach 8 Tagen stellten
sich gleiche, jedoch weniger heftige Kolikanlällo ein.
Pat. hatte dann monatelang Ruhe. Dann traten die gleichen,
mehr oder weniger intensiven Kolikanfälle nach unregelmässigen, an-
fallfreien Zwischenzeiten wieder auf. Leichte Gelbsucht soll während
der heftigsten Anfälle vorhanden gewesen sein, ebenso Fieber. Auch
— 113 —
trat dabei Erbrechen auf, besonders nach Einnahme von Morphium-
piilvern. Einmal hatte Pat. fast 1 Jahr lang Ruhe.
1902 wieder mehrere Anfälle, der letzte zu Weihnachten.
1903 Ruhe, abgesehen von kleinen Anfallen, bei denen einige
Stunden Unbehagen und leichte Schmerzen in der Magengrube be-
standen; letzter heftiger Anfall Anfang April. Es traten dabei inner-
halb 24—30 Stunden 3 heftige Anfälle auf. Etwas Gelbsucht, Fieber.
Stuhl war an einigen Tagen etwas heller. Urin dunkel, schäumend.
Dabei Erbrechen. Pat. war sehr matt, lag 14 Tage zu Bett. Steine
im Stuhl wurden nie gefunden. Stuhl unregelmässig (Verstopfung).
Letzter leichter Anfall auf der Reise von England hierher.
In den Zwischenzeiten zwischen den Anfällen, wie auch jetzt,
ist Pat. völlig beschwerdefrei.
Pat. w^urde mit heissen Umschlägen, Karlsbader Wasser, Medika-
menten, Morphiurapulvern und Einspritzungen (nur bei heftigen An-
fällen, zuletzt 1908) behandelt.
Die Herren Professor Kassowitz-Wien und Dr. Midwinter-
London senden uns Pat. zu. ;
Befund: Gallenblase prall gespannt, etwas druckempfindlich.
Kein Ikterus. Leber normal.
Diagnose: Chron. Cholecystitis.
Operation: 12. 6. 03. Wellenschnitt. Gallenblase gross, nicht
verwachsen, enthält im Cysticus kleine Steine. Ectomie in 10 Min.
Appendix nach oben geschlagen, etwas starr, wird entfernt. Gallen-
blase wenig entzündet, aber im Cysticus, perlschnurartig aneinander-
gereiht, kleine Steine. Ca. 80 in der Gallenblase. Dauer der Operation
40 Min. Gute Chloroform-Sauerstoffnarkose (40 gr.).
Verlauf: Fieberfrei und gut. Am 17. 7. 03 in guter Gesundheit
entlassen.
Die mikroskopische Untersuchung der makroskopisch nicht sehr
verändert erscheinenden, tief grün gefärbten Blase lässt im Fundus ein
im allgemeinen gut erhaltenes Epithel erkennen, das nur an den Spitzen
der Zotten hier und da Defekte ohne entzündliche Veränderungen der
darunterliegenden Wandsehicht zeigt. Die intakte Muskulatur wird
stellenweise von tiefen Epitheleinsenkungen durchdrungen. Der Hals-
teil zeigt eine stark ulcerierte Oberfläche, zellige Infiltration der ganzen
Wand, sowie Verdrängung der Muskulatur durch enorme Verdickung
des hyalinen intermuskulären Gewebes.
Epicrise: Dass wir mit der gleichzeitigen Entfernung der
Appendix bei unseren Gallensteinoperationen rasch bei der
Hand sind, darauf habe ich schon oft hingewiesen. Ich halte
es für ein Unrecht, einen nicht ganz normalen Wurmfortsatz
zurückzulassen, wenn man gerade den Bauch auf hat und das
nichtswürdige Anhängsel sich dem operierenden Arzt frech
präsentiert.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationan. 8
— 114 —
Nr. 62. A. W., 30 j. Lehrerin aus Hall« a. 8.
Aufgen.: 26. 10. 1901.
Operiert: 28. 10. 1901. Ectomie. Resektion des die
Gallenblase bedeckenden, vernarbten Leberlappens,
Hepatopexie.
Entlassen: 2. 1. 1902. Geheilt.
Anamnese: Fat. hat als junges Mädchen zuweilen an Magen-
krämpfen gelitten. Vor 9 Jahren machte sie eine „Blinddarmentzündung"
durch. Sie lag damals 3 Monate zu Bett. In der Folge stellten sich in Pau-
sen von 2- 3 Monaten Rückfälle von Schmerzen in der Blinddarmgegend
ein, die in den letzten 3 Jahren seltener wurden und dann ganz ver-
schwanden. Doch behielt Fat. immer eine starke Empfindlichkeit
gegen Druck in der rechten Unterbauchgegend.
Seit Ffingsten dieses Jahres hat Fat. neuerdings Schmerzen in
der Gegend der Leber. Es stellte sich dort ein bohrender, drückender
Schmerz ein, der immerfort anhielt, zuweilen etwas stärker wurde,
sich beim Bücken steigerte. Fat. hatte stets das Gefühl, als ob ihr
rechts im Leib etwas stecke, was nicht hingehört. Dabei besteht
guter Appetit, geregelte Verdauung. Ikterus ist nie vorhanden ge-
wesen. Kein Erbrechen. Auch keine Erscheinungen von Fieber.
Befund: Grosse, kräftige Ferson. Herz und Lungen gesund. Kein
Ikterus. Grosser Tumor der Gallenblase mit allen Merkmalen palpabel.
Diagnose: Hydrops der Gallenblase. (Appendix?)
Operation: 28. 10. Ol. Wellenschnitt. Grosser Hydrops der
Gallenblase mit Netz verwachsen. Ectomie der (rallcnblase samt dem
darüberliegenden narbig veränderten Lebergewebe. Cysticusstein voll-
ständig unverschieblich. In der Gallenblase wässriger Schleim und
ca. 50 Steine bis Erbsengrösse. Tamponade. Choledochus frei. Dauer
der Operation 40 Min. Gallenblasenwand sehr verdünnt. Coecum,
Appendix normal.
Verlauf: 28. 10. Fieberfrei.
11. 11. Ein Teil der Tamponade entfernt. Da einige Tampons
festsitzen, wird die tiefe Tamponade noch belassen.
14. 11. Weitere Entfernung von Tampons. Sämtliche Nähte und
Fäden werden entfernt. Ein Tampon bleibt noch liegen.
19. 11. Es gelingt, den letzten, von der Operation noch vor-
handenen Tampon zu entfernen. Wundtrichter tief, aber allenthalben
mit guten Granulationen bedeckt. Abends 38,7.
20. 11. 38^5—37,8. Auf der Magenwand im Wundtrichter eino
umschriebene, nekrotische Stelle. Klagt seit gestern Abend über
Schmerzen in der Wunde.
21. 11. 37,3-37,8. Schmerzen geringer.
23. 11. Fieberfrei. Ohne Beschwerden. Verbandwechsel. Di&
nekrotischen Stellen abgestossen. Wunde mit guten Granulationen
ausgefüllt. Steht auf.
6. 12. Abends 38,9. Klagt heute über Stechen auf der Brust
— 115 —
beim Atmen und über Schmerzen im rechten Unterschenkel. Der rechte
Unterschenkel etwas praller als der linke und sehr stark driickem*
pflndlich. Keine Stränge zu fühlen. Auf den Lungen nichts nach-
weisbar. Es besteht leichter Hustenreiz.
7. 12. 39,0-39,0.
8. 12. 38,5 — 40,6-37,5. Morgens gegen 11 Uhr Schüttelfrost.
Darnach 40,6. Es besteht 1. h. o. über der Spina scapulae entferntes,
leises Bronchialatmen. Über dem rechten Oberlappeu diffuse spärliche
Rhonchi.
9. 12. 37,5—39,6. Nachts leichter Frost. Noch Schmerzen im
rechten Bein.
10. 12. 37,5—38,7. Das rechte Bein immer noch geschwollen und
druckempfindlich. Kein Husten, kein Auswurf,
14. 12. 37,2. Gestern Verbandwechsel nötig wegen plötzlichen
dralleiifinsses. Heute Verband trocken. R. Unterschenkel weicher und
weniger druckempfindlich.
20. 12. Fieberfrei. Verbandwechsel. Unterschenkel nicht mehr
geschwollen und druckempfindlich. Wunde in guter Granulation.
27. 12. Fat. steht aaf.
2, 1. 02. Fat. ist dauernd ausser Bett. Von Seiten des Unter-
schenkels keine Erscheinungen mehr. Wunde granuliert sehr gut.
Es besteht noch ein ca. IV2 cm. breiter, 3 cm. tiefer Gang. Will sich
in Blankenburg von Herrn Kreisphysikus Sanitätsrat Dr. Klöppel
weiter verbinden lassen.
. Epicrise: Ein leicht zu diagnostizierender Fall von
Hydrops der Gallenblase. Während der Nachbehandlung trat
eine Pneumonie und Tlirombose der Schenkelvene ein —
nach Laparotomien nicht ganz seltene Zufälle.
Im April 1902 stellte sich Pat. in bestem Befinden vor;
sie hatte bedeutend an Körpergewicht zugenommen.
Nr. 63. E. R., 39j. Fabrikantenfrau aus Tomaszow (Russland).
Aufgen.: 10. 6.^1904.
Operiert: 12. 6. 1904. Ectomie. Appendicectomie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat 2 gesunde Kinder. Ausser
an einer Dickdarmentzündung ist sie nie erheblich krank gewesen.
1893 traten die ersten leichten, kurzdauernden Magenkrämpfe
auf, die in gleicher Weise weiterhin alle paar Wochen oder Monate
sich einstellten.
1896 trat der erste schwere Kohkanfall auf. Starke Kolik-
schmerzen, von der Magengegend besonders nach rechts, bis in den
Rücken ausstrahlend, dabei galliges Erbrechen und ca. 14tägige Gelb-
sucht. Derartige schwere Anfälle stellten sich dann jährlich 1— 3mal,
fast regelmässig im Frühjahr und Herbst, ein, jedoch ist Gelbsucht
nicht wieder vorhanden gewesen.
8*
— 116 —
Seit der letzten Entbindung vor 4 Jahren, bei weicher gleich-
falls Koliiien auftraten, fühlt sich Pat. nicht mehr wohl, ist matt,
schwach und blutarm. Dabei bestehen fast andauernde leichte
Schmerzen in der rechten Seite, besonders in der Gallenblasengegend.
Der letzte heftige Kolikanfall, ebenfalls ohne Gelbsucht, stellte sich
vor 2 Jahren ein. Es wurde eine Entzündung und Anschwellung
der Gallenblase (ev. Blinddarmentzündung?) festgestellt. Pat. war im
ganzen 6 Wochen lang krank und hatte dauernde sehr heftige
Schmerzen in der Gallenblasengegend. Herr Prof. Nothnagel in Wien
riet bereits damals zur Operation.
Seitdem hat Pat. andauernde, bald leichtere, bald stärkere
Schmerzen in der Gallenblasengegend, ab und zu auch Magenschmerzen,
die bei jeder auch geringen Anstrengung wie Gehen, Bücken u. s. w.
heftiger wurden. Jedoch trat ein e'gentlicher, ausgesprochener Kolik-
anfall nicht mehr auf. In letzter Zeit sind die Schmerzen eher etwas
besser, doch ist das Allgemeinbefinden schlechter, Pat. fühlt sich matt
und schwach. Der Appetit ist leidlich, das Körpergewicht hat erheb-
lich abgenommen. Der Stuhl ist oft verstopft. Steine sind im Stuhl
nicht gefunden worden. Pat. hat vielerlei Kuren durchgemacht.
(Traubenkuren, Oelkur, Karlsbader Kur etc.)
Herr Dr. Narewski aus Tomaszow sendet uns die Pat. zu.
Befund: Anämische, elende Frau. Herz gesund, Urin frei.
Gallenblasengegend sehr druckempfindlich, kein deutlicher Tumor.
Rechter Leberlappen gesenkt, etwas Plätschern über dem Magen,
motorische Funktionen verlangsamt. Kein Ikterus.
Diagnose: Chronische Cholecystitis (Empyem); Verwachsungen
zwischen Gallenblase und Pylorus. Die Anämie lenkt Verdacht auf
komplicierendes Ulcus, doch sind Blutungen nicht beobachtet.
Operation: 12. 6. 04. Wellenschnitt. Leber gesenkt. Gallen-
blase gross, massig gespannt, mit Pylorus verwachsen. Leichte
Trennung mit der Cooper'schen Schere. Eine Unterbindung des
blutenden Netzes. Gallenblase ist wandvei'dickt, enthält im Hals
einen haselnussgrossen Stein, der sich leicht funduswärts drücken
lässt. Leber lässt sich gut umkippen. Der Fundus der Gallenblase
ist divertikelartig ausgebuchtet. Bei der Excision ist die Isolierung
der Gallenblase vom Leberbett schwierig; die Gallenblase, au ihrer
Hinterfläche äusserst morsch, reisst ein, und es entleert sich etwas
trübes, eitriges Dekret in die Absperrungstaniponade. Deshalb völlige
Entleerung der Gallenblase, die nach rechts gezogen ihren Inhalt in
eine ausgekochte Schale entleert. 2 haselnussgrosse und 1 erbsengrosser
Stein werden neben eitriger Flüssigkeit entfernt. Die Gallenblase wird
mit einem Gazestreifen ausgestopft und am Fundus abgeklemmt. Bei
ilirer Trennung vom Leberbett wird eine bleistiftstarke Vene, die
stark blutet, verlet/t. Umstechung, darunter Draht. Noch 2 Um-
etechungen im Leberbett (darunter Draht). Drüse am Cysticus sehr
gross, aber nicht sehr bart. Excision sonst leicht. Die Gallenblase zeigt
im Hals ein Ulcus mit aufgeworfenen, papillomatösen Rändern, Cysti-
— 117 —
cusschleimhaut normal und zart. Cysticus sehr eng. Da wo die Gallen-
blase am Leberbett eingerissen ist, ist ebenfalls ein Ulcus vorhanden.
Tamponade mit 2 Streifen. Choledochus frei, kein Ulcus am Magen oder
Duodenum nachweisbar. Appendix lang, verdickt, enthält 2 Kotsteine
und stinkenden Kot, wird entfernt. Auf eine Hepatopexie wird ver-
zichtet, da die Tamponade allein die Leber gehörig nach oben drängt.
Schluss der Bauchwunde durch Durchstichknopfnähte. Dauer der
Operation 50 Min. Sehr gute Sauerstofi'-Chloroformnarkose, 60 Min. 35 gr.
Verlauf: Sehr gut. Am 25. 6. 04 Entfernung der Tampons und
der meisten Fäden. Wunde sieht sehr gut aus. Der Wundtrichter
ist ziemlich eng, bei dem Auseinanderhalten mit den beiden grossen
Wnndhakeu löst man in der Tiefe den Magen etwas von der Leber, so
dass glänzende Serosa zum Vorschein kommt. Äeue lockere Tamponade.
Weitörhin sehr guter Verlauf.
Die Untersuchung der Gallenblase ergibt Folgendes :
Makroskopisch: Verdickung der Gallenblasenwand; feinkörnige
Schleimhaut; am Fundus kirsohkerngrosse Ausbuchtung. Dicht unter-
halb derselben ein Defekt der Wand, übergehend in einen anscheinend
mechanisch entstandenen Riss ; dieser Partie entspricht aussen ein
gelblich-braungefärbtes Gewebe, das mehrere mm. dick der Gallen-
blasenwand aufsitzt.
Mikroskopisch: An der Stelle der bräunlichgelärbten Partie
findet sich ein im Peritoneal-Gewebe gelegener typischer Gallenabscess.
Die Schichten der Gallenblasenwand sind gering kleinzellig infiltriert,
entlang den Nerven befinden sich eigentümlich halbgekörnte Zellen.
(Path. Institut in Marburg.)
Epicrise: Die Pat. hatte unter dauernden Beschwerden
zu leiden, da der Infect in der Gallenblase niemals ganz er-
loschen war. Sie war sehr elend und anämisch geworden, so
dass man auch an Ulcus pylori denken konnte. In technischer
Beziehung ist die Umstechung der weitklaflf enden, sfark
blutenden Yene im Leberbett zu erwähnen und die Notwendig-
keit der Entleerung der Gallenblase vor der Excision. Da
die Operation sonst glatt verlaufen war, wurde der verdickte
Wurmfortsatz gleich mitentfernt.
Nr. U. M. F., 50 j. Frl. aus Stettin.
Aufgen.: 28. 4. 1904.
Operiert: 30. 4. 1904. Ectomie. Cysticotoniie. Chole-
dochotomie. Appendicectomie.
Entlassen: 22. 6. 1904. Geheilt.
Die Anamnese stammt von Herrn Dr. Br e tsc hn e ider in
Rom und lautet:
„Der Vater der Pat. starb 79j. an Lungenentzündung, die Mutter
50j. an Carcinoma uteri. Von 13 Geschwistern sind 3 an Carcinom,
- 118 —
2 an Darmdurchbruch gestorber;, von 3 lebenden Schwestern leidet
eine an Gallensteinen, eine zweite ist „magenleidend".
Während der Kindheit Masern und Scharlach.
13 Jahre alt: Typhus abdomin. nebst Diphteritis der äusseren
Genitalien. Seitdem immer blutarm und „viel Magensäure".
27 Jahre alt: 1. Gallensteinkolik (4— 5 Tage krank ohne Ikterus).
Darauf 3 Sommer in Karlsbad und 2 Sommer in Franzensbad. Trotzdem
fortwährend Magenstörungen („ich habe in einem fortwährenden
Magenkatarrh gelebt"), Hyperacidität, konstanter Zungenbelag, viel
Appetitlosigkeit; hat vielfach von Suppen gelebt.
44 Jahre alt: 5— 6 Monate lang Analfissuren.
Seit dem 20. Lebensjahr chronischer Katarrh der oberen Luft-
wege. Auch vielfach wegen „Unterleibskatarrh" behandelt worden,
auf welchen die ^Magenbeschwerden" oft zurückgeführt wurden.
50 Jahre alt :
a) Januar 1903: aus einem Eisenbahnwagen gefallen und rechts
hinten auf den Rücken aufgeschlagen.
b) September 1903: Kolik ohne Fieber und ohne Ikterus: bheb
3 Tage zu Bett.
c) Oktober 1903: Heft'ger Fieberanfall (39,8) ohne besondere
Schmerzen: seitdem, eigentlich ununterbrochen, ein Gefühl von Unbe-
hagen in der rechten Seite, häufig Stiche im Rücken, grosse Schwäche
und Energielosigkeit, „Magen sehr schwach", Appetitlosigkeit („ich
fühlte mich immer recht krank und wusste nicht, wo es mir sass").
d) Januar 1904: Fat. tritt eine P]rholungsreise nach dem Süden
an. Die ersten 14 Tage an der Riviera (Beaulieu) rufen eine grosse
Besserung des Allgemeinbefindens und des katarrhalischen Zustandes
der oberen Luftwege hervor. Bald treten aber die Magenbeschwerden
wieder auf, einige Tage akuter Schmerz im Mastdarm während
der Defäkation (träge Stühle 1), der aber nach Anwendung von Pur-
gantien vergeht.
e) Februar 1904: Halsentzündung in Florenz.
f) Rom: 4.— 5. März: Kolik („Magenkrämpfe"), 7. — 17. März hohes
Fieber von 39,8 ab, welches im Laufe der 10 Tage nach und nach ab-
liess: nächtliche und morgentliche Remissionen mit Schwoiss. Das
ganze rechte Hypochondr. ist gegen Druck schmerzhaft. Leber nicht
vergrössert; unter dem Leberrand palpiert man eine ziemlich genau
abgrenzbare mandarinengrosse glatte pralle Geschwulst, die mit den
Inspirationsbewegungen viel deutlicher hervortritt. Die Geschwulst
selbst ist äusserst schmerzhaft. Kein Ikterus. 18.— 23. März : Das
Fieber ist verschwunden, die Geschwulst ist taubeneigross, weniger
schmerzhaft, aber immer noch recht empfindlich.
24.-29. März: Fat. steht täglich etwas auf und geht auch einige
Schritte spazieren. Ausgesprochenes Unbehagen nebst Gefühl von
Druck und Ziehen im ganzen „rechten Leib".
30. März: Erneuter Kolikanfall.
— 119 —
1.— 15. April: Pat. ist bettlägerig, wagt es nicht aufzustehen, weil
sie das Gefühl hat, die Krämpfe könnten wieder auftreten; sie isst
wenig, weil der Magen nicht viel verträgt, daher deutlich zunehmende
Abmagerung, jedoch ohne Zeichen einer wirklichen Kachexie.
Manchmal am Abend Temperaturerhöhungen. Die Geschwulst unter
dem Leberrand ist kaum noch zu fühlen, die Palpation ist aber stets
unangenehm.
Ich rate der Pat., ihre Erholungsreise, weil zwecklos, vorläufig
aufzugeben und sich Prof. Kehr in Halberstadt vorzustellen."
Befund: Elend aussehende Pat. ohne Ikterus. Gegend der Gallen-
blase sehr druckempfindlich, in der Tiefe ein runder Tumor tastbar.
Gegend der Appendix empfindlich. Kein Fieber. Leber nicht ver-
grössert. Urin frei.
Diagnose: Abgelaufene Cholecystitis, Appendix (?).
Operation: 30. 4. 04. Wellenschnitt. Gallenblase gross, prall
gespannt^ Leber nicht vergrössert. Gallenblase lässt sich extraperito-
neal lagern, wird iucidiert; die ansfliessende dicke schwarze Galle
wird durch ein untergehaltenes steriles Emaillebecken aufgefangen.
Sehr viele kleine Steine, eingebettet in breiartige Qalle. Gallenblase
ist nicht verwachsen, lässt sich aber, trotzdem der Schnitt über den
proc. xiphoideus hinausgeht, sehr schwer freilegen, da die Leber sehr
hoch liegt. Es macht kolossale Schwierigkeiten, das lig. hepato-duo-
denale zu Gesicht zu bekommeji. Im Hals der Gallenblase festsitzend
ein Stein, grösser wie eine Walnuss, wird nach Erweiterung der
Gallenblasenincision entfernt. Im Cysticus wenig verschieblich ein Stein.
Er lässt sich aber nicht in die Gallenblase schieben. Deshalb Cysti-
cotomie. Aus dem Cysticusschnitt fliesst dicke teerartige Galle ab.
Die Gallenblase ist um das 3 fache vergrössert, sehr wand verdickt, und
es scheint das Beste, sie zu exstirpieren. Die Excision ist technisch
sehr schwer, da der Hals der Gallenblase sich nach oben — unter das
lig. hepato-duoJenale — hochgradig ausgebuchtet hat. Erst naclidem
die beiden Äste der Art. cystica von der Wand der Gallenblase abge-
löst und nnterbnndeu sind, lässt sich der Hals der Gallenblase isolieren
und der ductus cysticus stielen. Dicht am Choledochus stecken im Cysti-
cus noch 2 kleine Konkremente. Cysticus wird bis in den Choledochus
hinein gespalten, in dem keine Steine mehr nachweisbar sind. Chole-
dochusgalle ganz klar. Das gespaltene vordere Blatt des Hg. hepato-
dnodenale wird durch einige feine Suturen, die lang bleiben, über der
Choledochusincision wieder vereinigt, der Cysticus in sich vernäht.
3 Tampons auf Leberbett und Choledochusnaht. — Die Appendix ist chro-
nisch entzündet, nach oben hoch geschlagen, enthält Kotsteine, ist sehr
verwachsen und wird entfernt. Schleimhaut geschwollen, von kleinen
Hämorrhagien durchsetzt. Naht der Bauchwunde. Die Tampons werden
n der linea alba herausgeleitet, so dass der ganze musc. rect. abd.
wieder vereinigt wird. (Vergl. Figur Nr. 4.) Dauer der überaus
— 120 —
schwierigen Operation 1 V« Stunden. Sehr gute Sauerstoflf-Chloroform-
narkose.
Das pathol. Institut in Marburg berichtet über den Befund der
Gallenblase folgendes:
Gallenblase mit feinwarziger Hypertro-
Chronische Cystitis
phie der Schleimhaut.
Fig. 4.
der
An den mikroskopischen Quer-
schnitten durch die Gallenblasenwand
sieht man die Oberfläche derselben sehr
stark gefältelt, mit zahlreichen krypten-
artigen Einsenkungen des Oberflächen-
epithels versehen. Doch dringen diese
Stelle der Einsenkungen nur selten in die eigent-
Tamponade Ußi^g Muskelschicht vor. Die kleinen
drüsenförmigen Einsenkungen stehen
ganz dicht nebeneinander, ähnlich wie
bei den Wucherungen des Oberflächen-
epithels der Harnblase bei der sogenann-
ten Cystitis grauulosa : Das Gallenblasen-
epithel, auch dasjenige, welches die Ein-
senkungen auskleidet, ist grösstenteils
ein einfaches Zylinderepithel, doch finden
sich auch, besonders in der Tiefe der Ein-
senkungen, grössere Epithelstrecken mit deutlicher Verschleimung de»
Protoplasma. Die Muskularis ist etwas verdickt durch Hypertrophie ihrer
Fasern. Sonst zeigt sie nichts Besonderes. Der bindegewebige Anteil
der Schleimhaut zeigt ebenfalls keine besonderen Veränderungen.
Verlauf. Ohne Besonderheiten völlig fieberfrei. Am 7. 5. Ent-
fernung sämtlicher Tampons, da Fat. in den letzten Tagen immer über
etwas Magendruck klagte. Einige Durchstichknopfnähte werden be-
reits entfernt, da sie durchschneiden.
Weiterer Verlauf normal.
22. 6. 04. Geheilt entlassen. Geht in den Harz zur weiteren
Erholung.
Epicrise: Die zweite Gallensteinoperation nach dem
Chirurgenkongress 1904. Die Technik war so schwierig, dass
mir zu Mute war, als ob ich überhaupt erst einige Gallenstein-
operationen gemacht hätte. Und dabei war es Nr. 914! Ich
musste immer dar^n denken, wie K,iedel darauf hinwies, dass,
wenn man nur gehörig die Bauchdecken durchschneide, gar
keine Schwierigkeiten „resultieren". Nun, mein Schnitt war
gross genug, aber ich hatte solche Schwierigkeiten, dass, wenn
ich nicht genügend Übung in der Gallensteinchirurgie gehal>t
hätte, ich sicher nicht zu Ende gekommen wäre. Trotz hin-
reichend grosser Bauchwandincision bleiben oft genug Schwierig-
— 121 —
keiten zurück, die nur ein erfahrener Laparotomist bewältigen
wird! Was Riedel sagt, trifft nur für die mageren Frauen mit
Hepatoptose zu , häufig verfügen die Pat. aber über sehr fette
Bauchdecken, und sehr oft liegt die Leber so hoch, dass man
in grösster Tiefe operieren muss.
d) Ectomie wegen Carcinom. (Leberresektion).
Nr. 65. E. K., 47 j. Kaufmaimsfraii aus Torgau.
Aufgen.: 20. 6. 1903.
Operiert: 22. 6. 1903. Ectomie. Leberresektion.
(Carcinom).'
Entlassen: 20. 7. 1903. Ungeheilt.
Anamnese: Herr Oberstabsarzt Dr. Rüger-Torgau sendet uns
die Pat. mit beifolgender Anamnese zu:
„Vor einigen Tagen wurde ich von Frau Kaufmann K. aus Torgau
konsultiert. Dieselbe ist 47 Jahre alt, seit ca. 15 Jahren leidend, an-
geblieh an Magenkrämpfen und Appetitlosigkeit, Gicht. Sie hat sechs
Entbindungen und 3 Aborte durchgemacht, ohne besondere Zwischen-
fälle. Seit 4—5 Jahren ist sie gänzlich arbeitsunfähig, hat ein Gefühl
von Druck und Schmerz im Leib, sie hat verschiedene Bäder gebraucht,
Teplitz, Augustusbad, natürlich -auch Naturheilaustalt, zuletzt Elster.
Ein Gynäkologe hat einen Maier'schen Ring eingelegt, angeblich wegen
Vorfall, ich habe ihn hegen lassen, da er keine Beschwerden macht.
Bald nach der Rückkehr von Elster im September 1902 Schmerzen in
der Gallenblasengegend, dunkelbrauner Urin mit gelblichem Schein,
kein Ikterus. Diese Schmerzen haben bis November 1902 angehallen,
sind dann vorübergehend besser geworden, sind aber immer von Zeit
zu Zeit wieder aufgetreten, bis im Februar ein typischer Anfall mit
heftigen Kolikschmerzen, Ikterus, galligem Erbrechen, dunkelbraunem
Urin auftrat; seit dieser Zeit bestehen fast dauernd Schmerzen, doch
ist die Abmagerung nicht erheblich grösser geworden, trotz sehr ge-
ringer Nahrungsaufnahme, nur die allgemeine Schwäche ist grösser
geworden. Bei der ersten Untersuchung fand ich eine kleine, gracile,
stark abgemagerte Frau ohne eigentlich kachektisches Aussehen, Herz,
Lungen normal, Zunge belegt, Leib eingesunken, Magen anscheinend
nicht vergrössert, (ohne Aufblähung untersucht). Kein Fieber, Urin
hellgelb, klar, ohne Eiweiss und Zucker. In der Gallenblasengegend
eine gänseeigrosse, harte, etwas knollige Geschwulst, mit der Atmung
auf- und absteigend, der anschliessende Leberrand hart, wenig schmerz-
haft. Ich habe der Schmerzen wegen und um keinen Schaden anzu-
richten, nicht allzutief eingedrückt und halte die Geschwulst für eine
steingefüllte Gallenblase, wohl mit Krebs der Gallenblase, für den die
grosse Häne und Form der Geschwulst, gegen den die lange Dauer
— 122 ~
und das Fehlen stärkerer Kachexie mir zu sprechen scheint. Ich habe
die Frau zur event. Operation bezw. Sicherung der Diagnose an Sie
gewiesen. Die Operation scheint mir wegen des verzweifelten Zu-
standes, der die Frau auch psychisch hochgradig niederdrückt, wenn
irgend möglich, auch bei einem Schatten von Aussicht noch geboten."
Wir fügen noch hinzu:
Pat. ist sonst immer gesund gewesen, leidet jedoch schon seit
Jahren an schwerer Gicht. Eine Tochter leidet an Magenkrämpfen.
Im 16. Lebensjahr schwere Magenkrämpfe; dann vor 15 Jahren eben-
solche Krämpfe (Schmerzen und Krämpfe im Leib, nach dem Rücken
und in die Brust ausstrahlend, Angstgefühl, Aussetzen des Pulses).
Danach keine Krämpfe mehr bis Herbst 1902, jedoch stets Magen-
beschwerden, Stechen in der Brust und der Seite, seit 5— 6 Jahren viel
saures Aufstossen, starke Gewichtsabnahme.
Herbst 1902 (Oktober) neuer Magenkrampfanfall.
November 1902 sehr schwerer Kolikanfall mit Schmerzen in der
Lebergegend und Erbrechen, der über V« Tag dauerte.
Nachher grosse Schwäche, dauernd Ziehen und Druck im Leib.
Im Januar 1903 Influenza (?) mit hohem Fieber, darauf schwerer
Gichtanfall (Knie), daran anschliessend 14 Tage lang im Februar heftige
Kolikanfälle, 8 Tage lang Gelbsucht.
Seitdem, besonders aber seit Mai 1903, dauernde Rückenschmerzen.
Ziehen und Druck im Leib. Schon seit Jahren hat Pat. in der Gallen-
blasengegend eine harte Anschwellung bemerkt. Es besteht hart-
näckige Verstopfung. Pat. ist mit heissen Umschlägen, früher Karls-
bader Wasser (das nicht vertragen wurde), Morphiumeinspritzungen
(im Anfall) und Pulvern behandelt worden.
Befund: Sehr harter Tumor der Gallenblase. Kein Ikterus.
Urin frei.
Diagnose: Empyem der Gallenblase event. mit Carcinom.
Operation: 22. 6. 03. Guoe Sauerstoff- Chloroform -Narkose
50 Min. (40 gr. Chloroform). Wellcnschnitt. Gallenblase massig gross,
nicht verwachsen. Über der Grallenlilase eine Härte, die für Carcinom
spricht. Die Drüsen am Choledochus werden entfernt. Dabei wird die
vona portanim in grosser Ansdehnnng freigelegt. Selir schwierige Ar-
beit. Excision eines grossen keilförmigen LeberstUclis inkl. Galleubla.se.
Doch zeigt sich, dass das Carcinom Iiölier im Lebergewebe verbreitet
ist, als das von aussen den Anschein hat. Dauer der Operation 40 Min.
Tamponade. Alle Umstechungs- und Unterbindungsfäden (ca. 50) w^erden
lang gelassen. Naht. In der Gallenblase ein haselnussgrosser Stein
und viele kleine. Gallenblase chronisch entzündet, enthält trübes
Serum.
Verlauf: Gut. Kein Fieber, Puls stets langsam. Der mit Blut
und Sekret am 3. Tage durchtränkte Verband wird überwickelt.
6. 7. 03 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entferniuig sämtlicher
Tampons, sämtlicher Nähte und langen Fäden. Die Tampons sitzen
ziemlich locker. Die langen Fäden (Umstechungsfäden der Leber)
— 123 —
lassen sich sehr leicht entfernen, dabei keine Bkitung aus der Leber-
wunde. Leberwunde sieht sehr gut aus, Tamponade. Temperatur
abends 38,1.
7. 7. 03. Verband durch (Galle). Verbandwechsel.
12. 7. 03. Steht auf. Wundtrichter verkleinert sich allmählich.
Verband 3—4 Tage trocken.
20. 7. 03. Pat. wird mit kleinem, gut granulierendem Wund-
trichter entlassen.
Die Untersuchung' durch das path. Institut in Marburg ergibt
folgenden Befund:
„Mikroskopische Schnitte aus dem Halsteil der Gallenblase er-
geben nahezu unveränderte Schleimhaut, vielleicht geringe Hyper-
trophie der bis in die äussersten Wandschichten der Blase eingelagerten
Drüsenkörper, aber kein Carcinom. Im Fundus hingegen ist die
Schleimhaut weithin von carcinomatösen Wucherungen durchsetzt, die
"Wand selbst von schmalen Carcinomsträngen durchdrungen, aber in
keiner W^eise auffällig zerstört. Umsomehr imponiert die gewaltige
Krebswucherung in dem angrenzenden Lebergewebe. Der Krebs ist
vor allem in den grossen Blutgefässen weitergedrungen. Es handelt
sich um einen polymorphzelligen, vielfach abgeplattete Zellen auf-
weisenden Krebs. Nach den bisherigen Schnitten erscheint die An-
nahme eines primären Gallenblasenkrebses wohl gerechtfertigt.
Epicrise: Eine sichere Diagnose Carcinom war nicht
möglich; aber die Probeincision zeigte die Möglichkeit der Ex-
cision; nach vollendeter Leberresektion stellte sich jedoch heraus,
dass man nicht im Gesunden resecieren konnte. Das ist das
Gewöhnliche: Es wird selten gelingen, den Gallenblasenkrebs
zur richtigen Zeit zur Operation zu bekommen.
No. 66. C. H., 52j. Kupferarbeitersfrau aus Ilsenburg.
Aufgen.: 17. 5. 04.
Operiert: 19. ^5. 04. Resektion der Leber wegen
Gallenblasencarcinom. Resektion des Pylorus nach
Kocher. Hepaticusdrainage. Choledochusdrainage.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie; sie hat 10 Ge-
burten durchgemacht, 6 Kinder sind am Leben. Nach den sehr un-
genauen Angaben der wenig intelligenten Pat. will sie seit etwa
10—12 Jahren an Magenkrämpfen und Kolikanfällen leiden, die in Ab-
ständen von V»— 1 — 2 Jahren aufgetreten sein sollen. Die Koliken
verliefen ohne Gelbsucht und machten Morphiuminjektionen notwendig.
Im Winter 1902/03 sollen die Koliken sehr häufig, alle 14 Tage, auf-
getreten sein. Seitdem traten keine Koliken mehr auf, sondern mehr
dauernder Schmerz in der Leber- und Gallenblasengegend, der nach
dem Rücken hin ausstrahlte und sich jede Nacht verschlimmerte.
— 124 -•
Vor etwa 8 Wochen an einem N^achmittag 10 maliges Erbrechen, da-
nach 3 Wochen lang bettlägerig. Seitdem waren die Schmerzen noch
schlimmer als vorher, besonders auch stets nach Nahrungsaufnahme.
Daher hat sie sich fast nur von Suppen genährt, sodass sie
sehr abgemagert sein will. Herr Dr. Polz-Ilsenburg hat ihr schon
seit langem zu einer Operation in Halberstadt zugeraten , doch ent-
schloss sich Pat. erst jetzt dazu.
Befund: Sehr elende Frau mit grossem harten Tumor der Gallen-
blase. Magen sehr dilatiert. Kein Ikterus. Motorische Funktionen
des Magens schlecht. Urin frei.
Diagnose: Carcinom der Gallenblase, auf den Pylorus über-
greifend (vielleicht nur Verwachsungen).
Operation: 19. 5. 04 in Gegenwart des Herrn Oberstabsarztes
Dr. Krämer. Dauer der Operation l'/s Stunden. Sehr gute Sauerstoff-
Chloroformnarkose (40 g). Wellenschnitt. Leber nach unten verzerrt.
Gallenblase gross, hart, mit Colon, Netz und Pylorus verwachsen. Die
Drüsen des lig. hepato-duodenale sind weich. Pylorus ist so innig mit
Gallenblase verwachsen, dass eine Isolierung unmöglich ist. Es wirti
also beschlossen, den Pylorusteil des Magens mit Gallenblase und
Leber zu resecieren. Die Verwachsungen zwischen Netz und Gallen-
blase werden nach Unterbindung gelöst; dabei stellt sich heraus, dass
das Colon nur durch entzündliche, nicht carcinomatöse Schwarten an
die Gallenblase fixiert ist. Es genügt, die etwas lädierte Colon-
Serosa mit 3 Suturen zu übernähen. Nach Abklemmung des Magens
cardiawärts wird die pars pylorica quer durchtrennt und sofort durch
fortlaufende Schleimhautnaht und Serosa-Knopfnähte geschlossen. I>ann
lässt sich das Duodenum bis zum Pankreas frei präparieren und wird
hier ebenfalls quer abgeschnitten. Eiiipflauziiug des Dnodemims in die
hintere Magenwand nacli Kocher. Die Leber lässt sich nun umkippen
nnd extraperitoneal lagern. Man hat einen ansgezeichneteu Ueber-
blick über alle Drüsen. Diese werden prä parando mit Schere und
Messer entfernt, obwohl sie noch ganz weich sind. Gallenblase samt
dem darüberliegenden Lebergewebe wird nach der Methode, wie sie im
ersten Teil unter dem Abschnitte: „Die Ectomie bei Carcinom der
Gallenblase" beschrieben ist, entfernt. Die ßlutuug ist massig. Ans
dem durchschnittenen Cystiens tritt eitrige Galle mit Hteiubröckeln
hervor. Der Cysticus wird bis in den Choledochns gespalten u«d so-
wohl Choledochus- wie Hepaticnsdrainage yorgenommen. Der Hepaticus
ist sehr zart. Da wo er in das Lebergewebe eintritt, liegt er völlig
entblösst da, weil das bedeckende Lebergewebe mitreseclert ist.
Der eingeführte Nelaton-Katheter schimmert durch die dünne >Vand
hindurch. Nach gründlicher Blutstillung auf alle lang gelassenen
Fäden Tampons (4 Stück). Die Magennaht wird so gelagert, dass sie
ausserhalb der Tampons zu liegen kommt. Die Operation hat Pat. gut
vertragen. Puls 1 10, weich. Kochsalzinfusion noch auf dem Operationstisch.
Am Lebergewebe sind keine Carcinomknoten vorhanden. Cysticus
enthält kleine Steine, im Haie ein walnussgrosser Cholestearinsttin,
— 125 —
darunter ein Ulcus. Im Fundus ein erweichtes Carcinom, welches den
Pylorus fixiert. Inhalt der Gallenblase trüber Eiter.
Verlauf: Temperatur völlig normal. Puls die ersten 48 Stunden
120 — 160. Viel Kochsalzlösung rectal, 3 mal täglich Kochsalzinfusion.
Nie Erbrechen. Gutes Aussehen. Leib weich. Urin muss durch den
Katheter entleert werden.
21. 5. 04. Temp. normal. Puls 110, kräftig. Trinkt fleissig Thee
mit Cognac, Milch etc. Urin spontan.
Am 5. Tage nach Ricinus reichlicher Stuhlgang. Pat. sieht sehr
gut aus. Reichlicher Gallenfluss. Temperatur und Puls immer normal.*)
Epicrise: Der vorliegende Fall bot in technischer Be-
ziehung grosse Schwierigkeiten, die man nur bei grosser Uebung
überwinden wird. Eine ausgedehnte Leberresektion mit gleich-
zeitiger Pylorusresektion nach Kocher war nötig. Die mühsame
Trennung der Verwachsungen, die Entfernung der Drüsen am lig.
hepato-duodenale erfordern technische Fertigkeiten, die man vom
Anfänger nicht verlangen kann. Verlaufen solche Fälle letal,
so bringt man die Gallensteinchirurgie in Misskredit, und des-
halb soll nur der geübte Laparotomist die Radikaloperation
versuchen. Der Anfänger begnüge sich mit der Probeincision
oder überweise den Fall dem Spezialisten. —
Ich teile im Anschluss -an diese Carcinomoperation einen
Fall mit, bei dem zwar keine Radikaloperation d. h, eine Ectomie,
sondern nur eine Probeincision gemacht werden konnte. Aber
der Fall ist so interessant, dass ich ihn nicht unerwähnt lassen
wollte.
Nr. 67. M. St., 48j. Dreschmaschinenbesitzersfrau ans
Ströbeck.
Aufgen.: 29." 1. 1904.
I. Operation: 30. 1. 1904. Wieder-Eröffnung einer
mit der Bauchwand verwachsenen Gallenblase.
II. Operation: 10. 3. 1904. Probeincision (Carcinom).
t 13. 3. 1904 an Schwäche.
Anamnese: Pat. wurde im Jahre 1892 wegen Gallensteinleidens
cystostomiert. Danach war Pat. 4 Jahre lang vollkommen gesund.
Dann traten plötzlich wieder Koliken auf, etwa alle Vierteljahre, durch
3 Jahre hindurch. Bei den Koliken bestand jedesmal Gelbsucht und
dunkler Urin, Stuhl soll immer normal gefärbt gewesen sein. Steine
*) Pat. hat sich sehr erholt und kann in den nächsten Tagen
entlassen werden. (Anm. während der Korrektur am 25. 6. 04.)
— 126 —
wurden in demselben nie gefunden. Die Kolikanfälie dauerten allemal
etwa zwei Tage und erforderten Morphiumeinspritzungen. Der letzte
Anfall im Jahre 1899 machte länger Beschwerden, die Gelbsucht hielt
über 6 Wochen an. Seit 1899 wieder ganz gesund, und Fat., die von
den Anfällen ziemlich mitgenommen war, erholte sich wieder sehr
gut. Da trat vor etwa 6 Wochen wieder ein Anfall auf (Dezember 1903),
diesmal ohne Ikterus, von dessen Folgen sich Fat. noch nicht ordent-
lich wieder erholt hai; bei diesem letzten Anfall war der Urin nur
schwach dunkel gefärbt. Magenbeschwerden hat Fat. nie gehabt; bei
den Anfällen, die in der Gallenblasengegend begannen und nach rechts
in den Rücken ausstrahlten, war die alte Narbe jedesmal äusserst
druckempfindlich.
Befund: Sehr schmerzhafter, harter Tumor rechts von der alten
Cystostomie-Narbe. Kein Ikterus. Urin frei. Leber nicht vergrössei t.
Diagnose: Cholecystitis (Steinrecidiv?)
Operation: 30. 1. 04. Eröffnung der Gallenblase durch kleinen
Schnitt in der alten Narbe. Viele trübe Galle entfernt. Kein Stein zu
finden. Rohr in die Gallenblase. Bauchhöhle wird oberhalb der Gallen-
blasen-Incision an kleiner Stelle eröffnet. Hier Tamponade. Gute
SauerstofT-Chloroformnarkose 15 gr. Dauer der Operation 15 Minuten.
30. 1. Befinden nach der Operation gut.
31. 1. Verband durch. Durchs Rohr keine Galle ausgelaufen.
Verband wird überwickelt, Rohr gekürzt, sodass es mit in den Ver-
band kommt.
3. 2. Es ist keine Galle gelaufen. Beim Verbandwechsel
das Rohr entfernt; es hat sich reichlich heller Schleim in der
Gallenblase angesammelt. Beim Ansspüleu ein keulenförmiger
Stein entfernt, dauacli mit der Kornzange noch ein grösserer. So-
fort fliesst klare Galle. Fat. ist heute leicht ikterisch. Die
Steine, über 1 cm. lang, */» cm. breit, mit keulenförmiger Anscliwelliiug
am einen Ende, entlialten als Centrnm je eine Seideiisclilinge (von der
Operation vor 12 Jalircn). Farbe der Steine braun.
4. 2. Verband von Galle durchtränkt, wird gewechselt. Aus-
spülen der Gallenblase.
8. 2. Fat. steht auf.
11. 2. Da beim Ausspülen der Gallenblase sich noch viel Schleim
entleert, wird heute ein Laminariastift zur Erweiterung der Fistel-
öfTnung eingelegt und Fat. bleibt im Bett.
12. 2. Entfernen des Laminariastiftes. Ausspülen der Gallenblase ;
es fliesst keine Galle mehr.
13. 2. Heute Abend 38,8 " C ohne ersichtlichen Grund. Wunde
rosig beim Verbandwechsel.
14. 2. Temperatur wieder normal.
18. 2. Beim Ausspülen der Gallenblase entleert sich wieder reich-
licher gelblicher Schleim.
20. 2. Gestern Nacht hat Fat. vorübergehend starke kolikartige
Schmerzen gehabt. Heute wieder stärker Galle gelaufen. Leichter
Ikterus. Stuhl etwas entfärbt, im Urin GallenfarbstofT.
— 127 —
21. 2. Heute wieder sehr reiclilicher Gallenfluss. Beim Ausspülen
wieder reichlich schleimig-eitrige Flüssigkeit, anscheinend aus dem
äusseren Teil der Gallenblase, der sich sanduhrförmig von der übrigen
Gallenblase abgeschnürt hat, stammend. Letzte Nacht vorübergehend
Schmerzen in der Gallenblase.
22. 2. Heute wieder starker Gallenfluss; Einlegen eines Rohres
in die Gallenblase wegen des reichlieh schleimig-eitrigen Sekretes.
Temperatur normal. Stuhl gefärbt.
23. 2. Verband durch, aber nur mit Sekret, keine Galle. Entfernen
des Rohres, Ausspülung der Gallenblase. Kuhn'sche Durchspülnn^
des Choleuochus gelingt nicht.
25. 2. Nochmals Kuhn'sche Dnrchsptilnug der Gallengünge ver-
sucht, ohne Erfolg. 1 Stunde danach leichter Schüttelfrost mit Fieber.
26. 2. Heute gelingt die Dnrchspülung, es werden ^li'Ltv, Koch-
salzlösung durchgespült. 1 Stunde später leichter Schüttelfrost und
Schmerzen. Temperatur 38,0, Abends Temp. 37,6". Stuhlgang ist.
noch hell, im Urin GallenfarbstoflT, massiger Ikterus.
1. 8. Da beim Ausspülen immer wieder stinkendes schleimig-
eitriges Sekret und dann erst Galle sich entleert, wird heute wieder
ein Nelatonkatheter in die Gallenblase eingeführt, welcher einige Tage
liegen bleiben soll. In den letzten Tagen keine Schmerzen, normale
Temperatur.
2. 3. Seit gestern etwa 180 ccm. leicht getrübte Galle mit Schleim-
flockenbeimischung gelaufen; keine Schmerzen eingetreten.
3. 3. Verbandwechsel. Ausspülen der Gallenblase, wobei noch
reichlich eitrige Flocken entleert werden. Danach Nölaton wieder
eingelegt.
5. 3. Fortlassen des Nelaton, Ausspülen der Gallenblase, die dies-
mal nur wenig Sekret enthält; leichte Tamponade der Gallenblase.
7. 3. Gleicher Befund. Sämtliche Galle in den Darm gelaufen ; keine
Schmerzen aufgetreten. Beim Ausspülen der Gallenblase läuft keine
Galle. >
8. 3. Verband stärk durch. Fat. hat 2 Mal Erbrechen im An-
schluss an kolikartige Schmerzen. Ausspülung der Gallenblase, deren
Inhalt wieder stärker eitrig ist und foetide riecht. Spiritusverband.
Ol. Ricini.
9. 3. Nochmals Ol. Ricini. Spiritusverband. Einlegen eines
Drains in die Gallenblase.'
Fat. ist in den letzten Tagen sehr heruntergekommen, der Gallen-
ausfluss stinkt, Appetit sehr gering; es ist deshalb Zeit, dass radikal
vorgegangen wird. Bei dem schlechten Befinden denkt man auch an
Carcinom.
10. 3. 04. Operation. Gute Chloroform-Sauerstoff-Narkose (30 gr).
Dauer der Operation 30 Min. Hakenschnitt Czernys. Man findet ein
— 128 —
Carciiioiii der Grallenblase, das bereits die Leber ergriffen hat. Netz
sehr verdickt. Bei seiner Lösiia^ reisst die (xalleublase ein. 2 Nähte.
Tamponade. Bauchwandnaht.
Verlauf: Befinden nach der Operation gut. Abendtemperatur 37.5.
11. 3. 04. Verband mit serös-eitrigem Sekret durchtränkt; Wechsel
der oberflächlichen Verbandschichten. Pat. erbricht mehrmals geringe
Schleimmengen. Blähungen gehen, Leib weich; wegen Schmerzen
Morphium. 37,4-37,6» C.
12. 3. Pat. sieht sehr verfallen aus. Nochmals mehrmals etwas
Schleim mit Spuren von Blutbeimengung erbrochen. Puls sehr klein,
flatternd 140—150. Blähungen gehen. Morphium 36,9—37,1*' C.
13. 3. Da Verband stark durch, Wechsel der oberen Schichten.
Ausspülung der Gallenblase, wobei stark stinkendes schmierig-eitriges
Sekret entleert wird. Puls sehr klein, 160, Atmung ziemlich flach
und etwas beschleunigt. Gegen Abend lässt die Herzkraft nach,
und IP/4 Uhr nachts erfolgt unter dem Zeichen der Herzschwäche
der Exitus letalis.
Die Revision der Wunde ergibt ein weit vorgeschrittenes Carcinom,
welches bereits die mediale Fläche der Gallenblase perforiert hat. Die
Tamponade schliesst die Bauchhöhle völlig ab; diese ist frei von Ent-
zündung. In der Gallenblase selbst stinkendes Sekret, rechter Leber-
lappen von vielen Krebsknoton durchsetzt. Eine Sektion der Brust-
höhle wurde nicht erlaubt.
Epicrise: Pat. bekam 12 Jahre nach einer Cystostomie
ein Carcinom der Gallenblase. Der Fall spricht gegen die
Fistelbildung und für die Eetomie. Pat. wurde nach der
Probeincision immer schwächer und ging, ohne dass Erschei-
nungen von Seiten des Peritoneum sich geltend machten, an
Schwäche zu Grunde. Die Jauchung aus der Gallenblasen-
fistel bestand fort. Es ist interessant, den Verlauf nach der
ersten Operation zu verfolgen. Die Seidenfäden haben sich
doch wahrscheinlich noch im Jahre 1892 in die Gallenblase
abgestossen und sich sofort inkrustiert. Trotzdem blieb Pat.
4 Jahre lang frei von Beschwerden: Die Steine verhielten
sich latent. Dann — i. J. 1893 — trat die Cholelitliiasis
aus dem Stadium der Latenz heraus und wurde aktuell.
— Unter meinen sehr zahlreichen Oystostomien (mehr als 800)
ist mir übrigens nur noch ein Fall bekannt geworden, bei dem
sich nachträglich ein Carcinom entwickelt hatte; in diesem Falle
bestand , wie ich glaube , schon bei der Operation das
Carcinom.
— 129 —
VI. Die secundäre Cholecystectoraie
ibesonders wegen Beseitigung von Schleim- und Eiterfisteln).
^r. 68. A. B., 39 j. Bergworkbesitzersfrau aus Leipzig.
Aufgen.: 1. 27. Jl. 1903. IL 1. 12. 1903.
Operiert: 4. 12. 1903. Cysticotomie. Ectomie.
Entlassen: 8. 1. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet gewesen, 1 Kind, 13 Jahre
alt, an Nierenleiden gestorben. Mutter an Gallensteinen operiert und
gestorben.
Pat. war mit 17 Jahren schon in einer Nervenheilanstalt und ist
immer sehr nervös gewesen. Sie leidet öfter au leichten, rheumatischen
Beschwerden und an „Reissen" in den Gliedern. Vor etwa 8 Jahren
merkte Pat., dass ihr Magen verschiedene Speisen nicht mehr vertragen
konnte, sie hatte öfter Druck und Brennen in der Magengrube, besonders
dann, wenr^^sie grossen Hunger hatte; die Schmerzen wurden unmittel-
bar nach dem Essen besser; nach einiger Zeit, wenn die Verdauung in
Gang kam, gingen die Schmerzen wieder los. Dabei litt Pat. sehr
viel an schmerzhaften Blähungen, die nicht abgehen wollten. Sie will
während der Schmerzen oft „Knollen" in der Magengrube gefühlt haben.
Dabei bestand starkes Aufstossen, welches aber keine Erleichterung ver-
schaffte. Vor 6 Jahren Karlsbader Kur. Das Leiden wurde nun allmählich
immer schlimmer, bis vor 1 Jahr die ersten Koliken kamen; dieselben
begannen gewöhnlich nachmittags und dauerten 3 Tage an. Sie kamen
oft jede Woche. Allemal nach deft Koliken ist Pat. leicht ikterisch gewesen,
Stuhl blieb immer dunkel, Urin sedimentiert stark, war aber sonst
normal. Die Ärzte konstatierten Leberschwellung und Gallensteine. Am
23. April wurde in Leipzig von einem Chirurgen die Cystostomie vor-
genommen. Viele kleine und ein grösserer Stein. Cystectomie wurde
wegen bestehender Verwachsungen nicht ausgeführt. Am 2. Tage nach
der Operation begann der Gallenlluss sehr reichlich und dauerte etwa bis
Anfang August, wo diei Wunde zuheilte. In derS. Woche nach der Operation
hatte Pat. nachts einen etwa 7 Stunden lang anhaltenden Kolikanfall.
Die Wunde war etwa 2 Wochen zugeheilt, da fühlte Pat., dass sich
unter der Narbe wieder etwas ansammelte, zugleich stellten sich wieder
drückende Schmerzen, besonders nach dem Essen ein. Daher musste
Ejnde August die Narbe wieder etwas geöffnet werden (Arzt auf dem
Lande), dabei entleerte sich zumeist wässrige, dann gelbliche, dann
grüne Flüssigkeit in grosser Menge und unter grossem Drucke. Im Sep-
tember wurde durch den Operateur in Leipzig die Fistel durch Laminaria-
stifte erweitert, dabei durch Sondierung ein Stein festgestellt, mit der
Kornzange zerdrückt und in Trümmern herausgeholt. Pat. bekommt
aber immer wieder Kolik, sowie die Fistel sich schliessen will. Da Pat.
das Leiden nun definitiv los werden möchte, sucht sie unsere Klinik auf.
Befund: 8 cm. lange Narbe im rechten M. rectus abd.; in deren
Mitte feine Fistelöflnung. Mit der Sonde gelangt man nur schwer ia
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 9
130
der Gallenblase: ein Stein ist nicht zu fühlen. In der Gallenblase trüb-
flockiger Schleim. Einlegen eines Laminariastiftes. Nachts wege i
Schmerzen Morphium.
28. 11. 03. Heute ein stärkerer Laminariastift eingeführt. Mit-
tags wegen Schmerzen Morphium. Gegen Abend Erbrechen. Da der
Stuhl angehalten ist und Blähungen nicht gehen, wird Ricinus gegeben.
29. 11.03. Entfernendes Laminariastiftes; es läuft keine Galle. Ein-
legen eines Drains, Pat. wird auf Wunsch für 2 Tage nach Hause entlassen.
1. 12. 03. Pat. wieder aufgenommen. Zustand unverändert; keine
Galle. Fortlassen des Drains und Vorbereitung zur Operation. (Ab-
führen, Magenspülung etc.).
Diagnose: Schleimfistel, Stein im Cysticus.
Operation: 4. 12. 03. Hakensclmilt Czerny's. Gallenblasen-
wand sehr verdickt, mit Magen (Pylorus) verwachsen.. Im Hals der
Gallenblase fühlt man hinter der verdickten Cysticusdrüse einen Stein.
Cysticotomie. Entfernung des Steines in 2 Hälften. Da die Gallenblase
sehr wandverdickt ist, wird sie entfernt. Loslösung der mit einem
Gazestreifen ausgestopften Gallenblase. Hals sehr verdickt, wird isoliert,
Art. cystica für sich unterbunden. Cysticus sehr eng. Abbindung.
Der Abstand des dnctns cysticus yon der arl. cystica beträgt 4 cui.
2 Uiiistechnugen blutender Leberbettgefässe. 1 Tampon in das Foramen
Winsloiwii, 1 auf die Suturen. Heraiisleitung der Tamponade durch
den alten Cystostomieschnitt, das Loch der Fistel ist gehörig cr-
weitei't worden. Längs- und Querschnitt der Bauchdecken werden
genau genäht. (Fig. 5.) Dauer der Operation 1 Stunde. Gute Sauer-
stoff-Chloroformnarkose (40 gr.).
Fig. 5. Fig. 6.
Muse. red. äbd.
dexier _ sim'ster
rv
Geschwür
im Hals der
Gallenblasr-
b bi b2 Czcrny 's Hakenschnitt,
a. Cystostomiofistel.
Gallenblasenwand
sehr verdickt.
Die entfernte Gallenblase ist sehr wandverdickt, teilweise bis
zu 1 cm; da wo im Hals der Gallenblase der Stein steckte, befindet
sich eine tiefe Ulceration. Cysticus sehr eng. Zwischen Hals und
— 131 —
Fundus der Gallenblase eine Einschnürung, sodass eine Sondierung
des Steines nicht möglich war. (Fig. 6.)
Der Befund (path. Institut in Marburg) war folgender:
Die Gallenblase hat eine innere Höhe von 45 mm., sie ist in ihrem
oberen Abschnitte sanduhrartig verengt, sodass ein Dritte) des Lumens
oberhalb, zwei Drittel unterhalb der Verengerung liegen. Die Wan-
dung des unteren Abschnittes ist hochgradig verdickt, ca. 10 mm., die
Wand dabei auffallend hart. Am Übergang zum Cysticus hört die
Schleimhaut mit scharfem Rande auf. Der Cysticus ist erweitert, seine
Innenfläche erscheint geschwürig verändert. In der eigentlichen Gallen-
blase sieht man einige tiefe Gruben von mehreren Millimetern Länge.
Auf Durchschnitten sieht man, dass dieselben zu kleinen, schwärzlich
gefärbten Herden, die in den äusseren Schichten der Blasenwand liegen,
hinführen.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt vor allem , dass die
Schleimhaut des ductus keineswegs überall ulceriert ist, sondern im
Gegenteil sehr starke papilläre Verdickungen und Faltenbildungen auf-
weist. Das Stroma dieser Zotten und Falten ist hochgradig von Lym-
phocyten und Leucocyten infiltriert. Diese Infiltration reicht durch
die Muskelschicht bis in die äusseren Bindegewebshöhlen hinein. Auf-
fallend reich ist der Gehalt an eosinophilgekörnten Leucocyten in
diesem Granulationsgewebe. Das Epithel ist meist einreihiges Zylinder-
epithel, wie das Oberflächenepithel des Dickdarms oder des Magens.
An einzelnen Stellen findet sich starke Leucocytendurchwanderung,
an anderen Stellen ist das Epithel mehrschichtig, und äusserst wech-
selnde plumpe Zellformen treten auf, sodass hier an die ersten Stadien
einer beginnenden Carcinomentwicklung gedacht werden muss. Doch
liegt eine wirklich bösartige Wucherung noch nicht vor. Schnitte aus
der eigentlichen Blasenwand zeigen, dass der Unterschied zwischen
dem oberen und den unteren beiden Dritteln nur auf der starken Ver-
dickung der äusseren Wandschichten in den unteren zwei Dritteln be-
ruht. Die Schleimhaut und die Muskulatur ist überall gleichmässig
und gut entwickelt, die Schleimhaut mit deutlichen Falten und diese
selbst mit einer zusammenhängenden Lage von hohem Zylinderepithel
bedeckt. In dem Schleimhautstroma besteht eine Vermehrung der
Bindegewebszellen, sowie eine Anhäufung gewöhnlicher Leucocyten.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem oberen dünnwandigen und
dem unteren dickwandigen Abschnitt ist der, dass in dem letzteren
zahlreiche, divertikelartige P]pithelausstülpungen bis in das verdickte
Peritoneum hinein vorhanden sind, um welche herum mit grosser
Regelmä sigkeit reichliche Anhäufungen eosinophilgekörnter Leuco-
cyten gefunden werden, sodass es den Anschein gewinnt, als wenn
gerade auf dem Wege dieser Divertikel ein Transport der Zersetzungs-
produkte der gestauten oder bakteriell infizierten Galle in das perito-
neale Gewebe stattgehabt und eine Entzündung desselben bewirkt habe.
Verlauf: 5. 12.03. Fat. ist fieberfrei. Heute Morgen etwas
galliges Erbrechen; Magenspülung fördert wenig Galle zu Tage.
9*
— 132 —
10. 12. 03. Pat. hat noch bis gestern öfters Galle gebrochen.
2mal Magens püliiug. Seit gestern rechte Seitenlage^ seitdem sistiert
das Erbrechen. Heute abgeführt.
15. 12. 03. Entfernen der Tamponade und der Hautnähte. Aus-
spülung der Wunde, hinter den Tampons etwas eitriges Sekret,
ebenso unter einigen Hautnähten. Sonst überall Prima reunio. Alte
Fistelöffnung wird wieder locker tamponiert.
20. 12. 03. Entfernung sämtlielier langen Fäden. Keine Sekretion
aus der Wunde mehr.
25. 12. 03. Pat. steht auf.
8. 1. 04. Völlig geheilt entlassen. Wunde geschlossen, Appetit
und Verdauung gut. .
Epicrise: Ein typischer Fall von secundärer Cystectomie.
Die Grallenblase war so verändert, dass statt der Cysticotomie
die Exstirpation der Blase gemacht wurde. Die Einschnürung
am Hals der Gallenblase, das Ulcus hätten die Funktionsfähigkeit
der Gallenblase sicher in Frage gestellt. Der Bauch wandschnitt
ist als Hakenschnitt besser, als wenn man den Wellenschnitt
macht und die Fistel umschneidet. Das Cystostomieloch wurde
zur Durchführung der Tampons benutzt.
Nr. 69. A. S., 44 j. Direktor aus Avesta in Schweden.
Aufgen.: 17. 11. 1903.
Operiert: 21. 12. 1903. Ectomie. Appendicectomie.
Bauchbruch excision.
Entlassen: 20. 2. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet und hat 4 gesunde Kinder.
Ein congenitaler Leistenbruch wurde im 6. Lebensjahre operiert. Sonst
immer gesund gewesen. Vor 8 Jahren hatte Pat. zum 1. Male einen
kolikartigen Schmerzanfall in der Lebergegend, der etwa 6—8 Stunden
dauerte und Morphiuminjektion nötig machte. Danach befand sich
Pat. 4 Jahre vollständig wohl. Im Januar 1899 Magendarmkatarrh
mit Gewichtsabnahme, im März desselben Jahres ein Kolikanfall von
gleicher Art wie der erste. Im Juni sucht deshalb Pat. Karlsbad auf.
Im Juli hatte er dann wieder einen neuen Kolikanfall. 1900 und 1901
wieder Karlsbader Kuren. . Pat. fühlte sich jetzt wieder ganz gesund
und konnte alles vertragen. Oktober 1902 4 Anfälle in einer Woche,
beim letzten, sehr starken, war er bewusstlos. Es war bisher nie
Ikterus, Stuhl- oder Urinvorfärbung eingetreten. Ende Oktober 1902
entschloss sich Pat. zur Operation, die von Herrn Prof. Lennander
in üpsala ausgeführt wurde. Sie fand erst etwa 1 Woche nach dem
letzten Anfalle statt, da von diesem her noch etwas leichte Bauch-
fellentzündung bestand. Es fand sich eine eitergefüllte Gallenblase
mit 4 erbsengrossen Steinen ; die Hälfte der Gallenblase wurde rese-
ziert und eine Cystostomie angelegt, da man den Choledochus für
— 133 -
frei von Steinen hielt. Einige Verwachsungen wurden gelöst, die
Wunde mit grossen Tampons tamponiert, deren letzter 6 Wochen post
op. entfernt wurde. Mitte Dezember brach wieder in die Fistel, die
keine Galle mehr entleert hatte und fast geschlossen war, Galle durch,
dasselbe wiederholte sich Anfang Januar. Am 21. Jan. 03 war die
Fistel ganz geschlossen und Pat. wurde gesund entlassen. Pat. er-
holte sich und nahm an Gewicht zu. Mitte April bekam Pat. zeit-
weise Schmerzen in der Narbeugegend, im Mai mehrere Schwindelan-
fälle lind 14 Tage lang Diarrhoe. Ende Juni 03 ins norwegische Ge-
birge zur Erholung; daselbst die Schmerzen schnell schlimmer geworden,
Urin zeitweise etwas dunkel gefärbt; nach Abführen leichte Besserung.
Danach in einer Woche 3 Anfälle von Koliken, beim letzten Anfall
Urin, schwarzgrün und 40" Fieber. Am 6. Juli von Herrn Prof. Berg
in Stockholm wegen eines grossen Abscesses in der alten Wundgegend
operiert ; dabei entleerte sich viel braune Galle ; Pat., der damals an-
geblich leicht pyämisch war, wurde längere Zeit wieder tamponiort
und fühlte sich ganz wohl. Da die Fistel sich nicht schliessen wollte,
erweiterte Mitte August Herr Prof. Lennander (Upsala) die Fistel mit
Sonde und Messer, gleich danach Anfall von Magonkolik durch coagu-
liertes Blut, das die ÖfiFnung verstopfte. Am 1. September legte Herr
Prof. Lennander ein Dauerkatheter ein. worauf sich Pat. wieder wohl
fühlte. Ein zweimaliger Versuch, die Fistel durch Tamponade abzu-
schliessen, löste nach 2 bis 3 Tagen Nervosität und Druckgefühl aus.
Ende September leichter Anfall von Appendicitisf?).
Herr Prof. Berg in Stockholm, der es nicht für ausgeschlossen
hielt, dass ein Stein im Choledochus stecken könnte, überweist den
Pat. der Klinik.
Pat. hat im ganzen etwa 40 Pfund an pewicht abgenommen,
davon aber in den letzten Wochen wieder 6 Pfund eingeholt.
Befund: Grosse Narbe im rechten Hypochondrium. Grosse Hernie
im weitklaffenden rechten musc. rect. abd. Gallen-Schleimfistel. Kein
Ikterus.
Verlauf: 17. 11. Entfernen des Katheters aus der Fistel; Aus-
spülen der Gallenblase und Stöpselung der Fistel.
18. 11. Nach Ausspülung statt des Stöpsels heute zur Erweiterung
ein Laminariastift eingelegt. Es fliesst ebenso wie gestern alle
Galle in den Darm, ohne dass Schmerzen oder Fieber auftreten.
19. 11. Einführen eines etwas stärkeren Laminariastiftes. 37,6 bis
38,1 » C.
20. 11. Fistel heute lose tamponiert.
21. 11. Nur wenig Galle im Verband. Befinden dauernd gut.
Versuch, anter niedrigem Druck Wasser in den Darm einlaufen zn
lasstji) gelingt nicht. Wunde lose tamponiert. Stuhlgang normal.
22. 11. Einführen eines dickeren Laminariastiftes in die Fistel.
Nachts entstehen bei der Quellung Schmerzen , sodass Morphium
nötig wird.
— 134
23. 11. Der Stift sitzt »o fest und tief, dass erst eine Spaltanj?
der Fistelränder (mit Schleicii) nötig wird, ehe sieh derselbe entfernen
lässt. Hinter demselben her fiiesst etwas Eiter, dann klare üalle,
Lose Tamponade mit Gaze.
24. 11. Nochmals lose tamponiert. Es fliesst keine Galle.
26. 11. Tamponade fortgelassen.
8. 12. Fistel zugeheilt; keine Beschwerden wieder aufgetreten.
Pat. tritt die Heimreise an, bekommt aber in Berlin Schmerzen und
kehrt zurück.
11. 12. Er hat jetzt Übelkeit, Appetitlosigkeit und Schmerzen
in der Blinddarmgegend. Pat. sieht ziemlich angegriffen aus. Fistel
zugeheilt. In der Blinddarmgegend kleine Resistenz, etwas schmerz-
haft. Bettruhe; flüssige Diät. Vielleicht gehen die Beschwerden von
der Hernie aus oder es besteht Appendicitis simplex. Gallensystem
scheint in Ordnung zu sein. Trotzdem dem Pat. die Operation als
sehr schwer und ziemlich gefährlich hingestellt wird, besteht er auf
derselben, da er sich schwer krank fühlt und er für seine Erwerbs-
fähigkeit fürchtet.
Operation: 21. 12. 03. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose, vor-
her 0,01 Morphium. Wellenschnitt. Gallenblase gross, prall gefüllt,
nicht ausdrückbar. Aspiration von trüber Galle. Choledochus zart,
frei, Ectomie der im Hals narbig verränderten Gallenblase. Diese ist
sehr gespannt und fest am perlt, pariet. fixiert. Appendix krank (A.
simplex), geknickt, wird entfernt. Der Muse. rect. abd. wird frei ge-
macht, sodass der Verschluss der Hernie gelingt. Starke Blutung
aus dem Leberbett. Eine Unterbindung. Tamponade. Sehr schwierige
Operation von 70 Min. Dauer. Puls hinterher gut.
Die Untersuchung der Gallenblase in Marburg ergibt folgenden
Befund :
Makroskopisch erscheint die Gallenblase, wenigstens in dem vor-
liegenden gehärteten Zustande, relativ klein und die Wandungen ver-
dickt. Die mikroskop. Untersuchung zeigt, dass diese Verdickung im
wesentlichen durch einen starken Kontraktionszustand bedingt ist.
Die äussere elastische Schicht sowie die darauf folgende Muskulatur
treten sehr kräftig hervor. Die Schleimhaut ist deutlich gefaltet,
überall mit gut erhaltenem Cylinderepithel versehen, welches nur hier
und da auf der Höhe der Falten anscheinend mechanisch entfernt ist.
In dem Bindegewebsgerüst der Schleimhaut besteht eine deutliche
Zellvermehrung, die besonders im Ductus stärker hervortritt, doch
fehlen die Zeichen akuter Entzündung. Insbesondere ist die Dunih-
wanderung durch das p]pithel sehr gering. Sehr deutlich ausgeprägt
ist die Fettresorption in den Epithelien, deren basale Abschnitte ganz
mit Fettkörnohen erfüllt sind. Auch in den Bindegewebszellen findet
sich hier und da Fett.
Vorlauf: Abends Puls 120, aber ziemlich kräftig. Nachts mehr-
mals etwas galliges Erbrechen, daher Magenspülung, die aber nur fast
klare Flüssigkeit in geringen Mengen zu Tage fördert
— 135 —
22. 12. Morgens 38,4. Puls 108. Mehrmals Erbrechen von klarem,
schleimigen Wasser, dem feine Blutcoagula beigemengt sind. Da Nach-
mittags das Würgen noch besteht, Magenspülung, die etwas reichlicher
klare schleimige Flüssigkeit, ohne Galle, aber mit massig vielen Blut-
gerinnseln vermengt, zu Tage fördert.
Abends Temp. 38,0. Puls 104-108.
23. 12. In der Nacht noch viel Würgen, etwas Erbrechen von
gallig gefärbter Flüssigkeit. Magenspülung, im Magen etwas Galle
und auch Spuren alten Blutes. Puls 120, ziemlich klein. 3 mal Kochsalz-
infusion, Cognakklystiere und Kochsalzklystiere 2 stündlich, Strophantus
3 mal 10 Tropfen. Im Laufe des Tages sehr viel Würgen, ab und zu
Erbrechen von etwas Galle. Abends nochmals Magenspülung, im
Magen Spuren von Galle. Verband ziemlich stark mit Blut und Galle
durchtränkt. Verbandwechsel. Wunde sieht sehr gut axis.
Pills wird abends sofort kräftiger, als Bläliangen reichlich zn
gehen anfangen.
24. 12. Puls heute kräftig, 108—116. Morgens viel Würgen
nochmals Magenspülung, im Magen etwas Galle. Danach Ruhe. Keine
Excitantien, kein Kochsalz mehr.
25. 12. Befinden gut.
26. 12. Führt ab.
29. 12. Erster eigentlicher Verbandwechsel. Tampons riechen
fitark, lassen sich leicht entfernen. Der vorliegende Magen sieht rein
aus, dagegen an der Unterfläche der Leber Belag und etwas Nekrose.
Übrige Wunde heilt per primam. Allgemeinbefinden jetzt sehr gut.
Puls kräftig, 72-76.
1. 1. 04. Entfernung sämtlicher Hautnähte. Wundtrichter sondert
noch reichlich Sekret ab. Ausspülung und Einlegen eines Drains.
13. 1. Pat. steht auf.
24. 1. Sekretion hat stark nachgelassen. Drain fort, nur noch
■dünner Gazestreifen eingeführt.
26. 1. Da hinter dem Tampon leichte Retention eintritt, wird statt
desselben wieder ein düni^es Drainrohr eingeführt.
28. 1. Heute abends 39,4°, Unterhalb der Tamponadestelle fängt
<lie Bauchhaut sich an zu röten, ein kleiner Bauchhautabscess ist in
Ausbildung begriffen.
29. 1. Incision des Abscesses mit Schleich, es entleert sich fast
kein Eiter. Umgebung schmerzhaft und gerötet. Abends 39,8° C
30. 1. Temperatur abgefallen. Im unteren Teil der Narbe heute
noch eine kleine Incision angelegt, da daselbst etwas Rötung und
Schwellung besteht; es findet sich aber nur Ödem.
8. 2. Jede Tamponade bleibt fort; es bestehen nur noch ober-
flächliche Granulationen.
20. 2. Vollkommene Heilung eingetreten. Narbe vollkommen fest.
Vorzügliches Befinden. Geheilt entlassen.
Epicrise: Dass noch ein Stein im Choledochus steckte,
war immerhin möglich; wahrscheinlicher war, dass die Gallenblase
— 136 —
entzündlich verändert war und dass Adhäsionen die Beschwerdeir
hervorriefen. Die Hernie und die erkrankte Appendix mögen
die Schmerzen erhöht haben. Pat. wünschte dringend die
Operation, trotzdem ihm alle Gefahren auseinandergesetzt waren.
Die Appendicitis wird dadurch entstanden sein, dass der Wurm-
fortsatz, durch die vielen Verwachsungen beeinträchtigt, in
seiner Peristaltik gestört wurde und dadurch eine Infektion
in ihtn festen Fuss fassen konnte.
Nr. 70. H. C. L., 54j. Kaufmann aus Flensburg.
Aufgen.: 2. 7. 1901.
Operiert: 4. 7. 1901. Resektion des rechten Rippen-
bogens, Auskratzung eines alten subphrenischeu
Abscesses. Ectomie.
Entlassen: 26. 8. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. war früher immer gesund. Oktober 1894 er-
krankte er mit Schmerzen in der Lebergegend, kein Erbrechen, kein
Fieber, kein Ikterus. Nach Morphium schwanden die Schmerzen,.
Aviederholten sich aber am nächsten Tage. Wieder Morphium. Die
Anfälle kamen in Pausen bis zu '/* «Jahr, später stellte sich Übelkeit
und Aufstossen dabei ein, einmal wurde leichte Gelbfärbung der Con-
junctiven beobachtet. Am Stuhl und Urin fiel nichts auf, Steine wurden-
nicht gefunden. 1895 und 1896 Kissingen. 1898 Karlsbad, dort
1 Anfall.
1898 erkrankte er mit Erscheinungen von Pleuritis, Herr Dr.
Schädel- Flensburg fand bei einer Probepunktion Eiter und legte
einen Schnitt unterhalb und parallel dem Rippenbogen an. Frühjahr
1899 machte derselbe die Laparotomie mittels eines auf den vorigen
aufgesetzten Längsschnittes, gab die Operation aber auf, da er wegen
Verwachsungen nicht an die Gallenblase herankommen konnte.
Sommer 1899 operierte er noch einmal, öffnete die Gallenblase
und tastete sie ab, fand aber keine Steine; der Schnitt verlief parallel
dem Rippenbogen, die Gallenblase wurde drainiert. Nach 5 Wochen
trat ein schweres Erysipel an der Wunde auf, nach Ablauf desselben
eine Pleuritis, Pat. war '/« — ^h Jahr bettlägerig. Die Gallenblasenfistel
hat sich seitdem nicht geschlossen. Ausgesprochene Koliken hat Pat.
seitdem nicht mehr gehabt, wohl aber kleinere länger dauernde Schmerz-
attacken. Wenn sich die Fistel einmal schloss, traten bald Schüttel-
frost, Übelkeit, Schmerzen in der Magengrube, Kopfschmerzen auf^
dann fand das angesammelte Sekret einen Ausweg nach aussen, und
der Anfall war vorüber.
Pat. hat sich 1'/« Jahre laug die Gallenblase selbst ausgespült^
manchmal soll der Ausfluss gallig gefärbt gewesen sein, meist war es
wenig farbloser Schleim. Seit 4 Wochen spülte er nicht mehr aus, di»^
— 137' —
Fistel schloss sich, am 29. 6. hatte er einen Anfall, und in der Nacht
ging die Fistel wieder auf.
Herr Dr. Schädel riet ihm hierherzukommen.
Befund: Grosser kräftiger Manu in gutem Ernährungszustand,
kein Ikterus. Starkes Fettpolster. Unterhalb des rechten Rippen-
bogens findet sich eine T-förmige Narbe, am Treffpunkt beider
Schenkel liegt eine stark eingezogene Fistelöffnung, von der aus man
ca. 10 cm. tief gelangt. Ein Stein ist nicht zu fühlen.
Urin frei von pathol. Bestandteilen, Puls 48, Temp. normal. Herz
und Lungen gesund.
Diagnose: Eiterfistel bedingt durch Cysticusstein oder vielleicht
auch durch Verzerrung und Abknickung der Gallenblase.
Operation: 4. 7. 1901. Wellenschnitt. Der Fistelgang führt
nicht in die Gallenblase, sondern zwischen sehr verdicktem Perito-
neum pariet. und Leber nach oben. (Es hat also früher ein snbphre-
niscber Abscess bestanden.) Nach vielen Unterbindungen und Trennung
von Verwachsungen (Resektion des Rippenbogens nach Lannelon^'iie)
kommt man endlich auf die prall gefüllte Gallenblase. Im Hals der-
selben fühlt man einen walnussgrossen Stein, der in den Fundus der
Gallenblase gedrückt wird. Trotzdem bleibt die Gallenblase prall ge-
spannt. Aspiration darminhalt ähnlichen, stinkenden Sekrets. Excision
des Steines. Es wurde das Schlauchverfahren beschlossen, der Cysti-
cus fühlte sich aber so fest an, dass das Vorhandensein eines zweiten
Steins wahrscheinlich war. Deshalb Ectomie. Beim Hervorziehen der
Gallenblase reissen die Gefiisse am Cysticns ein. Kolossale Blutung,
Da die Unterbindung in so enormer Tiefe kaum möglich, werden
5 lange König'sche Klemmen liegen gelassen, mit vieler Silbergaze
umwickelt. Der Gang nach dem Subphrenium hin wird ebenfalls
tamponiert. Bei der Naht der Bauchdecken gibt eine Klemme nach,
bedeutende Nachblutung. Neue Anlegung, neue Tamponade. Fat.,
der während der Narkose immer cyanotisch war, ist jetzt sehr anämisch.
Puls 100, klein. Naht bis auf die Stelle, wo die Tamponade durchge-
leitet wird. Verband. EssTglappen auf den Mund.
Verlauf: 4.7. Abends 37,1.
5. 7. 37,3. Puls 72. Einmal etwas Erbrechen. Fühlt sich kräftig
und sieht zwar etwas blass, aber sonst wohl aus. Verband durch-
geblutet. Wechsel der oberen Schichten. 37,7.
6. 7. 37,4. Puls 60. Blähungen im Gang. Wohlbefinden. Ver-
band trocken. 38,4.
7. 7. 38,0. Puls 84. Gestern abend starkes Würgen und infolge-
dessen heftige Schmerzen an der Wunde. Morphium. Danach guter
Schlaf. Heute morgen etwas Hitzegefühl, sonst Wohlbefinden.
9 7. Abführen.
11.7. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons und der
liegen gebliebeneu Klemmen, filinige Fäden haben sich abgestossen.
Ausspülung.
— 138 —
12. — 25. 7. Täglich Verbandwechsel. Der Verband ist täglich
mit einer schmutzig-grauen , bisweilen leicht galligen Flüssigkeit
von wenig fäkulentem Geruch durchtränkt. In den nächsten Tagen
wird der Gallenzusatz reichlicher, schliesslich ist es reine Galle. Wahr-
scheinlich handelte es sich iu den ersten Tagen um ein kleines Locli
im Duodenum, das infolge Verletzung der Serosa nach der Operation
entstanden war.
1. 8. Pat. steht auf. Verbandwechsel alle 2— 3 Tage, der Gallen-
fluss sistiert vollkommen. Die Wundhöhle hat sich zu einem schmalen
Spalt zusammengezogen.
8. 8. Pat. hat am linken Bein sehr starke Krampfadern. Die
V. saphena wird in einer Länge von ca. 50 cm. unterhalb des Knies
bis zur Einmündungsstelle in die V. femoralis reseciert. Naht.
16. 8. Herausnahme der Nähte.
20. 8. Steht auf.
26. 8. Geheilt entlassen.
Epicrise: Zuerst Cholecystitis purulenta, dann subphreni-
scher Abscess; ob infolge von Perforation, Hess sich nicht nach-
weisen. Da bei den ersten 3 Operationen die Gallenblase nicht
gefunden wurde, kam der Fall nicht zur Ausheilung. Es wäre
richtiger gewesen, sich mit der Cystostoraie zu begnügen, da
aber der Cysticus so hart war, glaubte man an einen zweiten
Stein und machte die Cystectomie. Die Gallenblase war sehr
entzündet, das Bett des Steines im Hals der Gallenblase zeigte
ein dekubitales Geschwür. Wegen der Verwachsungen bot der
Fall grosse technische Schwierigkeiten, wie kaum ein zweiter.
VII. Die Resection der Gallenblase.
Nr. 71. A. P., 60 j. Witwe aus Dessau.
Aufgen.: 4. 12. 1898.
Operiert: 5. 12. 1898. Resektion der Gallenblase.
Entlassen: 22. 1. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Besonderheiten. Frau
A. F. war ganz gesund, bis seit etwa 3 Jahren, etwa einmal im Jahre,
ein Magenkrampf sich einstellte. Vor Z Jahren trat auch Gelbsucht
hinzu. Im Juni 1898 setzte ein äusserst heftiger Magenkrampf ein,
der ca. einen Tag anhielt und von Gelbsucht gefolgt war. Nach
14 Tagen waren die Gelbsucht und die Schmerzen vorüber. Es wurde
Gallensteinkrankheit konstatiert. Unter dem rechten Rippenbogen
wurde eine Geschwulst festgestellt. Der Magen war sehr empfind-
lich. Die Gelbsucht blieb. Frau A. P. ist abgemagert und hat stets
Druck in der rechten Oberbauchgegend.
— 139 —
Befund: Mittelgrosse, nicht ikterische, ziemlich gutgenährte
Frau. Organe gesund. In der rechten Oberbauchgegend ein undeut-
lich abgrenzbarer Tumor palpabel, der für die verwachsene Gallenblase
gehalten wird. Harn normal.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Empyem. Adhäsionen.
Operation: Chloroformnarkose. 15 cm. langer Längsschnitt im
rechten Muse. rect. abdom. Netz mit dem Rande des rechten Leber-
lappens verwachsen, so dass die Gallenblase verborgen ist. Beim Lösen
der Verwachsung am Leberrande in der Gegend der Gallenblase tritt bald
ein ca. haselnussgrosser, dunkler Gallenstein zu Tage. Es wird beim
weiteren Suchen ein zweiter Stein herausbefördert nebst Eiter, der
sofort aufgetupft wird. Jetzt zeigt sich eine Perforationsöffnung in
der Blase, aus der ein dritter gleicher Stein extrahiert wird, während
die Entfernung eines vierten nur in Trümmern gelingt. Es fliesst
Galle. Die Sonde weist Steine nicht mehr nach. Abtragung der sehr
zerreisslicheii Blase iu der Höhe des Blasenhalses. Einführung eines
Drains in den Stumpf, welches festgenäht wird. Tamponade. Schluss
des unteren Teils der Bauchwunde mittelst durchgreifender Knopf- und
Hautnähte. Dauer 40 Min.
Glatter Verlauf. Geringer Gallenausfluss. Fistel Mitte Januar
fest geschlossen. Vorzügliches Allgemeinbefinden. Geheilt entlassen.
Nr. 72. H. P., 32 j. Forstbetriebsdirektor aus Piatra-Neanetz
(Rnmäuien).
Aufgen.: 17. 11. r902.
Operiert: 19. 11. 1902. Resektion der Gallenblase.
Entlassen : 20. 12. 1902. Zur weiteren Behandlung-.
Anamnese: Vor 2 Jahren heftige Kolik, Schmerzen in der
Gallenblasengegend nach links, sowie zum Rücken und in die Brust
ausstrahlend, mit Übelkeit, Aufstossen, danach Ikterus. Die Anfälle
wiederholten sich häufig, aber ohne Ikterus.
November 1901 heftiger Anfall, 8 Tage dauernd, mit Ikterus. Ab-
gang eines erbsengrossen Steines. Dezember Kur in Karlsbad, danach
einige Monate verhältnismässige Ruhe. Seit diesem Anfall im November
1901 blieben dauernd nagende, bohrende Schmerzen in der Gallenblasen-
gegend bestehen, die manchmal nachliessen, manchmal so stark waren,
dass Fat. nicht auf der rechten Seite liegen konnte. Im Juli 1902 be-
gannen wieder Koliken, zunächst von geringer Intensität und kurzer
Dauer, aber sehr häufig kommend. September 1902 Karlsbader Kur,
dort fast täglich Anfälle, kein Ikterus, aber bisweilen Acholie der
Faeces. Zu Hause wurden die Anfälle wieder seltener, doch bHeb der
gleichmässige bohrende Schmerz bestehen. Bei den Anfällen bisweilen
Schüttelfröste, auch in der anfallsfreien Zeit öfter leichtes Frostgefühl.
Herr Dr. E.-Wien erklärte im Oktober d. J., dass ein Stein im
Cysticus sässe, riet aber vorläufig von der Operation ab. Trotzdem
auch die übrigen Ärzte, die den Fat. behandelten, von einer Operation
— 140 —
abrieten, kommt er mit dem Wunsche, operiert zu werden, hierher,
da die dauernden Sehmerzen seine Arbeitsfähigkeit herabsetzen.
Befund: Leber niclit gross, kein Tumor der Gallenblase, kein
Ikterus. Excessive Druckempfindliehkeit der Gallenblase. Urin frei.
Sehr starker und fetter Mann.
Diagnose: Chronische recidiv. Cholecystitis calculosa.
Operation: 19. 11.02. Wellenschnitt. Gallenblase klein, ge-
schrumplt, um Steine kontrahiert, enthält ca. sechs haselnussgrosse
Steine und Schleim. Die Ectomie wird versneht, die Gallenblase vom
Leberbett abgelöst, der Cyslicus liegt aber so tief und die Narkose
ist so sehleclit (Pat. presst fortwährend), dass die Ectomie iindnrch-
fiihrbar ist. Wo die Gallenblase am Fnndns eingerissen ist, wird
dieser reseciert und sonst das SchlanchTerfahren angewandt. Im Cysticus
fühlt mau einen Stein, doch gelingt es nicht, ihn herauszudrücken.
Reichliche Tamponade. ä/4 stündige Operation im Beisein des Herrn
Dr. Erik Lind-Stockholm.
Verlauf: Gut.
27. 11. Temperaturen normal. Pat. klagt fortgesetzt über- Magen-
druck. Heute Entfernung der Tamponade. Wundtrichter in sehr
gutem Zustand. Danach wesentliche Besserung der Beschwerden.
30. 11. Ein Stein ist mit der Sonde zu fühlen, scheint locker
zu sitzen.
5. 12. Heute zwei kleine Steinbröckel beim Ausspülen abgegangen.
Mit der Sonde kein Stein mehr zu fühlen.
9. 12. Einlegen eines Laminariastiftes in die Gallenblase bis au
den Cj'sticus. Viel Schmerzen in den ersten Stunden. 3 mal 0,02 Mor-
phium subkutan.
10. L2. Stift entfernt. Stein nicht zu fühlen. Galle läuft nicht.
15. 12. Wunde wesentlich kleiner. Mit dem Spülkatheter ist die
Gallenblase nicht mehr zu erreichen.
17. 12. Verbandwechsel. Hinter der Tamponade liegt ein kleines
Steinsplitterchen. Es scheint etwas Galle zu laufen.
18. 12. Galle läuft massig stark.
20. 12. Zur weiteren Behandlung zu Herrn Prof. von Eisels-
b e rg-Wien.
Epicrise: Ob Pat. seine Steine sämtlich losgeworden ist,
erscheint mir fraglich. Bei Empyem der Gallenblase ist, wenn
man es mit starken und fetten Patienten zu tun hat, die Ectomie
kaum möglich, man muss sich mit der Cystostomie begnügen
und kann dann leicht einen Stein im Cysticus zurücklassen.
Die beste Technik ist oft nicht im stände, in solchen Fällen
eine völlige Heilung zu garantieren, und die Fälle von Chole-
dochusverschluss geben, was die Dauerheilungen anlangt, viel
bessere Resultate wie der Cysticusverschluss mit Hydrops und
Empyem, wenn die p]ctomie undurchführbar ist. — Auf eine
— 141 —
Anfrage im Januar 1904 antwortete Pat., dass er mit seinem
Zustande sehr zufrieden sei. Fistel ist geschlossen.
Nr. 73. R. J., 37 j. Hauptmann aus Danzig.
Auf gen.: 5. 1. 1903.
Operiert: 6. 1. 1903. Resektion der Gallenblase.
Entlassen: 12. 2. 1903. Gebessert.
Anamnese: Pat. ist früher immer gesund gewesen. Sein Vater,
welcher noch lebt, hat angeblich vor 12 Jahren einmal an Magenkoliken
gelitten, die sich jedoch nach einer Karlsbader Kur nicht wieder
einstellten.
Pat. litt im Februar 1902 an einer heftigen Influenza mit 14 tag.
hohem Fieber. Nach diesen 14 Tagen stellte sich plötzlich ein heftiger
Anfäll von kolikartigen Schmerzen in der Gegend der Magengrube ein,
Schmerzen, die Pat. für Magenkrämpfe hielt. Es folgten in den nächsten
Tagen noch einige leichtere Anfälle. Von dem behandelnden Arzte
wurde eine auch äusserlieh sichtbare Schwellung der Gallenblase fest-
gestellt. Pat. wurde 3 Wochen lang mit heissen Umschlägen und
Morphium behandelt. Er fühlte sich dann völlig wohl und machte
darauf eine Kur in Neuenahr durch. Eine Zeit lang traten keine neuen
Anfälle mehr auf, dann aber stellten sich doch wieder einige leichte,
kurze Anfälle (etwa 6—7) ein. Am 12. November 1902 trat, nachdem
am Tage vorher ein leichter Anfall vorhergegangen, ein gleichheftiger
Anfall von kolikartigen Schmerzen in der Gegend der Magengrube auf,
wie im Februar 1902. Seitdem hat Pat. dauernd leichte Schmerzen in
der Gegend der Gallenblase und der Magengrube. Verschiedentlich
wurde bei Pat. eine Vergrösserung der Leber diagnostiziert. Pat.
sucht aus freien Stücken unsere Klinik auf, um sich operieren zu lassen.
Gelbsucht hat nie bestanden. Steine wurden trotz sorgfältigsten Suchens
nicht gefunden. Die kolikartigen Anfälle haben sich angeblich immer
nach kaltem Trinken eingestellt, jetzt hat Pat. nach jeder Mahlzeit
Schmerzen. Auch beim Reiten stellten sich stets stärkere Schmerzen
ein. Pat. hat bis jetzt Dienst getan.
Befund: Tumor der Gallenblase, prall gespannt und schmerzhaft.
Leber nicht vergrössert. Kein Ikterus. Urin frei.
Diagnose: Empyem der Gallenblase.
Operation: 6. 1. 03. Schnitt im äusseren Teil des rechten
Muse. reet. abd. Leber nicht gross. Gallenblase allseitig verwachsen.
Sehr schwierige Lösung. Gallenblase sehr morsch, reisst ein; es ent-
leert sich Eiter. Im Hals der Galleublase ein haselnussgrosser Steiu.
Resektion der Gallenblase bis zum Hals der Gallenblase. Entfernung
des Steins. Zwischen Leber und Gallenblase ein A.bscess. Tamponade.
Sehr schwierige, fast 2 stund. Operation. Naht. Verband. Die Nar-
kose ist durch viel Pressen und Würgen gestört.
Verlauf: Gut.
— 142 —
18. 1. 03. l. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons und ein-
zelner langer Fäden. Hinter den Tampons etwas stinkendes eitriges
Sekret. Tamponade. Befinden abends gut.
20. 1. 03. 2. Verbandwechsel. Entfernung sämtlicher Nähte. Ein
Faden sitzt noch fest. Wunde gut. Tamponade.
24, 1. 03. In der Tieie des Wundtrichters sieht man noch Reste
der Gallenblasenschleimhaut. Cysticus nicht zu sondieren.
25. 1. 03. Steht auf.
1. 2. 03. Es läuft etwas Galle. Über Nacht leichte Magen-
schmerzen. Der letzte Faden geht ab.
3. 2. 03. Keine Galle im Verband.
12. 2. 03. Wird mit kleinem granulierenden Wundtrichter ent-
lassen. Schleimflstel.
Epicrise: Nach der Operation entwickelte sich eine
Schleimfistel, die vorübergehend heilte, dann aber wieder aut-
brach. Entweder steckt noch ein Stein im Cysticus, oder es
ist an der Gallenblase zu viel Schleimhaut stehen geblieben,
während der Cysticus obliteriert ist. Es ist eben unmöglich, in
solchen Fällen immer eine Heilung herbeizuführen, es sei denn,
dass man unter allen Umständen die Ectomie wagt. Dann
bringt man aber das Leben in zu grosse Gefahr — , lieber
eine Schleimfistel, als die Möglichkeit, bei der Operation das
Leben zu opfern. Pat. hat mit seiner Schleimfistel im Herbst 1903
das Manöver mitgemacht und fühlt sich sehr wohl ; er ist mir
sehr dankbar, dass ich mich mit einer Cystostomie begnügt habe.
Vin. Der Verschluss kompleter Gallenfisteln.
Nr. 74. E. W., 44 j. Spezialarzt für Magen-, Darm- und
Stoffwechsel-Krankheiten aus Düsseldorf.
Aufgen.: 7. 12. 1901.
Operiert: 9. 12. 1901. Cystostomie.
30. 1. 1902. Fistelverschluss.
Entlassen: 15. 2. 1902. Geheilt.
Die Anamnese stammt vom Pat. selbst und lautet:
„Vater starb, 54 Jahre alt, an einem Herzleiden. Mutter, 69 Jahre
alt, lebt und ist gesund. Vor 18 Jahren ist sie an einem Mamma-
carcinom mit Erfolg operiert worden. Ein jüngerer Bruder erkrankt©
vor wenigen Jahren an paroxysmalen, krampfartigen Schmerzen in
der Magengegend, die von dem behandelnden Arzt als Gallenstein-
koliken gedeutet wurden. Nach einer einmaligen Brunnenkur in
Karlsbad sind keine Anfälle mehr aufgetreten. Meine noch lebend©
— 143 —
Schwester hat vor ca. 10 Jahren an einer schweren Appendicitis und
Perityphlitis gelitten, ist aber seitdem vollständig gesund.
Von meinen vier Kindern ist eines, 1 Jahr alt, an Dysenterie,
ein anderes, 4 Jahre alt, an Basalmoningitis gestorben. Die beiden
anderen Kinder von 6 und 1 Jahr sind gesund.
Ich habe als Kind an Keuchhusten, Scharlach, Masern, Unter-
leibstyphus, als Student und dann später noch einmal als Arzt an
Diphtherie gelitten. Im Herbst 1892 und 93 erkrankte ich an einer
Perityphlitis, die nach ca. 5 Wochen, ohne Beschwerden zu hinterlassen,
heilte. Ein schweres Recidiv derselben trat im Oktober 1899 ein.
Die Resorption des Exsudats war zwar schon nach ca. 3 Wochen er-
folgt, doch blieben in der Ileocoecalgegend dumpfe unbestimmte Schmer-
zen zurück ; durch ca. 10 Fangopackungen, denen ich mich" auf den
Rat des Herrn Prof. H. Kl emp er er- Berlin unterzog, wurden auch diese
beseitigt. Nach Wiederaufnahme meiner Tätigkeit traten bald von
neuem schmerzhafte Empfindungen in der Blinddarmgegend auf, die
allerdings vorübergehender Art waren, indessen so häufig sich zeigten,
dass ich mich auf Klemperer's Rat an Herrn Prof. J. Israel-Berlin
wandte, der mir in Anbetracht des fehlenden objektiven Befundes eine
Probelaparotomie vorschlug, die am 19. Februar 1900 ausgeführt wurde.
Dabei wurde das Cöcum nach vorne hochgeschlagen gefunden, so dass
es mit seinem Fundus unmittelbar unterhalb der Leber lag. Die
Appendix, die zunächst gar nicht aufzufinden war, lag vollständig
eingebettet in fibrinöses Gewebe, war chronisch verdickt, stark ulceriert
und perforiert, und das distale Ende fehlte vollständig. Appendix
wurde entfernt. Abgesehen von einer Nekrose eines Teiles der unteren
Rectusfascie, die nachträglich durch Curettement entfernt wurde, ver-
lief die Heilung vollkommen fieberlos.
Mein jetziges Leiden begann im Mai 1891 (also 1—2 Jahre vor
dorn ersten Perityphlitisanfall) mit einem abendlichen Anfall sehr
heftiger, stechender und bohrender Schmerzen im Epigastrium, die
nach dem Rücken hin ausstrahlten, zu Schweiss und Erbrechen führten,
aber sehr bald vorübergingen. Nach 4 — 6 Wochen wiederholten sich
solche Attaquen und traten dann eine Zeit lang fast an jedem Abend
(resp. Nacht) auf, wurden aber durch subcutane Anwendung von
Morfin (0,01 — 0,02) sehr schnell beseitigt. Obwohl mein Appetit durch
das Leiden nicht nennenswert beeinflusst wurde, verlor icli dennoch
an Gewicht ca. 25 Pfund. Über die Diagnose „Gallensteinkohk" im
Klaren, ging ich im Sommer 1891 und auch in dem darauf folgenden
Jahre zur Kur nach Karlsbad. So lange ich dort Brunnen trank und
badete, blieben die Anfälle fast ganz weg, kehrten aber nach meiner
Rückkehr, in die Heimat in gleicher Häufigkeit und gleicher Intensität
wie vorher wieder. Ich habe dann noch etwa 5 Sommer hindurch zu
Hause Karlsbader Brunnen getrunken und sehr vorsichtig gelebt, ohne
einen nennenswerten Nutzen davon zu sehen. Eine innerhalb dieser
Zeit begonnene interne Ölkur (200 gr. pro die) musste ich abbrechen,
weil mein Magen zu sehr darunter litt ; etwas mehr Nutzen scheinen
— 144 —
mir Öleinläufe (50 mal ä 50ü ccm) gebracht zu haben; wet)igstens
wurden die Anfälle etwas schwächer, traten auch nicht mehr so häufig
auf als anfangs, so dass ich nur selten zu Morphium zu greifen brauchte.
Im Juni 1900 gesellte sich zu diesen Beschwerden ein häufiges,
zitterndes Aufstossen, das so lange anhielt, als die Magen verdauung
dauerte und besonders anfangs mit sehr heftigem Sodbronnen sich
vergesellschaftete, das zuweilen im unteren Teil der Speiseröhre ein
recht unangenehm brennendes Gefühl erzeugte. Die Untersuchung
des Magens ergab am 6. 12. 1900 folgendes Resultat:
Magengrenzen normal; Mageij im nüchternen Zustande leer.
Eine Stunde nach Ewald'schem Probefrühstück, werden etwa 75 ccm.
gut verdauten Speisebreies ausgehebert. Die Gesamtacidität des
Magenfiltrats betrug 100, freie H Gl := 78, gebundene H Gl = 15,
saure Salze =; 7. Nach Gebrauch von Vichywasser, anderen Alkalien
und geeigneter Diät schwand das Sodbrennen fast ganz, während das
Aufstossen immer noch besteht, in der Häufigkeit seines Auftretens
aber grossem Wechsel unterliegt. Die Ursache dieser Hyperchlorhydrie
führe ich selbst teils auf Verwachsungen des Magens mit anderen
Abdominalorganen, sei es infolge der Perityphlitis, sei es der Chole-
cystitis resp. Pericholecystitis, teils auf Überreizung des Gesamtnerven-
systems zurück, die nach so vielen, schweren Leiden nicht ausbleiben
konnte.
Von Zeit zu Zeit werde ich auch seit Jahren von Trigeminus-
neuralgie geplagt; in letzter Zeit sind diese Schmerzen seltener auf-
getreten.
Seit ungefähr P/2 — 2 Jahren ist es, zum Teil infolge Morphium-
gebrauchs, zu besonders heftigen Koliken nicht mehr gekommen. Die
Bosch werden traten dafür aber häufiger auf und waren von längerer
Dauer. Rechtsseitige Lage im Bett wurde mir unbequem, und selbst
beim Gehen hatte und habe ich das Gefühl, als ob ein grösserer Fremd-
körper unter der Leber sitze und auf diese drücke.
In den letzten Wochen bin ich nur selten ganz ohne Beschwerden
gewesen. Die Gallenblase, die immer während der akuten Anfälle
druckempfindlich und als Tumor zu palpieren war, nach Morphium
aber sehr bald wieder abschwoll, blieb jetzt tagelang fühlbar. Die
letzte Morphiuminjektion machte ich mir am 80. 11., aber noch am
4. 12. konnte ich die Vesica als prall elastischen Tumor deutlich fühlen
und mich von ihren respiratorischen Verschiebungen überzeugen.
Während der ganzen Dauer des Leidens haben Beziehungen der
Schmerzen zur Qualität der Nahrung nicht bestanden; zuweilen schien
die Quantität der Speisen einengewissen (schmerzsteigernden) Einüuss
darauf zu haben. Die akuten Anfälle entwickelten sich alle bis auf
einen immer erst in den Abend- oder Nachtstunden. Fieber und
Ikterus sind nie vorhanden gewesen. Steine, nach denen nur anfangs
gesucht wurde, sind nicht gefunden worden.
Der Appetit ist sehr gut; Neigung zu Obstipation, ohne dass Ab-
führmittel häufig notwendig sind. Der Schlaf ist bald gut, bald unruhig."
— 145 —
Befund: Urin frei. Befund an der Gallenblase bis auf geringe
Bruckempfiadiichkeit negativ. Kein Tumor der Gallenblase, kein Ikterus.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis. Infektion augenblicklich
erloschen.
Operation: 9. 12. Ol. Gallenblase mittelgross, keine Adhäsion.
In der Gallenblase teerartige, eingedickte, zähe Galle und 3 Steine von
Walnussgrösse, einer im Hals der Gallenblase. Cystostomie mit Draht.
Galle fliesst. Dauer der Operation 1 Stunde.
Verlauf: Gut.
1. 1. 02. Täglich Verbandwechsel. Immer sehr reichlicher
€rall«nfliiss. Pat. klagt heute Nacht über leichte Koliken. Galle klar.
Leichter Schleimhautprolaps.
6. 1. 02. Täglich Verbandwechsel. Keine Schmerzen mehr.
15. 1. 02. Imuier noch sehr reichlicher Galleuflnss. Stuhl schwach
gefärbt. Stöpselexperiment.
16. 1. 02. Verband ist trocken. Keine Beschwerden. Der bis-
lang sehTrach gallig gefärbte Stulü heute dunkler. Stöpsel bleibt
liegen. ._
17. 1. 02. Stöpsel entfernt.
18. 1. 02. Vorband wieder stark mit Galle durchtränkt. Leichte
Tamponade.
22. 1. 02. (ralleufluss in den letzten Tagen wechselnd stark; tag*
lieh Ätzung des J^chleimhautprolapses.
29. 1. 02. Da der Schleimhautprolaps nicht zurückgeht, der
Grallenfluss nicht sistiert, so wird am
30. 1. 02 in Chloroformnarkose die Wunde umschnittcD, die Fistel
freipräpariert und abgetragen. Die Gallenblase wird durch Seidenknopf-
nähte über Draht geschlossen. Die freie Bauchhöhle wird dabei nur an
kleiner Stelle eröffaet. Verkleinerung der Bauch wunde. Tiefdrängeu
der Gallenblase durch Tamponade. Verlauf fieberfrei.
3. 2. 02. Führt ab.
8. 2. 02. Nähte entfernt. Gallenblase geschlossen. Wunde in
guter Granulation.
15. 2. 02. Wunde durch Granulation verkleinert. Bei sehr gutem
Allgemeinbefinden entlassen.
Epicrise: Pat. hat sich sehr gut beobachtet, und man
kann aus der von ihm selbst niedergeschriebenen Anamnese
sehr viel lernen.
Zur Zeit der Aufnahme hatte Pat. gar keine Beschwerden,
und es fehlte jeder Untersuchungsbefund. Trotzdem drängte
der Kollege zur Operation.
Die sich nach der Cystostomie ausbildende Gallenflstel
wäre bei geduldigem Abwarten wohl noch spontan zum Ver-
schluss gekommen ; aber da der Gallenfluss den Pat. beunruhigte,
verschloss ich die Fistel. Ich rate, diese Operation nicht unter
Kehr, Technik der Oallonsteinoperationen. 10
— 140 -
Schleich 'scher Anaesthesie vorzunehmen, sondern unter all-
gemeiner Narkose. Bei der Lokalanästhesie ist es schwer, sich
zu orientieren, während bei allgemeiner Narkose die Operation
in kürzester Zeit durchzuführen ist.
Jetzt ist Pat. völlig gesund und arbeitsfähig. —
Nr. 75. M. S., 34j. Maurermeistersfrau aus Pabstorf.
Aufgen.: 27. 5. 1902.
Operiert: 29. 5. 1902. Cystostomie. Cysticotomie.
Netzresektion.
Entlassen: 28. 7. 1902. Gebessert.
2. Aufnahme: 12. 8. 1902.
2. Operation: 15. 8. 1902. Gallenfistel- Verschluss.
Entlassen: 28. 8. 1902. 'Geheilt.
Anamnese: Vor 9 Wochen erkrankte Pat. plötzlich mit heftigen
Sehmerzen in der Magengegend unter Schüttelfrost und Fieber. Herr
Dr. Klavehn teilt mit, dass er damals schon die Diagnose Chole-
cystitis purulenta gestellt habe. Pat. hatte mehrere Wochen lang
unter Fiebererscheinungen heftige Schmerzanfäile, welche sich auf die
Magengegend und die Gegend der Gallenblase lokalisierten. Daneben
bestand schlechter Appetit, Erbrechen und, da sie viel Opium bekam,
Stublverhaltung. Allmählich trat vor ca. 3 Wochen Besserung ein,
indem die Schmerzanfäile nachliessen und das Fieber aufhörte. Da
trat jedoch vor 4 Tagen ein erneuter sehr heftiger Kolikanfall mit
hohem Fieber auf unter Erbrechen und sehr grossem Verfall der Herz-
kraft. Jetzt erst entschloss sich Pat., dem schon lange gegebenen
Rat des Herrn Dr. Kläv ehn-Pabstorf zu folgen und sich behufs
Operation in die Klinik bringen zu lassen.
Befund: Sehr grosso Herzjichwäehe. Puls frequeiit, kleiu. Im
Abdomen rechts vom r. Leberlappen abwärts grosser handbreiter, bis
über Nabelhöhe herabreichender, druckempfindlicher Tumor. Tempe-
ratur 37,8. Fortwährend Erbrechen. Keine Bliihuugeii.
Kochsalzinfaslon. Campherinjektionen.
28. 5. 02 37,2-38,0. Puls 104-116.
Nach kleiner Dosis Ol. Ric. Stuhlentleer.-ng. Stuhl braun. Pnls
nach uiehrninliger Kochsal/infnsion voller und kräftiger. Geringe
Druckempfindlichkeit des sonst weichen Bauches.
Befund: Grosse Resistenz in der Gallenblasengegend. Kein
eigentlicher Tumor mehr fühlbar. Kein Ikterus. Urin frei.
Diagnose: Akute Eiterung in und an der Gallenblase. Steine.
Operation: 29. ö. 02 im Beisein der Herren Dr. Klavehn-
Pabstorf und Prof. Dr. Stern-Philadelphia. Wellenschnitt. Zwischen
Gallenblase und Perit. parietale einige lockere, spiunwebartige Ver-
wachsungen. Leichte Lösung. Leber nicht eigentlich vergrössert, nur
die über der Gallenblase liegende P'artie (Riedel' scher Lappen),
_ 147 —
'Gallenblase von entzündetem Netz verdeckt. Schwierige Lösung^
Dabei stellt sich heraus, dass eiu Dnrchbrnch des Eiters in das Netz
nnd in das Colon transYersnm stattgefunden hatte. Loch im Colon.
6 Nähte. Netz überall gallig imbibiert. Gallenblase schlaff, ent-
hält ca. 20 erbsengrosse Steine, stark entzündet. Im Cysticus ein
Stein unverschiebbar, wird excidiert. Cysticotomie. 1 Naht. Vom Netz
wird schliesslich noch die entzündete Partie reseciert. Ausgiebige
Tamponade des Cysticussohnittes, der Colonnaht etc. Gallenblase mit
Rohr versehen, wird um das Rohr vernäht (mit Unterlegung von
Draht). Naht der übrigen Bauchwunde. ^/4stündl. Operation. Sehr
gute Chloroformnarkose.
Verlauf: 29. 5. 02. Abends 37,1.
30. 5. 02. 38,9-39,0. Puls 120—140.
Morgens schwarzes Erbrechen. Sehr kleiner nnd freqnenter Puls.
Magenspülung ergibt viel Blut. Weitere Spülungen am Mittage und
Abend zeigen, dass die Blutung aufgehört hat. Der Puls ist abends
besser, weniger frequent und voller. Im Laufe der Nacht wird der
Puls wieder sehr frequent und klein. Magenspülung ergibt wieder
Blut. 4 mal Kochsalzinfusion. Kampher subkutan.
31. 5. 02. 38,1-37,9. Puls 120-108.
Puls etwas besser. Noch immer zeitweise etwas Blut im Magen,
klagt viel über Druck im Magen. Der Mageninhalt ist immer sehr reich-
lich. 4 mal Magenspülung, 4 mal Kochsalzinfusion,
1. 6. 02. 37,2-37,8. Puls 100.
Allgemeinbefinden etwas besser. Leib ist weich, wiewohl noch
keine Blähungen gehen. Magendruck immer noch vorhanden.
2.6.02. 37,9-38,0. Puls 96-108.
Im wesentlichen unverändert. Es wird Ol. Riciu. durch die
Magensondo gelegentlich Magenspülung gegeben. Dasselbe findet sich
grösstenteils abends noch im Magen.
3. 6. 02. 38,1-38,4. Puls 112—104.
Da Fat. fortgesetzt über Druck auf den Magen klagt und nach
Flüssigkeitsaufnalime hnmer wieder erbricht, so besteht die Absicht,
die Tamponade zu entfernen. Es wird aber davon wieder Abstand
genommen, da trotz reichlichster Befeuchtung die Tampons sich
noch nicht lockern lassen. Mehrere Wassereinläufe fördern etwas
Stuhl. Auch Blähungen gehen. Die Zunge ist feucht; der Puls ist
von guter Qualität. Es wird mehrfach Kochsalzlösung subkutan ge-
geben und Magen gespült.
6. 6. 02. In den letzten Tagen immer etwas Stuhl nach Ein-
laufen. Viel Druck auf den Magen. Magen jedoch meist leer, trotz
reichlicher Flüssigkeitszufuhr.
Es werden heute die Tampons entfernt. Einzelne sitzen noch
fest. Die meisten sind jedoch gelockert. Aus der Gallenblase fliesst
trüber Schleim, aus der Wundhöhle trübes Sekret ab.
10*
— 148 —
Darnach abends plötzlich sehr hohe Temperatur, kleiner frequenter
Puls bis 140. 3 mal Kochsalzinfusion. Kampher. Im Laufe der Nacht
erholt sich Pat. etwas.
7. 6. 02. 37,8-38,2. Puls 120.
Puls von besserer Qualität. Pat. nimmt Flüssigkeit in reichlicher
Menge zu sich, ohne zu erbrechen.
8. 6. 02. 38,0-38,4. Puls 120.
Nimmt mittags etwas feste Nahrung zu sich. Abends viel Auf-
stossen. Im Magen ziemlich viel Inhalt.
11. 6. 02. Verbandwechsel: Wunde sieht reiner aus. Es läuft
etwas Galle aus der Gallenblase.
23. 6. 02. Jeden 2.-3. Tag Verbandwechsel. Nachdem der Gallen-
fluss mehrere Tage vöUig versiecht war, läuft jetzt wieder Galle aus
der Gallenblase. Die Wundhöhle in vorzüglicher Granulation. Im Urin
geringe Mengen Albumen. Leichte Ödeme der Knöchelgegend. - Zeit-
weise Durchfälle, Herzaktion sehr labil.
28. 6. 02. Allgemeinbefinden gut. Urin frei. Steht auf.
10. 7. 02. Verbandwechsel noch etwa alle 2 Tage nötig, weil
etwas Galle fliesst.
15. 7. 02, Sehr verstärkter Gallenfluss.
28. 7, 02, Wird gegen ärztlichen Rat aus der Klinik abgeholt.
Zu Hause sehr starker Gallenfluss, der täglich 1 — 2 Verband-
wechsel erfordert, Frau S. sucht deshalb am 12. 8. die Klinik wieder
auf. Ihr Befinden ist durch den starken Gallenverlust nicht ver-
schlechtert, sie sieht gut aus und fühlt sich wohl, nur klagt sie bis-
weilen über Kopfschmerz. Der Stuhl ist heller als normal, der Urin frei,
13. 8. 02. Nach Reinigung der Wunde und Ansspfiluug Stöpsel'
experlment. Pat. klagt im Laufe des Tages über ein nicht sehr er-
hebliches Drncbgefühl, keine Schmerzen.
14. 8. 02. Pat. hat leidlich geschlafen. Der Verband ist trocken.^
Nachmittags Wechsel. Herausnahme des Stöpsels, hinter diesem eine
kleine Menge Galle. Der Stuhl ist dunkler als an den Tagen vorher,
der Urin frei von Gallenfarbstoff, Koliken sind nicht aufgetreten, so
dass es als sicher gelten kann, dass der Choledochus frei ist. Es wird
deshalb beschlossen, die Gallenfistel zu beseitigen.
Operation: 15. 8. 02. Ablösung der Gallenblase von der Banch-
wand, Resektion des narbigen verdickten Fnndus. Verschluss des
Loches der Gallenblase durch 8 Nähte, die lang gelassen werden,
Operation im Beisein des Herrn Dr. Klavehn-Pabstorf.
Verlauf: Gut. Anfangs etwas Chloroformerbrechen. Pat. fühlt
leichten Druck im Epigastrium.
20. 8. 02. Abführen.
22. 8. 02. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons, Fäden
und Nähte. Die Gallenblasennaht ist gut geheilt. Leichte Tamponade,
Verband.
24. 8. 02. Steht auf.
28. 8. 02 Geheilt entlassen.
- — 149 —
Epicrise: Als die Pat. kam, machte der Zustand ganz
den Eindruck eines perforativen Vorgangs. Bei der Herz-
schwäche war an eine Operation nicht zu denken. Als sich
Pat. erholt hatte, fand man die greulichsten Verwüstungen
in der Bauchhöhle, und wenn auch durch die Etablierung der
€olon-Gallenblasenfistel die Hauptgefahr beseitigt war, sass doch
der kleine Cysticusstein so fest, dass niemals eine völlige Heilung
erzielt worden wäre. So gut aber die Gallenblase in das Colon
durchbricht, so leicht kann sie auch in die freie Bauchhöhle per-
forieren! Ich sehe aber ein, dass die Indikation, ob man in
solchen Fällen operieren oder abwarten soll, sehr schwer zu
stellen ist. Geht der Anfall gut vorüber, so ist die später
ausgeführte Operation ungefährlicher: man operiert nicht in
einem so inficierten Gebiet. Aber die Patienten können sich,
wenn sie schmerzfrei sind und sich erholt haben, schwer zur
Operation entsehliessen. Dass man in solchen Fällen sich mit
der Cystostomie, der Beseitigung des Eiters begnügt und nicht
ectomiert, habe ich schon früher auseinandergesetzt. Kann
man den Cysticusstein entfernen, so ist es gut, wenn nicht, so
warte man ab. Es ist sehr schwer, in solchen Fällen das
Eichtige zu treffen. Meist wird zu viel getan, eine schonende
Operation ist sehr am Platze. Die sich ausbildende Gallenfistel
wurde durch die Naht beseitigt.
Nr. 76. 0. E., 63 j. Amtsrat aus Kleiu-Rosenburg.
Aufgen.: 29. 3. 1901.
Operiert: 30. 3. 1901. Cystostomie. Gallenfistel ver-
schluss (5. 6. 1901).
Entlassene 13. 6. 1901. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Belang. Pat.
neigte zu Durchfällen, hatte im Frühjahr immer Asthma und Bronchitis.
Mitte November 190Ü erkrankte er auf einer Fahrt nach Magde-
burg ganz plötzlich unter sehr heftigen Schmerzen oberhalb des Nabels.
Massiges Fieber, etwas Brechreiz, Flatus und Stuhlgang gingen nicht,
Unterleib etwas aufgetrieben, in der Gallenblasengegend sah man eine
etwas hervorragende Geschwulst. Herr Geh.-Rat Aufrecht diagnosti-
zierte umschriebene Bauchfellentzündung. Unter absoluter Ruhe, Um-
schlägen und Morphium schwanden die Beschwerden, doch kamen in
der nächsten Woche noch mehrfach kurze Schmerzanfälle, angeblich,
wenn die Flatus nicht weitergingen. Ikterus war nicht da. Man
dachte an Darmstenose. Im Januar war das Befinden vorzüglich, nur
die Stimmung 'schlecht. Deshalb und wegen der alljährlich wieder-
— 150 —
kehrenden Bronchitis wurde dem Pat. empfohlen, nach Mentone zw
gehen. Drei Tage vor der Abreise kam wieder ein sehr heftiger An-
fall. Trotzdem reiste Pat., doch war die Reise schlecht, in Men-
tone trat wieder ein Anfall ein. Auf Rat des früher in der Klinik
ebenfalls an Cholelithiasis operierten Herrn Dr. Oberländer-Dresden,
den er in Mentone traf, und seines behandelnden Arztes, des Herrn
Dr. Schenk-Gross-Rosenburg, entschloss Pat. sich hierherzukommen.
Befund: Schlanker, kräftig gebauter Pat. Herz gesund. Urin
frei von pathol. Bestandteilen. Puls und Temperatur normal. Bron-
chitis. In der Gallenblasengegend eine Resistenz, die besonders in
tiefer Narkose deutlich zu fühlen ist. (Carcinom?)
Diagnose: Abgelaufene Cholecystitis, Steine in der Gallenblase,
augenblicklich Cysticus frei.
Operation: 30. 3. 1901. Längsschnitt im rechten musc. rect.
abd. Gallenblase gross, mit Netz verwachsen, enthält Steine. Nach
Lösung der Adhaesionen Cystostomie. 30 Steine in der Gallenblase.
Dauer der Operation ^jt Stunde. Essiglappen auf den Mund.
31. 3. 37,7. Puls 108. Kein Erbrechen. 38,4. Puls 112.
1. 4. 38,7. Puls 118. Quälender Husten, auf der Lunge noch
nichts nachzuweisen. Abends Chloral, danach Schlaf, gegen Morgen
kommt dann der Husten wieder. Seitens der Operationswunde keine
Erscheinungen. Zunge feucht, Leib weich, Blähungen gehen. 38,2.
2. 4. 38,0. Puls 116. Befinden wie gestern. Inf. Senegae. 37,9.
3. 4. 38,0. Puls 100. Es ist deutlich Besserung eingetreten. Der
Auswurf löst sich leichter, der Husten quält weniger. Gallenfluss täg-
lich gegen 250 gr. Der Verband ist gallig durchtränkt, Wechsel, die
Tampons bleiben liegen, die Bauchwandnaht hat trotz des vielen Husten*
gehalten. 37,9.
4. 4. 37,8. Puls 120. Auswurf etwas bluthaltig. In der Nacht
viel Husten und quälende Blähungen. Abführen. Inf. fol. Digital.
5. 4. 38,0. Puls 120. Husten weniger, auch die Blähungen quälen
weniger. Guter Schlaf. 38,0.
6. 4. 37,5. Puls 108. Pat. hat gut geschlafen, hustet noch etwas.
Wechsel des Verbandes bis auf die tiefsten Schichten. Nachmittags
kurz nach 2 Uhr, bei einem sehr heftigen Hustenanfall, hat Pat.
das Gefühl, dass ihm etwas in der Wunde gerissen sei. Sofort Ver-
band-Wechsel in Chloroform-Narkose. Fast das ganze Nelz uud ein
Teil des Dickdarms liegen ausserhalb der Uanchhöhle nnter dem Ter-
bände. Die unterhalb der eingenähten Gallenblase durch Peritoneum
und Fascie gelegten Nähte sind ausgerissen. Die rorgefallenen Teile
werden mit Kochsalznasser abgewaschen und mit (jnze zuriicligebracht»
Die Tampons und Nälite, auch die die (xallenblase festhaltenden, werden
eutfernt, die Bauchhöhle bleibt offen, es wird mit Silbergaze tampo-
niert. Die Wunde wird mit starken Heftpflasterstrelfen zusammen-
gezogen. Verband. Essiglappen auf den Mund. Abends 37,8. Puls 108.
7. 4. 38,4. Puls 108. Erbrechen ist nicht dagewesen, auch der
Husten hat eich bis heute morgen noch uioht wieder eingestellt.
— 151 —
Kollern im Leibe, auch Blähungen sind gegangen. Die Nacht war
leidlich, heute früh etwas Schmerzen in der Wunde. Massiger Gallen-
fluss. 38,5.
8. 4. 38,6. Puls 100. Gutes Belinden, nur noch etwas Husten.
Pat. fängt an zu essen. Blähungen - im Gang, Leib weich, Zunge
feucht. 38,5.
9. 4. 38,0. Puls 96. Wohlbefinden. 38,3.
10. 4. 38,7. Puls 100. Der Husten ist leicht und löst. 37,8.
11. 4. 37,9. Puls 96. Sputum nicht mehr pneumonisch. 38,0.
Verbandwechsel.
14. 4. 37,5. Puls 98. Verband trocken. Es fliessen ca. 200 gr.
Galle täglich. Allgemeinbefinden gut. Husten nicht mehr als vor der
Operation. Sputum schleimig. Appetit gut.
21. 4. Pat. soll heute zum 1. Male aufstehen. Bei völligem Wohl-
befinden wird der Versuch gemacht. Als er einen Augenblick neben
dem Bett gestanden hat, fällt er plötzlich zarück. Starke Atemnot,
Atmung beschleunigt, mühsam, Gesicht cyanotisch, Augen starr, Be-
wnsstsein klar, Puls 120, anfangs regelmässig, später unregelmässig
und von wechselnder Stärke. Der Zustand höchster Atemnot geht nach
Morphium-Injektion zurück, die Atmung wird ruhiger, leiser, die
Cyanose schwindet, Pat. spricht ohne grosse Anstrengung, doch wird
der Puls immer schlechter. Kampher-Injektionen, Strophantus, Sekt,
starker Kaffee, später zwei Injektionen von Coffein, natrio-benzoicum
0,2. Nachmittags noch ein ähnlicher, weniger heftiger Anfall.
Abends 37,8.
22. 4. 38,8. Puls 114. Heute morgen etwas Atemnot, des-
halb Morphium 0,01, nachmittags noch einmal Coffein 0,2. Befinden
besser als gestern, morgens ein Ballen blutigeu Auswurfs, ebenso
abends. Puls kräftig, regelmässig. Wechsel der oberen Verband-
schichten. 38,3. Puls 114.
23. 4. 37,9. Puls 120. Wieder ein Ballen blutigen Auswurfs. 37,5.
24. 4. 37,8. Puls 120. 4 mal blutiger Auswurf, rechts oben leichtes
Bronchialatmen. Befinden und Appetit gut. Verband durch. Wechsel.
Die Wunde verkleinert»sich.
26. 4. Wohlbefinden. Abends noch etwas Morphium.
29. 4. Täglich Verbandwechsel. Heute macht Pat. den Ver-
such, sich im Bett aufzurichten und die Beine heraushängen zu lassen.
I. 5. Steht auf und sitzt 1 Stunde ausser Bett.
5. 5. Noch immer täglich Verbandwechsel. Geht umher.
II. 5. Verlässt die Klinik. Es fliesst noch Galle, Pat. muss
täglich verbunden werden.
31. 5. Pat. stellt sich wieder vor, der Gallenfluss dauert noch
an; durch das Stöpselexperiment wird das Freisein des Choledochus
festgestellt.
4. 6. Um die Fistel zu verschliessen, wird versucht, unter Schleich '-
scher Lokalanästhesie die Narbe nach oben zu spalten und die Gallen«
blase vom Peritoneum abzulösen. Doch ruft die Spannung in dem
— 152 —
Narbengewebe so heftige Schmerzen hervor, dass dieser Versuch auf-
gegeben werden mnss.
5. 6. In Chloroformnarkose (V» Stunde — 18 gr. Chloroform) wird
die Narbe nach oben gespalten, die Gralleublase abgelöst, die Ränder
geglättet und zusammengenäht. Danach rutscht die Gallenblase etwa
2 Finger breit in die Tiefe. Tamponade. Verband. Essiglappen auf
den Mund.
Verlauf: 6. 6. Gut.
9. 6. 36,7. Puls 92. Fat. steht auf.
12. 6. Verbandwechsel, Entfernung der Fäden. Die Wundränder
werden mit einem Heftpflaster zusammengezogen.
13. 6. Fat. wird heute nach Hause entlassen.
16. und 20. 6. kommt Fat. zum Verbinden zur Klinik. Galle hat
sich nicht mehr gezeigt. Die Wunde ist fast geheilt.
Epicrise: Der 63jährige Pat. hatte eine „gute Natur",
sonst hätte er die Lungenembolie nicht überwunden. Ich hatte
Sorge, bei der Fistelverschliessung wieder Chloroform anzu-
wenden und hoffte mit Schlei ch 'scher Lokalanästhenie aus-
zukommen ; aber ich niusste den Versuch aufgeben, da die Ein-
spritzung zu arge Schmerzen machte. Pat. war im Mai 1904
in meiner Sprechstunde: es geht ihm ausgezeichnet.
B) Die Operationen am ductus cysticus.
I. Die Cysticolithotripsie.
Nr. 77. M. H., 65 j. Hauptmannsfran aus Erfurt.
Aufgen.: 16. 9. 1896.
Operiert: 18. 9. 1896 und 16. 10. 1896. Zweizeitige
Cystostomie und Cysticolithotripsie.
Entlassen: 22. 11. 1896. Geheilt.
Anamnese: Pat., kinderlos, will aus gesunder Familie stammen und
selbst stets gesund gewesen sein. Im Frühjahr 95 erkrankte sie mit heftigen
Magenschmerzen und Erbrechen. Auch Ikterus stellte sich ein. Der
Stuhlgang war angehalten, von brauner Farbe, nur zur Zeit des Ikterus
weiss gefärbt. Der hinzugezogene Arzt konstatierte Gallensteine und
schlug einen Aufenthalt in Karlsbad vor. Pat. wandte sich dorthin.
Nach 6 wöchentlichem Kurgebrauch war sie von ihren Schmerzen be-
freit und blieb es ^/i Jahre läng. Da trat wieder ein heftiger Anfall
auf. Abermals wurden die Quellen Karlsbads aufgesucht, diesmal
aber mit geringerem Erfolg, denn bereits 14 Tage nach vollendeter Kur
waren die alten Schmerzen in unverminderter Heftigkeit wieder da.
Pat. sucht deshalb die Klinik auf.
Befund: Kleine hagere Frau. Herz- und Lungenbefund normal.
Zur Zeit kein Ikterus. Die Leber ist nicht vergrössert, in der Gallen-
blasengegend besteht starke Druckempfindlichkeit. Kein Milztumor.
Der Stuhlgang ist brauli, der Urin hell gefärbt; letzterer enthält kein
Eiweiss, keinen Gallenfarbstoff, keinen Zucker. Temperatur ist nor-
mal, Puls regelmässig, mittelkräftig, 74 Schläge in der Min.
Diagnose: Steine in der Gallenblase, Verwachsungen.
Operation am 18.9.96. Morphium-Atropin-Chloroform-Narkose.
Längsschnitt im rechten Muse. rect. abdomin. Nach Eröffnung der
Bauchhöhle zeigt sich die hoch oben unter der Leber liegende, kleine,
geschrumpfte Gallenblase. Bei dem Tersnch, dieselbe abzntasteu, setzen
Puls nnd itniuug ans. Es gelingt, Steine in der Galleublase zn fühlen.
Pat. verträgt aber die Narkose so schlecht, dass von einem Aufsuchen
der tiefen Gallengänge abgesehen wird. Die Gallenblase einzunähen,
ist wegen ihrer Kleinheit und dos straffen Peritoneums nicht möglich.
Auch ist die Herztätigkeit derartig schwach, dass die Operation be-
endet werden niuss. Es wird daher die nueröffiiete Gallenblase rechts
— 154 —
au das Peritouenm angenäht, die übrige Wunde austaniponiert und
zam Teil darcti Naht geschlossen. Verband. Dauer der Operation
';2 Stunde.
Verlauf: 19. 9. 96. Pat. hat wenig gebrochen, ist fieberfrei.
Leib weich, nicht druckempfindlich.
20. 9. 96. Auf Glycerin gehen heute die ersten Blähungen ab.
Pat. fühlt sich wohl. Kein Fieber.
26. 9. 96. Pat. war in der ganzen Zeit fieberfrei. Da sich nun-
mehr erwarten lässt, dass die Bauchhöhle vollständig abgeschlossen ist,.
wird heute ohne Narkose die Gallenblase eröffnet und aus ihr mehrere
Steintrümmer nebst zähem Sehleim entfernt. In die Fistel wird ein
dünnes Rohr gelegt; darauf Verband. Galle fliesst nicht. Da bei
keinem Verbandwechsel Galle fliesst, immer noch Steintrümmer aus-
gespült, sogar in der Tiefe mit der Sonde Steine gefühlt werden, die
aber trotz aller Bemühungen von der Fistel aus nicht entfernt werden
können, wird am 16. Oktober wiederum zur Operation geschritten:
Eröffnnng der Bauchhöhle durch einen Längsschnitt in der Mittel-
linie vom Proc. xiphoid. bis zum Nabel. Die Orientierung ist durch
zahlreiche Verwachsungen ausserordentlich erschwert. Mit Mühe ge-
lingt es, den gefühlten Stein am Übergang der Gallenblase in den Duct.
cysticus zu tasten, und da ein Zurückschieben unmöglich ist, wird die
Cysticotomie beschlossen. Bei der Fixation des Steines zwecks Incisiou
geht das Concrement in Trümmer. Es handelt sich also uai eine un-
freiwillige Cystico-Lithotripsie. Die Trümmer werden von der Gallen-
blase aus entfernt, es fliesst sofort Gallie. Kein weiterer Stein mehr
fühlbar. Schluss der Bauchwunde. Dauer der Operation 1 Stunde.
Verlauf: Pat. hat den Eingriff gut vertragen, fiebert nicht. Nach
10 Tagen Verbandwechsel. Die Nähte werden entfernt, reaktionslose
Heilung. Im Verband Galle. Beim Ausspülen der Gallenblase entleeren
sich noch kleine Steintrüninier.
30. 10. 96. Heute fliesst plötzlich keine Galle mehr; ans der
Fistel entleert sich Schleim. Mit der Sonde wird kein Stein gefühlt;
Einlegen eines Laminariastiftes.
31. 10. 96. Trotz der erweiterten Fistel ist kein Stein zu tasten;
Verband.
22. 11. 96. Seither ist keine Galle geflossen. Pat. wird, da die
Fistel sich vollständig geschlossen hat, entlassen.
Epicrise: Wahrscheinlich hat der Stein im Cysticus ein
(lecubitales Geschwür (Lithotripsie?) gemacht, welches später
geheilt zur Obliteration des Cysticus geführt hat. Jedenfalls
ist die Schleimfistel versiecht, und Pat. erfreut sich, wie neuere
Berichte bekunden, der besten Gesundheit.
— 155 —
II. Die primäre Cysticotomie (kombiniert mit
Cystostomie)
Nr. 78. H. R*, 46 j. Kutschersfrau aus Wegeleben.
Aufgen.: 7. 7. 1902.
Operiert: 8. 7. 1902. Cysticotomie. Cystostomie.
Entlassen: 20. 8. 1902. Geheilt.
Anamnese: In der Familie kein Gallensteinleiden. Pat. hat
9 Kindcy-. Sie hat zweimal Unterleibsentzündung gehabt.
Vor ca. 4 Jahren hatte sie etwa 8 Wochen lang Anfälle von
Schmerzen, die, im Rücken beginnend, beiderseits herum nach vorn
strahlten. Die Anfälle dauerten '/* bis mehrere Stunden, kamen in
Pausen von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen, besonders häufig
zur Zeit der Menstruation. Pat. hatte meist Erbrechen dabei, Hitze-
gefühl und Schweiss.
Im vorigen Jahre hatte sie ein Lungenleiden mit viel Husten und
Auswurf, sie war '/4 Jahr krank.
Vor ca. 6 Wochen, zur Zeit der Menstruation, begannen die An-
fölle wie vor 4 Jahren wieder. Zugleich wurde sie intensiv gelb, der
Urin dunkel, der Stuhl war angehalten, seine Farbe heller als gewöhn-
lich. Die Anfälle kamen in Pausen wie früher. Seit einigen Wochen
ist unter dem rechten Rippenbogen eine Geschwulst hervorgetreten,
seitdem ist Pat. auch in der anfallsfreien Zeit nie ganz beschwerdefrei.
Herr Dr. Renn e bau m- Wegeleben i;iet ihr dringend zur Operation.
Befund: Frau in mittlerem Erni^hrungszustand, Hautfarbe leicht
gelblich. Unter dem rechten Rippenbogen ist eine über faustgrosse,
druckempfindliche, wenig bewegliche Geschwulst von glatter Ober-
fläche und praller Konsistenz sieht- und fühlbar. Urin frei von Ei-
weiss, Zucker und Gallenfarbstoff.
Diagnose: Akute serös-eitrige Cholecystitis calculosa, Gallen-
blase mit der Bauch wand bereits verwachsen.
Operation: 8. 7. 02 im Beisein des Herrn Prof. Stern-Philadel-
phia. Wellenschnitt, Gallenblase stark mit Bauchwand verwachsen.
Vor der Lösung Aspiration von Schleim und Eiter nach Einlogung von
genähten Tupfern. Stein im Hals der Gallenblase unverschiebbar.
Deslialb Cysticotomie. 6 Nähte, nur dnrch verdickte Serosa. Zum
Cysticns kommt mau erst, nachdem man die Gallenblase, die flächen-
haft mit dem Dnodemim verwachsen war, gelöst hatte. Ausräumung
von vielen mittelgrossen Steinen aus der Gallenblase. Diese ist so
gross und wandverdickt, dass sie sich fest in die Bauchwunde einlegt,
so dass auf eine Aunähnng verzichtet wird. Tamponade der Cysticas-
naht. Rings um die Gallenblase feine Streifen Gaze. Dauer der Ope-
ration 1 Stunde. Choledochus frei.
Verlauf: Gut.
20. 8. 02 geheilt entlassen.
— 156 —
Epicrise: Die Entzündung begann vor 6 Wochen mit
Ikterus. Ob ein Stein in den Oholedochus geworfen wurde
oder nicht, entzieht sich meiner Beurteilung. Der Ikterus lässt
sich aber auch durch die sehr starke Entzündung, die am Hals
der Gallenblase und am Ligamentum hepato-duodenale sich ab-
spielte, erklären. — Eine Ectomie wäre in diesem Fall 6in
sehr schwerer Eingriff geworden, ich ziehe die Cystostomie
und Cysticotomie in solchen Fällen vor, tamponiere aber jetzt
die Cysticusnaht.
Nr. 79. A. T., 37 j. Landwirt aus Remkersleben.
Aufgen. 2.5. 5. 04.
Operiert : 26. 5. 04. Cj'sticotomie. Cystostomie.
Entlassen: 28. 6. 1904. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. T ii ü m m e 1-Seehausen schreibt über
den Patienten : ^Überbringer dieses leidet seit 2 Jahren an Gallen-
steinkoliken, welche in den letzten Monaten ungemein häufig, bis-
weilen täglich in grösserer oder geringerer Stärke sich eingestellt
haben. Wenngleich Steinabgang nie nachgewiesen worden ist, so be-
steht für mich kein Zweifel an der Diagnose, da mehrfach nach ein-
getretenen Koliken Ikterus der Conjunktiven und ikterisch gefärbter
Urin beobachtet wurden. Die Gallenblase war meist sehr gross, deut-
lich fühlbar und schmerzhaft ; Tlie Schmerzhaftigkeit erstreckt sich in-
des oft weiter als im Bereich der Gallenblase, besonders nach der
Ileoeoecalgegend zu ; bisweilen auch nach Jinks zur Magengegend.
Es traten auch Schmerzen in der Nierengegend auf und verliefen
scheinbar mit dem rechton Ureter, so dass das Vorhandensein von
Nierensteinen in Betracht gezogen werden muss, indes ist mir diese
Diagnose noch zweifelhaft. Versucht ist vielerlei, indes der Erfolg,
ausser bei Morphiuminjektionen (0,03j, meist gering. Karlsbader Mühl-
brunnen, Sprudel, Salz. Glycerin in Vichy. Olivenöl, Massage, Kata-
plasmen etc." — Dazu ist noch zu bemerken, dass Pat. durch die schlaf-
losen Nächte, durch die Schmerzen und oft geringe Nahrungsaufnahme
seit Beginn der Krankheit etwa 80 Pfund abgenommen hat. Früher
will er stets ganz gesund gewesen sein, auch aus ganz gesunder
Familie stammen. Bei den Anfällen tritt stets andauerndes Aufstossen
mit Völlegefühl in der Magengegend ein, zuweilen spontanes Er-
brechen, manchmal hilft Pat. durch Einführen des Fingers in 'den
Schlund nach. In den letzten Zeiten oft 3—4 Anfälle wöchentlich,
am Spätnachmittage beginnend und fast die ganze Nacht anhaltend.
Hat in den letzten Monaten sehr viel Morphium, als Tropfen, Pulver
und subcutan verbraucht. Vor 4 Wochen eine Schwitzkur, die aber
aucii niclits half
— 157 —
Befund: Patient sieht stark angegriffen aus, ist nicht ikterisch.
Gallenblase ist deutlich als prall gespannter, sehr schmerzhafter Tumor
tastbar. Puls oft aussetzend, sonst langsam. Leber nicht vergrössert.
Diagnose: Acutes Empyem der Gallenblase.
Operation: 26. 5. Sehr gute Chloroform-Sauerstoffnarkose 35 gr.
Vorher 0,02 Morphium. Wellenschnitt. Sofort kommt die nirgends
verwachsene Gallenblase zum Vorschein. Sie ist prall gefüllt, Aspi-
ration ergibt blutig gefärbten Eiter in reichlichen Mengen. Trocken-
legung der Gallenblase, nachdem diese eröffnet ist. Die an der Gal-
leublase entlang gefährte linke Hand tastet int Hals einen grössern
Stein, fest eingeklemmt nn<I gänzlich unbeweglich. Deshalb Incisiou
über demselben. Neben dem grossen, sehr rauhen Stein liegt noch ein
zweiter erl>sengrosser. Entfernung. Schnitt wird durch einfache
Serosanaht (6 Nähte) geschlossen. Die Fäden bleiben lang. Gallenblase,
jetzt leer, wird mit Rohr versehen und lateral am perit. parietale
suspendiert. Medial wird ein Tampon auf die Cysticnsnaht gelagert,
die Fäden werden samt den Tampons nach aussen geleitet. Naht der
Bauchwunde. Dauer der Operation '/s Stunde.
Verlauf: Am Abend 38,8" C. Pat. bricht oft Galle.
27. 5. 38,2«— 38,4. Häufig Magenspülung, weil Pat. fast alle 10
Minuten Galle bricht. Es macht den Eindruck, als ob die tamponierende
Gaze sich so zwischen Cysticusnaht und Duodenum geschoben hat,
dass letzteres abgedrückt wird. Puls 90—100.
28.5. Puls morgens sehr rasch. (140-160.) Temp. 38,4 » C. Cam-
pher dreimal. Danach plötzlich Atemnot und Cyanose (Embolie?).
Am Abend besser.
29. 5. Pat. ist fieberfrei. Puls 90; sieht gut aus. Weiterhin guter
Verlauf.
10. 6. Entfernung sämtlicher Fäden und des bis auf die Cysticus-
naht geführten Tampons.
12. 5. Geringer Gallenfluss. Der letzte Cysticusfadon hat sich
abgestossen.
28. 6. Geheilt entlassen. Pat. hat sich sehr erholt.
Epicrise: Ein Fall, bei dem das akute Empyem der Gal-
lenblase leicht zu diagnostizieren war. Pat. war auf der Durch-
reise nach Karlsbad, sein Arzt hielt es aber für besser, dass
er erst bei mir vorfrug. Solche Pat. gehören in eine chirur-
gische Klinik und nicht nach Karlsbad. Wegen fester Ein-
klemmung des Steines Cysticotomie. Eine Ectomie war, da es
sich um einen Mann handelte und die Gallenblase schwer infiziert
war, zu gefährlich. Es gentigt bei der Cysticusnaht, wenn die
Fäden nur die Serosa fassen, eine gleichzeitige Tamponade ist
das sicherste Verfahren.
Der Verlauf in den ersten Tagen deutete darauf hin, dass
eine lokale Infektion zwischen Cysticusnaht und Duodenum ein-
— 158 —
getreten war. Ich empfelile in solchen Fällen nicht zu ver-
binden, sondern häufig den Magen zu spülen und durch Koch-
salzinfusionen die Herzkraft zu heben. Am 5. Tage befand
sich Pat. so wohl, „als ob nichts passiert wäre".
Nr. 80. A. M., 37 j. Yiehhändlersfrau aus Genthin.
Aufgen.: 26. 9. 1901.
Operiert: 27. 9. 1901. Cysticotomie. Cystostomie.
Entlassen: 23. 11. 1901. Geheilt.
Anamnese: Seit Frühjahr dieses Jahres, ganz unmerklich be-
ginnend und aUraählich intensiver werdend, stellten sich Beschwerden
im Leibe ein. Pat. hatte das Gefühl von Völle, sie wurde zeitweise
stärker um den Leib, sodass die Kleider zu eng wurden, und war viel
von Blähungen geplagt. Eine eigentliche Stuhlverstopfung bestand
nicht. Dagegen hatte Pat. sehr häufig und in kleinen Portionen Stuhl.
Ende Juni stellten sich abends 7 Uhr plötzlich sehr heftige, kolik-
artige Schmerzen im Rücken rechts ein. Nach einigen Stunden Er-
brechen. Im Laufe der Nacht wurden die Schmerzen geringer. Es
bestand damals gerade starke Obstipation, welche durch Klystiere be-
hoben wurde. Pat. hatte danach ca. 8 Tage lang geringere Schmerzen,
bis sich die Beschwerden wieder hoben. Der Zustand, wie vor den
Anfällen, bestand jedoch weiter.
Vor ca. 3 Wochen hatte Pat. einen zweiten Anfall. Derselbe setzte
abends ein, wie der erste. Die Schmerzen waren diesesmal rechts vorne
unterm Rippenbogen mit Ausstrahlung nach links gegen den Magen
und nach hinten gegen den Rücken. Erbrechen wie das erstemal und
Nachlass im Laufe der Nacht. Die Auftreibung des Leibes in den
oberen Partieen ist diesesmal stärker. Die Schmerzen haben sich seit-
dem nie ganz verloren. Es besteht fortwährend ein leichter Schmerz
in der Gallenblasengegend.
Ikterus ist nie vorhanden gewesen.
Befund: Grosse, kräftige Frau in gutem Ernährungszustand.
Rechts unterm Rippenbogen in der Mammillarlinie deutlich
sichtbare Vorwölbung von flacher Form, welche einem Tumor ent-
spricht, der sich am Rande des rechten Muse. rect. palpieren lässt. Der-
selbe scheint etwa apfelgross, sehr derb, von ebener Oberfläche, ist
seitlich deutlich verschieblich imd folgt der Atmung, Leichte Druck-
empfindlichkeit. Urin frei.
Diagnose: Abgelaufene akute serös-eitrige Cholecystitis. Hy-
drops resp. Empyem der Gallenblase. Stein im Cysticus.
Operation: 27.9.01. Welleuschnitt. Gallenblase faustgross, mit
Netz verwachsen, prall gespannt. Aspiration von Schleim und Eiter.
Stumpfe Lösung der Verwachsungen. Grosser Stein im Halse der
Gallenblase, kleiner im Cysticus. 60 erbsengrosse Steine in der Gallen-
blase. Incislon des Cysticns, ganz nahe am Choledochns, dieser ganz
— 159 —
frei. Cysticusnaht. Tamponade. Teilweise Einnähung der Gallenblase
nach Einlegen eines Gummirohrs.
Dauer der Operation */4 Stunde.
Verlauf: 28.9.01. Viel Erbrechen und Aufstossen. Magen-
spülung. Danach besser.
30. 9. Ol. Fieberfreier Verlauf. Keiu Erbrechen.
1. 10. Ol. Puls 128. Plätschern bei Palpatioii des Magens. Tier
Magenspülungen, drei Kochsalzinfasioneu. Abends 140 Pulse, Temp.
38,4. Seitenlagerung*. Bauchlage.
2. 10. Ol. Während der Nacht Kochsalz, Magenspülung. Morgens
140 Pulse, Temp 38,5. Puls etwas voller und kräftiger. Subjektiv
besser. Magen bei der Spülung fast frei von Inhalt.
Abends 38,1. Puls 128.
Da keine Galle floss, wurde das Rohr gekürzt, die äusseren Ver-
bandschichten werden gewechselt. Im Laufe des Tages vier Koch-
salzinfusionen, drei Magenspülungen.
3. 10.01. Puls 112, Temp. 37,7. Morgens Kochsalz. Von weiteren
Infusionen , Magenspülungen soll einstweilen abgesehen werden.
Diät: Milch, Fleischbrühe, Wein. (Die akute Mageudilatation rührte
vielleicht von zu starker Tamponade her.) Weiterhin guter Verlauf.
23.11.01. Nach Hause geheilt entlassen.
Epicrise: Der Stein im Hals der Gallenblase Hess sich
funduswärts schieben, der im Cysticus sass fest. Deshalb
Cysticotoraie. Eine Cystectomie ist in solchen Fällen eine zu
eingreifende Operation. Früher habe ich in solchen Fällen von
Cysticotomie nicht tamponiert, doch möchte ich die Tamponade
empfehlen; sie gibt doch grössere Sicherheit.
Nr. 81. L. B., 34j. Malersfrau aus Hecklingen.
Aufgen.: 31. 3. 1900.
Operiert : 9. 4. 1900. Versorgung einer Gallenblasen-
Pylorusfistel. Cysticotomie. Cystostomie.
Entlassen: l5. 5. 1900. Geheilt. Später wieder Be-
schwerden.
Anamnese: Pat. war immer gesund, insbesondere frei von
Magen- und Darmbeschwerden.
Vor ca. 11 Jahren traten zum 1. Male Anfälle von Schmerzen in
der Gallenblasengegend nach dem Rücken ausstrahlend auf, mit Er-
brechen und Fieber, anfangs ohne, später mit Ikterus. Die Anfälle
kamen ohne Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme anfangs bis
3 mal täglich, später seltener, und dauerten jedesmal 3 Stunden. Die
Pausen zwischen den Anfällen wurden immer grösser, V<— V« Jahr.
Vor 5 Jahren suchte sie die Universitätsklinik in Halle auf, um sich
operieren zu lassen, doch wurde ihr die Operation verweigert, da der
Anfall bald gänzlich vorüberging. Seit 4 Jahren frei von Beschwerden.
._ 160 —
Mitte März 1900 plötzlich wieder ein heftiger Anfall von Schmerzen
im rechten Oberbauch und Rücken, Erbrechen, Ikterus, anfangs an-
geblich ohne, später mit geringem Fieber. Der Appetit war schlecht,
der Stuhl angehalten. Der Anfall dauert noch an.
Auf Rat des Herrn Dr. Crampe-Hecklingen kommt sie zur Klinik.
Befund: Ziemlich kräftige Frau in mittlerem Ernährungszustand.
Haut ikterisch. Fat. ist sehr schwach und hat grosse Schmerzen.
Gallenblase als runder, prall gespannter Tumor am unteren Leberrand
fühlbar. Grosse Druckempfindlichkeit derselben. Temperatur 38,4.
Puls 100. Im Urin Gallenfarbstoff, kein Eiweiss.
Diagnose: Akute Cholecystitis.
1. 4. Der akute Anfall ist vorüber. Schmerzen, Fieber, Erbrechen
sind geschwunden. Stuhl bräunlichgelb, Urin enthält noch Gallenfarb-
stoff. Gallenblase nicht mehr zu fühlen, noch leichte Druckempfind-
lichkeit dieser Gegend.
4. 4. Subj. Wohlbefinden. Der Ikterus ist völlig geschwunden.
Diagnose: Abgelaufene Cholecystitis. Steinein der Gallenblase.
Augenblicklich Cysticus und Choledochus frei.
Operation: 9. 4. 1900. Wellenschnitt. Leber nicht verändert,
Gallenblase geschrumpft, wandverdickt, mit Pylorus verwachsen.
Geheilte Gallenblasen-Pylorus-Fistel. Loch iin Pylorns wird über-
näht. Bei der Isolierung der Gallenblase , auf deren erhebliche
Schrumpfung man nicht gerechnet hatte, wird das Ifg. hepato-
daodenale in seiner ganzen Breite isoliert, resp. als Verwachsung
zwischen Gallenblase niid Pylorus aufgefasst und wäre beinahe durch-
schnitten worden, (Choledochus, Vena portarum, Art. hepatica), wenn
nicht noch zur richtigen Zeit die unerwarteten path. anat. Verände-
rungen entdeckt worden wären. Pankreas in gitnzer Ausdehnung
verdickt (Kopf, Körper und Schwanz gleichniässig), sieht aus wie ein
Maiskolben und fühlt sich sehr hart an. (Pankreatitis chron. interst.)
Im Cysticus ein kleiner Stein tastbar. Cysticotomie. Cystostomie.
Geringe Tamponade auf den Cysticusschnitt. Bauchnaht nach Speucer-
Wells. Dauer der Operation ca. 1 Stunde.
Verlauf: Gut.
10. 4. 37,4. Puls 88. Urin spontan, Kollern im Leib. 37,4.
Gänzlich fieberfreier Verlauf. Geringer Gallenfluss.
23. 4. Entfernung der Tampons. Der genähte Teil der Wunde
ist per primam verheilt.
3. 5. Steht auf. Gallenfluss hat aufgehört.
18. 5. Geheilt entlassen. Soll nach neueren Nachrichten wieder
Beschwerden haben, was bei der Allgemeinerkrankung des Pankreas
nicht auffallend ist.
Epicrise: Die ursprüngliche Affektion war die Cholecy-
stitis calculosa. Es ist dann zu einem Durchbruch in den Pylorus
gekommen. Von hier aus wurde die Infektion im Gallensystem
resp. Pankreas unterhalten, daher die Pankreatitis chron-
— 161 —
interst. Der Befund bei Einlieferung in die Klinik hat sich
deshalb so rasch geändert, weil zu dieser Zeit die Infektion er-
losch, das geschwollene Pankreas, die entzündete Gallenblase etc.
sich zurückbildeten. Eine Ectomie habe ich damals nicht vor-
genommen, weil ich die Entstehung einer kompleten Gallen-
flstel fürchtete (Druck des Pankreaskopfes auf den Choledochus).
Doch ist diese Sorge, wie ich mich an späteren Fällen über-
zeugen konnte, fast unnötig.
Neue auftretende Beschwerden in solchen Fällen sind natür-
lich nicht als „Recidive" aufzufassen; nicht von Seiten des
Gallensystems kommen die Rückfälle, sondern von Seiten des
Pankreas. Einstweilen sind wir gegen entzündliche Affektionen
des Pankreas noch ziemlich machtlos, doch scheint eine gründ-
liche Beseitigung des Galleninfekts durch Cystostomie, besser
noch durch Hepaticusdrainage, auf die Pankreatitis einen günsti-
gen Einfluss auszuüben.
Nr. 82. A. D,, 44 j. Postmeister aus Braunlage.
Aufgen.: 19. 1. 1897.
Operiert: 21. 1. 1897. Cysticotomie. Cystostomie.
Incision eines ' Gallenblasendivertikels.
Entlassen: 2. 3. 1897. Geheilt.
Anamnese: Pat. will seitdem Jahre 1875 an Magenbeschwerden
leiden; dieselben stellten sich besonders nach dem Genuss fetter Speisen
ein. Erbrechen und eigentliche Magenkrämpfe traten erst im Jahre 1883
auf. Der Stuhlgang wurde damals unregelmässig, ausserdem bestand
Druckschmerz in der Gallenblasengegend. Da Medizin ihm keine Linde-
rung brachte, suchte er die verschiedensten Heilanstalten auf. Zu-
nächst wurde er im Jahre 1884 in Kaltwasserheilanstalten zu Lauter-
berg und Thale behandelt. Kein Erfolg, daher ging Pat. 1885 nach Karls-
bad. Eine dort durchgemachte 4 wöchentliche Kur brachte ihm Linde-
rung, aber n\xr auf 6 Wochen, dann erneuter heftiger Anfall. In den
folgenden 5 Jahren erfolgten noch mehrere typische Koliken in ganz
verschiedenen Zeiträumen. Das Gefühl von Vollsein will er nie recht
losgeworden sein, 1890 besuchte er eine Naturheilanstalt in Berlin
ohne Erfolg, 1892 machte er in Chemnitz eine Kneippkur durch mit
demselben Resultat, 1896 wurde er 4 Wochen lang von einem „physio-
logischen Chemiker" mit „Schwefel-Kalk-Eisenpräparaten" behandelt.
Nach dieser Kur will Pat. 3 Monate schmerzfrei gewesen sein. Ende
Dezember 1896 wieder heftiger Anfall, Pat. entschloss sich daher zur
Operation. Während der Anfälle soll immer leichter Ikterus bestanden
haben. Der Stuhlgang war dann tonfarben, der Urin bierbraun.
Kehr, Technik der GaHensteinoperationen. H
~ 162 —
Befund: Grosser, kräftig gebauter Mann. Kein Ikterus. Herz-
und Lungenbefund normal. In der Gallenblasengpgend ein hühnerei-
grosser Tumor zu tasten, der sich mit der Atmung verschiebt. Der
Tumor hat glatte Oberfläche und ist von prall-elastischer Konsistenz;
seine untere Grenze steht zwei Finger breit oberhalb des Nabels, die
obere Grenze geht in die Leberdämpfung über. Über dem Tumor ge-
dämpft tympanitischer Schall. Milz und Leber nicht vergrössert. Der
Stuhlgang ist braun gefärbt, ebenso der^Urin; letzterer enthält Spuren
von Gallenfarbstofif, aber kein Eivp'eiss, keinen Zucker. Kein Fieber?
Puls regelmässig, kräftig, 84 Schläge in der Min.
Diagnose: Chron. Cholecystitis, Stein im Cysticus.
Operation am 21. 1. 97. Morphium- Atropin-Chloroformnarkose.
Längsschnitt im rechten Muse. rect. abdomin. vom Rippenbogen nach
abwärts bis zur Höhe des Nabels. Eröffnung der Bauchhöhle, sofort
zeigt sich die prall gefüllte Gallenblase; sie ist mit Netz und Duodenum
verwachsen. Die Verwachsungen werden gelöst, darauf Punktion der
Gallenblase. Es entleeren sich 70 ccm. reiner Schleim. Nachdem die
Punktionsöffnung durch eine etwa l'/ä cm. lange Incision erweitert ist,
gelingt es, mit der Kornzange etwa 8 haselnussgrosse Steine zu ent-
fernen. Arn Gallenblaseuhals sind zwei Divertikel ausgebildet, in
welchen 2 Steine Hegen. Es i.st unmöglich, dieselben iu die eigent-
liche Galleublase zu schieben, daher wird auf sie eiageschnitteu, dann
werden sie extrahiert. Im Cysticus wird ein etwa bohnengrosser Stein
gefühlt; derselbe sitzt so fest der Wand dieses Gauges au, dass er
ebenfalls nur durch lucision des Cysticus entfernt werden kauu. Beide
lucisionswuudeu werden durch Nähte geschlossen. Nachdem man sich
teils durch Sondierung, teils durch Abtastung überzeugt hat, dass keine
Steine mehr zu fühlen sind, wird die Gallenblase an das Peritoneum
parietale angenäht; darauf teilweiser Verschluss der Bauchwunde. Ein-
legen eines dicken Schlauches in die Gallenblase. Verband. Dauer
der Operation P/-2 Stunde.
Verlauf: Völlig fieberfrei. Pat. hat nicht erbrochen, Blähungen
gehen nach 48 Stunden ab. Puls kräftig, 80 Schläge in der Minute.
Doch ist nie Galle, sondern immer nur Schleim geflossen. Die
bei jedem Verbandwechsel vorgenommenen Sondierungen der Gallen-
blase wiesen nie einen Stein nach. Es wird daher angeuouimeu, dass
der Cysticus Yerschwolleu oder obliteriert ist. Die Wundheiluug
schreitet mehr und mehr fort, die Schleimflstel schllesst sich, so dass
Pat. am 2. 3. 97 geheilt entlassen werden kauu. Pat. fühlt sich Immer
wohl, so dass eine Obliteration des Ductus cysticus und der Gallenblase
angenommen werden muss.
Epicrlse: Ich würde jetzt — 7 Jahre später — durch
den Wellenschnitt das (iallensystem mir ordentlich zugänglich
machen und die ganze Gallenblase exstirpieren. Aber man sieht,
dass man auch mit der wesentlich einfacheren Cystostomie aus-
— 163 —
kommt und einen vollen Erfolg erzielt, denn Pat. ist, wie ich
-erst kürzlich erfuhr, ganz gesund geblieben.
III. Die sekundäre Cysticotomie.
Hr, 83. B. St., 33 j. Banquiersfrau aus Unna, Westfalen.
Aufgen.: 1. 12. 1903.
Operiert: 4. 12. 1903. I. Eröffnung der mit der Bauch-
wand verwachsenen, vereiterten Gallenblase. II.
Sekundäre Cysticotomie. 10. 1. 1904.
Entlassen: 7. 2. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat 3 gesunde Kinder. Das
jüngste Kind ist 6 Monate alt. Menses regelmässig.
In der Familie der Mutter vermutlich auch Gallensteinkrankheiten.
Pat. ist immer gesund gewesen bis vor 3 Wochen, doch hat früher
ab und zu mal ganz leichtes Magendrücken bestanden.
Vor 3 Wochen plötzlich sehr heftige Kolikschmerzen, die von der
Magengrube aus beiderseits in den Rücken ausstrahlten und 5 Tage
lang bald schwächer, bald stärker auftraten. Am ersten Tage einmal
Erbrechen. Es bildete sich eine Anschwellung der Gallenblase aus.
3 Tage nach dem Anfall leichter Schüttelfrost, Fieber bis 38,8 {Vji Tage
dauernd). Keine Gelbsucht, doch war der Stuhl, der sonst regelmässig
. und gut gefärbt war, angeblich einmal weiss. Steine im Stuhl nicht
gefunden. Appetit schlecht,- starke Abmagerung. Urin dunkel, in
demselben . kein Zucker, kein Eiweiss, aber Gallenfarbstoff. Pat. fühlt
sich dann wieder wohler, doch bestand Druck in der Gallenblasen-
gegend, öfters Aufstossen. Während der Anfälle und nachher ab und
zu abends Morphium (subcutan und als Zäpfchen).
Herr Dr. Bierbaum-Unna, der eitrige Cholecystitis diagnosti-
zierte, zog Mitte November Prof. Kehr zu einer Konsultation zu.
Daraals bestand bereits Tumor der Gallenblase, doch wurde von sofortiger
Operation abgesehen, dg, eine Rückbildung zu erhoffen war. Da diese
nicht eintrat, Transport nach Halberstadt.
Befund: Grosser, wenig beweglicher, etwas schmerzhafter Tumor
der Gallenblase. Kein Ikterus. Temp. 38,5. Etwas Erbrechen. Im
Urin etwas Albumen.
Diagnose: Empyem der Gallenblase; diese wahrscheinlich schon
mit den Bauchdecken verwachsen.
Operation: 4. 12. 03 in Gegenwart des Herrn Dr. Bierbaum.
Incision. Gallenblase mit Perit. pariet. yerwachsen, enthält Elter und
eiuige Steine. Extraperitoneale Eröffnung. Von einer Revision des
Cysticus wird abgesehen. Einige Nähte. Dauer der Operation ^h Stunde.
18 gr. Chloroform. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose.
Verlauf: 5. 12. 03. Galle läuft ziemlich reichlich, ist fast klar.
7. 12 03. Galle läuft weniger, ist ziemlich trübe. Temp. gestern
Abend 38,2, heute Früh 38,2, abends 38,6.
11*
— 164 —
8. 12. 03. Temp. morgens 37,T, abends 37,7. Pat führt ab.
10. 12. 03. Entfernung des Rohres und der Tampons. AusspUluug'
der Gralleu blase, wobei S kirschgrosse, 3 kleinere und eine Anzahl ganz
kleine Steine herausgespült werden. Wunde sieht sehr gut aus. Ge-
kürztes Rohr in die Gallenblase.
11. 12. 03. Verband etwas durch.
13. 12. 03. Verbandwechsel. Nur wenig Sekret im Verband^
keine Galle. Ausspülung der Gallenblase, keine Steine herausgespült.
'Entfernung sämtlicher Nähte.
30. 12. 03. Einlegen eines Laminariastiftes in die stark verengte
GallenblasenöflFnung. Nachts Morphium.
31. 12. 03, Stift entfernt, Öffnung bis zu Fingerstärke erweitert^
Ausspülung und Sondierung, die bis in den Hals der Gallenblase sich
ausführen lässt, lässt keinen Stein auffinden. Eingiessen von Ol in
die Gallenblase, leichte Tamponade derselben.
1. 1. 04. Keine Änderung. Nochmaliges Anfüllen der Gallenblase
mit Ol und leichte Tamponade derselben.
2. 1. 04. Heute ein langer Laminariastift bis in den Gallenblasen-
hals eingelegt.
3. 1. 04. In der Nacht zu heute wegen Schmerzen Morphium.
Beim Verbandwechsel Stift gut gequollen, es ist aber mit der Sonde
kein Stein zu fühlen. Ausspülung der Gallenblase. Verband.
7. 1. 04. Täglich noch Ausspülung und Sondierung durch die sehr
enge Fistel. Merkwürdigerweise glaubt man heute beim Ausspülen
mit dem Spttlkatheter deutlich einen Stein zu sondieren. Es stellt sich
aber heraus, dass der klingende Ton beim Heraustreiben von Luftblasen
durch den Spülkatheter in die Gallenblase entsteht.
Da alle Bemühungen, den verschliessenden Stein herauszubefördern»
umsonst sind:
II. Operation am 10. 1. 04. in Gegenwart der Herren Dr. Bier-
baum-Unna und Dr. Pagenstecher-Mexico. Längsschnitt in der
Mittellinie vom proc. xiphoideiis bis zum Nabel. Die Gallenblasenflstel war
vorher mit dem scharfen Löffel ausgekratzt, ausgespült und tamponiert
worden. Provisorischer Verschluss der Fistel durch eine Sutnr, die
medial und lateral von der Fistel durch die Haut geht. Im Hal^ der
Gallenblase ein haselnussgrosser Stein, völlig unverschieblich. Deshalb
Cysticotomie. Gallenblase ist mit Duodenum sehr fest verwachsen,
Lösung. Naht der Cysticnsincision durch 5 feine Seidensnturen, die
lang bleiben. Cysticus ist sehr eng, nur für feine Sonde passierbar.
2 Tampons, lateral und medial von der Cysticnsincision. Rohr in die
Gallenblase. Schluss der Bauchwunde. Dauer der Operation l Stünde.
(45 gr. Chloroform.) Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. Der Stein ist
sehr hart und rauh, haselnussgross.
Verlauf: Normal.
11, 1. 04. Es ist etwas Galle gelaufen durchs Rohr.
15. 1. 04. Verbandwechsel. Entfernung des in der Gallenblase
liegenden Rohres, Ausspülung der Gallenblase. Durchs Rohr war täg-
lich nur sehr wenig Galle gelaufen.
— 165 —
17. 1. 04. Leichte Temperatursteigerungen 38,0—38,4°. Verband-
swechsel. Entfernung der Tampons und einzelner Nähte im oberenWundteil
18. 1. 04. Terap. morgens 38,1, abends 38,8. Verbandwechsel. Im
unteren Teil der Wunde eine leichte Fadeneiterung. Appetit schlecht.
19. 1. 04. Temp. morgens 37,6, abends 38,1. Schmerzen am unteren
Teil der Wunde. Reichlich Stuhl.
20. 1. 04. Temp. morgens 38,0, abends 38,3«. Verbandwechsel,
Entfernung sämtlicher Nähte. Einige Fäden im unteren Wundteil
haben etwas geeitert. Zwischen dem unteren Teil der Wunde und
der alten Fistel eine sich bretthart anfühlende, wie ein Polster sich
vorwölbende Anschwellung. Viel Schmerzen am unteren Teil der
Wunde. Sehr schlechter Appetit. Nachmittags einmal reichliches Er-
brechen. Im Verband etwas Galle.
21. 1. 04. Temp. morgens 37,8, abends 38,0. Noch viel Schmerzen.
Vormittags und abends reichliches, galliges Erbrechen. Viel saures
Aufstossen. Verbandwechsel. Befund unverändert.
22. 1. 04. Temp. normal. Schmerzen geringer. Kein Erbrechen
mehr. Verbandwechsel. Stichkanäle secernieren nicht mehr. Die
harte Anschwellung zwischen alter Fistel und unterem Wundteil geht
zurück. Stuhl nach Einlauf. Im Verband ziemlich viel Galle.
24. 1. 04. Heute einmal Erbrechen von etwas Galle und Flüssig-
keit. Etwas Magendruck. Anschwellung neben der unteren Wunde
völlig geschwunden.
26. 1. 04. Kein Erbrechen mehr. Stuhl nach Einlauf. Fat. steht
auf. Bei der Anschwellung neben der unteren Wunde hat es sich
offenbar um eine entzündliche Infiltration der Bauchmuskeln und des
Peritoneum parietale gehandelt, welche einen Reiz auf den Magen aus-
geübt hat. Letzte lange Fäden entfernt. Keine Galle mehr im Verband.
30. 1. 04. Keine Tamponade des Wundtrichters mehr. Befinden gut.
7. 2. 04. Beide Wundtrichter durch Granulationen geschlossen.
Pat. wird als geheilt entlassen.
Epicrise: Es handelte sich um eine akute serös-eitrige
Fig. 7.
Duot.cy8ticus
pundai der
Qalleablaae
Fistel
Cholecystitis, bei der ich ope-
riere, wenn die Erscheinungen
sich nicht gleichmässig zurück-
bilden. In solchen Fällen die
Gallenblase herauszunehmen,
dürfte nicht nur schwer fallen,
sondern auch für den Pat. von
grosser Gefahr sein. Ich habe
den Eiter entfernt, ohne die
Bauchhöhle zu eröffnen: damit
ist meiner Indikation Genüge
getan. Die Steinentfernung er-
folgt während der Nachbehand-
— 166 —
lung oder durch sekundäre Operation. Diese bestand in der
Cysticotomie, da die Ectomie sehr eingreifend gewesen wäre.
Zwischen Fundus und Hals der Gallenblase bestand eine
starke Einschnürung, wodurch es erklärlich wird, dass man
den Stein nicht sondieren konnte. (Siehe Fig. 7.)
IV. Die Cysticectomie
(die Excision des ductus cysticus).
Nr. 84. H. Sp., 31 j. Kaufmannsfrau aus Rathenow.
Aufgen.: 24. 9. 1901.
Operiert: 26. 9. 1901. Ectomie. Cysticectomie.
Entlassen: 29. 10. 1901. Geheilt.
Anamnese: Im Winter 1892 — 93 hatte Pat. im Wochenbett einen
14 Tage lang dauernden, sehr schweren Anfall von Schmerzen in der
Gallenblasengegend, die zum Rücken und den Schultern ausstrahlten.
Kein Erbrechen, kein Fieber, kein Ikterus. Dagegen war der Urin
dunkel, im Stuhl wurden Steinchen gefunden, Entfärbung desselben
wurde nicht beobachtet. Die Anfälle wiederholten sich in kurzen
Pausen. Mai 1893 Karlsbad, danach Ruhe.
Im Winter 1894—95 begannen die Anfälle wieder, deshalb im
Sommer 1895 Karlsbad, danach wieder Ruhe, zur Vorsicht ging Pat,
im Sommer 1896 noch einmal nach Karlsbad. Sie war anfallsfrei bis
vor ca. 1 Jahr.
Im Herbst und Winter 1900—01, etwa alle 4 Wochen, vor Eintritt
der Periode, ein kurzer Schmerzanfall. Pat. achtete anfangs nicht weiter
darauf, Juli 1901 ging sie nach Karlsbad, wo sie zwei derartige Anfälle
hatte, ungefähr 4 Wochen nach der Rückkehr Anfang September ein
sehr heftiger, 5 Tage dauernder Anfall mit folgendem Ikterus, ein
zweiter vor 8 Tagen.
Die Schmerzen sind genau wie beim ersten Anfall vor 8 Jahren, nur
heftiger, Fieber hat Pat. nicht gehabt, Erbrechen soll nur nach Mor-
phium eingetreten sein, sonst nur Würgen und Aufstossen, Ikterus
nur einmal vor ca. 14 Tagen. Der Urin war jedesmal dunkelbraun, im
Stuhl wurden mehrmals Steineben gefunden, bei jedem Anfall soll die
Gallenblase als praller Tumor zu fühlen gewesen sein. Der Stuhl war
immer angehalten, der Appetit ausserhalb der Anfälle gut, keine Ab-
magerung.
Auf Anraten ihres Hausarztes, des Herrn Dr. Grunert-Rathenow,
entschliesst sich Pat. zur Operation.
Befund: Mittelgrosse Frau in gutem Ernährungszustand. Herz
und Lungen gesund. Puls und Temperatur normal. Urin frei. Gallon-
blasengegend etwas druckempfindlich. Kein Tumor, keine Leberver-
grösserung.
Diagnose: Chronisch-recidivierende Cholecystitis.
— 167 —
Operation: 26. 9. Ol. Wellenschnitt. Leber normal. Gallen-
blase gross, prall gespannt. Am Cysticus viele Verwachsungen mit
Duodenum. Nach deren Lösung teils stumpf, teils mit der Coop er-
sehen Schere lässt sich der Cysticus gut isolieren. In ihm 2 kleine,
unverschiebliche Steine. Excision der Gallenblase. In dem zurückge-
bliebenen Cysticusstnmpf fühlt man noch 2 kleine Steine. Cysticec-
tomie bis an den Clioledoclius heran. Dieser frei. Tamponade. Naht.
Verband. Dauer der Operation 35 Min. In der chronisch entzündeten
Gallenblase trübe Galle und 16 kleine Steine.
Verlauf: Noimal.
29. 10. Ol. Wunde noch an kleiner Stelle offen. Kleiner, gut
granulierender Trichter. Entlassen. Will sich zu Hause von Herrn
Dr. Grunert weiter verbinden lassen. Befinden der Pat. ist tadellos.
Epicrise: Macht man in einem solchen Falle eine Cysto-
stomie, so bleiben gewöhnlich die Steine im Cysticus zurück.
Beim Ausspülen der Gallenblase können sie in den Chole-
dochus geraten, dann entstehen komplete Gallenfisteln resp.
Recidive. Für die Kuhn 'sehe Dur'chspülung- der Gallengänge
kann ich mich nicht recht begeistern. Nach meinen Erfahrungen
fängt sich die Spülflüssigkeit meist im Hals der Gallenblase und
kommt gar nicht in die Gänge hinein. Man treibt leicht
infektiöse Keime in die Tiefe, und Kuhn selbst berichtet über
Fälle, die nach der Ausspülung hohe Temperaturen bekamen;
Kuhn ist ein Freund der Cystostomie, er beweist mir damit,
dass seine Erfahrungen noch nicht umfassend genug sind. Er
wird mit der Zeit schon der Ectomie den Vorzug geben und
dann braucht er seine Spülerei, die in vielen Fällen eine „Spielerei"
ist, nicht mehr. Die Gallengänge nach erfolgter Ectomie
von der Choledochusincision aus auszuspülen, das ist allerdings ein
sehr nützliches Beginnen. Die Cysticectomie verdient eigent-
lich nicht als besondere Operationsmethode aufgestellt zu werden,
da jede Ectomie zugleich in einer Excision des ductus cysticus
bestehen soll, um eine gründliche Entfernung aller Steine zu
garantieren und um der Neubildung eines Gallenreservoirs vor-
zubeugen.
Nr. 85, F. E., 68j. Majorswitwe aus Oeyuhausen.
Aufgen.: 18. 6. 1904.
Operiert: 21. 6. 1904. Ectomie. Cysticectomie. He-
patopexie.
Noch in Behandlung.
Anamnese. Pat. hat 5 normale Geburten durchgemacht. Vater,
der viel an Gallensteinkoliken litt, ist an Lungenentzündung gestorben.
— 168 —
Ein Bruder starb mit 45 Jahren, an Gallensteinen. Ein Bruder ist
„magenleidend" und besucht seit 3 Jahren Karlsbad.
Als Kind hatte Pat. eine Lungenentzündung, bald danach Typhus,
später Flecktyphus. Pat. hat sehr viel an rheumatischen Beschwerden
gelitten, besonders viel an Hexenschuss. Seit einigen Jahren Ischias,
die besonders hochgradig im Jahre 1903 auftrat. Von dieser hat sie
jetzt noch ab und zu leichte Beschwerden, dumpfes Druckgefühl längs
des Nervenstammes. Pat. war viel nervös, hatte oft Anfälle von Herz-
schwäche mit Aussetzen des Pulses, viel Ohnmächten und Schwindel-
anfälle. Vor 3 Jahren wurde ein kleines Cancroid der Mundgegend
operativ beseitigt. In den letzten Jahren oft Influenza. Magenkrämpfe
hat sie nie gehabt; ihr jetziges Leiden datiert vielleicht schon einige
Jahre zurück, seit welcher Zeit sie zuweilen einen ausstrahlenden
Schmerz in der Brust und Lebergegend hatte und im Bette nicht auf
der rechten Seite liegen konnte. Pat. hat stets an Verstopfung ge-
litten, hilft seit Jahren dem Stuhlgang mit Rhabarberpillen nach;
dagegen soll der Magen immer gut funktioniert haben. Der Schlaf
ist schon seit längerer Zeit schlecht, Pat. hat viel Schlafmittel genommen.
Im September 1903, während sie an Ischias zu Bette lag, spürte sie
plötzlich krampfartige Schmerzen, die sich vom Magen zur Brust und
zum Rücken hinzogen. Der Arzt dachte an Darmentzündung, es fand
sich bei der Untersuchung der Leib sehr schmerzhaft und eine ver-
härtete Stelle in der Gallenblasengegend. Dabei bestand Fieber. Es
wurden Abführmittel gegeben, Eisblase aufgelegt und Morphiumtropfen
"verordnet. In der Nacht liessen die Schmerzen dann nach. Seitdem
besteht ein ununterbrochener leiser Schmerz in der Gallenblasengegend,
der manchmal in seiner Intensität wechselt. Nie Ikterus, keine Sluhl-
oder Urinentfärbung. Herr Dr. Wegele -Königsborn schickt die Pat.
zur Operation. Ein Arzt hatte geglaubt, einen faustgrossen Stein in
der Gallenblase fühlen zu können.
Befund: Abgemagerte Frau, grosser, sehr druckempfindlicher
Tumor der Gallenblase. Kein Ikterus, Urin frei.
Diagnose: Hydrops event. Empyem der Gallenblase. (Carciuom
am ductus cysticus?)
Operation: 21.6- 1904. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose 1 Std.
(40 gr.) Wollenschnitt. Gallenblase faustgross, gespannt, mit Colon
und Netz locker verwachsen. Trennung mit Schere. 4 Unterbindungen
des blutenden Netzes. Gallenblase lässt sich herauswälzen, wird über
einer Schale angrestochen, doch lässt es sich niclit Termeiden, dass etwas
Eiter über die Bauchdecken resp. über die untergelegten Tampons fliegst.
Sehr viel Eiter in der Gallenblase. Nach gründlicher Reinigung des
beschmutzten Gebietes Abklemmung der Gallenblasenincision. Leichte
Ectomie. Hals der Gallenblase ist mit Duodenum u. lig. hepato-duo-
denale locker verwachsen, enthält einen walnussgrossen Stein. Nach
Isolierung Abbindung des sehr dünnen, langen Cysticus. Dieser wird
bis zum Choledochns frei präpariert und dicht am Choledoclius abge-
schnitten. 2 Tampons. Leberbett blutet lebhaft. 2 Suturen. Dauer
der Operation 'jt Stunde.
— 169 —
Die Gallenblase ist sehr gross, zeigt aufgeschnitten im Fundus
zahlreiche Blutaustritte und Ulcera, im Hals ein decubitales Geschwür.
Cysticus zart und eng. Der Stein sitzt im Hals sehr fest ein-
geklemmt.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt starke Hypertrophie der
Muskulatur. An der Innenfläche Buckel von Granulationsgewebe mit
Epitheleinstülpungen. In den äussern Schichten kleinzellige Infiltration,
teilweise zeigt sich die Muskelwand ersetzt durch narbiges Gewebe ;
daneben sieht man aber doch auch gut erhaltene Schleimhaut, die an
einzelnen Stellen ziemlich starke drüsenähnliche Wucherung des Ober-
flächenepithels zeigt. Diese Stellen erscheinen vielfach zu Gruppen
angeordnet.
Verlauf: Fieberfrei.
24. 6. Verband von Galle durchtränkt, riecht etwas; deshalb
Wechsel der oberflächlichen Verbandsehichten.
4. 7. Entfernung der Tampons, sämtlicher Fäien. Wunde in
bester Verfassung. Allgemeinbefinden ausgezeichnet.
Epicrise: Ein Arzt will einen faustgrossen Stein ge-
fühlt haben: er hat die enipyematöse Gallenblase gefühlt, der
hoch im Hals sitzende Stein war der Palpation nicht zugänglich.
— Ich habe den Eiter durch Iiicision entfernt; es ist be«iser,
denselben zu aspirieren. Die Asepsis wird so besser gewahrt.
-— Der Stein sass im geschwürig veränderten Hals der Gallen-
blase. Der Cysticus selbst war sehr eng und normal, enthielt
klare Galle.
Nr. 86. M. S., 41 j. Kaufmannsfrau aus Wernigerode.
Aufgen.: 21. 6. 04.
Operiert : 23. 6. 04. Ectomie. Oysticectomie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Eine Schwester der Fat. hat an Gallensteinen
gelitten.
Fat. hat mit 17 Jahren Typhus überstanden. Vor 12 Jahren litt
sie an krampfartigen Zuckungen in der rechten Seite des Leibes,
deren Ursache nicht festgestellt werden konnte. Sonst' war sie immer
gesund.
Vor l'/2 Jahrea erkrankte Fat. an einer Neuralgie in der rechten
Schulter. 3 Wochen später bekam sie eine linksseitige Rippenfellent-
zündung. Zugleich zogen die Schmerzen in der rechten Schulter nach
dem Kreuz hin herunter. Eines Nachts trat dann plötzlich ein heftiger
Anfall von krampfartigen Schmerzen in der Lebergegend und beson-
ders der Gegend der Gallenblase auf, dabei Erbrechen, kalter Schweiss.
Fat. war eine kurze Zeit bewusstlos. Dieser erste Anfall im Februar 1903
dauerte IV« Stunden.
— 170 —
Seitdem traten anfangs alle Monate, später seltener die gleichen
Anfälle auf. In den Zwischenzeiten fühlte sich Pat. völlig wohl.
Mai/Juni 1903 Kur in Karlsbad. Danach kein Anfall bis November 1903,
dann wieder neue Anfälle in Zwischenräumen von 6—8 Wochen. Im
Februar 1904 Kur bei einem Homoeopathen in Berlin.
Anfang April 1904 bekam Pat. ein um die andere Nacht regel-
mässig ziemlich heftige Koliken. Mai 1904 Kur in Karlsbad. Dort
wurden die Anfälle schlimmer und dauerten länger. Nach den An-
fällen fühlte sich Pat. verhältnismässig wohl. Nach der Rückkehr
von Karlsbad vor 10 Tagen stellten sich in der letzten Woche wieder
alle 2 Nächte Koliken ein.
Gelbsucht ist nie vorhanden gewesen. Appetit ist massig. Kör-
pergewicht hat erheblich abgenommen. Stuhl ist seit der Karlsbader
Kur regelmässig. Ein Arzt in Karlsbad diagnostizierte nervöse Leber-
kolik. Herr Dr. Fink-Karlsbad riet wegen Gallensteinleidens zur
Operation.
Befund: Elend aussehende Frau ohne Ikterus. Gurkenförmiger,
schmerzhafter Tumor der Gallenblase leicht tastbar, Leber in toio
nicht vergrössert, rechter Leierlappen steht etwas tief. Urin frei.
Diagnose: Chronische Cholecystitis.
Nach 2 mal Ricinus wird der GallenbJasentumor weniger empfind-
lich; er ist nicht mehr so prall gespannt wie beim Eintritt in die
Klinik.
Operation: 23.6.04. Gute Säuerst ofF-Chloroformnarkose. öOMiir
(30 gr. Chloroform). Wellenschnitt. Gallenblase gross, wandverdickt,
am Fundus mit Netz, am Hals, in dem ein grosser Stein steckt, mit
Duodenum verwachsen. Lösung. Leichte Ectomie. Der Cysticns
wird bis an den Clioledochiis heran gespalten, um sicher zn sein, dass
er frei von Steinen ist. Das ist der Fall. Dicht am Choledochii.H
quere Durchschneidnng der Cyslicnsschleimhaut und Enlferunng des
Cysticus, 2 Sutjiren blutender Gefässe. 2 Suturen am Leberbett
(darunter Draht). 2 Tampons. Dauer der Operation 35 Min.
Die excidierte Gallenblase enthält leimartige dicke Galle, ganz
zähe. Im Hals festsitzend ein haselnussgrosser Stein, Schleimhaut
ulceriert, Cysticus ganz eng und fein.
Verlauf: Sehr gut. Am 6. 7. Entfernung der Fäden und Tam-
pons. Wunde in guter Verfassung.
Epicrise: Solche Fälle schicke ich nicht nach Karlsbad,
sondern operiere sie. — Ich habe die Gallenblase exstirpiert,
ohne vorher den Inhalt zu entleeren, doch tut der wenig
geübte Operateur gut, die Entleerung zu machen. Schneidet
er während der Operation die Gallenblase an, so kann leicht
Infektion eintreten. Der Prozess spielte sich nur im Hals
und im Fundus der Gallenblase ab, der Cysticus war ganz
normal.
— 171 —
Nr. 87. E. K., 55j. Kaufmann aus Osnabrück.
Auf gen.: 22. 6. 1904.
Operiert: 24. 6. 1904. Ectomie. Cysticectomie. Appendi-
cectomie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat 1 Kind. Er hat vor 25 Jahren
einmal Blinddarmentzündung gehabt, ist sonst immer gesund gewesen.
Im Juli 1902 plötzlich eines Nachts heftiges Erbrechen, das er auf
eine Verdauungsstörung zurückführte.
Im April 1902 plötzlich eines Nachts heftiger Anfall von krampf-
artigen Schmerzen in der ganzen Oberbauchgegend, dabei Würgen,
Erbrechen. Der Anfall wurde sofort als GallensteinkoHk erkannt und
dauerte mehrere Tage. Auf Anraten des Herrn Prof. Fraenkel-
Berlin gebrauchte dann Fat. im Mai eine 4 wöchige Kur in Karlsbad,
während welcher jedoch verschiedene sehr heftige, bis 3 Tage dauernde
Kolikanfälle auftraten. Fat. verlor damals 17 Ffd. an Körpergewicht
und wog nur noch 140 Ffund, das gleiche Gewicht, das er auch jetzt
noch hat. Danach Kur in St. Blasien (5 Wochen lang), wo es Fat.
sehr gut ging, und er nur einen viel gelinderen Anfall hatte. Dann
aber traten wieder sehr häufige schwere Anfälle auf, in der Woche
durchschnittlich zwei. Im September 1902 gebrauchte Fat. eine 14tägige
Kur bei Schürmayer, bei welcher angeblich viel Gries und eine Menge
seifiger, sich mit dem Federmesser schneidender, weicher Steine abging.
Nach dieser Kur war Fat. P/4 Jahr lang völlig frei von Anfällen
und fühlte sich wohl.
März 1904 trat dann wieder ein leichterer Anfall auf, der einen
Tag und eine Nacht dauerte.
Vor 10 Tagen trat nochmals ein schwerer Anfall auf.
Zur Zeit fühlt sich Fat. schwach und krank.
Angeblich hat 1902 in Karlsbad leichte Gelbsucht in den
Augen und im Gesicht bestanden, Urin war dabei sehr dunkel. Der
Stuhl ist regelmässig, Appetit gut. Herr Dr. Tiemann-Osnabrück
sendet uns den Fat. zu.*
Befund: Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend. Kein
Tumor tastbar. Leber etwas vergrössert. Kein Ikterus. Urin frei.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis.
Operation: 24.6.04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose, 40 gr.
WöUenschnilt. Leber lässt sich etwas hervorziehen. Gallenblase
mittelgross, enthält geringe Mengen trübes Serum und 2 haselnuss-
grosse Steine. Viele Verwachsvmgen mit Netz, Duodenum und Fylorus.
Der letztere ist sehr hoch gezerrt und am Cysticus resp. lig. hepato-
duodenale fixiert. Schwierige Lösimg. Ectomie. Da bei Schiirmayer
fünfzig Steine abgegansrcn sein sollen^ wird dem Cysticus und Chole-
dochus ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der Cysticus wird
bis in den Citoledocling hinein gespalten, nirgends ein Stein. Ans dem
Choledochus fliegst ganz klare Galle. Kein Stein palpabel oder son-
— 172 —
dierbar. Cystlcnsschleimhaut wird dicht am Choledochas quer incidiert
nnd Ton der Unterlage abpräpäriert. Geringe Blatang. Abbindnng
des Cysticus dicht am Choledochus. Appendix verwachsen, chronisch
entzündet, wird entfernt. Dauer der Operation 50 Minuten. 3 Tam-
pons auf das Leberbett. Wegen Iftorschheit der Leber wird, da die
Sntnren darchschneiden, auf die Hepatopexie Terzichtet.
Die Untersuchung der verdickten, ulcerierten Gallenblase ergibt,
dass die Schleimhaut des Halses sich scharf von der des gesunden Ductus
cysticus abhebt; dieser sehr eng und zart. Gallenblase misst im Quer-
durchmesser S'/a cm, ebenso im Längsdurchmesser. Wandung 3 — 4 mm
dick am Fundus; an der der Leber anliegenden Wand 2 linsengrosse,
dicht nebeneinanderliegende, flache Geschwüre. Die übrige Schleim-
haut stark gerötet, feinwarzig, zum Teil mit flachen, glatten Grübchen
versehen. Auch sieht man hier und da mehr weissliche, narbenartige
Züge in der Schleimhaut.
Microsc. Bef un d : Entzündliche Verdickung aller Wandschichten,
Hypertrophie der Muskulatur, starke Entwicklung der musculösen Quer-
bündel; an einzelnen Stellen zeigt sich ein sehr hohes Epithel, an
anderen schwereZerstörungderSchleimhaut mitteilweise vollkommenem
Verlust derselben.
Verlauf: Ganz ohne Reaction.
Pat. hat schon wenige Tage nach der Operation ausgezeichneten
Appetit, trinkt Bier, welches er seit Jahren gemieden hatte, mit dem
grössten Behagen und fühlt sich sehr wohl.
Epicrise: Die 50 Steine, die bei Schürmayer abgegangen
sind, waren sicher keine Gallensteine. Dazu war der Cysticus
viel zu eng und zart. Pat. hat überhaupt nie mehr wie 2 hasel-
nussgrosse Steine gehabt, und der Prozess hat sich stets auf
FuJidus und Hals der Gallenblase beschränkt. Am Zwerchfell
resp. am Subphrenium fehlten die nach Angabe des Kranken
von Schürmayer diagnostizierten Adhäsionen. Die Operation
war schwierig wegen der vielen Verwachsungen ; auch die
Appendix-Entfernung war nicht leicht.
C) Die Operationen am ductus choledochus.
I. Die Choiedocholithotripsie.
Nr. 88. F. R., 40j. Crerichtsdienersfrau aus Tangermüude a. E.
Aufgen.: 26. 1. 1899.
Operiert: 27. l. 1899. Ectomie. Choiedocholithotripsie.
Hepaticusdrainag:e. Hepatopexie.
Entlassen: 19. 3. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Belang. Pat, in früher
Jugend angeblich schon immer viel von Krankheiten heimgesucht,
litt seit der Konfirmation an Magenschmerzen, Vielehe krampfartig ge-
wesen sein sollen, abhängig von Erkältungen und schwerer Arbeit
und von kurzer Dauer waren. Pat. heiratete 81 Jahre alt, war Mutter
zweier Kinder, welche gestorben sind ; 1 Abort. Die Magenschmerzen
wurden mit der Zeit häufiger und heftiger. Nach der Verheiratung besserte
sich der Magen, dann aber veröchlechterte er sich wieder. Im Sommer
1898 stellte sich abends nach dem Essen Magendrücken ein, dessen
Heftigkeit äusserst gross war. Seit Oktober 1898 lag der Appetit
gänzlich darnieder. Im Zusammenhang mit der Menstruation steiger-
ten sich die Beschwerden. Im November 1898 trat nach einem Magen-
krampf Gelbsucht ein. Karlsbader Salz besserte die Gelbsucht. Nach
Weihnachten ging es Frau R. besser; etwa 8 Tage lang war der Appetit
leidlich. Am 19. d. M. abends ein heftiger Schmerzanfall, der in der
Magengegend begann, daun aber besonders in der Lumbaigegend seinen
Sitz hatte; Frau R. erbrach, danach Besserung. Gegen Morgen neuer
Anfall, welcher bis Nachmittag anhielt. Erneuter Anfall seit 22. 1.,
bis derselbe am 24. 1. sehr arg wurde. Am 25. 1. wurde Gelbsucht
bemerkt. Heute (26.' 1.) nur Druckempfindlichkeit in der Magengegend,
keine spontanen Schmerzen. Der Stuhlgang ist gelb, heller als normal,
der Urin war heute früh braun.
Befund: Herz, Lunge etc. normal. In der Gallenblasengegend
ein runder, sehr schmerzhafter Tumor (26. 1. 99). Nach Ricinusöl ist
er am nächsten Tage kleiner und unempfindlicher. Leber etwas ver-
grössert. Geringer Ikterus (leichte Gelbfärbung der Skleren). Im Urin
Gallenfarbstoff.
Diagnose: Akute Cholecystitis. Vielleicht Steine im Chole-
dochus. Ikterus wahrscheinlich entzündlicher Natur (?).
— 174 —
Operation: Chloroformnarkose. Längsschnitt im rechten M.
rectus abdom. Leber beweglich. ' Gallenblase vergrössert infolge Ent-
zündung, welche aber bereits wieder im Rückgang ist. Aspiration
des Gallenblaseninhaltes: schleimige, dunkle Galle. Incision der Blase,
Tamponade derselben. Freilegung der mit dem Magen verwachsenen
Gallenblase bis zum Cysticus. Im Choledochusoin Concrement nachweis-
bar, daher Incision nach dem vergeblichen Versuch, den Stein in die
Blase zu drücken. Unfreiwillige Choledocholithotripsle, Entleerung der
Trümmer. Extractlon kleiner Steine aus der Blase. Abtragung der
Blase nach Trennung von der Leber. . Versucii der Sondierung des
Choledochns vom Cysticus aus gelingt nicht. Isolierte Catgutligatur
von duct. cysticus und Art. cystica. Partielle Naht des Choledochus.
Drainage des Hepaticus durch kleinfingerdickes Rohr. Hepatopexie
durch 6 Catgutnähte. Tamponade. Schluss der Bauchwunde mit
Spencer WelPs Naht. Verband. Dauer 2'/* Stunden.
Verlauf sehr gut. Drainage funktioniert ausgezeichnet. Am
10. Tage Entfernung des Rohres. Dann täglicher Verbandwechsel und
Ausspülen des Hepaticus, wohei immer noch einige Concremente zum
Vorschein kommen. Ikterus bald fort. Appetit gut, vom 15. Tage
an fliesst wenig Galle nach aussen. Die ^Choledochusfistel schliesst
sich rasch. Am 19. 3. entlassen.
Epicrise: Die Steine in der Gallenblase und im Cysticus
waren klein wie Traubenkerne, der im Choledochus gross wie
eine Nuss. Dieser Stein sass schon lange Zeit im Choledochus,
der sehr erweitert war (Daumenstärke) und dünne Wandungen
hatte. Er hat symptomenlos im Choledochus gelegen: die
Latenz der Steine im Choledochus mag nicht so häufig vor-
kommen, wie die in der Gallenblase, aber sie ist sicher häufiger
als man glaubt. Die bestehende akute Cholecystitis setzte
sich auf den Choledochus fort und brachte den dort befind-
lichen, seit Monaten oder länger ruhig liegenden Stein in Be-
wegung. Die Hepaticusdrainage habe ich der Naht, die ver-
sucht wurde, vorgezogen, weil immer wieder Galle sich durch-
pressen wollte und aus dem Hepaticus deutlich trübe Galle
abfloss. Die Einmündung des Cysticus war übrigens ziemlich
tief im Choledochus, so dass die Incisionsstelle im Choledochus
leberwärts vom Cysticus, also im Hepaticus lag. Der Gang
war sehr eng. Die Hepaticusdrainage war auch deshalb indi-
ciert, weil der Stein in Trümmer gegangen war und bei einer
Naht leicht ein Recidiv hätte eintreten können.
— 175 —
II. Die Choledochotomie mit Naht.
1. Die primäre Choledochotomie mit Naht.
Nr. 89. R. W., 43 j, Lehrer aas Welslebeii.
Aufgen.: 6. 1. 1897.
Operiert: 8. 1. 1897. Choledochotomie mit Naht und
Cystostomie (Schlauchverfahren).
Entlassen: 10. 2. 1897. Geheilt.
Anamnese: Pat. wurde von Herrn Dr. Stephan in Welslebon
■der Klinik überwiesen. Er will aus gesunder Pamille stammen uud
bis vor einem Jahre gesund gewesen sein. Um diese Zeit stellten sich
Schmerzen in der Magengrube ein, die nach dem Rücken hin aus-
strahlten. Kein Erbrechen, der Stuhlgang war angehalten. Besonders
heftige mehrstündige Koliken hatte Pat. am 2. Oster- und Weihnachts-
feiertag durchzumachen. Damals war auch Ikterus aufgetreten; der
Stuhlgang war während der Anfälle grau, der Urin braun gefärbt.
Seiner Schmerzen wegen suchte W. Karlsbad Mitte Juli auf. Eine
dort durchgeführte vierwöchentliche Kur brachte ihm nur wenig Lin-
derung. Der beständige Schmerz veranlasste ihn schliesslich, sich zur
Operation zu entschliessen.
Befund: Grosser, abgemagerter Mann; Conjunctiven leicht ikte-
risch. Sonst kein Ikterus. Herz- und Lungenbefund normal. In der
Oallenblasengegend Druckempfindlichkeit, aber kein Tumor zu tasten.
Die Leber überragt um 2 Querfinger den Rippenbogen. Keine Milzver-
grösserung. Der Urin ist von brauner Farbe, enthält kein Eiweiss,
keinen Zucker, aber Gallenfarbstoflf. Der Stuhlgang ist braun gefärbt.
Kein Fieber, Puls regelmässig, kräftig, 82.
Diagnose: Wahrscheinlich Stein im Duct. choledochus ; Adhäsionen.
Operation am 8. 1. 97. Morphium -Atropin-Ohloroformnarkose.
Läugsschuitt im rechten Miisc. rect. abdomln. Eröffnung der Bauch-
höhle, Schutz derselben durch eingelegte Kompressen. Erst nach
mühevollem Lösen zahlreicher fester Verwachsungen zwischen Darm,
Netz, Magen und Gallenblase gelingt es, letztere zugänglich zu machen.
Um bequem zu ihr zu gelangen, ist es nötig, zur ersten Iiicisioii senk-
recht, eiue zweite in Hiihe des Nabels bis zur Uinschlagsfalte döS Peri-
toneums zu führen. Jetzt erblickt man hoch oben an der Unterfläche
der Leber liegend die wenig gefüllte, geschrumpfte Gallenblase. Bei
der Punktion werden etwa 10 ccm trübe, eitrige Galle entleert. Die
Gallenblase wird angeschlungen und durch einen 3 cm langen Schnitt
an ihrem Fundus vollständig eröffnet. Der Duct. cysticus ist stark
verdickt, er fühlt sich steinhart an, ist aber frei von Steinen. An der
Einmündungsstelle desselben in den Ductus choledochus fühlt man
deutlich einen etwa taubeneigrossen Stein. Es wird auf denselben
eingeschnitten und iie Incisionswunde, nachdem der Stein extrahiert
ist, durch 4 Nähte geschlossen. Die zuvor vorgenommene Sondierung
~ 176 —
des Choledochus ergibt, dass dieser Gang sowohl nach dem Darm, wie
nach dem Duct. hepaticus zu diie Sonde frei passieren lässt. In die
Oallenblase wird ein langes Rohr gelegt. Ein Einnähen derselben in
das Peritoneum ist ihrer Lage wegen unmöglich. Die Umgebung der
Gallenblase, wie die des Choledochus wird fest anstamponiert, die
Bauchwunde selbst zum grössten Teile diuroh Nähte geschlossen. Ver-
band. Dauer der Operation 2 Stunden.
Verlauf: Am Morgen nach der Operation Temp. 39,4, Puls sehr
beschleunigt, klein. Heftiges Erbrechen rotbrauner Massen. Der Leib
ist weich, nicht aufgetrieben. Galle fliesst nicht. Pat. ist sehr un-
ruhig. Urinmenge am ersten Tage 600 ccm, sehr konzentriert, enthält
viel GallenfarbstoflF. Darreichung von Excitantien. Dieser Zustand
hält 4 Tage an; höchste Abendtemp. 39,3, höchste Morgentemp. 38,7,
Puls wechselt zwischen 125 und 144. Plötzlich am 5. Tage ist die
J'lasche zur Hälfte mit Galle gefüllt. Die grosse Unruhe, unter der
Pat. sehr zu leiden hatte, ist geschwunden. Die Abendtemp. beträgt 38,2,
am andern Morgen ist Pat. völlig fieberfrei; kein Erbrechen. Spontaner
Abgang von Blähungen. Beim ersten Verbandwechsel, vorgenommen
am 19. 1., zeigt sich eine gut granulierende Wundhöhle. Die Naht des
Duct. choledoch. hat gehalten; in die Gallenblasenöffnung wird von
neuem ein Rohr geschoben, ringsum Tamponade. Pat. erholt sich
nun zusehends; am 29. 1. verliess er zum ersten Male das Bett. Die
Wunde verkleinert sich mehr und mehr. Die Gallenfistel hat sich am
31. 1. geschlossen. Am 10. 2. 97 wird Pat. mit einem granulierenden
Wundstreifen aus der Klinik entlassen. Die am 17. 2. 98 von dem
sehr dankbaren Pat. eingelaufenen Nachrichten bekundeten, dass er
sich des besten Befindens erfreut.
Epicrise: Ein Fall, bei dem ich noch die Choledochus-
incision genäht habe; die Folge davon war eine Stauung der
Galle im Hepaticus, wodurch ein sehr bedrohlicher Zustand
den Pat. in grosse Gefahr brachte. Jetzt würde ich Hepaticus-
drainage vornehmen und mir dadurch derartig sorgenvolle
Stunden ersparen.
Nr. 9(). J. S., 53 j. Arbeitersfrau aus Quedlinburg.
Aufgen.: 23. 9. 1903.
Operiert: 25. 9. 1903. Ectomie. Cysticotomie. Ent-
fernung eines Choledochussteines vom Cysticusquer-
schnitt aus.
Entlassen: 28. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Eltern in hohem Alter gestorben. Geschwister ge-
sund. Ist Mutter von 6 gesunden Kindern, 4 Kinder an den Kinder-
krankheiten gestorben; alle 10 Geburten normal; war nie unterleibs-
leidend. Pat. war bis vor 21 Jahren gesund; damals hatte sie zum
1. Male einen Magenkrampf, der aber leicht verlief, ohne dass sie
— 177 —
bettlägerig wurde. Kein Erbrechen, kein Ikterus, nur etwas Dunkel-
färbung des Urins. Solche Anfälle hatte nun Pat. im Laufe der Jahre
in bald kürzeren, bald längeren Pausen. Vor 2 Jahren trat der Anfall
zum 1. Male so heftig auf, dass sie bettlägerig wurde für 3 Wochen;
damals angeblich auch Fieber und Schüttelfrost. Urin braun, Stuhl
hell, Ikterus. Der Arzt stellte Gallensteinleiden fest und verordnete
Pulver und Umschläge. Vor 1 Jahre ein gleich schwerer Anfall unter
den gleichen Erscheinungen. Wieder 3 Wochen arbeitsunfähig. Danach
die Anfälle wieder leichter. Letzter Anfall vor 4 Tagen, dauerte bloss
3 Stunden.
Da ihre Arbeitsfähigkeit herabgesetzt ist (Pat. hat 28 Pfund an
Gewicht abgenommen), entschliesst sich Pat. auf dringendes Anraten
ihres Arztes, des Herrn Dr. Strokorb, endlich zur Operation.
Befund: Dicke Frau ohne Ikterus. Leber massig gross. Kein
Gallenblasentumor. Gallenblasengegend druckempfindlich. Urin frei
von Eiweiss, enthält etwas Gallenfarbstoff.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 25. 9. 03 in Gegenwart der Herren Prof. Lejars-
Paris und Dr. Münnich-Chile. Wellenschnitt. Sauerstoff-Chloroform-
narkose 80 Min. (40 gr. Chloroform), im Anfang durch Collaps gestört,
sonst gut. Gallenblase klein, geschrumpft, am Fundus mit Netz ver-
wachsen, enthält viele Steine, ist am Hals narbig verengt, wird
excidiert. Im Choledochns ein kirschkerngrosser Stein fühlbar, mit
der Sonde vom Cysticnsqnerschnitt aus leicht tastbar. Die Kornzange
fasst den Stein und entfernt ihn. Cysticus mUndet sehr tief im Chole-
dochns, fast retrodnodenal, so dass eine Choledochusiucision ohne Ver-
letzung des Duodenums nicht gut möglich gewesen wäre. Deshalb
musste auch auf die Hepaticusdrainage verzichtet werden. Der Cysticus
wird vernäht. Schwere Blutstillung der art. cystica. 2 Tampons.
Naht, Verband. Dauer der Operation 1 Stunde. Die Gallenblase ent-
hält Schleim und Eiter und ca. 40 kleine Steine. Der Befund ist fol-
gender (pathol. Institut in Marburg):
Die übersandte Galle>iblase zeigt an ihrem Fundus eine divertikel-
artige Ausstülpung, die eine unregelmässige fetzige Höhle darstellt,
welche von schwieligem Bindegewebe und einem Stückchen Lebergewebe
umgrenzt wird. Die Ränder dieser breit mit der Gallenblase kom-
municirenden Höhle sind eigentümlich gelb gefärbt.
Mikroskopisch besteht die Wand der Höhle aus einem grosszelligen
Granulationsgewebe, dessen Zellen vielfach auf das dichteste mit fein-
körnigem Fett erfüllt sind. Bösartige Wucherungen des Epithels,
welches erst am Übergang zur Gallenblase auftaucht, sind nicht zu
finden. Es handelt sich also um ein grosses perforierendes Ulcus. Im
übrigen ist die Schleimhaut mit cylindrischem Epithel bedeckt, das
nur hier und da einzelne Defekte aufweist und vielfach basale Fett-
resorption zeigt. Die Mucosa etwas zellreicher als normal, Muskulatur
kräftig entwickelt, Fasern förmlich hypertrophisch, viel Bindegewebe.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 12
— 178 —
Verlauf: Fieberfrei.
16. 10. 03. Pat. steht auf. Wundtrichter secerniert wenig, sieht
rein aus.
27. 10. 03. Es besteht nur noch oberflächliche Granulation, die
geätzt wird.
28. 10. 03. Geheilt entlassen.
Epicrise: Der Stein steckte gewiss schon 2 Jahre im
Choledochus; der- behandelnde Arzt hatte eine ganz richtige
spezielle Diagnose gestellt, obgleich Ikterus zur Zeit fehlte.
Anfangs fühlte man den Stein im Choledochus, dann nicht mehr;
auch die Sonde fühlte ihn nicht. Leicht lässt man solche
Steine zurück, dann ist das Recidiv fertig. Eine Hepaticus-
drainage war unmöglich, weil der Cysticus tief, fast retro-
duodenal in den Choledochns mündete. Hätte man den Stein
nicht vom Cysticusquerschnitt aus fassen könnea, so hätte man
den Hepaticus incidieren (Hepaticotomie), den Stein entfernen
und dann von der Hepaticusincision aus die Drainage des
ductus hepaticus ausführen müssen.
Nr. 91. J. N., 28 j. Technikersfrau aus Magdeburg.
Aufgen.: 24. 2. 1903.
Operiert: 25. 2. 1903. Choledochotomie mit Naht. Ec-
tomie. Cysticotomie.
E:ntlassen: 1. 4. 1903. Geheilt.
Anamnese: Ein Bruder leidet seit 2 bis 3 Jahren wahr-
scheinlich auch an Gallensteinen. Nach der Geburt des 1. und 2.
Kindes, vor 10 und 7 Jahren, hat Pat. längere Zeit an Rückenschmerzen
gelitten.
Vor 4 Jahren bekam Pat. einen Anfall von kolikartigen Schmerzen,
die vom Rücken her nach rechts und dann ringsliorum bis in die Magen-
gegend ausstrahlten. Die Anfälle wiederholten sich alle paar Monate,
traten vor 2 Jahren sogar eine Zeit lang alle 14 Tage auf. Sie dauerten
ein paar Stunden bis '/« Tag lang und verschwanden dann wieder nach
heissen Umschlägen und Morphium-Pulvern. Pat. machte ausser Karls-
bader Kuren eine Ölkur und verschiedene Kuren mit „Hausmitteln"
durch. Seit 2 Jahren stellten sich die Anfälle wieder nur alle paar
Monate ein, der vorletzte im September 1902, die beiden letzten
kurz hintereinander vor 4 Wochen. Diese letzten beiden dauerten
etwa je '/« Tag lang. Zugleich mit ihnen trat eine Schwellung der
Gallenblase ein, die bereits früber, vor 2 Jahren, schon einmal bemerkt
wurde. Diese Anschwellung besteht jetzt noch, macht aber der Pat.
keinerlei Beschwerden, vielmehr fühlt sich Pat. zur Zeit völlig wohl.
Fieber hat bei den Anfällen nie bestanden, Erbrechen ist 1—2 mal
— 179 —
nur aufgetreten. Leichte Gelbsucht war einmal bei einem Anfall vor
2 Jahren vorhanden. Stuhl ist immer gut gefärbt, in demselben sind
im ganzen über 100 kleine, kantige Steine von ca. 2 cbmm. Grösse
gefunden worden.
Befund: Leber gross, gesenkt, Gallenblase deutlich palpabel.
Urin frei. Kein Ikterus.
Diagnose: Hepatoptose, Hydrops der Gallenblase.
Operation: 25. 2. 03. Wellenschnitt. Leber gesenkt, Gallen-
blase gross, prall gespannt, enthält im Hals einen haselnussgrossen
Stein. Verwachsungen zwischen Hals der Gallenblase und Duodenum
werden gelöst. Ectomie. Spaltung des Cysticus und Choledochus.
Dieser sehr eng und leer. Hepaticus eng, so dass nvu: ein mittelstarker
Nelaton eingeführt werden kann. Da bei Hepaticnsdrainage die Heilung
der langen Choledochnsincision sehr lange dauern würde, wird die
€holedochnsincision tunlichst geschlossen. Tamponade. Bauchnaht.
Dauer der Operation 55 Min. , eine starke Veuenblutnng bei der
ClioledochusincisioH hatte ziemlich lang aufgehalten. Die herausge-
schnittene Gallenblase ist chronisch entzündet, im Hals steckt ein
haselnussgrosser Stein, dahinter im sehr engen Cysticus 2 kleine
kantige Steine. Ca. 120 kleine und mittelgrosse Steine in der Gallenblase.
Verlauf: Gut.
28. 2. 03. Temp. morgens 38,0, abends 37,9. Terband mit GaUe
durchtränkt. Wechsel der oberen Lagen. Befinden gut.
1. 3. 03. Spontan 2 mal Stuhl. Temp. normal. Verband täglich
mit Galle durchtränkt. Ikterus noch vorhanden.
2. 3. 03. Verband heute trocken. Ikterus geht zurück.
6. 3. 03. Verband seit 5 Tagen trocken, heute durchtränkt. Ver-
bandwechsel. Kein Ikterus mehr. Befinden gut.
11. 3. 03. Verband meist 2— 3 Tage trocken. Befinden gut. Heute
I.Verbandwechsel. Entfernung der Tampons, der Fäden (bis auf den
Faden der A. cystica) und der Nähte. Wunde sieht sehr gut aus. Tampons,
besonders die im Leberbett, sassen etwas fest, sind mit reiner Galle
durchtränkt. Ausspülung. Tamponade.
13. 3. 03. Verband &tark mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel
{oberflächliche Schichten). Befinden gut. Stuhl braun.
17. 8. 03. Verband 4 Tage trocken. Galle läuft wenig. Wunde
sieht gat aus, verkleinert sich. Tamponade. Verband. Pat. steht auf.
21. 8. 08. Verband trocken. Verbandwechsel. Galle läuft kaum
noch. Letzter Faden wird entfernt. Wunde verkleinert sich schnell,
bildet nur noch einen nicht mehr sehr tiefen, kleinen Trichter.
24. 3. 03. Galle läuft nicht mehr.
1. 4. 03. Pat. wird mit kleinem granulierenden, flachen Wund-
trichter als geheilt entlassen.
Untersuchung der Gallenblase im Pathol. Institut zu Göttingen:
Die Schleimhaut ist hochgradig atrophisch, die Muskularis verdünnt,
das Oberflächenepithel verloren gegangen. Hier und da findet sich
deutliche Narbenbildung an der Innenfläche.
12*
— 180 —
Epicrise: Weil ca. 108 kleine Steine abgegangen waren
und solche im Clioledochus ' stecken konnten, wurde Cysticus
und Choledochus gespalten. Das war, wie sich herausstellte,
nicht nötig, aber lieber gründlich operieren und einmal den
Choledochus umsonst aufschneiden, als Steine dort übersehen.
Die Choledochusincision wurde geschlossen, da die Heilungs-
bedingungen dadurch gebessert wurden. Hätte man cystosto-
miert, so hätte man die kleinen Steine im Cysticus sicher zurück-
gelassen.
Nr. 92. A. A., 49 j. Banqniersfran aus Kassel.
Aufgen.: 18. 6. 1898.
Operiert: 21. 6. 1898. Choledochotomie mit Naht.
Entlassen: 4. 9. 1898. Geheilt.
Anamnese: Eltern der Pat. tot, 3 Schwestern leben und sind
gesund. Pat. heiratete 1885, ist Mutter von 1 Kind (geb. 1889); vor
11 .Jahren während einer Gravidität Eklampsie, welche mit Fehlgeburt
endigte. Seit 2 bis 3 Jahren Magenbeschwerden, welche selten auf-
traten, Magendrücken, später krampfartig. Ende Januar 1898 nach
einem Diätfehler das 1. Mal Anfall von Magenkrampf, verbunden mit
Erbrechen; der Schmerz dauerte einige Stunden, darauf Reise nach
Berlin, dort sehr häufige Schmerzanfälle ohne Gelbsucht. 23. Februar
erste wirkliche Kolik; dieselben wiederholten sich häufig, keine Gelb-
sucht. Anfang März stellte sich Gelbsucht ein, deren Intensität wech-
selte bis zu völliger Entfärbung der Haut. Die Koliken hinterliessen
in den Zwischenzeiten unbehagliche Empfindung in der rechten Ober-
bauchgegend. Viel Morphium, heisse Umschläge, Öl innerlich. Ende
Mai Reise nach Karlsbad; sofort nach Beginn der Kur stellten
sich andersartige Schmerzen, intermittierendes Fieber imd Gelbsucht,
Gürtelschmerz und Kreuzschmerz ein. Diese Gelbsucht blieb in etwas
wechselnder Stärke, ohne je ganz aufzuhören: kein Kurgebrauch mehr,^
Kot meist entfärbt, doch bisweilen vollständig normal. Abmagerung
während der ganzen Kranklieit ca. 40|Pfd, in Karlsbad allein 8 Pfd.,
hauptsächlich durch das reichliche. Erbrechen während der Koliken.
Urin, öfters untersucht, frei von Eiweiss und Zucker befunden. Herr
Dr. Spitz er- Karlsbad dringt auf die Operation und überweist die Pat.-
der Klinik.
Befund: Mittelgrosse, ikterische Dame mit starkem Panniculus,
Organe ohne Besonderheiten, Herz etwas vergrössert, Töne rein, Harn
frei von Eiweiss und Zucker, enthält GallenfarbstofT. Gallenblasen-
gegend kaum druckempfindlich, Leber nicht vergrössert, kein Tumor
palpabel.
Diagnose: Lithogener Choledochusverschluss.
Operation: Chloroformnarkose unruhig, 1'/« Stunden. Grosser
Längsschnitt im rechten M. rectus, Stauungsleber derb, ikterisch, nicht
— 181 —
vergrössert, Gallenblase verwachsen mit Netz und Magen, geschrauipft,
ohne Steine, bleibt nneröffnet; der Choledochus, welcher nach
Lösung der Adhäsionen, die zumal in der Cysticusgegend entwickelt
sind, gut zugänglich ist, erweitert auf fast Kleinfingerdicke; grosser
Stein, bald gefühlt im retrodnodenaien Teil, wird durch das bimunnelle
Verfahren heraufgedrückt. Incision im supraduod. Teil des Chole-
dochus, Extraktion eines länglichen gelben, granulierten Cholestearin-
steins von Pfirsichgrösse. Es fliesst sofort klare Galle aus der Öffnung,
Sondierung weist weitere Steine nicht nach. Naht des Schnittes mit
7 feineu Seideufädeu, Tnmpouade auf die Nahtstelle, geschrumpfte
Oallenblase bleibt unberührt, Bauchdeckennaht über der Leber mit
Durchstichknopfnähten, in der Mitte Öffnung zur Herausleitung der Gaze,
unterer Teil der Wunde vernäht mittelst Muskel-Fascien-Peritoneal-
nähten, Hautnähte.
Der Verlauf war insofern gut, als die Choledochusnaht hielt und
niemals Galle austrat, der Kot braun, der Urin gallenfarbstoffrei wurde
und der Ikterus verschwand. Temperatursteigerungen traten nur ganz
vorübergehend auf und erreichten nicht mehr als 38,0°. Dagegen ging
die Heilung der Wunde nicht ganz in erwünschter Weise von statten.
Die Hautnähte eiterten, und nach ihrer Entfernung am 30. 2. beim
ersten Verbandwechsel wich die Hautwunde auseinander. Sie musste
der Heilung per granulationem überlassen werden. In der Folge
mussten häufige Verbandwechsel stattfinden, dabei wurden einige der
tiefen Nähte extrahiert. Das Allgemeinbefinden von Frau A. war stets
vorzüglich, der Appetit war sehr gut. Fat. nahm zu ihrem Miss-
vergnügen sogar au Körpergewicht zu. Am 4. 9. wurde Fat. ent-
lassen, nachdem die Wunde sich bis auf einen schmalen Granulations-
streifen zusammengezogen hatte. Ihr Sohn, selbst Chirurg, verbindet
sie in der Heimat. Der Ikterus war bereits innerhalb 2 Wochen nach
der Operation verschwunden.
Epicrise: Pat. hatte bei ihrer Aufnahme nur Ikterus, die
in Karlsbad so häufig aufgetretenen Fieberattaquen waren vor-
über, sie fühlte sich so wohl, dass sie von einer Operation
nichts wissen wollte. In einem solchen Fall muss man — wenn
der Tastbefund negativ ist — auf Grund der Anamnese die
Diagnose und die Indikation zur Operation stellen. Mir unter-
lag es gar keinem Zweifel, dass chronischer lithogener Chole-
dochus verschluss vorlag, und deshalb konnte ich nur zur Ope-
ration raten. Auch hier war die Incision des retrodnodenaien
Teiles des Choledochus durch das „bimanuelle Verfahren"
unnötig. Ich habe in diesem Fall die Gallenblase nicht eröffnet,
da sie geschrumpft, leer und klein war, würde sie aber heute
doch entfernen, da man sich auf diese Weise am besten vor
Entzündungsrecidiven sichert.
— 182 —
Nr. 93. M. B., 27 j. Lehrerin aus Eisenach.
Aufgen.: 24. U. 1897.
Operiert: 26. 11. 1897. Choledochotomie mit Naht.
Ectomie.
Entlassen: 30. 12. 1897. Geheilt.
Anamnese: Eltern der Pat. sind tot, von den 5 Geschwistern
leben noch 4, sie sind gesund. Pat. litt von Kindheit an an Magen-
beschwerden, welche später in Magenkrämpfe übergingen (1886). Vor
beinahe 4 Jahren erfolgte ein Magenkrampfanfall mit Gelbsucht. Der
Sitz des Schmerzes war die Mittellinie oberhalb des Nabels. Anfangs
dauerten die Schmerzen 2 Stunden, später bis zu 2 Tagen. Anfälle
mit Gelbsucht — zweiter 1896 — sind ca. 8 aufgetreten. April und
Mai 1897 machte Pat. in Karlsbad eine Kur durch, die den Erfolg
hatte, dass die Koliken wegblieben, dagegen blieben Druckgefühl, Stiche,
Rückenschmerzen bestehen. Der Mangel an Leistungsfähigkeit in
ihrem Lehrberuf veranlasst Pat., in die Klinik zu kommen; auch Herr
Prof. Seydel-Jena hatte der Pat. im Oktober 1897 geraten, sich
operieren zu lassen. *
Befund: Massig grosse, hagere Pat. mit starkem Ikterus. Herz,
Lungen normal, Stuhl ganz hell, im Harn aber verhältnismässig wenig
Gallenfarbstoff. In Narkose fühlt man von rechts her in die Mittel-
linie reichend und bis zum Nabel sich erstreckend eine harte Geschwulst.
Diagnose: Cholelithiasis und Empyem, chron. der Gallenblase.
Choledochusstein.
Operation: Chloroformnarkose, ca. 120 gr., Dauer 2 Stunden
(ohne Narkoseeinleitung und Verband l'/a Stunden). Längsschnitt von
ca. 8 cm Länge im rechten M. rectus abdominis ; man findet die aus-
gedehnte Gallenblase, Bei der Punktion wird rötlicher dicklicher Eiter
entleert — chron. Empyem. Nach Incision der Blase entleert man
9 Steine, der 10. verschliesst den Cysticus, lä^st sich aber vordrücken
und mit der Kornzange herausziehen. Der Choledochus ist erweitert
bis auf Dünndarmlumen, er wird erst mit Hülfe der Probepunktion
als solcher erkannt. Hinter dem Duodenum liegt im Choledochus ein
grosser Stein (fast walnussgross). Dem Drnck der Finger weicht er
nicht; deshalb Schnitt im snpradnodenalen Teil des Choledochns. Der
linlie Zeigefinger wird in den Clioledochus geführt, mit der rechten
Hand wird von den Banchdecken ans der Stein durch bimannelles Ver-
faliren gelockert und hochgedrUckt, so dass es gelingt, das Concrement
mit der Kornzange zu fassen und zu extrahieren. Naht der Chole-
dochusincision. Die Blase wird wegen Erkrankung ihrer Wand exstir-
piert, der Cysticusstumpf übernäht. Gazetamponade. Naht der Bauch-
wunde. Verband.
Die Gallenblasensteine sind erbsen- bis haselnussgross, der
Choledochusstein fast walnussgross.
— 183 —
Der Verlauf ist sehr gut (höchste Abendtemperatiir 37,9°). Am
30. 12. 97 wird Pat. mit gut granulierender Wunde nach Hause ent-
lassen mit der Weisung, sich dort verbinden zu lassen.
Epicrise: Das in diesem Fall geübte bimanuelle Ver-
fahren machte die Ablösung des Duodenum und seine Ver-
drängung nach links zwecks Incision der retroduodenalen Partie
des Choledochus unnötig.
b) Die sekundäre Choledochotomie mit Naht
(nach vorausgegangener Cystostomie).
Nr. 94. E. A., 4öj. Arbeitersfrau aus Aderstedt.
Aufgen.: 21. 8. 1896.
Operiert: 26. 8. 1896. I. Cystostomie.
IL Sekundäre Choledochotomie mit Naht. 27. 9. 1896.
Entlassen: 27. 10. 1896. Geheilt.
Anamnese: Pat., seit 4 Jahren gallensteinleidend, isl seit einer
Woche schwer krank. Ihre früheren Anfälle, ca. 4 jedes Jahr, be-
standen nur in Magenkrämpfen ohne Ikterus, diesmal traten heftige
Rückenschmerzen auf mit Fieber und „unbeschreiblicher" Schmerz-
haftigkeit in der Lebergegend. Der behandelnde Arzt, Herr Dr.
Klavehn, stellt die Diagnose auf serös-eitrige Cholecystitis und rät
zur schleunigen Operation.
Befund: Grosse Gallenblase, druckempfindlich. Dabei starker
Ikterus. Wegen der Gelbsucht wird mit der Operation gewartet, aber
die Gelbsucht wich nicht, der Allgemeinzustand hob sich nicht, das
Fieber wurde immer höher. Deshalb
I. Operation: am 26.8. Cystostomie. Eitrige Cholecystitis. Im
Hals der Gallenblase oin^walnussgrosser Stein. Extraction von der Fistel
aus. Dauer der Operation 40 Min. Von einer Revision des Choledochus
miisste abgesehen werden, da Pat. sehr schwach war nnd ich bei dem
putriden Eiter eine Incision des Choledochus scheute.
Verlauf: In den ersten Tagen läuft keine Galle, nur Schleim ; die
Temperatur fällt bis auf 37,5". Am 3. Tage reichlicher Gallenfluss, der
fortwährend anhält. Am 5., 8., 12. 9. Stöpselexperimeut. Danach stets
Kolik, Fieber, Erbrechen. Stein im Choledochus wahrscheinlich.
II. Operation : Am 27. 9. sekundäre Choledochotomie. Gaze in
die Gallenblase. Eröffnung der Bauchliöhle in der Mittellinie. Viele
Verwachsungen. Die Gallenblase dient als Wegweiser zum Choledochus.
Incision. Extraktion eines haselnussgrossen Steines aus dem supra-
duodenalen Teil. Choledochusnaht (7 Suturen). Tamponade. Dauer der
Operation l'/2 Stunden.
— 184 -■
Verlauf: Glatt. Die Gallensekretion nimmt allmälich ab, ver-
siechb schon am 18. 10. völlig. Am 27. 10. gesund entlassen.
Epicrise: Vor 8 Jahren habe ich in 2 Zeiten operiert;
lieute würde ich in einer Sitzung Gallenblase und Choledochus
entleeren.
Nr. 95 E. S., 47 j. Pastorsfrau aus Westeregeln.
Auf gen.: 12. 6. 1892.
Operiert: 13. 6. 1892. I. Cystostomie.
II. Sekundäre Choledochotomie mit Naht. 27. 4. 1893.
Entlassen: 20. 5. 1893. Geheilt.
Anamnese: Fat. wird von Herrn Dr. Schi ele- Westeregeln
zur Operation überwiesen. Vor ca. 20 Jahren maclite Fat. den ersten
Kolikanfall durch, dann litt sie häufig an Migräne und Magendrücken.
Vor 2 Jahren der zweite Anfall bei Gelegenheit eines Besuchs in
Halberstadt. Ca. 2 Monate vor der Aufnahme in die Klinik be-
kommt die Fat. einen neuen Gallensteinkolikanfall, der, von wechseln-
der Intensität, ca. 14 Tage anhält. Es tritt massiger Ikterus auf.
Abends geringe Temperaturerhöhung. Der Leib ist eine Zeit lang
stark aufgetrieben (peritonitische Reizungen), der Stuhlgang retardiert,
die Gegend der Gallenblase ausserordentlich schmerzhaft. Ich habe
damals die Fat. mit dem behandelnden Arzt zweimal in Westeregeln
gesehen und stellte die Diagnose auf Gallensteine und auf schwere
entzündliche Frozesse in der Umgebung der Gallenblase. Ich gab
meinen Rat dahin ab, einstweilen von einer Operation abzusehen und
damit so lange zu warten, bis die Reizungserscheinungen von Seiten
des Feritoneum vollständig gehoben seien. Nur für den Fall, dass die
Entzündung einen drohenden Zustand annehmen würde, hielt ich einen
Eingriff für gerechtfertigt. Unter zweckmässiger Behandlung besserte
sich der Zustand; die Fat. erholte sich und konnte am 13. 6. operiert
werden, Ikterus war nicht vorhanden. Die Gegend der Gallenblase
Avar etwas schmerzhaft, sonst war nichts Abnormes nachzuweisen.
I. Operation: 13.6.92. Längsschnitt im rechten Rectus abdo-
minis; die Gallenblase ist mit dem Netz sehr breit verwachsen, die Lösung
gelingt stumpf und ohne erhebliclie Blutung. Die Gallenblase ist sehr
prall gefüllt, ihre Wandungen erheblich verdickt. Die Pravaz'sche
Spritze eutleerte ans der Galleublase dicken Eiter. Wegen der starken
prallen Anfiillung derselben sickert aus dem Panktioussticli iniinor
Eiter nach, so dass die beschlosseue /weizeitige Operation durch die
sofortige Eröffnung der Galleublase ersetzt wird. Die Bauchhöhle war
natürlich durch Schwämme sorgfältig abgeschlossen worden. Es werden
15 kleine weisse Steine entfernt; um eine Infektion zu verhüten, wird
von einer Revision des Cysticas Abstand genommen und die Gallen-
blase mit dem Peritoneum parietale dicht vereinigt. In die Gallen-
blase wird ein schmaler Streifen steriler Gaze eingelegt.
-•- 185 -
Verlauf: Gut. Während der Nachbehandlung werden noch
einige Steine gefvinden. Galle fliesst nie. Nach 14 Tagen steht die
Pat. auf und verlässt 4 Wochen nach der Operation die Klinik. Sie
hat sich dann zu Hause immer sehr wohl gefühlt, die Migräne ist
vollständig geschwunden, die schleimsecernierende Fistel hat sie wenig
belästigt. Ich hatte schon bei der Entlassung die Vermutung ausge-
sprochen, dass noch ein Stein im Cysticus sei. Ich wollte aber diesen
Gang erst abschwellen lassen und die Ausstossung des Steins der
nachdrängenden Galle anvertrauen. Mitte November war die äussere
Fistel derartig verengt, dass der sich dahinter ansammelnde Schleim
der Dame Beschwerden machte. Ich habe deshalb am 1. Dezember
die Fistel gespalten und zwei Steine entfernt. Im Cysticus selber
fühlte ich mit der Sonde einen dritten Stein, von dem ich nur ein
Stückchen abkratzen konnte.
Seit 1. Februar 1893 war die Fistel allmälich zugeheilt; Wohlbe-
finden war bis dahin gut, die früher so quälende Migräne geschwunden,
Icterus nie dagewesen; seit Mitte März wieder Migräne, seit 21. März
Koliken, geringes Fieber, ganz leichter Icterus. Am 29. März leichte
Wiedereröffnung der Fistel, ohne Eröffnung der Bauchhöhle. Die Kaiich-
vrand wird iu der alten Narbe gespalten, man fühlt deutlich dariiuter
die prall gefällte Gallenblase. Eine dicke Nadel wird hier einge-
stochen, und da hydropische Flüssigkeit ausfliesst, mit einem spitzen
Messer neben der Nadel eingegangen. Der Stich wird dnrch eine ein-
geführte Kornzauge erweitert, bis der Finger eingeführt werden kann.
Es fliesst viel trübes Serum, ein Stein wird mit der Sonde nicht
gefunden.
Solort lassen das Fieber imd der Schmerz nach, der Icterus ver-
schwindet. Am 31. März finde ich zu meiner freudigen Überraschung
den Verband von Galle durchtränkt : der Ductus cysticus war frei,
der in demselben befindliche Stein ausgestossen. Aber wohin ? Im
Verband lag er nicht, auch konnte ihn die Sonde in der immer noch
sehr geräumigen Gallenblase nicht finden. Ich beruhigte mich einst-
weilen damit, dass er irgendwo in einer Schleimhautausbuchtung der
Gallenblase sich festgesetzt habe. Allmählich wurde das Gallelaufen
aus der Fistel profus, der Stuhlgang tonartig ; auch Hess der Appetit
bedeutend nach, der Durst war gross, Pat. klagte über Magen-
und Rückenschmerzen, zeigte eine sehr gedrückte weinerliche Stim-
mung. Es stieg der Verdacht in mir auf, dass der Stein aus dem
Cysticus in den Choledochus gerutscht sei. Ich griff zu dem Stöpsel-
experinientj ein mit Watte umwickelter konischer Holzstöpsel wurde
iu die äussere Oallenblasenflstel gesteckt, dnrch Watte und Collodium
befestigt. Sofort entstand ein Bild, welches mir den Verdacht eines
Choledochussteines bestätigte. Leichter Ikterus, grosse Schmerzen
und ein unter Schüttelfrost bis 40" C. steigendes Fieber. Der Stuhl-
gang zeigte zwar Streifen von galliger Färbung, im grossen und ganzen
blieb er tonartig. Nach Entfernung des Stöpsels schwanden sofort
alle Beschwerden und auch das Fieber, sobald ich von Neuem die äussere
— 186 —
Fistel verschloss, trat wiederum, Schüttelfrost ein. Die Pat. wurde
immer elender, ihre Stimmung immer verzweifelter, so dass sie meinen
Vorschlag zur Operation gern annahm. Ich hatte die Absicht, den
Stein im Choledochus durch direkte Incision dieses Gangs zu entfernen.
II. Operation: 27. 4. 93. Eröffnung der Bauchhöhle darch einen
Schnitt in der Mittellinie, welcher vom Processus xiphoideus bis znni
Nabel reichte. Da ich sofort merkte, dass ich dadnrch nicht genügend
Übersicht gewann, fügte ich einen Querschnitt liinzn, welcher vom
Nabel beginnend 3 Finger breit unter der Gallenblasenfistel nach aussen
verlief. Der Querschnitt war circa 10 cm. lang und slaud auf dem
Längsschnitt senkrecht. Den so gebildeten Zipfel klappte ich nach
oben und aussen um und befestigte ihn durch eine Sutur an der
Brustwaud. Es lässt sich denken, dass die Verwachsungen in der
Bauchhöhle sehr erheblich waren und der Lösung mannigfaltige Schwie-
rigkeiten darboten. Es gelang mir indes nach einstündiger Arbeit,
einen Stein von der Grösse einer kleinen Haselnuss im Choledochus
zu finden und denselben durch Incision des Ganges zu entfernen.
Acht feine Seidensutpren schlössen das Loch im Choledochus. Durch die,
durch die Branchen einer Kornzange erweiterte Gallenblasenfistel
schob ich ein dickes Drainrohr in die Gallenblase, welche übrigens
ihren Charakter als solche nicht verloren hatte, sondern noch schöne
Birnform zeigte. Die Längs- und Querwunde der Bauchwand wurde
durch eine tiefe und oberflächliche Naht vollständig geschlossen.
Verlauf: Verhältnismässig gut. In den ersten Tagen bestand
geringes Fieber bis 38,3, der Pals erreichte oft 160 Schläge in der
Minute, aber es handelte sich hier mehr um nervöse Zustände, wie ich
sie schon bei der ersten Opei'ation beobachtet hatte. Der Urin wurde
immer spontan entleert, Erbrechen trat gar nicht ein, ein am 2. Tage
auftretender ziemlich hochgradiger Meteorismus verschwand nach
Applikation einiger Spritzen Glycerin. Am 5. Tage wurde nach Rici-
nusöl ein sehr reichlicher braun gefärbter Stuhlgang entleert. Von
da an trat rasche Besserung ein. Der Stuhlgang wurde ohne Nach-
hülfe so regelmässig, wie er in den letzten Jahren überhaupt nie
war. Die Migräne blieb fort, Pat. verliess am 12. Tage das Bett und
konnte am 20. Tage geheilt entlassen werden. Die Fäden waren am
10. Tage entfernt worden, die ganze grosse Wunde war per primam
geheilt, auch das Drain aus der Gallenblasenfistel, welche massige
Mengen Galle entleert hatte, blieb an diesem Tage fort. Das Aus-
sehen war in der kurzen Zeit nach der Operation ein ganz anderes
geworden, der Appetit und der Kräftezustand hatten sich merklich
gehoben.
Epicrise: Wodurch war nun der Stein aus dem Cysticus
in den Choledochus gerutscht? üie Antwort darauf bleibe ich
schuldig; vielleicht durch die Manipulationen, welche bei der
Eröffnung der geschlossenen Fistel am 29. März nötig waren.
Ich habe aus dem Fall die Lehre gezogen, vor allen Dingen
— 187 —
ein Mittel zu unterlassen, welches ich früher beim Cysticusstein
(in diesem Fall habe ich es übrigens nicht angewendet) mit
Vorliebe gebrauchte, das Ausspritzen der Gallenblase. Wie
leicht kann man den Stein tiefer spritzen, sodass er in den Chole-
dochus gerät! Auch mit der Sonde und anderen ähnlichen
Instrumenten kann man ein derartiges Unglück wohl einmal
anrichten.
III. Die Choledochotomie ohne Naht und die Hepaticus-
drainage.
L Die primäre Hepaticnsdrainage.
a) mit Cystostomie.
Nr. 96. J. M., 59j. Kaufmann ans Brunn (Mähren).
Aufgen.: 13. 10. 1902.
Operiert: 16. 10. 1902. Choledochotomie ohne Naht
mit Tamponade. Cystostomie.
Entlassen: 21. 11. 1902. Geheilt.
Anamnese: Vater gallensteinleidend, ebenso eine Schwester,
eine andere hat Nierensteine. Juli 1901 Anfall von Sehmerzen im Ober-
bauch, besonders in der Lebergegend. Mai 1902 Influenzapneumonie,
4 Wochen krank, danach erholte er sich schnell. Vor 6 Wochen,
nachdem er sich 4 Tage lang unbehaglich gefühlt hatte, kurzdauernder
Scbmerzanfall mit Brechneigung, Schweissausbruch, am 2. Tage da-
nach Gelbsucht. Kein Fieber. Der Ikterus besteht in wechselnder
Intensität seitdem fort, sehr quälendes Hautjucken. Urin bierbraun,
Stuhl meist acholisch, selten leicht bräunlich. Starke Abmagerung.
Sein Arzt schickte ihn nach Wiesbaden, wo ihm Herr Prof. Wein-
traiid und Herr Dr. L&hnstein zur Operation rieten.
Befund: Abgemagerter, aber noch immer leidlich genährter
Mann. Deutlicher Ikterus. Urin stark gallenfarbstoffhaltig, sonst frei.
Stuhl entfärbt. Leib weich, flach. Leber gross, auffallend hart, wellig.
Keine Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend und nach der
Mittellinie hin.
14. 10. Mittags erfolgt ein teils entfärbter, teils dunkelbrauner
Stuhl, der bald danach gelassene Urin ist hell, ohne eine Spur von
Gallenfarbstoff.
15. IQ. Heute früh ist der Urin wieder ganz dunkel, der Stuhl
entfärbt. Im Stuhl kein Stein. Das starke Hautjucken ist durch ein
Sodabad nur wenig gelindert.
Diagnose: Stein im Choledochus. Die 'Härte der Leber lässt
Verdacht auf Cirrhose (event. Carciiiom) aufkommen.
- 188 —
Operation: 16. 10.02. Im Beisein des Schwagers des Pat., Herrn
Dr. Fiscbel, Privatdozent in Prag. Wellensohnitt. Netz breit am
Peritoneum pariet. verwachsen. Trennung. Gallenblase geschrumpft,
fest niii Steine kontrahiert. In ihr wenig Eiter, ca. 20 Itirschkern-
grosse Steine. Am Chcledochus feine, spinnwebartige Adhäsionen-
Lig. hcpato-duodenale sulzig und ödematös. Nach langem Suchen
findet man retroduodenal einen kirschkerngrossen Stein, der sich in
den supraduodenalen Teil des Choledocbus schieben lässt, wo er nach
Inzision entfernt Mard. Da der Hepaticns sehr eng ist und eine Drai-
nage nicht gestattet, wird auf diese verzichtet und nur Tauiponade
angewandt. Rohr in die Grallenblase. Tamponade. Naht der Bauch-
decken. Verband. Dauer der Operation '/4 Stunden. Gute Chloroform-
narkose.
Verlauf: Gut. Kein Erbrechen. Urin spontan.- Blähungen
kommen am 1. Tage in Gang. Hautjucken fast geschwunden. Galle
lliesst reichlich. 25. 10. Herausnahme der Tampons, die Choledochus-
incision scheint geschlossen zu sein. In den nächsten Tagen fliesst
aus der Gallenblasenöffnung viel Galle in den Verband, der Stuhl färbt
sich allmählich, der Gallenfluss sistiert. 21. 11. 02. Geheilt entlassen.
Epicrise: In diesem Fall habe ich auf die Ectomie ver-
zichtet und mich mit der Cystostoniie resp. dem Schlauch-
verfahren begnügt. Bei grosser Gallenblase ist die laterale
Annähung an das Peritoneum parietale ohne Schwierigkeit durch-
zuführen; in einem solchen Fall werden an der medialen Fläche
der Gallenblase entlang einige Gazestreifen bis auf die Chole-
dochusnaht resp. die Choledochus-Incision geschoben. Hierbei
die Tamponade gänzlich fortzulassen, halte ich für zu gewagt.
In jüngster Zeit habe ich solche Operationen nicht mehr aus-
geführt, weshalb ich auch auf die Beibringung von Kranken-
geschichten verzichte. Macht man einmal Choledochotomie resp.
Hepaticusdrainage, so opfert man am besten die Gallenblase,
die bei der Entfernung der Steine und der Einlegung der
Tampons nur im Wege ist. Da die Hepaticusdrainage bei der
Enge des Gangs schwierig, ja unmöglich war, wurde in obigem
Fall nur die Tamponade angew^andt, die Choledochusincision
aber nicht genäht.
Der obige Fall hätte eigentlich eine besondere Rubrik :
Choledochotomie ohne Naht mit Cystostomie erfordert, doch
wollte ich nicht zu viele Einteilungen schaffen und habe des-
halb den Fall hier untergebracht.
Für die primäre Hepaticusdrainage mit Cystostoniie führe
ich kein Beispiel arf, da die betr. Krankengeschichten keine
weiteren Besonderheiten aufweisen.
— 189 -
b) Hepaticusdrainage mit Ectomie.
Nr. 97. Ph. R.. 36 j. Arztfrau aus Altona-Elbe.
Aufgen.: 22. 11. 1902.
Operiert: 25. 11. 1902. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Hepatopexie.
Entlassen: 23. 12. 1902. Geheilt.
Anamnese: Pat. machte in ihrer Kindheit „gastrisches Fieber*
durch, ^ie hat 3 mal geboren, zuletzt vor 10 Jahren. Während der
ersten Schwangerschaft erkrankte sie im Anschluss an einen Magen-
katarrh an einer katarrhalischen Gelbsucht von ziemlicher Intensität
und zirka 4 wöchentlicher Dauer, die zur Frühgeburt führte, nach der
Entbindung aber bald in völlige Genesung überging. Seit 3—4 Jahren
hatte Pat., die stets völlig magengesund war, gelegentlich dyspeptische
Beschwerden, die sich in Magendruck, Aufstossen und Appetitmangel
äusserten und sich namentlich - durch Intoleranz gegen Kaffeegenuss
zu erkennen gaben, regelmässig aber bald völligem Wohlbefinden
wichen. Vor ca. 2 Jahren hatte Pat. einen sehr heftigen nächtlichen
Kolikanfall von 3 — 4 stündiger Dauer, der zwar keinen Ikterus hinter-
liess, aber auf Gallensteinkolik sehr verdächtig war. Mitte April d. J.
erkrankte Pat. an anhaltenden, sehr lästigen Rückenschmerzen, die
sich an eine heftige Erkältung anschlössen und anfangs für rheurna-
tische gehalten wurden. Nach 3wöchentlicher Dauer dieses Vorstadiums
stellten sich heftige Gallensteinkoliken ein, die sich in den ersten
5—6 Wochen fast täglich wiederholten, zu heftigen Reizzuständen in
der Gallenblasengegend führten, derartig, dass selbst leichte Kompressen
nicht vertragen wurden und die leichteste Palpation unerträgliche
Schmerzen machte. Daneben bestand infolge peritonitischer Reizung
heftige Brechneigung, sodass fast keine Nahrung vertragen wurde und
Nährklystiere gegeben werden mussten. Nach einem besonders hef-
tigen Kolikanfall stellten sich die Erscheinungen des kompleten Chole-
dochusverschlusses ein mit völlig farblosen Stühlen und einem von
Tag zu Tage zunehmenden, bald sehr hochgradigen Ikterus. Die enorme
Schmerzhaftigkeit der Gallenblasenregion minderte sich jetzt, die Kolik-
anfälle stellten sich in 5— Stägigen Pausen ein, im anfallsfroien Inter-
vall war der Appetit leidlich, an einzelnen Tagen sogar recht gut, doch
waren die Kolikanfälle jetzt von Fieber begleitet, das in der Höhe sehr
schwankte, sich meist kurz nach den Kolikanfällen, deren Hauptschmerz
im Rücken sich lokalisierte, einstellte und ca. 24 Stunden anhielt.
Alle gereichten Aniipyretica vermochten die Fiebersteigerungen nicht
wesentlich zu beeinflussen. Mitte August, also nach 17 wöchentlicher
Dauer der Krankheit, Abgang von Eiter und Blut mit dem Stuhlgang,
der wieder gefärbt wurde, und 3 wöchentliches fieber- und kolikfreies
Intervall, sodass Pat. sich recht erholte und das Bett verlassen konnte.
Dann von neuem Kolik mit intensivem Ikterus und hohen Fieber-
steigerungen. Zweimal Schüttelfröste mit grosser Herzschwäche und
Cyanose, Temperatur bis 41,2. Mitte September war Pat. nach allmäh-
— 190 —
lichem Nachlassen der Erscheinungen soweit gekräftigt, dass die Reise
nach Karlsbad angetreten werden konnte, die gut überstanden wurde.
Während des dortigen Kuraufenthaltes war das Gesamtbefinden leid-
lich, doch traten auch hier während des 4'/* wöchentlichen Kuraufent-
haltes 5 — 6 Kolikanlälle mit mehr oder weniger hohem Fieber auf. An
den fieberfreien Tagen war das Befinden leidlich. Kräfte- und Ernäh-
rungszustand hoben sich, sodass bei der Abreise das Gewicht, das
von 72 Kilo auf 46 Kilo gesunken war, 56 Kilo betrug. Der Ikterus
war schwankend, nach jedem Fieberanfall erheblich verschlimmert und
nie ganz geschwunden. Nach der Rückkehr von Karlsbad blieb der
Zustand ziemlich unverändert, Koliken mit massigen bis hohen Fieber-
erscheinungen; sehr markanter Ikterus. Am 22. Nov. Aufnahme in die
Prof. Kehr'sche Privatklinik,
Befund: Elende, ikterische Frau mit Druckempfindlichkeit in der
Mittellinie und in der Gallenblasengegend. Leber vergrössert. Kein
Tumor der Gallenblase palpabel. Urin enthält Gallenfarbstoff, Spuren
von Eiweiss.
Diagnose: Stein im Ductus choledochus. Choledochitis circum-
scripta.
Operation: 25. 11. 02. Einige Stunden vor der Operation Kolik-
anfall mit Temperatur bis 39,7. Die Operation verlief glatt, gute Nar-
kose, es wurde ein muskatnussgrosser Stein entfernt, der im Duct.
Choled. dicht unterhalb der Einmündungssteile des Duct. cysticus fest
eingekeilt sass. überhalb des eingekeilten Steines erhebliche Erweite-
rung des Choledochus mit reichlichem retinierten Eiter, die Leber prall,
die Gallenblase enthielt keinen Stein, ebenfalls keinen Eiter, war klein,
Schleimhaut der Gallenblase hyperämisch, nicht ulceriert, war mit
reichlichen Adhäsionen umgeben. Die Gallenblase wurde entfernt, Hepa-
ticusdrainage angelegt. Tamponade. Hepatopexie. Naht. Dauer der
ganzen Operation 35 Minuten.
Verlauf: Nach der Operation Befinden gut, massiger Wund-
schmerz. Kein Fieber. Am 3. Tage p. o. heftiger Mageugchmerz, der
durch Mageuspüluiig prompt beseitigt wurde. Bis zum ersten Verband-
wechsel stets gutes Befinden, kein Fieber, guter Appetit, schnelles An-
steigen des Kräftezustandes. Verbandwechsel am 9. Dezember. Wunde
überall per primam geheilt, sodass sämtliche Nähte entfernt werden
können, Wundhöhle zeigt kräftige Granulationen. Drainage entfernt.
Von jetzt ab zweimal wöchentlich Verbandwechsel, bei denen jedes-
mal der Befund sehr günstig war, die Heilung schnelle Fortschritte zeigte.
Am 23. Dezember wurde Pat. bei vortrefflichem Allgemeinbefinden
mit kleiner, trichterförmiger Fistel ohne Gallenfluss entlassen. Zu
Hause trat in den nächsten Tagen, wohl durch die mit der Reise ver-
bundenen Anstrengungen noch weiter reichlicher Gallenfluss ein. An-
fang März war die Fistel völlig geschlossen. Jetzt nach Ablauf eines
Jahres ist Pat. völlig beschwerdefrei, hat ein Gewicht von 75 Kilo und
von der langen, schweren Krankheit nichts weiter mehr, als dass sie
ihre einstige körperliche und seelische Spannkraft noch nicht völlig
wiedererlangt hat.
— 191 —
Epicrise: Ein sehr typischer Fall von Choledochusver-
schluss. Bei solch' sicher gestellten Fällen ist es gänzlich
unnötig, wenn man vorher erst Karlsbad versucht. Hier kann
nur die Operation helfen. Fat., deren Körpergewicht während
der Krankheit 92 Pfund betrug, wiegt jetzt 150 Pfund. —
Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit der Operation : Ectomie
und Hepaticusdrainage in 35 Min.
(Diese Krankengeschichte — bis auf die Epicrise — hat
der Gatte der Fat., selbst Arzt, nachträglich niedergeschrieben.)
Nr. 98. F, V. P., 67 j. Hanptmannswitwe aus Stargard.
Aufgen.: 8. 1. 1903.
Operiert: 19. 1. 1903. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Hepatopexie.
Entlassen: 13. 3. 1903. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Storch schickt uns die Pat. mit folgender
Krankengeschichte zu:
„Frau von P. von hier bekam am 10. Februar 1902 die erste aus-
gesprochene Gallensteinkolik. Anfälle sind wohl nach der Beschreibung
auch früher schon dagewesen, wurden aber nur für Magenbeschwerden
gehalten. Die Anfälle häuften sich. Frau von P. war nicht zu be-
wegen, im letzten Frühjahr Karlsbad aufzusuchen, sondern musste
erst — wie leider so viele andere aus hiesiger Gegend — eine Kur
bei einem Kurpfuscher in Berlin durchmachen. Nach dessen Or-
dination hat Pat. längere Monate Ol. Terebinth. in Gelatinekap-
seln und Suppositorien von Opium gebraucht. Erst als sie nicht ge-
sund werden wollte, wurde ich wieder zu Rate gezogen. Ich drang
auf eine sofortige Abreise nach Karlsbad. Trotz sorgfältigen Durch-
suchens der Exkremente wurden niemals grössere Steine, sondern nur
0 0
0 ° o kleine Konkremente von nebenstehender Grösse gefunden. —
Als Pat. von Karlsbad zurückkam, fühlte dieselbe sieh zwar erheblich
besser, aber ich stellte objektiv keine Besserung fest. Starker Ikterus,
erhebliche Abmagerung und stark entfärbte Stühle; Schmerzen in der
Gallengegend nicht sehr erbeblich. Pat. musste diät weiter leben;
Priessnitz-Umscbläge und tägbch einige Gläser Homburger. Ikterus
ging ziemlich zurück. Seit einiger Zeit tritt derselbe aber wieder in
den Vordergrund. Ich erlaube mir also, Ihnen die Pat. zu überweisen,
um — wenn Sie es für nötig halten — zur Operation zu schreiten.
Hoffentlich handelt es sich nicht um eine maligne Neubildung."
Dazu ist zu bemerken : Pat. leidet seit langen Jahren an Magen-
schmerzen und häufigem, starkem Aufstossen; ab und zu stellte sich
auch Erbrechen ein. Pat. hielt ihr Leiden für Magenkrämpfe. Nach-
dem sie 1879 Typbus überstanden hatte, trat angeblich Besserung ein.
— 192 —
Im Juli 1901 plötzlich heftiges Erbrechen, starke kolikartige
Schmerzen in der Gegend des Magens und der Magengrube, die nach
dem Rücken ausstrahlten und einige Stunden andauerten. Im Sep-
tember 1901 zog Pat. Herrn Dr. Storch zu Rate, doch konnte damals
kein bestimmtes Leiden festgestellt werden. Im Februar 1902 gleich-
artiger Anfall wie im Juli 1901; zugleich stellte sich Gelbsucht ein.
Seitdem häuften sich die Anfälle und traten zeitweise alle 4 Tage auf.
Der Stuhl war im Anfall entfärbt, in ihm wurden während einer Öl-
kur einmal mehrere kleine, linsengrosse gelbe Körnchen gefunden.
Von Juni an Kur mit Ol. Terebinth. nach Vorschrift eines Kurpfuschers
in Berlin. Pat. konnte jedoch die Kur nicht vertragen, sie magerte
ziemlich stark ab. Anfälle traten trotzdem auf, sollen aber leichler
gewesen sein. Ende September auf Rat des Herrn Dr. Storch
6 wöchige Kur in Karlsbad. Seit Juli andauernde Gelbsucht, die in
Karlsbad noch intensiver wurde und bis ins Grünliche ging. Während
dieser Zeit drei leichtere Anfälle. Stuhl dauernd entfärbt. Doch erholte
sich Pat. körperlich. Nach der Rückkehr aus Karlsbad wurde die
Gelbsucht allmählich weniger intensiv, verschwand jedoch nie ganz.
Seit dem 28. 12. 02 wurde die Gelbsucht allmählich wieder intensiver.
Pat. fühlte sich sehr matt und magerte stark ab. Der Stuhl, der in-
zwischen wieder braun geworden war, wurde wieder entfärbt. Pat.
entschloss sich daher auf Anraten des Herrn Dr. Storch uns auf-
zusuchen.
Befund: Ziemlich schwächliche, abgemagerte und anämische
Frau. Leib weich, nicht aufgetrieben. Leber nicht vergrössert. Ge-
gend der Gallenblase druckempfindlich, undeutliche Resistenz in der
Tiefe. Stuhl schwach gefärbt. Im Urin etwas Albumen und Gallen-
farbstoff.
Wegen Husten und Schnupfen der Pat. kann die Operation erst
am 19. 1. stattfinden.
Operation: 19. 1. 03. (Im Beisein des Herrn Dr. Froriep-
Halberstadt.) Wellenschnitt. Leber normal. Gallenblase mittelgross,
leer von Steinen, mit Duodenum verwachsen. Lösung. Im erweiterten
Choledochus 2 grössere Steine, viel Schlamm und trübe Galle. Extrak-
tion. Hepaticusdrainage. Gallenblase am Hals mit lig. hepato-duod
sehr verwachsen, lässt sich erst isolieren, nachdem die Verwachsungen
mit Schere und Messer gelöst sind. Übernähung des Cysticus. He-
patopexie mit2Fäden. Tamponade. Naht. Dauer der Operation 35 Min.
Befinden nach der Operation gut. Puls 88. Temp. abends 87,5.
Kein Erbrechen. Kein Aufstossen. Blähungen gehen von selbst. Galle
läuft. Husten gering, etwas Auswurf.
Vorlauf: Gut.
27. 1. 03. Fieberfrei. Verbandwechsel. Herausnahme der ober-
flächlichen seitlichen Tampons und des Rohres. Rohr gekürzt. Tam-
ponade. Befinden gut. Etwas Husten und Auswurf.
30.1.03. Täglicher Verbandwechsel. Gallo läuft reichlich. Tam-
pons bleiben liegen. Befinden gut. Sehr wenig Husten und Auswurf.
— 198 —
1. 2 03. Entfernung sämtlicher Nähte, Fäden und Tampons.
Wunde sieht gut aus. Choledochus liegt sehr oherflächlich und läset
sich nach beiden Richtungen gut spülen. Tamponade.
2. 2. 03. Beim Spülen eutleeren sich aas dem Hepaticus einzelne
JSteintrümnierchen bis zn Linsengrosse.
5. 2. 03. Ein Steintrtimmerchen von Stecknadelkopfgrösse wird
lieransgespUlt. Wunde yerkleiuert sich ziemlich schnell.
6. 2. 03. Pat. steht auf.
13. 2. 03. Zwei kleine, stecknadelkopfgrosse Steintrüuimerchen
werden wieder herausgespült. Wunde verkleinert sich schnell. Galle
läuft noch ziemlich reichlich.
19. 2. 03, Wunde mit Watte-Collodium verklebt.
20. 2. Oo. Verband heute nur ganz wenig durch. Stuhl braun.
Keine besonderen Besehvs^erden. Wieder Oollodium-Watteverband.
21. 2. 03. Verband heute trocken.
23. 2. 03. Verband 3 Tage trocken gevi^esen. Choledochus bis in
den Darm für Sonde und Bougie durchgängig. Tamponade, kein Col-
lodium-Watteverband. Pat. klagt seit 3 Tagen über stärkeres Haut-
jucken, besonders an den Gelenken.
24. 2. 03. Verband heute etwas weniger durchtränkt. Wunde
verkleinert sich. Stuhl. braun. Im Urin gestern, als Pat. über Haut-
jucken klagte, etwas Gallenfarbstoff, heute kein Gallenfarbstoff im Urin.
Pat. klagt heute nicht mehr über Hautjucken.
25. 2. 03. Galle läuft wieder stark.
26. 2. 03. Verband wieder mit Galle durchtränkt. Einführung
eines Bougies Ton der Wunde aus durch Choledochus und Papille,
welche gut durchgängig ist, in den Darm. Pat. hat nachher ziemlich
heftige Schmerzen und bricht mehrmals. Daher Abends Bougie ent-
fernt. Tamponade.
27. 2. 03. Verband heute trocken.
28. 2. 03. Galle wieder reichlich gelaufen.
2. 3. 03. Verband täglich mit Galle durchtränkt.
9. 3. 03. Verband trocken.
10. 3. 03. Nur eine Spur Galle im Verband. Kleine Wundöffnung
anscheinend geschlossen. Stuhl jetzt braun. Appetit und Allgemein-
befinden sehr gut.
13. 3. 03. Keine Galle im Verband. Wunde völlig geschlossen.
Pat. hat sich in den letzten Tagen auffallend gut erholt. Appetit gut.
Stuhl braun. Kein Ikterus mehr. Pat. wird als geheilt entlassen.
Epicrise: Im Choledochus fand man neben Steinen
Schlamm. Da ist die Hepaticusdrainage so recht am Platze.
Während der Nachbehandlung konnte man noch Steintrümmer
herausspülen und durch den Choledochus die Papille sondieren.
Ein Bougie blieb zwecks Dilatation der Papille einige Stunden
liegen. Mehrere solche Fälle haben wir in diesem Jahr auf
diese Weise behandelt.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. '3
— 194 —
Nr. 99. Ch. K., 62j. Fabrikbesitzer ans Nürnberg.
Aufgen.: 30. 5. 1900.
Operiert: 2. 6. 1900. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen.- 28. 7. 1900. Geheilt.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie. Vater angeb-
lich an „Wassersucht" gestorben.
Vor 12 und 6 Jahren angeblich Bauchfellentzündung. Grosse
Schmerzhaftigkeit in der rechten Oberbauchgegend, kein Erbrechen^
keine Auftreibung des Leibes oder Fieber.
Pat. ging früher alljährlich 4 Wochen nach Baden-Baden, dort
hatte er Mai 1897 zum erstenmale Kolikanfälle, er reiste nach Hause
und wurde wieder auf Bauchfellentzündung behandelt. Die Schmerzen
Sassen in der Gallenblasengegend, kein Fieber, kein Erbrechen. Nur
einmal Schüttelfrost, etwa '/2 Stunde lang. Auf Rat des Herrn Prof.
V. Heineke-Erlangen ging er August 1897 nach Karlsbad, wo er von
Herrn Dr. Reichel behandelt wurde. Er nahm stark an Gewicht ab,
erholte sich aber gut und ging zur Fürsorge im März 1898 wieder hin.
Von hier kam er weniger wohl zurück, er hatte danach viel Beschwerden,^
Druck in der Gallenblasengegend und Appetitlosigkeit, im November
1898 ging er zum drittenmale nach Karlsbad. Er erholte sich ziemlich
gut, nahm auch wieder zu, behielt aber den dauernden Druck.
Juni 1899 4. Reise nach Karlsbad, danach Wohlbefinden bis November,
dann hatte er wieder 14 Tage stärkere Schmerzen, nachher fühlte er
sich wohl. Ende Januar 1900 traten die Magenbeschwerden mehr her-
vor. Appetitlosigkeit. Geringe Schmerzen; Pat. magerte wieder ab.
Er konsultierte Herrn Prof. Fleisch er- Erlangen, der den Magen bei
genauester Untersuchung gesund befand. Mitte Februar 1900 Gelb-
sucht mit leichtem Frost eingeleitet, kein Erbrechen, starkes Hautjucken.
Mattigkeit, Appetitlosigkeit. 23. Februar bis 25. März wieder Karlsbad,
die Gelbsucht schwand schon am 3. Tage, die Mattigkeit und Appetit-
losigkeit aber blieben. Nachher nahm er wieder vier Pfund zu. Mitte
Mai trat abermals Gelbsucht auf, die jetzt wieder im Schwinden ist.
Auf Rat des Herrn Prof. v. Heineke und des Herrn Dr. Heinlein-
Nürnberg kommt er hierher.
Befund: Kleiner, gracil gebauter Mann. In der Gallenblasengegend
leichte Resistenz und Druckemplindlichkeit, schwacher Ikterus, Haut-
jucken. Im Urin wenig Gailenfarbstoff, kein Eiweiss und Zucker.
Stuhlgang regelmässig. Nach gründlichem Abführen stellt sich der
Befund so: Man sieht in der Lebergogend zwei flache Hervorwölbungen,
die sich mit der Atmung verschieben. Die obere ist die ziemlich harte
Leber, die untere vielleicht die Gallenblase. Die Leberoberfläche ist
glatt. Fundus der Gallenblase steht ca. drei Finger breit unterbau)
des Nabels. Linker Leberlappon wenig vorgrössert, Herz gesund. Puls 60,
kräftig; kein Fieber.
Diagnose: Stein im Choledochus, Verwachsungen wahrschein-
lich. Für Caroinom liegen keine Anhaltspunkte vor.
— 195 —
Operation: 2. 6. 00. Gute Chloroformiiarkose. Wellensehnitt.
Leber gross, unterer Rand breit mit Netz v€ifwachsen. Doppelte Unter-
binduugeu. Gallenblase ist selir schwer zu fluden, ist walnnss^ross,
selir zerreisslicli, enthält Eiter nud 24 manlbecrartige, schwarze Steine.
Excisioii. Cystica liann nicht unterbanden werden, da die Sntnren in
dem morschen Gewebe immer wieder dnrchschueiden. Eine Pean-Klemme
bleibt deshalb liegen. Im Choledochus, der in feste Verwachsungen ein-
gemauert ist, liegt ein haselnussgrosser Stein. p]xcision. Hepaticus-
drainage. Hepaticus sehr eng. Papille frei. Tamponade um das Rohr
und die Klemme. Durchstichknopfnähte der Bauchwand. Dauer der
Operation */* Stunde. Sehr schwierige Operation, da die Adhäsionen
sehr fest waren. Es fliesst klare Galle aus dem Rohr.
Verlauf: Abends Puls 72, Temp. 37,5. Kein Erbrechen.
3. 6. 37,8. Puls 80, Erbrechen ist nicht aufgetreten. Der Ver-
barid ist mit blutiger Flüssigkeit durchtränkt. Wechsel der oberen
Schichten. Leib weich, keine Blähungen. Abends 38,0. Puls 84. Etwas
Unruhe. Galle 500 gr.
4. 6. 38,1. Puls 88, nicht ganz gleichmässig. Nach einer Gly-
zerinspritze beginnen die Blähungen, Leib weich, subjektives Wohl-
befinden. Verbandwechsel. 38,1. Puls £5. Gallenfluss 550 gr.
5. 6. 37,7. Puls 92. Der Verband ist stark durchtränkt mit sehr
übelriechender Wnndfliissigkeit. Verbandwechsel. Heransnahme der
Tampons, die schwärzlich > erfärbt sind und sehr übel riechen. Nene
Tamponade. Abends noch einmal Verbandwechsel, da der Verband
^wieder stark durchtränkt ist. Blähungen gehen. Grosse Unruhe
Temp. 39. Puls 104. Alcoholica. Etwas Aufstossen. Gallenfluss 600 gr.
6. 6. 38,5. Puls 96. Pat. ist frischer als gestern, der Verband
wieder durchtränkt, nicht mehr so übelriechend, Wechsel, dabei löst
sich der Schlauch. Ausspülen der Wnndhöhle, in der Blutgerinnsel
liegen. Tamponade. Verband. Gallenfluss 700 gr.
Abends ist der Verband mit blutiger und galliger Flüssigkeit
durchtränkt, Pat. weniger aufgeregt als morgens. Temp. 37,7. Puls 102.
7. 6. 37,3. Puls 96. Verband mit Galle völlig durchtränkt. Ver-
bandwechsel, im Grnnd^ der Wnndhöhle sieht man eine kleine Fistel
Tom Duodenum münden. Damit ist die Infektion erklärt. Tamponad«.
Ricinusöl. Im Laufe des Tages ist der Verband wieder mit Galle
durchtränkt. Abends Nährklystier. 37,5. Puls 82. Um eine Infektion
des Gallensystems von der Dnodenalflstel zu verhüten, wird der Hepa-
ticus wieder drainiert, es fliesst sofort Galle.
8. 6. 38,3. Puls 108. Gestern ist nach Ricinusöl kein Stuhl erfolgt,
Pat. hat deshalb eine Seifenwassereingiessung erhalten, danach 2 mal
reichlich dunkler Stuhl.
Der Verband ist wieder durchtränkt. Verbandwechsel. Aus-
spülung des Hepaticus und Choledochus. Wiedereinlegung des Gummi-
rohres. Pat. isst dicke, breiige Speisen, sieht gut ans.
Mojgens und abends Nährklystiere, vorher Eingiessung, mit der
reichlich Blähungen abgehen.
13*
— 196 —
Abends Wechsel der oberen Schichten des Verbandes, es fliegst
Galle durch den Schlauch ab. 3 mal Nährklystier. Nachts 8 Strich Mor-
phium, etwas Schlaf. 37,9. Puls 108.
9. 6. 37,3. Puls 108. Pat. ist matt. Verband stark durchtränkt
Mittags Kochsalz, ebenso Abends. 2 mal Verbandwechsel. 3 mal täg-
lich Nährklystier von ^s 1 Milch, 30 gr. Pepton, 30 gr. Amylnni. 2 mal
täglich 40 gr. steriles Olivenöl snbkntan. 3 mal täglich Kochsalzinfnsion.
Abends 37,6. Puls 112.
10. 6. 37,3. Puls 114. Grosse Mattigkeit. Verband durch. Ver-
bandwechsel, dabei wird versucht, die Darmflstel durch Naht zu
schliessen. Ausspülung des Choledochus und Hepaticn«. Kein Schlauch.
Nachmittags wieder Verbandwechsel, der Verband riecht nicht so
stark wie sonst nach Darminhalt.
Kochsalz, Oel, Nährklystier wie gestern. Abends 38,4. Puls 112.
11. 6. 37,3. Puls 108. Pat. ist heute teilnehmender als gestern,
hat früh 2 Tassen Kakao und etwas Zwieback zu sich genommen.
Verband wieder durch. Ebenso nachmittags. Appetit etwas reger.
Kochsalz, Oel, Nährklystiere. Abends 37,1. Puls 108.
12. 6. 37,9. Puls 108. Verband wieder durch. Wechsel 3 mal.
Nahrungsaufnahme gering. Kochsalz, Oel, Nährklystiere. Abends 37,4.
13.6. Puls 102. Verbandwechsel 2 mal. Etwas oberhalb der ersten
Fistel hat sich eine neue gebildet. Augenscheinlich handelt es sich
nicht nni eine vorher bestehende, bei der Operation übersehene Gallen-
blasen •Dnodenalflstel, sondern es ist bei der Ablösung der Gallenblase
der Barm an einer Stelle geschädigt worden, und es bilden sich nun
vielleicht durch Beeinträchtigung seiner Ernährung Fisteln. Ausserdem
ziemlich profuse Bauchdeckeneiterung.
14. 6. Puls 100. Pat. ist viel frischer als gestern. Verband-
wechsel. 2 mal Kochsalz, Oel, Nährklystiere.
15. 6. Weitere Besserung. Kochsalzinfusion und Oelinjektion
werden ausgesetzt.
16. 6. Verband ist nur alle 2 Tage von Galle durchtränkt. Pat.
erholt sich täglich mehr, zeigt guten Appetit; Stuhlgang täglich, braun
gefärbt. Schlaf noch etwas mangelhaft. Duodenalfistel geschlossen.
20. 6. Der Gallenfluss lässt täglich mehr nach, hat am 25. 6. ganz
aufgehört. Es besteht nur noch an dem äusseren Wundrand ein Fistel-
gang, der etwas Eiter absondert. Auskratzung desselben, weil man
einen Seidenfaden vermutet. Nichts gefunden.
28. 7. Pat. wird entlassen. Das Körpergewicht hat sich um
12 Pfd. vermehrt, blühendes Aussehen, Ikterus völlig geschwunden.
Reist nach Nürnberg, um sich von Herrn Dr. Heinlein weiter ver-
l)inden zu lassen.
Am 29. 8. kommt die Nachricht, dass das Befinden vortrefflich
i^oi. Appetit, Schlaf in Ordnung.
Epicrise: Ein sehr schwieriger Fall. Der Tumor, der
die Gallenblase vortäuschte, war durch Netzklumpen bedingt,
die zwischen unterem Leberrand und Colon lagen. Die Gallen-
— 197 —
blase selbst war geschrumpft, für die Palpation unzuc,'änglich. —
Der Eingriff als solcher war sehr kompliziert. Bei der Lösuiij?
der Verwachsungen ist die Diiodenalwand schwer geschädigt
worden, so dass es zu einer Gewebsnekrose an dieser Stelle
kam. Das Duodenum bekam ein Loch. Und nun lief Magen-
inhalt und Pankreassaft in die Wundhöhle und drohte das Gallen-
system zu infizieren. Durch häufigen Verbandwechsel und durch
die Hepaticusdrainage gelang es uns, einer Infektion vorzu-
beugen, durch viele Kochsalzinfusionen und Einspritzungen von
sterilisiertem Olivenöl den Pat. über Wasser zu halten. Pat.
bekam Tage lang 2 Mal Olivenöl, 3 Kochsalzinfusionen und
3 Nährklystiere, daneben 2 Verbandwechsel, die immer 20 Minu-
ten in Anspruch nahmen. Operiert man solche Fälle in der
Privatwohnung, so kann man sicher sein, dass sie einen un-
günstigen Ausgang nehmen, es sei denn, dass mau seine ganze
Zeit einem solchen Fall widmet. Das Loch im Duodenum ist
anstandslos zugeheilt Die Versuche, es zu schliessen, waren
eigentlich überflüssig, in dem infizierten Gewebe konnte doch
keine Naht halten.
Nr. 100. L. A., 46 jähr. Landwirtsfrau aus Strassberg a. H.
Aufgen.: 6. 2. 1902.
Operiert: 8. 2. 1902. Hepaticusdrainage. Ectomie.
t 18. 2. 1902 an diffuser Cholangitis.
Anamnese: Vor drei Jahren Kolik mit Ikterus, der in etwa
zwei Monaten schwand. In der Volgezeit keine Koliken, jedoch öfter
undeutliche Schmerzen. Vor einem halben Jahre Anfall mit stärkeren
Schmerzen, inten.sivem Ikterus, peritonitischen Erscheinungen, erheb-
lichem Kräfteverfall, O^demen und Ascites. Nach ca. 4 Wochen all-
mähliche Besserung, erst nach zwei Monaten konnte sie das Bett ver-
lassen. Vier Wochen später wieder etwas Schmerzen, Zunahme des
noch nicht ganz geschwundenen Ikterus. Herr Dr. Manneberg-
Harzgerode stellte die Diagnose auf Choledochusverschluss durch Steine
und riet zur Operation.
Befund: Hochgradig ikterische, ziemlich elende Pat., fühlt sich
sehr matt, hat keinen Appetit, klagt über Hautjucken. Leber massig
vergrössert, Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend und nach
der Mittellinie hin. Zur Zeit kein Fieber.
Diagnose: CholedocLus- und Hepaticussteine. Cholangitis.
Operation: Wellenschnitt, Leber massig vergrössert, Gallen-
blase gross, ödematös, mit Netz allseitig verwachsen, wird gelöst, in
ihr zwei Steine. Exoision der Gallenblase. Im retroduodenalen Teil
des Choledochns ein Stein, wird mit einem „Schwapp" liociigedrückt,
— 198 —
verschwindet im Hepaticus, wo erscliwer wiederziiftndeii ist. Endlicli
— nach längerem Sachen — gelingt es, ihn in den siipraduodeualen
Teil zn drüclten. Eine Sonde wird in dem Cysticusquerschnitt bis in
den Choledochus vorgeschoben und auf dem Knopf der Sonde der
Choledochus incidiert. Entfernung des Steines. Hepatiousdrainage.
Starlie venöse Blutung, schwierige Blutstillung, eine Klemme muss
liegen bleiben. Tamponade. Pankreaskopf härter als normal. Dauer
der Operation l'/s St. Gute Narkose.
Verlauf: Anfangs günstig, die spärlich ausfliessende Galle wird
klarer, der Ikterus schwindet, Pat. scheint sich zu erholen. Doch
tritt am achten Tage post op. wieder Schüttelfrost auf, es fliesst sehr
wenig eitriges Sekret aus dem Rohr. Trotz Kochsalzinfusionen etc.
tritt am zehnten Tage der Tod ein.
Die Sektion, die sich auf Leber resp. Bauchhöhle beschränkte,
zeigte, dass der Wundtrichter gut abgeschlossen war. Hepaticusstamm
und Choledochus frei. Im linken Hepaticnsast und in den feineren Verzwei-
gungen 20 kleine Steine, in den Verästelungen des rechten ca. 12 kleine
Steine bis Kirschkerngrösse. Überall bis in die feinsten Oänge Eiter
und Schleim. Pankreaskopf chronisch entzündet, Bauchhöhle gänzlich
frei von Entzündung. Einige frische Adhäsionen zwischen L?ber und
Peritoneum parietale.
Epicrise: Herr Dr. Manneberg hatte den Fall sehr
gut beobachtet und richtig gedeutet, die Erscheinungen der
überstandenen Entzündung waren allenthalben vorhanden. Die
Operation war technisch sehr schwer, das Suchen nach dem
Choledochusstein, die Blutstillung machten viel Umstände.
Wie die Sektion ergab, war der Tod, der erst zehn Tage
post op. eintrat, kaum fernzuhalten. Man fand diffuse Cholan-
gitis, die bestimmt schon vor der Operation bestand, und ausge-
dehnte Steinbildung in der Leber. Diese scheint doch nicht so
selten zu sein, wie ich früher annahm.*)
Nr. 101. M. Seh., 38j. Gastwirtsfrau aus Nockwitz.
Aufgen.: 9. 5. 1904.
Operiert: 16. 5. 1904. Hepatiousdrainage (wegen akuter
Pankreatitis). Ectomie.
Entlassen: 20. 6. 1904. Geheilt.
Anamnese: Patientin hat 4mal geboren, das erste und dritte
Mal ein ausgetragenes totes Kind. Sie will sonst stets gesund ge-
wesen sein. Familienanamnese ohne Belang. Vor 4 Jahren zu einer
Zeit, als sie sehr viel zu arbeiten hatte, traten zum ersten Male
*) Vergleiche die soeben erschienene Arbeit von Beer: Intra-
liepatische Cholelithiasis im Langenbeck'schen Archiv. 74. Band, p. 115.
( Anm, während der Revision. 1. 8 04.)
— 199 —
Schmerzen in der Lebergegend ohne Gelbsucht auf. Dieselben waren
nicht kolikartig und hielten etwa '/- Tag lang an. Etwa V2 Jahr
später traten die Schmerzen etwas heftiger auf, vergingen aber rasch
nach heissen Umschlägen. Die Schraerzanfälle kehrten in längeren
Zwischenräumen wieder, wurden allmählich kolikartig und dauerten
länger. Vor etwa 4 Wochen begann zuweilen wieder Druckgefühl in
der Lebergegend einzutreten, bis dann vor 12 Tagen ein starker Kolik-
aufall einsetzte, zum ersten Male mit starkem Ikterus, hellem Stuhle
und dunkelbraunem Urin. Der Anfall begann mit starkem galligen
Erbrechen, die kolikartigen Schmerzen strahlten nach Rücken und
Schulter hin aus. Dieser Anfall dauerte mit Unterbrechungen beson-
ders am Vormittage 5—6 Tage lang, an 5 Abenden bekam Pat. vom
Arzte Morphiuminjektionen. Während der ganzen Zeit hat Pat. nichts
genossen, da sie sonst sofort erbrechen musste, und lag bis gestern zu
Bett. Seit 8—4 Tagen wurde die Gelbsucht und das Hautjucken ge-
ringer, der Urin heller und der Stuhlgang fing an, sich wieder zu
färben. Steine wurden in demselben trotz eifrigen Suchens nicht ge-
funden. Pat. will in den letzten 14 Tagen durch die geringe Nah-
rungsaufnahme stark an Gewicht abgenommen haben. Herr Dr.
W ömpner-Glesien, der die Pat. schon bei den früheren Anfällen als
gallensteinleidend erkannt hatte, konstatierte diesmal stärkere Schwel-
lung der Leber und schickte die Pat. zur Untersuchung nach Halberstadt.
Pat. wird zunächst vom 9. 5. bis 16. 5. beobachtet; während dieser
Zeit stellt sich heraus, dass zwar der Stuhlgang sich etwas färbt,
Steine aber nicht abgehen. Das ist auch nicht nötig, denn erstens
kann der Stein in den Choledochus zurückfallen, und zweitens kann er
im Darm zerfallen und deshalb nicht in den Faeces gefunden werden.
Aber der Appetit hob sich nicht recht, die Gallenblasengegend blieb
empfindlich, auch der Druckschmerz in der Mittellinie Hess trotz Thermo-
phors nicht nach. Pat., die als Gastwirtsfrau schwer arbeiten musste,
wollte unter allen Umständen radikal geheilt sein und wünschte
dringend die Operation. Im Urin wurden immer noch Spuren von
Gallenfarbstoff gefunden, 4ie Leber blieb gleichmässig gross.
Diagnose: Abgelaufene akute Cholecystitis und Choledochitis
(Pankreas ?)
Operation 16. 5. 04 im Beisein des Herrn Dr. Wömpner. Wellen-
schnitt. Leber gesenkt, gross, lässt sich einigermassen umkippen.
Gallenblase gross, Wandungen blaurot verfärbt, öderaatös, mit Netz
verwachsen. Lösung. Uebernähiing des blutenden Netzes. Paukreas-
kopf sehr hart, einzelne Läppchen wie Concremente tastbar. Freilegung
des Choledochus im supraduodenalen Teil. Der Befund ergibt ab-
geklungene Cholecystitis wahrscheinlich serös-eitriger Natur, daneben
akute Pankreatitis. Ob ein Stein im Choledochus steckt, ist durch
Palpation nachzuweisen nicht möglich, deshalb Choledochus incidiert.
Galle fliesst trübe ab, dicke Sonde passiert die Papille nicht, nur die
dünne dringt vorwärts. Schleimhaut des Choledochus geschwellt. Ein
Stein ist im Choledochus nicht nachweisbar. Im Cysticus sitzt fest,
— 200 —
ganz unverschieblich eingeklemmt, ein erbsengrosses Concrement.
Gallenblase wird samt Cysticus entfernt , leichte Unterbindung der art.
cysticn. Rohr von ca. l cm Durchmesser in den Hepaticus, übriger
Schnitt des Gholedochus wird wasserdicht vernäht. 3 Tampons. Da
Pat. sehr fette Bauchdecken hat, wird nuterhalb der Tainpouade nur
Perit. pariet., fascia transversa, niusc, rect., fascia externa mit durch-
greifenden Nähten genäht, der pannicnlns adiposns und die Haut nicht.
Oberhalb der Tumponade wird die ganze Diclce der Bauchwand durch
Durchstichltnopfnähte vereinigt. Dauer der Operation ^j* Stunde. Die
exstirpierte Gallenblase enthält blutige, trübe, wenig gallig gefärbte
Flüssigkeit, ca. 200 erbsengrosse Steine, und einen bohnengrossen
Stein ; die Gallenblasenwandung ist ödematös geschwellt und verdickt.
Das path. Institut in Marburg schreibt uns über die Gallenblase
Folgendes :
Cholecystitis chronica. Diffuse Verdickung der Blasenwand mit
stärkeren Vorsprüngen der Falten und Leisten. Im Fundus zwei ge-
schwürig, zum Teil narbig veränderte, 5-Pfg.-Stück grosse Stellen.
Mikroskopisch zeigen die beiden Geschwürstellen ein einfaches
Granulationsgewebe, welches die Muskulatur durchsetzt und zum Teil
zum Schwund gebracht hat. Die übrigen Abschnitte der Gallenblase
zeigen eine alle Wandschichten betreffende entzündliche Verdickung.
Die Schleimhautfalten sind kräftig entwickelt. Das Epithel auf ihrer
Spitze vielfach abgelöst, in den Buchten erhalten. Es sind hohe
Zylinderepithelien mit deutlicher Schleimbildung, hier und da im Aus-
sehen ganz den Becherzellen gleichend. Am ductus cysticus fehlt
die Schleimhaut vielfach. Desgleichen ist die Muskulatur durch
Narbengewebe ersetzt. An den äusseren Randschichten noch Reste
der Drüsenkörper.
Verlauf: 17. 5. Einmal Erbrechen. Magenspülung. Leib weich,
Blähungen spontan. Galle läuft reichlich.
Temperatur normal. Puls etwas klein, 100.
18. 5. Kochsalzeinläufe rektal alle 3 Stunden. Gutes Aussehen.
Galle läuft trübe ab.
21. 5. Pat. erkrankt an einer sehr ausgedehnten Urticaria. Kein
Fieber, Puls gut. Galle läuft klarer ab.
25. 5. Abends 39,0" C. Dabei gutes Allgemeinbefinden. Galle
läuft reichlich. Für die Temperaturerhöhung wird kein Grund ge-
funden. Vorband bleibt liegen.
26. 5. Temp. 87,8 ° C. Appetit gut.
28. 5. Tampons und Rohr entfernt. Alles in Ordnung. Die
tiefen Fäden, welche unterhalb der Taniponade Peritoneum, Fascie
und Muskulatur zusammenhalten, werden entfernt. Die im Bereich des
panniculus adiposus weitklaffende Wunde wird mit Heftpflaster zu-
sammengezogen und nur in den untersten Winkel des Schnitts ein feiner
Gazestreifen eingelegt.
30. 5. In ganzer Ausdehnung ist das Fettgewebe wie bei einer
prima intentio verklebt, der Gazestreifen im unteren Wundwinkel
wird entfernt.
— 201 —
8. 6. Der nicht genähte nntere Teil der Wände ist überall ver-
klebt, die Haut ist «nr noch '/^ cm Ton einander entfernt. Galle läuft
klar ab, Verband nur alle 2 Tage von Galle durchtränkt. Ausgezeich-
netes Allgemeinbefinden.
Weiterer Verlauf ohne Besonderheiten.
20. 6. Geheilt entlassen. Fat. sieht blühend aus.
Epicrise: Der Inhalt und auch die Schleimhaut der
Gallenblase Hessen eine Art der Cholecystitis erkennen, die
man als hämorrhagische bezeichnen könnte. Mit der Infektion
im Gallensystem ging Hand in Hand eine Infektion des Pankreas.
Ich überlegte mir, ob ich wegen der bestehenden Pankreatitis
die Gallenblase erhalten sollte, zwecks Cysteuterostomie ; aber
da die Galle auch aus dem Hepaticus trübe abfloss, zog ich die
Hepaticusdrainage als radikaleres Verfahren vor. Vielleiclit
hatte doch ein kleiner Stein die Papille zeitweise verlegt, zur
Zeit war keiner nachweisbar, und es sind ja genügend Fälle
bekannt, dass auch bei einfacher Cholecystitis die Bauchspeichel-
drüse durch dieselbe Infektionsursache erkranken kann. Ich
habe schon im Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Berg-
mann, V. Mikulicz und v. Bruns darauf hingewiesen, dass der
Ikterus bei der Cholelithiasis in vielen Fällen durch gleich-
zeitige Schwellungen des Pankreaskopfes erklärt werden kann;
ich glaube, ein solcher Fall liegt hier vor,
Nr. 102. E, B,, 42j. Kaufmannsfrau aus Saiigerhausen.
Aufgen.: 24. 5. 1904.
Operiert: 25. 5. 1904. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen: 21. 7. 1904. Geheilt.
Anamnese: üe^er die Vorgeschichte der Patientin findet sieh
in einer Arbeit über Recidive nach Gallensteinoperationen von Herr-
mann-Karlsbad („Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Med. und
Chir. 1900", Band VI. Seite 343) Folgendes:
„B,, 38j. Kaufmannsgemahlin aus Sangerhausen im Harz. Fat.
bekam im Jahre 1884 nach der Geburt ihres ersten Kindes plötzliche
heftige Schmerzen in der Lebergegend ; diesem ersten Anfalle folgten
dann mehrere Jahre hindurch alljährlich 2—3 gleichartige. Sodann
hörten diese Anfälle allmälilich auf, und es blieb nur ein andauerndes
Schmerzgefühl im Unterleib zurück. Daneben bestand hartnäckige
Obstipation. Fat. wurde nun mehrere Jahre hindurch in der ver-
schiedensten Weise behandelt. Da alle Heilversuche erfolglos blieben,
zog Fat. Professor v. Bramann in Halle zu Rate, welcher, nachdem
neuerlich heftige Schmerzanfälle, diesmal mit Dunkel- und Gelbwerden
des Harnes, auftraten, die Diagnose Gallensteine stellte und zur
— 202 —
Operation riet. Im Juli 1896 wurde die Operation von Prof. Bramann
vorgenommen und 2 walnussgrosse und 36 erbsengrosse Steine ent-
fernt. Wie der Operateur der Patientin mitteilte, wurde die Gallen-
blase herausgenommen und auch Steine, welche in den „Lebergängen"
lagen, entfernt. Nach der Operation befand sich Pat. 7 Monate hin-
durch im besten Wohlsein und war absolut schmerzfrei. Im April 1897
trat jedoch ein neuerlicher Anfall von derselben Beschaffenheit, wie
die frühcion, auf. Auf Empfehlung des Hausarztes machte Pat. nun
eine Oelkur durch, während welcher 6 kleinere Steine abgingen. Die-
selben waren von gelblicher Farbe und wurden vom Arzt als Gallen-
steine konstatiert. Nach dieser Oelkur unternahm Pat. im Aug. 1897
eine 4-wöchige Trinkkur in Karlsbad. Pat. stand während derselben
nicht in meiner Beobachtung. Nach dieser ersten Kur in Karlsbad
zessierten die Schmerzen abermals 5 Monate; sodann empfand Pat.
neuerdings eine Schmerzhaftigkeit der Gallenblasengegend, ohne dass
es jedoch zu Anfällen gekommen wäre. Prof. Bramann, welcher neuer-
lich konsultiert wurde, riet nun der Pat., alle 4 Monate eine Karls-
bader Kur zu Hause durchzuführen. Nach der ersten so gebrauchten
Kur ging die Schmerzhaftigkeit der Gallenblasengegend zurück. Das
Jahr 1898 verbrachte die Pat. leidlich, ohne Anfälle. Da jedoch im
Jahre 1899 sich wiederum typische Anfälle, darunter einer mit Fieber
und Schüttelfrost, einstellten, kam Pat. April 1899 zum zweitenmalo
nach Karlsbad und trat dort in meine Behandlung.
Bei der Aufnahme zeigt Pat. eine 30 cm lange, nach oben konvex
verlaufende, lineare Operationsnarbe. Dieselbe beginnt etwa 2 cm
links von der Mittellinie und verläuft von links nach rechts. Etwa
16 cm. vom Beginn zeigt die Narbe eine bedeutende Einziehung,
welche der Stelle entsprechen soll, an welcher das Drainrohr lag. Die
Leber selbst zeigt perkutorisch normale Grenzen. Bei der Palpation
des Unterleibes ergibt sich an 2 Stellen, und zwar 5 cm unterhalb des
Schwertfortsatzes und an der Stelle, wo die Narbe eingezogen er-
scheint, eine Schmerzhaftigkeit auf Druck. An der ersteren Stelle
fühlt man auch eine, jedoch nicht circumscripte Resistenz.
Zu Beginn der Trinkkur traten zwei leichtere Schmerzanfälle
auf. Von der zweiten Woche ab fühlte sich Pat. vollkommen schmerz-
frei und es war zu Ende der 4-wüchentlich6n Trinkkur sowohl die
Resistenz, als auch die Schmerzhaftigkeit völlig geschwunden. Der
Appetit hatte sich gehoben und der Stuhlgang geregelt. Pat. verlässt
nach 4 Wochen in völligem Wohlbefinden den Kurort."
üeber den weiteren Verlauf ihrer Krankheit berichtet uns die
Pat. selbst Folgendes:
Nach Karlsbad traten die Anfälle bald wieder in ihrer alten Art
auf, durchschnittlich 3—4 mal im Jahr; Gelbsucht trat dabei nicht
auf; 1 oder 2 Anfälle im Jahre sollen mit BauchfeUreizung einher-
gehen, sodass Pat. etwa 8 Tage lang jedesmal zu Bette sein und eine
Eisblase auf die Gallenblasengegend haben muss. Vor 2 Jahren ein
stärkerer Anfall mit Bauchfellreizung, sodass sie 4 Wochen zu Bette
— 203 -
lag. Danach verordnete der Hausarzt eine Terpentinkur; schon am
3ten Tage derselben begannen Koliken, und Pat. bekam einen aus-
gesprochenen Ikterus mit Braunfärbung des Urins und Graufärbung
des Stuhls. Nach einigen Tagen schwanden diese Erscheinungen
wieder. Auch die Druckschmerzen, die sie ausserhalb der Anfälle
häufig in der Lebergegend hatte, kamen nicht wieder. Bei strenger
Diät traten aber dennoch wieder 2—3 Anfalle im Jahre auf. Zuweilen
bestand bei den Anfällen Erbrechen, nie wieder Gelbsucht. Der letzte
Anfall trat vor 4 Wochen auf und verlief wie die früheren. Zwischen
den Anfällen fühlt sich die Pat. ganz wohl ; von seiten der Leber kaum
Druckgefühl. Stuhlgang, immer etwas angehalten, Hess sich durch
Obst regeln. Appetit, ausser bei den Anfällen, stets gut. Pat. gibt
noch an, seit etwa 4 Jahren an hysterischen Beschwerden aller Art
zu leiden, besonders auch an hysterischen Lähmungserscheinungen
mit Muskelschwund vor allem am rechten Bein, viel Muskelzittern etc.
Oft sollen ihr die Beine versagen, sodass sie zusammensinkt. Auch
Zustände von Herzschwäche, nicht nur nervöser Natur, will sie oft
gehabt haben. Seit mehreren Jahren Schlaflosigkeit, seit 1'/« Jahren
überhaupt keine Nacht ohne Brom geschlafen. Ihre hysterischen Be-
schwerden vor allem machen sie zu jeder Arbeit so gut wie unfähig.
Befund; Sehr nervöse Frau, die sich selbst hysterisch nennt.
Starke Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend. In der
Quernarbe eine Hernie. Kein Ikterus. Urin frei. Pat. hat durch die
Hernie sehr viel Beschwerden und ist lebensüberdrüssig. Sie will
gesund werden, auch wenn die Operation „sehr gefährlich" ist.
Diagnose: Steine (wo?), Adhäsionen.
Operation: 26. 5. 04. Wellenschnitt. Colon und Magen
mit Bauchwand verwachsen. Einige versenkte Silberdrähte werden
aus den Bauchdecken entfernt. Magen mit unterem Leberrand ver-
wachsen. Mühsame Lösung. Allmählich kommt die Gallenblase
in Sicht; von der Leber wird sie um 3 cm. überragt, sie ist aber sehr
gross nnd enthalt Steine. Cysticus normal und eng, Choledochus im
supraduodenaleu Teil erw«itert. Ectomie. Starke Blutung aus der
Art. cystica. Enger Cysticus wird bis in den Choledochus hinein ge-
spalten. Weder im Cysticus noch im Choledochus ein Stein. Hepa-
ticusdrainage nach wasserdichtem Verschluss der Choledochusincision.
3 Tampons. Hernie wird vernäht. (Tiefe Fascien-Muskelnähte.) Dauer
der Operation: l'/i Stunde. Massige Sauerstoff - Chloroformnarkose
(55 gr).
Die excidierte Gallenblase ist chronisch entzündet und enthält
2 Steine. Aufgeschnitten zeigen diese keine Besonderheiten.
Cysticus sehr eng und normal aussehend.
Das pathol. Institut in Marburg schreibt über die Gallenblase
Folgendes :
Die Gallenblase zeigt ungefähr in der Mitte der hinteren Wand
zwei dicht nebeneinanderliegende strahlige Narben. Die übrige
Schleimhaut ist ganz fein papillär, sammetartig geformt.
— 204 —
Mikroskopisch zeigt die Schleimhaut leichte Abplattung der
Falten, dafür aber zahlreiche kleinste umschriebene Verdickungen
der Schleimhaut, hervorgerufen durcli drüsenartige Einstülpung des
Epithels wie bei der Cystitis cystica. Auch finden sich wieder starke
Ausbuchtungen der Schleimhaut durch die Muskulatur hindurch. Im
grossen und ganzen ist die entzündliche Zellanhäufung in der Schleim-
haut und den Serosaschichten sehr gering.
Verlauf: Die ersten Tage Temperatur bis 38,6°; guter Puls.
Vom 5, Tage fieberfrei und normaler Verlauf.
8. 6. 04. Tampons und Fäden (bis auf einen) werden entfernt.
Bauchwunde per primam geheilt. Fat. fühlt sich sehr wohl.
15. 6. 04. Fat. steht auf. Verband täglich mit Galle durch. Schlaf
viel besser, ohne Mittel. Allgemeinbefinden hebt sich.
21. 6. 04. Wunde sehr eng. Gallenfluss gering.
15. 7. 04. Fat. ist sehr munter, kann in den nächsten Tagen
entlassen werden. Wunde ist in der Tiefe völlig geschlossen. Nerven-
system sehr gebessert.
21. 7. 04. Geheilt entlassen.
Epicrise: Dass v. Bramann die Gallenblase völlig
exstirpiert hat, glaube ich nicht; Patientin wird wohl den
Operateur falsch verstanden haben. Die Gallenblase war sehr
gross, sass fest an der Leber. Lässt man den Cysticus bei
der Ectomie stehen , so mag sich dieser erweitern, aber die
neue Gallenblase kann sich doch nicht mit Peritoneum über-
ziehen und in der Lebernische wieder festwachsen, v. Bramann
wird wohl eine Cystendyse gemacht haben oder er hat nur den
Fundus reseciert. Im Jahre 1896 machte man allgemein die
Excision der Gallenblase nur partiell, d. h. man liess ein
grösseres Stück sitzen ; heute nimmt man den Cysticus mit
fort. Herrmann giebt das Urteil, dass ein echtes Recidiv vor-
liegt, lediglich auf Grund der Angaben der Pat. ab, anstatt
direkt bei dem Operateur Erkundigungen einzuziehen. — Ich
glaube überhaupt nicht, dass jemals Steine abgegangen sind,
sonst sähe der Cysticus anders aus. Aber dieser war sehr eng
und zart. Die Steine, die nach der Oelkur abgingen, können
Oelklümpchen gewesen sein; auch bei erfahrenen Aerzten kommen
in dieser Beziehung Verwechslungen vor. Mir ist es am
wahrscheinlichsten, <lass v. Bramann die Galleublase am Hals
quer reseciert und dabei die beiden von mir gefundenen
vSteine übersehen hat. Es liegt also auch hier kein echtes
Recidiv, sondern nur eine unvollkommene Operation vor.
— 205 -
Nr. 103. E. M., 56j. Professor aus Flensburg.
Aufgeil.: 8. 3. 1902.
Operiert: 13. 3. 1002. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Naht eines Leberrisses.
Entlassen: 12. 5. 1902. Gehellt.
Anamnese: Pat. war früher gesund. Im Januar 1900 nach
leichtem Unwohlsein Ikterus, nach ca. 14 Tagen ausgesprochene Kolik,
die sich häufiger wiederholte. Trotz einer Kur in Karlsbad bestand
der Ikterus noch fast bis Ende des Jahres, dabei war das Allgemein-
befinden ziemlich gut. Anfang 1901 ganz beschwerdefrei, ging er im
Mai wieder nach Karlsbad, wo nach einem grösseren Spaziergange
leichte, bohrende Schmerzen in der Gallenblasengegend auftraten. Nach
der Rückkehr im Sommer 1901 nach einer Kegelpartie Kolik mit Ikterus,
der seitdem in wechselnder Intensität bis jetzt besteht. Stuhl und
Urin dem Grade des Ikterus entsprechend verfärbt. Pat. hat seitdem viel
Koliken, Steine sind nicht gefunden worden, während vor 2 Jahren
eine grössere Anzahl im Stuhle abging. Pat ist sehr abgemagert. Die
Herren Geh. Sau. -Rat Jacques May er -Karlsbad, Geh. -Rat Prof.
Quincke-Kiel und Dr. Schädel-Flensburg rieten zur Operation.
Befund: Stark ikterischer, elender Mann. Leber gross, kein
Tumor der Gallenblase. Druckempfindlichkeit im Epigastrium. Im
Urin Gallenfarbstoff, wenig Albumen.
Diagnose: Chronischer Choledochusverschluss durch Stein.
Operation: 13. 3. 02. Wellonschnitt. Leber gross. Gallenblase
mit Pylorus und Netz verwachsen, enthält 8 Steine, wird exstirpiert.
Im Choledochus und Hepaticus 10 Steine von Kirschkerngrösse. Hepa-
ticusdrainage. Bei der Eröffnniig der Bauchhöhle wird durch deu
Rücken der Schere die Leber eingeritzt. 2 Nähte. Paiikreasläppchen
sehr deutlich palpabel, härter als normal. Tamponade. Dauer der
Operation */4 Stunden.
Verlauf normal. Reichlicher Ausfluss von trüber Galle. 18. 8.
Abführen. 23. 8. Verbandwechsel, Entfernung der Tampons und des
Rohres. Ausspülung des> Hepaticus und Choledochus. Neue Tampo-
nade. Seitdem täglich Verbändwechsel. 26. 8. Die Sonde stösst auf
einen Stein in der Leber. 2 kleine Steinchen werden Iieransgespült,
doch gelingt es nicht, den grossen Stein zu fassen. 27. 8. Der Ikterus
hat zugenommen, Pat. ist sehr matt, aus dem Hepaticus fliesst reiner
Eiter. Stein nicht zu fassen. Temperatur Abends 89,8'* C. Puls 120.
28. 3. Verband in Narkose. Der Stein ist auch nach Spaltung des
Hepaticns bis zur Leber nicht zu fassen, es wird deshalb ein Laminaria-
Stift in den rechten Hepaticusast, in welchem der Stein steckt, ein-
geführt. Abends wird er wegen heftiger Schmerzen herausgenommen,
er ist stark gequollen. 29. 3. Es gelingt heute 3 Steine von Kirsch-
kerngrösse und mehrere kleine Trümmer aus dem erweiterten Chole-
dochus zu entfernen. 80. 8. Aus dem rechten Hepaticusast fliesst
wenig Galle, noch immer Eiter. Pat. ist matt, der Puls 120, aber von
— 206 —
guter Qualität, Appetit leidlich. Es wird ein Rolir In den recliten
Hepaticnsast eingelegt, aus dem anfangs trübe, vom 8. 4. ab kiare
Galle abfliesst, tägliclie Menge etwa 200 gr. Die Temperatur kehrt zur
Norm zurück, das Allgemeinbefinden hebt sich so, dass Pat. am 17. 4.
aufsteht. Der Gallenfluss wird geringer, durch Tamponade der äusseren
Fistel lässt er sich ganft hintanhalten. Pat. nimmt an Körpergewicht
zu. Am 12. 5. verlässt er die Klinik und geht nach Suderode, von wo
er 2 mal wöchentlich zum Verbinden kommt. Am 25. 6. mit völlig
geschlossener Fistel aus der Behandlung entlassen.
Pat. erholt sich weiter sehr und ist nach 2 Jahren (1904) ein
blühender Mann. Im Juli 1904 heftige Kolik mit Abgang eines erbsen-
grossen Steines. Auch hier ist es wahrscheinlicher, dass noch ein
Stein aus den Lebergängen nachgerückt ist, als dass es sich um eine
Stein-Neubildung handelt. Wer die Krankengeschichte mit Aufmerk-
samkeit durchliest, wird sich nicht wundern, dass ein Stein übersehen
werden konnte.
Epicrise: Ein sehr merkwürdiger Fall. Die erste Kolik
führte sofort zum chronischen Choledochusverschluss, der zuletzt
sehr typisch wurde.
Der Pat. war sehr abgemagert, als er in meine Behandlung
trat, nichts als Knochen und schlaffe Haut. Es gelang nicht
sofort, alle Steine zu entfernen, aber die Hepaticusdrainage
ermöglichte ihre spätere Beseitigung. Da der rechte Hepaticusast
mit Steinen verstopft war, machten sich noch längere Zeit die
Symptome der Cholangitis geltend. Die Entfernung des fest-
sitzenden Steines gelang erst nach Einführung eines Lanii-
nariastiftes, welcher allerdings dem Kranken erhebliche
Beschwerden machte, aber schliesslich doch zum Ziele führte.
Bei der Applikation des Laminariastiftes wurde der Chole-
dochus ca. 3 cm. lang gespalten, und doch lief die Galle,
wenn man die äussere Fistel mit Oaze zustopfte, nach dem
Duodenum ab.
Der Fall ist ein schlagender Beweis für die grosse Zweck-
mässigkeit der Hepaticusdrainage bei Cholangitis und hoch im
Gallensystem steckenden Steinen. Nur auf diese Weise war
dem Patienten das Leben zu reiten. —
Xr. 104. F. Str., 48 j. Schlossersfran aus Halberstadt.
Aufgen.: 13. 6. 1900.
Operiert: 17.6.1900. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen: (). 8. 1900. Geheilt.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie, war selbst immer
gesund. Stuhlgang stct<j regelmässig.
— 207 —
Vor zwei Jahren hatte sie den ersten Kolikanfall, sehr heftige,
drei Tage anhaltende Schmerzen in der Gallenblasengegend zum Rücken
ausstrahlend, mit Schüttelfrost, Gelbsucht, Erbrechen. Nach 14 Tagen
ein kleinerer Anfall.
Dann Pause bis Mitte März 1900. Damals wiederholte sieh obiger
Anfall und tritt seitdem jede Woche ein- oder mehrmals auf; der erste
Anfall und ein anderer vor drei Wochen waren besonders heftig; die
übrigen geringer. Der Stuhl ist seit März träge, bei den Anfällen
schwillt der Leib an, sie fühlt selbst in der Gallenblasengegend eine
Geschwulst. Der Stuhl ist dann entfärbt, der Urin dunkel, der Leib
überall druckempfindlich, besonders in der Gallenblasengegend. Auf
heisse Umschläge schwanden die Schmerzen meist. Sie nimmt st-it
längerer Zeit Karlsbader Salz. Auf Rat der Herren Dr. Crohn und
Dr. Spill er kommt sie zur Klinik.
Befund: Sehr blasse, elende Frau, Puls 120, klein, abends 38,5° C.
Leber gross, Tumor der Gallenblase. In der Mittellinie Resistenz. Im
Urin Gallenfarbstoff. Skleren nicht gelb.
Diagnose: Cholecystitis, Steine im Choledochus. Schwere Ent-
zündung um die Gallenblase herum.
Operation: 17.6.1900. Wellenschnitt. Leber etwas vergrössert,
rechter Leberlappen sieht gesund aus, linker mit Magen verwachsen.
Bei der Lösung kommt Eiter zum Vorschein. Linker Leberrand mit
Netz fest adhaerent; bei der Lösung erscheint auch hier eingedickter
Eiter. Gallenblase sehr gross, enthält viele kleine Steine und trübe
seröse Galle. Besonders der Gallenblasenhals ist sehr erweitert und
enthält viele Steine. Im Choledochus ein haselnussgrosses Concrement,
sowohl im Hepaticus als auch im Choledochus viele (ca. 10) Steine.
Nur durch weites Aufschneiden des Hepaticus lassen sich mehrere
Steine von der Bifurcationsstelle hernnterholen. Im Choledochus ist
die Galle sehr trübe und übelriechend. Nach Abtrennung nnd Exci-
sion der Gallenblase fand man auch noch im Cysticus einen Stein.
Tamponade. Hepaticusdrainage. Naht. Dauer der Operation ^(4 Stunde.
Ob sämtliche Steine aus den Hepaticnsästen entfernt sind, ist sel»r
fraglich. Da ausgiebig tamponiert ist, wird die spätere Entfernung der
Steine keine erheblichen Schwierigkeiten bereiten.
Verlauf: Fieberfrei. Am 26. 6. wurden die Tampons und
die Fäden entfernt. Wegen grosser Schwäche in den ersten Tagen
wird öfters physiologische Kochsalzlösung und steriles Olivenöl subkutan
injiziert. Galle läuft in grossen Mengen (bis 600 gr). Am 27. 6. wird
der Hepaticus sondiert, mau findet nocli zwei erbsengrosse Steine, von
denen der eine mit der Kornzange, der zweite durch Ausspülen ent-
fernt wird. Neue Tamponade. Im übrigen fühlt sich Pat. wohl, hat
guten Appetit und Stuhlgang.
28. 6. 1900. Beim Ausspülen des Hepaticus gehen zwei weitere
Steine ab. Mit der Sonde nichts nachweisbar.
29. 6. Wieder Ausspülen des Hepaticus und Choledochus.
1. 7. Mit der Sonde lässt sich ein Stein oben im Hepaticus fühlen^
Extraktionsversuch aber vergeblich.
— 208 —
2. 7. Der gefühlte Stein wird «Inrch AnsspUlen des Hepaticns
entfernt.
3.7. 7 cm. oberhalb der Choledochusincision fühlt die Sonde
im Hopaticus wieder ein Konkrement. Herabliolen desselben mit dem
Riedel'schen Galleusteinfänger. HerausspUlnng des Steines dnrcli Koch-
salzlösnng. Neue Tamponade. Die Choledochusincision ist immer noch
— am Iß. Tage post operat. — gut zugänglich.
Auch der Choledochus resp. die Papille des Duodenum lässt sich
noch gut sondieren. Allgemeinbefinden bessert sich täglich.
4. 7. Wiederum fiihlt die Sonde in der Tiefe des Hepaticns
einen Stein. Es werden zwei Konkremente von Erbsengrösse heraus-
gesprudelt.
5. 7. Wieder ein Stein entfernt. Neue Tamponade.
8. 7. In der Tiefe des Hepaticns liegt noch ein Stein. Heraus-
sprndelung.
10. 7. Es fliessen immer noch Steinlrümmer aus dem Hepati-
cus ab.
12. 7. Keine Steine mehr nachweisbar. Am 22. 7. sistiert
das Gallenfliessen. Stuhlgang ganz braun. Wunde schliesst sich
rasch. Rasche Erholung. Am 6. 8. 1900 entlassen.
Epjcrise: Der obige Fall war für die Hepaticusdrainage
combiniert mit der Ectomie wie geschaffen ; hätte man nur
cystostomiert, so wären die Steine im Choledochus zurück-
geblieben. Nur iiacb der Ectomie fand man den Cysticns-
steiü und die Choledochussteine. Die im Hepaticns stecken-
den waren sehr schwierig zu entfernen. Bei der ausgiebigen
Tamponade war die nachträgliche Entfernung der zurückge-
lassenen Steine nicht schwer. Hätte man sie nicht entfernt,
so hätte man aus diesem Fall leicht ein echtes Recidiv
konstruieren können.
Nr. 105. S. M., 37 j. Bahnwärtersfrau aus Ballenstedt.
Auf gen.: 2. 3. 1901.
Operiert: 4. 3. 1901. Hepaticusdrainage, Ectomie.
Entlassen: 6. 4. 1901. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Belang. Seit
ca. 3 Jahren hatte Pat. alljährlich im Winter 2—3 Anfälle von „Magen-
krämpfen", Schmerzen in der Magengrube, die etwa 1 Tag anhielten
und mit Erbrechen einhergingen. Gelbsucht und Erbrechen sind nicht
beobachtet worden. Der Stuhlgang war immer etwas träge. Anfang
Januar kam wieder ein solcher Anfall, der an 1 Tage vorüberging,
eine Woche später wieder einer, der mit sehr heftigen Schmerzen und
starkem Erbrechen einhorging und 3 Tage dauerte. Die Schmerzen
Sassen jetzt mehr nach rechts herüber und zogen zum Rücken. Am
3. Tage trat Gelbsucht auf, die seitdem noch nicht ganz geschwunden ist.
— 209
ist. Der Stuhl war entfärbt, der Urin dunkelbraun. Es blieben Kreuz-
sehmerzen und Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend zu-
rück. Pat. nahm 14 Tage Karlsbader Salz ohne Erfolg, dann V* ^ ^^
wonach sie Erleichterung verspürte und Steine abgegangen sein sollen.
Ende Februar merkte sie, dass ein Anfall kam, unterdrückte ihn aber
durch Einnehmen von Öl. Am nächsten Tage jedoch kam er wieder,
hielt 1 Tag an. Die Gelbsucht wurde wieder stärker, Kreuzschmerzenr
und Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend blieben. Während
der Erkrankung war der Appetit schlecht, Pat. magerte ab (angeblich
20 Pfd.). Herr Geh.-Rat Dr. Haring-Ballenstedt schickt sie hierher.
Befund: Kräftige, etwas ikterische Frau. Herz und Lungen
gesund, Puls und Temperatur normal, Urin frei von pathol. Bestand-
teilen, bis auf Gallenfarbstoff. Die Leber ist etwas vergrössert, in der
Gegend der Gallenblase Resistenz und Schmerzhaftigkeit. Kein Tumor
der Gallenblase.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 4. 3. Wellenschnitt. Gallenblase breit mit Duo-
denum verwachsen, schlaff, enthält Steine. Im supraduodenalen Teil
des Choledochus ein bohnengrosser Stein. Excision. Exstirpation der
ca. 100 Steine enthaltenden Gallenblase. Hepaticusdrainage. Drüse am
Choledochus hart, haselnnssgross, Paiikreaskopf sehr induriert. Dauer
der Operation 20 Minuten. Tamponade. Naht. In der Gallenblase
Steine und trübe Galle. Essiglappen auf den Mund.
Ve /lauf: 4. 3. Abends 37,3.
5. 3. 37,8. Puls 102. Kein Erbrechen, sieht gut aus, Blähungen
beginnen. Abends Erbrechen schwarzer blutiger Massen. 37,8. Puls 132.
Magenausspülung. Kochsalz. Gallenfluss 235 g.
6. 3. 37,6. Puls 124. Kochsalz, das Erbrechen hat aufgehört.
Galle 75 g. Frau M. ist stärker Ikterisch als vor der Operation. Abends
wieder Erbrechen dankler Massen, Magenspülnng. Kochsalz. 38,5.
7. 3. 38,1. Puls 116. Mittags wieder etwas Erbrechen. Magen-
spülung. Das Erbrochene ist nicht mehr binthaltig. Galle 50 g. 38,3.
8. 3. 37,4. Puls 100. Wieder etwas Erbrechen, Magenspülung.
Galle 100 g. - 37,6.
9. 3. 37,3. Puls 10^. Abführen, 2 mal Stuhlgang. Abends wieder
Erbrechen. Magenspülung. Gallenfluss 200 g. 37,1.
10. 3. 37,3. Puls 116. Erbrechen nach jeder Nahrungsaufnahme.
Magenspülung. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons. Nach
unten schliessen Verwachsungen die Bauchhöhle ab, aber der subphren.
Raum ist noch offen. Das Spülwasser bleibt zum grossen Teil in der
Bauchhöhle. Neuer Verband. Magenspülung. Nährklystiere. Gallen-
fluss 50 g. 38,2.
11. 3. 87,4. Puls 96. Kein Erbrechen mehr. Gallenfluss 100 g.
12. 3. Gutes Befinden.
18. 3. Verbandwechsel.
28. 3. Täglich Verbandwechsel.
2. 4. Verband trocken.
6. 4. Geheilt entlassen.
Kehr, Teolinik der üallenateinoperationen. 14
— 210 —
Epicrise: Das Erbrechen in den ersten 6 Tagen post
op. ist wohl auf die etwas ausgiebige Taniponade zurückzu-
führen, denn sofort nach dem Yerbindeti am 6. Tage hörte
dasselbe auf. Für g-ewöhnlich wechseln wir den Verband erst
10 — 14 Tage post op. ; am 6. Tage post op. zeigte es sich^
dass die Verklebungen noch nicht zu einem vollständigen Ab-
schluss der Bauchhöhle geführt hatten, und der subphrenische
Kaum war noch zugänglich. Da bei dem Verbandwechsel alle
aseptischen Massregeln beobachtet wurden, hat der allzu frühe
Verbandwechsel nicht geschadet.
Nr. 106. A. H., 43j. Oberstfrau aus Fürth (Bayern).
Aufgen.: 3. 10. 1902.
Operiert: 5. 10. 1902. Hepaticusdrainage, Ectomie.
Entlassen: 29. 11. 1902. Geheilt.
Anamnese: November 1900 sehr heftige Kolik, Schmerzen im
Epigastrium, Erbrechen, Schüttelfrost und Fieber, kein Ikterus. Am
2. Tage danach leichte Kolik. Januar bis März 19ÜI wiederholt leichte
Anfälle, dabei magerte sie stark ab. April 1901 Kur in Kissingen, gute
Erholung. Mai und Juni 1901 je eine Kolik ohne Ikterus, bei letzterer
wurde ein Steinchen im Stuhl gefunden. Herr Prof. Penzoldt-
Erlangen verordnete eine Bandage. Fat. war danach fast schmerzfrei, nur
bei längerem Gehen, Bücken etc. kamen kleinere Attacken. Mai 1902
beim Bücken (Blumenpflückon) leichter Druck, Qebelkeit, unbedeutender
Ikterus. Gewichtsverlust ca. 15 Pfd. Der Ikterus schwand und trat
Anfang August wieder auf. Ein paar Tage vorher hatte Pat. Fieber,
keine Kolik, das Fieber hielt 4 Wochen an, zweimal kamen Schüttel-
fröste. Der Ikterus besteht seitdem in wechselnder Intensität fort,
Pat. ist sehr schwach und liegt seit 2 Monaten im Bett. Auf Rat
des Herrn Oberstabsarztes Dr. Loe seh -Fürth kommt sie hierher.
Befund: Gracile Frau mit ausgeprägtem Ikterus. Leib weich,
flach. Leber vergrössert. Druckempfindlichkeit in der Mittellinie,
sonst kein Befund. Urin bierbraun, enthält viel Gallenfarbstoff, leichte
Eiweisstrübung, kein Zucker.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 5. 10. 02. Sehr gute Chloroformnarkose. Wellen-
schnitt. Gallenblase geschrumpft, verdickt, am Cysticus mit Duodenun>
verwachsen. Leber nicht wesentlich vergrössert. Lösung der Gallen-
blase vom Duodenum. Hier ist die Gallenblase sehr morsch, und es-
tritt Eiter hervor. Man kommt auf einen walnussgrossen, im Chole-
dochus liegenden Stein. Der Hepaticus dahinter ist verengt. Papille
frei. Kleines Loch in der Serosa des Vnodeiiuni. Es scheint aber noelt
Iteine Perforation vorhanden zu sein, doch hat man den Eindruck, als
ob hier eine Choledoclioduodonalflstel in Entwiclilnng begriffen sei»
Gallenblase wird exstirpiert. Starke Blutung aus der Art. cystica.
— 211 —
Ligatur. Die Gallenblase ist chronisch entzündet, wandverdickt, Schleim-
haut ulceriert und enthält einen haselnussgrossen Stein. Aus dem
Hepaticus fliesst schleimig-eitrige Galle nach. Der Defekt am Dnode-
iinni, das spitzwinklig nach oben gezerrt ist, wird übernälit. Tampo-
nade. Kohr in den Hepaticus. Das Einfiiliren des Rohres ist dnrch
die Verengernug erschwert. Naht der ßauchdecken, Verband. Dauer
der Operation ',4 Stunden.
Verlauf: Am Abend des Operationstages schwerer Collaps,
Kochsalzinfnsioneu nnd -Einlänfe, Kampferinjektionen, heisse Getränke,
Excitantien. Nach Uebervvindung des Collapses glatter Verlauf. Die
anfangs spärlich nnd sehr trübe abfliessende Galle klärt sich schnell
nnd wird reichlich. Am 12. Tage ist die abfliessende Galle goldklar,
doch bleiben noch abendliche Temperatursteigerungen von 39" bestehen.
Verbandwechsel am 13. 10. 02 ergibt keinen Grund dafür; vom 17. ab
wird der Hepaticus ausgespült, die Spülung ist schmerzhaft, da das
Wasser in dem engen Kanal nicht am Katheter vorbei abfliessen kann.
19. 10. Der Versuch, den Choledochus bis in das Duodenum zu sondieren,
gelingt nicht, die Instrumente (Catheter, Sonden und Bougies) stossen
in 10 cm. Tiefe auf ein Hindernis. Da die Temperatur hoch bleibt
der Stuhl sich nicht färbt, wird das Sondieren täglich wieder versucht
Zunächst ohne Erfolg, erst am 29. 10. gelingt es, ein feines Bongie
dnrch die Papille zu schieben. Es bleibt liegen. In den nächsten
Tagen gelingt es wieder nicht, über das Hindernis in 10 cm. Tiefe
hinaus zu kommen, erst am 2. 11. dringt ein etwas stärkeres Rongie
wieder bis in den Darm. Es bleibt 2 Tage liegen nnd wird dann
dnrch eine ca. 4 mm. starke Sonde ersetzt, die 1 Tag liegen bleibt.
Vom 7. 11. ab fängt der Stnhl an sich zn färben, die Gallensekretion
nach aussen wird immer geringer. Schliesslich geht die Fistel ganz
zu, und Pat. kann am 19. 11. 02 geheilt entlassen werden.
Epicrise: Bemerkenswert an dem Fall ist besonders die
Bougierung der Papille von der Choledochiisincision aus während
der Nachbehandlung. Sobald die Papille gehörig erweitert
war, hörten das Fieber und der Gallenfluss nach aussen auf.
Nr. 107. L. S., 51 j. Hüttenarbeltersfraii aus Thale.
Aufgen.: 30. 10. 1900.
Operiert: 10. 11. 1900. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen: 21 12. 1900. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Belang. Pat. hat 6 gesunde
Kinder, 2 sind an Bräune gestorben. Sie war selbst stets gesund.
Vor 17 Jahren litt sie ^j* Jahr lang an „Unterleibsentzündung".
Der näheren Umstände erinnert sie sich nur noch undeutlich, doch
scheint der Anfall ähnlich verlaufen zu sein wie der folgende.
Vor 5 Jahren erkrankte sie mit Kolikschmerzen, die links von der
Mittellinie in der Magengegend begannen, von da zum Rücken, zwischen
14*
— 212 —
die Schulterblätter und zur Brust, ausstrahlten. Die Schmerzen traten
'1* Jahr lang etwa alle 2 Tage> auf und dauerten 2—3 Stunden.
Erbrechen trat nicht immer auf; wenn es kam, brachte es Erleichte-
rung. Fieber und Gelbsucht bestanden nicht. Sie wurde während der
Erkrankung sehr schwach, hatte keinen Appetit und magerte erheb-
lich ab. Der behandelnde Arzt spülte ihr 6 Wochen lang den Magen
aus, danach schwanden die Anfälle. Pat. erholte sich wieder.
Sie war frei bis vor 5 Wochen. Seit dieser Zeit traten die An-
fälle in derselben Weise wie vor 5 Jahren wieder auf, sie erhielt heisse
Umschläge, Opium in Tropfen und Pulvern und Morphiuminjektionen.
Seit 2 Tagen hat sich das Krankheitsbild geändert, die Schmerzen
sitzen jetzt rechts in der Gallenblasengegend, ohne auszustrahlen, sie
sind dauernd da und werden beim Husten, Niesen etc., auch schon bei
gewöhnlichen Atembewegungen schlimmer. Dabei ist Fieber aufgetreten
und leichte Gelbsucht. Gestern nachmittags Temperatur 40,2. Puls 150.
Herr Dr. Loew-Thale empfiehlt ihre Aufnahme in die Klinik.
Befund: Kräftige, gut genährte E>au von fieberhaftem Aussehen
und deutlichem Ikterus. Herz und Lungen gesund. Urin enthält
Gallenfarbstoff, kein Eiweiss und Zucker. Temp. 38,4. Puls 120.
Die Gallenblase ist als praller, rundlicher, sehr druckempfindlicher
Tumor etwas über Nabelhöhe zu fühlen, bei Hustenstössen tritt sie
deutlicher hervor.
Diagnose: Recidiv. Cholecystitis, vor 2 Tagen wahrscheinlich
Perforation der Gallenblase. Abgekapselte Peritonitis.
\^ erlauf: 30. 10. Abends 38,4. Puls 120.
31. 10. 37,9. Puls 110. 38,6.
1.11. 38.1. Puls 120. Starke Schmerzen. Heisse Kataplasmen. 39,3.
2. IL 37,5. Puls 108. Nach den heissen Umschlägen Linderung
der Schmerzen. 38,4.
3. IL 37,3. Puls 100. 37,8.
4. 11. 37,3. Puls 96. Schmerzen ganz geschwunden. Der Tumor
nur noch bei tiefem Eindrücken palpabel. 37,4.
5. 11. 37,5. Puls 88. Ikterus fast geschwunden. 37,6.
6. 11. 37,2. Jetzt fieberfrei.
Nachdem Pat. etwa eine Woche fieberfrei ist, wird sie znr
Operation vorbereitet.
Operation: 10. IL 00. Gewöhnlicher Wellenschnitt, starke Fett-
entwicklung in den Bauchdecken. Gallenblase von mittlerer Grösse,
ihre Wandungen ödematös verdickt. Fundus der Gallenblase mit dem
Netz vorwachsen. Lösung dieser Verwachsung derart, dass etwa 2 cm.
des Netzes in Zusammenhang mit der Gallenblase bleiben. Punktion
und Entfernung zahlreicher Steine mit der Kornzange. Ein im Chole-
dochus fühlbarer Stein wird durch Choledochotomie entfernt. Danach
Exstirpation der Gallenblase. Es zeigt sich jetzt, dass in dem stark
erweiterten Choledochus noch mehrere Konkremente stecken, davon
ein etwa haselnussgrosses in einer Ausbuchtung des Ganges unmittel-
bar vor der Papille. Die Entfernung desselben gelingt erst nach eini-
— 213 —
gern Mühen dnrch das bimaunelle Yerfahreu in der Weise, dass der
reclite Zeigefluger das Dnodenum tou iiuteu nnigreift und den Stein
dem in den Clioledoclins eingeführten linken Zeigefinger entgegendrückt.
Drainage des Hepaticus, Verkleinerung des Choledochusschnittes durch
3 Nähte. Tamponade mit mehreren Streifen Silbergaze. Teilweise
Naht der Bauchdeckenwunde.
Die Untersuchung der exzidierten Gallenblase ergibt stark ver-
dickte ödematöse Wandungen und in der Nähe des Fundus eine Per-
forationsstelle, die zu einem in dem adhaerenten Netz liegenden kleinen
Abscesse führt. Am Gallenblasenhalse ist die Wandung an einer erbsen-
grossen Stelle nekrotisch.
Verlauf: 10. 11. abends 37,0.
11. 11. 38,1. Puls 138. Kochsalz, Kampher. Etwas Aufstossen,
kein Erbrechen. Kein Kollern im Leibe. Mittags, nachmittags, abends
und nachts noch je einmal Kochsalz, 2stündl. Kampher. Tee mit
Kognak. Glycerin und Mastdarmrohr. Galle 400 gr. Abends 39,2. Puls 158.
12.11. 38,8. Puls 150. Nachts Blähungen spontan, heute morgen
keine, Leib gewölbt, ziemlich schmerzhaft. Puls schnell, klein. Galle läuft
weniger, 75 gr., ist dick und setzt viel orangefarbenen Bodensatz ab-
Kochsalz und Kampher weiter. Heisser Tee mit Kognak und Kaffee.
Verband etwas durch. Abends 38,3. Pols 140.
13. 11. 36,7. Puls 126. Blähungen in Gang, Leib flacher und
weicher als gestern. Kochsalz und Kampher werden ausgesetzt. Gallen-
flues sehr gering.
14. 11. bis 19. 11. Temp. 37,6-38,4. Puls 90-110.
20. 11. 37,9. Puls 84. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons,
etwas Eiterung im unteren Wundwinkel. Hier liegt das Colon vor. 38,3.
21. 11. 37,4. Puls 84. Verbandwechsel. Bei der Ansspttlnug des
Ilepaticns und Choledochus entleeren sich trübe, bröckelige Massen. 37,8.
22. 11. 37,3. Puls 96. Verbandwechsel. Zwischen Colon und
Bauchdecken Nekrose des Unterhautzellgewebes, ebenso etwas im
oberen Wundwinkel, so dass mehrere Nähte entfernt werden müssen.
Danach sind die nekrotischen Stellen leicht zugänglich, Abtragung.
Das unten vorliegende Colon ist gebläht, in einem markstückgrossen
Bereich fehlt die Serosa, die augenscheinlich bei Lösen von Adhäsionen
verletzt ist. Eine Perforation ist nicht zu finden. Choledochus und
Hepaticus werden ausgespült, das Spülwasser kommt mit klarer Galle
vermischt zurück.
23. 11. bis 29. 11. Täglich Verbandwechsel. Puls 90-100. Temp.
37,3-38,6.
30. 11. 37,2. Puls 92. Fieberfreier Verlauf. Bisweilen noch etwas
Erbrechen, täglich Verbandwechsel.
8. 12. Die Wundränder haben sich jetzt fast aneinander gelegt,
es fliesst noch etwas Galle, Verbandwechsel alle Tage.
19. 12. Verband heute trocken.
22. 12. Verband noch immer trocken. Wechsel.
24. 12. Mit granulierender Wundfläche entlassen.
Die weitere Behandlung übernimmt Herr Dr. Low.
— 214 —
Am 1. 9. 1901 stellt sich Frau S. in blühender Gesundheit in der
Klinik vor.
Epicrise: Bei der Aufnahme lagen alle Anzeichen der
Perforationsperitonitis vor. Es war aber für den Ausg^ang der
Operation sicher besser, mit dem Eingriff zu warten, bis die
sdiweren entzündlichen Erscheinungen zurückgegangen waren.
Trotz des beschleunigten Pulses (150) gelang es doch durch
eine sorgfältige Nachbehandlung, bei der die Kochsalzinfusionen
eine grosse EoUe spielten, die Kräfte der Pat. zu erhalten
und einen günstigen Erfolg herbeizuführen.
Nr. 108. S. S., 26 j. Oberlehrersfrau aus Altona.
Aufgen.: 30. 12. 1902.
Operiert: 2. 1. 1903. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen: 21. 2. 1903. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Schmalmack sendet uns die Pat. mit
folgender Krankengeschichte zu :
„Frau Dr. S., 26 Jahre alt, befindet sich seit ca. 10 Wochen un-
unterbrochen in meiner Behandlung. Die Mutter ist „leberleidend",
war längere Zeit in Karlsbad. Pat., welche 2 mal entbunden ist, war
früher stets gesund. Zu Beginn der jetzigen Behandlung und zweimal
schon zu Anfang dieses Jahres klagte sie über plötzlicli meistens des
Abends oder des Nachts auftretende sehr heftige Schmerzen im rechten
Hypochondrium. Anfänglich kamen dieselben ca. alle 2—3 Wochen,
später häufiger und waren stets mit Übelkeitsgefühl, zuweilen mit Er-
brechen verbunden. Diese Schmerzanfälle dauerten in der Regel nur
12 bis 14 Stunden und Hessen ausser einem geringen Mattigkeitsgefühl
keine weiteren Störungen des Allgemeinbefindens zurück. Bei der
Untersuchung war durch die sehr schlaffen Bauchdecken in der Tiefe
des Hypochondriums ein etwas druckempfindlicher beweglicher Tumor
zu fühlen, welchen ich für die gesunkene rechte Niere hielt. Beim
Fehlen jeglicher ikterischen Verfärbung der Haut oder der Sklera und
beim Fehlen jeglicher Veränderungen der Leber brachte ich die perio-
disch auftretenden Schmerzanfälle mit dieser nachweisbaren rechts-
seitigen N'.erensenkung in ursächlichen Zusammenhang und verordnete
Bettruhe und Mastkur. Diese musste aber nach ca. 3 Wochen durch
das Auftreten eines an Intensität allmählich zunehmenden Ikterus
unterbrochen werden. Anfänglich bestanden bei letzterem keinerlei
Schmerzen (auch keine Anfälle), und liess die objektive Untersuchung
der Lebergegend keine besonderen Veränderungen nachweisen. Vor ca.
4 Wochen trat aber plötzlich in einer Nacht ein heftiger mit Erbrechen
verbundener Schmerzaufall auf, und mit diesem änderte sich auch der
objektive Befund. Am nächsten Morgen nämlich war unmittelbar unter
den dünnen Bauchdecken, dieselben etwas hervorwölbend, der Lage
der Gallenblase entsprechend, ein taubeneigrosser, sehr druckempfind-
— 215 —
lieber Tumor, den unteren Leberrand beträchtlich überragend, nach-
weisbar, welcher mit absoluter Bestimmtheit als die mit Gallensteinen
gefüllte Gallenblase zu erkennen war. Wegen der durch längere Zeit
innegehaltenen fettlosen Diät war die Abmagerung der Kranken und
der Kräfteverfall nicht unerheblich geworden, so dass ich nach dem
sicheren Nachweis der Gallensteine die operative Entfernung vor-
schlug, zumal der Ikterus, abgesehen von periodischen Schwankungen
seiner Intensität, im ganzen zugenommen hatte. Der zur Konsultation
hinzugezogene Oberarzt des Hamburger Krankenhauses, Herr Dr. Kum-
pel, erklärte den letzterwähnten Tumor ebenfalls mit Bestimmtheit für
die mit Steinen gefüllte Gallenblase und riet in Anbetracht der oben
erwähnten Gründe ebenfalls zu operativem Eingriff, wenn nicht in
kürzerer Zeit eine merkliche Abnahme des Ikterus und eine erheb-
liche Besserung des Allgemeinzustandes zu konstatieren sei. Die Frist
des Abwartens ist nunmehr abgelaufen, ohne dass der Zustand der
Pat. sich wesentlich geändert hat. Der Ikterus besteht in gleicher In-
tensität. (Der Kräftezustand hat sich infolge fettreicherer Kost
etwas gehoben.) Es ist demnach meines Erachtens keine oder nur sehr
geringe Hoffnung auf eine spontane Aufhebung des Hindernisses für
den Gallenabfluss vorhanden. Da in der Gallenblase mit Bestimmtheit
Steine gefühlt sind, ist ferner mit Sicherheit anzunehmen, dass auch
Gallensteine das Hindernis für den Gallenabfluss sind. Ich habe des-
wegen der Pat., welche selber des weiteren Abwartens überdrüssig
geworden ist, nunmehr dringend zur Operation geraten, zumal auch
ihr Allgemeinzustand und die Beschaffenheit des Pulses zurzeit noch
durchaus zufriedenstellend sind."
Befund: Starker Ikterus. Pat. abgemagert, zeigt allenthalben
Kratzspuren. Lunge und Herz gesund. Leber etwas vergrössert, kein
Tumor der Gallenblase mehr fühlbar.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 2. 1. 03. Wellenschnitt. Gallenblase schlaff, gross,
nicht verwachsen. Choledochus leer. Pankreaskopf dick. Im Gallen-
blasenhals 3 kirschkerngrosse Steine. Cysticus sehr eng. Spaltung
desselben nach Ectomie. Choledochus leer und sehr eng. Galle etwas
trübe. Hepaticusdrainage. Dauer '/4 Stunde. Gute Narkose.
Verlauf: 2. 1. 03. Temp. 37,7. Puls 56. Allgemeinbefinden gut.
Es läuft Galle. Einmal 3,6 gr. Calciumchlorid per rectum.
3. l. Temp. morgens 38,4, abends 38,1. Puls 60-120. Im Laufe
der Nacht etwas Erbrechen nicht blutiger Flüssigkeit. Im Laufe des
Vormittags fortgesetzt Übelkeit und Aufstossen. Daher gegen Mittag
Magenspülung. Der Magen enthält eine überraschend grosse Menge
blutiger Fliissigtieit, teils frisches, teils geronnenes Blut. Abends noch-
mal Magenspülung. Im Magen kein frisches Blut, aber reichlich Flüssig-
keit und geringe Reste alter Gerinnsel. Puls wechselnd, nach der
Magenspülung wieder wesentlich laugsamer. Blähungen gehen nach
Spritze und Kohr.
— 216 —
4. 1. OB. Temp. 38,3, abends 38,6. Puls den ganzen Tag wech-
selnd, zwischen 60 und 120, sehr klein. Der grössere Teil der Nacht
war rahig, erst gegen Morgen schwarzes Erbrechen. Im Laufe des
ganzen Tages und der folgenden Nacht 4 mal Kochsalzinfnsion, 4 mal
Magenspülnng. Seitenlage. Am Abend und in der Nacht 3 mal Campher
subkutan.
5. 1. 03. Temp. morgens 38,4, Abends 38,1. Puls 100-120. Die
Seitenlage war entschieden von günstigem Einflass. Am Morgen nur
noch wenig Inhalt im Magen, kein frisches Blut mehr bei der Magen-
spülung. Um die Pat. bequemer lagern zu können, wird der Verband
gewechselt und das Drainrohr zwischen dicken Wattelagen in den
Verband mit eingebnnden. Danach mehrere Stunden Bauchlage, ab-
wechselnd mit rechter Seitenlage. Nachmittags noch einmal Magen-
spülung. Magen leer. Im Laufe des Tages noch 3 mal Kochsalzinfusion.
6. 1. 03. Temp. mittags 37,6, abends 38,1. Puls 88. Kein Auf-
stossen, kein Erbrechen, keine Übelkeit. Allgemeinbefinden ist wesent-
lich besser, Puls kräftig. Verbandwechsel. Watte mit klarer Galle
durchtränkt. Es wird wieder die Flasche angelegt und Pat. in Rücken-
lage gebracht. Blähungen gehen von selbst.
7. 1. 03. Temp. morgens 37,9. Puls 84, kräftig. Heute früh Er-
brechen von etwas Milch. Befinden gut. Führt ab. Bricht das Ricinus
jedoch wieder aus. Temp. abends 37,9. Puls 80. Befinden gut. Kein
Aufstossen mehr, kein Erbrechen, reichlicher Stuhl.
8. 1. 03. Temp. morgens 37,3. Puls 68. Kein Erbrechen, kein
Aufstossen. In der Nacht nochmals Stuhlgang. Befinden sehr gut.
Temp. 38,3. Leichte Übelkeit.
9. 1. 03. Temp. 37,7. Puls 80. Etwas Aufstossen, in der Nacht
keine Übelkeit. Galle läuft. Temp. abends 38,1. Puls 80.
10. 1. 03. Temp. morgens 37,5. Puls 80. Abends 38,3, Puls 84.
11. 1. 03. Temp. morgens 38,2, Puls 80. In der Nacht reichlich
Stuhlgang. Temp. abends 38,5, Puls 86. Parulis rechts. Befinden
sonst gut.
13. 1. 03. Temp. morgens 37,8, Puls 78. Parulis geht zurück.
Eiter entleert sich spontan. Temp. abends 38,4, Puls 80. Befinden gut.
14. 1. 03. Temp. 37,7, Puls 80. Temp. abends 38,4, Puls 86. Be-
finden gut. Verbandwechsel. Nur die oberflächlichen Tampons worden
entfernt. Wunde sieht gut aus. Drainrohr bleibt liegen.
18. 1. 03. Temp. morgens 37,5, abends 39,3, Puls 82-96. Erster
Verbandwechsel. Entfernung der Tampons, der langen Fäden und Nähte.
Nur der Cysticus-Faden bleibt liegen. Wunde in gutem Zustande.
Hepaticus-Incision sehr gut sichtbar. Choledochus und Hepaticus leicht
durchgängig für die Sonde. Tamponade. Temp. abends 39,3. Befinden
sonst gut. Keine Schmerzen.
23. 1. 03. Entfernung des Cysticus-Fadens. Gallo läuft sehr reichlieh.
11, 2. 03. Verband heute 3 Tage trocken gewesen.
15. 3. 03. Wunde sehr klein. Es läuft wenig Galle. Verband alle
2—8 Tage. Heute keine Tamponade mehr.
— 217 —
19. 2. 03. Es läuft keine Galle mehr.
21. 3. 03. Fat. wird als geheilt mit geschlossener Fistel und
kleiner granulierender Wunde entlassen.
Epicrise: Der Choledochus wurde leer vorgefunden, dafür
war der Pankreaskopf sehr vergrössert, so dass dadurch der
Gallenabfluss gehindert wurde. Der Choledochus war sehr eng,
und es ist nicht unmöglich, dass der im Hals der Gallenblase
befindliche Stein resp. die dort intermittierend auftretende Ent-
zündung den Choledochus zeitweise verlegte.
Nr, 109. E. K., 47j. Arztwitwe aus Samara (Russland).
Aufgen. : 28. 8. 1903.
Operiert: 1. 9. 1903. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Entlassen: 15. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat 5mal geboren, drei Aborte
durchgemacht. Menses sind regelmässig.
Als Kind hat Fat. Masern, Scharlach und Keuchhusten über-
standen, in den letzten Jahren hat sie angeblich an Malaria gelitten.
Vor 2 Jahren Her:^beklemmungen, Oedem der Beine, Albuminurie,
dabei starke Nervosität. Kur in Bad Nauheim von Erfolg.
Im 16 Lebensjahr litt Fat. 2 Jahre lang an Erbrechen, das nach
Erregungen auch jetzt noch ab und zu auftritt.
Vor 21 Jahren heftige Gallensteinkolik mit Gelbsucht von einigen
Tagen Dauer; nochmals gleiche, sehr heftige Kolik mit Gelbsucht vor
8 Jahren. Im letzten Winter (1902/1908) zwei Anfälle von Koliken,
die weniger schmerzhaft waren, aber länger, etwas 3 Wochen dauerten.
Dabei wiederum Gelbsucht. Danach wieder völliges Wohlbefinden.
Mitte Juli 1908 bekam Fat. anfänglich leichte Schmerzen, dann
an 5 aufeinanderfolgenden Tagen heftige Koliken mit allmählich bis
zu grösster Intensität ansteigendem Ikterus. Harn dunkel. Stuhl ton-
farben. Starkes Hautjucken. Abendtemperaturen 37,0—37,4. Nach
10—14 Tagen Besserung dfer Besehwerden, zeitweiliges Nachlassen des
Ikterus, Stuhl wieder mehr gefärbt. Nach l'/^ Wochen dyspeptische
Beschwerden (Übelsein, Aufstossen), bald darauf Schmerzen im rechten
Epigastrium von wachsender Intensität, die fast konstant bestehen.
Zunahme des Ikterus. Etwas Zucker im Urin. Stuhl wieder tonfarben.
Abendtemperaturen bis 37,4". Deutliche Leberschwellung. Gallenblase
nicht palpabel. Seitdem vollständige Appetitlosigkeit, grosse Mattig-
keit. Seit Jahren besteht Stuhlverstopfung. Steine im Stuhl wurden
jetzt nicht gefunden. Fat. leidet viel an Haemorrhoidal-Beschwerden.
In den letzten 3*/» Wochen, s,eit Rückkehr von Neuenahr, ist der Zu-
stand der Fat. im grossen ganzen unverändert geblieben. Nur einmal
hat Fat. ein geringes, kurze Zeit dauerndes Zurückgehen der Gelbsucht
bemerkt, auch war der sonst graue Stuhl dabei braun. Doch dauerte
die Besserung nur einige Tage. Fat. hat keine Schmerzen gehabt.
— 218 —
nur etwas Unbehagen in der Gegend der Magengrube. Kein Fieber,
keine Schüttelfröste. Einmal nu,r Erbrechen. Viel Hautjucken. Pat.
hat in Neuenahr eine Ölkur und später 2'/« Wochen lang Chologen
gebraucht. Das Chologen bewirkte regelmässigen Stuhlgang, so dass
Pat. sich subjektiv wohler fühlte, eine sonstige Besserung trat
aber nicht ein.
Herr Prof. Renvers und Herr Dr. Boas (Berlin) senden uns
die Pat. zu.
Befund: Sehr starker Ikterus. Leber massig vergrössert, härter
als normal, Druckempflndlichkeit besonders in der Mittellinie. Kein
Milztumor. An der Aorta ein systolisches Geräusch. Urin enthält
massige Mengen Eiweiss, viel Gallenfarbstoff.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 1.9.08. In Gegenwart der Herren Dr. Holfelder-
Wernigerode, Dr. Sto n e- Washington, Dr. Kurtz-Californien, Wellen-
schnitt. Gallenblase klein, mit Duodenum verwachsen. Leber ver-
grössert, derb (biliäre Cirrhose). Choledochus wird freigemacht. Re-
troduodenal festsitzend ein haselnussgrosser Stein. Incision. Dabei
fliesst Eiter aus dem Choledochus ab. Hepaticusdrainage. Papille
frei. Ectomie der Eiter und einen walnussgrossen Stein enthaltenden,
ulcerierton, geschrumpften, wandverdickten Gallenblase. Der Stein ist
leicht zerbrechlicli und wird in Trümmern entfernt. Im Cysticus und
im Choledochus Ulcera. Am Übergang vom Cysticns in den Chole-
dochus ein erbseugrosser Sclileimhautpolyp. Excision, Tamponade mit
4 Tampons. Naht. Verband. Dauer der Operation 50 Min. Gute
Chloroform-Sauerstoffnarkose (40 gr.).
Verlauf: Normal.
14. 9. 03. 1. Verbandwechsel. Entfernung des Rohres, sämtlicher
Tampons, die ziemlich locker sitzen, sowie sämtlicher Nähte. Wunde
sieht sehr gut aus. Wundtrichter ziemlich flach, ausgezeichnet über-
sichtlich, Choledochns - Incision sehr oberflächlich nud gnt sichtbar,
ebenso Cysticns - Stumpf. Anch das Foramen Winslowii nnd das Liga-
nientnm hepato-dnodenale gut zu übersehen. Temp. abends 37,6.
15. 9. 03. Verband erst abends durch. Verbandwechsel. Tampons
bleiben liegen.
26. 9. 03. Jeden Tag Verbandwechsel notwendig. Pat. klagt
über Appetitlosigkeit und viel Aufstossen, zuweilen Erbrechen. Gallen-
fluss noch sehr reichlich.
28. 9. 03. Pat. steht auf. Ikterus bedeutend zurückgegangen.
Wundtrichter stark verengert.
5. 10. 03. Heute Verband trocken.
15. 10. 03. Mit kleiner Granulation geheilt entlassen.
Epicrise: Im Choledochus befand sich reiner Eiter; eine
tiefe Ulceration war gut zu sehen, da der Choledochus weit
aufgeschnitten war. Bei der schweren Infektion und dem Vor-
handensein von Eiter im Choledochus konnte nur von einer
Hepaticusdrainage die Rede sein.
— 219 —
Nr. IKK M. D., 5()j Bareauvorsteher8:frau aus Torgau.
Aiifgen.: 17. 7. 1903.
Operiert: 21. 7. 1903. Hepaticusdrainage. Ectoraie.
Hepatopexie.
Entlassen: 2. 9. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist immer gesund gewesen.
Vor 10 Jahren mehrere Anfälle von Magenkrampf und Magen-
drücken, meist von Erbrechen gefolgt. Keine Gelbsucht. Pat. trank
damals Karlsbader Wasser, bekam Medizin.
Seitdem keine Anfälle, völliges Wohlbefinden bis vor Ostern 1903.
Vor Ostern 1903 kurzdauernder Anfall von Magenschmerzen und Magen-
drücken (in der Gegend der Magengrube), dabei auch Rückenschmerzen.
Erbrechen. Nach dem Anfall Gelbsucht.
Seitdem die gleichen Anfälle von einigen Stunden Dauer etwa
alle 8 —4 Wochen, zuletzt etwa alle 14 Tage. Die Anfälle sind sämtlich
ziemlich leicht. Die Gelbsucht bleibt sich stets ziemlich gleich, war
immer deutlich vorhanden. Stuhl ist etwas entfärbt, es besteht massige
Verstopfung. Urin ist dunkel. Appetit ist massig. Letzter Anfall
vor 8 Tagen. In den anfallsfreien Zwischenzeiten fühlt sich Pat.
völlig wohl. Bei den Anfällen Frieren und Schüttelfrost. Pat. wurde
mit heissen Umschlägen, Medizin und Neuenahrer Wasser behandelt.
Herr Dr. Keil-Torgau sendet uns die Pat. zu.
Befund: Massig genährte Frau. Leber etwas vergrössert, geringe
Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend. Massiger Ikterus.
Im Urin viel Gallenfarbstoff ,. kleine Mengen Eiweiss. Herz, Lungen
gesund.
Diagnose: Seit Ostern 1903 Stein im Choledochus.
Pat. ist nicht in der Lage nach Karlsbad zu gehen, was ihr nach
meiner Überzeugung auch keine Heilung bringen wird. Deshalb
wiinscht sie selbst die Operation.
Operation: 21. 7. 03. 40 gr. Chloroform mit Sauerstoff. Dauer
der Operation 60 Min. Wellenschnitt. Gallenblase ist leer von Steinen,
ganz über das Diiodennm Jierübergeschlagen , wie der Sattel über den
Pferderücken. Bei der Lösung wird die Gallenblase verletzt, es tritt
helle Galle in Menge aus. Leber ist massig vergrössert, mehr Hepa-
toptose. Im Choledochus 2 haselnussgrosse Steine , der Choledochus
sehr erweitert; Extraction, Hepaticusdrainage. Tamponade nach Ex-
cision der sehr morschen Gallenblase. Hepatopexie mit 2 Suturen.
Schluss der Bauch wunde.
Verlauf: Fieberfrei. Galle läuft ziemlich reichlich.
25. 7. 03. Führt ab. Reichlich Stuhl. Ikterus anscheinend etwas
stärker,
30. 7. 03. Wechsel der oberen Schichten des Verbandes. Ent-
fernung einiger Nähte am oberen und unteren Wundwinkel, welche
durchgeschnitten haben und stark spannten. Galle läuft klar und
ziemlich reichlich.
— 220 —
4. 8. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres,
sämtlicher Tampons, die nicht sehr fest sitzen, etwas riechen, sämt-
licher Nähte und Fäden. Aasspülnng, dabei wird ein kleiuhaselnuss-
grosser Stein in zwei Hälften hcrausgespült (in den ersten Tagen nacii
der Operation Ikterus stärker!). Choledochusincision gut sichtbar.
Ausspülung des Hepaticus und Choledochus. Galle läuft klar. Tam-
ponade.
Nach dem Verbandwechsel leichter Frost. Temp. abends 39,2.
5. 8. 03. Temp. wieder völlig normal. Morgens 37,6, abends 37,6.
8. 8. 03. Verbandwechsel. Ausspülung des Hepaticus und Cho-
ledochus. Tamponade. Fat. steht auf.
12. 8. 03. Massig viel Galle im Verband. Verband nicht durch.
Ausspülung des sehr gut sichtbaren Hepaticus.
19. 8. 03. Beim Ausspülen wird heute ein etwa V* erbsengrosser
Steintrümmer (anscheinend noch ein Rest des am 4. 8. herausgespülten
Steines, der nicht ganz vollständig abgegangen war) heransgespült.
Galle läuft noch reichlich. Täglich Verbandwechsel.
24. 8. 03. Galle läuft weniger. Wundtrichter sehr eng und flach.
Verband meist 2 Tage trocken.
30. 8. 03. Es läuft keine Galle mehr.
2. 9. 03. Fat. wird mit kleinem, gut granulierendem Wundtrichter
entlassen.
Epicrise: Eine Karlsbader Kur hätte hier nur die Chol-
angitis beseitigen können, nicht die Steine. Diese waren viel
zu gross. Eigentümlich war die Überlagerung des Duodenums
durch die Gallenblase. Wäre die Frau reich gewesen, wäre
sie gewiss auch nach Karlsbad gegangen, und der augenblick-
liche Nutzen, der wahrscheinlich nicht ausgeblieben wäre, hätte
leicht eine Heilung vortäuschen können. Für arme Kranke ^st
die Operation richtiger wie Karlsbader Kuren. — 14 Tage
post operat. wurde ein Stein herausgespült!
Nr. 111. S» A., 31 j. Kaufmannsfrau aus Grüneberg (Schlesien).
Aufgen.: 6. 7. 04.
Operiert: 8. 7. 04. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Hepatopexie.
Noch in Behandlung.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat zweimal geboren. Ein
Kind lebt. Ein Bruder der Mutter leidet an Gallensteinen.
Pat. ist immer gesund gewesen.
Aisjunges Mädchen häufig Magenbeschwerdenund Magenschmerzen,
zweimal auch Magenkrampf. Dabei auch stets Erbrechen.
Vor 7 Jahren, etwa •/» Jahr nach der ersten Geburt, plötzlich
krampfartige Schmerzen im Leib, die etwa 16 Stunden anhielten, da-
bei galliges Erbrechen. Keine Gelbsucht. Der Arzt konstatierte Gal-
— 221 —
lensteine und eine Anschwellung der Gallenblase. Nach noch einem, dies-
mal sehr leichten Anfall hatte Pat. dann 1 Jahr Ruhe. Danach begannen
wieder die Anfälle, die halb- bis vierteljährlich in gleicher Art auf-
traten. Dabei war bei den Anfällen fast stets Gelbsucht vorhanden,
meist 3—4 Tage lang. Vor 2 Jahren gingen nach einer Oelkur 16 fast
erbsengrosse Gallensteine ab.
. Seit 1 Jahre sind die Anfälle häufiger, meist leichter. Pat. hat
seitdem eigentlich fast täglich Schmerzen und Druckgefühl in der
Magengrube. Im Laufe des letzten Jahres auch einige heftigere An-
fälle mit Gelbsucht, die letzten vor 8 und 14 Tagen. Stuhl war da-
bei weiss, Urin dunkel.
Pat. hat in den letzten Jahren stark an Gewicht abgenommen.
Appetit massig. Stuhlgang etwas träge.
Befund: Elend aussehende Frau ohne Ikterus, aber mit zahl-
reichen Kratzspuren. Leber vergrössert, sehr hart. Besoiiders der
rechte Leberlappen steht sehr tief, 3 cm. unter der Nabelhorizontale.
Tumor der Gallenblase undeutlich. Gallenblasengegend druckempfindlich,
ebenso die Mittellinie. Urin frei, vielleicht eine Spur von Gallenfarb-
stoff. Pat. bekommt Clilorcalciiim 3,6 als Clysma, kann es aber nicht
halten. Anch mit Opinmtinktar (10 Tropfen) nnd als Stärkeklystier
wird es wieder entleert. Deshalb wird vom Chlorcalcinm Abstand ge-
nommen.
Diagnose: Chronische Cholecystitis, Steine im Choledochus,
biliäre Cirrhose.
Operation: 8. 7. 04. In Gegenwart der Herren Professor Dr.
M. Kousn et z off- Warschau und Dr. Lumniczer-Budapest. Wel-
lenschnitt. Leber gross, cirrhotisch. Mittelgrosse Gallenblase, am
Peritoneum parietale eine schmale Adhaesion. Trennung mit der
Schere. Gallenblase allseitig mit Netz verwachsen, wird gelöst. Im
Choledochus, der sehr erweitert ist (Daumenstärke), viele Steine. In-
cision im supraduodenalen Teil des Choledochus. Es tritt klare Galle
aus. Viele kleine Steine im Hepaticus, duodenalwärts ein haselnuss-
grosser Stein. Retroduodenaler Teil des Choledochus frei. Eine Korn-
zange lässt sich dnrch die*Papille in das Duodenum schieben; ebenso
eine dicke Sonde. In den nunmehr leeren Hepaticus wird ein
Streiten Gaze gelegt. Dann Ectomie. Dabei reisst die morsche Gallenblase
am Fundus ein, und es treten Steine ans. Diese werden entfernt.
Trübes Serum läuft in die Absperrnngstamponade. Die Grallenblase
wird cysticuswärts abgeklemmt, der tiberragende Teil der (xallenblase
wird fortgeschnitten. Schwierige Ectomie, da der Hals der Gallen-
blase sehr starr ist, und die Unterbindung der Gefässe dadurch er-
schwert wird. Der Ductus cysticus wii'd dicht am Choledochus quer
abgetrennt, wobei noch 2 Steine ans dem Cysticns entfernt werden,
nnd dann der Cysticusquerschnitt durch 2 Suturen geschlossen. Hepa-
topexie mit 2 Fäden. 2 Umstechungsnähte im Leberbett. Rohr in
den Ductus hepaticus. Dichte Naht um das Rohr herum. 4 Tampons-
Dauer der Operation 1 Stunde. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (40 gr )
— 222 —
Die excidierte Gallenblase ist wandverdickt, chronisch entzündet,
im Cysticus eine Ulceration. Sie enthält viele kleine Steine.
Verlauf: In den ersten Tagen Pulsbeschleunigung (bis 140 Pulse)
und Temperaturerhöhung. Sobald die Blähungen am 3. Tage richtig
in Gang kommen, wird der Puls langsamer, die Temperatur normal.
Weiterer Verlauf vollkommen fieberfrei.
21. 7. Erster Verbandwechsel. Tampons sitzen sehr locker.
Ein bohiieii^rosser und i erbsengrosse Steine werden ans dem Hepaticns
ansgespUK. Choledochusincision liegt ausserordentlich frei zugänglich,
lässt sich sehr gut spülen.
22. 7. Gallenfiuss sehr stark. Beim Verbandweclisel wird ein
erbseugrosser Stein heraiisgespfilt.
24. 7. Ein bolinengrosser Stein wird ans dem Hepaticns ausgespült.
26. 7. Nocli ein erbsengrosser Stein beim Ausspülen entfernt. Mit
der Sonde werden in beiden Hepatiousästen keine Steine mehr gefühlt.
31. 7, Pat. steht auf; Choledochusincision noch gut zugänglich.
Rpicrise: Ich habe mit den beiden hospitierenden Herren
Collegen vor der Operation den Fall besprochen und meine
spezielle Diagnose begründet. Dass so viele Steine im Chole-
dochus und Hepaticus steckten und kein Ikterus vorhanden
war, kam ihnen gewiss überraschend. Aber man konnte aus
der Anamnese und aus dem Leberbefund ganz gut die richtige
Diagnose stellen. — In technischer Beziehung bot die Ope-
ration insofern keine grossen Schwierigkeiten, als der jetro-
duodenale Teil des Choledochus frei war; die Ectomie war
schwierig, da die Leber bei ihrer Festigkeit wenig auswich
und die Gallenblase selbst sehr morsch war. In wenigen Minuten
war das Rohr in den Hepaticus eingefülirt und die wasser-
dichte Naht angelegt; jedenfalls geht das rascher, wie eine
gründliche Naht der Choledochusincision. Bei den vielen
Steinen im Hepaticus wäre eine völlige Naht geradezu falsch
gewesen, wie sich ja auch bei der Nachbehandlung gezeigt hat.
:.;) Hepaticusdrainage mit Cysticotomie und Ectomie.
Nr. 112. M. R., 37j. Pastorsfrau aus Bertingeii bei Mahi-
winkel.
Aufgen.: 9. 6. 1904.
Operiert: IL 6. 1904. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie.
Entlassen: 22. 7. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat 5 Kinder. Letzte Geburt April 1903.
In der Familie der Pat. sind häufiger Herzkrankheiten vorgekommen.
— 223 —
Pat. litt mit 8 Jahren an Gelenkrheumatismus, seitdem besteht ein
Herzfehler. Sie war bleichsüchtig bis zum 24. Jahr. Juli 1902
6 Wochen lang Blinddarmentzündung, desgleichen Ok-
tober 1902. Doch wurde im Wollmirstedter Krankenhaus, wo Pat.
nach Ablauf der Erkrankung operiert werden sollte, eine harte An-
schwellunng in der Leber bezw. Gallcnblasengegend festgestellt und
damit auch die häufigen Anfälle von Magenkrämpfen als Gallenstein-
koliken erkannt.
Nach der Geburt des 1. Kindes 18ö6 erster Kolikanfall („Magen-
krampf") von einigen Stunden Dauer. Die gleichen Anfälle in den
nächsten Jahren 2— 3mal jährlich, öfters dabei Erbrechen. Nach der
Geburt des 8. Kindes 19C0 wurden die Anfälle länger und heftiger.
1902 nach den beiden Blinddarmentzündungen wurden die Magen-
krämpfe zuerst als Gallensteinkoliken erkannt.
Seit Herbat 1902 wurden die Koliken häufiger und heftiger, traten
zuletzt alle 8 Tage auf.
Im Februar 1904 trat nach einer Kolik Fieber (Schüttelfröste)
und Gelbsucht auf, dabei Leberschwellung. Stuhl weiss, nach Karls-
bader Salz regelmässig. Urin dunkel. Steine wurden im Stuhl nicht
gefunden. Die Gelbsucht hielt seitdem an, wechselte jedoch anfangs
an Intensität. Koliken traten auch weiterhin auf, die letzte heftige
vor 14 Tagen. Pat. hat an Gewicht erheblich abgenommen, fühlt sich
sehr matt, friert leicht.
Im vorigen Jahre Chologen-Kur (6 Schachteln No. 1 und 2), seit
Februar 1904 nochmals Chologen-Kur (2 Schachteln). Jedoch keine
erhebliche Besserung.
Herr Dr. Zander-Angern sendet uns die Pat. zu.
Befund: Elende, stark ikterische Frau. Leber gross, davor
medial undeutlicher Tumor der Gallenblase tastbar. Mittellinie bei
Druck schmerzhaft. Im Urin Gallenfarbstoff, etwas Eiweiss.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 11. 6. 04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (40 gr).
Wellenschnitt. Hepatoptose. Leber lässt sich bequem samt der
grossen, mit Netz verwachseneu Gallenblase nuikippen. Im Choledochn*
— halb im retrodnodenalen nnd halb im siipradnodenaleu Teil ~ fest-
sitzend ein walnnssgrosser Stein. Derselbe lässt sich leicht in den
stark erweiterten Cysticns hochdrücken, aber in die Gallenblase lässt
er sich nicht verschieben. Incision auf den Stein, nachdem eine ge-
hörige Absperrungstamponade vorgenommen ist. (Fig. 8) Es fliesst sofort
trübe Galle in grosser Menge, die weggetupft wird. Der Stein, wal-
nussgross, wird entfernt. Cysticuswärts und duodenalwärts 6 erbsen-
grosse Steine. Die Incisionsränder werden mit 2 König'schen Klem-
men gefasst; es stellt sich heraus, dass die Incision zu zwei Drittel
den bis auf Daumenstärke erweiterten Cysticns nnd zu einem Drittel
den CUoledochu.s betrifft. Man sieht deutlich die Scheidewand zwischen
Cysticns und Hepaticus nnd kann von dem dicht am Duodenum end-
igenden Schnitt Im Choledochus ein 1 cm. starkes Giimmirohr in den
a) Stein liegt teilweise retroduodenal, lässt sich in den erweiterten
ductus cysticus schieben, so dass er die Lage von
b) einnimmt. Hier wird er durch Cysticus- und Oholedochus-Incision
entfernt.
c) Art. cystica.
d) Leber.
Fig. 9.
a) In si'"h vernähte Cysticussohleimhaut.
b) Hepaticusdrainage.
c) Unterbundene art. cystica.
d) Leber.
— 225 —
Hepaticns vorschieben. Dieser frei von Steinen. Papille für eine
üterussonde durchgängig. Nun erst wird die (xalien blase entfernt.
Das gelingt in 2 Minuten. Starke IHntung aus dem Leberbett, resp.
ans den Rändern desselben. 3 Sutnren, darunter Draht. Der Cysticus
ist sehr erweitert, der ca. 1 cm. lange zurückbleibende Rest wird in
sich mit drei Nähten vernäht. Eine Ligatur an die starke art. cystica.
Dichter Verschluss der Choledochusincision um das Hepaticusrohr
herum. (Fig. 9.) 4 Tampons. Pylorus drängt sich leicht vor und wird durch
einen fünften Tampon in die Tiefe geschoben. Appendix wird revidiert
und, weil sie völlig normal ist, unberührt gelassen. Hepatopexie ist
nicht nötig, da die Tampons die Leber genügend hochdrücken. Gallen-
blase ist sehr geräumig, Cysticus so weit, dass er aufgeschnitten ca.
5 cm, breit ist. Die Steine sind sehr fest und zeigen nicht die geringste
Einwirkung des Chologen. Dauer der Operation 45 Min. Puls gut.
Galle läuft.
Ueber die Gallenblase schreibt das path. Institut in Marburg
Folgendes :
Makroskopischer Befund : leichte Verdickung der gesamten
Gallen blasen wand. Die Schleimhaut in der distalen Hälfte der Blase
besonders glatt. Am Fundus zeigen sich grünliche Flecken und ein
fast linsengrosses Geschwür mit divertikelartiger Ausbuchtung der
Wand ; sehr weiter Duct. cysticus (45 mm. im Umfang).
Mikroskopische Untersuchung zeigt, dass das Geschwür den gröss-
ten Teil der Wand durchsetzt, in seiner Umgebung finden sich sehr zahl-
reiche Cholestearinkrystalle, welche von zahlreichen Fremdkörper-
riesenzellen umgeben sind. Die Schleimhaut erscheint auch in der
Nähe des Geschwürs vollkommen zerstört. Die Muskulatur wird an ein-
zelnen Stellen durchsetzt von schmalen, mit hohem cylindrischen
Epithel ausgekleideten Gängen.
Verlauf: Fieberfrei.
Am 26. 6. 08 ist der Verband stark von Blut durchtränkt. Verband-
wechsel. Entfernung der Tampons. In der Tiefe der Wunde liegen
viele Blutgerinnsel. Dieselben werden entfernt und die Wunde mit
Kochsalzlösung ausgespült.> Choledochusincision ist gut zugänglich.
Neue Tamponade. Zwei Mal 3,6 gr. Chlorcalcium als Clysma. Blutung
wiederholt sich nicht wieder.
28. 6. 03. Gallenfluss bewegt sich in massigen Grenzen.
3. 7. 03. Es fiiesst keine Galle mehr. Pat. steht auf und hat sich
schon sehr erholt. Guter Appetit. Ikterus fast ganz geschwunden.
7. 7. 03. Wunde sehr eng. Guter Allgemeinzustand.
22. 7. 03. Geheilt entlassen.
Epicrise: Der Wurmfortsatz war ganz normal; die
Appendicitis wird also wohl eine Cholecj^stitis gewesen sein.
— Von einer Chologenwirkung war gar nichts zu merken. Auf-
fallend war die erhebliche Erweiterung des Ductus cysticus,
wie ich eine solche kaum vorher beobachtet habe. Die Chole-
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 15
— 226 —
dochotomie war zu ^/s eine Cysticotomie. Da die Leber sich
gut umkippen liess, konnte der Choledochus ini Niveau der
Bauchdecken incidiert werden. Ich habe iu diesem Fall zu-
erst den Choledochusstein entfernt und dann die Gallen-
blase exstirpiert.
Nr. 113. J. Seh., 34 j« Arbeitersfrau aus Schmatzfeld bei
Wasserleben.
Aufgen.: 18. 8. 1900.
Operiert: 21. 8. 1900. Hepaticusdrainage. Cysticp-
tomie. Ectomie.
Entlassen: 7. 10. 1900. Geheilt.
Anamnese: Die Mutter der Pat. war angeblich magenleidend.
Seit vielen Jahren hat sie stets Magenbeschwerden. Stuhl träge. Vor
ca. 6 Jahren trat nach einer Entbindung (IV. Kind) die erste Kolik
auf, sehr heftige nach dem Rücken ausstrahlende Schmerzen in der
Magengrube, mit starkem Ikterus und Erbrechen. Auf Fieber hat sie
nicht geachtet. Die Koliken wiederholten sich in Pausen von etwa
'/4 Jahr und traten besonders stark nach Entbindungen auf. Vor
V* Jahr VIII. Entbindung, danach wieder starke, 8 Tage dauernde
Kolik, während welcher Pat. viel Morphium bekam. Dann wieder
Pause von mehreren Wochen und vor 7 Wochen sehr heftige, lUtägige
Kolik mit starkem Ikterus. Wieder viel Morphium. In der nächsten
Zeit kamen 1—2 Mal in der Woche Koliken geringerer Intensität, die
letzte am 17. 8. Der Ikterus wechselte dabei, bald war er stärker,
bald schwächer. Starke Abmagerung. Herr Dr. H e r r m a n n-Wasser-
lebeu schickt die Pat. zur Operation.
Befund: Abgemagerte Frau von leicht gelblicher Hautfarbe.
Temp. 37,1. Puls 72, regelmässig. Urin frei von Eiweiss, Zucker,
Gallenfarbstoff. Stuhl gefärbt. Geringe Druckempfindlichkeit imd
Resistenz in der Gallenblasengegend.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Stein im Choledochus
wahrscheinlich.
Operation: 21.8. 00. Wellenschnitt. Gallenblase normal gross ,
sehr wandverdickt, Fundus mit Netz verwachsen, Lösung. Im Cysticus
ein haselnussgrosser Stein, in der Gallenblase viele Steine, fast kein
flüssiger Inhalt.. Cysticotomie. Der Stein ragt mit der Kuppe in den
Choledochus. Es fliesst aus dem Hepaticus trübe Galle. Im Chole-
dochus keine weiteren Steine. Excision der morschen Gallenblase. Be-
sondere Ligatur der art. cystica. Drainage des Hepaticus. Verkleine-
rung der Choledochusincision durch Nähte, die lang gelassen werden.
Tamponade. Bauchdeckennaht. Verband. 1 stund. Operation.
Verlauf: Abends 37,2. Puls 80.
22. 8. 88,2. Puls 88. Kein Erbrechen. Gallenfluss 375 gr. 38,8.
Puls 92.
nichts zu hören.
25.
8.
38,3.
26.
8.
38,3.
27.
8.
38,3.
28.
8.
38,0.
29.
8.
38,0.
Wohlbefinden,
— 227 —
28. 8. 37,7. Puls 76. Blähungen seit gestern Abend im Gange.
Trinkt Kaffee mit Milch, kein Erbrechen oder Aufstosseu. Gallenfluss
350 gr. Abends 38,4.
24, 8. 38,4. Puls 80. Etwas blutiger Auswurf, über den Lungen
Gallenfluss 300 gr. Abends 38,*^.
Puls 84. Gallenfluss 350. Abends 38,6.
„100. „ 280. „ 38,9.
„ 100. „ 300. „ 38,3. Abführen.
„ 96. „ 250. „ 38,6.
„ 104. „ 600. „ 38,5.
aber geringer Appetit. Vielleicht darauf znrück-
znruhren, dass der Gallenflnss sehr bedeateud ist (600 gr.)
30. 8. 38,1. Heute sogar 750 gr. Galle. Die Temperaturen sind auf
eine Fadeneiterung zurückzuführen. Sonst ist der Leib weich, die Wunde,
wie der heutige Verbandwechsel zeigt, in Ordnung. Die Tampons
werden noch nicht entfernt. Aussehen der Pat. ist gut, Abends 37,6.
31. 8. 37,5. Puls 82. Verband ist durchtränkt. Wechsel. 37,8.
1. 9. 36,3. Puls 84. Tampons entfernt. 37,7.
2. 9. Puls 88. Täglich Verbandwechsel. Beim Ausspüleu des
Uepaticns kouiineu kleine Steine zum Vorschein. Ebenso aui
3. 9. Im Choledochus sind keine Steine mehr.
5. 9. Täglicher Verbandwechsel. Wenig Galle. Wunde verkleinert
sich, Hepaticusloch schon sehr eng, aber noch zugänglich. Da die
Galle ganz klar abfliesst, wird auf weitere Ansspfilnugeu verzichtet.
Stuhlgang ist bereits gefärbt. Gutes Allgemeinbefinden.
6. — 10. 9. Täglicher Verbandwechsel. Gallenfluss ist schon sehr
gering. 7. 10. Geheilt entlassen.
Epicrise: Auch hier sind bei der Nachbehandlung noch
kleine Steine aus dem Hepaticus herausgespült worden ; hätte
man hier den Cysticus verschlossen, so wäre es wahrscheinlich
der Kraft des Gallenstroms gelungen, die Concremente in das
Duodenum zu treiben. Aber ebenso gut konnten sie liegen
bleiben und sich vergrössern. Dann gibt es „Recidive", weil
die Operation unvollständig und nicht gründlich genug war.
Siehe meine Arbeit in der Berl. Klinik: „Über Recidive nach Gal-
lensteinoperationen". Dort ist ein ganz ähnlicher Fall (Frau
St., pag. 16 bis 18) veröffentlicht worden.
Nr. 114. H. L., 44:j. Agentenfrau aus Düsseldorf.
Aufgen.: 10. 6. 1903.
Operiert: 15. 6. 1903. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie.
Entlassen: 4. 8. 1903. Geheilt. " .
A.namnese: Seit ca. 17 Jahren Gallenstein-Koliken. Anfälle von
Magenkrämpfen, Schmerzen in der Magengrube nach rechts in den
15*
— 228 —
Rücken ausstrahlend. Vor 2 Jahren sehr schwere, wochenlang dauernde
Erkrankung. Dieselbe begann mit Schmerzen (Kolik) im Leibe, dann
setzten Schüttelfröste und hohes Fieber ein, denen Ikterus folgte.
Wenn nach einigen Tagen das Krankheitsbild langsam sich besserte,
und die Pat. sich wieder wohler fühlte, der Ikterus etwas abblasste,
der vorher acholische Stuhl sich wieder färbte etc., setzten neue Schüttel-
fröste ein, und der ganze Symptumen-Komplex spielte sich in derselben
Folge wieder ab. Das ging wochenlang ('/* Jahr) so fort. Dann trat
Besserung ein. Von jener Zeit ab traten aber diese Anfälle von Schüttel-
frost, Fieber, dann Ikterus immer wieder auf. Erstlich alle 14 Tage,
später in grösseren Pausen. Zuletzt hatte Pat. von Weihnachten bis
jetzt Ruhe. Während einer Karlsbader Kur, Mai 1903, trat infolge Er-
kältung ein leichter Katarrh der Liiftwege auf, der zu Husten führte.
Darauf neuer Anfall von Gelbsucht. Seit die Anfälle von Ikterus regel-
mässig wiederkehren, treten fast gar keine Schmerzen mehr auf. Die letz-
ten Anfälle waren ganz schmerzlos. Steine sind nie abgegangen. Pat. hat
zahllose Kuren durchgemacht, so bei Schür mayer-Hannover, Cho-
logenkur von Glaser.
Befund: Magere, sehr ikterische Frau. Leber gross, sehr hart,
Milz gross. Keine Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend.
Urin enthält Gallenfarbstcff, geringe Mengen Eiweiss. Pat. bekommt
täglich 3,6 gr. Chlorcalcium per clysma._
Diagnose: Stein im Choledochus. Biliäre Lebercirrhose.
Operation: 15. ö. 03 im Beisein des Herrn Dr. Unger-Leipzig.
Wellenschnitt. Leber gross, sehr hart. Etwas Ascites. Gallenblase klein,
mit Netz verwachsen. Blatnng bei der Lösung schwer zu stillen. Im
Choledochus, der tief liegt und in Verwachsungen eingehüllt ist, drei
grosse Steine. Trübe Galle. Pankreas hart. Ectomie der kleinen,
einen Stein enthaltenden Gallenblase. Hepaticusdrainage nach Spaltung
des ductus cysticus. Tamponade. Dauer der Narkose 80 Min., der
Operation 60 Min. (60 gr. Chloroform). GuteSauerstoff-Chloroformnarkose.
Verlauf: Gut.
29. 6. 03. Verbandwechsel. Entfernung der beiden seitlichen ober-
flächlichen Tampons, die fest sitzen. Dabei ziemlich starke Blntiing.
Lockerung der übrigen Tampons. Verband.
2. 7. 03. Verbandwechsel. Entfernung des Rohres und der Tam-
pons, die sehr festsitzen, etwas riechen. Dabei massig starke cholä-
mische Blutung. Entfernung sämtlicher Nähte. Wunde sieht gut
aus. Tamponade. Verband. Milz nicht mehr palpabel. Temp.
abends 39,3.
3. 7. 03. Temp. morgens 38,1, abends 38,4.
4. 7. 03. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons. Dabei keine
cholämische Blutung. Ausspülung des Choledochus. Tamponade. Temp.
abends 38.0. Choledochus - Incision im obersten Winkel des Wnnd-
trichters gut' sichtbar.
6. 7. 03. Pat. steht auf.
— 229 —
7. 7. 03. Lauge Fäden bis auf zwei werden entfernt. Galle läuft
klar. Gelbsucht geht zurück. Milz nicht fühlbar. Stuhl noch grau.
Appetit gut. Verband täglich durch.
11. 7. 03. Verband täglich nur wenig durch. Stuhl jetzt leicht
gefärbt. Letzte Fäden werden entfernt. Wuudtrichter verkleinert sich
jetzt schnell.
16. 7. 03. Es läuft nur noch etwas Galle, Stuhl meist gefärbt.
Verband ist nicht durch.
18. 7. 03. Feste Tamponade des sehr engen Wundtrichters, dabei
ziemlich erhebliche venöse Blutung.
21. 7. 03. Keine Galle mehr im Tampon, doch läuft nach der Ent-
fernung des Tampons und Ausspülung klare Galle nach. Dabei wieder
sehr starke Blutung aus zwei kleinen spritzenden Venen. Feste Tam-
ponade.
25. 7. 03. Nur noch geringe Blutung beim Verbandwechsel aus
dem Wundtrichter.
27. 7. 03. Es läuft, auch beim Ausspülen, keine Galle mehr. Keine
nennenswerte Blutung mehr beim Tamponieren.
4. 8. 03. Fat. wird mit kleinem, gut granulierendem Wundtrichter
entlassen. Kein Ikterus mehr, Stuhl und Urin normal. Leberschwellung
etwas zurückgegangen. Milz bedeutend kleiner.
Die mikroskopische Untersuchung der Gallenblase durch das pa-
thologische Institut in Marburg ergibt folgenden Befund:
Schnitte durch das Gewebsstück zeigen, dass dasselbe hauptsächlich
aus lockerem, nicht der eigentlichen Blasenwand angehörigem, von
grossen Gefässen durchzogenem, gut erhaltenem Bindegewebe besteht,
dem nur noch Reste der eigentlichen Wand in Form unregelmässig vor-
springender, durch tiefe Einschnitte von einander getrennter Buckel
aufgelagert sind. Diese Buckel bestehen zum Teil aus zellig infiltrierten
Muskelresten, zum Teil aus reinem chronischen Granulationsgewebe.
Nekrosen sind nicht vorhanden. Drüsen fast völlig geschwunden.
Epicrise : Da in der letzten Zeit die Koliken wegblieben,
wurden die behandelnden Ärzte verleitet, die Diagnose Gallen-
steine fallen zu lassen. Das Fehlen der Koliken bei chron.
Choledochusverschluss ist nichts Seltenes. — Sehr rasch er-
folgte Rückgang der geschwollenen Milz und Leber.
Nr, llf . H. S., 5l^j. Reutiersfraii aus New-York.
Aufgen.: 23. 7. 1903.
Operiert: 31. 7. 1903. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie. Hepatopexie. Hernienexcision.
Entlassen: 16. 9. 1903. Geheilt.
Anamnese: Fat. leidet seit 12 Jahren oft an Bronchitis. 1900
ist Fat. von Herrn Frof. H och en egg wegen linksseitigen Ovarien-
tumors, der starke Schmerzen in der linken Seite des Unterleibes und
— 230 —
heftige Blutungen verursacht hatte, operiert worden. Seitdem keine
Menses mehr. Seit der Operation hat Pat. fast dauernd Störungen der
Darmtätigkeit, bald Verstopfung, bald heftige Durchfälle, und auch ab
und zu, besonders beim Stuhlgang, Schmerzen in der linken Unterleibs-
seite. Ausserdem hat Pat. viermal an Venenentzündungen an den
Beinen gelitten. Auch stellen sich seit dem Aufhören der Menses
häufig heftige Kongestionen ein.
Die Mutter der Pat. ist an Gallensteinen in New-York operiert
und gestorben.
Im Oktober 1902 eine Woche lang häufige Anfälle von Rücken-
schmerzen und Schmerzen in der linken Seite (Herz- und Magengegend).
Danach völliges Wohlbefinden bis März 1903.
Im März 1903 plötzlich Anfall von äusserst heftigen Rücken -
sclimerzen („als ob der Rücken bräche") und Schmerzen in der linken
Seite (Herz- und Magengegend). Der Anfall dauerte 24 Stunden, am
nächsten Tage bereits starke Gelbsucht. Die Schmerzen traten
noch 10—12 Tage anfallsvs^eise auf. Kein Erbrechen, kein Fieber, keine
Schüttelfröste. Die Schmerzen hörten dann auf. Die Gelbsucht blieb
jedoch bestehen, wechselte aber häufig an Intensität. So verschwand
z. B. während einer Kur zu Neuenahr im Juni die Gelbsucht fast ganz,
Pat. fühlte sich wieder wohl. Nach einiger Zeit trat jedoch Ikterus
von neuem auf, um in wechselnder Intensität bis jetzt anzuhalten. Das
anfänglich starke Jucken am ganzen Körper hat seit der Kur in Neuen-
ahr fast gänzlich aufgehört.
Der Stuhl ist meist weiss oder grau, ab und zu jedoch braun;
teils besteht Verstopfung, teils treten heftige Durchfälle auf. Beim
Stuhlgang meist Schmerzen in beiden Seiten des Unterleibes und hef-
tiges Brennen in der Blase. Der Urin ist meist dunkel, war jedoch
während der Kur in Neuenahr fast ganz hell.
Seit März 1903 hat Pat. ca. 20 Pfund an Körpergewicht abge-
nommen. Der Appetit ist jetzt besser als in der ersten Zeit der Er-
krankung. Pat. ist sehr nervös, fühlt sich häufig matt, doch besteht
auch ab und zu Wohlbefinden.
Seit 4 Tagen leidet Pat. wieder an Bronchialkatarrh. Pat. hat eine
Kur in Neuenahr durchgemacht, ist mit heissen Umschlägen, Ölkly-
stieren behandelt worden, dazu wurde Diät innegehalten.
Wegen der Bronchitis wird die Operation um 8 Tage verschoben.
Befund: Leber gross, Gallenblasengegend druckempfindlich. Auch
in der Mittellinie Druckschmerz. Ikterus zur Zeit massig. Während des
Aufenthalts in der Klinik gar keine Beschwerden. Ikterus ist bedeutend
zurückgegangen. Stuhlgang war vom 28. — 30./7 braun. Kleine Hernie
am unteren Ende der Laparotojnienarbe.
Diagnose: Bewegliche Steine im supraduod. Teil des Choledochus.
Augenblicklich fast Latenz.
Operation: 31, 7. 03. In Gegenwart der Herron Dr. Noble- Phi-
ladelphia und Dr. Belz-Charkoff. Schlechte Sauerstoff-Chloroformnar-
kose (85 gr. Chloroform). Dauer 1'/« Stunden, durch Husten und Pressen
— 231 —
oft unterbrochen. Wellenschnitt. Lebet wenig vergrössert. Gallen-
blase sehr gross, prall gespannt, ohne Verwachsungen. Aspiration von
dicker Galle. Steine in der Gallenblase. Diese werden entfernt und
Gaze in die Gallenblase gestopft. Im Choledochus ein beweglicher Stein
fühlbar. Incision im supraduodenalen Teil. Mit Zeigefinger und
Danmen der linken Haud werden aus dem retrodnodenalen Teil des
Choledochus noch 3 Steine hochbefördert. Die Steine haben die
Grösse von sehr grossen Erbsen. Papilla duodeni dann sondierbar.
Hepaticusdrainage. Excision der Gallenblase. Der Hals ist divertikel-
artig in die porta hepatis hochgezerrt. Mühsame Excision. Im sehr er-
weiterten Cysticus noch 3 Steine. Einer gelangt bei dem Palpieren
neben dem Hepatieusrolir vorbei in den Clioledochus und wird bei der
Tamponade erst bemerkt und herausbefördert» Vernähung des Cysticus-
stumpfs. Gallenblase ist sehr entzündet, viele Ulcerationen, Cysticus
sehr erweitert. Hepatopexie mit 3 Suturen. Im ganzen wurden 9 gleich
grosse Steine entfernt. Reichliche T^mponade. Naht. Excision der
kleinen Hernie in der medialen Laparotomienarbe. Dauer der Gallen-
steinoperation 1 Stunde, der Hernienoperation 15 Min.
Verlauf: Gut.
11. 8. 03.- Wechsel der oberen Schichten des Verbandes.
15. 8. 03. Entfernung der Tamponade, Nähte und Fäden. Gute
Heilung. Hepaticus in der Tiefe gut zugänglich^ wird gespült. Chole-
dochusincision gut sichtbar.
17. 8. 03. Verband täglich etwas durch. Verbandwechsel. Aus-
spülung des Choledochus ruft leicht Spannungskolikeu hervor. Tam-
ponade. Stuhl noch grau.
19. 8. 03. Fat. steht auf.
21.8.03. Wundtrichter verkleinert sich schnell. Keine Ausspülung
des Hepaticus mehr.
27. 8. 03. Wundtrichter bereits sehr eng, in der Tiefe geschlossen.
Es läuft weniger Galle (Verband zwei Tage trocken). Stuhl braun.
Appetit gut.
31. 8. 03. Nur noch eine Spur Galle im Verband.
6. 9. 03. Galle läuft jiicht mehr.
10. 9. 03. Die letzten beiden Fäden entfernt.
14. 9. 03. Wundtrichter völlig geschlossen.
16. 9. 03. Geheilt entlassen.
Die Untersuchung der Gallenblase durch das path. Institut in Mar-
burg ergibt folgenden Befund:
Die in allen ihren Teilen (auch Cysticus) stark dilatierte Blase ist
mit einer sehr atrophischen Schleimhaut ausgestattet, der stellenweise
Epithel und Drüsen fehlen. Die letzteren senken sich zum Teil tief
zwischen die Lücken der weit auseinandergewichenen Muskulatur (die
vielfach in fibröser Degeneration begriffen ist) in die Wand hinein, um
sich in der Tiefe cystenartig zu erweitern. Um solche Cysten herum
besteht eine stärkere kleinzellige Infiltration. Im übrigen sind die ent-
zündlichen Veränderungen gering.
— 282 —
Epicrise: In Neueilalir schwand der Ikterus, d. h. der
Stein im Choledochus wurde beweglich, die Entzündung schwand.
Aber ein Stein ist gewiss nicht abgegangen, dazu waren dieselben
zu gross. — Augenblicklich herrschte fast Kühe im Gallen-
system. Die Gallenblase cummunicierte durch den weiten Cysticus
mit dem Choledochus, war sehr gross und prall mit Galle
gefüllt. Diese war dick und dunkel, schien aber infektionsfrei.
Wegen der Bronchitis war die Narkose sehr massig.
Nr. 116. A. L., 36j. Fabrikarbeiter aus Harzgerode.
Aufgen.: 15. 2. 1900. '
Operiert: 10. 4. 1900. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie.
•Entlassen: 14. 5. 1900. Geheilt.
Familien-Anamnese und Vorleben ohne Belang.
1887 leichter Ikterus ohne Schmerzen, schnell vorübergehend,
Pfingsten 1899 in 3 Tagen 2 Kolikanfälle mit Erbrechen ohne Ikterus
und Fieber, danach 3 Wochen Schwäche zurückgeblieben.
5. 2. 1900 heftiger Kolikanfall mit Fieberfrost ohne Erbrechen,
3 Tage darauf Ikterus. Die Schmerzen bestehen seit dem Anfall in
gleichmässiger Stärke, Ikterus und Schwäche haben immer mehr zu-
genommen. Es bestand Fieber bis 39,0. Auf Rat des Herrn Dr. Manne-
berg-Harzgerode kommt Fat. hierher.
Befund: Kräftig gebauter Mann von hochgradig ikterischem
Aussehen. Grosses Schwächegefühl, Schmerzen in der Lebergegend,
die sich auf Druck steigern. Die Leber ist stark vergrössert und reicht
fast bis Nabelhöhe. Gallenblase nicht zu fühlen. Temp. 39,8. Puls 124.
Im Urin reichlich Gallen farbstoff, Spuren von Eiweiss, kein Zucker.
Stuhlgang tonfarben.
Diagnose: Cholangitis.
15. 2.
39,8.
Puls 112.
■ 39,6.
16. 2.
39,3.
. 124.
40,0.
17. 2.
38,4.
„ 120.
39,0.
18. 2.
38,6.
, 120.
39,3.
19. 2.
38,8.
. 124.
39,2.
20. 2.
39,3.
« 116.
39,4.
21. 2.
39,0.
„ 116.
39,4.
22. 2.
38,8.
„ 112.
39,4.
23. 2.
38;7.
„ 116.
Langsame Besserung.
6. 3. 38,3. Puls 120. Der Ikterus ist fast ganz geschwunden.
Pat. fühlt sich wohl. Appetit gut. Abends 39,0.
7. 3. 39,0. Puls 120. „ 39,0.
8. 3. 38,7. „116. „ 39,0.
9. 3. 37,9. ,112. „ 38,4.
— 233 -
10. 3. 87,9. Puls 100. Abends 38,3.
11. 3. 37,0. „ 100. , 38,2.
12. 3. 37,6. r, 100.
Die Temperatur geht zur Norm zurück.
31. 3. Befund: Der Ikterus ist fast ganz geschwunden und
hat einer blassen, nur noch grau-gelblichen Hautfarbe Platz gemacht.
Puls und Temperatur sind regelrecht. Urin frei von pathol. Bestand-
teilen, Stuhl normal gefärbt. Appetit und Verdauung sind gut, All-
gemeinbefinden ebenfalls. Es besteht noch Druckempfindlichkeit in
der Gallenblasengegend.
Diagn ose jetzt: Wahrscheinlich steckt noch ein Stein im Chole-
dochus, die Passage ist aber augenblicklich frei. Wieweit die Gallen-
blase an der Steiubildung beteiligt ist, entzieht sich der Diagnose.
Urin frei von Eiweiss, Zucker und Gallenfarbstoff.
Operation: 10.4.1900. Wellenschnitt. Leber sehr gross, rechter
Lappen vollständig mit dem perit. pariet. verwachsen (Folgen
der Cholangitis). Gallenblase klein, leer, wandverdickt, ohne Ver-
wachsungen. Im Hepaticus fühlt man einen Stein. Ectomie. Cystico-
tomie. Hepaticiisdraiiiage nach Extractioii «les erbseiigrosseii Steines
ans «lern rechten Ast des Hepaticu.s. Verkleinerung des Choledochus-
schnitts durch die Naht. Bei der Spaltung des C5^sticus starke arterielle
Blutung (Anomalie der art hep.). Tamponade. Bauchnaht nach Spencer-
Wells. Dauer der Operation */4 Stunden (im Beisein des Herrn Prof.
Berg-Stockholm). Abends 36,9.
Verlauf: 11. 4. 37,4. Puls 120. Mattigkeit. Nachts einmal
Erbrechen. Nachmittags Kochsalzinfusion. 37,7. Puls 120.
12. 4. 37,6. Puls 1(X). Nachts einmal Kochsalz, ebenso morgens
und mittags. Stuhlgang spontan.
Gallenfluss 10.— 11. 4. 230 gr.
11.— 12. 4. 210 gr.
13. 4. 37,4. Puls 92. Sieht heute besser aus, Blähungen und
Stuhl spontan. Kein Kochsalz. Abends 3*7,2. Gallenfluss 240.
14. 4. 37,2. Puls 88. Gallenfluss 525. 37,7.
15. 4. 37,8. „ 96. „ 600. 38,3.
16. 4. 37,7. „ 92. „ 750. 37,5. Abführen.
17. 4. 37,7. „ 100. „ 800.
Etwas Erbrechen, Pat. hat das Ricinusöl nicht ganz genommen,
nur einmal Stuhlgang. Abends 37,8.
18. 4. 37,7. Puls 92. Gallenfluss 600 gr. 36,9.
Abends viel Erbrechen, Magenspülung entleert sehr viel Speise-
reste ohne Galle oder Blut. Nährklystiere.
19. 4. 37,0. Puls 120. Kochsalz morgens, mittags, abends. Ent-
fernung der Gaze, Verbandwechsel. Die Naht, welche den Schlauch
hielt, hat sich gelockert, der Schlauch wird wieder eingeführt. Gallen-
fluss 200.
20. 4. 37,1. Puls 100. 37,2. Puls 96.
Nach dem Verbandwechsel ist kein Erbrechen mehr aufgetreten.
Der Schlauch schliesst den Hepaticus nicht mehr ab, die meiste Galle
— 234 —
ist in den Verband eingedrungen. Verbandwechsel. Der Schlauch
bleibt weg. 2 mal Kochsalz.
21. 4. 37,4. Puls 104 37,3.
22. 4. 37,1. Puls 108. 36,8.
23. 4. 36,9.
10. 5. Bis gestern ist der Verband täglich mit Galle durchtränkt,
täglich Verbandwechsel. Heute zum ersten Male ist der Verband
trocken geblieben.
12. 5. Verbandwechsel, keine Galle im Verband.
14. 5. Geheilt entlassen.
Epicrise: Fest eingekeilt steckte ein Stein in dem einen
Ast des Ilepaticus. Pat. hat sicher eine schwere Infektions-
Cholangitis durchgemacht, aber er ist mit dem Leben davon
gekommen, weil nur ein Ast des Hepaticus verschlossen war;
der andere war frei. Trotz der Vergrösserung der Leber, des
festen Verschlusses des einen Astes des Hepaticus kein Ikterus
mehr! Ein abwartendes Verfahren hatte wahrlich keinen Zweck!
Die Leber war noch sehr morsch und gross und zeigte auf der
Oberfläche die Eesiduen schwerster Entzündung. —
Nr. 117. A. Seh., 50j. Holzliändlersfrau aus Berlin.
Aufgen.: IL 9. 1900.
Operiert : 13. 9. 1900. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie.
•Entlassen: 26. 10. 1900. Geheilt.
Anamnese: Eine jung. Schwester ist gallensteinleidend. Pat.
war stets nervös und litt viel an Kopfschmerzen, sonst ist sie gesund
gewesen. Der Stuhl war immer etwas träge, seit den letzten Jahren
ist er regelmässiger.
Seit ca. 8—9 Jahren hat sie nach dem Essen öfters ein Gefühl
von Vollsein gehabt.
1. 1894 fühlte sie sich ein paar Tage unbehaglich, dann kam ein
Anfall heftiger Schmerzen in der rechten Seite, nach dem Rücken aus-
strahlend, der etwa 1 Tag lang anhielt, kein Erbrechen, kein Fieber,
danach Gelbsucht, der Stuhl war aber noch nicht ganz entfärbt. Sie
ging nach Karlsbad, doch traten die Schmerzanfälle danach sehr häufig
auf, es war „als wäre das Leiden dadurch aufgerührt worden".
2. 1895 im Frühjahr kam, nachdem wieder einige kleinere Anfälle
vorausgegangen waren, nach einem Diätfebler ein sehr heftiger An-
fall der oben beschriebenen Schmerzen, der 8 Stunden dauerte. Kein
Fieber, keine Gelbsucht, aber sehr heftiges Erbrechen. Später traten
vereinzelt kleinere Anfälle auf. 1895 und 1896 Neuenahr.
3. 1897 im November ein schwerer Anfall wie 1895, mit Er-
brechen, ohne Gelbsucht und Fieber. Sie hielt danach strenge Diät.
— 235 —
machte eine homöopatische Kur durch (Arsen, Malzbier, Diät), gebrauchte
Kneipp'schen Tee und Heuumschläge und war längere Zeit anfalls-
frei. In dieser Zeit erholte sie sich sehr und gewann an Körperge-
wicht wieder, was sie vorher verloren hatte.
Herbst 1899 Darmkatarrh, Reise nach Cudowa, danach wieder ein
leichterer Anfall, ein zweiter Januar 1900. Im Juli Aufenthalt in
Braunlage (Harz).
4. 28. August 1900 wieder schwere Kolik. Heftige Schmerzen^
in der r. Seite und im Rücken, in wechselnder Stärke fast 2 Tage
dauernd, kein Erbrechen, kein Fieber. Am 2. Tage Gelbsucht, Stuhl
absolut entfärbt.
Auf Rat des Herrn Dr. Vogeler-Braunlage kam sie gleich damals
hierher, doch wnrde während des Bestehens des aknten Choledochns-
verschlusses von einer Operation abgesehen und der Fat. geraten,
nach Verschwinden des Iliterns wieder zu kommen; dementsprechend
kommt sie heute wieder.
Befund: Dame in gutem Ernährungszustande. Herz, Lungen
gesimd. Leber etwas gesenkt. Resistenz in der Gallenblasengegend.
Kein Ikterus, doch gelbliche Hautfärbung. Urin frei. Stuhlgang braun.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis.
Operation: 13. 9. 1900. Wenig gute Chloroformnarkose. Viel
Würgen und Pressen. Cyanose. Wellenschnitt. Gallenblase gross,
schlaff, zwischen Cysticus und Duodenum verwachsen. Leichte Tren-
nung. Isolierung des Cysticus. Ablösung der Gallenblase von der
Leber ist leicht. Hals der Gallenblase sehr dick, viel Fett. Dieses
wird frei durchschnitten, bis nur noch die Gefässe übrig sind, die dann
leicht ligiert werden. Nach Spaltung des Cysticus bis in den Chole-
dochus findet man im letzteren Gang zwei Steine, ebenso tief im
Hepaticus einen dritten. Entfernung. Ein vierter Stein im Hepaticns
wird gefühlt, doch verschwindet er in der Tiefe. Papille frei. Hepa-
ticusdrainage. Tamponade. Verband. Dauer der Operation 1 Stunde.
Gallenblasenwand verdickt, enthält trübe (wahrscheinlich infec-
tiöse) Galle und viele Steine (darunter 4 haselnussgrosse). Im Cysticus
festsitzend 2 linsengrosse ^eine. Galle im Hepaticus klar.
Verlauf: 14. 9. Fieberfrei. Viel Würgen und Erbrechen. Dss-
halb Magenausspülung mit 2''/o Sodalösung. Puls gut, Leib weich.
Abends 37,6, Puls 116. Nachts erbrach Pat. einige Male.
15. 9. Puls klein, 126. Temp. 38,0° in vagina. Leib aufgetrieben.
Kein Kollern, Zunge feucht, macht guten Eindruck. Die Herzschwäclie
ist kaum auf peritoneale Infektion zurückzuführen ; wir haben schon
öfters beobachtet, dass in manchen Fällen die Peristaltik lange auf
sich warten liess. Die Atouie führt zu einer Stase in der Darmwand,
toxische Stoffe bleiben liegen resp. werden resorbiert, und so kommt
es zur Pulsfrequenz und Pulsschwäche. Sobald Flatus gehen, ändert
sich das Bild. Pat. bekommt schweren Wein, 3 mal Kochsalz, alle
Stunden Campher, trinkt heisse Milch, Tee und Cognac. Puls hebt
sich, Kollern und Gurren im Leib stellen sich ein, derselbe ist nicht
schmerzhaft. Glycerin-Kiystiere, Mastdarmrohr, Wassereinläufe wechseln
— 236 —
ab. Das Wartepersonal hat in einem solchen Falle fortwährend
mit der Pat. zu tun. Abends 132 Pulse. Temperatur 38,0". In dor
Nacht noch 2 mal Kochsalz, viel Glycerin. Dann spontane Blähungen.
16. 9. Sobald diese im Gange sind, wird der Puls langsamer (100).
Temp. morgens 37,5" C. Pat. sieht gut aus, hat noch etwas Auf-
stossen, Leib weich und eingefallen. Am 14. Tage post op. Entfer-
nung der Tampons und des Rohrs, lleraussptilnng yon 2 Steinen aus
dem Hepaticus. Weiterhin guter Verlauf, Wunde sehr gut.
Geheilt entlassen am 26. 10. 1900.
Epicrise: Als Pat. in die Klinik kam, war keine
Spur von Ikterus vorhanden, im Urin war keine An-
deutung von Gallentarbstoff. Urin hell wie Pilsener
Bier, unü doch steckten 2 Steine im Choledochus und 3
im Hepaticus. Cystöstomiert man in einem solchen Fall —
und die grosse Gallenblase , der mangelnde Ikterus luden
dazu ein — so entstehen komplete Gallenfisteln. Zudem
kamen die festsitzenden Steine im Cysticus wahrscheinlich nie
zum Vorschein. Pat. bekommt später Recidive, die aber auf
unvollständige Operation zurückzuführen sind. Nur durch die
Ectomie in Verbindung mit der Hepaticusdrainage ist. man
einer gründlichen Entfernung sämtlicher Steine sicher. Gelingt
dieselbe nicht gleich bei der Operation, so ist es doch nachträglich
leicht möglich, die zurückgelassenen Konkremente herauszu-
strudeln. Jedenfalls ist die Latenz der Steine im Choledochus
viel häufiger, als man allgemein annimmt.
Auf die Pulsfrequenz, 2 Tage nach der Operation, mache
ich noch besonders aufmerksam. Ich habe öfters erlebt, dass
der Puls eine Frequenz annahm, die nichts Gutes ahnen liess.
Der Leib treibt sich auf, und es sind recht kritische Stunden,
die man erlebt. Im Abdomen herrscht eine unheimliche Stille.
Möglich ist es, dass eine geringe Infektion, die unter Beihülfe
der Kochsalzinfusionen etc. überwunden wird, vorliegt. Jeden-
falls steht fest, dass_, sobald die Blähungen in Gang kommen,
das bedrohliche Bild schwindet.
Nr. 118. M. K., 37j. Barbiersfrau aus (^uerfurt.
Aufgen.: 6. L 1903.
Operiert: 8. 1. 1903. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie.
Entlassen: 19. 2. 1903. Geheilt.
Anamnese: Vor 8 Jahren nach einer schweren Geburt bekam
Pat. häufiges Magendrücken und Magenschmerzen, die sich seitdem
immer wieder einstellten.
— 237 —
Vor etwas über einem Jahre bekam Pat. plötzlich einen Anfall
von kolikartigen Schmerzen in der Gegend der Magengrube und der
Gallenblase, die nach dem Rücken hin ausstrahlten. Gleichzeitig stellte
sich Gelbsucht ein, im Stuhl wurde ein Stein gefunden. Diese Anfälle
wiederholten sich dann häufiger, zuletzt 6 — 14 tägig, und dauerten einige
Stunden bis einen ganzen Tag lang. Auch in den Zwischenzeiten
war die Gegend der Gallenblase immer sehr schmerz- und druckem-
pfindlich. Pat. wurde mit heissen Umschlägen, Morphium und Karls-
bader Wasser behandelt bis zum April 1902, seitdem hat sie kein
Morphium mehr genommen. In den letzten Wochen hat sie noch eine
Ölkur durchgemacht und wurde, da diese auch keinen Erfolg hatte,
von Herrn Dr. Kornalewski uns zugeschickt. In der letzten Zeit
haben sich die Anfälle in 8— 14tägigen Zwischenräumen eingestellt
und meist einen halben Tag gedauert. Es bestand dabei stets Gelb-
sucht, und jedesmal wurde danach ein Stein im Stuhl gefunden. Pat.
bringt 11 solche erbsengrosse und etwas grössere Steine mit. Da
Pat. in der Führung ihres Haushaltes dauernd durch, die Koliken und
auch durch die in den anfallsfreien Zwischenzeiten immer vorhandenen
leichten Schmerzen behindert ist, entschliesst sie sich zur Operation.
Befund: Leib weich, starkes Fettpolster. Gegend der Gallen-
blase ziemlich stark druckempfindlich.
Diagnose: Steine in der weichen Gallenblase, Choledochus
augenblicklich frei.
Operation: 8. 1.03. Wellenschnitt. Grallenblase liegt fast in
der Mittellinie, Lieber normal.. Hals der Gallenblase mit Magen ver-
wachsen. Viele Steine. Ectomie in 5 Min. Choledochus anscheinend
frei. Spaltung des Cysticus. Choledochus frei. Hepaticusdrainage.
Hepatopexie. Tamponade. Schluss der Bauchwunde. Dauer der ganzen
Operation 40 Min. Leidliche Chloroformnarkose. In der Gallenblase
ca. 30 Steine, grösser wie die abgegangenen, Gallenblase chronisch
entzündet.
Verlauf. Gut.
21. 1. 03. 1. Verbandwechsel. Entfernung der Tamponade. Nähte
und Fäden bleiben liegen.* Wunde gut. Tamponade. Galle läuft
reichlich.
24, 1. 03. Verbandwechsel, Entfernung der Nähte, Fäden bleiben
noch liegen. Rohr liegt noch gut und fest, Ausspülung durch dasselbe
leicht, ruft heftige Kolik hervor. Galle läuft noch reichlich.
26. 1. 03. Entfernung des Rohres. Tamponade.
80. 1. 03- Entfernung des grössten Teils der Fäden. Galle läuft
noch reichlich.
31. 1. 03, Ausspülung des Choledochus. Galle trübe und schleimig.
Es liegt nur noch ein Faden.
6. 2. 03, Der letzte Faden geht ab, Galle läuft weniger reich-
lich, ist klarer.
9. 2. 03. Im unteren Wundwinkel stösst sich etwas nekrotisches
Gewebe ab. Galle läuft wenig reichlich. Verband liegt 3 Tage.
— 238 —
16. 2. 03. Wunde in der Tiefe geschlossen. Galle läuft nicht mehr.
19. 2. 03. Pat. wird als geheilt mit gut granulierender kleiner
Wunde entlassen.
Epicrise: Die Lage der Gallenblase fast in der Mittel-
linie ist selten. Pat. wäre vielleicht auch ohne Operation ge-
sund geworden, wenn die gefundenen 30 Steine noch abgegangen
wären. Sie hatte aber schon zuviel ausgehalten, so dass sie sich
nach Erlösung sehnte. — In solchen Fällen soll man den Chole-
dochus incidieren, damit man auch gewiss ist, keinen Stein
übersehen zu haben.
Nr» 119. B. H., 56j. Privatifere aus Nürnberg.
Aufgen.: 2. 4. 1903.
Operiert: 4. 4. 1903. Hepaticusdrainage. Cystico-
toraiel Ectomie.
Entlassen: 9. 6. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat als junges Mädchen Typhus überstanden,
ist sonst immer gesund gewesen.
Die Mutter der Pat. hat wahrscheinlich an Gallensteinen gelitten,
eine Schwester leidet an solchen.
Pat. hat seit langer Zeit gichtische Beschwerden und Ablagerungen
von Harnsäure, besonders an den Fingergelenken.
Seit 34 Jahren, zum erstenmale nach einer Frühgeburt, hat Pat.
Gallensteinkoliken, die während der ersten 12 Jahre als Magenkrämpfe
angesehen und behandelt wurden.
In diesen ersten 12 Jahren traten 1—2 mal im Jahr nur kurz-
dauernde Anfälle von kolikartigen Schmerzen in der Gegend der
Magengrube auf.
Vor 24 Jahren sehr heftiger Kolikanfall, der mit Unterbrechungen
6 Wochen lang anhielt, dabei zum erstenmale Gelbsucht. Das Leiden
wurde nunmehr als Gallensteinleiden erkannt und Pat. mit Karlsbader
Wasser und Karlsbader Kuren behandelt. Kein Fieber, kein Erbrechen.
Die gleichen, meist einige Wochen dauernden Anfälle traten dann jedes
Jahr 2— 3 mal bis vor 4 Jahren auf. Gelbsucht trat dabei häufig auf,
der Stuhl war dann entfärbt, der Urin ganz dunkel. Im Stuhl wurde
am Schlüsse des Anfalles jedesmal ein durchschnittlich über erbsen-
grosser facettierter Stein gefunden. Pat. fühlte sich dann wieder
völlig wohl und hatte in den Zwischenzeiten ausser gichtischen Be-
schwerden keine Klagen.
Vor 4 Jahren war Pat. fast ein Jahr lang anfallsfrei.
Seit 3 Jahren dann wieder Kolikanfälle, aber seltener und über-
haupt leichterer Natur. Steine im Stuhl wurden nicht mehr gefunden.
Im Herbst 1902 wieder ein schwerer, einige Wochen dauernder
Kolikanfall mit Gelbsucht. Stuhl entfärbt, Urin schwarz. Ein Stein
- 239 —
wurde jedoch wiederum nicht gefunden. Kein Fieber, Icein Erbrechen
(ausser nach Morphiumeinspritzung). Seit diesem Anfall fühlt sich
Pat. nicht mehr ganz wohl, hat ab und zu Drücken in der Gegend der
Magengrube und der Leber, hat sich auch mit der Diät sehr in Acht
genommen. Bis Weihnachten 1902 kein weiterer Anfall. Seit Weih-
nachten dann häufiger leichtere Kolikanfälle, die nvu" einige Tage
dauerten, aber auch alle paar Tage wiederkamen und die Pat. nie zur
völligen Ruhe und Erholung kommen liessen.
Vor 14 Tagen wieder schwerer Anfall mit Gelbsucht. Urin dunkel,
Stuhl aber gefärbt. Der Anfall dauerte fast 40 Stunden. Ein Stein
wurde nicht gefunden. Pat. war sehr matt und war bis jetzt bett-
lägerig. Sie hat in der letzten Zeit erheblich (ca. 20 Pfund) abgenommen.
Pat. fühlt sich jetzt wohl, hat keine Beschwerden, nur ab und zu etwas
Stechen und Druckgefühl in der Lebergegend, Beschwerden, die sie
aber schon lange Jahre ab und zu gespürt hat.
Pat. ist mit heissen Umschlägen, Karlsbader Wasser, Morphium,
(Pulver, zuletzt Einspritzungen) und früher einmal mit einer Oelkur
behandelt worden.
Herr Oberarzt Dr. Schuh-Nürnberg sendet uns die Pat. zu.
Befund: Kein Ikterus (Urin frei). Gallenblase als schmerzhafter
Tumor zu fühlen. Leber nicht vergrössert.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis, event. Stein im Chole-
dochus (augenblicklich latent).
Operation: 4. 4. 03 in Gegenwart des Herrn Dr. Törnquist-
Lund. Wellenschnitt. Leber nicht vergrössert, Gallenblase gross, ent-
hält trübe, dicke Galle, Hals 'der Gallenblase ist sehr ausgebuchtet und
liegt unter dem Choledochus. Ectomie der Gallenblase. Diese lässt sich
gnt stieleu, eine nennenswerte Blutnng aus der art. cystica, die niclit
anterbnndeu wird, tritt nicht ein. Cysticus reisst ab, nud es tritt
ganz dicke, leiinartige Oalle aus dem Ciioledochus heraus. In-
diesem 27 erbsengrosse Steine, teils im Hepaticus, teils retroduodenal.
Ein Stein im Hepaticus ist zu fiihleu, kauu aber mit der Kornzauge
wicht gefasst werden. Papille sondierbar. Ziemlieh beträchtliche Blu-
tung ans der Choledochn^wand. Cysticus wird gespalten, ebenso Chole-
dochus bis ans Duodenum. Hepaticusdrainage. Hepatopexie mit
2 Suturen. Tamponade mit 4 dicken Streifen. Dauer der Operation
1 Std. 10 Min. Verband. Gallenblase enthält 47 Steine, ist chronisch
entzündet, zeigt Hämorrhagien auf der Schleimhaut; der Hals ist am
Cysticus vorbei nach oben hin sehr ausgebuchtet.
Verlauf: Normal.
17. 4. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel, Gaze etwas mit Galle
durchtränkt. Entfernung sämtlicher Tampons (die ziemlich locker
sitzen und beim Herausziehen wenig Schmerzen bereiten), des Rohres
und sämtlicher Nähte. Wunde sieht sehr gut aus. Choledoehus-ln-
eisiou ziemlich gut in der grossen Tiefe sichtbar. Ausspülung und
Sondierung des Hepaticus. Ein Stein ist im Hepaticus mit der Sonde
nicht nachweisbar. Tamponade. Verband.
— 240 —
20. 4. 03. Temp. morgens 37,5, abends 38,1. 2. Verbandwechsel.
Sondierung des Hepaticus. Ein Stein nicht nachweisbar. Klare Galle
läuft ziemlich reichlich. Tamponade nach Entfernung der Drähte.
Appetit heute besser. Stuhl abends etwas gefärbt.
22. 4. 03. Temp. morgens 37,3, abends 37,8. Verbandwechsel.
Verband mit Galle durchtränkt. Herausnahme der Tampons. Letzter
Faden entfernt. Tamponade. Verband.
23. 4. 03. Temp. normal. Verbandwechsel. Im Hepaticus mit
der Sonde kein Stein nachweisbar. Ausspülung des Hepaticus. Tam-
ponade.
24. 4. 03. Verbandwechsel. Verband durch, doch läuft die Galle
weniger reichlich. Wunde sieht sehr gut aus. Ausspülung, dabei
werden zwei über erbsengrosse, facettierte, dunkle Steine lierausgespült.
Sondierung und Ausspülung des Hepaticus, keine Steine mehr nachweis-
bar. Tamponade. Befinden sehr gut. Stuhl ganz braun. Appetit besser.
25. 4. 03. Verbandwechsel. Sondierung und Ausspülung des He-
paticus. Ein Stein ist dabei nicht mehr nachweisbar. Galle noch mit
Schleimflocken vermischt.
28. 4. 03. Verband täglich durch. Täglich Verbandwechsel. Aus-
spülung des Hepaticus. Steine nicht mehr nachzuweisen. Wunde ver-
einigt sich in der Tiefe schnell. Tamponade. Pat. steht auf.
5. 5. 03. Verband täglich durch. Ausspülung des Choledochus
täglich. Galle noch etwas mit Schleimfetzen vermischt.
8. 5. 03. Trotzdem der Wundtrichter bereits sehr eng ist, so dass
man mit Wundhaken nicht mehr hineingelangt, gleitet der eingeführte
Spülkatheter ohne Leitung des Auges sofort leiciit in den Choledochus.
Täglich Ausspülung. Galle noch mit etwas schleimigen Fetzen ver-
mischt. Galle läuft weniger reichlich.
12. 5. 03. Galle läuft erheblich weniger. Wundtrichter sehr eng,
keine Ausspülung des Choledochus mehi-. Leichte Tamponade. Be-
finden dauernd sehr gut.
15. 5. 03. Verband trocken. Es läuft nur noch sehr wenig Galle.
22. 5. 03. Bei fester Tamponade des Wundtrichters ist der Ver-
band 2 Tage trocken, bei lockerer oder ohne Tamponade läuft wieder
reichlich Galle. Wundtrichter sehr eng, scheint sich in der Tiefe
jetzt ganz durch Granulationen auszufüllen.
25. 5. 03. Galle läuft seit 2 Tagen wieder sehr reichlich. CoUo-
dium-Verband. Derselbe hält bis abends 9 Uhr. Beim Aufstehen vom
Stuhl löst sich der untere Rand des Verbandes von der Haut. Von
da an läuft Galle. Bis dort war Pat. ohne Beschwerden, Verband
trocken.
27. 5. 03. Ein mit Watte und CoUodium befestigter Stift hält
ebenfalls nicht. Doch bestanden keine Schmerzen.
3. 6. 03. Gallo läuft weniger reichlich, trotzdem keine Gazelam-
ponade des Wundtrichters mehr vorgenommen wird. Im Wundtrichter,
besonders auch im obersten Teile desselben, zeigt sich jetzt reichliche
Granulationsbildung.
. — 241 —
5. 6. 03. Man gelangt durch den sehr engen Wundtrichter mit dem
Spülkatheter sehr leicht in den Choledochus. Ausspülung ruft starke
Koliken hervor. Feste Tamponade des Wundtrichters.
7. 6. 03. Verband 2 Tage trocken, Tamponade.
9. 6. 03. Pat. wird mit kleinem, engen, gut granuherendem Wund-
trichter nach Hause entlassen. Verband nach fester Tampouade 2 Tage
trocken. Tamponade. Verband.
Epiciise: Obwohl viele Steine im Choledochus steckten,
bestand zur Zeit kein Ikterus, weil die Entzündung augen-
blicklich fehlte. Ein Stein steckte im Hepaticus so fest, dass
er nicht sofort entfernt werden konnte. Er wurde während
der Nachbehandlung aus dem Gange herausgespült. Ein ein-
ziger solcher Fall beweist schon zur Genüge die grossen Vor-
teile der Hepaticusdrainage.
Zu Hause ist in kurzer Zeit die Wunde ganz geheilt, und
der Gallenfluss hat rasch aufgehört.
Xr. 120. F. H., 30 j. Friedhofgärtnersfraii aus Karlsbad.
Aufgen.: 7. 6. 1903.
Operiert : 9. 6. 1903. Hepaticusdrainage. Cystico-
tomie. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 30. 7. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist früher immer gesund gewesen, hat nur
mit 27 Jahren Diphtheritis überstanden.
Zwei Brüder leiden vermutlich gleichfalls an Gallensteinen.
Dezember 1895 längere Zeit (bis Februar 1896), nachdem Pat. schon
immer mit dem Magen „zu tun" hatte, heftiges Erbrechen und Übel-
keiten, Magenschmerzen. Keine eigentlichen Kolikanfälle. Wegen
Verstopfung, Magenkatarrh und Magengeschwüren längere Zeit damals
behandelt, verspürte Pat. nach Magenausspülungon stets Erleichterung.
Diese sich anfallsweise okistellondcn Magenschmerzen bildeten sich
allmählich zu richtigen Koliken {'ji—^ji Stunde) aus. Erster sehr hef-
tiger Kolikanfall iai Jahre 1899 (Herbst). Dann wieder Februar 1900.
Die Kolikschmerzen strahlen von der Gegend der Magengrube in den
Rücken und nach oben in die Brust aus („bohrender, zusammenzieh-
ender Schmerz"), dabei Angstgefühl, öfters auch Erbrechen. Danach
wieder öfters kleinere Anfälle , im Herbst 1900, März 1901 (damals
Karlsbader Kur). Während der ersten Schwangerschaft 1901 — 1902
öfters kleine Anfälle. Mai 1902 sehr schwere Geburt (Wehenschwäche,
Geburt durch Zange beendigt, darauf starke Blutung, Lösung der
Nachgeburt). Nach dem gut verlaufenen Wochenbett Gelenk -Rheu-
matismus während 6 Wochen ; seitdem ab und zu wieder Gelenk-
schmerzen.
1902 einzelne, massig heftige Kolikanfälle mit Spuren -von Gelb-
sucht. Die Krämpfe dauern 2 Stunden bis V^ Tag.
Kehr, Technik der GaUensteinoperationen. lo
— 242 —
Anfang Februar bemerkte Fat. eines Tages, dass sie gelb war.
An demselben Tage naebmittags Kolikanfall (sehr heftig). Am nächsten
Tage bereits intensive Gelbsucht. Urin dunkelgrünschillernd. Stuhl
grau. Seitdem anfangs weniger häufige, im April und Mai jedoch
sehr zahlreiche, zuletzt fast tägliche, meist einige Stunden dauernde
sehr heftige Kolikanfälle mit vielem Erbrechen. Die Gelbsucht wech-
selte an Intensität, war meist nach einem Anfall stärker, dauerte aber
an. Fat. magerte sehr stark ab, wurde sehr schwach. Fieber bestand
angeblich nie. Steine wurden nicht im Stuhl gefunden. Stuhl unregel-
mässig (Verstopfung), jetzt wieder besser gefärbt. Auch die Gelbsucht
jetzt (seit etwa 6 Wochen) geringer. Appetit massig. Letzter Anfall
vor etwa 3 Tagen. Fat. wurde mit Karlsbader Wasser, heissen Um-
schlägen, Mooi-Umschlägen, seit vorigem Jahr auch mit Morphium-
Tropfen behandelt.
Herr .-Dr. Ku gler-Karlsbad sendet uns die Fat. zu.
Befund: Sehr abgemagerte Frau mit massigem Ikterus. Lang-
gestreckter Tumor der schmerzhaften Gallenblase. Leber normal. Im
Urin GallenfarbstofF.
Diagnose: Hydrops der Gallenblase undCholedoohusverschluss.
(Fankreastumor ?)
Operation: 9. 6. 03. Wellenschnitt. Gallenblase sehr lang-
gestreckt, mit Netz verwachsen, wird excidiert. Sie enthält sehr zähe,
teerartige Galle, im Hals einen walnussgrossen Stein; hier ringförmige
Ulceration mit aufgeworfenen Rändern. Cysticuswärts noch 4^ erbseii-
grosse Steine. Choledochusgalle fliesst trübe ab. Deshalb Cystico-
toinie nnd Choledochotomic. Mau hat dann und wann bei Soiidierong
des Choledochns das (Jefühl, als ob man einen Stein berührte. Der
Choledochns wird deshalb bis znm Duodenum aufgeschnitten. Kein
Stein nachweisbar. Pankreas hart. Starke Blutung eines Dnodeuum-
gefässes. Hepaticusdrainage. Hepatopexie. Tamponade. Gute Chloro-
form - Sauerstoffnarkose, ^j* Std. 45 gr. Chloroform. Dauer der Opera-
tion 1 Stunde.
V erlauf : Gut.
22. 6. 03. 1. Verbandwechsel, Gallenfluss bis jetzt reichlich. Ent-
fernung des Rohres, sämtlicher Tampons, die völlig trocken sind,
nicht riechen, sämtlicher Nähte und des Hepatopexie-Drahtes, sowie
einzelner langer Fäden. Wunde sieht gut aus. Tamponade.
23. 6. 03. Verband durch. Verbandwechsel. Choledochns liegt
sehr oberflächlich, Incision desselben gut sichtbar. Ausspülung des
Choledochus mit Spülkathoter. liepaticus und Choledochus bis in den
Darm hin frei und leicht durchgängig. Tamponade. Verband.
28. 6, 03. Verband täglich durch. Täglich Verbandwechsel. Aus-
spülung des Hepaticus. Tamponade. Fat. steht auf.
30. 6. 03, Täglich Verbandwechsel. Keine Ausspülung des Hepa-
ticus mehr. Wundtrichter bereits sehr eng. Keine Tamponade mehr,
11. 7. 03. Wundtrichter fest austamponiert. Nachmittags leichte
bohrende Schmerzen in der Gegend der Magengrube bis rechts in den
Rüwken hinziehend von kurzer Dauer,
— 243 —
12. 7. 03. Verband durch, jedoch nicht so stark wie bisher. Feste
Tamponade. Mittags wieder leichter, aber ausgesprochener Kolikanfall.
13. 7. 03. Stüpselversuch mittels fester Tamponade. Danach bis
Mittag starke Kolikanfälle. Um 4'/2 Uhr der Verband durch.
14. 7. 03. Wiederum feste Tamponade. Keine Koliken nachher.
Verband nachmittags 4 — 5 Uhr durch.
17. 7. 03. Feste Tamponade. Abends ziemlich starke Kolik
{2 Stunden). Verband bleibt jedoch trocken.
18. 7. 03. Verband trocken. Wundtrichtcr sehr eng. Sondierung
des Choledochus mit an der Spitze gebogener Sonde. Bougie dringt
ziemlich leicht bis in den Dünndarm. Ein Steiu ist nicht zu sondieren.
Oalle läuft völlig klar. Feste Tamponade. Abends Kolikanfall. Nach
Mitternacht starker Gallenfiuss. Verband völlig durch.
20. 7. 03. Abermals Sondierung des Choledochus, welche ziemlich
leicht, auch mit dicker Sonde gelingt. Ein Stein ist nicht zu sondieren.
Die Sondenspitzo gelangt bis zur Papille. Mit dünnem Bougie gelangt
man nach einigen Vorsuchen ziemlich leicht durch die Papille m den
Darm. Bougie bleibt liegen. Galle fliesst ganz klar. Temp. abends 37,5.
21. 7. 03. Temp. morgens 39,0. Verband stark durch. Entfernung
des Bougios, das keine Beschwerden gemacht hat. Galle läuft klar
nach, dabei wird ein etwa crbseu8:rosser brüclclicher Stein in zwei
Hälften heransgespült. Dicke Sonde gelangt leiclit in den Darm. Feste
Tamponade mit Gaze.
23. 7. 03. Verband 2 Tage trocken (keine Koliken mehr). Heute
früh Verband infolge Herausgleilens des Tampons durch. Sonde ge-
langt leicht in den Darm durch die Papille. Kein Stein mehr nach-
zuweisen. Feste Tamponade. Stuhl braun.
26. 7. 03. Verband 3 Tage trocken. Keine Tamponade des sehr
engen Wundtrichters mehr.
28. 7. 03. Nur noch Spur Galle im Verband. Wundtrichter in
der Tiefe geschlossen.
30. 7. 03. Pat. wird mit kleiner, oberflächlicher, gut granulierender
Wunde entlassen.
Die Untersuchung »der Gallenblase durch das pathol. Institut in
Marburg ergibt folgenden Befund :
Makroskopisch: An dem Fundusteil der etwas dilatierten
Blase sind keine wesentlichen Veränderungen zu bemerken, dagegen
findet sich am Hals ein zirkuläres Druckgeschvvür von 10—12 mm. Höhe
mit unregelmässig ausgezackten Rändern und glattem, grünlich ge-
färbtem Grund. Dieser Stelle entsprechend und noch über dieselbe
hinaus nach dem Cysticus hin ist die Wand bis auf das dreifache verdickt.
Mikroskopisch konstatiert man 'an dem Geschwür: Verlust
des Epithels und der Muskulatur, Begrenzung der Oberfläche durch
einen breiten Streifen kernarmen hyalinen Gewebes, Umwandlung der
darunterliegenden Wand in ein chronisch entzündliches Granulations-
gewebe. An den Rändern des Defekts beginnende Regeneration des
Oberflächenepithels. Die Muskulatur in der Umgebung des Geschwürs
zeigt interstitielle Entzündung.
16*
— 244 —
Epicrise: Bei dem Ikterus musste man an einen Stein
im Choledochus denken. Doch fand man keinen, oder er war so-
klein, dass er weder mit der Sonde noch mit dem Finger ge-
fühlt werden konnte. Der Ikterus kann auch so entstanden
sein^ dass entweder das geschwollene Pankreas den Abfluss der
Galle störte oder der grosse im Hals der Gallenblase steckende
Stein den Choledochus komprimierte. Für solch zweifelhafte
Fälle empfiehlt es sich vielleicht immer, das Duodenum zu spalten
und von der Papille aus, die man event. stumpf oder scharf
erweitern kann, den unteren Teil des Choledochus auf seinen
Inhalt zu prüfen. Die Operation ist aber eingreifend, durch
Eröffnung des Duodenums ist die Möglichkeit einer Infektion
vorhanden. Trotzdem dürfte, wenn man die Gründlichkeit im
Auge hat, die kombinierte Choledocho-Duodenotomie und Hepa-
ticusdrainage für gewisse Fälle empfehlenswert sein. Es i.^it^
wie ich mich überzeugt habe, sehr schwer, den unteren Teil
des Choledochus mit Bestimmtheit von Steinen zu entleeren.
Der Verlauf stellte fest, dass doch im Choledochus ein Kon-
krement* steckte. Als der Gallenfluss in der 3. bis 4. Woche
sehr profus wurde, machte man das Stöpselexperiment: es traten
Koliken auf und die Galle staute sich, weil die Papille durch
einen Stein verlegt war. Die Bougierungder Papille wurde mehrere
Mal vorgenommen, und bei der zweiten gelanges, das Konkre-
ment herauszuspülen. Bei einer Choledochotomie mit Naht
hätte man wahrscheinlich ein Recidiv bekommen; so bewahrte
die Hepaticusdrainage die Pat. vor weiteren Schmerzen und
einer zweiten Operation. Sehr wichtiger Falll
Nr. 121. M. R., 29j. Pjistorsfrau aus Oberiii«)llern i. Th.
Aufgen.: 7. 7. 1903.
Operiert: 9. 7. 1903- Hepaticusdrainage. Ectomie..
Cysticotomie. Hepatopexie.
Entlassen: 17. 8. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat als Kind von 5 Jahren an heftigem Darm-
katarrh gelitten, ist sonst immer gesund gewesen. 1901 ein Anfall von
„nervösem Herzkrampf", der einen Tag andauerte. 1902 Gelenkrheu-
matismus (Fieber, Herzklopfen). Pat. lag 8 Tage krank, hat seitdem
ab und zu Golenkschmerzen.
Kine Schwester leidet an Magenkrämpfen.
Vor 7 Jahren, als sich Pat. wegen Blutarmut in einer Naturheil-
anstalt (Wasserkuren) in Leipzig aufhielt, plötzlich Anfall von heftigen.
— 245 —
krampfartigen Schmerzen im ganzen Leib und im Rücken, dabei starkes
Angstgefühl. Der Anfall dauerte etwa '/* Stunde.
Seitdem häufige gleichartige Anfälle.
Vor 5 Jahren sehr gehäufte Anfälle, in einer Woche oft zwei bis
drei, dabei Erbrechen und ab und zu leichte Gelbsucht, die einige Tage
dauerte. In den Zwischenzeiten völliges Wohlbefinden. Damals zwei-
mal Kur in Karlsbad. Danach erhebliche Besserung. Die Anfälle sind
seitdem weniger häufig, etwa zweimal im Jahre, und leichterer Natur,
■dauerten höchstens eine Stunde. Dabei ab und zu Erbrechen und nach-
her leichte Gelbsucht. In den Zwischenzeiten völliges Wohlbefinden.
So blieb der Zustand bis vor 3—4 Wochen.
Vor S^ji Wochen drei Tage hintereinander heftige Anfälle, der
dritte und letzte von äusserster Heftigkeit dauerte etwa 16 Stunden.
Dabei Erbrechen, Gefühl von Völle und Schmerzen in der Lebergegend.
Nachher einige Tage leichte Gelbsucht. Fat. fühlte sich dann noch
einige Tage sehr matt, ist jetzt wieder völlig wohl, hat keinerlei Be-
schwerden. Stuhlgang ist unregelmässig (Verstopfung), angeblich immer
gut gefärbt. Appetit, ausser im Anfall, gut.
Herr Dr. Löffler-Kösen sendet uns die Fat. zu.
Befund: Kein Ikterus. Im Urin eine Spur von Gallenfarbstoff,
kein Eiweiss. Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend, kein
deutlicher Tumor.
Diagnose: Steine in der Gallenblase, Cysticus augenblicklich offen,
vielleicht Stein im Choledochus (?).
Operation: 9. 07. 03. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (40 gr).
Dauer der Narkose 45 Min., Dauer der Operation 35 Min. Wellenschnitt
Leber normal, Gallenbla"se gross, schlaft, enthält Steine. Verwachsungen
mit Netz werden gelöst. Im Cysticus kleiner Stein fühlbar. Nach Ec-
tomie (ca. 5 Min.) Sondierung des Cysticus. Keine Steine fühlbar.
Spaltung des Cysticus bis in den Choledo^-hus hinein. Dnodenalwärts
S erbsengrosse Steine. Extractioii. Papille soiidierbar. Hepaticus-
drainage. Nur 2 Tampons (einer ins Foramen Winslowii-nnd auf Leber-
bett, der andere auf das*lig. hepato-duodenale und zwischen Rohr und
Duodenum). Hepatopexie mit 1 Sutur.
Verlauf : 9. 7. 03. Abends Tamp. 37,6, Puls 80. Kein Erbrechen.
10. 7. 03. Temp. morgens 37,0, abends 37,3. Fuls 96-100. Zwei-
mal Erbrechen von etwas Tee mit Blutspuren. Etwas Übelkeit und
Aufstossen. Magenspülung, im Magen viel Tee und ziemlich viel
altes Blut. Galle läuft ziemlich reichlich, ist klar.
11. 7. 03. Kein Erbrechen mehr. Befinden gut, Blähungengehen.
. 14. 7. 03. Führt ab. Wechsel der oberen Schichten des Verbandes.
23. 7. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres,
sämtlicher Tampons, die locker sitzen, und sämtlicher Nähte. Wunde
sieht gut aus. Choledochus-Incision gut sichtbar. Ausspiihing des
Uepaticns. Tamponade. Temp. abends 38,2.
— 246 —
26. 7. 03. Verband 3 Tage trocken. Entfernung der Fäden und
des Hepatopexie-Drahtes. Choledochus - Incision gut sichtbar. Aus-
spülung des Choledochus. Tamponade.
27. 7. 03. Gestern starke Kopfschmerzen. Temp. normal. Ver-
band heute stark durch. Verbandwechsel.
28. 7. 03. Verband wieder stark durch. Letzter langer Faden
entfernt.
29. 7. 03. Steht auf.
1. 8. 03. Verband 3 Tage trocken. Wenig Galle im Verband.
Wundtrichter bereits sehr eng.
14. 8. 03. Galle läuft nicht mehr.
17. 8. 03. Fat. wird mit kleinem, engen, gut granulierenden
Wundtrichter entlassen.
Die mikroskopische Untersuchung der Gallenblase durch da; pa-
thologische Institut in Marburg ergibt folgenden Befund :
An der zahlreiche Steine enthaltenden Blase fällt makroskopisch
eine etwas grobe Zeichnung der Zotten auf. Mikroskopisch konstatiert
man eine Abstossung des Epithels auf der Höhe der Zotten, eine chro-
nische Hypertrophie der Schleimhaut und der gesamten Wand, die in
allen Schichten kleinzellig ist.
Epicrise: Zur Zeit war der Cysticus offen, die Galle klar,
daher fast gar keine Beschwerden. Der Cysticus war eng, so
dass der Befund der Choledochussteine überraschend war. Der
Fall ist wiederum ein Beweis von der Häufigkeit der Latenz
der Choledochussteine und von der Notwendigkeit der Chole-
dochusincision, wo irgend möglich.
Nr. 122. A. Seh., 53j. Gelbgiessersfrau aus Zerbst.
Aufgen.: 1. 4. 1904.
Operiert: 3. 4. 1904. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Cysticectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 14. 5. 1904. Geheilt."
Anamnese: Fat. hat 3 Kinder, 3 sind klein gestorben.
Fat. hat viel an Schwäche und Blutarmut gelitten ; eine Zeit
lang bestand auch Husten und Auswurf, so dass der Arzt an Aus-
zehrung glaubte. Doch erholte sich Fat. wieder.
1872 angeblich Gelenkrheumatismus. 1873 heftige Durchfälle
(„Cholera"). 1878 Lungen- und Brustfellentzündung.
Fat. hat schon öfters an Magenschmerzen, besonders nach dem
Essen gelitten. Vor 5 Jahren wegen eines Gebärmutterpolypen ope-
riert in Dessau. Einige Wochen später Schmerzen in der Leber-
gegend mit harter Anschwellung in der Leber- bezw. Gallenblasen-
gcgend (der Arzt wollte ev. operieren), dabei fürchterliche, z. T.
krampfartige Schmerzen. (3 Wochen lang.) Keine Gelbsucht. Vor
2 Jahren nochmals ein gleicher, nur etwa 8 Tage dauernder Anfall.
Keine Gelbsucht.
247 —
Völliges Wohlbefinden bis Dezember 1902. Dann begann Schwäche
Mattigkeit, häufiges Herzklopfen. Dabei nur sehr leichte, drückende
Schmerzen in der Gallenblasengegend. Dann wieder Erholung. August 1903
wieder Schmerzen, jedoch nicht koHkartig, Anschwellung in der
Lebergegend und allmählich Gelbsucht. Stuhl weiss. Kein Fieber.
Gallensteine im Stuhl wurden nicht gefunden. Ikterus schwankte
sehr seitdem, die Schmerzen wurden dauernd, diesmal auch mehr nach
links nach dem Magen hin. Appetit schlecht. Abmagerung. Stuhl
früher immer verstopft, jezt nach Karlsbader Wasser regeln.ässig.
Ikterus zur Zeit sehr gering.
Befund: Sehr schwache und elende Frau. Geringer Ikterus.
Urin frei, ohne Zucker und Eiweiss, enthält Gallenfarbstoff. Leber
gross, rechter Leberlappen steht tief. Tumor der Gallenblase undeutlich.
Druckgefühl bei Palpation mehr in der Mittellinie. Lunge, Herz gesund.
Diagnose: Stein im ductus choledochus.
Operation: 3. 4.04. Gute Chloroform-Sauerstoff-Narkose. (60 gr.
C'hloroform). Dauer der Operation °/4 Stunden. Wellenschnitt. Gallen-
blase gross, prall mit Steinen gefüllt, ringsum mit Netz verwachsen.
Schwierige Lösung. Starke Blutung aus dem Netz. 4 Unterbindungen.
Sehr wandverdickte Gallenblase, wird excidiert. Hinter dem im Hals
festsitzenden Stein wird eine gebogene Klemme angelegt und die
Gallenblase entfernt. Im supraduodenalen Teil des Choledochus ein
festsit?;ender Stein. Aufwiesen wird dicht am Duodenum eingeschnitten,
dabei sehr starke arterielle
Blutung (art. cystica acces-
soria). PZntfernung des Steines.
Hepaticus frei. Sondierung der
Papille sehr schwierig. Um
über den retroduodenalen Teil
des Choledochus Klarheit zn
beliommen, wird dieser frei-
gelegt. Kein Stein mehr zu
linden. Feine Sonde passiert
die Papille. Ductus cysticns
ist sacliartig erweitert, die
Schleimhaut wird excidiert.
Rohr in den Hepaticus. Hepa-
topexio. 4 Tampons. Naht der
Bauchwunde. Die neben-
stehende Skizze erläutert den
Operations bef und.
Die Gallenblase ist sehr
wandverdickt, enthält Eiter
und viele kantige Steine,
Schleimhaut ulcerös , Hals
völlig obliteriert.
Das path. Institut in Marburg schreibt über den Befund Folgendes:
a) Vorditkte Gallonblaso; Inhalt: Eiter und
Steine.
b) Obliterierter Hals der Gallenblase.
c) Sackartig erweiterter Cysticus.
d) Stein im supraduodenalen Teil des Chole-
donhus.
e) Art. hepatica propria.
f) Art. cystica accesf oria.
g) Art. cystica propria.
h) Papilla duodeni.
— 248 —
Die übersandte Gallenblase mit einem ö'/« cm. lichten Längs-
durchmesser zeigt ausserordentlich verdickte Wandungen, welche
zwischen 5 und 10 mm. Dicke schwanken. Die Höhle zerfällt in 3 Ab-
schnitte, Ton denen der mittlere der grösste ist und ovale Gestalt auf-
weist mit einem Durchmesser von 2 cm. Länge und 3 cm. Breite.
Diese mittlere Höhle zeigt höchst unregelmässige Wandungen, die
mit kleinen, Hirnwindungen ähnlichen Wülsten und Furchen besetzt
sind. Dieselben sind intensiv buttergelb gefärbt. Die buttergelbe
Färbung erstreckt sich bis zu 5 mm. in die Wand hinein. Nach oben
und unten schliesst sich je ein kleinerer von dem mittleren scharf
abgegrenzter Hohlraum an von dem Umfange einer Erbse bez. einer
Bohne.
Mikroskop. Untersuchung ergibt, dass in dem oberen und unteren
Abschnitte die Muskulatur noch gut erhalten und deutlich hyper-
tropisch ist. Von der Schleimhaut ist nichts zu finden. An ihre
Stelle ist ein Granulationsgewebe getreten, nur zwischen den Muskel-
zügen finden sich hier und da drüsenähnliche Epithelzüge, welche
z. T. bis in das subperitoneale Gewebe hineinreichen. * Letzteres wie
auch das Zwischengewebe der Muskulatur ist hochgradig verdickt
mit Umbildung der Grundsubstanz in hyalin glänzende Massen, welche
in breiten Bändern angeordnet sind. Auch besteht frische zellige In-
filtration in ausgedehntem Masse. In dem mittleren Abschnitte ist
die Muskulatur völlig zu Grunde gegangen und durch ein sehr zell-
reicbes Granulationsgewebe ersetzt. Nach innen zu geht dies in eine
eigentümlich hyalin aussehende Substanz über, welche an die hya-
linen Platten bei Arteriosklerose erinnert. In den Sudanpräparaten
zeigt sich das Granulationsgewebe ausserordentlich fettreich. Hier
und da liegen auch grosse Riesenzellen, welche Cholestearinmassen
mit feinen Nadelbüschen umfassen. Das Epithel der Gallenblase, wo
es intermuskulär noch erhalten ist, ist ein einfaches Cylinderepithel.
Weder an dem oberen noch an dem unteren Abschnitt liess sich die
charakteristische Struktur des Ductus cysticus nachweisen, so dass
wahrscheinlich die Abtrennung des Präparates zwischen Hals der
Blase und Cysticusanfang stattgefunden hat. Die Erweiterung des
Duct. cystic, wäre dann als Bildung einer Pseudogallenblase nach Art
der auf dem letzten Chirurgencongress erwähnten angeblichen Regene-
ration der Gallenblase aufzufassen.
Verlauf: 16.4. Nach fieberfreiem Verlauf, in den ersten Tagen durch
häufiges Aufstossen etwas gestört, heute erster Verbandwechsel. Ent-
fernen der Tampons, des Rohres und der Hautnähte sowie der Hepatopexie-
drähte. Wunde per primam geheilt, Wundtrichter rosig. Ikterus be-
reits fast ganz geschwunden. Kräfte haben bereits zugenommen.
Galle bis heute reichlich durchs Rohr gelaufen, in den letzten Tagen
vollkommen klar.
17. 4. Verband von Galle durchtränkt. Wechsel der oberfläch-
lichen Schichten, Weiterhin ganz glatter Verlauf. Gallenfiuss bewegt
sich in normalen Grenzen,
— 249 —
24. 4. Pat. steht zum ersten Male auf.
14. 5. Mit geschlossener Wunde in bester Gesundheit entlassen.
Epicrise: Der Hals der Gallenblase war völlig oblite-
riert; der Cysticus selbst enorm ausgedehnt, so dass man bei
der Operation glaubte, das Duodenum eröffnet zu haben. Bei
der Incision auf den Choledochusstein war die art. cystica
accessoria angeschnitten worden, so dass eine heftige Blutung
entstand. Der Stein im Choledochus versperrte fast völlig den
Gang, die sich stauende Galle erweiterte den ductus cysticus
sackartig, so dass eine Orientierung sehr schwierig war. Der
Fall zeigt, dass der Cysticus sich nach einer Excision der Gallen-
blase erweitern kann, wenn man vom ductus cysticus einige
Oentimeter stehen lässt und die Unterbindung nicht nahe genug
am ductus choledochus vornimmt.
Nr. 123. £. B , 37j. Haushälterin aus Oeliiihausen.
Aufgen.: 21. 8. 1903.
Operiert: 23. 8. 1903. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Cysticotoraie. Hepatopexie.
Entlassen: 8. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. litt schon immer an Verstopfung, war stets
etwas bleichsüchtig. Ende Oktober 1902 mehrere einige Stunden dauernde
Anfälle von kolikartigen Schmerzen im Leibe, besonders in der Gegend
der Magengrube Dabei Erbrechen , kein Fieber. Bei jedem Anfall
etwa einen Tag lang leichte Gelbsucht. Keine Schüttelfröste. Stuhl
war verstopft, einigemale sehr hell gefärbt, Urin dunkel. Nachher
fühlt sich Pat. wieder völlig wohl, hatte keinerlei Beschwerden bis
Mitte Juni 1903.
Mitte Juni 1903 mehrere (3—4) den früheren gleiche Anfälle im
Verlauf von 14 Tagen, jedoch etwas heftiger als die im vorigen
Herbst. Nachher fühlte sfch Pat. sehr matt. Seitdem gehäufte An-
fälle, alle 8 Tage und öfter. In. der letzten Woche zweimal. Die
Anfälle waren zuletzt weniger heftig. Steine, etwa erbsengross, wurden
in letzter Zeit nach den Anfällen im Stuhl gefunden.
Pat. fühlt sich jetzt sehr matt, hat ab und zu Schmerzen in der
Lebergegend, besonders auf Druck. Appetit massig.
Pat. ist mit heissen Umschlägen, Morphiumeinspritzungen (im
Anfall) und Karlsbader Wasser, Olklystieren und Ölkur behandeltworden.
Herr Sanitätsrat Dr. Kessler in Salzgitter sendet uns die Pat. zu
Befund: Abgemagerte, elende Person. Hepatoptose. Kein
Ikterus. Gallenblasengegend sehr druckempfindlich. Kein Tumor.
Urin frei. Herz, Lunge gesund.
Diagnose: Chron. recid. Cholecystitis.
— 250 —
Operation: 23. 8. 03. Sehr gute Chloroformsauerstoff-Narkos&
(40 gr.). Dauer der Operation 50 Min. In Gegenwart der Herren Dr.
Offen bach-New-York, Dr. Eliot-Alden vom Lakeside-Hospital in
Cleveland, Ohio und Dr. Mc. Henry ebendaher. Wellenschnitt. Hepa-
toptose. Fast der ganze ' rechte Lappen lässt sich extraperitoneal
lagern. Gallenblase gross, langgestreckt, am Halse fest mit Duodenum
und Netz verwachsen. Lösung. Ectomie. Gallenblase stark entzündet,
enthält im Cysticus mehrere Steine. Cysticotomie. Choledochotomie,
doch ist nirgends ein Stein zu finden. Hepaticusdrainage. Hepatopexie
mit 2 Fäden. Tamponade. Verband.
Verlauf: Gut.
5. y. 03. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons. Wunde
sieht sehr gut aus. Galle läuft reichlich. Keine Ausspülung des
Hepaticus. Abends 38,7°. Puls 92. Etwas Schwäche.
6. 9. 03. 37,00.0. Puls 80. Verband von Galle durchtränkt. Er-
neuerung des Verbands. Die Tampons bleiben liegen. Temp. abends 37,6.
7. 9. 03. Verband durch. Verbandwechsel. Entfernung der Nähte
und der Tampons. Temp. normal. Nachmittags leichte Angstzustände
und etwas Unruhe. Klagen über Schwäche. Puls 120, etwas weich.
Abends fühlt sich Pat. wieder wohl. Puls 108.
9. 9. 03. Verband täglich durch. CJioledochiisincision bei der
Enge und Tiefe des Wiiudtrichters in'cl t sichtbar. Keine Ausspülung
des Hepaticus.
12. 9. 03. Verband noch täglich durch. Entfernung des grössten
Teils der langen Fäden.
13. 9. 03. Steht auf.
23. 9. 03. Verband seit 3 Tagen trocken.
8. 10. 03. Wunde geheilt, Narbe fest. Entlassen.
Epicrise: Da Steine unter Ikterus abgegangen waren,
hielt ich eine genaue Revision des Choledochus für sehr not-
wendig. Ich fand aber keinen Stein mehr. Am einfachsten ist es,
auch in solchen Fällen die Hepaticusdrainage anzuwenden.
Tamponieren muss man doch, da macht es nicht viel aus, ob
man noch ein Rohr in den Hepaticus schiebt. Die Indication
zur Operation war aus sozialen Gründen gegeben. Der Stein
im Cysticus war zum spontanen Durchtritt zu gross.
Nr. 124. R. W., 44j. Amlniaiiii aus Popperode.
Aufgen.: 1. 1. 1904.
Operiert: 21. 1. 1904. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Cysticotomie.
f 2. 2. 1904 an septischer Cholangitis.
Anamnese: Pat. ist vorheiratet, Vater von zwei gesunden
Kindern. 1 Bruder und 1 Schwester leiden an Gallensteinen. Hat in
der Jugend Muskelrheumatismus gehabt.
— 251 —
Vor 8 Jahren zum ersten Mal Kolikanfall, seitdem in Zwischen-
räumen von etwa '/4 Jahr neue Anfälle, zuweilen mit ganz leichter
Gelbsucht. Vor 5 Jahren ein Kolikantall mit intensiver Gelbsucht,
dunklem Urin und hellem Stuhl. Vor 2 Jahren bei einem Anfall im
Stuhl 2 Steine gefunden, der grössere davon war pferdebohnengross;
bei diesem Anfall wurde auch Morphium nötig. Pat. war 7 mal in
Karlsbad; der erwähnte letzte Anfall dauerte am längsten von allen,
etwa 10 Stunden. Nie trat Erbrechen auf, auch keinerlei Verdauungs-
störungen. Pat. war die letzten 2 Jahre ganz gesund, da traten
vor-2'/2 Wochen Abends angeblich nach etwas zu reichlicher Mahlzeit
wieder ganz leichte kolikartige Schmerzen auf ; doch konnte Pat. die Nacht
ganz gut schlafen. 2 Tage später angeblich nach Erkältung ein Schüttel-
frost mit hohem Fieber. Seitdem fiebert Pat., soll bis 40" Abends ge-
habt haben. Herr Dr. Wal dsc h midt-Popperodo verordnete Bett-
ruhe», ' kalte Umschläge auf die Lebergegend und Antipyretica. Stuhl-
gang erfolgte in den letzton beiden Wochen nur auf Einlaufe, Urin
war etwas dunkler als normal. Herr Dr. Waldschmidt schickt
uns den Pat. wegen Empyem der Gallenblase mit folgendem Brief zu :
„Pat. hat seit einer Reihe von Jahren bald mehr bald weniger
heftige Gallenkoliken durchgemacht mit öfter dazu auftretendem Ik-
terus. Seitdem er Karlsbad besuchte, besserte sich der Zustand. Das
letzte Jahr war, trotzdem Karlsbad nicht besucht wurde, befriedigend.
Nach Bericht des Pat. begann die jetzige Krankheit am 17. Dezember
mit einem gelind schmerzhaften, jedoch andauernden Gallenkolikanfall.
Es stellte sich Frost und Fieber ein nebst grosser Abgeschlagenheit.
Meine erste Untersuchung am 24. 12. stellte morgens 11 Uhr 39,2'*
Temperatur, völlige Appetitlosigkeit, Mattigkeit fest. Dabei war die
Leberpforte auf Druck schmerzhaft, und ich glaube auch die vergrös-
serte Gallenblase gefühlt zu haben, ferner bestand massiger Ikterus,
der im Lauf der nächsten Tage allmählich bis auf geringe Spuren
abnahm. Die Temperatur stieg am 24. 12. abends noch auf 40,4.
Das Fieber machte mir den Eindruck einer Pyämie: Unregel-
mässige Fiebercurve, die mit Frost einsetzte, dann plötzlich empor-
schnellte, einmal auf 40,7, uild nach einiger Zeit unter manchmal sehr
starken Seh weissen naohliess. Die Leber war im Anfang ebenfalls
schmerzhaft, jedoch kaum vergrössert.
Seit der Stunde, da die Reise nach Halberstadt beschlossen war,
blieb die Temperat.ir gut.
In letzter Zeit trat in der Gallengegend nach tiefer Atmimg
geringer Schmerz auf. Eine energische Untersuchung der Gallenblase
habe ich in Jen letzten Tagen nicht vorgenommen und glaubte sie
vermeiden zu müssen."
Befund: Wohlbeleibter Mann; in der Gallenblasengegend kein
Tumor fühlbar, bei stärkerem Druck Schmerzempfindlichkeit und
Resistenz. Ganz schwacher Ikterus. Puls ziemlich klein, 100. Allge-
meinbefinden gut. Temp. 37,8° C. Im Urin etwas Gallenfarbstoff,
kein Eiweiss. Bettruhe, Thermophor früh und Abends je eine Stunde;
Oeleinläufe. Flüssige Diät.
— 252 —
2. 1. 37,8-38,3.
3. 1. 38,3-
4. 1. 38,3-
5. 1. 37,8-38,5.
unverändert.
38,3-38,2.
37,8-37,5.
38,3-38,8.
38,1-37,9.
37,8 Abends 20 Tropfen Morphium.
38,0. Puls 112, vielleicht etv^^as kleiner. Schläft viel.
Pat. erhält Strophantus 3 mal 8 Tropfen. Befund
Stuhlgang täglich auf Oeleinlauf. Ikterus ganz
6. 1.
7. 1.
8. 1.
9. 1.
schwach.
10. 1. 38,6—39,0. Puls 140, weich, ziemlich klein. Abends etwas
Frost. Keine Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend. Rechter
Rippenbogen der Leber entsprechend etwas vorgewölbt, hinten rechts
unten etwas abgekürzter Lungenschall.
11. 1. 37,9-38,9.
12. 1. 39,0-38,0 Spiritusverband.
13. 1. 38,6-39,3. Pat. fühlt sich trotz dos Fiebers vollkommen
wohl, hat keine Schmerzen, massigen Appetit.
14. 1. 37,8-39,6. Spiritusverband.
)5. 1. 37,0—37,9. Letzte Nacht wenig geschlafen, sehr unruhig
gewesen. Unter Schweissausbruch Temperaturabfall zur Norm.
16. 1. Letzte Nacht wieder etwas Frösteln und Anstieg auf 39,6°.
Probepunktion rechts hinten unten fördert leicht getrübtes goldgelbes
Serum zu Tage. Dämpfung besteht etwa 3 fingerbreit. Punktion am
vorderen etwas vorgewölbten Rippenbogen, woselbst die Haut
ödematös ist, bleibt negativ. Pat. führt heute ab mit Ricinus, bekommt
flüssige Diät.
Fig 11.
R.W. 44jähr. Amfmann aus Popperode
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(Der Pfeil zeigt den Üpeiationstag anlj
— 253 —
7. 1. 38,3-38,8°.
18. 1. 37,7-39,4«.
19. 1. 38,0-39,0". Pat. schläft viel, auch tagsüber. Druck-
empfindlichkeit der Gallenblasengegend wieder ausgesprochener.
20. 1. Pat. führt ab.
Weiteres Abwarten ist bei dem immer wiederkehrenden Fieber
misslich; der Befund ist noch ziemlich negativ, nur geringe Druck-
empfindlichkeit der Gallenblasengegend vorhanden. Pleuraexsudat ist
ziemlich massig. Puls 120 trotz 3 maliger Dosis von Strophantus
(10 Tropfen!).
Diagnose: Empyem der Gallenblase, die wahrscheinlich ge-
schrumpft ist; Cholangitis (?).
Operation: 21. 1. 04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. (50 gr.
Chloroform.) Wellenschnitt. Leber sehr massig und stumpf. Gallen-
blase klein, langgestreckt, verdickt, sieht aus wie eia Processus yeruii-
foruiis. Ist fest mit Netz verwachsen. Nach seiner Lösung bleibt im
Netz ein Defekt, vom Aussehen eines tiefen Ulcus ventriculi. In der
Gallenblase kleine Steine und Eiter. Auch aus dem Cystiens fliosst
Eiter. Deshalb Spaltung. Choledochns enthält trübe Galle. Aus dem
Hepaticus fllesst Eiter. Hepaticusdrainage. Papille frei. Ectomie.
Gallenblase sehr geschrumpft. Art. cystica ist wegen Starrheit der
Leber nicht zu unterbinden, es bleibt deshalb eine Klemme liege«i.
Dauer der Operation 50 Min. Subphrenium, soweit übersichtlich, frei.
Verlauf: Befinden nach der Operation gut. Pat. erhält Kochsalz-
eiiiläufe und Camphereinspritzungen.
22. 1. 04. Massig viel Aufstossen. Galle läuft gut ab, gestern
enthielt sie noch ziemlich viel eitriges Sediment, heute ist sie bereits
ziemlich klar. Urin spontan. 37,5—37,8.
23. 1. 04. Ueber Nacht Blähungen reichlich gegangen. Pat. fühlt
sich heute bereits ganz wohl; seit Mittag kein Aufstossen mehr.
38,0—37,8. Galle läuft reichlich, klar. Atmung kaum beschleunigt,
nicht schmerzhaft.
24. 1. 04. 37,8-37,4. Pat. hat ohne Schlafmittel gut geschlafen;
keine Schmerzen, sehr gute^ Allgemeinbefinden.
26. 1. 04. Pat. führt ab. Weiter fieberfrei.
29. 1. 04. Heute Temperatursteigerung. Verband durch, wird
überwickelt. Da Puls wieder kleiner und beschleunigter ist, wird
wieder Strophantus gegeben. Abends 38,8.
30. 1. 04. Pat. hat sehr schlecht geschlafen. Verbandwechsel,
Entfernen sämtlicher Tampons, welche ziemlich stark riechen; keine
Sekretverhaltung ; die grosse Wundhöhle sieht rosig aus. Das Rohr
im Hepaticus bleibt liegen. Puls immer noch sehr beschleunigt, 136—140,
und klein. Strophantus. Nährklystiere. Nachmittags 40 com. Ol.
Olivar. subcutan. Im Stuhl heute anscheinend etwas altes Blut.
Appetit noch sehr gering; nachmittags ziemlich viel Aufstossen.
31. 1. 04. Nachts wenig geschlafen; heute Morgen Puls viel
kräftiger, 120. Temp. 37,8. Vormittags noch viel Aufstossen. Fühlt
sich seit Mittag bedeutend besser. 2 mal Ol. Olivar. je 30 com. subcutan.
— 254 —
Abeuds 38,2" C. Fat. ist deutlich ikterisch; ziemlich verfallenes Aus-
sehen.
1. 2. C4. 38,8-39,0. Heute sehr matt; Verbandwechsel, Tampons
riechen stark foetide, die tiefe Wundhöhle ist etwas belegt. Ent-
fernen des Rohres aus dem Hepaticus. Punktion der Pleura rechts
ergiebt klares Serum. Puls 120, ziemlich kräftig. Beim Verbinden
leichte Ohnmacht. Campher; Ol Olivar. subcutan 2 mal. Aufstossen
ununterbrochen. Abends Morphium subcutan, da der Singultus nicht
nachlässt.
2. 2. 04. In der Nacht zum 2. 2. zunehmendes Nachlassen der
Herzkraft. Singultus besteht fort; trotz reichlicher Excitantien be-
ginnt heute Morgen 6'/^ Uhr die Agonie, um 7 Uhr Exitus.
Die Revision der Hauchhöhle 12 Stunden post exitum ergibt ausser
unbedeutender Bauchdeckeneiterung septische Cholangitis. Lebor ganz
morsch und matsch, in den feinsten (hängen Eiter. Keine Steine.
Epicrise: Der behandelnde Arzt h itte eine ganz richtige
Diagnose gestellt, aber da Pat. ziemlich korpulent war und einen
schlechten Puls hatte, wartete ich ab, in der Hoffnung, die
Infektion würde zurückgehen. Da das nach 3 Wochen nicht
eintrat, Operation. Man fand, wie man vermutete, kleine eiter-
gefüllte Gallenblase und Eiterflocken in der Hepaticusgalle.
Der Verlauf war zuerst gut, dann traten die Zeichen der Sepsis
wieder in den Vordergrund. 13 Tage post op. exitus; die Eevi-
sion der Leber ergab difiuse eitrige Cholangitis.
d) Hepaticusdrainage ohne Inangriffnahme der Gallenblase.
Nr. 125. M. A., 56j. Privatiersfraii aus Aussig.
Aufgen.: 16. 2. 1904.
Operiert: 19. 2. 1904. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 2. 4. 1904. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Tri nks -Aussig sendet uns die Pat. mit
folgender Krankengeschichte zu :
„Frau M. A. steht seit 3 Jahren in meiner Behandlung.
Früher litt sie wiederholt an „Magenkrämpfen". Vor Jahren
ein Gelenkrheumatismus durchgemacht, von dem ein systolisches
Herzgeräusch herrühren dürfte. Als ich sie in Behandlung bekam,
hatte sie eine typische üallensteinkolik mit Ikterus. Derselbe hielt
damals ca. 5—6 Monate lang an. Die von mir zum erstenmale auf
eine Cholelithiasis bezogenen „Magenkrämpfe", derenthalben ich ge-
rufen wurde, wiederholten sich seitdem nicht mehr. Pat. hatte nach
mehrmonatlichem Bettliogen eine Kur in Karlsbad durchgemacht und
seitdem alljährlich wieder Karlsbad besucht. Auch der Ikterus, der
schon vor der ersten Karlsbader Kur geschwunden war, trat nie mehr
— 255 —
auf. Nach der Karlsbader Kur hatte Pat. zuhause jedesmal in grös-
seren Intervallen Fieberanfälle, zwischen 89— 40, mit Frösteln, Mattig-
keit, die aber stets nur wenige Stunden (fast nie länger als '/^ Tag)
dauerten und 6—8 Wochen lang aussetzten. In der Zwischenzeit voll-
ständiges Wohlbefinden, Die Lebensweise war stets ausserordentlich
geregelt, ebenso eine peinliche Diät (nach Karlsbader Vorschrift) ein-
gehalten worden; eine Zeit lang wurden Trauben- und Mplkenkuren etc
von der Pat. auf eigene Faust hin betrieben.
So ging der Zustand durch ca. 2'/2— 3 Jahre seinen gleichmässigen
Gang, bis heuer während und nach der Karlsbader Kur Störungen
auftraten. Dieselben bestanden einesteils aus Ohnmachtsanfällen, die
bei verschiedenen Gelegenheiten auftraten (im ganzen 3 mal innerhalb
eines halben Jahres), und zweitens in einem häufigen Wiederkehren
der früher sporadischen Fieberanfälle , die sich jetzt seit ca. drei bis
vier Monaten prompt jeden 5.-6- Tag einstellen. Auch der früher
immer gleiclimässig gefärbte Stuhl wechselte jetzt wiederholt die
Farbe, ein ausgesprochener Ikterus trat jedoch nicht auf, wiewohl seit
langem schon leichte Gelbfärbung der Skleren besteht.
Der lokale Untersuchungsbefund ist fast negativ. Keine Leber-
schwellung, kein Gallenblasenturaor, dagegen leichte Druckempfind-
lichkeit in der Magengrube rechts von der Mittellinie. Ebenso etwas
weiter nach auswärts am unteren Leberrande. Auch wurde bei einer
der letzten Untersuchungen (vor ca. 4—6 Wochen) ein Druckschmerz
rechts, etwas unterhalb des Nabels gegen das Darmbein zu, angegeben.
Spontane Schmerzen hatte si'e während der ganzen Zeit, seit ich sie
zu beobachten Gelegenheit habe, nie, dagegen immer einen leichten
Druck sowie ein „Nörgeln" in der Gegend der Gallenblase, die siqh
mit dem Einsetzen des Fiebers meist etwas steigerten. Der. allge-
meine Körperzustand der Frau ist ein guter; sie ist kräftig, ja fett,
bei gutem Appetit und hat unter dem Fieber der letzten Monate sehr
wenig gelitten. Sie geht jedoch seit ca. 2 Monaten nicht mehr aus.
hütet meist das Bett und ist von sehr starker nervöser Reizbarkeit.
Der Zustand aller üj^rigen Organe ist ein guter bis auf das systo-
lische (übrigens nur leichte) Geräusch an der Herzspitze. Zur Zeit
des starken Ikterus vor 3 Jahren hatte sie neben Pulsverlangsamung
eine Zeit lang einen aussetzenden Puls. Es blieb jeder 8. Herzschlag
aus. Doch verlor sich das später wieder völlig."
Vor der Aufnahme: Ikterus, keine Leberscliwellung, kein Gallen-
blasentumor.
Bei der Aufnahme: Ikterus, keine Leberschwellung, kein Gallen-
blasentumor.
Befund: Leichter, aber ausgesprochener Ikterus. Leichte Druck-
empfindlichkeit in der Magengrube und der Gegend der Gallenblase.
Keine Leberschwellung, kein Gallenblasentumor. Urin frei. Temp.
normal.
Diagnose: Grosser Stein im supraduodenalen Teil des Chole-
<Jochu8.
— 256 —
Operation: 19. 2. 04. Gute Sauerstoff- Chloroformnarkose.
Wellenschnitt. Lebernicht vergrössert. Oallenblase klein, geschrninpft,
kaum kirschengross, leer, mit Netz verwachsen. Lösung. Im erwei-
terten supraduodenalen Teil ein walzenförmiger Stein, 5 cm. lang, 2 cm.
dick. Excision. Es fliesst reichlich trübe, riechende Galle. Aus-
tupfen. Hepaticusdrainage. Galleublase bleibt nnberührt. 3 Tampons.
Dauer der Operation 50 Min. Bauchwand-Nabt.
Verlauf völlig normal.
25. 2. 04. Abführen. Stuhlgang etwas braun gefärbt.
1.3.04. Wechsel der oberen Verbandschichten. Verband riecht
etwas. Temp. abends 38,1. Galle fliesst sehr stark, täglich ca. 300— 4ü0ccm.
3. 3. 04. Entfernung der locker sitzenden Tampons und des
Rohres, mit welchem zugleich sämtliche langen Fäden abgehen. Ent-
fernung der fielen Bauchdeckennähte. Wundtrichter ist sehr tief,
reicht weit nach rechts herüber, sieht sehr gut aus. Choledochus-
incision nicht sichtbar, Tamponade.
6. 3. 04. Entfernung auch der oberflächlichen Bauohdeckennähte.
Verband täglich ziemlich stark durch.
24. 3. 04. Galle läuft nicht mehr.
2. 4. 04. Wunde vollkommen geschlossen. Bei vorzüglichem Be-
finden geheilt nach Hause entlassen.
Epicrise: Ein sehr typischer Fall von grossem Stein im
ductus clioledochus. Wir dachten noch an eine zugleich be-
stehende Gallenblasen-Duodenalflstel. Aber dann hätten die
Zeichen chronisciier Infektion vorgeherrscht. So erholte sich
Pat. zwischen den Anfällen immer wieder und machte auch bei
der Aufnahme in die Klinik einen guten Eindruck.
Nr. 126. L. P., 47j. Landwirtsfraa aus Dohndorf.
Aufgen.: 'l6. 4. 1901.
Operiert: 16. 4. 1901. Hepaticusdrainage. Ent-
fernung eines Polypen aus dem Choledochus.
Entlassen: 25. 5. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat 4 Kinder gehabt, von denen 3 leben. Seit
etwa 20 Jahren hat sie Schmerzanfälle gehabt, die für Magenkrämpfe
gehalten wurden. Die Schmerzen begannen in der Gallenblasengegend,
zogen rechts herum nach hinten und strahlten bis zur Schulter aus.
Die Anfälle kamen gewöhnlich im Sommer, 2— 3mal im Jahr, später
häufiger, meist bei der Feldarbeit, dauerten etwa V« Stunde. Jedesmal
war Erbrechen dabei, nie Fieber, nie Gelbsucht.
Im April 1900 hatte sie einen besonders heftigen Anfall. Die
Schmerzanfälle kamen 8 Tage lang fast ohne Pause, sie hatte starkes
Erbrechen und Fieberfrost. Danach Gelbsucht, die 14 Tage anhielt.
In der nächsten Zeit war sie frei von Anfällen, hatte aber dauernd
eine schmerzhafte Empfindung in der Gallenblasengegend, die sich
— 257 —
beim Drücken uad Rumpfbewegungen steigerte. Der Appetit war
anfangs gut, seit Dezember 1900 ist er schlechter geworden, Pat. ist
erheblich abgemagert. Der Stuhl ist sehr träge. Im letzten Winter
hat sie mehrere Monate lang Karlsbader Salz und Karlsbader Wasser
getrunken, aber ohne Erfolg.
Mitte März 1901 hatte sie den zweiten grösseren Anfall, der wieder
8 Tage anhielt und mit Erbrechen und Fieber einherging ; nach kleiner
Pause wiederholten sich die Schmerzen, seit 14 Tagen ist sie erst frei
davon. Die Gelbsucht trat beim Anfall auf und besteht seitdem in
unverminderter Stärke, Pat. hat sehr quälendes Hautjucken. Auf Rat
des Herrn Sanitätsrat Dr. Kah lei ss-Gröbzig kommt sie hierher, um
sich operieren zu lassen.
Befund: Stark ikterisohe Frau in massigem Ernährungszustand.
Herz und Lungen gesund. Puls und Temperatur normal. Urin enthält
reichlich Gallenfarbstoff, ist sonst normal. Starke Druckempfindlichkeit
der Magengrube, geringere der Gallenblasengegend. Man fühlt rechts
oberhalb des Nabels eine nach unten rundlich begrenzte, glatte, schmerz-
hafte Geschwulst. (Gallenblase resp. der über ihr ausgezogene Leber-
lappen,)
Diagnose: Choledochussteine.
Operation: 16. 4. in Beisein der Herren Dr. Madsen-Kopen-
hagen, Prof. Bloch-Kopenhagen, Prof. Lennander-Upsala. Wellen-
schnitt. Gallenblase sehr klein, kaum auffindbar, Leberpartie darüber
narbig verdickt. Lig. hep.-duod. liegt sehr oberflächlich, kanin 2 cuu
vom perit. pariet. entfernt. Im Choledochus Steine. Incision. Im
Hepaticns festsitzend ein haselnnssgrosser Stein und eine polypöse
Orannlation, die excidiert wird. Extraction. Auch im intraduod. Teil
des Choledochus Steine, die entfernt werden. Unterbindung einrr
stark blutenden Vene am Choledochus, Gallenblase bleibt unberührt.
Hepaticusdrainage nach Verkleinerung der Choledochusincision. Sämt-
liche Fäden werden lang gelassen. Tamponade. Naht. Dauer der
Operation '/4 Stunden. Essiglappen auf den Mund.
Verlauf: Abends 3?,0. Puls 80.
17. 4. 36,9. Puls 84. Kein Erbrechen. 37,1.
18. 4. 37,1. Puls 60. Blähungen in Gang. Fieberfrei.
21. 4. Abführen. Verlauf ungestört.
24. 4. Verband etwas durch. Wechsel. Pat. klagt viel über
Schmerzen im Leib. Deshalb wird beim Verbandwechsel das Rohr,
das vielleicht etwas zu tief im Hepaticus steckte, entfernt.
26. 4. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons, Fäden und
Nähte. Das Ligament liegt hier so oberflächlich, dass der Hepaticus
und Choledochus Ton der Wunde aus bequem zu übersehen sind. Von
der Öffnung im Choledochus ans gelangt man sowohl aufwärts in den
Hepaticus, als auch nach abwärts durch die Papille in das Duodenum.
Ausspülung. Verband.
3. 5. Verbandwechsel. Seitdem ist der Verband alle Tage durch.
Es gelingt noch leicht, mit einer Sonde in den Hepaticus und durch
Kehr, Technik der Gallensteinoperationeu. 17
— 258 —
den Choledochus und die Papille ins Duodenum zu gelangen. Starkes
Ekzem der Bauchhaut.
13. 5. Verband heute trocken.
14.— 17. 5. Wieder täglich Verbandwechsel.
21. 5. Verband trocken.
24. 5. Verbandwechsel. Wunde vollkommen geschlossen. Ekzem
geheilt.
25. 5. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die Steine lag-en sicher schon seit April 1900
im Choledochus; es trat aber nach den Anfällen immer wieder
Ruhe ein. Das Ug. hepato-daodenale lag so oberflächlicli,
dass nian es für eine Adliaesion zwischen Cysticus und
Duodenum hätte halten können. Man muss sich vorsehen,
dass man nicht einmal im blinden Eifer eine solche vermutliche
Adhaesion anschneidet. Mir wäre das einmal beinahe passiert.
Nr. 127. E. W., 51 j. Kanfmannsfrau aus Trachau bei Dresden.
Aufgen.: 2. 5. 1901.
Operiert: 6. 5. 1901. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 8. 7. 1901. Geheilt.*)
Anamnese: Mutter hat an „Magenkrämpfen" gelitten, einmal
Ikterus gehabt.
Fat. ist Mutter mehrerer gesunder Kinder; bis auf eine Pleuro-
pneumonie im Jahre 1879 war sie nicht wesentlich krank.
Im Juli 1883 hatte sie zum ersten Male einen Anfall von Gallen-
steinen. Sie hatte Schüttelfrost, sehr heftige Schmerzen, die in der
Gallenblasengegend began_.en und nach hinten strahlten, sowie Er-
brechen, nachher Ikterus. Urin dunkel, Stuhl entfärbt. Die Anfälle
kamen anfangs in grösseren Pausen, aber mit heftigeren Schmerzen,
die bis zu einigen Stunden anhielten. Vor ca. 10 Jahren hatte sie
einen sehr heftigen Anfall, allmählich nahm die Intensität der Anfälle
ab, doch wurde die danach auftretende Gelbsucht immer stärker un<1
bestand länger, vor 2 Jahren nach einem sehr heftigen Anfall einmal
4 Wochen lang. Starke Anfälle kamen nur etwa alle halben Jahre,
kleinere Schmerzanfälle ohne Erbrechen und Ikterus ütters nach Diät-
fehlern. Steine sind nie gefunden worden.
Vor ü Wochen heftiger Anfall, die danach aufgetretene Gelbsucht
besteht noch, ebenso ist das Fieber noch einige Zeit geblieben. Vor
14 Tagen wieder ein Anfall; am Abend, nachdem Pat. hier eingetroffen,
wieder einer. Letzterer unterscheidet sich von den früheren dadurch,
dass die Schmerzen nicht in der Gallenblasengegend, sondern in der
*) Pat. ist 1 Jahr post operat. unter den Zeichen septischer Cho-
langitis gestorben. Es ist wahrscheinlich, dass trotz der gründlichen
Operation und sorgsamen Nachbehandlung doch noch Steine im
Hepaticus zurückgeblieben sind.
— 259 —
Mittellinie ihren Ursprung nehmen, sonst verläuft er ebenso mit Er-
brechen, Schüttelfrost (SU**), am nächsten Morgen ist der Urin dunkel,
der Stuhl entfärbt.
Pat. war vor ca. 10 Jahren 2 Jahre hintereinander in Karlsbad,
verspürte jedoch keine Besserung. Vor 2 Jahren machte sie eine
Elektrisier- und Massagekur durch, nach welcher sie Erleichterung
gefühlt haben will.
Während sie sich früher' nach den Anfällen immer schnell wieder
«rholte, fühlt sie seit Bestehen der Gelbsucht ihre Kräfte abnehmen,
ist auch etwas abgemagert.
Die Herren Geheimrat Dr. Fiedler, Hofrat Dr. Rupprecht
und der Hausarzt Herr Dr. Zu mpe-Dresden rieten Pat. zur Operation.
Befund: Stark ikterische Frau in ziemlich gutem Ernährungs-
zustand. Herz und Lungen gesund. Puls und Temp. im Anfall fieber-
haft, am nächsten Tage normal. Urin enthält reichlich Gallenfarb-
stoff, kein Eiweiss oder Zucker.
Leib weich, eindrückbar, in der Gallenblasengegend etwas resistent,
Schmerzhaftigkeit der Gallenblase und noch mehr der Magengrube.
Diagnose: Stein im Choledochus. Cholangitis.
Verlauf: Am 2. 5. abends eine Kolik. Temp. steigt bis 39,7° C.
Schüttelfrost. Am 3,-5. 5. allmählicher Nachlass des Fiebers.
Operation: Am 6. 5. Ol. Wellenschnitt. Leber gross und hart.
Oallenblase erbsengross, enthält keine Steine. Verwachsungen mit
<iem Netz. Choledochus sehr erweitert, wie ein Hühnerei, enthält
2 walnussgrosse und ca. 200 kleine Steine. Der Choledochus ist so
erweitert, dass man ein Mastdarmspeculum einführen kann. Im Hepa-
ticus Schleim, gangränöse Schleimhautfetzen, übelriechende trübe Galle.
Ausräumung des Hepaticus. In dem einen Ast sitzt fest ein Concre-
nient, das nicht geloclcert werden kann. 2 stündige Operation. Die
Oholedochusincision 3 cm. lang, wird verkleinert. Hepaticusdrainage.
Tamponade, Naht. Grallenblase bleibt unberücksichtigt, da dieselbe
TÖllig Terödet ist. Essiglappen auf den Mund.
>
Verlauf: 6. 5. Abends 37,4.
7. 5. 39,2. Puls 144. Kein Erbrechen. Etwas Aufstossen. Puls
schnell und klein, Aussehen matt, Stimme aber kräftig, etwas heiser.
Leib weich, nicht schmerzhaft, Gallenfiuss reichlich 300 gr., Galle noch
übelriechend, Zunge massig feucht. 3 mal Kochsalzinfusion, stündlich
Kampher. Abends 39,8.
8. 5. 38,5. Puls 120. Nachts sind reichlich Blähungen gegangen,
der Leib ist weich. Der Gallenfiuss ist seit gestern Mittag sehr ge-
ring, 50 gr. Die Galle riecht noch übel. Kein Erbrechen, noch 2 mal
Kochsalz. Ikterus nimmt zu. Abends 37,3.
9. 5. 37,1. Puls 100. Kein Erbrechen, etwas Übelkeit und Auf-
stossen. Der Verband riecht. Galle fliesst fast gar nicht. Wechsel
der oberen Verbandschichton. Bei dem Versuch, das Rohr auszuspülen,
iliesst fast nichts wieder zurück. 37,0.
17*
- 260 ~
10. 5. 37,0. Puls 100. Verband trocken. Kein Gallenfluss, nacht»
wieder etwas Übelkeit. Gestern abend einmal reichlich Stuhlgang.
Derselbe ist braun gefärbt, so dass anzunehmen ist, dass die Galle am
Schlauche vorbei in den Darm fliesst. Das Rohr wird kurz abg(>-
schnitten. B7,l.
11. 5. 36,9. Pul8*104. Verband aussen trocken, riecht intensiv,
Ikterus hat zugenommen. Verbandwechsel.
13. 5. Wieder Wechsel. Die Tampons liegen noch,
14. 5. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons, der meisten
Fäden und der Nähte. Ausspülung des Hepaticus und des Choledochus.
Aus dem Hepaticus werden noch zahlreiche Steine, darunter ein über
haselnussgrosser (mit der Kornzange) durch SpUIung entleert. Nekrose
in dem Gebiet der Naht. Breite Ansstopfnng' des Wundtrichters, um den
Zugang zu erhalten, da noch immer Steine im Hepaticus stecken^
Dauer des Verband- Wechsels ^/4 Stunden.
15. 5. Wechsel der oberen Verbandschichten.
16. 5. Verband-Wechsel. Es werden wieder teils mit der Korn-
zange, teils durch Ausspülung gegen 20 Steine aus dem Hepaticum
entleert, darunter 2 haselnnssgrosse.
17. 5. Verband-Wechsel. Ein erbsengrosser Stein wird heraus-
gespült, sonst ist der Hepaticus frei.
21. 5. Täglich Verband-Wechsel und Ausspülung. Steine sind
nicht mehr herausgespült worden.
22. 5. Es werden wieder einige kleine Bröckel herausgespült.
23.-27. 5. Täglich Verbandwechsel. Ausspülung, Tamponade.
27. 5. Beim Ausspülen entleeren sich einige kleine Bröckel.
28. 5. bis 4. 6. Abwechselnd Wechsel der oberen Verbandschich-
ten und des ganzen Verbandes.
5. 6. Verband trocken. 6. 6. ebenso. Wechsel.
7. 6. Verband durch, wieder täglich Verband -Wechsel.
Vom 10.— 12. 6. ist der Verband trocken, dann muss wieder täg-
lich verbimden werden. Galle klar. Der Spülkatheter lässt sich noch
in beide Gänge einführen (15. 6.), auch gelingt es, den Katheter bis^
ins Duodenum vorzuschieben. Das Spülwasser fliesst klar ab.
19. 6. Verband heute trocken.
21. 6. Verband -Wechsel, Entfernung der Tamponade. Während
der beiden nächsten Tage fliesst wieder viel Galle. Deshalb 24. 6.
Tamponade der Fistel mit feinem Gazestreifen. Mit dem Spülkatheter
kommt man noch in den Choledochus und Hepaticus.
28. 6. Verband seit 4 Tagen trocken. Beim Herausziehen der
Tampons stürzt Galle heraus. Ausspülung, neue Tamponade der Fistel.
2. 7. Verband-Wechsel. Bei Entfernung der Tampons fliesst
wieder reichlich Galle, aber weniger als beim vorigen Male.
3. 7. Nach einer körperlichen Bewegung fliesst plötzlich wieder
Galle. Verband durch.
4. 7. Wechsel. 5.-6. 7. Verband trocken.
7. 7. Beim Herausziehen der Tampons stürzt wieder Galle vor.
Verband -Wechsel, Ausspülung des Choledochus und Hepaticus.
— 261 —
8. 7. Pat. drängt nach Hause und wird deshalb entlassen. Die
Fistel ist noch offen, es läuft viel Galle, voraussichtlich werden
noch 8 — 14 Tage vergehen, ehe die Wunde ganz geschlossen ist.
Nach der Entlassung bestand der Gallenfluss mit kurzen Unter-
brechungen fort bis zum 1. August, Vom 1.— 11. 8. kein Gallenfluss,
■die Wunde heilte auch oberflächlich zu, da brach am 11. 8. die Fistel
wieder auf und es entleerte sich viel Galle. Da dies anhielt, suchte
Pat. am 16. 8. die Klinik wieder auf.
16. 8. Die Sonde fühlt keinen Stein. Ausspülung ergibt nichts.
17. 8. Ebenso. Es wird ein dicker Laminariastift eingelegt.
18. 8. Ausspülnng entleert neben mehreren Bröckeln 2 über
«rbsengrosse Steine. Ausspülung des Hepaticus und Choledochus;
der Weg zum Darm ist frei, der Spülkatheter dringt bis in diesen
ein. Tamponade. Verband.
19. 8. Verband trocken. Ausspülung entleert nichts.
20. 8. Verband trocken, Stuhl morgens leicht bräunlich, abends
dunkelbraun. Ausspülung entleert nichts. Steht auf.
21. 8. Verband ti ecken.
22. 8. Ebenso. Verbandwechsel. Ausspülung.
24. 8. Entlassen. Voraussichtlich sind die Gallenwege jetzt frei.
Am 13. 9. schreibt die Patientin, dass seit dem 5. 9. die Wunde
mit einem Schorf bedeckt ist, und der Gallenfluss aufgehört hat. Pat.
hat seit der Entlassung 10 Pfund an Körpergewicht zugenommen und
befindet sich äusserst wohl.
Epicrise: Einer der bemerkenswertesten Fälle von allen
Hepaticusdrainagen.
1. Hepaticus und Choledochus waren mit Steinen voll-
gepfropft, so dass es selbst nach 2 stündiger Arbeit nicht ge-
lang, alle Steine zu entfernen. Für solche Fälle kommt nur
die Hepaticusdrainage in Betracht.
2. Selbst nach 8^/2 Monaten war es noch möglich, von der
äusseren Fistel aus sowohl Hepaticus wie Choledochus zu son-
dieren und Steine zu entfernen.
3. Das verdanken wir einer ausgiebigen Drainage des
Hepaticus und einer breiten Tamponade. Die Tamponade muss
nach der Hepaticusdrainage derartig umfangreich sein, dass
man noch wochenlang die Gänge kontrollieren kann.
4. Heilt die äussere Fistel zu schnell zu und machen sich
wieder Passagestörungen in den Gallengängen geltend, so kann
man leicht mit Laminariastiften eine Erweiterung der äusseren
Fistel erreichen und dann durch Sondieren und Spülen zurück-
gebliebene Steintrümmer entfernen.
— 2Q2 —
5. Für die chronische recidiyierende Form der Cholelithiasis
halte ich wie bisher die mit der Hepaticusdrainage kombinierte
Ectomie für das beste Verfahren. Doch erhalte ich auch in
gewissen Fällen die Gallenblase und führe die Hepaticusdrainage
bei gleichzeitiger Cystostoniie aus.
e) Hepaticusdrainage mit Resection der Gallenblase.
Nr. 128. H. H., 53 j. Gutüpächter aus Kl. Eicklingen.
Aufgen. : 10. 6. 1903.
Operiert: 13. 6. 1903. Resektion der Gallenblase.
Hepaticusdrainage.
Entlassen: 25. 7. 1903. Geheilt.
Anamnese: Die ersten Koliken 1884. Pat. war dann einige
Jahre frei von Anfällen, später stellten sich dieselben jedoch ab und
zu wieder ein. Die Koliken waren stets gleichartig, keine Gelbsucht^
kein Fieber, kein Erbrechen.
1899 eine Kolik, danach Ruhe bis Februar 1903.
Am 18. Februar 1903 plötzlicher heftiger Kolikanfall von einigen
Stunden Dauer, danach Gelbsucht. Stuhl grau, Urin dunkel. Vierzehn
Tage später ohne jegliche Schmerzen plötzlich Schüttelfrost, gefolgt
von hohem Fieber. Dieser Schüttelfrost wiederholte sich die vier nächsten
Tage. Es gingen meist jetzt Schmerzen in der Lebergegend vorher,
nachher stellte sich stets hohes Fieber ein. In den folgenden 6 Wochen
wiederholt Schüttelfröste. Gelbsucht Hess etwas nach. Verdacht auf
Malaria bezw. Wechselfieber.
Anfang Mai wurde Pat. zur Erholung nach Hannover geschickt,
hier wieder am 7., 16., 24., 28. Mai und 2., 4. und 5. Juni ziemlich
heftige Koliken mit Schüttelfrost und nachfolgendem Fieber. Am
6. Juni Rückreise nach Celle, wiederum Schüttelfrost, zuletzt heute
auf der Reise leichterer Kolikanfall ohne Schüttelfrost.
Pat. wurde mit heissen Umschlägen, Karlsbader Wasser, Chinin,
Aspirin u. s. w., sowie früher in den Anfällen mit 20 gtt. Tinct. Opii
behandelt, hat auch 8 Tage lang Chologen-Tabletten (Glaser) genommen.
Herr Dr. Lind enberg-Celle sendet uns den Pat. zu.
10. 6. 03. Temp. abends 38,3.
11.6.03. Temp. morgens 37,1, abends 38,3. Nachmittags leichter,
einige Stunden andauernder Kolikanfall, kein Schüttelfrost.
12. 6. 03. Temp. morgens 37,2, abends 38,6. Den Tag über dau-
erndes Unbehagen in der Lebergegend.
Befund: Elend aussehender Mann. Leber etwas vergrössert.
Gallenblasengegend sehr resistent und äusserst druckempfindlich.
Urin frei.
Diagnose: Empyem der Gallenblase und wahrscheinlich Stein
im Choledochus.
— 263 —
Operation: 13. 6. 03 in Gegenwart des Herrn Dr. Unger-
Leipzig. Gute SauerstofiF-Chlorotbrmnarkose l'/* St. 60 gr. Wellen-
schnitt. Gallenblase klein, mit Hals verwachsen. Leber voluminös.
Bei der Lösung der Verwachsungen fliesst Eiter in den untergeschobenen
Tampon. Gallenblase sandnhrförinig, Fiindns euthält Eiter und kleine
Steine, Hals trübe Galle. Reselitiou des Fnndas der Gallenblase. Spal-
tung des Halses bis Cysticus und Choledochus. Pankreas sehr hart.
Xach langem Suchen fühlt man einen Stein im Choledochus, der mit
einem Schnapp wieder verschwindet. Wird wieder gefunden und nach
Choledochotomie entfernt. Hepaticusdrainage. Der Hals der Gallen-
blase bleibt stehen, da wegen der enormen Tiefe eine Ligalur der
Cysticusgefässe sehr schwer sein würde. Sehr reichliche Tamponade.
Naht. Dauer der ganzen Operation ^j* Stunden.
Verlauf: 18. 6. 03. Temp. abends 37,3.
14. 6. 08. Temp. morgens 37,6, abends 38,0. Puls 120—130, sehr
klein. Abends dreimal Kochsalzinfnsionen, zweimal Magenspülung,
im Magien sehr viel schwarzes Blut. Galle läuft. Blähungen gehen,
Pat. ist sehr matt. Etwas Aufstossen, kein Erbrechen. Galle 300 ccm.
15. 6. 03. Temp. morgens 87,7, abends 37,9. Puls morgens 120,
abends 112, etwas Galle. Pat. sieht besser aus, ist nicht mehr so matt.
Noch etwas Aufstossen. Magenspülung. Im Magen kein Blut mehr.
Kein Erbrechen.
16. 6. 08. Temp. morgens 37,5, abends 37,7. Puls 92-100, ziemlich
kräftig. Befinden gut. Pat. sieht frischer aus. Kein Aufstossen, kein
Erbrechen. Galle 200 ccm.
26. 6. 03. Verbaudwechsel. Entfernung des Rohres, sämtlicher
Tampons, die stark mit Sekret durchtränkt sind, sehr übel riechen,
und locker sitzen, sowie sämtlicher Nahte und langen F'äden. Wund-
trichter ist sehr tief. Tamponade. Verband.
28. 6. 03. Verband täglich stark mit Galle durchtränkt. Täg-
licher Verbandwechsel. Ausspülung des äusserst tiefen Wundtrichters.
Dabei entleert sich reichlich sehr trübe, stinkende Galle. Tamponade.
Puls dauernd etwas klein. Tinct. Digital, Tinct. Strophant. aa.
4. 7.03- Täglich 'Verband durch, doch läuft die Galle bereits
etwas weniger. Choledochusincision wegen der sehr grossen Tiefe
des Wundtrichters, zumal Pat. bei der geringsten Berührung sehr emp-
pfindlich ist, nicht sichtbar. Täglich Ausspülung. Galle noch immer
etwas trüb, riecht jedoch nur noch wenig.
Pat. sieht wohler aus. Puls kräftiger. Appetit besser.
5. 7. 03. Statt der Tamponade Drainage des Wundtrichters durch
2 Rohre. Galle ziemlich klar, ab und zu mit Schleimfetzen vermischt.
7. 7. 03. Pat. steht auf.
8. 7. 03. Drainrohre im Wundtrichter bleiben fort, Tamponade.
11. 7. 03. Verband täglich nur noch wenig durch. Stuhl etwas
gefärbt.
16. 7. 03. Keine Tamponade des Wundtrichters, der sehr eng
wird, mehr. Verband täglich nur wenig durch.
— 264 —
21. 7. 03. Vorband heute trocken.
22. 7. 03. Es läuft keine Galle mehr.
25. 7. 03. Pat. wird mit kleiner, gut granulierender Wunde nach
Hause entlassen. Das Allgemeinbelinden hat sieh sehr gehoben,
Appetit gut.
Epicrise: Mir war von vorneherein klar, dass der Eiter
in der Gallenblase das schwere Bild nicht erklären konnte.
Da das Pankreas hart war, konnte der Ikterus durch Schwel-
lung dieser Drüse erklärt werden. Erst nach langem Suchen
fand ich den beinahe übersehenen Stein. Nur Hepaticusdrainage
und sehr ausgiebige Tamponade kommt in solchen Fällen in
Betracht. Was man durch eine aufmerksame Nachbehandlung
erreichen kann, beweist dieser Fall.
f) Hepaticusdrainage unter gleichzeitiger Vornahme operativer
Eingriffe an Magen, Darm, Appendix etc.
Nr. 129. Frau v. 0., 71j. Laridratsfrau ans Wernigerode.
Aufgen.: 28. 2. 1901.
Operiert: 2. 3. 1901. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Versorgung einer Cysticus-Pylorusfistel.
Entlassen: 6. 4. 1901. Geheilt.
Anamnese: Pat. war immer zart, aber meist gesund. Sie hat
mehrmals Rippenfellentzündung gehabt. Ihr Stuhlgang war immer
etwas träge.
Seit 8—10 Jahren leidet sie an „Magenkrämpfen", zusammen-
schnürenden Schmerzen in der Magengrube und rechts davon, sowie
im Rücken, die in Pausen von mehreren Monaten bis zu 1 Jahr auf-
traten, etwa 1 Stunde anhielten, meist mit Erbrechen endeten. Gelb-
sucht ist nie beobachtet worden. Vor 4—5 .Jahren hat sie mehrmals
Karlsbader Mühlbrunneu getrunken und danach Erleichterung gefühlt,
ihre Leber soll damals geschwollen gewesen sein.
Im Sommer 1900 kamen die Anfälle häufiger, bis zu mehreren im
Monat, von Oktober bis Dezember war sie frei davon, seit Januar
haben sie wieder begonnen und kommen jetzt mehrmals täglich, sie
sind von verschiedener Intensität und Dauer bis zu 2 Stunden. Sie enden
mit PCrbrechen. Bisweilen wurde leichte Gelbsucht danach beobachtet,
doch war der Stuhl gefärbt, der Urin nornal, kein Hautjucken. Auch
leichte Temperatursteigerungen kamen dabei vor. Frau v. 0. hat als
Narcoticum Opium angewandt, nie Morphium. Herr Dr. Holfeld er-
Wernigerode riet ihr, hierher zu kommen.
Befund: Kleine, alte, gebrechliche Dame. Leber überragt den
Rippenbogen, in der Gallenblasengegend ist uudeutlich ein schmerz-
hafter Tumor zu fühlen. Kein Ikterus. Herz und Lungen gesund.
Urin frei.
— 265 —
Diagnose: Chron. Cholecystitis mit akuten Schüben.
Operation: 2. 3. 1901. Wellenschnitt. Rechter Leberlappen
gross. Gallenblase klein, ihr Fundus in eine Cyste umgewandelt.
Cysticos-Pylornsftstel. Trennung. Daruiiitiht. Im Choledochus ein
bohnengrosser Stein. Hepaticusdrainage nach Ectomie. In der Gallen-
blase 3—4 weiche Steinchen. Gallenblase zeigt Sanduhrform, zwischen
Fundusabschnitt, der in eine Cyste umgewandelt ist, und Cysticusab-
schnitt ist die Gallenblase obliteriert, darüber Pylorusfistel. In die
Serosa der Gallenblase eingebettet ein Steinchen. Galle im Hepaticus
trübe. Dauer der Operation 1 Stunde. Essiglappen auf den Mund.
Verlauf: 2. 3." abends. 36,9. Puls 104.
3. 3. 38,0. Puls 124. Erbrechen einmal nachts, etwas Blut im
Erbrochenen. 3 mal Kochsalz, 3 stdl. Kampher. Galle 200 gr. 37,6.
4. 3. 37,5. Puls 112. Blähungen im Gang, kein Erbrechen mehr.
Galle 150 gr. 37,4.
5. 3. 36,7. Puls 92. SchwächegefUhl, sonst gutes Befinden. Galle
100 gr. 36,8.
e. 3. 36,7. Puls 92. Galle 125 gr. 37.0.
7. 3. 37,0. Puls 88. Abführen. Galle 150 gr.
8. 3. Stuhlgang erst nach Eingiessung. Fieberfreier Verlaut.
14. 3. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons, der Nähte
der meisten langgelassenen Fäden.
15. 3. Jetzt täglich Verbandwechsel.
28. 3. Steht auf. Verband seit 2 Tagen trocken.
3. 4. Verband dauernd trocken.
6. 4. Geheilt.
Epicrise: Der Stein im Choledochus war klein, dieser
weit, so dass nur leichter Ikterus auftrat. Zudem funktionierte
die Cysticus-Pylorusflstel, so dass die Diagnose auf Choledochus-
stein unmöglich war. Patientin wurde immer elender, weil die
Infektion der Gallengänge durch die Fistel unterhalten wurde.
Nr. 130. 0. Cr.. 22j. Lehrersfrau aus Gross-Ottersleben.
Aufjren.: 4. 1. 1900.
Operiert : 6. 1. 1900. Ectomie. Pyloroplastik. Hepaticus-
drainage
Entl. : 13. 2. 1900. Geheilt.
Anamnese: Vater an Gelenkrheumatismus f. Mutter lebt, leidet
öfter an Magenkrämpfen und Erbrechen.
Pat. hat 1897 im November 5 Tage nach der 1. Entbindung einen
Anfall von krampfartigen Schmerzen in der Magengegend gehabt,
welcher sich im November 1898 nach der 2. Entbindung wiederholte.
Seit Mai 1899 sind häufiger Schmerzen in der Magengegend aufge-
treten, jedesmal ohne Erbrechen. Erst in den letzten Monaton traten
4 richtige Gallensteinkoliken mit Erbrechen auf. Ikterus hat nie be-
— 266 -
standen, auch ist nie das Abgehen eines Steins beobachtet worden^
obwohl Pat. seit 1898 darauf aufmerksam gemacht ist.
Befund: Druckempfindlichkeit und Resistenz in der Gallen-
blasengegend, plätscherndes Geräusch im Magen. Urin frei von patholog.
Bestandteilen.
Diagnose: Steine in der Gallenblase, Magenerweiterung, Peri-
pyloritis.
Operation: 6. 1. 00. Längsschnitt in der rechten Bauchseite.
Gallonblase mittelgross, enthält Hunderte von schrotkorngrossen Steinen.
Ebensolche liegen zahlreich im Cysticus. Cystectomie. Spaltung de&
Choledochus ergiebt keine weiteren Steine. Hepaticusdrainage. Pylorus
sehr eng, Perypyloritis, Pyloroplastik. Tamponade. Naht der Bauch-
wunde mit Durchstichknopfnähten.
Verlauf: 7. 1. 37,2. Puls lOü. 37,5. Gallenfluss 250 gr.
Klagt über Magenschmerzen, etwas Erbrechen.
8. 1. 37,1. Puls 120, klein, kaum fühlbar. Kochsalzinfusion.
Magenschmerzen und Übelkeit bestehen noch. Magenausspülung er-
giebt keinen nennenswerten Inhalt. Gallenfluss 100 gr. Blähungen
spontan, Leib weich.
Mittags Puls 136, Temp. 37,5. Kochsalzinfusion.
Abends Puls 134, Temp. 37,9. Kocbsalzinfusion.
9. 1. Während des Schlafes Puls 112.
26. 1. Stehtauf.
13. 2. Geheilt entlassen.
Epicrise: Worauf die Pulsbeschleunigung am 8. und 9. 1.
— 3 Tage nach der Operation — beruhte, lässt sich schwer
sagen. Peritonitische Erscheinungen waren nicht vorhanden ;
wir dachten an arterio-mesent. Diiodenalverschluss, aber
der Magen war leer. Patientin war eine schwache, elende
Person, so dass wohl lediglich Herzschwäche vorlag. Die
Kochsalzinfusionen erwiesen sich hier sehr nützlich.
Nr. 131. E. Seh., 49j. Baumeister aus Meissen.
Aufgen.: 19. 1. 1904.
Operiert: 22. 1. 1904. Hepaticusdrainage. Ectoniie.
Cysticotomie. Appendicectoinie.
Entlassen: 22. 3. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat 5 gesunde Kinder.
Mit 20 Jahren schwere Blinddarmentzündung, Pat. war mehrere
Monate bettlägerig. Seitdem jedes Jahr einmal Schmerzen in der
Blinddarmgegend, die nach Umschlägen u. s. w. verschwanden; Pat.
war dabei nicht bettlägerig. Vor 4 — 5 Jahren noch ein Anfall von
Blinddarmentzündung.
Pat. musste damals viel auf hohe Gerüste steigen und führt da-
rauf den vor 4 Jahren plötzlich auftretenden Kolikanfall zurück. Pat.
— 267 —
bekam plötzlich krampfartige Schmerzen in der Magengrube, die nach
oben in die Brust und rechts in die Lebergegend bis in den Rücken
hin ausstrahlten. Kein Erbrechen, kein Fieber. Der Anfall wird für
Gallensteinkolik erkannt, Morphium subkutan gegeben. Später Kur
in Karlsbad.
Seitdem hat Fat. sehr häufig, zeitweise fa>t täglich, Schmerzen
in der Gegend der Magengrube. Schwerere Anfälle traten jährlich
etwa 1 mal auf, Fat. war dann 14 Tage bettlägerig.
Im letzten Jahre 5 leichtere Anfälle, jedesmal wie wohl auch
früher, mit Anschwellung in der Lebergegend. In den Zwischenzeiten
fast täglich Anfälle von Schmerzen und Druckgefühl in der Magen-
grube, nach rechts bis in den Rücken ausstrahlend.
Vorletzter Anfall vor 8 Wochen nach einer Erkältung. Danach
3 Tage ausgesprochene Gelbsucht. Stuhl tonfarben, Urin sehr dunkel.
Fat. war wieder 14 Tage bettlägerig. Kurz darauf Gichtanfall mit
Anschwellungen in beiden Fussgelenken und später in den grossen
Zehen.
Weihnachten letzter, ganz leichter Anfall, Fab. war nicht bett-
lägerig.
"Vor 8 Tagen Röntgenaufnahme ohne Ergebnis. Danach wieder
Schmerzen in der Magengrube und stärkere Anschwellung in der
Gallenblasengegend. Fat. ist durch seine Schmerzen direkt arbeits-
unfähig. Appetit ist leidlich. Leichte Abmagerung im letzten Jahre
(beim vorletzten Anfall 9 Ffund, seitdem wieder etwas Zunahme).
Stuhl ist regelmässig. Steine wurden darin nicht gefunden, vor
10 Wochen einmal mehrere Krümel. In letzter Zeit häufig nach dem
Essen Magendruck und Schmerzen. Fat. hat 3 mal eine Kur in Karls-
bad durchgemacht, im vorigen Monat eine Ölkur. In den Anfällen
Morphium subkutan.
Die Herren Sanitätsrat Kröner und Dr. M4il ler-Grothian
(Meissen), sowie Dr. Berger-Dresden, senden uns den Fat. zu.
Vor der Aufnahme: Einmal Ikterus, keine Leberschwellung,
Gallenblasentumor (?).
Bei der Aufnahme : TCein Ikterus, keine Leberschwellung, kein
Gallenblasentumor.
Befund: Man fühlt in der Gegend der Gallenblase eine schmerz-
hafte Resistenz, ohne sicher einen Tumor nachweisen zu können.
Urin frei.
Diagnose: Chronische recid. Cholecystitis.
Operation: 22. 1. 04. Massige Sauerstoff- Chloroformnarkose
65 gr. Wellenschnitt. Starker Fanniculus adiposus. Leber massig,
überragt aber nicht den Rippenbogen. Gallenblase liegt sehr hoch,
mit Netz verwachsen, kaum zugänglich. Cysticus wird frei gemacht.
Aspiration von etwas Eiter aus der Gallenblase. Excision der stark
wandverdickten, geschrumpften, mit vielen kleinen Steinen erfüllten
Gallenblase. Im Cysticus festsitzend ein Stein. Gallenblasenschleim-
haut stark ulceriert, teilweise haben sich die Steine ordentlich in die
— 268
Fig. 12.
Gallenblase hineingefressen. Sehr mühsame Ectomie. Ans dem ('hole-
dochiis fliesst trübe, dicke Galle ab, deshalb Cysticotomie und Choledocho-
tomie bis fast ans Vnodennm. Choledoctins wandverdickt, aber an-
scheinend frei Ton Steinen. Hepatiens sehr eng, nur Nclaton-Katheter
eiuführbar. Da der Choledochiis sehr eng ist, klafft die Choledochns-
incision Toni Hepaticas bis Dnodenuni sehr stark. Von einer Naht
Ti'ird abgesehen, da
leicht eine zn starke
Verengerung zn Stande
kommen würde. Tam-
ponade des stark bluten-
den Leberbetts (bei der
Exoision war ein Stück
der morschen Leber
mitgenommen worden).
Appendix verwachsen,
enthält Kotsteiue, ist
chroniscli entzündet.
(Appendicitis chrou.
Simplex.) Appendicec-
Aufgesohnit- ^ . „ , j i j.
tener, nicht gp- tomie. Bauch wandnaht.
"^^do'chSs^"^''' D«"©"* d^»" Operation
r/2 Stunden.
Die excidierte Gallen-
blase ergiebt folgenden
Befund (path. Institut
Marburg):
In den mikr. Bildern findet man nur hier und da noch erhaltene
Schleimhaut. Die Falten sind verstrichen, das Epithel ganz niedrig
kubisch. Auffallend ist die grosse Zahl kleiner drüsenförmiger Ein-
stülpungen, welche überall als Querschnitte innerhalb der Muskulatur
auftauchen. Das Schleimhautbindegewebe ist zelUg infiltriert. Die
Muskulatur und das elastische Fasernetz stattlich entwickelt. An den
übrigen Stellen, wo die Schleimhaut fehlt, bestehen richtige Geschwüre,
welche die ganze Muskulatur durchbrechen bis. in die Subserosa
reichend. Es sind mehr geschwürige Ausbuchtungen, deren Wan-
dungen aus einem äusserst zellreichen Granulationsgewebe bestehen.
Die Zellen derselben sind in ausgedehntestem Masse mit Fett erfüllt.
Oft finden sich knötchenförmige Anordnungen des Granulationsgewebes,
im Zentrum eine oder mehrere Riesenzelleu enthaltend, die sich als
Fremdkörperriesenzollen um kleinste Gallenpigmentkrümel erweisen.
Verlauf: 22. 1. 04. Temp. Ab. 37,4. Puls 96, ziemlich kräftig.
Galle läuft. Etwas Husten und Auswurf.
23. 1. 04. Temp. morgens 38,0, abends 38,4». Puls mittags 108,
abends 116—120. Nachmittags viel Aufstossen, dreimal Erbrechen von
etwas Tee und Galle. Wenig Husten und Auswurf.
24. 1. 04. Temp. morgens 38,0, abends 38,2 Puls 108-104 Husten
und Auswurf sehr gering. Noch etwas Aufstossen, kein Erbrechen.
— 269 —
Blähuni^n gehen. Galle läuft ziemlich reichlich, ist trübe, mit Eiter
gemischt.
25. 1. 04. Temp. morgens 37,9, abends 38,0. Puls 104- 108, etwas
weich und klein. Kaum noch Husten. Galle reichlich, trübe. Koch-
salzeinläufe. Tinct. strophant. >\ mal tägl. 10 gtt.
26. 1. 04. Puls kräftig. Befinden gut.
27. 1. 04. Führt ab.
30. 1. 04. Verbandwechsel. Wunde sieht gut aus. Lockerung
der Tampons. Beim Husten entleert sich neben den Tampons reich-
lich trübe, etwas übelriechende Galle. Temp. morgens 37,8 abends 38,4.
31. 1. 04. Temp. morgens 38,0, abends 38,8. Entfernung sämt-
licher Tampons. Rohr bleibt liegen. Wundtrichter sehr tief, erstreckt
sich weit nach oben unter den Rippenbogen, sieht sehr gut aus.
.1. 2. 04. Temp. morgens 37,8, abends 38,0.
2. 2. 04. Temp. morgens 37,7, abends 38,4. Täglich Verband-
wechsel. Entfernung des Rohres. Ein kleiner kantiger Stein wird
herausgespült. Es fliesst reichlich trübe, übelriechende Galle. Ent-
fernung sämtlicher Nähte.
3. 2. 04. Hente wiederum ein kleiner und ein grösserer, über
erbsengrosser Stein herausgespUlt. Leichte Bauchdeekeneiterung im
unteren Teile der genähten Wunde. 2 Drainrohre in den etwas
engen Wuudtrichter.
4. 2. 04. Statt der Drainrohre wieder Gazestreifen in den Wund-
trichter.
9. 2. 04. Verband noch immer stark durch. Sehr trübe Galle
fliesst noch reichlich. An dem' unteren Wundteile noch immer etwas
Bauchdeekeneiterung, einzelne nekrotische (Fascien-) Fetzen stossen
sich noch ab. Keine Drainage mehr. Tamponade. Appetit noch
dauernd schlecht, Pat. fühlt sich noch sehr matt. Steht heute etwas auf.
11. 2. 04. Beim Spülen wird heute wieder ein etwa bohncu-
grosser, imregelmässig geformter Stein heraiisgespüU. Galle noch
sehr trübe. Stuhl braun.
16. 2. 04. Galle jetzt klarer, doch noch mit viel Schleimfetzen
vermischt. Gallenfluss erhdblich geringer. Stuhl dauernd gut gefärbt.
Appetit noch schlecht. Nur leichte Tamponade des Wundtrichters.
20. 2. 04. Ein über erbsengrosser, nnregelmässig geformter Stein
wird heraiisgespült.
26. 2. 04. Gallenfluss lässt nach , Galle noch mit Schleim ver-
mischt. Appetit erheblich besser, Pat. fühlt sich frischer. Wund-
trichter sehr eng.
2. 3. 04. Verband heute zum ersten Mal trocken. Nachmittags
plötzlich Schüttelfrost, heftige kolikartige Schmerzen in der Ober-
bauchgegend, besonders der Magengrube, nach dem Kreuz hin aus-
strahlend, nachdem schon einige Tage vorher leichte, undeutliche
Schmerzen im Rücken geklagt waren. Morphium subkutan, danach
Besserung. Gegen Abend nochmals Anfall von Kolikschmerzen. Temp.
abends 38,7. Puls 120.
— 270 —
3. 3. 04. Temp. morgens 38,0. Puls 88. Verband ziemlkh stark
durch. Wieder leichte Rückensohmerzen.
3. 3. 04. Nachmittags wieder ein Schüttelfrost und dauernde
Rückenschmerzen. Temp. abends 39,3.
4. 3. 04. Temp. morgens 37,8, abends 37,9. Leichte Rücken-
schmerzen noch, sonst Befinden erheblich besser. Sehr reichlich
brauner Stuhl. Verband stark durch. Bei der Ausspülung des Wund-
trichters entleert sich viel dicker Schleim.
7. 3. 04. Fat. steht wieder auf. Keine Rückenschmerzen mehr.
Temperatur normal. 2 maliger Stöpselversuch. Galle fliesst gänzlich
in den Darm ab. Stuhl braun. Keine Schmerzen nach dem Stöpseln.
Keine Tamponade des Wundtrichters mehr.
22. 3. 04. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die Operation war technisch sehr schwierig,
da die Gallenblase sehr hoch lag. Es bestand neben Chole-
cystitis auch Cholangitis, denn die Galle floss aus dem Cysticus
sehr trübe ab. — Nach früheren Erfahrungen musste der ca. 2 cm.
lang aufgeschnittene Choledochus gut zuheilen, obwohl von
einem röhrenförmigen Gebilde keine Rede mehr war, sondern die
ganze Choledochusschleimhaut flächenhaft dalag. Wie der Ver-
lauf zeigte, litt Fat. noch an Lebersteinen, und deshalb war
6S sehr zweckmässig, dass die Choledochusincision nicht genäht
war. So konnte ein Austritt der Steine nach aussen hin leicht
stattfinden. Fat. ist natürlich vor einem Recidiv nicht völlig
geschützt.
Nr. 132. L. E., 52j. Kaufmannsfrau aus Czernowitz (Buko-
wina) .
Aufgen.: 8. 3. 1900-
Operiert: 10. 3. 1900. Ectomie. Lösung von Adhä-
sionen. Versorgung einer Gallenblasen-Pylorusfistel.
Hepaticusdrainage.
Entlassen: 27. 4. 1900. Geheilt.
Die Anamnese stammt von Herrn Dr. Anhauch, Schwiegersohn
der Fat., und lautet folgendermassen :
„Der Vater der Kronken erlag einem Schlaganfalle in seinem
70. Lebensjahre. Die Mutter starb nach achttägiger Krankheit aus
unbekannter Ursache, sie soll nie vorher krank gewesen sein und acht
Tage vor ihrem Tode an absoluter Stuhlverhaltung, Koterbrechen und
■starker Gelbsncht gelitten haben. — In der Familie sollen Gallensteine
nicht vorgekommen sein.
Die 52jährige Kranke hatte vor 28 Jahren nach einer Entbindung
i\n „Magenkrämpfen" gelitten, welche sich damals — durch ein Jahr
— 271 —
fast — häufig wiederholten, dann aber nicht wiederkehrten. Vor
-ca. 6 Jahren litt die Kranke an „rheumatischen" Schmerzen in beiden
Kniegelenken, die nach einer Kur in Trenczin-Teplitz schwanden.
Yor ca. 4 Jahren litt die Kranke wieder an Kolikschmerzen mit nach-
folgendem, fast 6 Wochen anhaltendem Fieber, welcher Zustand von den
Ärzten bald als Typhus, bald als Geschwürsbildung im Magen ge-
deutet wurde.
In den folgenden drei Jahren fühlte sich die Kranke vollkommen
gesund. Im März 1899 erkrankte sie unter den Erscheinungen eines
Magenkatarrhs. Sie klagte über anhaltende Appetitlosigkeit, gestei-
gertes Durstgefühl und starkes fauliges Aufstossen. Fieber und
Schmerzempfindungen oder Druckgefühl waren nicht vorhanden. Die
Zunge war stets dick gelblich belegt. In der Magengegend bis zur
Nabelhühle fast immer Plätschern, sonst nichts Abnormes nachweisbar.
Dieser Zustand hielt ununterbrochen fast 6 Wochen an und ging auf
Karlsbader Wasser zurück.
Im Mai 1899 bekam die Kranke einen starken Kolikanfall ohne
l'ieber und ohne Ikterus, welchem nach wenigen Wochen ein anderer
folgte. Hierauf kamea abwechselnd bald Schmerzanfälle mit Schüttel-
frost und Fieber, bald wieder ein- bis zweitägiges Fieber (38—38,8")
ohne Schmerzen. — Im Juli 1899 trat zum ersten Male nach einem
fieberfrei verlaufenden Kolikanfalle geringe subikterische Verfärbung
der Skleren ein. Inzwischen war das Körpergewicht von 72 kg auf
^0 kg gefallen. Während dieser Zeit war die Leber etwas vergrössert
und die Gallenblase undeutlich palpabel. — Ende Juli ging die Kranke
nach Karlsbad, wo sie sich sehr wohl fühlte und erholte und während
ihres vierwöchentlichen Aufenthaltes .3 kg zunahm. Nach Karlsbad
hatte die Kranke fast 2 Monate Ruhe, während welcher Zeit weder
Leber noch Gallenblase palpabel waren.
Seit Oktober 1899 begannen in immer kürzeren Pausen Kolik-
schmerzen aufzutreten, die nur sehr selten mit Fieber und Ikterus
vergesellschaftet waren. Nie hatte der Ikterus einen höheren Grad
erreicht und war immer v^n sehr kurzer (2— Stägiger) Dauer. Während
des Anfalles war die Gegend der Leber wohl etwas mehr druckem])-
findlich, doch war weder Leber noch Gallenblase palpabel. Zeitweilig
war während des Anfalles die Magengegend aufgetrieben und der
Magen deutlich gebläht, und einmal hörte nach einem sehr reichlichen
Erbrechen sofort der Kolikschmerz auf und die Magengegend wurde
flach. Sonst trat bei den Anfällen Erbrechen nicht ein.
Die Anfälle leiten sich zumeist mit einem leichten Druckgefühl in
der Magengegend ein, welches neben allgemeinem Unbehagen fast
2 Stunden anhält. Zu diesem Druckgefühle in der Magengegend tritl
dann ein Schmerz im Kreuze hinzu, von wo aus gürtelartig den Leib
umgreifend, paroxysmonweise durch mehrere Minuten heftige S;chmerzen
ausstrahlen, und wenn diese umschnürenden Schmerzen am stärksten
geworden sind, hört dann auf einmal der ganze Anfall auf. Der ganze
Anfall pflegt 6—14 Stunden zu dauern. Die Anfälle waren während
— 272 —
der ganzen Krankheitsdauer gleichartig, nur bei den beiden letzten
Koliken hatte die Kranke im Anfalle auch Stechen beim Atmen xmd
zwar rechts im Rücken. — Nie konnte objektiv ein Reibegeräusch
weder im Anfalle noch nach diesem über Leber und Gallenblase kon-
statiert werden.
Während der Anfalle bestand immer starker Harndrang. Der
Harn ist nur zeitweilig nach den Anfällen stark gallig tingiert. In
der ersten Zeit der Erkrankung enthielt er keine Gallenbestandteile,
in letzter Zeit durch ca. 4 Wochen nur in minimaler Menge Gallen-
farbstoff. — Der Stuhl war nur sehr selten, wenige Tage nach den
Anfällen lehmartig, in dpn letzten 4 Wochen ist er etwas lichter als
normal und mit dunklen harten Stücken gemischt. Gallensteine wurden
im Stuhle nie gefunden. — Seit ca. 4 Wochen ist Ikterus in sehr ge-
ringem Grade anhaltend vorhanden, dabei aber in der Intensität
wechselnd, so dass nach jedem Anfall 1 — 2 Tage die Gelbsucht deut^
Hoher hervortritt. Seit Monaten stört heftiges Hautjucken den Schlaf.
Das Jucken besteht in geringem Grade auch dann, wenn kein deut-
licher Ikterus vorhanden ist. — In den letzten 3 Wochen Leber wieder
vergrössert und der Rand deutlich palpapel. — Das Körpergewicht hat
bedeutend abgenommen."
Befund: Leber wenig vergrössert, von härterer Konsistenz.
Gallenblase z. Z. nicht fühlbar, Druck nicht schmerzhaft. Im Urin
kein Gallenfarbstoff, kein Eiweiss. Sonstige Organe gesund. Pat.,
di^ auf Rat ihres Schwiegersohnes, des Herrn Dr. Anhauch in Czer-
iiowitz sich zur Operation entschlossen hat, ist wenig von der Reise
angestrengt, fühlt sich sogar ganz wohl, so dass schon am 2. Tage
zur Operation geschritten werden kann. Die Diagnose war auf
chron. Choledochusverschluss durch Steine, ev. Gallenblasen-
Darmfistel, Adhäsionen und kleine Gallenblase gestellt.
Operation: 10. 3. 00. ^/i Stunde. Gewöhnlicher Schnitt. Gallen-
blase klein, leer, mit Netz verwachsen. Trennung. Cysticns-Pylorus»
flstel. Trennung. Im Choledochus haselnussgrosser Stein. Extraktion
nach Choledochotomie. Ectomie wegen der Fistel. Hepaticusdrainage.
Übernähung der Pylorusfistel. Tamponade.
Verlauf: Ohne jede Besonderheit ganz normal.
27. 4. Verlässt geheilt die Klinik.
Epicrise: Die Diagnose stimmte ganz genau. Die Ab-
magerung, das Jucken, die Fieberbewegungen sprachen für Chole-
dochusstein ; weil Icterus immer nur massig war, wurde eine Fistel
zwischen Gallenblase und Darm angenommen. Auch das stimmte.
Leber war wenig vergrössert, die Gallenblasengegend gar nicht
schmerzhaft. Hätte Pat. nicht den weiten Weg aus der Bukowina
hierher gemacht, so hätte sie sich wahrscheinlich nicht zur
Operation entschlossen, da augenblicklich das Befinden zufrieden-
stellend war.
— 273 —
Nr. 133. B. P», 38 j. Kaufmannsfrau aus Warschau.
Aufgeii.: 30. 8. 1902.
Operiert: 2. 9. 1902. Ectomie. Hepaticusdrainage.
Versorgung einer Colon-Gallenblasenfistel. Hepa-
topexie.
t 28. 9. 1902 an Tnanition.
Anamnese: Vor zwölf Jahren Cholecystitis calculosa, danach
vollständige Ruhe, auch während dreier Graviditäten, die in diese Zeit
fielen. Anfangs April d. J. heftige Kolik mit stark ausgesprochenem
Ikterus. Pat. war damals gravida im neunten Monat, nach vier
Tagen fand eine Frühgeburt statt, nachdem Tags vorher Schüttelfrost
und Temperatur bis 41 *• aufgetreten war. Nach der Entbindung hörte
der Schmerz auf, das Fieber dauerte noch 4—5 Tage an, dann schwand
es ebenfalls, der Ikterus nahm ab. Jedoch bald wieder Verschlimme-
rung. Seitdem alle 8— 10 Tage Schüttelfrost, einige Tage hohes Fieber,
danach Abnahme der Beschwerden. Seit 15 Tagen erbricht Pat. alles,
auch flüssige Nahrung, sie wird durch Klysmen ernährt, ist aber
natürlich sehr schwach und hinfällig. In den letzten Tagen hat sie
Hypodermalklysmata mit Hayem'scher Lösung erhalten. Auf Rat des
Herrn Dr. Mint z- Warschau kommt sie hierher. Auf der Reise ist es
ihr etwas besser ergangen, sie hat gegessen, ohne zu erbrechen.
Befund: Sehr stark abgemagerte, anämische und äusserst liin-
fälligfi Frau. Puls kaum zu fühlen, 104, regelmässig. Leib flach,
weich, in der Gallenblasengegend und nach der Mittellinie hin druck-
empfindlich. Pankreas undeutlich als querer Wulst zu fühlen. Urin frei.
Diagnose: Chronischer Choledochusverschluss durch Stein. Ab-
knickung des Duodenum.
Operation: 2 9.02. Wellenschnitt. Gallenblase klein, am Fun-
dus mit Colon verwachsen. Colon-Gallenblasenfistel. Zerstörung der-
selben. Darmnaht. Stein im Choledochus, haselnussgross. Diiodeunni
ist weit nach oben gezerj't, spitzwinkelig abgeknickt, wird gelöi^t.
Zahlreiche Unterbiadongeii. Bin Stein im Choledochus. Excision.
Trübe, eitrige Galle fliesst nach Hepaticusdrainage. F^xcision der ver-
dickten, sonst leeren Gallenblase. Naht des Cysticusquerschnitts.
Hepatopoxie. Tamponade. Naht. Dauer der Operation 50 Minuten.
Verlauf: Pat. hatte schon vor der Operation einen kaum fühl-
baren Puls, nach der Operation ist er noch schlechter. Kochsalz
subcutan und per rectum. Hochlagerung der Beine. Abends 37,0.
3. 9. 38,4. Puls nicht zu fühlen. Nachts gegen 2 Uhr grosse
Schwäche. Eiskalte der Extremitäten. Kochsalz. Heisser Tee mit
Cognak. Kampher. Wärmflaschen.
Morgens 8 Uhr. Pat. hat sich etwas erholt, sieht nicht schlecht
aus. Puls ist jedoch nicht zu fühlen. Galle trübe, fliesst reichlich.
Fortsetzung der Anwendung von Excitantien. Tagsüber 8 mal Koch-
salz, stündl. Campher, 2 stündl. Klysmen von heissem Kochsalzwasser;
Kelir, Technik der GaUensteinoperationen. 18
— 274 —
Tee mit Cognak als Getränk. Feste Einwiekelung der Beine zwecks
Autotransfusion.
Abends fängt Pat. an zu erbrechen.
4. 9. 37,7. Puls heute schwach fühlbar, beschleunigt, ca. 140.
Allgemeinbefinden besser als gestern. Erbrechen hat nach Magen-
spülung aufgehört. Fortsetzung der Behandlung mit Excitantien.
Blähungen im Gange. Gallenfluss reichlich.
5. 9. 36,8. Puls 120. Befinden gut. Pat. sieht frisch, wenn
auch noch etwas blass aus. Noch 2 mal Kochsalzinfusion.
6. 9. 36,7. Puls 112.
7. 9. Abführen. 10. 9. Wechsel der oberen Verbandschiohten.
11. 9. Verband durch. Verbandwechsel. Herausnahme der Tamponade,
einige Fäden haben sich schon abgestossen. Ausspülung. Der ganze
Verband riecht nach Mageninhalt, es finden sich 2 kleine eben für
den Sondenknopf durchgängige Löchelchen im Duodenum nahe dem
Magen, aus denen Flüssigkeit quillt. Es scheint sich um Stellen zu
handeln, an welchen Gefässe unterbunden wurden. Die Choledochus-
incision kann, da Pat. zu unruhig ist, nicht gefunden werden.
Tamponade.
Im unteren Teil der Wunde ist das Abdomen vorgewölbt, man
hat das Gefühl, als sei Luft in der Haut. Schon beim gestrigen Ver-
bandwechsel fiel dies auf, und wurde deshalb ein Faden entfernt. An
dieser Stelle entleert sich heute mit Luftblasen vermischt eine Menge
kotig-eitriger Massen, so dass es klar ist, dass auch die Naht der
Colonfistel aufgegangen ist.
Kochsalz- und Ölinfusionen, Nährklystiere, Kochsalzeinläufe, Ver-
ringerung der Flüssigkeitszufuhr per os. Puls 116, ziemlich klein.
12. 9. Verband massig nass, meist nur Galle im Verband. Aus-
spülung der Wunde, neue Tamponade.
Im unteren Teil der Wunde werden die Nähte entfernt. Tamponade.
13. 9. Verband stark durchtränkt. Wechsel. Die Löcher im
Duodenum sind grösser geworden. Schluss derselben mit 5 Nähten.
Im unteren Teil der Wunde sind die Bauchdecken weithin untermi-
niert, überall quillt Eiter heraus. Bei der Untersuchung reissen die
sehr dünnen Verwachsungen ein, und man gelangt in die freie Bauch-
höhle. Tamponade. Verband. Grosse Schwäche, Puls kaum fühlbar,
3 Kochsalzinfusionen. Muss katheterisiert werden. Im Laufe des
Tages erholt sich Pat. leidlich.
14. 9. 37,0. Puls 120, klein. Pat. hat gut geschlafen, Leib flach,
weich, noch keine Blähungen wieder. Im Verband Galle, Wechsel
desselben. Ausspülung. Die Naht am Duodenum hat gehalten.
Kochsalz- und Ölinfusionen fortgesetzt.
16. 9. 37,3 Puls 120. Ein kleines Loch im Duodenum wird
übernäht.
17. 9. 36,8. Puls 120. Es werden 2 DrainageöfiFnungen angelegt,
um die Eiterung im unteren Wundwinkel zu beseitigen. Befindet»
besser. Gallenausfluss massig. Kochsalz- und Ölinfusionen bleiben weg.
— 275 —
18. 9. 87,5. Puls 120. Der Verlauf ist jetzt so, dass man Hoffnung
auf einen günstigen Ausgang haben kann.
19. 9. 38,2. Puls 120. Das Loch im Duodenum ist wieder offen
und wird zum dritten Male übernäht. Nährklysmen, Kochsalzin-
fusionen.
20. 9. 37,5. Puls 120. Die Naht hat gehalten, es ist wieder
Hoffnung auf Heilung vorhanden.
21. 9. 37,3. Puls 120. Verband wieder stark mit Mageninhalt
durchtränkt. Wechsel. Das Loch im Duodenum klafft weit. Da es
unmöglich ist, es durch die Naht zur Heilung zu bringen, wird die
Oastroenterostomia posterior ansgefülirt. Fat. ist so matt, dass keine
Narkose dazn nötig ist. Die Operation wird von der alten Wunde
aus ohne neuen Hautschnitt ausgeführt. Nach der Operation grösste
Schwäche; Kochsalzinfusionen, Campher, Excitantien per os, Einwickeln
und Hochlagern der Beine.
22. 9. 37,8. Puls 120. Pat. ist heute munterer, es scheint, als
sollten unsere Bemühungen Erfolg haben. Doch tritt in der Nacht
vom 22. zum 23. 9. grosse Schwäche ein, Pat. stirbt am 23. 9. Morgens.
Keine Sektion.
Epicrise: Die Naturheilung (Gallenblasen-Colonfistel)
hatte gar nichts genützt. Durch Zerrung des Duodenums nach
oben kam es zu häufigem Erbrechen, welches die Pat. schliess-
lich so herunterbrachte, dass sie wie eine Carcinomkranke aus-
sah. Die Operation, obgleich technisch sehr schwierig, hat
kaum 1 Stunde in Anspruch genommen. Pat. war 2 Tage lang
pulslos und eiskalt ; durch zahlreiche Kochsalzinfusionen gelang
es, sie wieder zu beleben. Dreimal wurde der Defekt im Duo-
denum vergeblich zu nähen versucht, schliesslich die Gastro-
enterostomie gemacht. Es schien, als sollte es uns gelingen,
die Kranke über die Gefahren der Inanition hinwegzubringen,
doch reichte ihre Lebesskraft nicht aus, sie erlag. —
\r. 134. E. W., 50 j. Oberpostsekretärsfrau aus Hildesheim.
Aufgen.: 6. 3. 1903.
Operiert: 8. 3. 1903. Ectomie. Hepaticusdrainage.
Versorgung einer Gallenblasen-Duodenalfistel. He-
patopexie.
Entlassen: 9. 4. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat vor 13 Jahren 6 Wochen lang an einer
heftigen Blinddarmentzündung und vor 7 Jahren an einer schweren,
hauptsächlich rechtsseitigen Nierenentzündung und an Blasenkatarrh
(7 Wochen lang) gelitten.
Pat. hat 14mal geboren und 3 Fehlgeburten durchgemacht.
18*
— 276 —
Bereits vor 28 Jahren während, der 9 Monate der ersten Schwanger-*
Schaft „Magenkrämpfe". Vor 24 Jahren die erste heftige, als solche
erkannte Gallensteinkolik. Heftige kolikartige einige Stunden dau-
ernde Schmerzen in der rechten Seite, die nach der Brust aufsteigen
und sich rechts nach dem Rücken herumziehen. Fieber bestand an-
geblich bereits bei diesem ersten Anfall, Erbrechen stellte sich ein.
Der Stuhl war zur Zeit des Anfalls etwas entfärbt. Auch leidet Pat.
dauernd an Verstopfung. Die gleichen Anfälle traten während eines
Jahres etwa alle 14 Tage ein. In den Zwischenzeiten fühlte sich Pat.
völlig wohl. Vor 16 Jahren traten dann die gleichen Anfälle, aber
heftiger wieder auf und zwar 2 Jahre lang etwa alle 2 — 3 Wochen.
In den Zwischenzeiten fühlte sich Pat. sehr matt.
Vor 11 Jahren traten dann wieder 3 Jahre lang alle 5—14 Tage
sehr heftige Koliken auf, die erste davon während der Geburt eines
Kindes in der Austreibungsperiode so heftig, dass Pat. von den Wehen
nichts spürte.
Dann setzten vor 4 Jahren die Anfälle wieder ein (alle 4—8 Tage),
seit 2 Jahren traten sie in grösster Heftigkeit ununterbrochen und
zwar im letzten Jahre mit grosser Regelmässigkeit alle 2 Tage, ein-
mal sogar an 8 Tagen hintereinander, auf. Seit P/a Jahren besteht
allgemeine Gelbsucht, zeitweise stärker, zeitweise schwächer, und
Hautjucken. Der Stuhl ist ganz grau.
Die Anfälle treten meist des Abends auf. Pat. verspürt anfangs
ein Absterben der Hände und F'üsse, -brennendes Gefühl" in der Leber
dann treten Kolikschmerzeu in der rechten Seite und im Rücken auf,
die sich genau bis zur Mittellinie hinziehen. Darauf, meist nach 1 bis
2 Stunden, tritt Würgen und Erbrechen auf. wonach Pat. etwas Lin-
derung verspürt. Dann stellt sich starkes Frostgefühl mit Schüttel-
frösten und schliesslich starkes Hitzegefühl ein, bis Pat. in Schlaf
verfällt. Die Anfälle dauern bis zu 5 Stunden. In den Zwischenzeiten
fühlt sich Pat. ziemlich wohl, jedoch matt. Letzter Anfall vorgestern,
etwas weniger heftig, ca. 3*/« Stunden dauernd.
Herr Dr. Sc hn eile- Hildesheim sendet uns die Pat. zu.
Befund: Sehr blasse, kaum ikterische, magere Frau. Herz und
Lunge gesund. Urin frei. Leber sehr gesenkt, lässt sich vollständig
nach oben umkippen und im Bauch von rechts nach links und um-
gekehrt schieben. Kein Tumor der Gallenblase. Mittellinie schmerzhaft.
Diagnose: Hepatoptose, Steine im Choledochus.
Operation: 8. 3. 03. Wellenschnitt. Leber gesenkt, Netz mit
kleiner, geschrumpfter Gallenblase verwachsen. Es besteht eine Galleii-
blaseii-Dnodenalflstel. Trennung nach Abklemmung der Gallenblase
und Unterschiebung mehrerer Tampons. Naht des Darmlochs. Darüber
etwas Netz. Im Choledochus, der bis zur DUnndarmstärke erweitert
ist , ein walnussgrosser Stein und 3 haselnussgrosse. Elxcision. Die
Galle steht unter sehr grossem Druck und läuft sehr trübe ab. He-
paticusdrainage. llel der Ectoinie geben die Sutnren an der Art. cys-
lica^ die sich erheblich retrahlert hat, nach. Kolossale lUntnng. Nur
SO) dass man den Choledochus dicht au der porta hepatis auf den Finger
— 277 -
ladet, geliugt die Blatstillnng und die AnliBgnng einer r. Bergmann-
seilen Klemme. Von einer Ligatur kann keine Rede sein. Die Klemme
bleibt liegen. Reichliche Tamponade ringsum und um das Hepaticus-
robr. Verkürzung des lig. teres und Hochnähung der gesenkten Tjeber.
Naht der Bauchwand. Appendix vermif. völlig gesund. Dauer der
Operation 65 Min. Sehr gute Chloroformnarkose. Die herausgeschnit-
tene, sehr geschrumpfte Gallenblase hat einen obliterierten Cysticus.
Verlauf: 9. 3. 03. Temp. abends 36,7. Pult 100. Befindennach
der Operation gut.
11. 3. 03. In der Nacht Klagen über Atemnot. Nach Morphium
guter Schlaf.
Wechsel der oberen Schichten des Verbandes. Klemme liegt
noch gut. Galle läuft reichlich durchs Rohr.
20. 3. 03. Temp. morgens 38,0, abends 30,1. Puls 110-120.
Verbandwechsel. Verband mit Galle durchtränkt, die etwas stinkt.
Entfernung des Rohres, sämtlicher Tampons und Fäden. Tampons
sitzen massig fest, sind mit etwas stinkendem Sekret durchtränkt.
Wunde sieht gut aus. Wundhöhle ringsum abgeschlossen. In der Tiefe
der Wundhöhle im obersten ^Vinkel die ca. 2 cm. lange Öffnung des
Choledochus sichtbar, in die man leicht mit dem Spülkatheter hinem-
gelangt. Ausspülung, wobei sich einzelne Steintrümmerchen und trübe
Galle entleeren. Tamponade. Verband. Die noch liegende Klemme
Hess sich nach Herausnahme der Tampons leicht entfernen, sie war
am unteren Ende etwas von Granulationen umwuchert.
Etwas Husten. Lungenbefund normal.
22. 3. 02. Verband täglich mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel.
Wunde sieht sehr gut aus. Es läuft klare, nicht mehr stinkende Galle.
Entfernung der Nähte. Ausspülung des Choledochus. Tamponade.
Verband. Befinden sehr gut.
23. 3. 03. Choledochus-Ötfnuug in der Tiefe nicht mehr sichtbar,
man gelangt mit dem Spülkatheter anscheinend nicht mehr in den
Choledochus. Galle fliesst ganz klar, riecht nicht. Tampouade. Ver-
band. Wunde verkleinert sich sehr schnell. Nähte werden entfernt.
28. 3. 03. Verbandwechsel (Verband ist noch trocken, 4 Tage
lang). Wunde sehr klein; es führt nur noch ein sehr enger und nicht
sehr tiefer Trichter nach oben hin. Ausspülung desselben, dabei fliesst
völlig klare Galle. Taraponade. Verband. Pat. steht auf.
8. 4. 03. Verband trocken. Es läuft keine Galle mehr.
9. 4. 03. Pat. wird mit kleinem, gut granulierenden Wundtrichter
entlassen.
Der mikroskopische Befund an der Gallenblase war folgender:
An mikrosk. Schnitten der Gallenblase erkennt man eine starke Atro-
phie der Schleimhaut mit ausgedehntem Verlust des Epithels, anderer-
seits sehr starke Drüsenbildung, die die Muskulatur weithin durchsetzt
und bis in die Aussenschichten reicht, in ähnlicher W^eise, wie es am
Ductus cysticus der Fall zu sein pflegt.
— 278 —
Epicrise: Trotz der grossen Steine im Choledochus be-
stand fast kein Ikterus ; ich glaubte erst, die Galle würde durch
die Gallenblasen-Duodenalflstel abgeleitet. Aber der Cysticus
war obliteriert. Die Blutung aus der retrahierten Cystica war
nur auf die oben geschilderte Weise zu stillen.
Nr. 135. A. R., Kaufmannswitwe aus Strassburg i. Westpr.
Aufgen.: 19. 4. 1903.
Operiert: 21. 4. 1903. Ectomie. Cysticotoraie. He-
paticusdrainage. Hepatopexie. Gastroenterostomie
nach Wölfler.
Entlassen: 27. 5. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist nie erheblich krank gewesen.
Vor 4 Jahren betam Pat. einige Stunden dauernde Anfälle von
drückenden Schmerzen in der Gegend der Magengrube, die auch zu-
gleich im Rücken nach den Schultern ausstrahlend auftraten. Dabei
Erbrechen, Aufstossen, Sodbrennen. Die Anfälle wiederholten sich alle
paar Monate.
Vor 3 Jahren die gleichen Anfälle, jedoch auch mit Schmerzen
in der rechten Seite des Leibes. Die Krankheit wurde für Blinddarm-
reizung angesehen. Kissinger Kur.
Vor 2 Jahren Konsultation bei Herrn Dr. Boas -Berlin, der die
Diagnose auf „Gallensteine" stellte. Darauf 1901 und 1902 Karlsbader
Kur. Trotzdem wurden die Anfälle heftiger.
Im Sommer 1902 3 Monate lang Ruhe. September und Weih-
nachten 1902 neue Anfälle (ohne Erbrechen). Die Anfälle heftiger, die
Schmerzen dauerten 6—8 Stunden lang.
Anfang Januar 1903 neuer 4tägiger Anfall. Im Februar und
März 2 mal 8 Tage lang jeden Tag vor dem Essen auftretende Druck-
schmerzen in der Gegend der Magengrube.
Am 8. und 9. April 1903 letzter Anfall, 2 Tage hintereinander.
Gelbsucht hat angeblich nie bestanden, ebensowenig Fieber. Stuhl
stets regelmässig, im Sommer 1902 angeblich einmal weiss. Steine
im Stuhl wurden nicht gefunden. Pat. hat in den letzten 4 Jahren
30 Pfund abgenommen (jetzt 111—112 Pfund Körpergewicht). Im
Februar 1903 soll angeblich eine Anschwellung der Gallenblase be-
standen haben, weshalb auch der Pat. zu einer Operation geraten
wurde.
Herr Dr. Schendell- Brom berg sendet uns die Pat. zu, die augen-
blicklich keine Klagen hat, sich überhaupt in den Zwischenzeiten
zwischen den Anfällen immer völlig wohl fühlte.
Befund: Völlig negativ. Keine Dilatation des Magens. Kein
Ikterus. Pat. ist durch die Häufigkeit der Koliken, durch den immer
notwendigen Morphiumgebrauch in ihrer Lebensfreude sehr gestört
und wünscht dringend die Operation. Urin frei.
— 279 -•
Diagnose: Steine in der Gallenblase, augenblicklich Cysticus
offen, altes Ulcus pylori (Verwachsungen zwischen Gallenblase und
Pylorus).
Operation: 21. 4. 03. Sehr gute Sauerstoff-Chloroformnarkose,
50 gr. Dauer der Narkose 2 Stunden. Dauer der Operation I '/* Stunden.
Wellenschnitt. Gallenblase allseitig verwachsen. Die Adhäsionen sind
sehr stark; es. hält ungemein schwer, dieselben zu trennen. Das ge-
lingt mit Messer, mit stumpfer Cooper'scher Schere, mit den Fingern,
Zuletzt reisst der Cysticns etwas ein, so dass man event. an Cysticus-
Diiodeaalflstel denkt. Das Duodenum war vom Pylorus bis zum mitt-
leren Teil völlig mit der Gallenblase verwachsen und narbig verengt,
Gallenblase ganz narbig, enthält im Hals einen taubeneigrossen, sehr
schönen Cholestearinsteiu. Gallenblase wird bis in den Cysticus ge-
spalten, Stein entfernt. Es fliesst sofort Galle. Spaltung des Cys-
ticus bis in den Choledochus hinein. Dieser normal, ist frei von
Steinen. Nelaton in den Hepaticos, der übrige Teil der Choledochas-
incisiou — weil der Gang eng ist, kommt die Schleimhant flächenhaft
zum Vorschein — wird vernäht. Schwierige Unterbindungen der Art.
cystlca-iste. Tamponade. Hepatopexie mit einer Sutur. Wegen der
Dnodenalenge Gastroenterostomie nach Wölfler-Eappeler in 12 Min.
(Naht.) Dauer der ganzen Operation l'/i Stunden. Guter Puls. Die
excidierte Gallenblase ist narbig degeneriert.
Verlauf: 21, 4. 03. Temp. abends 36,8. Puls 80. Einmal etwas
dunkles Blut gebrochen, sonstiges Belinden gut.
22. 4. 03. Gestern Abend noch mehrmals Erbrechen von etwas
Blut. Magenspülung, im Magen noch etwas Blut. Nachher Ruhe.
Heute Früh Temp. 37,9. Einmal Erbrechen von wenig Blut.
Magenspülung, Reste von Blut und Galle im Magen. Puls 120, etwas
klein. Kochsalzinfusion. Mittags noch einmal Erbrechen von etwas
Blut, Magenspülung, nur sehr wenig Blut, mehr Galle im Magen.
Nachm. Temp. 38,3. Puls 120, etwas kräftiger. Zunge feucht.
Leib weich. Blähungen gehen etwas. Pat. ist frischer und munterer
als heute früh. Kein Erbrfechen mehr.
Verbandwechsel der oberflächlichen Schichten. Gaze und Tam-
pons mit Galle durchdrängt. Durchs Rohr keine Galle gelaufen. Rohr
wird gekürzt. Verband.
23. 4. 03. Temp. mittags 37,3. Puls 112, etwas kräftiger.
In der Nacht 2 mal Erbrechen von Spuren von Blut. Leib weich.
Blähungen gehen reichlich.
Temp. abends 37,3. Puls 116. Mittags einmal Erbrechen von
etwas Kaffee. Befinden sonst gut.
24. 4. 03. Temp. normal. Puls 92-100, kräftig. Kein Erbrechen
mehr, wenig Aufstossen.
25. 4. 03. Befinden gut. Verband mit Galle durchtränkt. Wechsel
der oberen Verbandschichten.
26. 4. 03. Fübrt ab.
— 280 —
28. 4. 03, Verbandwechsel. Entfernung des N^laton.
30. 4. 03. Verband wieder täglich durch. Verbandwechsel täglich.
3. 5. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung sämtlicher
Tampons, die locker sitzen, sämtlicher Nähte und Fäden. Wunde sieht
gut aus, Wundtrichter ist sehr tief. Ausspülung. Tamponade.
8. 5. 03. Verband täglich durch. Täglich Verbandwechsel. Wunde
sieht gut aus. Gute Granulationsbild uug in der Tiefe. Täglich Aus-
spülung. Tamponade. Noch etwas Husten anfallsweise.'
15. 5. 03. Steht auf. Befinden gut. Appetit wird besser.
21. 5. 03. Verband 2 Tage trocken, nur massig viel Galle im
Verband. Wundtrichter infolge sehr guter und reichlicher Granula-
tionsbildung eng. Stuhl braun.
28. 5. 03. Wundtrichter hat sich rasch geschlossen. Gallenfluss
veisiecht. Es besteht noch kleine granulierende Wunde. Wird nacli
Hause entlassen.
Epicrise: Pat. hatte zur Zeit keine Beschwerden, weil
Entzündung fehlte und der Cysticus frei war. Der Stein spielte
augenblicklich auch nur eine sehr untergeordnete Rolle, die
Hauptsache war die Duodenalstenose. Diese wäre mit der Zeit
sicher noch enger geworden, deshalb Gastroenterostomie. Über-
haupt wäre Pat. wohl niemals ohne Operation gesund geworden.
In solchen Fällen ohne Befund stellt der Arzt resp. der Par.
die Indikation aus der Anamnese.
Nr. 136. J. H., 60j. Obersteigersfrau aus Neuwerk.
Aufgen.: 25. 8. 1903.
Operiert: 31. 8. 1903. Ectomie. Cysticotomie. He-
paticusdrainage. Hepatopexie. Appendicectomie.
Entlassen: 22. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Vor 8 Jahren erster Anfall von Kolikschmerzen
in der Magengrube, der 12 Stunden dauerte. Dabei Erbrechen, etwas
Gelbsucht. Pat. wurde 3 Wochen lang mit Karlsbader Salz behandell.
Dann völliges Wohlbefinden bis vor 3—4 Jahren.
Im Sommer vor 3—4 Jahren wiederum eine gleiche Kolik. Ob
Gelbsucht dabei vorhanden, weiss Pat. nicht anzugeben. Während der
folgenden 4 Wochen dann noch eine bis zwei gleiche Koliken.
In den nächsten Sommern die gleichen Kolikanfälle.
In den Zwischenzeiten fühlte sich Pat. ganz wohl.
Mitte Mai 1903 wiederum heftige Kolik, dabei Erbrechen, etwas
Fieber (kein Schüttelfrost). Gelbsucht. Stuhl grau. Urin dunkel.
Dabei Verstopfung.
Seitdem alle 8— 14 Tage die gleichen Koliken, jedesmal mit Gelb-
sucht. Mehrere kleine Steine (erbsengrosse) wurden Im Stuhl gefunden.
— 281 —
Vor 3 Tagen letzte Kolik. In den Zwischenzeiten fühlt sich Pat.
matt, hat keinen Appetit, ist erheblich abgemagert. Schmerzen sind
nur anf Druck in der Gallenblasengegend vorhanden.
Pat. wurde mit Karlsbader Salz, Mühlbrunnen, Morphium (Pulver
und subkutan) im Anfalle, heissen Umschlägen und einer Ölkur be-
handelt.
Herr Dr. Seh ul te-0 verbek-Rübeland sendet uns die Pat. zu.
Pat. klagt über dauernde starke Schmerzon in der Harnblase" und
über Brennen beim Urinlassen. Urin ist klar, in der Harnblase keine
Steine.
30. 8. 03. Temp. 39,1. Noch Klagen über Schmerzen in der Harn-
blase. Thermophor. Urotropin.
Abends Temp. B7,3. Keine Schmerzen mehr.
Befund: Tumor der Gallenblase, sehr schmerzhaft, Leber ge-
senkt, auch nach der Mittellinie zu fühlt man Resistenz (Pankreas-
Carcinom ?) Kein Ikterus.
Diagnose: Empyem der Gallenblase (Steine im Choledochos?).
Operation: 31. 8. 03. Im Beisein des Herrn Dr. Stone-
Washington. Wellenschnitt. Gallenblase entzündet, mit knollig ent
artetein, harten Netz verwachsen. Sehr schwierige Lösung. Adhäsionen
sehr hart, werden nach dem Cysticus hin immer zarter. Leber gesenkt,
veigrössert. Ectomie. Im Hepaticus ein Stein. Abflugs von trüber
Galle aus dem Choledochns. Dieser ist so weit, dass bis zur Papille
eiu Zeigefluger eingeführt werden kann, nachdem Cysticiis und Chole-
dochns gespalten ist. Kein Stein zu fühlen. Pankreas sehr verdickt.
Hcpaticusdraiuage. Das anfänglich tief eingeführte Rohr wird, da Iteine
Galle abläuft, hervorgezogen: dann läuft Galle ab. Appendix ver-
wachsen, in der Mitte obliteriert, am Ende kolbig verdickt, wird ent-
fernt. Dauer der Ectomie und Hepaticusdrainage 25 Min., der ganzen
Operation 55 Min. 50 gr. Chloroform. Sehr gute SauerstofF-Chloroform-
narkose. Verband. Die stark entzündete und verdickte, besonders im
Fundus ulcerierte Gallenblase enthält 25 erbsengrosse Steine und
Eiter.
Verlauf: Gut.
12. 9. 03. Wechsel der oberen Verbandschichten. Es läuft sehr
wenig Galle.
14. 9. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres,
sämtlicher Tampons, die sehr locker sitzen, sowie der Nähte. Wunde
sieht sehr gut aus. Wundtrichter nicht sehr tief, ausgezeichnet über-
sichtlich; Inclsiousstelle im Choledochus sehr gut sichtbar, ganz ober-
flächlich, ebenso Cysticus-Stumpf. Ausspülung des Choledochus. Tam-
ponade. Temp. abends 37,6.
16. 9. 03. Spülung des Hepaticus.
1. 10. 03. Verband noch täglich durch. Wundtrichter bereits
sehr eng, in demselben, ziemlich oberflächlich, das Loch im Chole-
dochus noch gut sichtbar.
12. 10. 03. Verband heute trocken.
— 282 —
22. 10. 03. Galle läuft noch etwas, aber in bedeutend geringerem
Grade. Wird auf ihren Wunsch in weitere Behandlung des Hausarztes
entlassen.
Epicrise: Der Choledochus erwies sich sehr weit, ein
Zeichen, dass vorher Steine durchgetreten waren, was in der
Tat auch der Fall war. Im Augenblick bestand Cysticusver-
schluss^und Empyem der Gallenblase, wahrscheinlich wäre es
über kurz oder lang wieder zum akuten Choledochusverschluss
gekommen.
Nr. 137. 54 j. Schneiderineistersfrau aus Oardelegen. *)
Aufgen.: 11. 3. 1903.
Operiert: 13. 3. 1903. Ectomie. Zerstörung einer
Cysticus-Duodenalüstel. Duodenotomie. Hepatico-
Duodenostomie. Hepatopexie. Netzplastik.
Entlassen: 11. 4. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat vor 10—12 Jahren Typhus durchgemacht,
ist sonst nie erheblich krank gewesen.
Im Frühjahr 1902 war Pat. mehrere Tage lang gelb und hatte
häufig Erbrechen. Der Stuhl war grau, der Urin bierbraun. Schmerzen
hatte Pat. nicht, auch bestand kein Fieber. Nach dem Trinken von
Karlsbader Wasser verschwand die Gelbsucht nach einigen Tagen,
das Erbrechen hörte auf. Pat. fühlte sich wieder völlig wohl, war aber
immer etwas matt.
Nach Weihnachten 1902, als ihr Mann gestorben war, fühlte sich
Pat. sehr schwach, war sehr nervös. Sie wurde mit Medizin, einmal
auch mit Morphiumtropfen behandelt. Nach letzteren stellte sich an-
geblich damals ein Magenkrampf ein. Der Arzt erklärte ihr, dass sie
leberkrank sei; sie selbst fühlte häufig, dass in der rechten Seite des
Leibes eine Geschwulst auftrat, „dass die Gallenblase sich vor den Magen
legte". Dabei ist sie angeblich ab und zu leicht gelb gewesen. Schmerzen
hatte sie nicht oder nur sehr gering, jedenfalls keine Koliken. Fieber
bestand nicht, auch kein Erbrechen. Der Stuhl war braun, der Urin
gelb. Pat. Hess sich dann wegen ihrer Schwäche und Nervosität 10
Tage lang im Kreiskrankenhause zu Gardelegen behandeln, wo ihr
Herr Dr. Linden au sagte, dassi^ie an Gallensteinen litte, und ihr riet,
uns aufzusuchen.
Befund: Rechtsseitig gesenkte Niere. Rechter Leberlappen volu-
minös. In der Mittellinie fühlt man einen harten schmerzhaften Tumor,
der der Gallenblase anzugehören scheint. Pat. sieht sehr elend aus,
grüngelb, ohne dass eigentlicher Ikterus besteht. Urin frei.
Diagnose: Unsicher. Empyem der Gallenblase oder Carci-
noma hepatis incipiens. Man kann auch an Steine im Choledochus
denken und an daneben bestehende Fistel zwischen Gallenblase und Darm.
*) Fall Nr. 137 hätte auch unter dem Abschnitt „E) Die Anasto-
mosen zwischen Gallensystem und Intestinis" Platz finden können.
a) Morsche untere Choledochuswand. b) Cysticus-Duodenalflstel
c) Papilla duodeni. d) Unterbindungsstelle des ductus cysticus.
Pig. U.
Gallenblase ist entfernt, die fistulöse Stolle im Duodenum herausgeschnitten,
die morsche untere Choledochuswand excidiert und eine Anastomose zwischen
Hepaticus, resp. Choledochiis und Duodenum hergestellt.
— 284 —
Operation: 13. 3. 03. Wellenschnitt. Sofort stellt sich ein Tu-
raor ein, der dem Duodenum angehört, dicht unterhalb des Pylorus.
Auf der Gallenblase liegt eine Drüse, die excidiert wird. Gallenblase
allseitig mit Duodenum verwachsen. Bei der Lösung kommt man auf
eine Fistel zwischen Cysticus und Duodenum. Eben sind 3 Steine im
Begriff, von der Gallenbla-e aus, die Eiter enthält, nach dem Duo-
denum zu perforieren. Bei weiterer Lösung: stellt sich heraus, dass
der Eiter auch schon zwischen Mucosa uud Muskularis des Duodenum
sich verbreitet hat. Nacli Excision der Gralleublase zeigt sich, dass
die ganze untere Wand des Choledochus im snpra-duodeualen Teil sehr
morsch ist. Sie wird in der ganzeu Länge vom Cysticuseintritt bis an
das Duodenum gespalten. Choledochus sonst frei, aus dem Hepaticus
fliesst klare Galle. Duodenum wird nach dem Pylorus gespalten, so-
weit die Eiterung zwischen Mnscularis und Mucosa ging. Dann wird
das augefrischte Duodenalloch auf die untere Choledochus- und Hepaticus-
fläche aufgenäht, sodass die Galle aus dem Hepaticus durch eine breite
Anastomose direkt in das Duodenum fliesst. (Siehe Fig. 13 und 14.) Naht
verstärkt durch Netzplastik. Tamponade des Leberbetts. Hepatopexie.
Dauer der Operation ca. l'/a Stunde. (Im Beisein des Herrn Prof.
Tietze- Breslau.)
Verlauf: Gut.
27. 3. 03. 1. Verbandwechsel. Verband nur wenig mit Sekret
durchtränkt. ICntfernung der Tampons, welche ziemlich locker sitzen
und mit stinkendem Sekret durchtränkt sind. Entfernung der langen
Fäden bis auf einen (Hepatopexie-Faden) und sämtlicher Haut-
nähto. Wunde sieht sehr gut aus, Wundhöhle sehr eng, nicht tief.
Tamponade. Verband.
30. 3. 03. 2. Verbandwechsel. Letzter langer Faden entfernt.
Wunde sieht gut aus.
4. 4. 03. 3. Verbandwechsel. Verband trocken. Sehr geringe
Wundsekretion. Wundhöhle sehr klein und in der Tiefe völlig ge-
schlossen.
5. 4. 03. Steht auf.
11. 4. 03. Mit kleiner granulierender Wunde entlassen.
Das pathol. Institut zu GÖttingen teilt uns über den Gallenblasen-
befund folgendes mit :
Wie in einem schon früher berichteten Fall hat sich auch hier
ein extramuskulär gelegener Galleuabscess, der zur Verwachsung der
Blase mit der Umgebung geführt hat, nachweisen lassen. Die Be-
ziehung desselben zum Empyem der Gallenblase soll durch weitere
Untersuchungen klar gestellt werden. Die Schleimhaut entbehrt
grösstenteils des Oberflächenepithels, ist atrophisch und sehr stark
von Rundzellen durchsetzt. Ihre Drüsen dringen stellenweise zwischen
die Muskulatur tief ein, die ebenfalls ausgedehnte zellige Infiltration
aufweist.
Epicrise: Hätte man die Fistel zwischen Cysticus und
Duodenum diagnostizieren können, so wäre event. Abwarten
— 285 —
besser gewesen. Zwar fand man Eiter unter der Muscularis
des Pylorus, aber die Steine wären vielleicht bald abgegangen,
und das Empyem der Gallenblase wäre ausgeheilt. Vielleicht!
Da einmal die Operation begonnen war, war es das Richtige,
die sehr kranke und vereiterte Gallenblase zu exstirpieren und
eine Anastomose zwischen Choledochus resp. Hepaticus und
Duodenum vorzunehmen. Der grosse Defekt in der unteren
Wand des Choledochus liess eine Hepaticusdrainage nicht zu,
auch war es nicht angezeigt, das Duodenalloch zu vernähen,
weil die Ränder sehr morsch waren, oder gar das Duodenum
durchzuschneiden, Duodenal- und Pyloruslumen zu schliessen
und die Gastroenterostomie zu machen. Dazu war die Fat.
zu schwach.
Nr. 138. H. B., 40 j. Cigarrenfabrikant aus Halberstadt.
Aufgen. : 5. 7. 1900.
Operiert: 14. 7. 1900. Ectomie. Cysticotomie. He-
paticusdrainage. Eröfinung mehrerer Bauchhöhlen-
abscesse.
1 14. 7. 1900 an Pankreasnekrose, multiplen Eiterherden
in abdomine. -
Anamnese: Vater an Magengeschwür f. Mutter und eine
Schwester gesund.
Das jetzige Leiden des Pat. begann vor l'/2 Jahren, bis dahin
war Pat. nie krank gewesen. Es stellten sich plötzlich Schmerzen
in der Magengegend ein , die nach beiden Seiten hin aus-
strahlten und eine Stunde lang anhielten. Erbrechen fehlte. Nach
diesem Schmerzanfalle ging es dem Pat. '/* Jahr lang gut, dann wie-
derholte sich aber der .^Anfall, die Schmerzen waren heftiger und
dauerten 36 Stunden, auch erfolgte heftiges Erbrechen. Der dritte
Anfall, im Juni vorigen Jahres, verlief mit leichter Gelbsucht, die
24 Stunden anhielt. Im September vorigen Jahres überstand Pat. eine
leichte Blinddarmentzündung, die 4—5 Tage Avährte. Neue Kolikan-
fälle hatte er November 1899 und 1900, die beide von heftigem Er-
brechenbegleitet waren. Pat. hatte dann Rul'e, bis vor jetzt 3 Wochen,
als er auf einem Ausfluge begriffen war, plötzlich heftige Koliken ein-
setzten. Er musste sofort nach Hause zurückkehren, die Schmerzen
Sassen besonders in der Magengegend, es erfolgte heftiges Erbrechen
galliger Massen, am 2 Tage sogar Blutbrechen. Der Arzt, Herr Dr.
Spiller, dachte an Magengeschwür und verordnete eine leichte,
weiche Kost. Der Zustand des Pat. besserte sich daraufhin wieder
Am 1. 7. 00 trat jedoch wieder eine Verschlimmerung auf, Pat. bekam
wieder Koliken mit galligem Erbrechen, das bis zum 4. 7. dauerte.
— 286 —
Seitdem haben die Schmerzen in der Magengegend nachgelassen, sind
aber in der Blinddarmgegend um so heftiger geworden. Auch heute
ist die Blinddarmgegend noch sehr -schmerzhaft.
Der Appetit des Pat. hat stark nachgelassen ; der Stuhlgang war
während der Anfälle stets angehalten.
Befund: 6. 7. Grosser kräftiger Mann. Herz und Lungen ge-
sund. Haut und Conjunktiven ikterisch verfärbt. Urin enthält eine
geringe Menge Eiweiss und Gallenfarbstoff. In der rechten Bauch-
seite eine grosse Resistenz fühlbar, die von der Blinddarmgegend bis
zum Rippenbogen reicht und sich bis zur Linea alba erstreckt. Grosse
Schmerzhaftigkeit. Blähungen und Stuhlgang stocken. Pat. hat fort-
während Aufstossen und Erbrechen gallig gefärbter Massen.
7. 7. Das Erbrechen hält an. Auf Seifeneinlauf etwas Stuhl-
gang. Temp. Abends 37,6, Puls 80.
8. 7. Wegen kolikartiger Schmerzen Morphium 0,01. Ausspülung
des Magens und Entleerung grosser Mengen (l'/a Liter) grünlich
schwarzer Massen. Temp. 37,4 morgens. Nachmittags wieder Er-
brechen, daher wieder Magenspülung, es wird wieder viel entleert.
Abends 37,6. Puls 84. Seifenklysma, etwas Stuhl. Absolute Absti-
nenz. 2 mal Kochsalzinfusion. 2 mal Ol. Oliv. 40,0 subkutan.
9. 7. 38,7. Das Erbrechen hat nachgelassen, nur noch geringes
Aufstossen. Wieder heftige Schmerzen. Morph. Abends 37,7. Koch-
salz und Oel wie gestern.
10. 7. 38,0. 38,3. Kein Erbrechen. Morph, wegen heftiger Schmer-
zen. Kochsalz und Öl.
11. 7. 37,5. 37,7. Puls 90. Noch etwas Aufstossen, Kollern im
Leib, aber keine Blähungen. 2 mal heftige Schmerzanfälle. Der Tumor
scheint etwas weicher zu werden. Pat. fängt an, wieder zu trinken.
Im Urin viel Gallenfarbstoif.
12. 7. 37,5—37,5. Morgens Morphium 0,01, Nachmittags und
Abends desgl. wegen heftiger Schmerzen. Kochsalz und Oel subkutan.
13. 7. 2 heftige Koliken. Zunehmender Ikterus. Stuhlgang nach
Ricinusöl.
Diagnose: Cholecystitis calculosa mit starker peritonealer Be-
teiligung. (Perityphl. Exsudat?)
Operation: 14. 7. 00. Chloroformnarkose.
Schwere 2'/« stündige Operation. Gleich nach Eröffnung des Peri-
toneum entleert sich trübe seröse Flüssigkeit. Netz überall mit Perit
parietale und den Intestinis verwachsen, sulzig verdickt. Lösung.
In der Bursa oinentalis findet sich eine grosse Eitermenge. In dem
Eiter sciiwiitimt ein walaenförmiger Körper, wahrscheinlich nekro-
tisches Pankreas. Ein zweiter grosser Eiterherd findet sich zwischen
den Dtinndarmschliugen, ein dritter hinter dem Goecam. Der Pro-
cessus vermiformis selbst ist gesund ; er wird nicht entfernt. Die
Gallenblase mit der Umgebung verwachsen, enthält viele Steine und
trübe Galle. Punktion der Gallenblase und Excision. Um zu den im
Cysticus steckenden Steinen zu gelangen, muss dieser «Rang und der
— 287 —
Ciioledochns gespalten werden. Drainage des Hepaiicus. Ausgiebige
Tamponade der 3 grossen Abscesshöhlen. Teiiweiser Verschluss der
Bauchwunde.
Verlauf: Pat. ist nach der Operation sehr collabiert, bekommt
noch auf dem Operationstische Kochsalzinfusion und Campher. Trotz-
dem nimmt die Schwäche zu. Pat. stirbt 1 Stunde post. op. im Collaps.
Der walzenförmige Körper wird nach Göttingen zwecks mikro-
skopischer Untersuchung geschickt. Von dort erhalten wir folgende
Nachricht :
Wenn auch bei der völligen Nekrose sich etwas ganz Sicheres
nicht sagen lässt, so war doch festzustellen, dass es sich z. T. um
haemorrliagisch nekrotisches Pankreasgewebe handelt; daneben findet
sich nekrotisches Fettgewebe.
Epicrise: Das ursprüngliche Leiden wird wohl die cal-
culöse Cholecystitis gewesen sein ; die sich in der Gallenblase
abspielende Infektion hat zugleich das Pankreas ergriften. Das
Endresultat war die Pankreasnekrose.
Die hinter dem Coecum und zwischen den Dünndarnischlingen
liegenden Eiterdepots sind wohl als Metastasen der eitrigen
Pankreatitis zu betrachten. Im Übrigen bot der Fall grosse
diagnostische Schwierigkeiten und hat grosse Ähnlichkeit mit
einem von Körte mitgeteilten (Verh. der fr. Ver. der Chir.
Berlins. 1899. I. pag. 29).
g) Das Verfahren nach Rose-Kuhn.
Nr. 139. H. S., 62 j. Hotelbesitzerswitwe aus Harzburg.
Aufgen: 1. 1. 1902.
Operiert: 3. 1. 1902. Cystostomie. Ausräumung des
Choledochus nach Rose-Kuhn. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 14. 3. 1902. Geheilt.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie und war stets
gesund. Sommer 1900 Appetitlosigkeit und häufige Übelkeit. Seit
November 1900 Anfälle von Schmerzen im Epigastrium und Rücken,
danach Ikterus, der nach einigen Tagen verschwand. Im Sommer 1901
Häufung der Anfälle, die Gelbfärbung ging nicht mehr weg, der Urin
blieb braun, jetzt gesellte sich auch Schüttelfrost dazu, Erbrechen war
nur 2 mal da. Der Appetit war wechselnd, meist schlecht, sodass Pat.
viel an Gewicht verloren hat.
Befund: Grosse, schwach ikterische Frau in noch immer gutem
Ernährungszustand. Chronische Bronchitis. Leber reicht bis Nabel-
höhe, Gallenblase nicht zu tasten, keine ausgesprochene Druckempfind-
lichkeit. Urin enthält Spur von Albumen, deutlich Gallenfarbstoff.
Diagnose: Chronischer Choledochusverschluss durch Stein. Chro-
nische Cholangitis. Carcinom unwahrscheinlich.
— 288 —
Operation: 3. 1. 02. (Anwesend Herr Dr. Wessel-Düsseldorf.)
Wellenschnitt. Gallenblase gross, mit Duodenum verwachsen. Aspi-
ration von viel Galle. Freilegung des Choledoohus zwecks Incision.
Dabei starke, venöse Blutung, zahlreiche Unterbindungen. Es gelingt,
einen Stein von dem Umfang einer sehr grossen Walnuss, der im supra-
dnodenalen Teil liegt, durch den weiten Cysticus in die Gallenblase zu
schieben. Ein zweiter, haselnussgrosser Stein von zackiger Beschaffen-
heit liegt retrodnodenal, lässt sich hochdrtickeu und ebenfalls in die
Gallenblase schieben. Pankreaskopf induriert. Bei näherer Betrachtung
stellt sich heraus, dass die Gallenblase am Cysticus eingerissen ist.
Von hier aus wird die Uterussonde in den Choledoohus vorgeschoben
und der Gang auf der Sonde gespalten. Weitere Steine werden nicht
gefühlt. Es kommt ein Drain von dem Cysticusschnitt aus in den
Choledochus resp. Hepaticus, ein zweites in die Gallenblase. Diese wird
mit 2 Seidendraht-Suturen am Perit. parietale lateral befestigt. Die
Gegend am Choledochus, das Foramen Winslowii wird reichlich tam-
poniert. Naht der übrigen Bauchwunde. Dauer der Operation 1 Stunde.
Gute Chloroformnarkose. Es läuft Galle in die Flasche.
Verlauf: Anfangs Pneumonie. Gallenfluss reichlich bis 500 gr.
pro die. 13. 1. erster Verbandwechsel, seitdem täglich Ausspülung
von Hepaticus und Choledochus. Die Galle ist trübe, mit Schleim und
Eiterflocken und mit weichen Krümeln bis zu Linsengrösse vermischt.
Mehrmals wird durch Einlegen eines Laminariastiftes die äussere
Fistel erweitert und nach einem Steine gesucht, den man als Ursache
der dauernden Entzündung vermutet : doch ohne Erfolg. Stöpsel-
experiment am 22. 2. ergiebt die Durchgängigkeit des Choledochus,
später genügt lockere Tamponade, um die Galle in den Darm laufen zu
lassen. Am 14. 3. wird Pat. in diesem Zustand bei gutem Allgemein-
befinden nach Hause entlassen. Am 12. 4. ist die Fistel laut brief-
licher Mitteilung völlig geschlossen.
Epicrise: Die Diagnose stimmte, obg-leicli eigentliche
Koliken fehlten. Die Ausräumung des Choledochus von der
Gallenblase aus gelang. Der Cysticus war enorm erweitert,
vielleicht Cysticus-Choledochusfistel. Trotzdem möchte ich das
Rose-Kuhn'sche Verfahren nicht empfehlen, da man leicht
Steine im Hepaticus und retroduodenalen Teil des Choledochus
übersieht. In meinem Falle konnte ich mich durch den Cysticus-
Choledochusschnitt, der noch extra drainiert wurde, von dem
Freisein der Gallengänge überzeugen. Pat. ist zur Zeit völlig
ohne Beschwerden. Ich mache besonders auf die Schwierig-
keiten der Nachbehandlung aufmerksam; man muss oft lange
spülen, ehe die Galle klar wird. Bemerkenswert ist, dass eine
leichte Tamponade der äusseren Fistel genügte, um der Galle
den Weg nach dem Darm zu weisen.
— 289 —
Nr. 140. A. 0, 51 j. Hauptsteueramtsrendantenfrau aus Schie-
velbein (Pommern).
Aufgen.: 1. 8. 1900.
Operiert: 3. 8. 1900. Ectomie. Ausräumung des
Choledochus nach Rose -Kuhn. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 1. 10. 1900. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Belang.
Seit einigen Jahren leidet Pat. an „Magenkrämpfen", Schmerzen,
die in der Magengrube beginnen und nach dem Rücken hin aus-
strahlen; dieselben waren nicht allzu stark, Erbrechen ist nie dabei
aufgetreten. Die Anfälle wiederholten sich etwa alle 2—3 Monate.
Vor ca. 5 Monaten hatte sie nachts einmal dieselben Schmerzen
sehr heftig, am nächsten Morgen bemerkte sie, dass sie gelb war.
Kein Erbrechen, Fieber nicht beobachtet. Die Gelbsucht schwand bald
wieder, doch wiederholten sich die Anfälle, wenn auch in geringerem
Grade, alle 5—6 Tage, stets ohne Erbrechen, aber mehrmals mit Gelb-
sucht.
Seit etwa 8 Wochen ist die Gelbsucht dauernd da, Pat. hat sehr
starkes Hautjucken, die Schmerzanfälle sind gering und äussern sich
nur durch ein leichtes Druckgefühl. Gestern letzter Anfall, dieser
wieder sehr heftig mit Erbrechen, sodass zum erstenmale Morphium
gegeben wird.
Herr Dr. Abend- Wiesbaden empfiehlt Pat. hierher.
Befund: Bis auf Schmerzhaftigkeit in der Gallenblasengegend
negativ. Ikterus mit starkem Hautjucken. Im Urin Gallenfarbstoflf,
kein Eiweiss oder Zucker. Temperatur 37,2. Puls 76.
Diagnose: Choledochusverschluss durch Stein (Pankreas ganz
gesund?).
Operation: 3. 8. 1900. Wollenschnitt. Lösung von Verwachsungen
zwischen Gallenblase und Netz, Gallenblase geschrumpft, Pankreas
in toto vergrössert und steinhart. Bei der Palpation findet sich
ein Stein im Clioledoclms, der dabei durch den weiten Cysticns
iu die Oallenblase hinanfrückt. Die (xallenblase wird eröffnet und der
Stein eutfernt. Von dem Schnitt in der Gallenblase aus wird durch
den Cysticus hindurch der Choledochus sondiert und auf der Sonde
gespalten. Aus dem Hepaticus fliesst trübe Galle. Enfernung der
Gallenblase, isolierte Unterbindung der A. cystica und Drainage des
fingerdicken Hepaticus. Tamponade des Leberbettes und Schluss der
Bauchdecken in gewöhnlicher Weise.
1 stündige Operation. Chloroformnarkose (120 gr). Abends 37,3.
Verlauf: Bis 16. 8. völlig normal.
17. 8. Verbandwechsel. Entfernung der Gazetampons und des
Schlauches. Die Fäden haben sich abgestossen. Herausnahme der
der Nähte.
20. 8. Täglich Verbandwechsel. Fieberfreier Verlauf.
24. 8. Steht heute etwas auf. .
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 1"
— 290 —
25. bis 30. 8. Täglicher Verbandwechsel, weil viel Galle läuft; doch
ist der Gallenfluss in den letzten Tagen geringer geworden. Schlaf gut,
Appetit leidlich, Ikterus fast geschwunden. Urin hell, Stuhlgang
noch grau.
1. bis 7. 9. Gallenfluss geringer. Wunde fast geschlossen. Stuhlgang
etwas gefärbt.
7. bis 10. 9. Der Verband bleibt trocken, Stuhlgang ganz braun,
Ikterus fort. Fat. wird mit geheilter Wunde und in bester Gesundheit
am 1. 10. entlassen.
E p i c r i s e : Fälle wie der obige gehören zu der unangenehmen
Sorte. Das Steinleiden im Choledochus compliziert sich mit
Pankreatitis chronica. Durch Entfernung der Steine imd Drainage
des Hepaticus hofft man auch die Kückbildung der Pankreatitis
zu bewirken. Gelingt das nicht, so behält Pat. eine Gallenfistel.
Hat man nicht ectomiert, so kann man später eine Cholecyst-
Enterostomie ausführen. Aber-bei der Cystostomie ist die Drainage
des Gallensysteras nur ungenügend, die Pat. behalten ihren Stein
im Choledochus, der oft erst nach der Cystectomie entdeckt wird.
Es gelang in diesem Fall den Choledochusstein nach Rose
von der Gallenblase aus zu entfernen; da aber aus dem He-
paticus trübe Galle abfloss, fügte ich noch die Hepaticusdrainage
hinzu, um ganz sicher die Cholangitis zur Ausheilung zu
bringen, ßose's Verfahren ist sehr unvollkommen und wenig
empfehlenswert.
h) Die Drainage des ductus hepaticus und des ductus choledochus.
Nr. 141. L. D., 52j. Bäckermeistersfr.iii aus Duderstait.
Aufgen.: 26. 4. 1904.
Operiert: 29. 4. 1904. Ectomie. Hepaticus- und
Choledochus-Drainage. Beseitigung einer Gallen-
blasen-Duodenalfistel.
Entlassen: 14. 6. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. bat 6 gesunde Kinder, 2 Säuglinge sind ge-
storben. Mutter starb an Brustkrebs, Vater an Luiigenschlag, 4 Brüder
sind gesund. Vor 5 Jahren hatte Pat. einen schweren Typbus. Seit
dem 20. Jahre will sie magenleidend sein, d. b. an Aufstossen und
Magenschmerzen leiden. Vor etwa 4^/4 Jahren, zu Beginn der letzten
Schwangerschaft, konnte Pat. eines Nachts wegen eines starken Haut-
juckens fast nicht schlafen, am andern Morgen merkte sie, dass sie
am ganzen Körper, auch in den Augen, etwas gelb geworden war.
Schmerzen hat sie damals gar nicht gehabt. Eine leichte gelbe Haut-
— 291 —
färbe hielt dann fast dauernd an, der Urin war meistens dunkel, der
Stuhlgang meist entfärbt. Einige Monate vor der Entbindung bekam
Fat. abends gegen 8 Uhr einen äusserst heftigen Kolikanfall, die
Schmerzen strahlten vom Magen nach dem Rücken hin aus, Fat. konnte
nicht liegen, nur ganz gekrümmt sitzen. Vor dem Anfall erbrach sie
mehrmals. Der zugezogene Arzt hielt die Schmerzen für Wehen,
machte keine Morphiuminjektion, sondern bestellte die Hebamme. Der
Mann der Fat. machte ihr andauernd ganz heisse Umschläge, worauf
dann gegen 4 Uhr morgens die Krämpfe aufhörten, die Schmerzen
hielten aber noch einige Tage an. Nach dem Anfall trat stärkere
Gelbsucht als bisher auf. Einige Tage später ein etwas leichterer
und kürzerer Anfall. Vor der Entbindung, die 2 Monate später normal
und leicht von Statten ging, noch ein leichter Anfall. Kurz nach der
Entbindung noch 2 Kolikanfälle. Vor 3 Jahren trat dann wieder
Gelbsucht auf, ohne Schmerzanfall ; während der Zeit schlaflose Nächte,
da das Hautjucken äusserst hartnäckig auftrat. Herr Dr. Röhrig-
Duderstadt verordnete Karlsbader Salz, das Fat. aber wenig einnahm,
da es ihr nicht bekam. Kolikanfälle hat Fat. dann nicht wieder gehabt,
wohl aber Gelbsucht in bald längeren, bald kürzeren Zwischenräumen,
ihr Urin war nur selten hell, der Stuhlgang fast stets entfärbt. Der
Appetit war ausser bei stärkerer Gelbsucht immer gut, an Gewicht
will Fat. nicht abgenommen haben. Vor 3 Jahren schon stellte Herr
Frofessor Dam sch-Göttingen Gallensteine fest, Herr Dr. Bertram
schickt jetzt die Fat. zur Untersuchung und event. Operation.
Befund: Elende, grau aussehende Frau mit vielen Kratzspuren
an den unteren Extremitäten. Leber gesenkt , fester als normal,
Schmerzen in der Mittellinie bei Falpation. Urin frei. Am Herzen
ein blasendes systolisches Geräusch. Kein Fieber,
Diagnose: Steine im ductus choledochus.
Operation: 29. 4. 04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. 50 gr.
Wellenschnitt. Leber gesenkt, ziemlich hart. Bei Freilegung der
Gallenblase quillt reiner Eiter aus der Tiefe hervor. Gallenblase klein,
zeigt nirgends eine Ferforation. (Es handelt sich um eitrige Feri-
cholecystitis ohne Ferforation.) Zwischen Gallenblase und Duodenum
eine sehr feste Verbindung, wahrscheinlich obliterierte Gallenblasen-
Duodenaifistel (Fig. 15 bei a). Trennung mit Eröffnung der Gallenblase.
Aus ihr tritt trübe Galle, und viele kleine schwarze Steine kommen zum
Vorschein. Am Duodenum entsteht ein Defekt in der Serosa. 3 Nähte.
Im Cysticus und Choledochus grosse Steine. Der Schnitt beginnt am
Cysticus, geht im Bogen über den Choledochus hinweg und endet
dicht am Duodenum. Hier wird ein sehr stark blutendes Gefäss (wahr-
scheinlich die art. cystica accessoria) angeschnitten. Schwierige Blut-
stillung. Die Steine werden teils in Trümmern, teils ganz entfernt.
Choledochus ist selir erweitert. Gallenblase, Cysticus und Choledochus
bilden gowissermassen einen Sack, in den der sehr enge Hepaticus
hineinmündet. Auch der retroduodenale Teil des Choledochus ist sehr
erweitert. Drainage des Choledochus bis zur Fapille und des Hepaticus
19*
292
mit je einem starken Nelaton-Katheter. Vernähung der Choledochus-
incision bis auf die Durchtrittsstelle der Katheter. Ectomie der
sehr morschen Gallenblase.
'*■ ■ 3 Tampons. Die Duodenal-
naht bleibt ausserhalb der
Tamponade. NahtderBauch-
wunde. Dauer der Operation
1 Stunde.
Die Figuren 15 und 16 er-
läutern den Befund vor und
nach der Operation.
Verlauf: Gänzlich fieber-
frei. Galle läuft neben dem
Rohr in den ersten Tagen
etwas in den Verband, in
die Flasche täglich 200 bis
300 gr.
Am 7. 5. Entfernung der
Schläuche, da bereits die
mit Galle durchtränkten
Tampons sich sehr leicht
entfernen lassen.
Weiterer Verlauf voll-
kommen normal.
14. 6. Geheilt entlassen.
Epicrise: Die erste Choledochotoniie nach dem Chirurgen-
kongress 1904. Von einem Umkippen der Leber und einem
Operieren vor der
Bauchwunde konnte
gar keine Rede sein.
Die Entfernung der
Steine bot die gröss-
ten Schwierigkeiten,
und wenn man sich
derWorteßiedel's
erinnert, wie leicht
und einfach die Cho-
ledochotomie sei, so
weiss man wirklich
nicht, was man zu
einem solchen Aus-
spruch sagen soll. Das war ungefähr meine 220. Choledocho-
toniie, und doch hatte ich die grössten Schwierigkeiten zu über-
a) Obliterierte Gallenblasen-Duodenalflstel.
b) Art. cystica.
c) Sehr starkes, den Choledochus kreuzen-
des Gefäss (Art. cystica accessoria?)
d) Papilla duodeni.
e) Sehr enger ductus hepaticus.
Fig. 16.
- Rohr im engen Hepaticus.
Rohr im erweiterton
Oholedochus.
— 293 —
winden und war froh, wie ich die Steine heraus hatte. Gallen-
blase, Cysticus und Choledochus bildeten gewissermassen einen
Sack, in den der schwer auffindbare Hepaticus einmündete.
Jfr. 14'i. A. M., 31 j. Bergmannsfrau aus Etgersleben b. Völpke.
Aufgen.: 30. 11. 1902.
Operiert: 7. 12. 1902. Ectoniie. Cysticectomie.
Hepaticusdrainage. Choledochusdrainage.
Entlassen: 9. 1. 1903. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Cupey in Völpke, welcher die Pat. zur
Klinik schickt, schreibt uns:
„Überbringerin dieser Zeilen, die Bergmannsfrau M. aus Etgers-
leben, Hess mich am 21. November wegen Magenkrämpfe rufen; bei
der Untersuchung fand ich eine prall gespannte, über hühnereigrosse,
äusserst schmerzempfindliche Gallenblase, beginnenden Ikterus und
Stuhlverhaltung; ich diagnostizierte Choletithiasis, Choledochusver-
schluss und Cholecystitis, verordnete heisse Unischläge, Karlsbader
Salz und empfahl Operation, da Pat. arm und auf ihrer Hände Arbeit
angewiesen ist. —
Am 25. November starker Ikterus, Urin und Faeces charakte-
ristisch gefärbt. Fieber. Gallenblase vreniger schmerzempfindlich und
noch derartig vergrössert wie am 21. November. — Pat. willigt in die
Operation. —
Am 29. November fieberfrei, Allgemainbefindon besser, Gallenblase
nicht mehr prall, aber hart anfühlbar, besondere Druckempfitidlichkeit
nach der Mittellinie zu. Starker Ikterus, Hautjucken, bisher kein Steiu-
abgang.
Da ich unter den bestehenden Verhältnissen die Operation für
angezeigt halte, erlaube ich mir, Ihnen die Kranke zur Behandlung zu-
zuschicken." '
Pat. gibt noch an, schon vor 4 Jahren während einer Gravidität
mehreremale Anfälle von Magenkrämpfen gehabt zu haben, welche jedes-
mal mit Erbrechen endeten. Dieselben wiederholten sich während der
letzten Schwangerschaft im Laufe des Sommers (Pat. vor 4 Monaten
entbunden). Pat. hatte hier kein Fieber. Der Stuhl war farblos. Steine
sind in demselben nicht gefunden worden. Der Ikterus schwankte
während der Beobachtungszeit (8 Tage) etwas in der Intensität. Im
Urin ausser Gallenfarbstoff keine abnormen Bestandteile.
Diagnose: Akuter Choledochusverschluss.
Operation: 7. 12. 02. Wellenschnitt. Gallenblase sehr gross, mit
Netz verwachsen, enthält trübe Galle in grosser Menge. Aspiration nach
Lösung "der Verwachsungen. Ectomie. Spaltung des Cysticus. Ex-
cision des Cysticus. Choledochotomie. Viele kleine Steine (ca. 10) im
Choledochus duodenalwärts. Pankreas verdickt. Drainage des Chole-
— 294 — •
dochns mit Nelaton. Drainage des Hepaticus mit dünnem Rohr. Es
fiiesst viel Galle. Tamponade. Naht. Dauer der Operation '/« Stunde.
Gute Narkose. (Herr Dr. Auerbach).
Verlauf: Fieberfrei.
20. 12. Erster Verband. E]s ist Galle bis gestern gelaufen. Ent-
fernung sämtlicher Tampons und sämtlicher langer Fäden. Es blutet
ziemlich reichlich aus den Granulationen. Tamponade. Entfernung der
Hautnähte.
24. 12. Sehr tiefer Wundtrichter, der schräg nach oben unter die
Leber verläuft. Es ist nicht möglich, die Choledochus-Oeflfnung za
finden. Galle läuft sehr stark.
27. 12. 02. Wundtrichter verkleinert sich sehr rasch. Galle läuft noch.
6. 1. 03. Verband seit 2 Tagen trocken.
7. 1. 03. Gallenfluss versiecht. Gang in der Tiefe verschlossen.
Es besteht noch eine kleine granulierende Stelle.
9. 1. 03. Wird nach Hause entlassen.
Epicrise: In diesem Fall wurde sowohl der Hepaticus
als auch der Choledochus drainiert. Ausnahmsweise war es
hier nicht möglich, die Gallengänge bei der Nachbehandlung
zu spülen, sie lagen zu versteckt.
Nr. 143. E. W., 38j. Superintendentenfrau aus Beeskow.
Aufgen.: 6. 8. 1901.
Operiert: 8. 8. 1901. Ectomie. Hepaticusdrainage.
Choledochusdrainage.
Entlassen: 18. 9. 1901. Geheilt.
Anamnese: Fat. hat seit einigen Jahren fast dauernd be-
sonders nach dem Essen Schmerzen im rechten Oberbauch und Rücken
gehabt, ohne viel Wert darauf zu legen. Im letzten Winter waren die
Schmerzen heftiger als zuvor.
Ende April d. J. hatte sie zum erstenmale eine Kolik: Schüttel-
frost, Erbrechen, Schmerzen, bohrend und brennend, erst in der Mittel-
linie, dann in der Lebergegend und im Rücken, Beklemmung, damals
noch kein Ikterus. Die Koliken kamen in Pausen von 8—14 Tagen,
dauerten 6—12 Stunden, seit Mai trat nach jeder Kolik Ikterus mit
lehmfarbenem Stuhl auf. Nach Steinen ist nie gesucht worden.
Im Mai— Juni trank sie zu Hause 3 Wochen lang Karlsbader
Wasser, aber ohne Erfolg, danach ging sie zur Erholung nach Suderode,
doch fühlte sie auch hier keine Linderung und entschloss sich zur
Operation. Sie hat seit April ca. 20 Pfd. abgenommen und ist sehr
schwach geworden. Den letzten Anfall hatte sie vor 8 Tagen.
Befund: Gracil gebaute Frau von ikterischer Gesichtsfarbe,
Skleren nicht ikterisch. Herz und Lungen gesund. Puls und Temperatur
— 295 —
normal, ürin enthält Gallenfarbstoff, kein Eiweiss, keinen Zucker.
Leib weich, flach. In der Gallenblasengegend fühlt man einen un-
deutlichen, druckempfindlichen Tumor.
Diagnose: Steine im Choledochus (augenblicklich latent). Chro-
nische Cholecystitis (Hydrops der Gallenblase).
Operation: 8. 8. 1901. Wellenschnitt. Gallenblase mittelgross,
ohne Verwachsungen, wandverdickt, enthält im Cysticus einen Stein.
Im Choledochus 3 Steine von ^ji cm. Durchmesser. Hepaticnsdrainage.
Drainage des Choledochus dnodeualwärts. Ectomie. Gallenblase sehr
entzündet, wandverdickt. Dauer der Operation 47 Minuten. Gute
Chloroformnarkose.
Verlauf: 8. 8. Abends 37,1.
9. 8. 37,2, Kein Erbrechen. Urin spontan. 37,2.
10. 8. 37,0. Blähungen im Gange.
Verlauf fieberfrei, Gallenfluss täglich 450—500 gr.
13. 8. Abführen. Wechsel der oberen Verbandschichten.
18. 8- Herausnahme der Tampons. Ausspülung des Choledochus
und Hepaticus.
19. 8. Verbandwechsel.
20. 8. Verbandwechsel. Herausnahme der Nähte und Fäden.
Ausspülung.
21. 8. Verbandwechsel. HerausspUlnng zweier erbsengrosser
Steinchen.
22. 8. Wechsel der oberen Schichten.
23 8. Gallenfluss geringer. Stuhl dunkelbraun.
24. 8. Verband fast trocken. Entfernung der Gaze. Der Chole-
dochusschnitt ist schon verklebt. Nochmalige Aasspfilang, bei der ein
kleiues Konkrement zum Vorschein kommt. Erneute Tamponade.
5. 9. Noch täglich Verbandwechsel.
13. 9. Verband heute sehr stark durch. Wechsel. Feste Tampo-
nade der Fistel. Verlband.
14. 9. Verband trocken.
15. 9. Ebenfalls. Fat. fühlt sich sehr wohl.
18. 9. Geheilt entlassen.
Epicrise: Der Ikterus war sehr wenig ausgesprochen;
trotzdem fanden sich drei Steine im Choledochus, die den Gang
ziemlich ausfüllten. Die Choledochussteine machten zur Zeit
keine Beschwerden, die Schmerzen waren auf die Cholecystitis
zurückzuführen. — Wie gering der Druck der Galle im Chole-
dochus ist, beweist die Tatsache, dass, sobald man die äussere
Fistel mit einem Gazestreifen etwas fest ausstopft, sofort
sämtliche Galle in den Darm abfliesst, und kein Tropfen in
den Verband gelangt.
— 296 —
i) Die Drainage des ductus hepaticus und des ductus
choledochus durch die Papille hindurch bis in das Duodenum.
Nr. 144. K. H., 34 j. Arbeitersfrau aus Neundorf.
Aufgen.: 23. 6. 1904.
Operiert: 25. 6. 1904. Ectomie. Cysticotomie. Cysti-
cectomie. Hepaticus- und Choledochusdrainage.
Duodenotomie. Choledochusfege. Hepatopexie.
Entlassen: 2. 8. 1904. Geheilt.
Anamnese: P. ist verheiratet^ sie hat 5 mal geboren, 2 Kinder
leben. Sie ist immer gesund gewesen.
Vor 6 Jahren Anfall von heftigen kolikartigen Schmerzen in der
Oberbauchgegend, die bis in den Rücken ausstrahlten., dabei sehr viel
galliges Erbrechen, Atemnot, Angstgefühl. Keine Gelbsucht. Nach
einigen Tagen fühlte sich Fat. wieder völlig wohl und war frei von
Anfällen bis vor 2 Jahren.
Vor 2 Jahren wiederum ein Anfall, diesmal hauptsächlich von
heftigen drückenden Schmerzen in der Gegend der Magengrube und
im Rücken. Vor VJ2 Jahren während der letzten Hälfte der letzten
Schwangerschaft sehr häufige Anfälle von drückenden Schmerzen in
der Magengrube, Atemnot und Angstgefühl. 3 Wochen nach der Ent-
bindung, August 1903, ein neuer, heftiger Anfall und noch zwei weitere
bis Weihnachten 1903.
Seit Weihnachten 1903 andauernde, sehr quälende, drückende
Schmerzen in der Magengrube und Atembeschwerden. Ab und zu
kurze Anfälle von heftigeren Druckschmerzen, in den letzten 14 Tagen
z. B. zweimal. Nach Weihnachten stellte sich nach einzelnen An-
fällen leichte Gelbsucht ein, die teilweise sogar intensiv gewesen sein
soll. In letzter Zeit ist die Gelbsucht wieder geringer geworden,
aber noch deutlich vorhanden. Seit 14 Tagen besteht Hautjucken.
Urin war fast immer dunkel, Stuhl nach den Anfällen weiss, stark
angehalten. Bei den Anfällen bestand angeblich höheres Fieber. Vor
8 Tagen nach dem letzten Anfall wurden mehrere kleine, unregel-
mässig geformte Gallensteinchen im Stuhl gefunden. Appetit ist
gering. An Körpergewicht hat Fat. seit I'/a Jahren 26 Pfund ab-
genommen.
Befund: Elende, massig ikterische Frau. Leber steht tief,
Gallenblase als undeutlicher, schmerzhafter Tumor tastbar. Druck-
schmerz in der MitteUinie. Urin enthält Gallenfarbstoff, sonst frei.
Diagnose: Chronischer Choledochusverschluss.
Operation: 25. 6. 04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose, 70 gr.
Dauer der Operation l*/« Stunden. Wellenschnitt. Leber gesenkt.
Magen gross. Pylorus weit. Gallenblase mittelgross, verdickt, mit
Netz verwachsen, enthält Steine. Ectomie. Quere Abtragung des
Cysticus. Spaltung des Cysticus bis in den Choledochus hinein.
Entfernung des Cysticus (Cysticectomie). Retroduodenal fühlt man
297
2 grössere und einige kleinere Steine. Von der Incision im snpradao-
denalen Teil lassen sie sich nicht entfernen, obwohl es möglich ist,
den Choledochus in das Niveau der Banchwunde emporznziehen. Des-
halb Dnodenotomie durch qnere Incision. An beiden Seiten der Pa-
pille werden 2 König'sche Klemmen angelegt und die Papille hoch-
gezogen. Gehörige Absperrnngstaoiponade. Mit der Kornzange lassen
sich 2 Steine von der Papille aus entfernen. Die übrigen werden
durch Choledochusfege herausbefördert. Eine Kocher'sche Bruchsack-
Klemme wird durch die Papille so in den ChoJedochus eingeführt,
dass sie aus der Incision im siipraduodenalen Teil zum Vorschein
kommt. 4 Mal wird feuchte Gaze durchgezogen und so der Choledochus
ausgefegt, wobei stets kleine Steine und Steintrümmer zum Vorschein
kommend Dann Vernähnng der Dnodenal-Incision. Darüber ein Zipfel
des grossen Netzes, der durch 2 Suturen fixiert wird. In den Choledochus
wird duodeualwärts
Fifir- n. ein Gnmmirohr so ein-
geführt, dass es durch
die Papille hindurch-
geht und noch 2 cm.
im Darm liegt. Durch
eine Naht wird es bei
der supraduodenalen
Incision an der Chole-
dochnswand befestigt.
Der Cysticus mündet so
tief, dass es nicht ge-
lingt, den Hepaticus
zu drainieren. Wegen
möglicher Verletzung
der Art. gastroduode-
nalis wird auf eine Er-
weiterung der Choledo-
chnsincision duodeual-
wärts rerzichtet und
das Choledochusrohr
da, wo es umbiegt, mit
einem Loch versehen,
damit die Galle durch
dieses Loch in das Rohr
und weiter in das Duo-
denum fliessen kann.
(Siehe Fig. 17.) Was-
serdichte Naht um das
Rohr herum. Hepato-
pexie mit 3 Suturen,
(darunter Draht). ' 3 Tampons auf Leberbett, oberhalb des Rohres und
medial von demselben. Naht der Bauchwand. Die exstirpierte Gallen-
blase ist wandverdickt, im Hals ulceriert, enthält 3 haselnussgrosse Steine.
aai Papilla duodeni, bbibn Choledochusrohr, bei bi
Öffnung für den Durchtritt der Galle.
— 298 —
Die Untersuchung in Marburg ergibt folgenden Befund:
Die Gallenblase ist S'/a cm. lang, enthält eine pfennigstückgrosse
Narbe an der hinteren Wand. In der oberen Hälfte befindet sich ein
anscheinend in Vernarbung begriffener Defekt.
Die mikroskopische Untersuchung der herausgeschnittenen Stücke
zeigt überall ein gut erhaltenes hohes Epithel, an einzelnen Stellen
eine starke Anhäufung von Schleimdrüsen; mehrfach sieht man auch
die ganze Muskulatur durchsetzend ziemlich breite mit Cylinderepithel
versehene Gänge.
Verlauf: Völlig fieberfrei. Puls anfänglich etwas klein, vom
2. Tage an kräftiger.
27. 6. Viel Galle und Darminhalt In der Flasche. Verband gänz-
lich trocken. Gutes Befinden.
29. 6. Die Urinflasche, welche die Galle auffängt, war in den
letzten 24 Stunden 5 Mal mit Flüssigkeit gefüllt; es wurde also fast
aller Magen- und Darminhalt ausgehebert.
30. 6. Die Flasche war 7 Mal gefüllt (innerhalb 24 Stunden).
Obwohl die Pat. durch das Ausfliessen des Magen- und Darminhalts
nicht erheblich geschwächt wurde, wurde doch das Rohr zugeklemmt,
um einer drohenden Inanition vorzubeugen. Der Verband blieb
trocken und das Befinden besserte sich. Keine Temperaturerhöhung.
Weiterhin Verlauf normal.
2. 8. 04. Geheilt entlassen.
Epicrise: In diesem Fall hat die Choledochusfege*)
sich bewährt und Steine aus dem retroduodenalen Teil des
Choledochus herausbefördert, die mit Kornzange etc. schwer zu
fassen waren. Da das Drain bis in das Duodenum geführt
war, entleerte es grosse Mengen Darminhalt. Obwohl damit
für die Operierte nicht der geringste Schaden erwächst, werde
ich in zukünftigen Fällen nur bis an die Papille und nicht
über diese hinaus drainieren.
Nr. 145. S. E., 58 j. Landgerichtsrat aus Leipzig.
Aufgen.: I. 2. 6. 1902. IL 2. 11. 1903.
Operiert: I. 4.6. 1902. Hepaticusdrainage. Cystostomie.
IL 23. 11. 1903. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Choledochusdrainage. Choledocho-Duodenostomia int.
Entlassen: L 19. 8. 1902. IL 14. 1. 1904. Geheilt.
Anamnese: Vor 10 und 8 Jahren je ein Anfall heftiger Schmerzen
in der rechten Seite und im Rücken. März 1901 nach einigen Tagen
leichten Unbehagens heftige Kolik mit Schüttelfrost und Fieber,
8 Tage anhaltend. Leberschwellung. Kur in Karlsbad, die Leber
soll wieder abgeschwollen sein. Januar 1902 allgemeines Unbehagen
*) Zuerst beschrieben im Centralblatt für Chirurgie. 1904. Nr. 28.
— 299 —
und Zustände psychischer Depressioa, als ob seine körperlichen und
geistigen Kräfte schwänden. Ende Februar 1902 plötzlich Ikterus,
Appetitlosigkeit, Gefühl von Völle im Magen. Abnahme des Körper-
gewichts. Vorübergehende Besserung. Kur bei Herrn Dr. Oeder in
Niederlössnitz mit leidlichem Erfolge, doch blieb Ikterus und Fieber
bestehen. Herr Med.-Rat Dr. Lindner stellte die Diagnose auf Chole-
dochusstein, Herr Dr. Oeder schickt den Fat. hierher.
Befund: Abgemagerter, leicht ikteriseher Mann. Urin enthält
.Gallenfarbstoff, sonst ist er frei. Leber massig vergrössert, Druck-
empfindlichkeit in der Gallenblasengegend.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 4. 6. 02. (Anwesend Herr Dr. Eggers-Grand
Forks). Wellenschnitt. Gallenblase geschrumpft, mit Netz verwachsen,
wird gelöst. Leber unmerklich vergrössert. Gallenblase ohne Flüssig-
keit, enthält ca. 200 Steine, darunter einige grössere. Choledochus
vollgepfropft mit Steinen, ein walnussgrosser, ganz unverschieblich
hinter dem Duodenum, lässt sich nur mit Mühe aus der Choledochus-
inoision herausdrücken. Ein zweiter grosser steckt im Hepaticus in
der Nähe der Bifurkation. Sobald er gefasst wird, stürzt eine Menge
fast klarer Galle hervor. Zwischen den beiden grossen im supraduo-
denalen Choledochus ca. 20 kleinere Concremente. Hepaticusdrainage.
Die Ectomie wird begonnen, es stellt sich aber heraus, dass der Gallen-
blasenhals sehr verdickt ist und sich schwer isolieren lässt. Es wird
deshalb die Ectomie abgebrochen und das Leberbett tamponiert, die
Cystostomie mit Schlauch gemacht (Schlauchverfahren). Ringsum
Tamponade, ebenso ins Foram. Winslowii, oberhalb des Lig. hepato-
duodenale, am Choledochusschnitt. Bauchnaht. Dauer der Operation
45 Min. Gute Chloroformnarkose, Anfangs geringer Collaps.
Verlauf: In den ersten Tagen Bluterbrechen, Magenspülungen,
Kochsalzinfusionen. 16. 6. Entfernung der Tampons und Rohre. Aus-
spülung des Hepaticus entleert neben kleineren Krümeln 2 erbsen-
grosse Steine. Anfangs täglich Verbandwechsel, später seltener. Die
Heilung wird durch rechtsseitige trockene Pleuritis verzögert. Geheilt
entlassen 19. 8. 02.
Epicrise: Bemerkenswert ist an diesem Pralle das Fehlen
des Ikterus, obwohl der Ch iledochus mit Steinen vollgepfropft
war, und das Fehlen der eigentlichen Koliken. Die Entzün-
dung war im Augenblick, als ich operierte, ziemlich erloschen
(Galle fast klar). Ich glaube, dass in den meisten Fällen der
Ikterus auf eine Infektion zurückzuführen ist. — Die zuerst
geplante Ectomie endete als Cystostomie, man soll seine Ein-
griffe nicht forcieren, sonst schadet man dem Patienten. —
Nach seiner Entlassung fühlte Fat. sich bis Weihnachten
wohl, hatte aber öfter das Gefühl, dass doch noch nicht Alles mit ihm
in Ordnung wäre. Nach Weihnachten ab und zu Unbehaglichkeits-
— 300 —
gefühl, Neigung zu Frostgefühl. Am 2. März 1903, nach grösserer
Anstrengung am Tage vorher, plötzlich starker Schüttelfrost, der ein
paar Stunden dauerte. Danach zwei Tage Mattigkeit.
Ende Mai 2. Schüttelfrost abermals nach grösserer Anstrengung.
Weitere Schüttelfröste am 7, Juni, diesmal ohne vorherige körper-
liche Anstrengung. Ferner am 4. August, danach Spur Gelbsucht,
Gefühl von Jucken am Körper. Am 26/27. August weiterer Schüttel-
frost. Die letzten beiden im Sanatorium von Herrn Dr. K o th e in Fried-
richroda, wo Fat. 5 Wochen sich aufhielt. Während dieser Zeit Gewichts-
abnahme von 8 Pfund. Temperatur einmal im Anfall 40". Am 13. Ok-
tober heftiger Schüttelfrost, am nächsten Tag Gelbsucht. Stuhl grau,
Urin dunkel. Stärkeres Hautjucken. Konsultation bei Herrn Professor
Cur seh mann, der wegen Katarrhs der Gallenwege Diät, Ruhe und
Trinken von Neuenahrer Sprudel verordnete.
23. Oktober wieder Schüttelfrost, weiter am 29. Oktober. Beide-
mal einige Tage Gelbsucht. Im. Stuhl keine Steine, sehr viel Bakterien.
Letzter Schüttelfrost am 31. Oktober, danach keine Gelbsucht,
vielmehr fühlte Fat. nach diesem Anfall zum ersten Male eine gewisse
Erleichterung. Stuhl wurde nicht untersucht.
Appetit während der Anfälle schlecht, in letzter Zeit besser.
Während der Anfälle Stuhlverstopfung. Körpergewicht hat sehr ab-
genommen. In den letzten Wochen ab und zu Magendruck nach
dem Essen und Aufstossen.
Befund: Fat. sieht gut aus. Ticib weich. Narbe fest, keine
Hernie. Leber etwas vergrössert. Keine Druckempfindlichkeit in der
Gegend der Leber und der Magengrube. Kein Ikterus, nur die Con-
junktiven zeigen ganz leichten gelblichen Schimmer. Stuhl braun,
regelmässig, täglich 1 mal. Urin frei.
Verlauf: 6. 11.03. Bisher völliges Wohlbefinden. Heute Abend
plötzlich Schüttelfrost, Temp. 39,4. Abends 8 Uhr 40,0. Keine Schmer-
zen, Lebergegend nicht druckempfindlich, ebensowenig Magengrube.
7. LI. 03. Nachts ziemlich guter Schlaf. Fat. fühlt sich wieder
ganz wohl, nur Appetit ist noch gering. Conjunktiven heute deutlich
gelb. Stuhl grau. Urin enthält Gallenfarbstoff". Temp. M. 36,8,
Ab. 36,8.
8. 11. 03. Völliges Wohlbefinden. Conjunktiven zeigen heute
nur noch leichten gelblichen Schimmer. Stuhl braun. Im Urin reich-
lich Gallenfarbstofi'. Appetit besser. Temp. normal. Abends etwas
Druckgefühl und Stechen in der rechten Seite.
10. 11. 03. Temp. M. 36,8 Ab. 37,6. Abends leichtes Frostge-
fühl. Schlaf schlecht.
11. 11. 03. Temp. M. 37,6, Ab. 37,5. Im Laufe des Tages mehr-
mals leichtes Frostgefühl. Appetit etwas schlechter.
12. 11. 03. Befinden besser, kein Frostgefühl mehr. Stuhl braun,
täglich regelmässig. Appetit noch 'massig.
19. 11. 03. Temp. M. 37,2, Ab. 39,2. Den Tag über Gefühl von
Frost und Unbehaglichkeit. Gefühl von „Gänsehaut".
— 301 —
20. 11. 03. Temp. M. 37,3, Ab. 38,0. Stuhl ziemlich grau. Im
Urin reichlich Gallenfarbstoff.
21. 11. 03. Temp. normal. Appetit schlecht. Stuhl noch ziem-
lich grau.
Diagnose: Choledochusstein (falsches Recidiv).
Operation: 23. 11. 03 im Beisein des Herrn Dr. Peiser-Breslau.
Spaltung der alten Narbe. Freilegung der Gallenblase. In ihr zu-
erst trübe, dann helle Galle in grosser Menge. Choledochusincision
nach Lösung der circulären Verwachsungen- In der Papille grosser Stein.
Fitf. 18.
a) Papilla duodeni, b) Ende des Choledochusdrain, c) Ende der Hepaticus-
drain, d) Duodenaloaht, e) und f) Tampons.
Duodenotomie. Nach Entfernung des Steins wird in den Choledochns
ein kleintingerstarlies Drainrolir so eingefüiirt, dass das Ende noch im
Dnodennm liegt. (Siehe Fig. 18.) Hepaticusdrainage. Ectomie. Duodenal-
naht. Tamponade mit 3 Tampons. Bauciinaht. Sehr gute Sauerstofl-
Chloroformnarkose. 50 gr. Chloroform in l'/z Stunden. Puls hinterher
gut, 88. Der entfernte Stein hat eine weiche Rinde und einen harten Kern;
es stellt sich deutlich heraus, dass sich um einige alte Steintrümmer
der neue Stein gebildet hatte; es handelt sich also um ein falsches
Recidiv.
Die Operation konnte vollendet werden, ohne dass die Bauch-
höhle eröftnet warde. Es spielte sich alles in den Verwachsungen
ab, deshalb war eine Orientierung recht schwierig. Die Glallenblase
wurde excidiert, damit die Tamponade recht ausgiebig ausgeführt
werden konnte.
Über den mikroskopischen Befund der Gallenblase schreibt uns
das path. Institut in Marburg folgendes:
— 302 —
Dio Gallenblase zeigt eine hochgradige Schrumpfung und starke
Verdickung der Wand.
Mikroskopisch sieht man eine starke Hypertrophie der elastisch
muskulösen Bestandteile der Wand. Die Schleimhaut ist stark zellig
infiltriert, die Falten springen sehr deutlich vor. Sie sind mit einer
einfachen Reihe hohen Cylinderepithels, welches keine Schleimreaktion
gibt, bedeckt. An zahlreichen Stellen stülpt sich das Epithel divei--
tikelartig durch Lücken der Muskulatur bis in das verdickte subperi-
toneale Gewebe vor. Hier finden sich oft kleine Gruppen von Rund-
zellenanhäufungen. An einer Stelle der Blasencircuraferenz ist die
Schleimhaut zerstört und auch die Muskulatur so gut wie völlig ge-
schwunden. Es findet sich hier eine Verdickung der elastischen Faser-
streifen der Wand.
Verlauf: 24. 11. 03. In der Nacht massig viel Aufstossen. Vor-
mittags einmal Erbrechen von etwas Tee und Spuren von Blut.
Magenspülung ergibt etwas Blut und gallig gefärbte Flüssigkeit.
Nachher erhebliche Besserung,' wenig Aufstossen, kein Erbrechen
mehr. Galle läuft reichlich. Temp. M. 37,4, Ab. 37,6. Puls 88-104,
kräftig.
25. 11. 03. Befinden gut. Wenig Aufstossen. Nachmittags gehen
Blähungen.
26. 11. 03. In der Nacht sehr viel Aufstossen. Morgens Magen-
spülung. Im Magen etwas Tee und deutliche Spuren von Blut.
Temp. M. 37,5, Puls 98. Galle läuft reichhch.
28. 11. 03. Befinden dauernd gut. Fat. führt ab. Massig reich-
lich brauner Stuhl.
30. 11. 03. Verband ziemlich stark mit Galle durchtränkt. Ver-
bandwechsel. Galle läuft nur wehig durchs Rohr. Stuhl braun.
1. 12. 03. Viel Darminhalt in die Flasche durch das Choledochus-
Duodenalrohr gelaufen, vermischt mit reichlicher Galle. Entfernung
der Rohre und sämtlicher Tampons, die sehr locker sitzen. Chole-
dochusincision in der Tiefe gut sichtbar. Keine Ausspülung. Tamponade.
Temp. Ab. 37,5. Verband massig stark mit hellem Sekret (Darm-
inhalt) durchtränkt. Wechsel der oberen Verbandschichten.
2. 12. 03. Verbandwechsel Verband reichlich mit Sekret (Darm-
inhalt) durchtränkt.
3. 12. .03. Verband sehr stark mit Darminhalt durchtränkt. Ver-
bandwechsel. Aus der Tiefe des Wundtrichters quillt sehr reichlich
Dünndarminhalt. Stuhl etwas grau.
5. 12. 03. Verband etwas weniger mit Sekret durchtränkt. Chole-
dochusincision gut sichtbar, ein Loch im Duodenum nicht auffindbar.
Abends Puls hochgradig irregulär. Strophantus.
6. 12. 03. Loch im Duodenum heute sichtbar. Puls wieder regel-
mässig, kräftig.
7. 12. 03. Ziemlich feste Tamponade des Wundtrichters. Viel
Aufstossen und einmal etwas Erbrechen, vermutlich durch die Tam-
ponade hervorgerufen.
— 303 —
8. 12. 03. Verband weniger durch. Loch im Duodenum, an-
scheinend bereits geschlossen. Lockere Tamponade.
10. 12. 03. Verband nur noch wenig mit Sekret durchtränkt.
Wunde sieht sehr gut aus. Choledochusincision gut sichtbar. Aus-
spülung des sehr weiten Choledochus. Spülkatheter gelangt deutlich
durch die Papille in den Darm, das Wasser fliesst dann in den Darm,
während es sonst durch die Incision des Choledochus herausquillt.
12. 12. 03. Wundtrichter bereits sehr eng. Keine Ausspülung
des Choledochus mehr. ^
13. 12. 03. Pat. steht auf.
4, 1. 04. Wundtrichter sehr eng. Nur noch sehr wenig Galle
im Verband.
14. 1. 04. Fistel geschlossen. Stuhl braun. Urin dauernd hell.
15. 1. 04. Pat. wird als geheilt entlassen.
Epicrise: Es lag ein unechtes Kecidiv vor; man sieht,
dass auch die Hepaticusdrainage nicht völlig vor dem Zurück-
bleiben der Steine schützt. Ich habe deshalb in diesem Fall
den Choledochus so drainiert, dass das Rohr noch durch die
Papille in das Duodenum geschoben wurde, so dass die Papille
weit bleibt und aucli das retroduodenale Ende des Choledochus
gut gespült werden kann. — Bemerkenswert in diesem Fall
ist das Fehlen der Schmerzen: der Hepalicus war weit, so
dass eine Dehnung seiner Wände kaum zu Stande kam. Deshalb
fehlte der Schmerz. Obwohl der Fall günstig verlief, würde
ich in einem zukünftigen Fall das Drain nur bis an die Papille,
nicht bis in das Duodenum hineinschieben, um das zwecklose
Ausfliessen von Magen- und Duodenalinhalt zu vermeiden.
Nr. 146. R. V., 45 j. Brauersfrau aus Halberstadt.
Aufgen.: 18. l. 1904.
Operiert: 21. 1. 1904. Ectomie. Zerstörung einer
Gallenblasen - Duodenalfistel. Hepaticusdrainage.
Choledochusdrainage. Pylorusausschaltung. Netz-
plastik. Gastroenterostomie. Hepatopexie.
Entlassen: 6. 3. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist immer gesund gewesen.
Eine Schwester hat an Gallensteinen gelitten.
Pat. hat 10 mal geboren, 8 Kinder leben. .Menses seit etwa
V» Jahre etwas unregelmässig.
Vor 5 Jahren nach der Geburt des letzten Kindes Aufall von
krampfartigen Schmerzen in der Magengrube, der etwa 1 Stunde
dauerte und von Herrn Dr. Spiller hier für Galleusteinkolik erklärt wurde.
— 304 —
Seitdem keine Koliken mehr, Pat fühlt sich völlig wohl. Vor
5 Monaten begann Pat. an Durchfällen zu leiden (meist täglich 2 mal
ganz dünner Stuhl bis vor etwa 4 Wochen.) Kurz vorher hatte Pat.
sich bei Landarbeit, bei der sie mithalf, sehr angestrengt und glaubt,
sich dabei erkältet zu haben. Gleichzeüig stellte sich etwas Auf-
stüssen ein, Appetit wurde schlechter. Vor 4 Wochen plötzlich Gelb-
sucht, nachdem sie schon einige Zeit vorher häufig an Frostschauern
gelitten hatte. Die Frostanfälle wurden dann stärker, traten jetzt an-
geblich jeden Tag Nachmittags auf. Die Gelbsucht hielt gleichmässig
an, wurde sogar noch intensiver. Seit Beginn der Gelbsucht Druck-
gefühl in der Magengrube, Brennen auf der Brust, Gefühl von Völle,
Aufstossen, kein Erbrechen. Keine Koliken, keine ausgesprochenen
Schmerzen. Appetit sehr schlecht. Pat. hat sehr stark abgenommen
(ca. 40 Pfund), fühlt sich sonst jedoch noch „ganz kräftig". Stuhl ist
jetzt regelmässig, etwas hart, tonfarben. Urin sehr dunkel. Steine
im Stuhl wurden nicht gefunden. Vor 8 Tagen beim Stuhlgang viel
hellrotes Blut (bis i Tassenkopf voll), aus Hämorrhoiden stammend.
Befund: Leber gross, in der Gegend der Gallenblase ein wnlnuss-
grosser Tumor. Druckempfindlichkeit der Gailenblasengegend. Ikterus
stark. Vom 18. — 20, 1. Chlorcalcium, 2 Mal täglich 3,6 gr. als Clysma.
Temperaturen vom 18.— 21. 1. 1904 zwischen 37,6—38,1.
Vorher: Ikterus, Leberschwellung, kein Gallenblasentumor.
Bei der Aufnahme : Ikterus, Leberschwellung, kein Gallenblasen-
tumor.
Diagnose: Cholecystitis, Stein im Choledochus (wahrscheinlich
Papille.)
Operation: 21. 1. 04. Gute Chloroform-Sauerstoffnarkose. 90gr.
Dauer 1^/« Stunden. Wellenschnitt. Leber gr.ss. Der walnussgrosse
gefühlte Tumor ist ein Auswuchs der Leber, genau von der Con-
figuration der Gallenblase. Diese ganz klein, geschrumpft, mit Duo-
denum verwachsen. Lösung. Gralleublaseu-Dnodeualflstel. Grosses
Loch im Duodenum. Gallenblase wird exstirpiert. Hepaticusgalle sehr
trübe. Hepaticusdrainage. Im Choledochus viele weisse Steine und
trübe, stinkende Galle. Sondierung der Papille. Sonde kommt durch
den Duodenaldefekt zum Yorschein. Duodenale Schleimhaut nlceriert,
wird entfernt. So entsteht ein Defekt im Duodenum, der fast ^/s der
Circnmferenz einnimmt. Da unter diesen Umständen die Naht sehr
schwierig sein würde, wird das Duodenum auch an der hinteren Wand
durchtrennt, Pylorus für sich verschlossen und ebenso Duodenum.
Danach Tamponade des Leberbettes. Choledochus- und Hepaticus-
drainage. Gastroenterostomie nach v. Hacker. Hepatopexie. Auf
Pylorus- und Dnodenalnaht Netz. Sehr schwere Operation.
lieber das excidierte Duodenalstück schreibt das Marburger path.
Institut :
Mikroskopisch zeigt das Duodenum an einer Stelle eine deutliche
Geschwürsbildung, welche bis in die Submucosa reicht, sodass die
— 305 —
Brunnerschen Drüsen freigelegt sind. Leider ist die Färbbarkeit des
Gewebes an dieser Stelle eine sehr schlechte, sodass dadurch die Ge-
ringfügigkeit der sichtbaren Rundzelleninfiltration erklärt werden
könnte. In den äusseren Wandschichten findet sich eine reichliche
Entwickelung von faserigem Bindegewebe. Die Muskelschicht der
Darmwand ist dadurch vielfach durchbrochen. An einer Stelle findet
sich auch ein frischer von aussen bis in die Submucosa reichender
mit frischem Blut gefüllter Riss. Die Färbbarkeit des Gewebes ist
mit Ausnahme des Geschwürsgrundes eine relativ gute, die Füllung
der Gefässe ist eine sehr starke.
Fig 20.
Fig. 19.
Bei a Fistel zwischen Gallenblase und
Duodenum. Exoision desselben von
c bis b und d bis b.
Quere Durchtrennung des Duodenum, völ-
lige VerSchliessung beider Darmlumina
d— bund c— b. Gallenblase ist entfernt, Hepati-
cus drainiert, Gastroenterostomie bei o
hinzugefügt.
Verlauf: 21. 1. 04. Galle läuft. Verband mit Galle durchtränkt.
23. 1. 04. Verlauf bisher normal. Temperatur heute Abend 38,7*".
Puls 112—116. Etwas Husten. Leib etwas hoch. Blähungen gehen
wenig.
24. 1. 04. Temp. M. 38,4, Ab. 39,3, Puls M. 108, Ab. 120, kräftig.
Nachmittags etwas mehr Husten. Blähungen gehen. Verband stark
mit Galle durchtränkt. Verbandwechsel der oberen Schichten.
25. 1. 04. Temp. M. 38,4, Ab. 39,3, Puls 112-120, kräftig. Viel
Husten und Auswurf. Galle läuft reichlich, ist etwas sanguinolent und
trübe.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 20
— 806 —
26. 1. 04. Temp. M. 39,0, Ab. 38,9, Puls 108-120, kräftig. Starke
Bronchitis über beiden Lungen. Pat. führt ab.
27. 1. 04. Temp. M. 39,0, Ab. 38,9.
28. 1. (M. Temp. M. 38,7, Ab. 39,1. Verbandwechsel. Verband
stark mit nach Darminhalt riechendem Sekret durchtränkt. Pneumonie
des rechten Unterlappens. Trübe Galle läuft noch ziemlich reichlich.
29. 1. 04. Temp. M. 38,7, Ab. 39,1. Sehr viel Auswurf.
30. 1. 04. Temp. M. 39,0, Ab. 39,3. Vörbandwechsel. Entfernung
der Tampons, des Rohres und des Nßlaton-Katheters. Wunde sieht
gut aus. Stumpf des lig. teres ist stellenweise nekrotisch. Choledochus-
Incision in der Tiefe gut sichtbar. Die Nähte der beiden Duodenal-
lumina sind völlig vom Netz bedeckt. Wuudtrichter nach unten gut
abgeschlossen. Tamponade.
31. 1. 04. Temp. M. 38,0, Ab. 39,0. Verband stark mit Sekret
durchtränkt. Ausspülung des Hepaticus.
1. 2. 04. Temp. M. 38,^, Ab. 39,0.
2. 2. 04. Temp. M. 38,7, Ab.- 38,6. Verband täglich stark durch,
Wundtrichter sieht sehr gut und gereinigt aus. Husten und Auswurf
geringer.
3. 2. 04. Temperatur geht langsam herunter. Heute Spülung des
Hepaticus. Nelaton gehiebt sich durch den Choledochns bis in den
Darm. Spülung des Choledochus. Entfernung sämtlicher Nähte.
6. 2. 04. Fieberfrei. Spülung des Hepaticus und Choledochus.
7. 2. 04. Temp. M. 38,5, Ab. 39,1. Etwas mehr Husten.
8. 2. 04. Temp. M. 38,1, Ab. 38,8. Ausspülung des Hepaticus
und Choledochus. Spülliatheter gelangt leicht durch die Papille in
den Darm.
9. 2. 04. Temp. M. 37,9, Ab. 39,0.
10. 2. 04. Eröffnung eines etwa eigrossen, abgekapselten, mit
dickem, stinkendem Eiter gefüllten Abszesses zwischen Nabel und
Wundtrichter. Temp. Ab. 38,1.
11. 2. 04. Temp. normal. Keine eitrige Sekretion aus der Abszess-
höhle mehr.
Galle läuft weniger. Gelbsucht hat erheblich nachgelassen. Stuhl
noch weiss. Auswurf noch ziemlich reichlich.
18. 2. 04. Stuhl etwas gelblich. Wundtrichter verengert sich
erheblich.
21. 2. 04. Sondierung des Choledochus, Sonde gelangt leicht in
den Darm.
22. 2. 04. Verband heute zum ersten Mal trocken. Pat.
steht auf.
3. 3. 04. Galle läuft nur noch sehr wenig. Verband
trocken, aber noch täglich Verbandwechsel. Wundtrichter sehr eng.
Stuhl gelblich. Husten noch zfemlich reichlich, ebenso Auswurf.
6. 3. 04. Verband heute trocken, obwohl keine Tamponade des
Wundtrichters mehr ausgeführt war. Ikterus fast völlig geschwunden.
Stuhl braun. Pat. hat sich sehr gut erholt, nur etwas Husten und
— 307 —
Auswurf sind noch vorhanden. Wundtrichter fast geschlossen, Chole-
dochusincision nicht sichtbar. Pat. wird entlassen und soll sich in
unserer Klinik noch weiter verbinden lassen.
Bei Gelegenheit des Chirurgenkongresses 1904 wird Pat. völlig
geheilt vorgestellt.
Epicrise: Wieder ein Fall, bei dem durch die Natur-
heilung (Gallenblasen - Duodenalfistel) eine schwere Infektion
eintrat. Die Duodenalnaht hätte bei dem grossen Defekt sicher
nicht gehalten, das verdächtig veränderte Stück der Duodenal-
schleimhaut wäre später sicher nekrotisch geworden. Deshalb
völlige Durchschneidung des Duodenum mit Verschluss beider
Darmlumina und Gastroenterostomie. Die Operation war
sehr eingreifend.
2. Die sekundäre Hepaticusdrainage.
Nr. 147. F. K., 47 j. Landwirtsfraa aus Geiiz b. Cötlieo.
Aufgen.: 20. 10. 1900.
Operiert: 23. 10. 1900. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 25. 11. 1900. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist am 2. 5. 1900 hier operiert. Es wurde damals
die Gallenblase entfernt, wobei der Hepaticns an einer kleinen Stelle
einriss. Dieser Riss wnrde nicht genäht, sondern mit steriler Gaze
tamponiert. Der Gallenfluss nach aussen hielt 24 Tage stark an. Pat.
wurde am 4. 6. 00 entlassen.
Bald nach der Entlassung hatte sie einen Anfall von Schmerzen
in der Gallenblasengegend, der bald vorüberging, kein Fieber, kein
'Srbrechen, keine Gelbsucht. Etwa 4 Wochen darauf kam ein ähnlicher
Anfall, ein schwererer Ende August. Bei diesem waren die Schmerzen
heftiger, sie begannen in der Gallenblasengegend und zogen zum
Rücken. Starkes Würgen, Fieber, kein Ikterus, der Stuhl war
braun. Das Fieber hielt etwa 8 Tage an, während deren Pat. im Bett
lag. Anfang Oktober (vor etwa 14 Tagen) kam abermals ein heftiger
Schmerzanfall mit starkem Würgen und Fieber, der Leib war auf-
getrieben. Die Schmerzen dauerten von Mittag bis zum nächsten
Morgen, das Fieber dauerte ununterbrochen bis jetzt an. Der Stuhl
war ein paar Tage lang entfärbt, dann wurde er wieder
normal. Gelbsucht soll jedoch nicht aufgetreten sein.
Herr Sanitätsrat Dr. F i tzau-Cöthen gibt der Pat. den Rat, wieder
hierher zu kommen.
Befund: Frau in massigem Ernährungszustande. Leib flach,
weich. Im Bereiche der Narbe ist eine Resistenz zu fühlen, Druck
wird hier schmerzhaft empfunden. Puls 100. Temp. 38,8. Urin enthält
etwas Eiweiss, keinen Zucker oder Gallenfarbstoff. Keine Spur von Ikterus.
20*
— 308 —
Diagnose: Übersehener Stein im Choledochus (aus der Gallen-
blase dorthin gedrückt). Abscess unterhalb der Leber (zurückgelas-
sener Gazestreifen?).
Verlauf: 21. 10. 39,2. Puls 104. 39,6. 39,4.
22. 10. 38,8. Puls 110. 39,7. 40,2.
23. 10. 38,7. Puls 108.
Operation: 23. 10.00. Die alte Narbe wird gespalten. Viele
Verwachsungen. Nach mühseliger Trennung liegt der Choledochus
frei. Bei näherer Palpation fühlt man in ihm einen rundlichen Körper,
der aber darmwärts entschlüpft. Es handelte sich sicher um
einen Stein. Eröffnung des Choledochus mit dem Messer. Es
fliesst trübe grüne Galle. Der Choledochus ist kleinfingerstark. Bei
Sondierung leber- und darmwärts fühlt man keinen Stein. Der Schnitt
im Choledochus wird duodenalwärts verlängert. Der eingeführte kleine
Finger fühlt in der Tiefe einen weichen Stein. Extractiom Keine
weiteren vorhanden. Drainage des Hepaticus und Choledochus durch
je einen Schlauch. Tamponade mit steriler Gaze. Naht der Bauch-
decken. Dauer der Operation '/4 Stunden. Bei näherer Beslchtigang
des Steins zeigt sieh, dass derselbe sich um ein „Gazefiisselchen**
inkrustiert hat. Beim Zerdrüclien finden sich zwei ca. 3 cm. lange
Oazefaseru. Der Stein ist sehr welch, so dass er sieh mit der
Sonde nicht nachweisen liess; man fühlte ihn weder, noch Iiörte mau
ein Geräusch, erst bei weiterer Eröffnung des Choledochus fühlte ihn
der Finger, die beste Sonde, über die wir verfügen.
Verlauf: Kein Erbrechen. Am Abend des 23. 10. noch 40,1° C.
und 120 Pulse. Pat. sieht aber gut aus.
24. 10. 37,5° C. 100 Pulse. Kollern im Leibe. Pat. fühlt sich
sehr wohl. Gallenfluss in den ersten 24 Stunden : 170 gr. Spontan
Blähungen. Abends 37,9" C 100 Pulse.
25. 10. 37,5« C. 94 Pulse. Ausgezeichnetes Befinden. Galle 180 gr.
25. 11. 00. Geheilt entlassen.
Epicrise: Ein höchst bemerkenswerter Fall!
Ich habe schon früher mitgeteilt, dass ich Recidive dadurch
habe entstehen sehen, dass sich Seidenfäden in die Gallenwege
abgestossen und zur Inkrustation geführt haben. Da ich diesen
Vorgang auch einmal nach der Ectomie beobachtete , habe
ich den Rat gegeben, sämtliche Fäden lang zu lassen und keinen
zu versenken, damit man dieselben beim ersten Verbandwechsel
— gewöhnlich 14 Tage nach der Operation — entfernen kann.
Meistenteils gelingt die Entfernung bei der Übersichtlichkeit des
Operationsfeldes ganz gut, wenn nicht, warte ich die Abstossung
mit Geduld ab. In der vierten Woche sind meistenteils sämt-
liche Fäden entfernt.
— 309 —
In diesem Fall hatte ich den unbedeutenden Riss im He-
paticus nicht genäht, sondern mit Gaze tamponiert. Es ist nun
— wahrscheinlich sehr bald, wenige Tage nach der Operation —
von der Gaze etwas durch den Schlitz im Hepaticus in den
Choledochus gelangt, so dass dadurch der 24 Tage andauernde
Gallenfluss sich erklärt. Dann ist die Fistel geheilt, und die
kleinen Gazefäserchen haben sich inkrustiert. Der Stein war
aber so weich, dass er niemals einen völligen Verschluss des
Choledochus bewirkte: er liess immer Galle an sich vorbei, so
dass niemals Ikterus auftrat. Dafür kam es zu Koliken,
Fieber und Schüttelfrösten, weil sich die Galle inficierte und
cholangitische Reizerscheinungen auftraten. Nur einmal war
der Gang völlig verlegt, daher der weisse Stuhlgang, aber es
dauerte nur wenige Stunden, so dass Ikterus sich nicht aus-
bilden konnte. Die Koliken können nicht durch den mecha-
nischen -Reiz, den der Stein auf die "Wand des Choledochus
ausübte, erklärt werden, — denn dazu war er viel zu weich —
sondern nur durch die akute Dehnung der Gallengänge oberhalb
des Steins, der immer wieder Galle vorbeifliessen liess.
So leid mir die Frau tat, dass sie sich zum zweiten Mal
einer Laparotomie unterziehen musste, so habe ich mich doch
sehr gefreut, dass ich Gelegenheit hatte, einmal bei einer Kranken,
die vor einem halben Jahr eine Ectomie durchgemacht hatte,
die Verhältnisse des Choledochus zu studieren. Das Ergebnis
war, dass keine Andeutung von einem Wiederwachsen der Gallen-
blase (de Voogt) vorhanden war, und dass nur eine mas-
sige Ausdehnung des Choledochus vorlag. Und diese war sicher
auf den neuen Stein im Choledochus zurückzuführen.
Die Schwierigkeiten der zweiten Operation waren zwar
nicht gering, aber immerhin gut zu überwinden. Die Operation
hat nicht länger als dreiviertel Stunden gedauert. Die Lösung
der Adhaesionen machte keine besonderen Umstände.
Wenn sich nach der Ectomie das Gallenreservoir wieder
bildet, so kann das nur dadurch geschehen, dass man Teile vom
Cysticus stehen lässt. Bei der von mir geübten Methode der
Ectomie wird der Cysticus dicht am Choledochus abgeschnitten,
so dass auch nicht der geringste Stumpf zurückbleibt.
Bei der mit der Ectomie combinierten Hepaticusdrainage
kann eine Verschleppung von Gaze in den Choledochus, wie
— 310 —
ich sie in dem beschriebenen Fall beobachtet habe, nicht vor-
kommen, da ja das Rohr wasserdicht liegt und durch nach-
trägliche Ausspülungen des Hepaticus und Oholedochus dort
liegende Schleimpartikel, zertrümmerte oder zurückgelassene
Steinchen oder Gazefädchen zum Vorschein kommen.
3. Die transduodenale Chol6dochotomie.
(Siehe auch die Fälle von Choledocho-Duodenostomia interna
unter E. II.)
Nr. 148. B. K., 38 j. Förstersfrau aus Heteborn.
Aufgen.: 2. 6. 1904.
Operiert: 5. 6. 1904.- Ectoraie. Cysticotomie. Hepa-
ticus- und Choledochusdrainage. Mobilisierung
des Duodenum. Transduodenale Choledochotomie •
Choledochusfege.
Entlassen: 16. 7. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet und hat 4 gesunde Kinder-
Mutter und eine Schwester an Lungenschwindsucht gestorben. Pat.
leidet von Kind an bis heute an sehr vielem periodischen Kopfschmerz,
meist mit Erbrechen, in Pausen von 2 — 3 Wochen. Während der
Mitte der vorletzten Schwangerschaft traten zum ersten Male in einer
Viertelstunde zurückgehende Magenkrämpfe auf. Gegen Ende der
Schwangerschaft erster richtiger Gallensteinkolikanfall (vor 6 Jahren).
Die Schmerzen begannen in der rechten Rückengegend und zogen sich
nach der Magengrube. Zu Beginn des Anfalles Erbrechen von Schleim
und Galle. Die Kolik dauerte 12 Stunden lang und hörte erst nach
einer Morphiuminjektion auf. Fieber und Ikterus traten nicht auf. Nach
diesem Anfalle noch 8 Tage lang bettlägerig wegen Schmerzen in der
Lebergegend und im Rücken. Die Geburt verlief dann normal und
Pat. hatte 2 Jahre lang völliges Wohlbefinden. In den letzten 8 Jahren
traten alle 4—6—8 Wochen leichtere Koliken auf, die keine Morphium-
injektion nötig machten. In den Zwischenzeiten viel Magendruck,
Gähnen und Aufstossen. Geringe Nahrungsaufnahme aus Angst, dem
Magen zu schaden. Sie konnte kein Korsett mehr tragen, da ihr
„alles geschwollen war, alles drückte". Ende August 1903 wieder ein
sehr heftiger Kolikanfall mil Morphiumeinspritzung und 8 Tage Bett-
ruhe. Am 1. Jan. 1904 starke Kolik, die viel Schmerzen hinterliess. In
den nächsten 3 Wochen noch 4 heftige Koliken, die förmlich in einander
übergingen, denn Pat. wurde nie ganz schmerzfrei. Viel Erbrechen
bei den letzten Koliken. Letzte schwere Kolik vor 3 Wochen. Seit
dieser besteht ein Schmerz unter der rechten Schulter, besonders bei
Rückenlage. Bei den Koliken wurden stets heisse Umschläge gemacht,
— 311 —
zuweilen wurde Karlsbader Salz genommen. Vor 4 Tagen letzte leichte
Kolik, zugleich mit einerri Migräneanfall. Herr Dr. Lehman n-Kroppen-
städt riet zur Operation, zu welcher sich Pat. jetzt endlich entschloss.
Stuhlgang ist immer etwas angehalten. Pat. half mit Einlaufen und
Rizinusöl nach. Ikterus bestand uiemals.
Befund: Abgemagerte Patientin mit roten Backea und gesundem
Aussehen. Keine Spnr yon Ikterns, auch keine Spur yon Gallenfarb-
stoflf im Urin. Dieser ganz wasserhell. Leber gesenkt, Druckschmerz
ii) der Gallenblasengegend, hier Resistenz, aber kein Tumor.
Pat. hat 4 Kinder, muss sich sehr um den Haushalt bekümmern
und wünscht, obwohl es ihr augenblicklich gut geht, dringend die
Operation. „Sie habe die Schmerzen jetzt satt." Die Operation ist
besonders aus sozialen Gründen indiziert.
Diagnose: Steine in der Gallenblase. Chron. recid. Cholecystitis.
Operation: 5. 6. 04. Sehr gute Chloroform-Sauerdtoffnarkose
()0 gr. Dauer der Operation P/a Stunde. Wellenschnitt. Leber gesenkt,
besonders der rechte Lappen voluminös, sonst normal. Gallenblase
mittelgross, der Fundus fest mit Netz verwachsen. Man geht mit dem
Zeigefinger der linken Hand nnter dns Netz nnd ladet es so auf den
Finger, dass die Verwachsung sich gehörig anspannt nnd eine Trennung
mit Messer und Schere gut gelingt. 3 Sutnren des massig blutenden
Netzes. Gallenblase enthält anscheinend wenig Flüssigkeit, viele Steine.
Ectomie. Gallenblase schwer von der Leber zu trennen, es bleibt bei
der Excision eine dünne Schicht Leber an der Gallenblase zurück.
Cysticus ist breit und weit. Bei der Palpation des Choledochus, der gut
zugänglich ist, findet man viele bewegliche Steine im supraduodenalen
Teile. Nach Spaltung des Cysticus und Choledochus Entfernung der-
selben. Retroduodenal liegen noch mehrere Concremente. Mobilisierung
des Duodenum nach Kocher. Im retroduodenalen Teil des Choledochus
liegt ein Stein neben dem andern. In der papilla daodeni fest-
eingekeilt ein Stein , der völlig unbeweglich ist. Auch nach völliger
Beiseiteschiebung des Duodenum lässt er sich nicht lockern. Deshalb
Duodenotomie. Quere Ineision im Hufeisen dicht am Mesenterium.
Papille samt Stein wird hervorgedrückt und nach gründlicher Ab-
sperrungstamponade die Papille mit 2 König'schen Klemmen gefasst
und auf den Stein, der kleinhaselnnssgross ist, iucidlert. An Stelle
der König'scben Klemmen werden 2 Haltezügel, die die Schleimhaut
des Choledochus mit der des Duodenum vereinigen, angelegt. Nun
entfernt man die Steine im retroduodenalen Teil mit Kornzange teils
von der Ineision im snpraduodenalen Teil des Choledochus, teils vom
Duodenum aus. Zuletzt passieren Kornzange und Sonden glatt. Eine
Kocher'sche Klemme wird vom Duodenum aus durch die Papille in
den retroduodenalen Teil des Choledochus eingeführt, sodass sie mit
der Spitze durch die Ineision im supraduodenalen Teil zum Torschein
kommt. Ein schmaler, feuchter Gazestreifen wird mit der Klemme
gefasst und durch den Choledochus, die Papille und das Duodenum nach
aussen gezogen. Dabei entfernt man viele kleine Steine und Steintrümmer.
— 312 —
Diese Prozedur muss 4 mal wiederholt werden, ehe der Gholedochns gauz
rein gefegt ist. Man hat also ganz wider Erwarten darch diese Chole-
dochusfege noch eine Menge Steine und Steintrümnier beseitigt, die
der Sondierung entgangen waren. Ein Nelatonkatheter wird von der
Incision im supraduodenalen Teil so in den Choledochus eingeführt,
dass seine abgeschnittene Spitze gerade noch aus der Papille in das Duo-
denum schaut. Der Katheter wird an der supradnodenalen Incision
mit einer feinen Seidennaht befestigt. Schleimhautnaht des Duodenal-
ächnitts, nachdem die Haltezügel an der Papille entfernt sind.
Mehrere Serosa-Muscularisnähte. Auf die Naht Netz. Der incidierte
Cysticus — ca. 1^/2 cm. lang — wird in sich vernäht, der Hepaticus
drainiert. Es fällt auf, dass das Rohr sich schwer einschieben lässt.
Bei genauerer Palpation findet man da, wo der Hepaticus in dem Leber-
gewebe verschwindet, noch einen grösseren Stein. Er wird chole-
dochuswärts verschoben. Seine Entfernung gelingt erst, nachdem
der Hepaticus nach Incision der -Scheidewand zwischen Cysticus und
Hepaticus zugänglich gemacht ist. (Hepaticotomia Interna.) Bei Son-
dierung werden weitere Steine im Hepaticus nun nicht mehr gefunden.
Ein 1 cm. starkes Gummirohr wird ca. 3 cm. weit in den Hepaticus
vorgeschoben. Die aus dem Hepaticus abfliessende Galle war anfangs
trübe, zuletzt goldklar. Die Choledochus-Incision wird möglichst
wasserdicht verschlossen. Eine stark blutende Vene im Leberbett wird
umstochen, unter den Faden Draht. 4 Tampons. Bauchwaudnaht.
Die Tampons werden in der Mittellinie herausgeleitet. Aus dem Rohr
fliesst Galle. Die exstirpierte Gallenblase ist wandverdickt, Schleim-
haut ulceriert, Inhalt trübe Galle und viele kleine Steine. Aus dem
Hepaticus ist ein Stein, aus dem Choledochus sind ca. 20 entfernt worden.
Die Untersuchung der Gallenblase im path. Institut in Marburg
ergibt Folgendes:
Gallenblase 2 — 2'/2 cm. lang. Die Muskulatur stark kontrahiert. Die
Wandung im Ganzen verdickt. Die Schleimhaut leicht wulstig ver-
dickt. An der einen Seite des excidierten Stücks eine pfennigstück-
grosse Partie von höckriger Beschaffenheit und gelblicher Verfärbung.
Mikroskopische Untersuchung: Entzündliche Verdickung der
ganzen Wand, starke kleinzellige Infiltration der Schleimhaut, welche
teilweise geschwürige Defekte zeigt. Die elastischen Fasern weisen
eine sehr starke Vermehrung auf, nur in dem Granulationsgewebe
hat eine Zerstörung der elastischen Elemente stattgefunden. Weiter
sieht man bis ziemlich tief in die Muskulatur hineinreichend drüsen-
artige Hohlräume mit zylindrischem Epithel.
Verlauf: Ganz fieberfrei und reaktionslos. Pat. sieht schon am
2. Tage post op. aus, als ,ob nichts passiert wäre".
16. 7. Geheilt entlassen.
Epicrise: Am auffallendsten an diesem Fall ist das Fehlen
des Ikterus, obgleich der Choledochus voll mit Steinen angefüllt
und die Papille fest verschlossen w^ar. Die Technik ist besonders
— 313 —
deshalb bemerkenswert, als zum ersten Mal die „Choledochus-
fege" in Anwendung kam, die ich von nun an in keinem Falle
von transduodenaler Choledoehotomie versäumen werde. Der
Fall hat mir wieder die Nützlichkeit der Mobilisierung des
Duodenum gezeigt, doch soll man statt der retroduodenalen
Incision die transduodenale wählen. Ich möchte gerade diese
Operationsgeschichte für ein eingehendes Studium empfehlen.
Nr. 149. L. K., 34j. Gärtnersfrau aus Lemmie bei Hannover.
Aufgen.: 29. 6. 1904.
Operiert: 1. 7. 1904. Ectomie. Transduodenale Chole-
doehotomie. Choledochusfege. Hepaticusdrainage.
Choledochusdrainage. Hepatopexie.
Entlassen: 13. 8. 1904. Geheilt.
Anamnese: Herr Dr. Mey e r-Wennigsen (Deisler) schreibt uns
über die Patientin:
„Pat. bekam im April 1901 nach der Entbindung den ersten Gallen-
steinkolikanfall. Den zweiten Anfall hatte sie im Mai und Juni 1902.
seitdem bis Ende 1902 alle 4 Wochen einen Anfall ; die Diagnose
Gallensteine ist in diesem Falle von dem Frauenarzt Dr. v. Campe ge-
stellt, welcher schon damals sofort operieren wollte. Februar 1903
ohne typische Anfälle. Der letzte typische, von mir täglich be-
obachtete Anfall dauerte vom 15.— 20. Juni des Jahres ; dabei war die
Leber geschwollen und druckempfindlich, die Gallenblase unter dem
Rippenbogen enteneigross fühlbar und druckempfindlich. Puls fieber-
haft, häufiges grasgrünes Erbrechen, enorme Schmerzen, welche nur
auf Morphiuminjektionen wichen. Seit dem 21. Juni ist die Frau
ikterisch, Schmerzen sind fort, Leber abgeschwollen, Gallenblase noch
kirschengross, empfindlich. Puls 60, Ernährungs- und Kräftezustand
gut. Steine sind bei diesem Anfall trotz genauesten Suchens nicht
gefunden, auch früher nicht. Auch in den Zwischenzeiten hat die
Frau dumpfen Druck in der Leber- und Magengegend; sie ist jetzt
„mürbe" und drängt zur Operation, von der sie auch Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit erhofft. Ich habe zur Operation dringend geraten."
Dazu ist noch zu bemerken : Pat. stammt aus gesunder Familie
und ist Mutter von 3 gesunden Kindern. Als junges Mädchen litt sie
stark an Bleichsucht. Vom 18.— 20. Jahre hatte sie jährlich 1 bis 2
mal Magenkrampf. Schon der erste Gallensteinanfall im April 1901
war typisch, mit kolikartigen nach beiden Seiten und dem Rücken
ausstrahlenden Schmerzen in der Gallenblasengegend. Ikterus trat bis
auf den letzten Anfall nie auf, desgleichen war der Stuhl nie ver-
färbt, dagegen soll sich der Urin bei den Anfällen rasch vorübergehend
hellbraun gefärbt haben, doch lange nicht so stark als beim jetzigen
letzten Anfall. Der jetzt bestehende Ikterus ist ziemlich intensiv,
— 314 —
Stuhlgang weiss, Urin dunkelbierbraun. Pat. hat immer an Ver-
stopfung gelitten; der Appetit war ausser bei den Anfällen immer
gut. Beim letzten Anfall Fieber und Schüttelfrost, was sonst nie der
Fall war. Hautjucken vor einigen Tagen sehr stark, jetzt geringer.
Gewichtsabnahme um einige Pfund.
Befund: Stark ikterische Frau. Leber vergrössert. In der
Gallenblasengegend schmerzhafter Tumor palpabel. Urin frei von Ei-
weiss und Zucker, enthält viel Gallenfarbstoff.
Diagnose: Empyem der Gallenblase. Steine im Choledochus.
Pat. erhält 4 mal Chlorcalciiim 3,6 gr. als Clysma.
Operation: 1. 7, 04. Wellenschnitt. Leber gross, der rechte
Leberlappen an das Perit. parietale durch feine Verklebungen fixiert.
Lösung. Leber sieht auf Cholangitis sehr verdächtig aus (gelbbraun.)
Die Gallenblase, prall gespannt, ist mit Netz fiächenhaft verwachsen.
Das Netz am Perit. parietale adhärent. Bei der Lösung lebhafte
Blutung (5 Unterbindungen); es -tritt etwas graugrüner Gallenblasen-
inhalt samt einigen kleinen Steinen in die untergelegten Tupfer. (Es
bestand also bereits eine Perforation der eiterhaltigen Gallenblase in
das Netz.) Sorgsame Absperrungstamponade. Aspiration von ca. 80 ccm.
graugrünen Eiters aus der Gallenblase. Nach Entfernung der Hohl-
nadel Abklemmung des Gallenblasenfundus. Dann Ectom ie. Dabei
starke Blutung aus Aesten der art. cystica. Ductus cysticus sehr
kurz, ulceriert, wird gespalten. Auch aus dem Choledochus, der 3
Steine enthält, tritt graugrüner Eiter hervor. In der Papille fest-
sitzeud ein ha'selnnssgrosser Stein, der sich nicht hochdrücken lässt.
Deshalb Duodenotomie. Spaltung der Papille. Entfernung des Steines.
Choledochusfege mit feinem (xazestreifen. Nach 2maligem Durch-
ziehen ist der Gang rein. Drainage des Ductus hepaticus, aus dem
ebenfalls Eiter, keine Galle abfliesst. Die Drainage des Hepaticus ist
leicht, nachdem die Wand zwisclien Cysticus und Hepaticus eingekerbt
ist (Hepaticotomia interna). Rohr in den Choledochus bis an die Pa-
pilla duodeni heran (nicht bis in das Duodenum hinein). Verkleinerung
der Choledochusincision durch mehrere Nähte. Duodenalnaht in
2 Schichten. Netz auf die Naht. 3 Tampons, (foram. Winslowii, Leberbett,
Choledochusnähte). Hepatopexie mit 2 Suturen. Bauchwandnaht.
Dauer der Operation Vjt Stunden. Gute Chloroform-Sauerstoffnarkose
(50 gr.).
Die excidierte Gallenblase ist sehr entzündet und wandverdickt,
enthält viele kleine Steine und Eiter.
Im proximalen Abschnitt ist die Schleimhaut von unregel-
mässigen, bis über stecknadelkopfgrossen, dunkelrot gefärbten, wie
Granulationen aussehenden Knötchen besetzt. Im distalen Teil normales
feinkörniges und feinfaltiges Aussehen der Schleimhaut. An einer
Stelle narbenartige Anordnung der Faltenzüge.
Mikroskopischer Befund : Die Muskulatur erscheint im allgemeinen
verdickt. Die subserösen Schichten durch fibrilläres Bindegewebe
mächtig verdickt. Die Schleimhaut fehlt bis auf geringe drüsenartige
— 315 —
Reste. Zwischen den Muskelschichten ein breites Granulations-Gewebe.
An einer Stelle findet sich ein kleines Knötchen mit einer Riesenzelle,
welches an einen Tuberkel erinnern könnte.
Verlauf: Völlig fieberfrei. Aus dem Hepaticns- wie ans dem
Choledochusrohr fliesst die ersten 24 Stunden gar nichts ab. Das
Choledochns roiir wird deslialb abgelilemmt.
2. 7. 04. Aus dem Hepaticusrohr fliesst graugrüner Eiter (ca.
100 ccm). Befinden tadellos.
3. 7. 04. Es fliesst trübe Galle in die Flasche.
4. 7. 04. Der Gallenfluss wird reichlicher, die Galle heller. Ikterus
nimmt ab. Befinden tadellos. Weiterhin guter Verlauf,
13. 8. 04. Geheilt entlassen. Ikterus vollkommen geschwunden.
Allgemeinbefinden sehr gut.
Epicrise: Graugrüner Eiter fand sich sowohl in der
Gallenblase, wie im ductus choledochus und hepaticus. Der
Stein in der Papille sass unverschieblich fest. Die „Chole-
dochusfege" bewährte sich auch in diesem Falle wieder.
Die Drainage des Choledochus hat weniger den Zweck,
gestautes Sekret abzuleiten, als den Gang, der während der
Hepaticusdrainage ausser Dienst gesetzt wird, offen zu halten.
Da zudem späterhin Ausspülungen nicht nur für den Hepaticus,
sondern auch für den Choledochus von Nutzen sind, ist die
Drainage auch des Choledochus neben der des Hepaticus zu
empfehlen. Doch habe ich nichts dagegen, wenn man sie fortlässt.
4. Die retroduodenale Choledochotomie.
Eine Incision im retroduodenalen Teil des Choledochus habe
ich bisher nicht ausgeführt, weil ich den transduodenalen Weg
für besser halte. Die folgende Krankengeschichte kann aber
den Weg zeigen, auf dem man zum retroduodenalen Teil des
Choledochus gelangt, wenn man hier incidieren will.
Nr. 150. Th. W., 49jähi\ Brauereibesitzersfrau aus Wiehe.
Aufgen.: 9. 5. 1904.
Operiert: 13. 5. 1904. Ectomie. Hepaticusdrainage.
Duodenalflstel - Verschluss. Retroduodenale Frei-
legung des Choledochus durch Mobilisierung des
Duodenum. Hepatopexie.
Entlassen: 26. 6. 1904. Geheilt.
Anamnese: Patientin hat drei gesunde Kinder, 4 Kinder,
darunter Zwillinge, sind gestorben. Die Mutter der Pat. hat viel an
Magenschmerzen gelitten, eine Schwester ist an Lungenschwindsucht
gestorben. Ausser einem Unterleibsleiden (1896 ausgekratzt) will die
— 316 —
Pat. immer gesund gewesen sein. Vor 4 Jahren hatte sie zum ersten
Male 3 Tage lang Magenkrämpfe, die nach beiden Bauchseiten, zum
Rücken und zu den Schulterblättern ausstrahlten. Dabei hatte sie
häufiges galliges Erbrechen und konnte gar keine Nahrung bei sich
behalten. Der Leib war angeschwollen und sehr schmerzhaft, im
Bette war nur Rückenlage möglich. Der Arzt konstatierte ein Magen-
leiden und bedeckte den ganzen Leib mit Zugpflaster. Dasselbe
brachte die Patientin sehr herunter, da die durch dasselbe gesetzten
Wunden sehr lange zum Heiion brauchten. Doch soll es die ge-
wünschte Wirkung entfaltet haben, da Pat. danach 3 Jahre lang von
jedem Anfall verschont blieb. August 1903 nach einem Spaziergang
fühlte Pat. sich sehr matt und musste sich zu Bette legen. Am an-
dern Morgen Kolikanfall, diesmal mit Schüttelfrost einhergehend. Der-
selbe hielt die ganze folgende Nacht noch an und liess am Morgen
erst nach. Patientin wurde ikterisch, Urin rot und Stuhlgang weiss.
Am Abend begann dann der Anfall aufs neue, bis zum andern Morgen
dauernd, am folgenden Abend desgleichen. Danach 14 Tage Ruhe ;
die Gelbsucht fing an zu schwinden, ebenso die Verfärbung von Urin
und Stuhl. Dann wieder 3 Tage dauernder Kolikanfall mit Gelbsucht.
Anfang September 1903 auf Anraten des Herrn Dr. Kreisphysikus K alk-
hoff-KöUeda zur Kur nach Karlsbad. Nach 3 Tagen daselbst 4tägiger
Kolikanfall mit Schüttelfrost und Gelbsucht. 14 Tage später ein
gleicher etwas leichterer Anfall daselbst. Sie kam wieder krank nach
Hause und Anfang Oktober wurden die Koliken schlimmer denn je, Pat.
wurde ganz braungelb. Seitdem alle 14 Tage Koliken mit Ikterus und
Schüttelfrost bis zum Februar 1904. Seitdem keine Kolik und kein
Schüttelfrost wieder aufgetreten; dagegen blieb von nun an die grau-
gelbe Farbe der Haut bestehen und hellte sich nicht mehr auf. Seit
Februar ist sehr starkes Hautjucken aufgetreten, sodass Pat. durch die
fehlende Nachtruhe und den infolgedessen mangelnden Appetit seit-
dem sehr heruntergekommen sein will und ganz unfähig zu jeder
Arbeit wurde. Vor 8 Tagen gebrauchte sie eine Oelkur. Herr Dr.
Leffler -Kosen schickt die Patientin hieher.
Befund: Sehr ikterische, elende Frau. Urin enthält viel Gallen-
farbstoff, kein Eiweiss. Leber gross, kein Gallenblasentumor tastbar,
Druckschmerz in der MitteUinie unterhalb des proc. xiph.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: erst am 13. 6. 04 wegen sehr profuser Menses.
Operation in Gegenwart des Herrn Oberstabsarzt Krämer-Halber-
stadt. Sehr gute Chloroform-Sauerstoff narkose (45 gr). Wellenschnitt.
Leber, besonders der rechte Lappen, erheblich vergrössert, lässt sich
wenig nach aussen lagern. Die Gallenblase ist klein und verdickt,
mit Duodenum flächenhaft verwachsen. Leichte Lösnug mit Messer
und Schere bis auf eine feste, auf Fistel verdächtige Stelle. In
der Tat liegt eine geheilte Galleublasen - Dnodenalflstel \or, doch ist
es nicht möglich, das Duodenum unversehrt abzulösen. Erbsengrosses
Loch im Darm wird übernäht (2 Sutaren.) Im Choledochus retroduodenal
— 317 —
ein haselimssgrosser Stein, der mit einem Schwapp hochkommt. In-
cision im snpradnodenalen Teil. Der linke Zeigefinger nnd Daumen
des Operateurs fixiert den Stein, es wird eingschnitten, der Stein
entfernt, und nun komprimiert der Operateur den Choledochns hepa-
tlcuswärts und lässt die Galle schubweise austreten. Sie wird sofort
fortgetupit. Dann wird ein Gazestreifen in den Hepaticus eingeführt.
Die Wundränder der Choledochusincision werden mit König'schen
Klemmen gefasst. Bei der Sondierung des retroduodenaleu Teils des
Choledochus hat man einmal das Gefühl, dass noch ein Stein in der
Tiefe steckt. Deshalb Freilegnng des retroduodenaleu Teils des Chole-
dochus nach Spaltung des hinteren Peritonealblattes durch langen para-
duodenalen Schnitt (siehe die Abbildung des Herrn Prof. Payr im I. Teil).
Geringe Blutung. Fast mit Sicherheit lässt sich feststellen, dass dieser Teil
frei ist. Die Sonde passiert die Papille. Hepatiousdrainage. Duodenum
wird wieder zurückgelagert. Die Gallenblase wird exstirpiert, stark
entwickelte Art. cystica. Cysticus sehr klein. Ein Tampon auf das
Ijeberbett, ein zweiter wird so gelagert, dass er teils vor das Foramen
Wiuslowii, teils zwischen Choldochusincision und Duodenum oberhalb
auf das Lig. hepato-duodenale zu liegen kommt. A.uf die Dnodenal-
naht wird ein Zipfel Netz gelagert. Hepatopexie mit 2 Fäden. Dauer
der Operation 65 Minuten.
r>ie exstirpierte Gallenblase enthält nur trübe, riechende Galle,
keinen Stein, die alte Perforationsstelle ist noch gut zu sehen.
Das pathol. Institut in Marburg schreibt uns Folgendes :
Starke Verkleinerung der Gallenblase. Verdickung der Serosa-
schichten. Strahlige Narbe in der Schleimhaut, die feinwarzig ver-
dickt ist.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt eine sehr starke Hyper-
trophie der Muskulatur, zwischen deren Spalten die Schleimhaut
förmlich ausgestülpt wird, sodass epithelbekleidete Fortsätze der-
selben an zahlreichen Stellen die ganze Muskelsehicht durchbohren.
Die im ganzen atrophische Schleimhaut besitzt dennoch ein feines
Faltensystem, in dessen Buchten kleine wie Schleimdrüschen aus-
sehende Gebilde einmünden.
Verlauf: Galle läuft immer sehr reichlich. Temperatur stets
normal. Kein Erbrechen. Nur der Puls ist fünf Tage ziemlich schnell,
um dann vom 18. 5. an ron 120 Schlägen auf 100 nnd 90 zu sinken.
Wunde in Ordnung.
Am 20. 6. ist der Verband mit Blut durchtränkt. Oberflächliche
Lagen werden entfernt und erneuert. Kein Fieber.
Am 22. 5. starke Blutung in den Terband. Die Tampons werden
entfernt. In der Tiefe der Wunde, die yöllig reizlos ist, liegen grosse
Mengen Blutgerinnsel. Rohr wird entfernt. Es läuft reichlich Galle.
Die Choledochus -Incision klafft deutlich. Neue Tamponade. Zweimal
Chlorcaloinm als Clysma 4 gr. Die Blutung steht. Pat. fühlt sich
nach dem Verbaudweehsel wohler.
— 318 —
26. 5. 04. Sehr gutes Allgemeinbefinden. Blutung hat völlig auf-
gehört, Hepaticus und Choledochus lassen sich bequem spülen. Galle
ist ganz klar. Temp. normal.
Weiter sehr gutes Befinden. Täglicher Verbandwechsel. Galle
läuft reichlich und klar. Guter Schlaf und guter Appetit.
5. 6. 04. Verband seit 3 Tagen trocken. Wunde schon sehr eng.
Fat. geht bereits spazieren. Ikterus ganz verschwunden.
26. 6. 04. Geheilt entlassen.
Epicrise: Pat. hatte vor 4 Jalireii eine schwere Chole-
cystitis durchgemacht ; damals war wahrscheinlich die Gallen-
blase in das Duodenum perforiert. Ein Stein war aber zurück-
geblieben und gab zur Ausbildung des chron, Oholedochus-
Verschlusses Veranlassung. Bei der Operation konnte man die
geheilte Gallenblasen-Duodenalfistel feststellen. Der Inhalt des
Hepaticus war trübe und stank. Die Freilegung des retro-
duodenalen Teiles des Choledochus machte gar keine Schwierig-
keiten, die Blutung war unerheblich. Ich habe mich in diesem
Falle (Gallensteinoperation Nr. 918) wiederum überzeugt, dass
die Mobilisierung des Duodenums nach Kocher gut gelingt, dass
aber einer retroduodenalen Incision aus verschiedenen, im I. Teil
dieses Buches ausführlich besprochenen Gründen zu wider-
raten ist.
IV. Die Resektion des ductus choledochus.
Nr. 151. K. M., 33 j. Arbeitersfrau aus Wegeieben.
Aufgen.: 29. 1. 1899.
Operiert: 31. 1. 1899. Resektion des Choledochus.
Ectomie. Hepaticusdrainage
Entlassen: 12. 3. 1899. Geheilt.
Anamnese: Mutter der Pat. starb an Leberkrebs, Vater ist ge-
sund. 2 Geschwister sind gesund. Frau M. war früher gesund , hei-
ratete 22 J. alt. Mutter 3 gesunder Kinder. Vor 2 — 3 Jahren Kolik-
schmerzen, keine Magenkrämpfe. 14 Tage vor Weihnachten (1898)
Schmerzen krampfartiger Natur in der Magengrube und im Rücken,
danach Gelbsucht. Nächster Anfall Weihnachten. Die noch bestehende
Gelbsucht nahm noch zu. 14 Tage später 3. Anfall. 22. Januar 1899
4. Anfall. Die Gelbsucht, w- eiche sich verringert hatte, nahm wieder
zu und besteht z. Z. in hohem Masse. Der Stuhlgang ist hell, lehm-
farben. Der Urin ist bierbraun. Der Appetit ist gering. Erbrechen
trat nicht ein. Pat. ist um ca. 5 Pfd. abgemagert. Herr Dr. Kenne-
baum schickt die Kranke.
— 319 —
Befund: Kleine, schwächliche, stark ikterische Frau. Organ-
befund ohne Besonderheiten bis auf die Leber, die zumal im rechten
Lappen stark vergrössert .ist. Gallenblase nicht palpapel. Urin frei
von Eiweiss und Zucker, stark gallenfarbstofifhaltig.
Diagnose: Entzündlicher Pankreastumor infolge entzündlicher
Vorgänge in Gallenblase und Choledochus, die auf Steine zurückzu-
führen sind, möglicherweise noch Steine im Choledochus; ikterische
Stauungsleber (Ulcus duodeni?j.
Operation: 31. 1. 99. Gallenblase gross, weithin mit Netz
und Colon verwachsen. In der Gallenblase Eiter und 2 Steine.
Im Cysticus ein grosser Stein, der eine vollständige Verlegung des
Choledochus bewirkte. Er hat wahrscheinlich ein Ulcus gemacht, so
dass an der Eintrittstelle des Cysticus der Choledochus erheblich strik-
turiert war. Duodenalwärts heller eitriger Schleim. Choledochus zur
Cyste verbreitert. Incision. Extraktion eines Steines. Die Strlktur
im Choledochus wird gespalten und dann völlig excidiert (Resektion
des Choledochus). Die Hinterwand des vollständig getrennten Chole-
dochus wird soweit genäht, dass nur an der vorderen Wand ein Loch
zur Hepaticusdrainage bleibt. Tamponade nach Excision der ulcerierten
Gallenblase. Auffällig war, dass aus dem Hepaticus keine Galle nach-
floss. Die Leber ist so insufficient, die Leberzellen so in ihren Funk-
tionen gestört, dass sie keine Galle hervorbringen. Im Pankreas einige
feste Stellen. Wir überlegen uns, ob nicht besser die Choledocho-Duo-
denostomie anzuwenden ist, sehen davon ab, weil wir hoffen, dass der
Prozess im Pankreaskopf nur entzündlicher Natur ist. Der Schlitz
im Omentum minus, den wir anlegten, um den Pankreaskopf freizu-
legen, wird durch Naht wieder geschlossen. Das Rohr im Hepaticus
liegt 5 cm. tief und wird mit einer Sutur fixiert. Tamponade ringsum.
Dauer der Operation VJ2 Stunden. Gute Narkose mit Chloroform.
Verlauf: Nie Fieber, Ikterus schwindet sehr langsam, was auf
die lange Dauer der Krankheit, durch welche die Leberzellen schwer
affiziert sind, zurückzuführen ist. Auch aus der Fistel fliesst nur wenig
Galle ab, obwohl die Drainage gut funktioniert. 1. Verbandwechsel
am 12. Tage, Entfernung der Fäden. Prima intentio. Allgemeinbe-
finden gut, Appetit gering. Die Wunde ist seit dem 10. 3. geschlossen.
Appetit jetzt gut, Stuhlgang braun, Allgemeinbefinden besser. —
12. 3. 99. Geheilt entlassen.
Epicrise: Striktiiren im Choledochus sind ausserordent-
lich seltene Befunde ; so gern der ductus cysticus obliteriert,
so schwer hält das beim ductus choledochus, weil fortwährend
Galle durch diesen Gang strömt und dieser dadurch immer
offen gehalten wird.
Häufiger als die narbigen Strikturen sind die durch eine
Neubildung bedingten ; einen solchen Fall teile ich jetzt mit.
— 320 —
Die Resektion des duclus choledochus und hepaticus wegen
Carcinom will ich an der Hand eines Falles beschreiben, den
ich am 21. November 1902 operiert habe. Die ausführliche
Veröffentlichung findet sich in der Münch. med. Wochenschrift
1903, Nr. 3.
Ehe ich die Technik der Operation näher beschreibe, lasse
ich zunächst die Krankengeschichte folgen:
Nr. 152. E. L., 53j. Rektor aus Osnabrück.
Aufgen.: 20. 11. 1902.
Operiert: 21. 11. 1902. Resektion des Choledochus.
Hepatico-Duodenostomie. Ectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 24. 12. 1902. Geheilt.
Anamnese: Familiengeschichte und Vorleben ohne Belang.
Der Stuhl war stets träge.
Vor etwa 1 Jahr nach kaltem Trinken 8 Tage lang Schmerzen
im Leibe, nicht kolikartig, gleichmässig, wenig stark.
Anfang September 8 Tage lang Durchfälle, Uebelkeit, allgemeines
Unbehagen, keine Schmerzen. Danach Ikterus, der seitdem immer
mehr zugenommen bat, ohne einmal nachzulassen. Der Stuhl meist
weiss oder grau, manchmal aber fast normal gefärbt, der Urin bier-
braun. Patient leidet besonders unter dem Hautjucken, das ihn nicht
schlafen lässt, sonst fühlt er sich wenig krank. Fieber oder Frösteln
hat er nie gehabt, docb hat er in 8 Wochen ca. 30 Pfund abgenommen.
Auf Rat der Herren Sanitätsrat Dr. Pelz und Dr. Wilm in Osnabrück
kommt er hierher. Beide Kollegen haben die Diagnose auf Karzinom-
verschluss des Choledochus gestellt.
Befund: Sehr stark ikterischer, magerer Mann. Herz und Lungen
gesund. Im Urin viel Gallenfarbstoff, kein Eiweiss, kein Zucker.
Leib weich, flach. Gallenblase als grosser, sehr praller, gar nicht druck-
empfindlicher Tumor fühlbar. Leber erheblich vergrössert, Oberfläche
glatt, Herz, Lungen gesund. Milz nicht vergrössert.
Diagnose: Chronischer Choledochusverschluss durch Tumor (viel-
leicht Pankreatitis chron. interst.).
Patient bekommt 2 mal 3,6 gr. Chlorcalcium.
Operation: 21. U. 02 in Beisein des Herrn Dr. Erik Lind-
Stockbolm. Wellenschnitt. Leber massig, vergrössert, starr, nicht
bucklig. Gallenblase (7 in Fig. 21) sehr gross, sehr prall ge-
spannt, ohne Adhäsionen. Aspiration wasserklaren Inhalts. Im
Cysticus (6) ein haselnussgrosser Stein, der sofort in den Fundus der
Gallenblase gedrückt wird. Entfernung desselben nach Incision. In
die Gallenblase wird sterile Gaze eingeführt und die Inzisionsstelle ab-
geklemmt. An der Bifnrkationsstelle des Cysticns und Hepaticus fühlt
man einen runden, sehr harten Tumor, der zuerst als Drüse imponiert.
Nachdem aber diese Stelle dem Auge zugänglich gemacht ist, stellt
321 —
sich heraus, dass der Tumor dem Choledochus und Hepaticus ange-
hört. Leberwärts ist der Hepaticus (3) sehr ausgedehnt, von der Grösse
einer Walnuss, und bei der Incision spritzt die klare Galle im Bogen
heraus. Der Tumor ist
^^ scharf begrenzt nach üben
und nach dem Duodenum
zu: von seiner Unterlage,
der Vena portarum, lässt
er sich abheben. Die
starre Leber ist etwas im
Wege, doch gelingt die
Freilegung des Tumors
gut. Da alles für Carcinom
spricht, wird die Resek-
tion beschlossen. Zuerst
wird das duodenale Ende
des Choledochus (3) dicht
am Duodenum freige-
macht und mit einer
Kocher sehen Klemme
abgeklemmt. Dicht vor
dieser wird der Chole-
dochus quer durchschnit-
ten, bis die Vena portarum
(5) zu Gesicht kommt. Das Gefass schimmert blau hindurch, ist als
fingerdicker Strang prall mit Blut gefüllt fühlbar. Präparation des Cho-
ledochus von seiner Unterlage (Vena portarum) bis zum Hepaticus.
Nur eine Unterbindung ist nötig. Excision der Gallenblase in Zu-
sammenhang mit dem Cysticus und dem resezierten Choledochus resp.
Hepaticus, Unterbindung der Art.
cystica. Eine zirkuläre Naht zwi- Pig- 22.
sehen Hepaticus und Choledochus
ist unmöglich, weil 1. der Abstand
beider Lumina sehr gross ist (viel-
leicht 6 cm). Hepaticus und Chole-
dochus, von denen etwa 3V2 cm.
reseziert sind, haben sich beträcht-
lich retrahiert. 2. Weil das Lumen
des Hepaticus weit (kleinfinger-
dick), das des Choledochus sehr
eng ist (bleistiftstark). Es wird des-
halb das duodenale Ende des Chole-
dochus durch eine Ligatur (3) geschlossen und versenkt (siehe Fig. 22.) ; es
verschwindet völhg retroduodenal. Der Hepaticus (1) wird in das Duo-
denum (2) implantiert; die Spannung ist nicht unbedeutend, doch ge-
lingt die Naht (erst hintere Naht, dann vordere mit feiner Seide; ein-
fache Naht, keine Schleimhautnaht). Auf die Naht wird ein breiter,
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 21
— 322 —
beweglicher Netzzipfel aufgenäht. Die Naht wird nicht tamponiert,
sondern nur das wunde Leberbett. Annähung der Leber an das Peri-
toneum parietale mit 3 Seidensuturen (darunter Draht). Verschlies-
sung der Bauchwunde mit doppelt armierten Seidensuturen nach
Spencer- Wells bis auf einen kleinen Spalt in der Mitte des Schnitts,
wo die tamponierende sterile Gaze herausgeleitet wird. Verband.
Dauer der ganzen Operation P/z Stunden, Puls 50—60, kräftig. Gute
Chloroformnarkose.
Das herausgeschnittene Präparat bestand aus der Gallenblase (7)
mit dem Cysticus (6) und einem 1^2 cm. langen Stück des Chole-
dochus und einem 2 cm. langen Stück des Hepaticus (1 — 3). Gerade
an der Konfluenz von Cysticus und Choledochus fühlt man eine zirka
haselnussgrosse Härte. Führt man eine Sonde von dem ca 1'/» cm.
weiten Lumen des Hepaticus ein, so kann man nur unter Schwierig-
keit den Choledochus passieren, dessen Lumen sehr eng ist und
kaum 2 mm. beträgt. Aufgeschnitten zeigt der Kanal, dass die Schleim-
haut noch intakt ist, die Neubildung aber ringförmig den Gang so
verengt, dass eine vollständige Retention der Galle erfolgen musste.
Oberhalb der Striktur bedeutende Erweiterung, unterhalb derselben
hochgradige Enge. Auch der Cysticus war durch die Neubildung der-
artig verschlossen, dass er nur für eine feinste Sonde durchgängig
war. Das pathologische Institut zu Göttingen hatte die Güte, die
mikroskopische Untersuchung des Präparates zu besorgen und teilte
uns folgendes Ergebnis mit : »Die mikroskopische Untersuchung er-
gibt die Anwesenheit krebsiger Wucherungen in der Wand des Ductus
choledochus, welche dieselbe diffus durchsetzen und aus schmalen
spaltförmigen Strängen mit z. T. hohem, kubischem Epithel, z. T.
abgeplatteten Zellen bestehen, die anscheinend den Lymphspalten
folgende Stränge darstellen."
Verlauf: Kein Erbrechen. Puls 70. Temp. 38,1. Kochsalzinfusion.
22. 11. Temp. 38,1. Puls 92. Befinden gut. Im Verband viel Galle.
Kein Erbrechen und Aufstossen, Urin spontan. Verbandwechsel.
Kochsalzinfusion. Nachmitt. Temp. 38,4. Puls 120. Im Leib noch kein
Kollern. Magenspülung ergibt viel Inhalt, etwas Galle, wenig Blut.
Kochsalzinfusion.
23. 11. Temp. 37,6. Puls 100. Etwas Blähungen.
24. 11. Temp. 37,8. Puls 90. Befinden gut. Im Verband Galle.
Es erfolgt spontane Stuhlentleerung. Stuhl braun.
27. 11. Pat. ist immer fieberfrei. Puls zwischen 80 und 90. Pat.
trinkt reichlich Milch. Täglich einmal wenig Erbrechen. Magen bei
Spülung immer leer von Speisen, der Inhalt gallig gefärbt (geringer
Rückfluss durch Zerrung des hochfixierten Duodenums).
28. 11. Gestern Abend Pulsbeschleunigung. Sehr grosse Mengen
(ca. Vh 1) Galle im Magen. Ebenso heute Morgen. Puls 120, klein.
Kochsalzinfusion 2 mal. Pat. wird auf die rechte Seite gelegt. Darnach
kein Erbrechen, kein Aufstossen mehr. Abends Magen leer trotz reich-
licher Flüssigkeitszufuhr im Laufe des Tages. Abends Temp. 38,0.
— 323 —
29. 11. Nacht ruhig. Puls 96. Kein Erbrechen. Kein Auf-
stossen. Fühlt sich heute sehr wohl. Fortgesetzt rechte Seitenlage.
Temp. 37,6-38,0.
2. 12. Fieberfrei. Nimmt seit gestern etwas feste Nahrung zu
sich. Befinden gut.
4. 12. Verbandwechsel. Entfernung der Tampons unter reich-
lichem Spülen mit Kochsalzlösung. Wundtrichter sieht sehr gut aus.
Naht hat gehalten. Neue Tamponade.
5. 12. Ausgezeichnetes Befinden. Verband trocken. Sehr guter
Appetit.
9. 12. Verbandwechsel. Wenig Sekret im Verband, etwas übel-
riechend. Nach Lockerung der Tampons erscheint an der tupfenden
Gaze etwas Galle. Neue Tamponade. Am Nachmittag die untersten
Verbandstücke mit heller Galle durchtränkt.
10. 12. Die Durchtränkung hat nicht zugenommen.
11. 12. Heute ganz trocken.
12. 12. Noch trocken. Sehr gutes Allgemeinbefinden. Verband-
wechsel.
13. 12. Wundtrichter sehr eng, so dass nur noch ein ganz feiner
Streifen steriler Gaze eingelegt werden kann. Seit dem 10. 12. hat
sich kein Tropfen Galle mehr im Verband gezeigt. Die am 9. 12. aus-
getretene Galle dürfte noch aus einem offenen Gallengang im Leber-
bett herstammen. Sekretion wird imimer geringer, Fäzes gut gefärbt.
Appetit sehr gut. Das Jucken hat völlig nachgelassen. Fat. steht
etwas auf. Die Heilung der Wunde und die Besserung des Allgemein-
befindens machen solche Fortschritte, dass Fat. am 24. 12. in seine
Heimat entlassen werden kann.
Ich habe bei Gelegenheit der Bearbeitung- des Abschnittes
der chirurgischen Krankheiten der Gallenwege und der Milz in
dem Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Bergmann,
V. Bruns, v. Mikulicz mich bereits eingehend mit den Car-
cinomen der Gallen wege beschäftigt und kenne die Literatur
über diesen Gegenstand wohl ziemlich genau.
Überall stösst man nur auf recht spärliche Notizen über
diese Krankheit, und so häufig bisher primäre Carcinome der
Gallenblase beobachtet wurden, so selten findet man Angaben
über die Carcinome des Choledochus.
Schüppel macht auf p. 71 einige Bemerkungen über den pri-
inären Gallengangskrebs; er erwähnt die Falle von Villardund
Schreiber und fügt einen Fall eigener Beobachtung hinzu, welcher
für das anatomische Verhalten des primären Gallengangkrebses als
Paradigma dienen kann. Der Krebs sass bei dem 60 jähr, stark ikter-
ischen Mann an der Bifurkationsstelle, welche auf eine 2 cm. lange Strecke
von einer festen skirrhösen Neubildung eingenommen war. Das Lumen
des Ganges war ein sehr enger Spalt, für die Sonde nur mühsam
21*
— 324 —
durchgängig. Einen ähnlichen Fall habe ich vor 2 Jahren operativ
behandelt. Es gelang mir, die karzinomatöse Striktur zu dehnen und
so die gestaute Galle abzuleiten; der Pat. erlag aber wenige Wochen
nach der Operation seiner Grundkrankheit.
Nicht viel mehr wie bei Schüppel finden wir bei Langen-
buch und Naunyn über den Krebs der Gallenwege. Naunyn
sagt: „Am häufigsten sind die Karzinome am Duodenalende des Duc-
tus choledochus, dann an der Einmündungsstelle des Cysticus in den
Choledochus und an der Bifurkation des Hepaticus. Sie stellen sich
meist als Infiltration der Wandung des Gallenganges dar, den sie ver-
engern oder verschliessen. Die Schleimhaut ist häufig über der In-
filtration noch vollkommen oder fast vollkommen unversehrt Es sind
diese Veränderungen an den Gallengängen, wie Schüppel bemerkt,
leicht zu übersehen oder zu verkennen." (pag. 155.) „Zur Entwick-
lung von Metastasen kommt es selten, weil die Neubildungen lang-
sam zu wachsen scheinen und die absolute Gallenstauung schon früher
tödlich zu werden pflegt." Bei Quincke und Hoppe-Seyler findet
man auf pag. 118 und pag. 458 ebenfalls nur wenige Notizen über die
primär in den Gallenwegen vorkommenden Krebse. „Häufig sind sie
mehr ringförmig (Willigk, Deetjen), oft sehen sie mehr polypös
aus, und erst die genauere mikroskopische Untersuchung erweist ihren
malignen Charakter. Der Natur der Sache nach brauchen sie nicht
gross zu sein, um erhebliche Störungen und in kurzer Zeit den Tod
eintreten zu lassen, denn sie führen, wenn sie am Choledochus oder
Stamm des Hepaticus sitzen, rasch zu Gallenretention und zu Cholämie
und auch die am Cysticus sitzenden ziehen bald den Hepaticus und
Choledochus in die Krebsbildung hinein, so dass rasch ein totaler
Verschluss der Gallenwege und so die Folgen der Gallenstauung in
der Leber entstehen." Am ausführlichsten äussert sich Kraus über
die Karzinome der Gallenwege: „Wie überhaupt in den Gallenorganen
gehören aber auch hier die weitaus häufigsten und wichtigsten Ge-
schwülste zu den Carcinomen. Den Ausgangspunkt derselben an-
langend, konnte wenigstens für eine Anzahl von Fällen der mikro-
skopische Nachweis erbracht werden, dass ihre Bildung von den Gallen-
gangsdrüsen herrührt. Die grossen Gallengänge sind hauptsächlich in ihren
zentralen Abschnitten mit Drüsen ausgestattet. Am reichlichsten sind
solche im Hepaticus vorhanden, weniger im oberen Teile des D. chole-
dochus; im unteren Teil des letzteren nehmen sie ab. Der azinös ge-
baute Drüsenkörper liegt ähnlich einer Pinienkrone in der bindege-
webigen Wand (Riess). Man spricht demselben eine schleimartige
Absonderung zu, von welcher noch strittig ist, ob sie echtes Muzin
enthält. Nach Vergrösserung der Drüsenbläschen, vielleicht durch
Zusammenfliessen, wuchern die Zylinderepithelien stark und durch-
ziehen in Form von Schläuchen das Lumen. Damit im Zusammen-
hange erfolgt eine Hineinwucherung des Stroma, und die Drüsenbläs-
chen werden in mikroskopisch kleine Krebsknötchen verwandelt (M.
Howald). Gewöhnlich ist das Stroma reichlich vorhanden, so dass
der Krebs die BeschaflFenheit des Skirrhus annimmt (Dieckmann).
— 325 —
Die Neubildung stellt sich zunächst als Infiltrat der Wand des Gallen-
ganges dar, welchen sie verengert und weiterhin verschliesst. Die
Schleimhaut über dem Infiltrat kann lange vollkommen oder teilweise
unversehrt bleiben. Die Neubildung gestaltet sich entweder ring-
förmig oder mehr polypös, bisweilen zottenförmig. Fast immer han-
delt es sich bis zum Ende um Tumoren von geringer Grösse. Der
Durchmesser beträgt oft nicht mehr als 1 cm. und auch die Längs-
ausdehnung ist eine verhältnismässig geringe, nur in der Ausdehnung
von einigen, bis etwa 5 cm. pflegt die Wand ergriffen zu sein. Doch
sind immerhin Tumoren über Walnuss-, ja bis Faustgrösse gesehen
worden. Neben der verborgenen Lage ist es diese Kleinheit, was die
Palpation der Choledochusgeschwülste fast ausnahmlos unmöglich
macht. Entsprechend den bekannten Lokalisationsgesetzen für Krebse
überhaupt finden sich auch in den Gallengängen die Karzinome haupt-
sächlich an den schmälsten Stellen des Stromgebietes (Choledochus-
mündung, Konfluenz von Cysticus und Hepaticus, Teilungsstelle des
Hepaticus)." In den von Kraus beobachteten Fällen mit Obduktion
handelte es sich 7 mal um eine Geschwulst in der Umgebung des
Diverticulum Vateri, 3 mal waren es Carcinome in der (jegend der
Teilungsstelle des Hepaticus und Cysticus, bloss 1 mal des Hepaticus.
Weiterhin ist Kraus nicht der allgemeinen Ansicht, dass Krebse des
Choledochus selten zu Metastasen neigen, im Gegenteil, nach seiner
Erfahrung ist „die Entwicklung von Metastasen 4ine sehr regelmässige
und reichliche".
Über die primären Carcinome der Papilla Vateri hat im Jahre 1901
Seh Uli er aus der Czerny sehen Klinik eine ausführliche Arbeit ver-
öfl"entlicht. Er konnte bereits 41 Fälle zusammenstellen. Carcinome,
die an anderer Stelle des Choledochus, d. h. also nicht an der Papille,
sondern im freien Teil des Choledochus und Hepaticus sich lokalisiert
hatten, kennt Sc hü 11 er 19. Wegen Carcinom an der Papille stellt
Sc hüller 10 Palliativoperationen zusammen, von denen keine einen
Erfolg hatte. Bei der einzigen bisher bekannten Radikaloperation, die
Czerny ausführte*), gelang es, das Carcinom transduodenal zu exstir-
pieren, den Ductus choledochus und pankreaticus unter einem in das
Duodenum einzunähen. Die Nähte wurden insuffizient, und der Patient
erlag der dadurch verursachten Infektion. Zum Schluss bemerkt
Sc hüller: „Je früher und je häufiger aber bei Erkrankungen der
Gallenwege operiert werden wird, desto mehr solche Carcinome werden
vielleicht in einem Zustand zur Beobachtung kommen, der technisch
eine Radikaloperation nicht ausschliessen wird. Freilich wird nie ver-
gessen werden dürfen, die anatomischen Verhältnisse, insbesondere
auch das Verhalten und die Durchgängigkeit des Ductus Wirsungianus
und des Ductus Santorini genau zu prüfen und die Metastasen in
Rücksicht zu ziehen. Trotz der sehr zweifelhaften Prognose wird
man in der Erwägung, dass die Krankheit ohne radikale Entfernung
*) Seitdem sind Fälle von Halsted und Körte publiziert. Siehe
im ersten Teil das Kapitel : Die Resektion des ductus choledochus.
— 326 —
der Ursache immer in kürzester Zeit zum Tode führt, berechtigt sein,
in geeignet scheinenden Fällen unter jeweiliger Modifikation der
Operationstechnik und Wundversorgung den Versuch einer Radikal-
operation zu machen."
Courvoisier, der mit einem Fleiss ohne gleichen bis zum
Jahre 1890 die Erfolge des Messers auf dem Gebiete der Gallenstein-
chirurgic zusammengestellt hat, konnte nur 21 Neubildungen des Chole-
dochus zusammenstellen; davon waren 15 Carcinome. 19 mal ist der
Sitz in diesen Fällen angegeben, 9 mal ist der Anfangsteil des Ganges,
nahe an der Vereinigung von Cysticus und Hepaticus, 3 mal die Mitte
7 mal die Pars intestinalis resp. das Ostium genannt.
Spangenberg (1896) nennt noch Fälle beschrieben von van
derByl, Korczynski, Sohüppel, Niemeyer, Howald, War-
fringe, och Wallis, Lindh och Köster, Brunswig und 2 Fälle
aus dem pathologischen Institut in Freiburg. „In Bezug auf den Sitz
der Neubildung scheint keine besondere Prädilektionsstelle vorhanden
zu sein".
Heynen (1896) gibt an, dass er in der Literatur nur 17 genauer
beschriebene Fälle von primärem Krebs der Gallenwege gefunden habe.
Ehe ich die Symptome des Krebses der Gallenwege be-
spreche, möchte ich über den Zusammenhang zwischen Carcinom
und Gallensteinen eine kurze Bemerkung einflechten.
Wie bekannt, entsteht das Carcinom der Gallenblase häufig
auf dem Boden der Cholelithiasis, resp. der durch die Steine
erzeugten Ulcerationen. Für die Krebse des Choledochus ist ein
solcher Zusammenhang in nur wenigen Fällen bisher nachweis-
bar gewesen, und auch in meinem Falle glaube ich nicht, dass
durch den Reiz des Cysticussteins der Entstehung des Carci-
noms Vorschub geleistet wurde. In den Fällen von Kraus,
von Du rand -Fardel, Brenner ist ein Zusammenhang zwi-
schen Cholelithiasis und Carcinombildung nicht ganz von der
Hand zu weisen, ein sicherer ätiologischer Zusammenhang ist
aber bisher noch nicht festgesellt.
Ich begnüge mich mit diesen Angaben über das Vorkommen
des primären Carcinoms der Gallenwege und gehe dazu über,
für den Praktiker wichtige Punkte hervorzuheben:
1. In den allermeisten Fällen gelingt es auf Grund der
Anamnese und der Symptomatologie festzustellen, ob der Chole-
dochusverschluss durch einen Stein oder durch einen Tumor
bedingt ist.
2. Die allgemein — auch von mir — bisher vertretene An-
sicht, man solle nur beim Verschluss durch Steine operieren, ist
zu verwerfen.
- 327 —
8. Mein Fall zeigt, dass auch die bisher noch nicht aus-
geführte Kadikaloperatiou des Choledochuskrebses technisch
durchführbar ist.
Punkt 1 habe ich ausführlich in meiner Anleitung zur Er-
lernung der Diagnostik der einzelnen Formen der Gallenstein-
krankheit besprochen. Auch bei Kraus findet man eine ganz
ausgezeichnete Darstellung der diiferentiellen Diagnostik des chro-
nischen Choledochusverschlusses bedingt durch Stein oder Tumor.
Um mich möglichst kurz zu fassen, verweise ich auf diese
Arbeiten und bringe die Unterscheidungsmerkmale zwischen
Choledochusobstruktion durch Tumor und Stein auf folgender
Tabelle unter:
(Siehe Tabelle nächste Seite.)
In meinem Fall wurde, wie aus der Krankengeschichte her-
vorgeht, die Diagnose auf einen Tumor am Choledochus resp.
Pankreas, eventuell gutartiger Natur (Pankreatitis chron.
interst.) gestellt, und zwar aus folgenden Gründen : Gegen einen
Stein im Choledochus sprach der sehr intensive Ikterus, das
Fehlen vorausgegangener Koliken und die grosse Gallenblase.
Diese war allerdings enorm gespannt, wie man das bei einfacher
Gallenstauung selten findet, aber sie war absolut nicht schmerz-
haft, ^und Koliken waren, wie gesagt, nicht vorausgegangen.
Bei dem absolut klaren Inhalt der Gallenblase niuss man an-
nehmen, dass auch niemals eine Entzündung in der Gallenblase
sich abgespielt hat, sondern dass ohne Infektion ganz allmäh-
lich die Eintreibung des Steins in den Hals der Gallenblase
vor sich gegangen war. Die Kombination von Hydrops der
Gallenblase resp. Cysticusverschluss durch Stein mit Chole-
dochusobstruktion durch Tumor war eine ganz zufällige: Nie-
mand wird eine solch' spezielle Diagnose stellen können. Nur den
Choledochusverschluss konnte man diagnostizieren, und dieser
musste nach dem ganzen Verlauf der Krankheit und dem Be-
fund auf einem verschliessenden Tumor beruhen. Ob dieser
gut- oder bösartiger Natur v^^ar, liess sich auch nicht mit
Sicherheit sagen*), und ich habe genug solche Fälle beobachtet,
bei denen statt des vermuteten Carcinoms die einfache Pan-
kreatitis chron. interst. aufgedeckt wurde. Die Hoffnung, diese
*) Der überall lebhaft besprochene Krankheitsfall des Herrn
Waldeck-Rousseau gelwrt in diese Kategorie. (Anm. w. d. Korr.)
328
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_ 329 —
letztere, heilbare Krankheit bei der Operation zu finden, war
der Grund, warum ich dringend zur Operation riet.
Wer seiner Diagnosenstellung beim chronischen Choledochus-
verschluss die obige Tabelle zu Grund legt, wird in ca. 80 Proz.
der Fälle das Richtige treffen. Ich brauche aber wohl nicht
darauf hinzuweisen, dass es keiner Krankheit einfällt, nach
schematischen Vorschriften zu verlaufen, und dass auch der
Choledochusverschluss durch Tumor in dieser Beziehung keine
Ausnahme macht. Auch die Gallenblase kann hierbei ge-
schrumpft sein, wenn sie früher einmal entzündet war und sich
nun bei der Gallenstauung nicht ausdehnen kann. Und wenn
nun z. B. ein Empyem oder ein Hydrops" der Gallenblase sich
mit Choledochusverschluss durch Tumor kombiniert, dann ist
aller diagnostische Scharfsinn umsonst: kein Arzt kann hier
eine genaue Diagnose stellen.
Früher hielt ich die differentielle Diagnosenstellung, ob der
Choledochusverschluss durch Stein oder durch Tumor bedingt sei,
für sehr wichtig. Ich war der Meinung, man solle bei Tumor-
okklusion die Operation möglichst einschränken, da der Erfolg
doch mangelhaft sei und dadurch leicht die Gallensteinchirurgie
in Misskredit kommt. Auch Kraus u. a. ist dieser Meinung.
Diese Ansicht vertrete ich heute nicht mehr, seitdem ich ein-
sehen gelernt habe,^ dass die chronische Pankreatitis, wenn sie
im Kopf der Bauchspeicheldrüse sitzt, dieselben Erscheinungen
machen kann, wie ein dort lokalisiertes Carcinom. So wenig
aussichtsvoll nun auch eine Operation wegen des letzteren
Leidens ist, bei der chronischen Pankreatitis kann man durch
die Operation nicht nur einen augenblicklichen Erfolg erzielen,
sondern dauernden Nutzen schaffen.
Ich empfehle also bei chronischem Ikterus, der auf ein
Hindernis am Choledochus oder Pankreas hindeutet, die Ope-
ration immer, in der Hoffnung, auf einen Fall von Pankreatitis
chron. zu stossen und so den Kranken durch die Operation zu retten.
Der mitgeteilte Fall ist die erste Resektion des kreb-
sigen Choledochus. Warum sollen diesem nicht weitere
Fälle folgen? Mag es auch selten gelingen, einen geeigneten
Fall einmal wieder unter das Messer zu bekommen; bei einem
unter allen Umständen zum Tode führenden Leiden ist man
froh, wenn man unter 100 Fällen nur 2 oder 3 retten kann,
— 330 —
und deshalb werde ich von jetzt an in jedem Fall von Oarcinom
des Choledochus den Versuch einer radikalen Operation wagen.
Dass diese bei den kleinen Carcinomen, die den supraduodenalen
Teil des Choledochus verschliessen, möglich ist, habe ich durch
die Operation meines Falles bewiesen.
Jedenfalls muss ich bei der schon früher öfters aufge-
stellten Forderung beharren, dass man bei chronischem Ikterus,-
der auf eine Verstopfung des Choledochus hindeutet, spätestens
nach 3 Monaten seit Beginn des Ikterus operieren soll. Ge-
wiss gibt es Fälle von katarrhalischem Ikterus, die länger als
3 Monate bestehen und doch noch spontan heilen, — aber wo
der Ikterus immer intensiver wird, die Gallenblase als prall ge-
füllter Tumor die Bauchdecke hervorwölbt, Kachexie und hoch-
gradiger Kräfteverfall eintritt, soll man nicht müssig zusehen,
wie die cholämische Intoxikation immer weiter um sich greift,
und darf nicht durch Karlsbader Kuren und grosse Dosen
Olivenöl die noch vorhandene Widerstandskraft der Patienten
in Frage stellen. In solchen Fällen, bei denen alle Zeichen eines
Verschlusses durch einen Tumor vorhanden sind, soll man ope-
rieren. Denn ohne Operation ist jeder Kranke ver-
loren; eine innere Behandlung könnte nur symptomatischer
Natur sein und vorhandene Schmerzen, Appetitlosigkeit etc. be-
kämpfen.
Wie stets beim Carcinom, so soll man auch bei dem Ciiole-
dochuscarcinom in erster Linie eine Radikaloperation an-
streben, erst in zweiter Linie käme eine Palliativoperation in
Betracht.
Bisher ist, wie ich bereits oben erwähnte, bei Krebsen
des Choledochus und Hepaticus erst ein paar Mal (von Czerny,
Körte, Halsted) eine Radikaloperation ausgeführt worden, die
in der Resektion eines auf die Papilla duodeni lokalisierten
Krebses bestand. Um so häufiger wurden Palliativoperationen
(Anastomosen zwischen Gallenblase und Darm, zwischen Chole-
dochus und Darm) ausgeführt. Die Arbeit von Terrier und
Auvray gibt über diese Operationen wohl den besten Aufschluss.
Die Radikaloperation eines" Choledochuscarcinoms muss be-
stehen in der Resektion der Gänge mit nachfolgender zirkulärer
Naht oder, wie in meinem Falle, mit Verschliessung des duo-
denalen Endes des Choledochus und Hepatico-Enterostomie.
— 331 —
Resektionen des Ductus choledochus kenne ich nur
zwei: der eine Fall stammt von Doyen, der andere von
mir. Aber beide Male handelte es sich nicht um Resektion
des carcinomatösen Choledochus, sondern die Indikation war
durch Steine resp. Obliterationen des Choledochus infolge von
Druckusur durch Steine gegeben. Ich will auf diese beiden
Fälle nicht naher eingeben, möchte nur- bemerken, dass von
einer Resektion im Doyen sehen Falle eigentlich nicht ge-
sprochen werden kann — es handelt sich vielmehr nur um eine
zirkuläre Naht des Choledochus — , und dass auch in meinem
Falle die Resektion des Choledochus nur sehr geringfügiger
Natur war. Anders in dem oben mitgeteilten Fall ; hier wurden
fast 4 cm. des Choledochus resp. Hepaticus entfernt, und der
Fall kann als erste grössere Resektion des Choledochus gelten.
Doch will ich nicht versäumen, festzustellen, dass sowohl
Ulimann wie Terrier und Auvray, Hagen und Pantaloni
die Technik der Resektion des Choledochus mit nachfolgender
zirkulärer Naht resp. Hepatico-Duostenostomie bis ins einzelne
beschrieben haben, so dass ich kaum in der Lage bin, diese
Vorschriften durch bessere Vorschläge zu ergänzen.
Dass die Resektion des Choledochus bisher beim Menschen
so selten zur Ausführung kam, mag besonders daran liegen, dass
die Indikation zu einer solchen Operation sehr selten vorhanden
ist. Und dann mag die gefährliche Nachbarschaft der starken
Vena portarum die Lust der Chirurgen zu einer solchen Opera-
tion einigermassen eingedämmt haben. In meinem Falle war die
Loslösung des Choledochus von dem strotzend gefüllten Gefäss
ziemlich leicht, unmöglich wird sie sein, wenn im Choledochus
Steine gesteckt haben, welche Entzündungen und Verwachsungen
machten und die Loslösung vereiteln. Das sieht man schon
an der Gallenblase. Eine nicht entzündete oder wenigstens
durch Entzündung nicht stark veränderte Gallenblase ist mit
wenigen Schnitten aus dem Leberbett gelöst, während eine
chronisch entzündete und ulcerierte Gallenblase festsitzt, so-
dass das Messer nur schwer den richtigen Weg findet und oft
die Leber, oft die Gallenblasenwand verletzt. Hat man aber
bei einer Choledochusresektion die Vena portarum verletzt, so
kann man zwar eine Venennaht machen oder sonst durch Tam-
ponade die Blutung stillen, wie ich in einem eigenen Fall das
— 332 —
vermochte, meistenteils wird man aber auf die weitere Opera-
tion verzichten und das Carcinom zurücklassen müssen. Ich
riskierte in meinem Falle die Resektion, weil ich sofort den
Tumor als Carcinom erkannte, und ich mir sagte, dass ein so-
fortiger Tod nach oder bei der Operation für den Operateur
zwar recht unangenehm, aber bei dem absolut tödlichen Leiden
für den Patienten als eine Erlösung von späteren Qualen zu
betrachten sei.
Was die Technik der Operation anlangt, so will ich nur
einige Punkte berühren, die im ersten Teil nicht weiter be-
rücksichtigt wurden.
Kranke mit chronischem Ikterus sind an und für sich
wenig widerstandsfähig, besonders wenn die Gelbsucht auf einem
Carcinom beruht. Hier kommt sehr viel darauf an, dass man
schnell operiert, wenig Chloroform braucht und recht zart mit
dem Patienten umgeht. Schon die einfache Choledochotomie
steht im Rufe, eine recht gefährliche Operation zu sein, und
jüngst erzählte mir ein Kollege, dessen Frau ich operierte:
Der Chirurg seiner Stadt, ein sehr geschickter Operateur, habe
9 Choledochotomien ausgeführt und sämtliche Operierte ver-
loren. Ich will nicht näher erörtern, wodurch diese hohe Mor-
talität bedingt ist, und warum ich bei der Choledochotomie resp.
Hepaticusdrainage nur noch mit einer Mortalität von ca. 3 Proz.
zu rechnen brauche ; aber ich muss doch darauf hinweisen, dass
die meisten Choledochotomien deshalb letal verlaufen, weil sie
zu lange dauern. Länger wie höchstens eine Stunde soll man
den Bauch nicht offen lassen, und auch in meinem Fall habe
ich mich nach Möglichkeit beeilt, die Operation zu Ende zu
führen. Langsame Operateure werden niemals bei Gallenstein-
operationen gute Erfolge haben.
Nur wenn das Operationsgebiet durch den Wellenschnitt
gut zugänglich gemacht ist, ist eine Resektion des Choledochus
resp. Hepaticus durchführbar. Sitzt also der Tumor am duo-
denalen Teil des Choledochus, so wird eine solche Operation
sehr schwierig, ja unmöglich werden, und ergreift die Ge-
schwulst den Hepaticus dicht am Eintritt in die Leber, so tut
man gut, den Fall als inoperabel zu erklären. Hier käme die
von Langenbuch geplante Hepatocholangiostomie resp.
Hepatocholangioenterostomie in Betracht. Aber wie alle Anasto-
— 333 —
mosen bei Carzinoni der Papilla duodeni, des Pankreaskopfes,
des Duodenum selber, so hat auch die Langen buch 'sehe Opera-
tion nur den Zweck, die gestaute Galle abzuleiten, das Wachs-
tum des Careinoms wird sie wenig beeinflussen. Meine Er-
fahrungen, die ich bei zahlreichen Anastomosen zwischen Gallen-
wegen und Darm resp. Magen gemacht habe, haben mich be-
lehrt, dass die Operation bei Carcinom sehr geringen Wert hat,
während sie bei der Pankreatitis chron. von hervorragendem
Nutzen ist. Wir müssen nur bei allen Carcinomen frühzeitig
operieren und in erster Linie eine Radikalexcision anzustreben
suchen. Eine frühzeitige Operation setzt aber eine frühzeitige
Diagnose voraus und gerade der praktische Arzt, der den Fall
gewöhnlich zuerst sieht, sollte keine Gelegenheit unbenutzt
lassen, um sich in der Diagnosestellung zu vervollkommnen.
Der übrige Gang der Operation erhellt aus der Kranken-
geschichte resp. den beigeführten Skizzen.
Die Anastomose zwischen Hepaticus und Duodenum habe
ich. nicht mit dem Murphyknopf gemacht; ich verlasse mich
weit mehr auf meine Naht, die natürlich etwas länger dauert,
aber jedenfalls der Einführung des schweren Fremdkörpers
vorzuziehen ist.
Ehe ich die Gallenblase in meinem Fall exstirpierte, über-
legte ich mir genau, ob ich dieselbe nicht zur Ableitung der
Galle in den Darm verwenden konnte. Man hätte z. B. den
Cysticus samt dem Stück carcinomatös entarteten Hepaticus
und Choledochus entfernen hönnen, um Hepaticus und Gallen-
blasenhals in Verbindung zu bringen und schliesslich die Galle
durch eine Anastomose zwischen Fundus der Gallenblase und
Duodenum abzuleiten. Die Operation wäre dann eine Hepatico-
Oystostomie mit nachfolgender Cysto-Duodenostomie gewesen.
Die Gallenblase war aber chronisch entzündet und verhinderte
ausserordentlich das Nähen in der Tiefe, so dass ich mich zur
Langenbuch'schen Operation entschloss. Ich entfernte also in
einem zusammenhängenden Stück Gallenblase und den strictu-
rierten Choledochus und Hepaticus und leitete dann die Galle
direkt aus dem Hepaticus in das Duodenum ab.
Dem Pat. geht es heute — fast 2 Jahre nach der Operation
— ausgezeichnet. Über den weiteren Verlauf nach seiner Ent-
lassung aus der Klinik berichtet er am 6. August 1903 Folgendes:
— 334 —
„Die Heilung der Wunde schritt ohne Störung, wenn auch lang-
sam fort, so dass die Wunde etwa Mitte Januar 1903 völlig geschlossen
war. Die Leibbinde habe ich bis etwa Mitte Juni tagsüber regel-
mässig, von Mitte Juni ab nur ausnahmsweise bei grösserer An-
strengung getragen. Irgend welche Anzeichen eines entstehenden
Bruches haben sich bislang nicht gezeigt. Fistelartige Erscheinungen
sind an der Operationsstelle nicht vorhanden.
Der Schlaf war zur Zeit meiner Heimkehr, Sytvester 1902, noch
durch häufiges Erwachen, etwa alle zwei Stunden, unterbrochen, wurde
aber stetig normaler, so dass ich etwa von Ende Januar ab in der
Regel 7 bis 8 Stunden, von etwa 11 Uhr bis 6 oder 7 Uhr ruhig und
fest durchschlief, ohne zu erwachen.
Eine nicht unerhebliche Unbequemlichkeit war jedoch mit der
Nachtruhe verbunden. Zwar war das eigentümliche , durch den Ein-
tritt der Galle in das Blut hervorgerufene Jucken in der Haut all-
mählich verschwunden; etwa Mitte Januar merkte ich tagüber nichts
mehr daran. Sobald ich mich aber zu Bett legte, machte sich auf der
Körperseite, auf der ich lag, wieder ein heftiges Jucken bemerkbar
und dauerte V* bis 1 Stunde, bis das Bett die Körperwärme angenom-
men hatte. Diese Erscheinung hat angehalten bis in den Juni hinein,
ist jetzt aber auch verschwunden.
Der Urin. Die in der ersten Zeit häufigen Unterbrechungen des
Schlafes hingen wohl auch damit zusammen, dass das Bedürfnis zum
Urinieren sich nicht selten des Nachts zeigte und zwar dann sehr häufig,
alle 2 bis 3 Stunden. Aber auch dies änderte sich und war von etwa
Anfang Februar an regelmässig. Die normale Farbe erhielt der Urin
bereits Anfang Januar.
Der Stuhlgang war seit meiner Entlassung aus der Klinik durch-
aus regelmässig. Während ich früher vielfach an trägem Stuhlgang
litt, hat derselbe von Anfang Januar bis Ende Juni nicht einen Tag
ausgesetzt und nie irgend welche Beschwerden gemacht. Er trat ge-
wöhnlich zweimal am Tage ein und war stets leicht.
Die Zunahme meines Körpergewichts, mit der die Besserung im
Aussehen gleichen Schritt hielt, ergibt sich aus folgender Tabelle :
Mein Gewicht betrug
am 23. Dezember 1902 110 ^
„31. . , 117 „
„ 1. Januar 1903 117 „ SöOgr.
„ 5. . ....... 120 „ 250 „
,8. „ „ 123 „ 300 ,
„11. „ 125 „ 300 „
.12. r, 126 „ 350 „
.15. „ „ • 127 „ 120 .,
„19. „ ....... 130 „ 100 „
„22. „ „ 133 „ 100 „
„26. „ „ 135 „ - „
„29. „ „ 136 „ - „
— 335 —
am 2. Februar , 139 '^ — gr.
.5. „ , 187 „ 250 „
(Eine in zwei Tagen vorübergehende influenzaartige Erkältung
verursachte den Rückschlag.)
am 6. Februar 1903 139 ST
.9. . „ 140 „ 250 gr.
.12. „ , 141 „ - .
.16. „ 142 „ - „
.19. , , 142 „ 300 „
„28. „ „ 144 , - ,
.25. „ , 144 „ - „
, 4. März g 145 „ — -
.9. „ „ 146 „ - „
,13. „ . 147 „ ~ „
.23. „ ....... 146 , 300 „
„ 25. April „ 151 , - „
, 8. Mai „ 150 „ - „
, 26. „ „ löl , - „
„ 9. Juni „ 150 „ — „
, 2. Juli „ 151 „ - „
Ich bemerke hierzu, dass die Bestimmung des Gewichts vom
1. Januar an mittels einer Apotheker-Dezimalwage, stets zu derselben
Tageszeit — morgens zwischen 10 und 11 Uhr — und stets möglichst
unter denselben Umständen stattfand.
Ernährnug und Appetit. Aus der dauernden, zeitweise rapiden
Gewichtszunahme lässt sich schon schliessen, dass mein Appetit ein
sehr guter war. Ich erinnere mich nicht, dass ich seit meinem zwanzig-
sten Lebensjahre je mit solchem Genuss meine Mahlzeiten verzehrt
habe, wie in dem Monat Januar 1903. Natürlich wurde darauf gesehen,
dass die Speisen möglichst nahrhaft waren ; jedoch bin ich auch in
dieser Zeit kein übermässiger Esser gewesen. Im März, April sank
der Appetit dann wieder auf das frühere normale Mass herab, und
seitdem lebe ich in Bezug auf Essen und Trinken, wie ich vor meiner
Krankheit gelebt habe.
Die Schularbeit. Montag den 12. Januar nahm ich meine Schul-
arbeit wieder auf und zwar mit 4 Stunden für die erste Woche; die
folgende Woche übernahm ich 8 Stunden, und vom 26. Januar ab bis
Ostern unterrichtete ich wöchentlich 12 Stunden. Nach Ostern über-
nahm ich meinen Unterricht wieder in vollem Umfange. Die Schul-
arbeit hat mir von Anfang an keinerlei Schwierigkeitön gemacht,
sie war für mich eine angenehme Abwechselung.
Auch anderweitigen, nicht amtlichen Beschäftigungen konnte
ich mich bald wieder widmen. So übernahm ich mit dem 31. Januar
wieder den Vorsitz in den Versammlungendes Naturwissenschaftlichen
Vereins und durfte bereits am 14. Februar einen längeren Vortrag in
dem genannten Vereine halten.
Die Kräfteznnahme ergibt sich aber wohl am deutlichsten aus
den unternommenen körperlichen Anstrengungen. An den Sonnabend-
— 336 —
Nachmittagen pflegte ich seit Jahren zu kegeln. Am 10. Januar 1903
konnte ich die Kugel kaum mit geringem Druck auf die Bahn werfen.
Am 17. Januar konnte ich dieselbe wenigstens bis zu den Kegeln
bringen, aber an dem Spiele noch nicht teilnehmen. Am 24. Januar
endlich vermochte ich eine Stunde mitzukegeln.
Anfang April — den Tag kann ich nicht mehr genau angeben
— bestieg ich zum ersten Male wieder das Zweirad und fuhr um die
Stadt. Mitte April machte ich bereits an einem Vormittage eine Rad-
tour quer über den Teutoburgerwald, von Osnabrück nach Lengerich
i/Westf. und zurück, zusammen 39 km. Seitdem habe ich zahlreiche
kleinere und grössere Radtouren unternommen: niemals habe ich er-
hebliche Ermüdung oder irgend welche unangenehme Folgen davon
gespürt. Das Radfahren machte mir, von den ersten Versuchen abge-
sehen, nicht mehr Mühe als in den gesunden Tagen vor meiner
Krankheit.
Aus dem Mitgeteilten ist es erklärlich, dass alle meine bekannten
hiesigen Arzte erstaunt waren über meine schnelle und völlige Rekon-
valescenz."
Bei Gelegenheit des Chirurgen-Kongresses 1904 habe ich den
Patienten in Berlin vorgestellt; er hatte im ganzen seit der Operation
51 Pfund zugenommen und sah blühend und gesund aus.
Es sind nunmehr fast 2 Jahre seit der Operation vergangen, und
damit schwindet die Gefahr eines Recidivs immer mehr. —
Literatur zu diesem Fall.
Brunswig: Ein Fall von primärem Krebs des Ductus chole-
dochus. Dissertation, Kiel 1894. — Deetjen: Ein Fall von primärem
Krebs des Ductus choledochus. Dissertation, Kiel 1894. — Howald:
Die primären Carcinome des Ductus hepaticus und choledochus. Dis-
sertation, Bern 1890. — Schreiber: Über das Vorkommen von pri-
mären Carcinomen in den Gallenwegen. Berl. khn. Woohenschr. 1877,
No. 31. — Schüller: Zur Kasuistik und Chirurgie des primären Car-
oinoms der Papilla Vateri. Beitr. zur klin. Chirurgie von Bruns,
31. Bd., p. 683. — Ormerod, Kleinertz: Zwei primäre Krebse der
Gallenwege. Dissertation, Kiel 1901. — Krause: Ein Fall von primä-
rem Krebs des Duodenums. Dissertation, Kiel 1901. — Quincke und
Hoppe Seyler: Krankheiten der Leber. Wien 1899. — Naunyn:
Klinik der Cholelithiasis. Leipzig 1892, p. 155. — Courvoisier: Ka-
suistisch-statistische Beiträge zur Pathologie und Chirurgie der Gal-
lenwege. Leipzig 1890. — Schüppel: Handbuch der Krankheiten des
chylopoetischen Apparates. II. Leipzig 1880. — Brenner: Über das
primäre Carcinom des Ductus choledochus. Virchows Archiv, Bd. 158
Berlin 1899, p. 253. - Kraus: Prager med. Wochenschr. 1894, No. 39.
— Duran d-Fardel: Archives de Medicine 1840. — Kehr: Ein Rück-
blick auf 720 Gallensteinlaparotomien, unter besonderer Berücksich-
tigung von 90 Hepaticusdrainagen. Münch. med. Wochenschr. 1902
No. 41, 42,43. — Spangenberg: Über primäres Gallengangscarcinom
und seine Beziehungen zu Gallensteinen. Dissertation, Freiburg i/B. 1896.
— 337 —
— Heynen: Ein Fall von primärem Krebs des Ductus choledochus.
Dissertation, Kiel 1898. — Marcel Baudouin: Les Operations nouvel-
les sur les voies biliaires. Paris 1897. — E. Doyen, Quelques Ope-
rations sur le foie et les voies biliaires. Arch. prov. de chir. No. 2, aoüt
1892. — Pantaloni, Chirurgie du foie et des voies biliaires. Paris 1899.
— Uli mann: Über Leberresektion. Wiener med. Wochenschr. 1897,
No. 47— 52. — Bir sch-Hirschfeld: Lehrbuch der pathol. Anatomie.
II. Aufl. 1882. — Terrier und Auvray; Tumeurs des voies biliaires,
vesicule et canaux bihaires. Revue de chir. 1900, Heft 2 u. 3. —
Hagen: Zur Kasuistik und Therapie der primär«n Carcinome des
Ductus choledochus. Dissertation, Kiel 1902. — Kehr: Anleitung zur
Erlernung der Diagnostik der einzelnen Formen der Gallensteinkrank-
heit. Berl. 1899. — Langen buch: Chirurgie der Leber und Gallen-
blase. II. Teil. Stuttgart 1897.
Kehr, Technik der Galleustelnoperationen.
99
D) Die Operationen am ductus hepaticus.
Wie man Steine aus dem ductus hepaticus entfernt, ist in dem
ersten Jeil ausführlich auseinandergesetzt. Bei den Hepaticus-
drainagen findet man mehrere Krankengeschichten, aus denen
die in Betracht kommenden Massnahmen hervorgehen. Im
Folgenden will ich einen Fajl anführen, bei dem eine Hepa-
ticotomie") gemacht wurde, um Steine zu entfernen. Einen
zweiten Fall von Hepaticotomie schildert No. 154; hierbei wurde
der Hepaticus aus Versehen bei einer Ectomie eröffnet.
Ni\ 153. D. B., 57 j. Privatiersfrau aus Hannöverisch-Münden.
Aufgen.: 17. 9. 1901.
Operiert: 19. 9. 1901. Ectomie. Cysticotomie. Chole-
dochotomie. Hepaticotomie mit Naht. Hepaticus-
drainage.
Entlassen: 26. 11. 1901 auf Wunsch. Noch nicht
ganz geheilt.
Anamnese: Fat. ist sehr schwerhörig. Seit ca. 20 Jahren
„Magenkrämpfe". Vor 15 Jahren ein grösserer Kolikanfall mit leichtem
Ikterus. Fat. trank Karlsbader Mühlbrunnen, Sprudel und andere
Brunnen und hielt strenge Diät, es sollen viele kleine Steine ab-
gegangen sein. Vor 4 Jahren fand Herr Prof. D roy se n- Göttingen
eine "Wanderniere und verordnete eine Binde, die aber die Beschwer-
den nur erhöhte.
Vor 2 Jahren wieder heftige Kolik mit leichtem Ikterus, Er-
brechen und Schüttelfrost oder Hitzegefühl mit Schweiss. In der
folgenden Zeit kamen fast täglich kleinere Anfälle, Fat. erbrach nach
jeder Mahlzeit. Brunnenkuren und Oeleingiessungen besserten ihr
.Befinden etwas, die Anfälle kamen seltener, der letzte vor 4—5 Wochen.
Fat. ist in den letzten Jahren sehr heruntergekommen, ihr Teint wurde
langsam gelb. Sie hat den dringenden Wunsch, von ihrem Leiden be-
freit zu sein.
*) Die Technik der Hepatico-Diiodenostoinie ist in No. 152 be-
schrieben.
— 339 —
Befund: Leber gross, resp. gesenkt, ihr rechter Lappen sehr
massig, Gallenblase rechts unterhalb des Nabels als harter Tumor zu
fühlen. Kein Ikterus, L^rin normal.
Diagnose: Stein im Choledochus (jetzt Ruhe).
Operation 19. 9. Ol: (Anwesend die Herren Dr. Holbeck-
Riga, Co hn- Lodz, Gärtner-Breslau). Wellenschnitt. Leber ge-
senkt, rechter Lappen reicht sehr tief. Gallenblase gross , am Fundus
eine zweimarkstückgrosse Kalkplaite, enthält 2 walnussgrosse und
mehrere kleinere Steine, wird excidiert. Trübe Galle in der Gallen-
blase, Schleimhaut chronisch entzündet. Cysticotomie, Choledochotomie.
4 Steine von Haselnussgrösse im supra- und retroduodenalen Teil, die
teils mit der Kornzange, teils mit dem Finger bimanuell entfernt
werden. Einige kleinere Trümmer bleiben zurück. Im Hepaticns ein
walzeuföriniger, fast walnussgrosser Stein, den Gang fast vollstiindi;
yerschliessend, wird durch Hepaticotouiiö entfernt. Naht dieses
Schnittes. Verkleinerung der Choledochusincision duodenalwärts. Ver-
nähung der Cysticusschleimhaut. Hepaticusdrainage. Tamponade,
Naht, Verband.
Verlauf: In den ersten Tagen aknte Magendilatation, darch
Mageuspülnngen und Lagerang auf die rechte Seite mit starker
Neigung nach yorn beseitigt. 30. 9. Verbandwechsel. Herausnahme
<i,er Tamponade, Spülung des Hepaticus, seitdem täglich. Am 3. 10. werden
2 erbsengrosse und ein 2 cm. langer, 0,5 cm. dicker, walzenförmiger
Stein aus dem Hepaticus heransgespült, ebenso am 7. 10. ein erbsen-
grosser, am 9. 10. 2 solche, am 11. 10. wieder 2 solche. Der Gallen-
fluss scheint zu versiechen, beginnt aber am 5. 11. wieder reichlicher
za. werden. Erweiterung der Fistel mit Laminaria. Ausspülung des
Hepaticns entleert am 7. 11. weiche, schmutzig grau-grüne Krümelchen,
am 8. 11. ein linsengrosses, schwarzes Steinchen mit Splittern von
solchen, am 9. 11. 3 kleine Steinchen, am 18. 11. ein ebensolches, am
22. 11. 2 kleine und einen kafifeebohueugrossen Stein, am 24. 11. ein ganz
kleines Steinchen, am 26. 11. trübe Schlelmflocken und kleine Krümel,
darunter ein festes Steinchen. Fat. verlässt gegen unseren Rat die
Klinik, um sich zu Haus weiter verbinden zu lassen.*)
Epicrise: Trotz des walnussgrossen, den Hepaticus an-
scheinend völlig verschliessenden Steines bestand kein Ikterus,
da augenblicklich die Entzündung fehlte. Die Diagnose wurde
aus der Anamnese richtig gestellt.
*) Fat. meldete im März 1904, dass sie noch eine Gallenfistel habe,
im Übrigen sich aber leidlich befände. Wahrscheinlich stecken noch
Steine im ductus hepaticus; aber da Fat. sich nicht behandeln lässt,
kann zu der Entfernung der Steine auch nichts geschehen. Durch
Erweiterung der Fistel und Ausspülungen würde man vielleicht noch
■den definitiven Schluss.dcr Fistel herbeiführen können.
22*
— 340 —
Noch ca. 2 Monate nach der Operation gelang es, den He-
paticus auszuspülen und kleinere Steinchen herauszubefördern.
Die Hepaticusdrainage hat sich hier herrlich bewährt, nur
schade, dass die Patientin absolut auf ihrer Entlassung bestand.
Nr. 154:. E. M,, 30 j. Schlossersfrau aus Eilenburg.
Aufgen.: 29. 3. 1901.
Operiert: 1. 4. 1901. Ectomie. Hepaticotomie mit
Naht.
Entlassen: 8. 5. 1901. Fast geheilt.
Anamnese: Mutter leidet an „Magenkrämpfen". Eine Schwester
ist in Halle cystostomiert.
Pat. hat 3 Kinder geboren, die alle am Leben sind, vor 5 Jahren
Frühgeburt von Drillingen. Sie war immer gesund, ihr Stuhlgang
stets träge.
Seit 9 Jahren ist sie gallensteinleidend, sie hat Anfälle von
Schmerzen, die in der Gallenblasengegend beginnen, zur Magengrube
und in den Rücken ziehen. Die Anfälle kamen in Pausen von 8 Tagen
bis ^l* Jahr und dauerten V" Stunde bis '/^ Tag. Erbrechen war an-
fangs nicht da, später regelmässig, Fieber war nie da, ebenso Ikterus.
Während der Gravidität waren die Beschwerden immer grösser. Da
die Anfälle sich häuften und die Schmerzen heftiger wurden, entschloss
sie sich zur Operation. Sie wurde vor 18 Woclien in Leipzig cystosto-
miert, es wurden 104 Steine entfernt, einer kam nach 14 Tagen aus
der Wunde. Pat. war 4 Wochen dort und ging dann nach Haus, wo
sie weiter verbunden wurde. Nach im ganzen 9 Wochen war die
Wunde verheilt, zwei Tage danach hatte sie wieder einen Anfall sehr
heftiger Schmerzen, sie lag 2 Wochen zu Bett. Dann ging sie wieder
nach Leipzig, hier hatte sie noch einen sehr heftigen Anfall mit inten-
siver Gelbsucht und hohem Fieber. Die Wunde wurde wieder aufge-
macht. Steine wurden nicht gefunden, seitdem läuft nun sehr viel
Galle. Da sie dadurch völlig arbeitsunfähig ist, entscbliesst sie sich
noch einmal zur Operation. Auf Rat des Herrn Dr. Laaser-Eilen-
burg kommt sie hierher.
Befund:, Frau in leidlichem Ernährungszuslande. Rechts oben
vom Nabel befindet sich eine 10 cm. lange Narbe, in deren oberem Teil
eine Fistel, aus der Galle fliesst. Kein Ikterus. Puls und Temperatur
normal, Herz und Lungen gesund, Urin frei.
Diagnose: Steine im Choledochus wahrscheinlicher wie Ab-
knickung des Ganges durch Adhäsionen.
Operation: 1.4. 1901. Winkelsclinitt nach Czerny. Gallenblase
gross, allseitig verwachsen. Im Choledochus kein Stein zu fühlen.
Pankreaskopf etwas hart. Bei Isolieruug und Abkleuiinuug des Cysticus
wird aus Versehe» der Hepaticns etwas untgefas><t, so dass iiiclit mir
- 341 — ^
der Cysticiis qner abgesclmitten, sondern auch der Hepaticus aufge-
schnitten wird. Fixation der beiden Hepaticns-Wundränder durch
einige Nähte. Cysticusstumpf- Versorgung. Tamponade. Die Tampons
werden durch das Loch, das nach Excision der Gallenblase entstanden
ist, herausgeleitet. Dauer der Operation */< Stunden. Essiglappen
auf den Mund. Abends 38,1.
Verlauf: 2.4. 37,7. Puls 118. Kräftig. Erbricht grünliche, gallenhal-
tige Massen. Blähungen im Gange. Leib weich. 2 mal Magenspülung.
Kochsalz. Morphium. 38,0.
3. 4. 37,3. Puls 124. Nachts hat Pat. leidlich geschlafen. Da
■das Trinken für einige Stunden ausgesetzt war, hat sie wenig er-
brochen, erst gegen Morgen wieder etwas wässrige Massen. 37,9.
4. 4. 37,3. Puls 116. Noch immer etwas Erbrechen. Magen-
spülung. Nachher gutes Befinden. 38,0.
6. 4. 37,8. Puls 100. Abführen. Verlauf fieberfrei.
16. 4. Verband-Wechsel. Herausnahme der Tampons und der lang-
gelassenen Fäden bis auf einen am Cysticusstumpf, Entfernung der
Nähte. Ausspülung.
18. 4. Täglich Wechsel der oberen Verbandschichten. Alle 2—3
Tage Wechsel des ganzen Verbandes und Ausspülung der Wunde.
25. 4. Pat. steht auf.
7. 5. Verband-Wechsel, es wird nichts mehr eingelegt.
8. 5. Entlassen. Soll sich zu Hause noch weiter verbinden.
Wie ich zufällig Anfang September hörte, ist die Wunde noch
immer nicht ganz zugeheilt. Es ist mir niclit recht lilar, warnm die
Heilung so lange aAf sich warten lässt. Yielleiclit liegen in der Tiefe
noch einige Mullfasern, die den Schluss der Wunde verzögern. Eine
gehörige Auskratzung würde bald die definitive Heilung herbeiführen.
Epicrise: Es ist nicht ganz selten, dass bei der Ectomie
resp. der Ligatur des Ductus cysticus ein Stück Hepaticus mit
gefasst wird. Ich kenne einige solche Beispiele, mir selbst ist
das früher einmal passiert. Um diese Kalamität zu vermeiden,
ist es absolut notwendig, den Ductus cysticus und die Art. cystica
einzeln für sich zu unterbinden. Der Abstand zwischen beiden
beträgt oft 2 — 3 cm. Fasst man beide in eine Ligatur, so zerrt
man den Choledochus resp. Hepaticus weit vor und dann kann
es passieren, dass man den gemeinsamen Gallengang mit ab-
quetscht. Wenn man aber einzelne Ligaturen anlegt, so kommt
das kaum vor.
E) Die Anastomosen zwischen Gallensystem
und Intestinis.
I. Die äusseren Anastomosen.
a) Die Cysto-Gastrostomie.
Nr, 155. P. Seh., 50j. Postdirektor aus Lissa.
Aufgen.: 30. 12. 1902.,
Operiert: 1. 1. 1903. Cysto-Gastrostomie.
Entlassen: 30. 1. 1903. Geheilt.
Anamnese: Vor 2 V< Jahren bekam Fat. plötzlich eines Tages
sehr heftige Schmerzen in der Gegend der Magengrube, welche nach
oben und besonders nach beiden Seiten bis in den Rücken ausstrahlten
und etwa 7—8 Stunden andauerten. Gelbsucht bestand nicht. Stuhl-
gang soll regelmässig gewesen sein. Ein gleicher Anfall trat am
folgenden Tage auf und wiederholte sich alle Vin bis zwei Tage
während mehrerer Wochen. Die Schmerzen wurden ärztlicherseits
als nervöse angesehen und durch Morphium zu unterdrücken
versucht. Fat. war dann etwa ein halbes Jahr lang frei von allen
Anfällen, bis im März vorigen Jahres wiederum ein heftiger Anfall
von gleicher Art wie die früheren sich einstellte. Darauf war Fat.
wieder von Anfällen völlig frei, erholte sich auch körperlich wieder
und fühlte sich wohl. Erst jetzt vor 5 Wochen, also nach 1'/* Jahren
stellte sich Nachts wieder ein sehr heftiger gleichartiger Anfall ein,
der sich am nächsten Tage wiederholte. Diesmal dauerte der Anfall
länger, es stellte sich gleich am folgenden Tage Gelbsucht ein, die
allmählich immer intensiver wurde. Fat. lag 3 bis 4 Tage zu Bett
mit Schmerzen in der rechten Seite, sodass er auf der rechten Seite
nicht liegen konnte. Dann hörten die Schmerzen auf, die Gelbsucht
wurde immer stärker, starkes Juckgefühl am ganzen Körper stellte
sich ein. Fat. konnte Nachts nicht schlafen und magerte in ziemlich
'starkem Grade ab. Steine wurden im Stuhl nicht gefunden, der Stuhl
war dauernd lehmfarben. Fat. wurde mit Morphium, später mit 01-
klystieren behandelt, es folgte dann eine Ölkur, zuletzt wurde Calomel
verordnet. Da dabei der Appetit sehr litt, kam Fat. immer mehr her-
unter und zog schliesslich Herrn Geh. Rat Frof. Renvers in Berlin
zu Rate, welcher den Fat. uns zuschickte.
— 343 —
Befund: Fat. stark abgemagert. Intensiver, zitronengelber
Ikterus. Leber nicht vergrössert. Deutliche Druckempfindlichkeit in
der Mitte zwischen Nabel und Schwertfortsatz. Leib weich. Herz
und Lungen gesund. Kein Tumor der Gallenblase. Im Urin etwas
.Eiweiss, viel Gallenfarbstoff.
Bekommt zur Vorbereitung 3 mal 8,6 Calciumchlorid per Clysma.
Diagnose: Stein im Cboledochus (papilla duodeni) und Pan-
kreatitis chron. interst.
Operation: 1. L 03. Wellenschnitt. Gallenblase gross, liegt
hinter dem Rippenbogen versteckt, nicht verwachsen. Leber normal.
Aspiration von 200 gr. Galle. Retrodiiodeual im Choledochus fest ein-
geklemmt ein Stein, der sich ausnahmsweise in die Gallenblase Ttr-
schieben lässt, wo er durch Cystotomie entfernt wird. Da zndem
der Pankreaskopf sehr verdickt ist, Cysto -Gastrostomie. Dauer der
Operation 40 Min. Gute Chloroformnarkose. Totaler Verschluss der
Bauchwunde.
Verlauf: Völlig fieberfrei.
30. 1. 03. Pat. wird geheilt entlassen.*)
Epicrise : Einer jener seltenen Fälle, bei dem es gelang",
den Choledochusstein durch den erweiterten Cysticus in die
Gallenblase zu schieben. Da zugleich der Pankreaskopf sehr
hypertrophisch war, benutzten w ir die aufgeschnittene Gallen-
blase zu einer Cysto- Gastrostomie. Es trat völlige Heilung ein.
Nr. 156. Seh. A., 58j. Dr. der Staatswissenschaften aus Frank-
furt a. M.
Aiifgen. : 24. 2. 1904.
Operiert: 28. 2. 1904. Cysto-Gastrostomie. Netzplastik.
t 2. 3. 1904 an Cholämie.
Anamnese: Mit 12 Jahren erkrankte Pat. an Gelenkentzündung
im 1. Fuss und litt daran mit Unterbrechungen fast bis heute. Als er
27 Jahre alt war, konstatierte Herr Prof. Esmarch, es sei eine Gelenk-
neurose, die nicht mit Ruhe, sondern mit viel Bewegung behandelt
werden müsse. Einige Jahre später bildeten sich einige Absi,esse am
Fussgelenk, mit dem 34. und dem 40. Jahr wurde je einmal excochleiert.
Dieses Leiden und auch sein Beruf bedingten für den Pat. eine abnorm
stark sitzende Lebensweise. Sonst war Pat. gesund, sein Durch-
schnittsgewicht schwankte zwischen 76 und 82 kg. Mitte 1903 begann
langsame Abmagerung, Gewicht am 22. 11. 72 kg., am 28. 12. 70 kg.,
am 14. 1. 04 69 kg., am 18. 2. 67 kg., am 22. 2. 66,7 kg. Seit Anfang
Juni 1903 war Pat. wegen stärkerer Schmerzen in dem kranken Fusse
gezwungen, ganz besonders der Ruhe zu pflegen. Während dieser Zeit,
*) Pat. stellt sich im Juli 1904 in bester Gesundheit vor. (x\nm.
während der Revision.)
— 344 —
etwa Mitte September, bemerkte Pat., dass der Stuhlgang hellgelb
war; Urinveränderungen bestanden aber noch nicht. Am 14. 10. 03
Reise nach Montreu^f zur Erholung, daselbst begannen Hämorrhoidal-
beschwerden, die sich nach der Rückkehr nach Frankfurt verschlim-
merten. Anfang Dezember trat plötzlich Gelbfärbung der Haut und
Dunkelfärbung des Urins auf. Einige Tage später stellte sich auch
Hautjucken ein, das den Schlaf viel störte. Dagegen wurde vom Haus-
arzt Herrn Dr. Kirch he im, welcher katarrhalische Gelbsucht an-
nahm, Bromwasser innerlich und Bromoeollsalbe zum Einreiben ver-
ordnet. Dabei Karlsbader Mühlbrunnen. Appetit blieb immer gut,
nie Aufstossen oder Erbrechen. Keine Schmerzen, Stuhlgang regel-
mässig, aber entfärbt. Vor 14 Tagen Konsultation von Herrn Professor
Dr. Kleiner, der gespannten Gallenblasentumor konstatierte. Fieber
bestand nie, doch ist Pat. gegen Temperaturschwankungen sehr emp-
findlich. Ikterus hat in letzter Zeit stark zugenommen. Herr Geh.-
Rat Dr. Emil Pfeiffer rät zur Operation und schickt den Pat.
uns zu.
Befund vor der Aufnahme: Ikterus, Lebervergrösserung, Tumor
der Gallenblase.
Befund bei der Aufnahme: Ikterus, Lebervergrösserung, Tumor
der Gallenblase.
Pat. sehr abgemagert, stark ikterisch. Im Urin kein Eiweiss und
Zucker, viel Gallenfarbstoff. Sehr grosser beweglicher Tumor der Gallen-
blase von geringer Druckempfindlichkeit. Leber etwas hart, sonst kein
Tumor tastbar.
Diagnose: Chron. Choledochusverschluss durch Tumor (event.
Pankreatitis chron. interst.). Chlorcalcium 3 Tage lang rectal 3,6 gr.
pro dosi.
Operation: 28.2.04. Wellenschnitt. Gallenblase sehr gross,
enthält dicke, zähe, schwarze Galle und im freien Hals 4 haselnuss-
grosse Steine. Verwachsungen mit dem Netz werden mit der Coop er-
sehen Schere gelöst. Pankreaskopf sehr hart. Cysto-Gastrostomie. Netz
auf die Naht. Dauer der Operation 1 Stunde. (40 gr. Chloroform.)
Gute Ghloroform-SauerstoflFnarkose.
Verlauf: 28. 2. Puls nach der Operation gut, 80. Chlorcal-
cium weiter gegeben.
29. 2. Pat. beginnt morgens mit Trinken: Tee mit Milch, Giess-
hübler, auch Wein. Trinkt reichlich ohne aufzustossen. Puls kräftig, 84.
Normale Temperatur. Abends Leib etwas gespannt. Blähungen gehen
nach.Glycerin-Spritze. Urin reichlich, fast schwarz durch Gallen-
farbstofF. Tagsüber fällt etwas Unorientiertheit des Pat. auf.
L 8. Heute Benommenheit ausgesprochener. Kein Chlorcalcium
mehr. Morgens Puls noch kräftig, Atmung abends zuweilen etwas
röchelnd, bedingt durch schleimiges Sekret im Rachen. Abendtemp. etwas
niedriger als normal 86,8. Puls abends deutlich weniger kräftig als
am Mittag, 100 in doi Minute. Verband am Mittag neu überwickelt.
Leib vollkommen weich, Blähungen gehen. Kein Zeichen für Blutung.
Champagner, Wein, Cognak. Abends ganz benommen, schluckt aber noch.
— 345 —
2.3. In der Nacht zunehmende Verschlechterung des Pulses und
röchelndes Atmen, Kochsakinfusion subcutan, Kampherätheriujektionen
halten den zunehmenden Verfall nicht auf, und morgens 10'/» Uhr
erfolgt der Exitus, nachdem unmittelbar vorher blutigschwarze Flüs-
sigkeit erbrochen wurde.
Sektion leider unmöglich. Man kann aber mit Bestimmtheit
annehmen, dass an der Wunde ,und im Operationsterrain alles in
Ordnung ist.
E[3icrise: Die Steine in der Gallenblase waren ein g-anz
zufälliger Befund: der schwere Ikterus wurde lediglich durch
den Tumor am Pankreaskopf erklärt. — Die Verwachsungen
wiesen auf eine Entzündung hin, und dementsprechend war
der Befund der Steine nicht überraschend. Aber diagnostizieren
konnte man sie nicht, sie befanden sich im Stadium der Latenz.
Man kann nur das vorherrschende Krankheitsbild erkennen,
und das war der Choledochusverschluss, bedingt durch Tumor.
Dafür sprach das Fehlen der Schmerzen, des Fiebers, die grosse
Gallenblase, der nie wechselnde Ikterus. — Der Tod erfolgte
unter den Symptomen der Cholämie.
Nr 157. B. Ch., 4Bj. Kaiifiimiinsfraii JiiisShaschkow bei Kiew.
Aufgen.: 29. 5. 1904.
Operiert: 1. 6. 1904. Cysto-Gastrostomie. Eröffnung
eines Pankreasabscesses.
t 9. 6. 1904 an Inanition.
Anamnese: Pat. hat vier Geburten durchgemacht, hat in der
Jugend viel an Kopfschmerzen gelitten. Vor zwei Jahren zum ersten-
male nach einer Magenstörung durch zu reichlichen Früchtegenuss
einige Stunden lang Schmerzen in der Lebergegend, aber nicht aus-
gesprochen kolikartig. Sie trank Karlsbader Wasser und fühlte sich bald
wieder ganz gesund. Vor 2'/» Monaten begannen Koliken, ohne Ikterus»
in der Gallenblasengegend. Seitdem ist Pat. bettlägerig geblieben. Vor
zwei Wochen begann sich Ikterus einzustellen, Urin wurde braun und
Stuhlgang grau. Vor fünf Wochen konsultierte Pat. in Kiew einen
Arzt, der bei ihr Gallensteinleiden feststellte und zwar Gallenblasen-
tumor mit Leberschwellung. Bis dahin hatten die Ärzte das Leiden
für nervös gehalten. Seit zwei Wochen bekommt Pat. Morphium
(0,005-0,01), in den letzten zwei Tagen zweimal täglich. Erbrechen
bestand bisher nicht, nur auf der Reise hierher wurde zweimal bald
nach dem Essen gebrochen. Die Schmerzen sind am heftigsten des
Nachts. Schüttelfröste traten nie auf, dagegen einigemale Temperatur-
steigerungen bis zu 38.4° C. in den letzten Tagen. In den letzten
2'/« Monaten soll Pat. stark abgemagert sein, besonders wegen ihres
schlechten Appetits. Hautjucken trat sehr wenig auf; der Ikterus soll
— 846 —
in seiner Intensität gewechselt haben. Der Stuhlgang erfolgt täglich-
wenn keine Schmerzen vorhanden sind, ist der Schlaf gut.
Befund: Sehr elende, anämische, ikterisohe Pat. Grosse Leber,
Gallenblasentumor nur undeutlich palpabel. Urin enthält Gallenfarb-
stoff, kein Eiweiss oder Zucker. Temp. am 29. 5. 38,5 <» C. Puls 100,
klein. Da Pat. das Riciniisöl ausbricht, wird der Darm nnr durch Clys-
men entleert. Baden fällt wegen grosser Schwäche fort. Die Bauch-
wand wird mit Aether und Spiritus gründlich gereinigt. Zweimal
Magenspülungen, zweimal Kochsalziufusionen.
Diagnose: Stein im Choledochus, daneben Pankreatitis. (Ulcus
pylori oder duodeni möglich.)
Operation: 1.6.04 Wellenschnitt. Leber gross, Gallenblase
prall gefüllt, enthält im Fundus einen walnussgrosson Stein; ist nir-
gends verwachsen. Aspiration von ca. 100 ccm. tiefdunkler Galle. Cho-
ledochus gut übersichtlich, hier kein Stein zu fühlen. Colon am Py-
lorus adhärent, dahinter ein faustgrosser harter Tumor. (Pankreatitis
oder perforiertes Ulcus pylori oder duodeni). Mit der Kornzange werden
die sulzigeu Verwachsungen getrennt, Und es kommt bröckliger Eil er zum
Voi'schein. Die mit dem Löffel entfernten Massen stinken aashaft.
Taniponade. Zwecks Ableitung der (xalle — das Hindernis liegt an der
Papilla duodeni — Cysto-Gastrostomie. Der Magen wird ca. 3 cm. ober-
halb des Pylorus an einer gefässfreien Stelle dicht an der curvatura
minor durch einen 2 cm. langen Schnitt eröffnet. Ebenso die (xalleu-
blase, aus welcher der Stein aus dem Fundus extrahiert wird. Zuerst ca-
G hintere Serosa-Mnscularisnähte , dann Schleimhautnaht, dabei gehen
einige Nadeln durch die ganze Dicke der Grallenblasen- resp. Magen-
wand hindurch. Ein in die Gallenblase eingelegter Gazestreifen ver-
hindert das Ausfliesseu der Galle. Magen leer (er Mar vor der Operation
2 mal ausgespült). Vordere Serosa-Muscularisnaht nach Entfernung des
Gazestreifens aus der Galleublase. Die Bauch wand-Peritoueal-Duplicatur,
die wie ein Hahneukamm herabhängt, wird so auf die Anastomose gelegt
und hier durch 3 Fäden fixiert, dass die ganze Naht bedeckt ist und
von der Tamponade nicht berührt wird. Der hinter dem Magen
liegende Abscess wird mit einem dicken Gummidrain drainiert,
ringsum wird die Bauchhöhle durch viele (ca.6j Gazestreifen abgeschlossen.
Zwischen diese und Rohr Krüllgaze. Die Bauchwand wird im oberen
(über der Leber) und unteren Teil durch Durchstichknopf nähte geschlossen.
Dauer der Operation 70 Minuten. Sehr gute Chloroform-Sauerstoff-
narkose (40 gr. Chloroform). Puls ist gut, da Pat. vor der Operation
2 Kochsalzinfusionen bekommen hatte.
Verlauf: L 6. 04. Viel galliges Erbrechen. Magenspülung.
2. 6. 04. Puls 104. Temp. 37,6. Verband etwas durch; obere
Schichten werden entfernt, neue Gaze wird aufgelegt. Dreimal
Nährklystiere. Erbrechen geringer. Pat. macht einen guten Eindruck.
5. 6. 04. Täglicher Verbandwechsel. Es fliesst aus dem Rohr
viel Flüssigkeit (Pankreassekret) ab. Ikterus geht dabei zurück. Pat.
nimmt reichlich flüssige Nahrung zu sich, bricht nicht mehr.
— 347 —
ß. 6. 04. Verbandwechsel. Die Krüllgaze wird entfernt, die Ab-
sperrungstamponade bleibt liegen. Entfernung des Rohrs. Spülung mit
Kochsalzlösung. Es kommt viel Jauche lum Vorschein nebst Gewebs-
fetzen, die wie nekrotisches Pankreas aussehen. Ein langer Gazestreifen
wird in die retrogastrische Höhle eingelegt. Temp. 38,1 " C, Puls 110.
7. 6. 04. Pat. hat reichlich Stuhlgang gehabt, Aussehen viel
besser, Puls 100, kräftiger, Wunde in guter Verfassung, beim
Ausspülen kommen wueder Gewebsfetzen (nekrotisches Pankreas) zum
Vorschein.
9. 6. 04. Puls heute morgen ziemlich beschleunigt. Bei dem
Verbandwechsel ergibt sich, dass "die Wundhöhie mit dem Alagen oder
Darm in Verbindung steht. Tamponade.
10. 6. 04. Trotz subkutaner Injektion von Olivenöl etc. rascher
Verfall der Kräfte. Der Verband ist immer von Mageninhalt durch-
tränkt.
1 1. 6. 04. Exitus unter den Erscheinungen der Inanition.
Eine Revision der Wunde ergibt, dass die Wundhöhle ringsum
abgeschlossen ist. Peritoneum glänzend und frei von Entzündung.
Hinter dem Magen eine mit nekrotischen Fetzen ausgekleidete Höhlte.
Diese kommuniziert mit dem Magen. An dessen hinterer Fläche dicht
oberhalb des Pylorus ein ulcerierendtjs Carcinom. Pankreas — beson-
ders sein corpus — in nekrotischem Verfall begriffen.
Epicrise: Der grosse Stein in der Gallenblase spielte
zur Zeit gar keine Rolle. Vielleicht lag- früher Chole-
cystitis vor; augenblicklich war der Cysticus offen, die Galle
war tiefdunkel, aber klar. Der Tumor hinter dem Magen ist
entweder verdicktes Pankreas, oder es ist ein Ulcus pylori oder
duodeni perforiert. Nicht gänzlich ausgeschlossen ist ein zer-
fallendes Carcinom. Die Cysto- Gastrostomie war nötig zur
Ableitung der gestauten Galle. Die Leber war sehr ver-
grössert. Eine gleichzeitige Gastroenterostomie wäre ganz gut
gewesen, doch war Pat. für diesen Eingriff zu schwach. Man
konnte hoffen, dass der Pylorus von allein wieder durchgängig
werden würde, wenn die Schwellung am Pankreas zurückginge.
Wenn das nicht eintrat, hätte man immer noch eine sekundäre
Gastroenterostomie vornehmen können. Damit die Magen- und
Oallenblasennahtsich nicht inflcieren konnte, wurde der„rett-
purzel" der linea alba zur Plastik verwandt. Leider war
die Pat. schon so geschwächt, dass sie 9 Tage post op. an
Inanition zu Grunde s'ms:-
— 348 —
b) Die Cysto-Enterostomie.
Nr. 158. K. H., 28 j. Arbeiter aus Stiege.
Aiifg-en.: 28. 4. 1899.
Operiert: 29. 4. 1899. Cysto-Enterostomie.
Entlassen: 29. 6. 1899. Geheilt.
Anamnese: Vater und Mutter tot, an Tjphus und Pneumonie
gestorben. Vier Geschwister leben und sind gesund. Mit 17 Jahren
Typhus. Mit 23 Jahren Drüsenvereitorung in der rechten Axilla. Ein
Jahr später begann das Leberleiden. Fat. wurde häufig ohnmächtig,
verlor den Appetit, bekam Erbrechen und Drücken in der rechten
Seite und wurde ikterisch (März 1895). Im Herbst desselben Jahres
Koliken nach eingenommener Mahlzeit. Viel Erbrechen (dabei Blut).
Die Krampfanfälle wiederholen sich alle 3 Wochen, die Schmerzen
strahlen nach dem Rücken zu aus. Der Stuhlgang war immer grau
oder gelb, nie braun (von 1895—99), die Gelbsucht wechselte aber. Das
Jucken hat in der letzten Zeit nachgelassen. Seit 2 Jahren haben die
Koliken nachgelassen. Appetit wechselnd, in der letzten Zeit auch
nach leichten Speisen Drücken. Stuhlgang im allgemeinen regelmässig.
Urin war meist braun. Am 24. Juni 1896 Aufnahme des Fat. in die
chir. Klinik zu Halle a. S. Am 9. Juli Operation. Entl. am 21. August.
Fat. kann nicht angeben, welche Diagnose dort gestellt wurde und
welcher Eingriff zur Ausführung kam. Der Ikterus ist nicht ge-
schwunden, das Gesamtbefinden blieb sich gleich. Manchmal hat Fat.
bei der Defäcation etwas Blut verloren. Lues wird in Abrede gestellt.
Befund: Kleiner schmächtiger Mann mit intensivem Ikterus.
Im rechten Hypochondrium eine Quernarbe (Leberrandschnitt nach
Courvoisier), drei Silberdrähte sehen aus Granulationen hervor. Die-
selben werden entfernt. Fat. gibt an, dass dieselben schon ein Jahr
lang aus der Narbe hervorsehen. Milz vergrössert. Unterer Leberrand
reicht bis zur Nabelhöhe. Kein Ascites. Lungen und Herz gesund.
Im Urin Gallenfarbstoff.
Die Diagnose wird auf Verschluss des Choledochus durch Narbe
oder Tumor (Duodenalulcus) gestellt. Kein Stein.
Operation am 29. 4. Nach Eröffnung der Bauchhöhle durch den
Czernyschen Hakenschnitt Freilegung der Gallenblase. Diese in Ad-
haesionen eingehüllt. Fankreaskopf sehr hart. Leber vergrössert, aber
nirgends Knoten. Kein Stein im Choledochus. Oysto-Ünodenöstomie
schwierig, weil die Gallenblase sehr morsch ist und leicht einreisst.
Verlauf fieberfrei. Am 5. Tage Erbrechen grosser Mengen blutig
gefärbten Mageninhalts. Dasselbe wiederholt sich am C. und 7. Tage.
Daher Gelatine-Injection 1 "/o unter die Brusthaut. Erholung. Der Quer-
schnitt weicht auseinander (schlechte Ernährung wegen der ersten
Narbe). Ikterus schwindet, Blutung tritt nicht wieder auf. Guter
Appetit.
Am 29. 6. mit nur noch geringen Spuren von Ikterus, gutem
Appetit, erheblicher Gewichtszunahme entlassen.
— 349 -
Epicrise: In diesem Fall hat sich die Injektion von
einer l"/o Gelatine-Lösung sehr bewährt. Auch in anderen
Fällen haben wir bei cholämischen Blutung-en gute Erfolge ge-
sehen, so dass gerade nach Choledocliotomien, bei denen Nach-
blutungen wegen der bestehenden Cholämie nicht ganz selten
sind, die Injektion von Gelatinelösung sehr zu empfehlen ist.
In neuerer Zeit habe ich bei der prophylaktischen Anwendung
von Chlorcalcium kaum mehr nötig gehabt, nachträglich
Gelatine-Lösung zu injizieren.
No. 159. P. H., 41 j. Gutsbesitzer aus Hof-Langenwiese bei
Freiburg i/S.
Aufgen.: 28. 12. 1899.
Operiert: 31. 12. 1899. Cysto-Enterostomie. Gastro-
Enterostomie. Entero-Enterostomie. Appendicectomie.
Entlassen: 8. 2. 1900. Geheilt.
Anamnese: Vater an Urämie j. Mutter an Pneumonie f. Letz-
tere litt in den letzten Jahren ihres Lebens an „Magenbeschwerden",
bei der Sektion wurde in der Gallenblase ein Stein gefunden. Zwei
Scbwestern von ihr sind ebenfalls schwer gallensteinleidend.
Pat. hat ausser einigen Kinderkrankheiten im 14., 17. und 18.
Lebensjahre Unterleibs- resp. Blinddarmentzündung gehabt, später hat
er sehr viel an Magenbeschwerden gelitten. Seit 1880 doppelseitiger
Leistenbruch, 1881 Sturz mit dem Pferde, seitdem Kolikanfälle von
2 — 10 Minuten Dauer mit Schweiss, Schwindel, Ohnmacht, danach Drang
zum Urinlassen und zum Stuhlgang. 1881 — 1885 jährlich Mühlbrunnen
getrunken, 1887 in Karlsbad wegen Fettleibigkeit, 1893 ebenda wegen
akuten Magenkatarrhs, seitdem trinkt Pat. kein Bier mehr, sondern
nur leichten Wein, Fachinger oder Biliner Wasser, Tee. 1895 in
Kissingen wegen „Verstimmung der Magennerven". 1897 Nikotinver-
giftung. Februar 1898 heftiger Magendarmkatarrh, 5 Wochen in Privat-
klinik in Dresden (Herr Dr. Pioennies), Gewichtsabnahme (von
229 Pfd. auf 186 Pfd.). Im Juli nach einer anstrengenden Reise
bei Wagenfahrt auf schlechten Wegen Kolik (Gallensteine?) mit Brech-
reiz. Ende September wieder Magenschmerzen, S'/a Wochen zu Hause,
4'/« Wochen in Dresden bei Herrn Dr. Pioennies; hier trat die erste
ausgesprochene Gallensteinkolik auf. Ende Dezember 1898 konstatiert
Herr Dr. K e 11 i ng- Dresden starke Neurasthenie und massige Empfind-
lichkeit der Gallenblasengegend. Am 23. März 1899 stellt derselbe nach
leichtem Schmerzanfall Steineinklemmung im Ductus cysticus fest.
25. März Influenza, nachts beim Wäschewechsel plötzlich sehr heftiger
Schmerz oberhalb des Nabels. Am 18./19. 4. ausgesprochene Gallen-
steinkolik, im Stuhl etwas Sand. Am 3. 5. Eiter, später helles Blut im
— 350 —
Stuhl. Der Hausarzt diagnosticiert Platzen eines Duodenalgeschwürs.
24.6. nach Karlsbad, wo Herr Dr. Ritter einen stattgehabten Durch-
bruch der Gallenblase nach dem Querkolon und Verwachsungen zwischen
Duodenum, Pylorus, Gallenblase und Leber annimmt. In Karlsbad ein
Anfall ; sonst Besserung, Fat. verlässt Karlsbad gekräftigt. Am 30. 9.
wieder Kolik mit Erbrechen, seitdem immer dumpfer Schmerz in der
Gallenblasengegend. Am 12. 12. letzter Anfall.
Ikterus ist nie vorhanden gewesen, im Urin nie Gallenfarbstofif
gefunden worden. Dor Stuhl war während der Anfälle mehrmals
1-2 Tage entfärbt, enthielt einmal nach dem Anfall Sand.
Die Diagnose wird auf Steine in der Gallenblase, die früher
perforiert, jetzt mit einem Darmabschnitt durch eine Fistel kom-
munioiert, gestellt. Nach der Anamnese muss man auf Veränderungen
des Wurmfortsatzes, ev. auch am Duodenum (Ulcus duodeni) gefasst sein.
Der Befund ist bis auf geringe Druckempfiadlichkeit in der
Gallenblasengegend negativ. Leber zur Zeit nicht vergrössert, Herz,
Lungen gesund. Im Urin nichts Pathologisches.
Operation: 31- 12. 99. (Die letzte im 19. Jahrhundert.) Längs-
schnitt. Gallenblase mit Netz und Quercolon verwachsen. Lösung.
Es zeigt sich, dass zwischen Gallenblase und Colon nur noch eine feine
Öffnung besteht. Versorgung der Colonfistel. In der Gallenblase ein
grosser Stein. Extraction. Zwischen Duodenum und Choledochus viele
Verwachsungen. Trennung. Dahinter der steinharte Pankreaskopf;
derselbe wird freigelegt nach Spaltung des Omentum malus. Wegen dieser
Paukreatitls chrou. interst. Cysto-Eiiterostomie, Pylorus eng, Duodenum
narbig (altes ülcns duod.). Deshalb Gastroenterostomie nach y. Hacker.
Aufhängomethode nach Kappeier. Trotzdem gibt es einen Sporn.
Zur Vermeidung des circ. vitiosus Eutero-Euterostomle nach Braun.
Am Colon ascendons einige Verwachsungen. Warmfortsatz geknickt,
■wird entfernt.
Also a) Versorgung einer Gallonblasen- und Colonfistel. b) Cysto-
Enterostomie wegen Pankreatitis, c) Gastroenterostomie, d) Entero-
Enterostomie. e) Resektion des proc. vermiformis. 2'/» stündige schwere
Operation. 150 gr. Chloroform. Puls 100, leidlich kräftig.
Pat. hatte früher einmal eine Perityphlitis gehabt, die Galleustein-
krankheit wurde kompliziert durch ein Ulcus duodeni, welches auch
zu der Pankreatitis chron. beigetragen haben kann. Jedenfalls gab es
bei dem Kranken viel auszubessern. Hätte man nicht alle erkrankten
Organe (Gallenblase, Proc. vermiformis, Pankreas) berücksichtigt, so
hätte man eine vollständige Heilung resp. Beseitigung der Beschwerden
nicht erzielt. Ob der Eiter, der einmal im Stuhlgang sich fand, die
Folge eines Durchbruchs der vereiterten Gallenblase in das Colon war,
oder ob das Ulcus duodeni in dieser Beziehung eine Rolle spielte, lasse
ich dahingestellt.
Vorlauf: Bis 5. 1- ohne Besonderheiten.
5. 1. Auf Riziuusül erfolgt lamal blutiger Stuhlgaug in der Nacht.
- 351 —
6. 1. 37,9. 38,8. 38,0. Heute morgen Pals 140, klein. Leib
weich. Magenanssyttlung ergibt viel Blut. Infusion von 150 gr.
2*/o Gelatine, Eiuwicklung und Hochlageruug der Beine. 3 mal Koch-
sal^infusiou. Opinmzäpfchen 0,05 alle zwei Stunden. Absolute Absti-
nenz. Eisblase auf den Leib.
7. 1. 38,1. Puls 134. 38,0. Puls 120. Opiurazäpfchen gestern
bis 11 Uhr abends, heute morgen von 7 Uhr ab zweistündlich weiter.
Seit gestern morgen ist kein Stuhlgang mehr erfolgt, kein Erbrechen.
Pat. erhält Milch mit Kognak, Sekt. Heute morgen Puls regelmässig,
134, ziemlich kräft g, subjektives Wohlbefinden.
8. 1. 38,2. Puls 124, kräftig, regelmässig. 38,2. Klagt wieder
über Schmerzen im Leib, hat nachts meist gut geschlafen.
9. 1. Etwa in der Mitte der Naht hat sich ein kleiner Abscess
gebildet. 39,0. Eröffnung. Puls 128, kräftig. 38,7.
Weiterhin guter Verlauf.
22. 1. 37,0. Steht auf.
8. 2. Geheilt entlassen.
Stellte sich im August 1900 in bester Gesundheit vor; die sehr
lange Narbe ist an 2 Stellen etwas vorgewölbt. 4 Wochen vorher hatte
Pat. mit der Verdauung zu tun, was wohl auf die Adhäsionen zurück-
zuführen ist. Im übrigen ist sein Aussehen vorzüglich, bedeutende
Gewichtszunahme. Pat. machte ohne Beschwerden eine Brockenpartie
zu Fuss.
Epicrise: Der Fall zeigt recht deutlich, was wir Chi-
rurgen unter der Fahne der Asepsis zu leisten vermögen. Nach-
dem eine Colongallenblasenfistel zerstört, das Loch im Darm
genäht war, wurde der Wurmfortsatz entfernt, eine Cysto-
Diiodenostomie, eine Gastroenterostomie und eine Entero-Entero-
stomie ausgeführt. Also 5 Operationen, von denen jede
einzelne schon einen erheblichen Eingriff darstellt.
c) Die Cystico-Gastrostomie.
Die Anastomosenbildung zwischen Ductus cysticus und
Duodenum resp. Magen, die ich einige Male ausgeführt habe,
unterscheidet sich in technischer Hinsicht kaum von den an-
deren Operationen dieser Art. Die Cystico-Enterostomie kommt
nach einer Ectomie in Betracht, wenn eine komplete Gallen-
fistel entstanden (bei Pankreatitis, narbigem Verschluss der Pa-
pille, bei Stein) und eine direkte Beseitigung des tiefen Ver-
schlusses unmöglich ist. Da der Ductus cysticus sehr eng ist
und deshalb gern zur Obliteration neigt, ist es angezeigt, die
nötige Anastomose zwischen Ductus choledochus selbst und
— 352 —
Duodenum herzustellen. DieCystico-Enterostomie vermeidet man
am besten dadurch, dass man bei ausgesprochener Pankreatitis
chronica und bei sonstigen, nicht sofort zu beseitigenden Ver-
schlüssen des Ductus choledochus die Gallenblase erhält, damit
man diese selbst zu der viel leichteren Cysto -Enterostomie be-
nutzen kann.
Ich gebe der Vollständigkeit halber in Fall Nr. 160 eine
Krankengeschichte wieder, bei der ich eine Cystico-Gastrostomie
ausgeführt habe.
Nr. 160. A. K., 27 j. Ziuimermaiinsfrau aus Halberstadt.
Aufgen.: 16. 2. 1898.
Operiert: 17. 2. 1898. Gallenblasenresektion.
Entlassen: 22. 3. 1898. Mit Gallenfistel.
Wiederaufgen. : 20. 5. 1898.
Operiert: 24. 5. 1898. Cystico-Gastrostomie. Gastro-
Enterostomie.
Entlassen: 16. 7. 1898. Geheilt.
Anamnese: Eltern der Fat. tot (Vater Schwindsucht, Mutter
Magengeschwür), zwei Brüder leben noch ; Fat. heiratete 19 Jahre alt,
ist Mutter von 4 Kindern, von denen 3 leben und gesund sind. Im
September 1897 bekam Fat. plötzlich unter Schmerzen im Magen und
zwischen den Schulterblättern Atemnot. Der Arzt konstatierte Gallen-
steinkolik, verordnete heisse Umschläge ; Abführmittel wurden aus-
gebrochen. Endlich erfolgte auf flüssige Medizin Stuhlgang, und damit
besserte sich der Zustand. Gelbsucht soll nicht dagewesen sein. Fat.
war seitdem ganz wohl, vertrug alle Speisen. Mitte Januar 1898 be-
kam sie plötzlich Magenschmerzen ohne Erbrechen, jedoch mit Auf-
stossen. Die Schmerzen wechselten einige Tage in ihrer Stärke, bis
am 3. Tage ihre Heftigkeit sehr gross wurde und sich Kreuzschmerzen
dazu gesellten. Wenn Erbrechen kam — derartige Anfälle traten nun
fast jeden Tag ein — fühlte sich Fat. wohler. Bei der Aufnahme 38,7,
Puls 96. Von Herrn Dr. Bottich er überwiesen.
Befund: Mittelgrosse, ziemlich magere Frau, leicht ikterisch.
Organbefund normal, Harn frei von Eiweiss und Zucker, enthält Gällen-
farbstoff. Ohne Narkose findet man in der r. Oberbauchgegend ver-
mehrte Resistenz, rechts vom Nabel einen ausgesprochenen Druck-
schmerz und undeutlich palpablen Tumor.
Diagnose: Cholelithiasis, z. Z. akute Cholecystitis.
I. Operation: am 7. 2. 1898. Chloroformnarkose. Dauer 65 Min.
Kleiner Längsschnitt im r. M. rectus vom Rippenbogen abwärts. Man
stösst auf die bis in Nabelhöhe reichende Leber; diese ist der vorher
— 353 —
gefühlte Tumor. Die Gallenblase ist nicht sichtbar, ist mit dem ent-
zündlich verdickten Netz eng verwachsen. Es gelingt nur schwer,
die Gallenblase, welche ferner am Magen und mit dem grössten Teil
der Hinterfläche am Duodenum adhärent ist, frei zu machen. Dabei
reisst ihre verdickte und mürbe Wand ein. Es treten eine Anzahl
kleiner bis erbsengrosser, rundlicher, gelblicher Steine nebst dickem
Eiter zu Tage. Gazekompressen waren zum Schutze der Bauchhöhle
vorher eingelegt. Die Steine werden mit der Kornzange entfernt.
Man beabsichtigt die Blase zu exstirpieren, findet aber die Ver-
wachsungen an der Hinterfläche sehr schwer lösbar; ausserdem zeigt
sich, dass Durchbrüche stattgefunden haben und noch Steine hinter
der Blase in Adhäsionen liegen, deren Entfernung mühsam ist ; des-
halb trägt man von der Blaseuivand soviel ab, dass im Wesentlichen nur
die schwielige Hinterwaud nnd der demCysticns zunächst gelegene Blasen-
teil stehen bleiben. Dabei entsteht eine starke Blutung aus der Art.
cystica, welche durch Unterbindung gestillt wird. Nun stecken noch
2 Steine im Cysticus, die sich unter grosser Mühe entfernen lassen.
Dann wird die Blase in sich vernäht, einige Netzstränge werden ligiert,
ein langer Gazestreifen auf die Nahtgegend geführt und die Bauch-
wunde durch Durchstichknopfnähte und einige Hautnähte geschlossen.
In der Gallenblase 29 Steine.
Verlauf: Puls sehr klein, 100. Pat. bricht in den folgenden
Tagen bis zum 21. 2. sehr häufig gallige Flüssigkeit aus ; auf
Magenspülungen sistiert das Erbrechen. Bauch immer weich, kein
Fieber. Am 24. 2. tritt neuerdings Erbrechen auf, welches zu
Magenausspülungen nötigt. In der Folge klagt Pat. noch öfters über
Magendruck, zumal nach konsistenteren Mahlzeiten. Es wird auch
am 3. 8. wieder einmal nötig, Magenauspüluogen zu machen ; dann
aber erholt sich Pat. langsam und verträgt alle Speisen, allerdings nur
in massigen Mengen. Beim ersten Verbandwechsel am 26. 2. zeigt sich
im Verband etwas Galle. Der Gallenausfluss wird in der Folge stärker,
sodass Verbandwechsel bereits am 28. 2., dann am 5. 3., 11. 3., 15. 3.,
22. 3. stattfindet. Schon am 15. 3. ist der Ausfluss von Galle sehr ge-
ring, daher wird Pat. am 22. 3, mit kleiner Granulation und etwas
secernierender Gallenfistel entlassen.
In der Folgezeit kommt Pat. zum Verbinden in die Klinik; die
Fistel secerniert stets Galle, mitunter sogar sehr reichlich. Wird die-
selbe mit Gaze zugestopft, oder hat sie sich sehr verengt, so treten
heftige Magenschmerzen mit Erbrechen gallig gefärbten Mageninhalts
auf; sobald grosse Mengen Galle aus der Fistel gedrungen sind, tritt
wieder Wohlbefinden ein. Die Bauchhaut wird in grosser Ausdehnung
durch die Galle wund; deshalb und um endlich heil zu werden, ent-
schliesst sich Pat. zu nochmaliger Operation.
Wiederaufnahme 20. 5. 98. Der Fistelgang wird durch Laminaria-
stift erweitert; derselbe am Tage darauf entfernt; es fliesst bald Galle.
Tamponade der Fistel.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 23
— 354 —
Am 24. 5. 98 II. Operation: Medlausclmitt vom Proc. eiisiforuiis
bis fast zum Nabel, dann nach links unten in der Richtung auf
die Spina a. s. abweichend. Der grosse Magen ist nach rechts,
besonders in der Gegend der Narbe am Periton. parietale ad-
härent. Man fühlt oberhalb der grossen Kurvatur eine Geschwulst,
das > erhärtete und yergrösserte Pankreas, welches den Choledochus
stark komprimiert; ein Stein ist nicht nachweisbar. Lösung des
Magens vom Bauchfell, dabei reisst der Magen ein, teilweise Naht des
Lochs. Der Gallenblaseustumpf wird mit dem Magen in Anastomose
gesetzt an der Rissstelle des Magens. Cystieo - (xastrostomie. Darauf
Gastroenterostomie nach Hacker wegen Magenerweiterung. Er-
weiterung des Fistelgangs. Gazetampon in das Foramen Winslowii.
Schluss der Bauchwunde durch Durchstiehknopfnähte nach Excision
des Nabels, einige Hautnähte.
Verlauf: Am Abend des Operationstages ist die Temp. 37,2",
am folgenden Tage früh 39", abends 39,1°. Dann fällt die Temperatur
ab, und vom 28. 5. bewegt sie sich in normalen Grenzen. Am 27. 5.
zeigt sich der Verband stark gallig durchtränkt und wird daher
gewechselt. Man findet, dass die Anastomose an der vorderen
Wand, wo die Gaze hinreichte, nicht gehalten hat; es hat sich eine
Gallen- und Magenflstel etabliert. Seitdem muss Fat. täglich, öfters
2, ja 3 mal verbunden werden. Es w^ird mehrere Male versucht, die
Anastomose durch Naht wiederherzustellen, so am 30. 5-, 1. 6., 4. 6.,
es gelingt aber nicht, da die Nähte durchschneiden, und daher muss
Fat. weiter häufig verbunden werden; sie wird am 16. 7. entlassen,
ohne dass Heilung erfolgt wäre, und kommt zum Verbinden täglich in
die Klinik. Dabei bedeutende Besserung des Allgemeinbefindens , die
Frau sieht jetzt blühend aus, verrichtet sogar Feldarbeit. Seit 1/2 Jahr
geht es Fat. sehr gut. Sie verbindet sich selbst und kommt nur alle
4 Wochen in die Klinik. Gallenfluss sehr^ minimal. Mic der Zeit hört
auch dieser auf. Die Wunde schliesst sich ganz, und es tritt völlige
Heilung ein. Man muss also annehmen, dass die papilla dnodeni wieder
durchgängig geworden und die chronische Pankreatitis sich zurück-
gebildet hat.
Epicrise: Ich würde mich heute — 6 Jahre später —
wahrscheinlich mit dem Schlauchverfahren begnüg-en. Kommt
es dann zur kompleten Gallenflstel, so ist entweder eine Cysto-
Enterostomie indiziert oder, wenn diese wegen Morschheit und
Kleinheit der Gallenblase unmöglich ist, Excision der Gallen-
blase mit folgender Choledocho-Duodenostomie. Diese Operation
ziehe ich, wie bereits oben bemerkt, der Cystico-Enterostomie vor.
— 355 —
d) Die Choledocho-Duodenostomia externa.
Nr. 161. I. Ct., 50 j. Kaufmanusfrau aus Brottendorf bei
Rossleben.
Aufgen.: 7. 7. 04.
Operiert: 10. 7. 04. Choledocho-Duodenostomia ex-
terna. Netzplastik,
t 17. 7. 1904 an Cholämie.
Anamnese: Fat. ist verheiratet, hat zwei gesunde Kinder. Pal.
ist immer gesund gewesen. Vor 7 Wochen bekam Pat. andauerndes
Brennen und etwas Druekgefühl in der Magengegend bezw. Magen-
grube, viel Aufstossen, ab und zu Erbrechen, dabei bestand Uebelkeit
und Appetitlosigkeit. Nach einigen Tagen begann Pat. dann gelb zu
werden. Die Gelbsucht wurde immer stärker und hielt bis jetzt ohne
bemerkbare Intensitätsschwankungen an. Dabei andauerndes Brennen
in der Gegend der Magengrube. Niemals Koliken. Urin war dauernd
dunkel, Stuhl stets entfärbt. Gallensteine wurden im Stuhl nicht ge-
funden. Stuhl war dabei regelmässig. Kein Fieber. Völlige Appetit-
losigkeit und erhebliche Gewichtsabnahme. Sehr starkes Hautjucken.
Herr Dr. Unbehauen- Rossleben und Herr Prof. v. Me bring- Halle
hielten Gallensteine für das Wahrscheinlichste. Herr Dr. Unbehauen
sendet uns die Pat. zu.
Befund: Starker Ikterus. Leber vergrössert. In der Gallen-
blasengegend und etwas medial davon fühlt man eine starke Resistenz.
Urin frei von Eiweiss und Zucker, enthält GallenfarbstoflF. Pat. fühlt
sich sehr elend und übel. Chlorcalcium (mit Opium und Amylum)
behält sie als Clysma nicht bei sich, deshalb 3 mal täglich je ein Gramm
per OS. An Bauch und Extremitäten zerstreut viele blaue Flecken
(Blutungen in der Haut. Cholämie). Magenfunktionen normal.
Diagnose: Stein unwahrscheinlich, wahrscheinlicher Pankreas-
oder Duodenalcarcinom.
Operation: 10. 7. 04 in Gegenwart der Herren Prof. Dr. Kous-
netzoff aus Warschau und Dr. Lumniczer aus Budapest. Gute
Sauerstoflf-Chloroformnarkose (50 gr.). Dauer der Operation 40 Min.
Wellenschnitt. Leber gross, Gallenblase mittelgross, mit Duodenum ver-
wachsen. Choledochiis erweitert, wird punktiert. Aspiration von
ca. 160 ccm. ganz wasseriieller Flüssigkeit. Tumor des Duodenums, sehr
hart. Wahrscheinlich liegt ein von der Papilla duodeni ausgegangenes
Carcinom vor. Qaerspaltang des Choledochns dicht am Duodenum.
Längsschnitt im Duodcnam dnrch Serosa nnd Mascalaris bis auf
Mneosa. Hintere Serosa-Muscularls-Nalit. Dann Eröffnung des Duodenum.
Man sieht nicht weit von der Incision ein Schleimhaut-Carcinom. Einige
Schleimhautnähte. Dann vordere Naht. Darüber wird kleines Xetz
mit 3 Siitnren fixiert. Gallenblase, deren Cysticus obliteriert zu sein
scheint (.sie ist wandverdickt, aber sonst leer) wird unbeachtet ge-
23*
— 356 —
lassen. Völliger Schluss der Bauchhöhle durch Durchstichknopfnähte,
Puls hinterher gut.
Verlauf: Völlig fieberlos.
15. 7. Sehr profase Menses. 3 mal täglich 1 gr. Chlorcalciiiiii.
Pat. führt ab. Stuhlgang etwas braun gefärbt.
16. 7. Pat. ist fieberfrei, doch sehr schläfrig.
17. 7. Deutliche cholämische Intoxication. Atmung sehr langsam.
Puls ebenso, sehr klein. Am Abend Exitus.
Epicrise: Die Diagnose war zwar mit Wahrscheinlich-
keit, aber nicht mit Sicherheit auf ein Carcinom zu stellen,
deshalb Probeincision. Die angelegte Anastomose konnte grosse
Erleichterung bringen, eine Heilung war natürlich unmöglich.
Die Galle in Hepaticus und Choledochus war wasserklar, der
Choledochus sehr erweitert, sodass die Anastomose bequem quer
angelegt werden konnte. Das kleine Netz Hess sich bequem
auf die Naht fixieren. Der Tod erfolgte im Coma cholämicum.
Nr. 162. Chr. G., 53 j. Bäckermeister aus Blankenburg a/H.
Aufgen.: 17. 1. 1899.
Operation: 18. 1. 1899. Choledochotomie. Choledocho-
Duodenostomia externa.
Entl.: 26. 2. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Belang. Pat. war stets
gesund, bis er ganz ohne Vorboten Weihnachten 1897 einen Magen-
krampf bekam von 2— 3 stündiger Dauer und begleitet von Erbrechen.
Diese Anfälle wiederholten sich bis April 1898 4—5 mal. Einmal —
im Februar — war Gelbsucht dabei. Im Sommer 98 tadelloses
Befinden, Ausgangs Oktober oder Anfangs November Wiederkehr der
Anfälle. Mitte oder Ende November trat Gelbsucht hinzu, die seitdem
ununterbrochen, wenn auch in wechselnder Intensität, fortbestand und
besonders durch Hautjucken unangenehm war. Der Stuhlgang war
zeitweise ganz grau, dann wieder gefärbt, jedoch nie normal dunkel.
Der Urin war bierbraun. Der Appetit, sonst gut, war nach den An-
fällen tagelang sehr schlecht. Die Abmagerung beträgt im ganzen
ca. 20 Pfund.
Befund: Mittelgrosser, magerer, etwas schwächlicher, stark
ikterischer Mann. Organbefund normal. Urin frei von Eiweiss und
Zucker, reich an Gallenfarbstoff. Leber nicht vergrössert, Gallenblase
nicht palpabel, Druckempfindlichkeit in der Gegend derselben.
Diagnose: Lithogener Choledochusverschluss, maligner Tumor
fast sicher ausgeschlossen.
Operation: 18. 1. 99. Längsschnitt im rechten M. rect. abd.
Gallenblase klein, mit Netz verwachsen. Leber gross. Lösung der
Adhäsionen nach Unterbindung. Cysticus leer. Supraduodenaler Teil
— 357 —
des Choledochus lässt sich gut freilegen. In ihm ein haselnussgrosser
Stein. Leichte Extraction nach 2 cm. langer Incision. Pankreaskopf
sehr hart. Nach Durchtrennung des Omentum majus und minus lässt
sich der Pankreaskopf freilegen. Wahrscheinlich handelt es sich um
entzündliche Indui-ation (Alterscirrhose), möglicherweise auch um
Carcinom. Die Choledochnsincision wird nicht genäht, sondern zu einer
Anastomose zwischen Dnodennm nnd Choledochas benatzt. Choledocho-
Daodenostomia externa. Tamponade der Naht. Teilweise Verse hlies-
sung der Bauchhöhle durch durchgreifende Seidensuturen. 2 stündige
schwierige Operation. Gute Chloroformnarkose.
Verlauf sehr gut und fieberfrei. Ikterus schwindet. Bei der
Entlassung ausgezeichnetes Allgemeinbefinden. —
Epicrise: Pat. ist seit der Operation ganz gesund ge-
blieben : es hat sich also um chronische Pankreatitis gehandelt.
Nr. 163. K. K., 53 j. Kupferschmiedsfrau aus Goslar.
Aufgen.: 29. 6. 1904.
Operiert: 2. 7. 1904. Ectomie. Choledocho-Duode-
nostomia externa. Netzplastik.
Entlassen: 4. 8. 1904. Gebessert.
Anamnese: Pat. stammt aus gesunder Familie, hat 6 gesunde
Kinder; 1 Kind an epileptischen Krämpfen gestorben. Vor 20 Jahren
machte sie ein Kindbettfieber durch. Sonst will sie stets gesund ge-
wesen sein, auch nie Magenkrämpfe gehabt haben. Ihre Krankheit
begann Weihnachten 1903 mit Verdauungsstörung von selten des
Magens: jedesmal nach den Mahlzeiten Gefühl von Völle und Druck
in der Magengegend, sodass Pat. das Essen ganz aufgab und sich nur
von Milch nährte. Nach Neujahr 1904 begann sich Gelbsucht einzu-
stellen, der Stuhlgang entfärbte sich, Urin wurde dunkel. Diese Er-
scheinungen nahmen allmählich zu. Pat. bekam zunächst 4 Wochen
lang künstliches Karlsbader Salz, danach das Befinden eher schlechter.
Danach 4 Wochen lang Glycerin per os. Im März 24 Flaschen Mühl-
brunnen getrunken und Wärmflaschen auf die Magengegend. Zugleich
bekam sie Siccokapseln; seitdem soll sich ihr Appetit wieder gebessert
haben und Pat. konnte ohne Schmerzen wieder alles vertragen. Pat.
hatte bis dahin 40 Pfund (von 173 auf 133) abgenommen; dann blieb
das Gewicht auf gleicher Höhe, und in den letzten Wochen will sie
wieder 1 Pfund zugenommen haben. Erbrechen, Stuhlgangsbeschwerden
hat sie nie gehabt, Fieber soll nie dagewesen sein. Zur Zeit ist der
Appetit wieder ganz gut, sie isst und verträgt alles. Hautjucken ist
ziemlich viel vorhanden, besonders des Nachts quälend. Sie hat bis kurz
vorder Erkrankung an Askariden gelitten. Herr Dr. Peters -Goslar
schickt die Pat. zur Operation, in der Annahme, dass möglicherweise
ein Ascaris sich im Choledochus aufhalte; auch hat er Verdacht auf
Carcinom.
— 358 —
Befund: Sehr elende, hochgradig ikterische, dabei anämische
Frau. Leber gross, Tumor der Gallenblase sehr hart, gar nicht druck-
empfindlich. Starke Dilatation des Magens. Lungen gesund. Urin
frei von Eiweiss und Zucker, enthält viel Gallenfarbstoff.
Diagnose: Verschluss des Choledochus (wahrscheinlich durch
Carcinom).
Operation. 2. 7. 04. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose (40 gr.),
Dauer der Operation 1 Stunde. Wellenschnitt. Leber gross. Gallen-
blase mit Netz verwachsen, fest kontrahiert um einen fast hühnerei-
grossen Stein. Hals der Gallenblase mit Choledochus verwachsen;
Lösung. Choledochns prall gespannt, hat den Umfang einer geblähten
Dünndarinschlinge. Panktion nnd Aspiration von 200 ccm. dünner, hell-
grüner, schleimiger Gfalle aus dem Choledochns. Dann fällt der Chole-
dochus zusammen. Die Choledochuswand wird mit 2 König'schen Klem-
men gefasät und dazwischen 1^/2 cm. lang incidiert. Kein Stein. Sonde
dringt mit einem Rucke durch die Papille. Im Pankreaskopf einige
harte Knoten: entweder Carcinom oder Pankreatitis chronica. Anasto-
mose zwischen Choledochusincision und Duodenum. Das Duodenum
wird durch eine l'/2 cm. lange Querincision geöffnet, zuerst die Naht
Ton innen und dann von aussen angelegt. Über die Naht wird ein
Zipfel des kleinen Netzes fixiert. Dann leichte Ectomie. Der Cysticus
wird mit 2 Suturen, die lang bleiben, vernäht. 2 Tampons. Schluss
der übrigen Bauchwunde.
Die excidierte Gallenblase ist wandverdickt, der Stein füllt die
Blase völlig aus. Cysticus eng, zart und normal.
Die stark geschrumpfte Gallenblase zeigt ulcerös und narbig ver-
änderte Schleimhaut.
Mikrosk. Untersuchung ergibt ein vollkommenes Fehlen der
Schleimhaut und fast vollständige Zerstörung der Muskelschichten,
welche durch sehr stark fetthaltiges Granulationsgewebe ersetzt sind.
Verlauf: Ohne irgendwelche Besonderheiten, ganz normal.
15. 7. Entfernung der Tampons und der meisten Fäden. Die
Wunde sieht sehr gut aus. Der Ikterus ist geringer, Allgemeinbe-
finden sehr gut. Reger Appetit.
4. 8. 04. Mit geschlossener Wunde entlassen. Ikterus fast völlig
geschwunden, Appetit sehr gut.
Epicrise: Der Stein hat sich immer latent verhalten:
Pat. hatte nie Schmerzen gehabt. Der Stein war im Augen-
blick auch ein völliger Nebenbefund, mit dem Ikterus hatte er
nichts zu tun. Der Choledochus war kolossal erweitert, so dass
Punktion und Aspiration am Platze war. Das Hindernis sass
an der Papille^ so dass Anastomose zwischen Choledochus und
Duodenum nötig war. Wäre Pat. nicht so schwach gewesen, hätte
man das Duodenum weiter spalten und sich die Papille ansehen
können. So war Eile am Platze. Bei der starken Erweiterung
- 359 —
des Choledochus hätte auch eine Querincision des Choledochus
gemacht werden können, dann wäre die Anastomose noch leichter
gewesen. Die Zukunft rauss lehren, ob der Tumor am Pankreas
carcinomatöser oder entzündlicher Natur ist.
Nr. 164. H. D., 44j. Bankbeamter aus Friedenau.
Aufgen.: 1. 9. 1903.
Operiert: 10. 9. 1903. Ectomie. Cysticotoraie. Oysti-
cectoraie. Choledocho-Duodenostomia int. Chole-
docho-Duodenostomia ext. Hepatopexie.
Entlassen: 19. 10. 1903. Gebessert.*)
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat Kinder. Pat. hat 1878
an Flecktyphus gelitten. Seit langen Jahren „Herzrheumatis-
mus", der ärztlicherseits teils auf eine Herzneurose, teils auf angeb-
liche Herzerweiterung zurückgeführt wurde. - Häufige Anfälle von
Migräne (etwa alle 3 Monate), meist nach beruflichen Aufregungen,
dabei sehr heftige Kopfschmerzen, Erbrechen reiner Galle, Ohnmächten.
Pat. ist hochgradig nervös.
Vor 17 Jahren angeblich Magengeschwür (Gallensteinkolik '?), da-
bei Schmerzen in der Magengrube und Anschwellung dort, die nach
6 Wochen (Karlsbader Kur) zurückging.
In den letzten Jahren ab und zu gespanntes Gefühl in der Leber-
gegend. Im Herbst (September) 1902 im Seebad Borkum während
eines Seebades plötzlich sehr heftige krampfartige Schmerzen in der
Magengrube, die in die Brust hinaufstiegen. Dauer 2—8 Stunden. Nach-
her wieder völliges Wohlbefinden. Vor Weihnachten 1902 zweiter sehr
heftiger und anhaltender Anfall mit Erbrechen.
Anfang Januar 1903 4 Tage und Nächte lang Koliken. Schmerzen
in der Gallenblasengegend, dabei Anschwellung und Entzündung der
Gallenblase. Bis Ende Februar war Pat. ausser Dienst. Im Mai Kur
in Karlsbad, dort plötzlich Erleichterung, ,als ob ein Stein abgegangen
wäre" nach kopiösem Stuhlgang.
Seitdem ab und zu Druck in der Gallenblasengegend ohne Schmerzen.
Seit 4 Wochen Ikterus, der allmählich begann und imtner stärker
wurde. Dabei keine Schmerzen, kein Fieber, kein Schüttelfrost. Starkes
Hautjucken. Stuhl weiss, verstopft (Abführmittel). Urin dunkel. Kein
Erbrechen, aber Brechneigung. Seit Januar 20 Pfund Gewichtsab-
nahme (von 152 auf 133 Pfund), in den letzten 4 Wochen 10 Pfund,
Ikterus blieb dauernd gleich stark. Dabei Mattigkeit, viel Hautjucken,
Appetit noch befriedigend.
Pat. wurde mit Kur in Karlsbad, heissen Umschlägen, Morphium
subkutan (nur im Januar- Anfall) behandelt. Ferner gebrauchte er eine
*) Pat. berichtet am 1. 1. 04, dass es ihm sehr gut gehe; er sei
wieder in seinem Beruf tätig.
— 360 —
Rettigkur und Hess sich wochenlang in Berlin von einem Amerikaner
ohne Erfolg mit Tee behandeln.
Befund: Starker Ikterus. Abgemagerter Patient. Gallenblase
als massig grosser, schmerzhafter Tumor zu tasten. Urin enthält
Gallenfarbstoff, kein Eiweis. Leber nicht nachweisbar vergrössert.
Verlauf: 9. 9. 03. Trotz mehrmaligen Abführens (Ol. Ricini)
und Thermophor (morgens und abends) keine Aenderung des Zustandes.
Stuhl weiss, Urin dunkel.
Diagnose: Stein in der Papille, Steine in der entzündeten
Gallenblase (Pankreas?).
Operation: 10. 9. 03. In Gegenwart des Herrn Dr. Rennebaum-
Halberstadt. Wellenschnitt. Gute SauerstofF-Chloroform-Narkose 2 Stun-
den. 60 gr. Chloroform. Dauer der Operation Vji Stunden. Leber nicht
wesentlich vergrössert. Gallenblase prall gespannt, ringsum mit Netz
verwachsen, wird punktiert. Aspiration von Eiter. Eröffnung der
Gallenblase. Extraktion von ca. 200 erbsen- bis haselnussgrossen Steinen.
Im Cjstious ein kleiner, erbsengrosser Stein. Cysticotomie. Chole-
dochus wird freigelegt. Hinter dem Diiodennm fühlt mau einen wal-
nnssgrosgen, nicht allznharten Tumor. Eröifnnng des Choledochus im
supradnodenalen Teil. Viele gestaute Galle im Gang. Sondierung er-
gehnisios. Freilegung des retroduodenalen Tumors durch ünodeno-
touile. Der Tumor gehört der Papille an, ist einmarliStücligros?es Ulcus
mit zerklüfteten Rändern. Ausliratzung mit dem scharfen Löffel zwecks
mikroskopischer Untersuchung. In der Papille ein eckiger, kleiner
Stein. Nach dessen Entfernung durch Incision Vernähung der Duodenal-
schleimbaut mit der des Choledochus durch 4 Nähte. Schluss der
duodenalen Incision. Choledocho - Duodenostomia externa zwischen
Incision im supraduodenalen Teil und Duodenum. Ectomie. Dabei
starke Verletzung des Leberbetts, in dem die Gallenblase sehr fest
sitzt. Diese ist sehr entzündet und wandverdickt. Tamponade des
Leberbetts. Die duodenalen Incisionen bleiben ausserhalb der
Tamponade. Naht der Bauchwunde.
Die Untersuchung durch das pathologische Institut in Marburg
ergibt folgenden Befund :
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Gallenblasenwand er-
gibt sich an einer Stelle, die als ein halbkirschgrosser buttergelber
Fleck an der Aussenseite erscheint, eine grössere Abscessbildung mit
Beimischung von Galle; wahrscheinlich von einer divertikelartigen
Ausstülpung der Schleimhaut ausgegangen. An der Schleimhaut
stärkere Infiltration der mucosa mit ausgedehnten Epitheldefekten,
Rundzellenanhäufungen in der muscularis. Keine bösartigen Wuche-
rungen.
Die kleine Geschwulst am Duodenum ist ein foinpapilläres Adenom,
dessen Epithelbelag aber von der normalen Epithelauskleidung der
Zotten und Krypten wesentlich abweicht, indem an Stelle der ty-
pischen Becherzellen und saumtragenden Epithelien hohe einfache Cy-
linderepithelien oft in mehrfacher Schichtung getreten sind. Die
— 361 —
ziemlich reichlich vorhandenen Kernteilungsfiguren stehen sehr un-
regelmässig und vermehren noch den Verdacht, dass hier eine zur
Carcinombildung neigende Geschwulst vorliegt, wenn auch der sichere
Beweis des Tiefenwachstums nicht erbracht werden kann, auch der
drüsige Typus noch immer gewahrt ist.
Verlauf: Gut.
19. 10. 03. Fat. wird gebessert entlassen. Wunde geheilt.
Epicrise: Obwohl Pat. gar keine Schmerzen hatte, steckte
fest in der Papilla duodeni ein Stein. Der Ikterus war sehr
hochgradig. — Ob das Ulcus gutartiger oder bösartiger Natur
ist, wird der Verlauf zeigen. Wegen späterer narbiger Oblite-
ration der Papille war die Choledocho-Duodenostomia externa
notwendig. —
Die Krankengeschichte, welche den Fall von Hepato-
Cholangio-Enterostomie wiedergibt, ist bereits im ersten Teil
dieses Buches ausführlich mitgeteilt worden ; wir verweisen auf
das dort Gesagte.
Ebenso sind dort die Ausführungen über die Unterbindung
der Arteria hepatica wegen Aneurysma und über die plastischen
Operationen an der Grallenblase nachzulesen. Ich konnte die
Beschreibung der Technik nicht gut von den betr. Kranken-
geschichten trennen und habe die letztere gleich im ersten Teil
untergebracht.
Die Technik der Hepatico-Enterostomie ist bei ^der
Kesektion des Choledochus (Nr. 152) beschrieben worden.
II. Die Choledocho-Duodenostomia interna.
(Siehe auch die Fälle von transduodenaler Choledocbotomie
Nr. 148 und 149 auf p. 310—315.)
Nr. 165. A. M., 25 j. Landwirtstochter aus Eilsdorf.
Aufgen.: 15. 6. 1903.
Operiert: 18. 6. 1903. Ectomie, Cysticotomie. Hepa-
ticusdrainage. Choledocho-Duodenostomia interna.
Entlassen : 3. 8. 1903. Geheilt.
Anamnese: 1901 bekam Pat. einen kurzen, nur 3 Min. dauern-
den Anfall von heftigen Kolikschmerzen in der Magengrube und Angst-
gefühl.
November 1902 zweiter, gleichartiger Kolikanfall, der etwa 10
Min. dauerte.
— 362 —
Am 5. Februar 1903 nächster Kolikanfall, der 24 Stunden dauerte
und sehr heftig war. Dabei viel galliges Erbrechen.
2—3 Wochen später nochmals ein einen Tag dauernder Kolikau-
fall, nachher noch einige Tage Rückenschmerzen, dann wieder, wie
immer in den anfallsfreien Zeiten, völliges Wohlbefinden.
Am 23. Mai eine Nacht lang heftiger Kolikanfall mit nachfolgender
Gelbsucht. Stuhl grau, Urin dunkel. Ob Fieber vorhanden war, weiss
Pat. nicht anzugeben. Die Gelbsucht hielt weiter an bis jetzt, an-
fangs bestanden noch etwas Rückenschmerzen, dann blieb ein an-
dauerndes Druckgefühl („wie ein Stein") in der Magengrube bestehen.
Seit einigen Tagen umherziehende Schmerzen in den Hüften, Knie-
und Fussgelenken. Pat. fühlt sich dabei sehr matt. Stein im Stuhl
wurde nicht gefunden.
Pat. ist mit heissen Umschlägen, Karlsbader Wasser, Ölkur, Mor-
phiumpulvern (in den Anfällen) behandelt worden.
Herr Dr. H erb s t-Eilenstedt sendet uns die Pat. zu.
15. 6. 03. Temp. abends 38,6.
16. 6. 03. Temp. mittags 38,5, abends .38,0. In der Nacht ziem-
lich starke Schmerzen in der Gegend der Magengrube, die am Tage
etwas nachlassen.
17. 6. 03. Temp. mittags 37,5, abends 38,0. Pat. fühlt sich wohler,
klagt über Schmerzen im rechten Bein.
Befund: Mage.-e, stark ikterische Pat. Gallenblase gross, als
Tumor tastbar, Lebersenkung. Druckempfindlichkeit der Magengrube.
Im Urin Gallenfarbstoff, kein Eiweiss. Ueber der Herzspitze ein systo-
lisches Geräusch hörbar.
Diagnose: Akute, serös-eitrige Cholecystitis, Steine im Chole-
dochus, wahrscheinlich in der Papille.
Operation: 18. 6. 03. In Gegenwart des Herrn Dr. Herbst-
Eilenstedt. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose 70 Min. (40 gr.). Operation
55 Min. Wellenschnitt. Leber gesenkt, Gallenblase gross, nicht ad-
härent, wird excidiert, enthält ca. 300 kleine Steine, im Hals ein grös-
serer. Dort decubitales Ulcus. Im Choledochus 3 Steine, nicht extra-
hierbar, nachdem Cysticus und Choledochus gespalten sind. Retro-
dnodenal mehrere Steine fühlbar, aber absolat unbeweglich, deslialb
Duodenotoiiiie. Spaltung der Papille, durch die eiu Stein hiudnrch-
schiuunert. Excision von 3 Steinen. Umsänmung der Papille mit
3 Suturen. Quernaht des Diiodenal-Längsschnittes. Hepaticnsdraiuage.
Tamponade. Naht. Glatter Vorlauf der Operation.
Verlauf: Gut.
2. 7. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres,
der Tampons, dio locker sitzen, etwas riechen, sowie sämtlicher langer
Fäden. Wunde sieht gut aus. Tamponade.
5. 7. 03. Entfernung sämtlicher Nähte. Galle läuft noch ziemlicü
stark. Ausspülung. Tamponade.
6. 7. 03. Pat. klagt seit gestern über Rumoren im Leib, als ob
etwas „aufgeplatzt" wäre. Verband ist durch, riecht etwas nach Dünn-
— 363 —
darminbalt. Verbandwechsel. Aus deui Wnndtrichter eutweicht Luft.
Diinndarmnaht offenbar an einer nicht sichtbaren Stelle etwas defekt.
Tamponade.
Befinden gut. Appetit gut. Stuhl regelmässig, gut gefärbt.
7. 7. 03. Verband trocken. Keine Klagen über Rumoren im Leib.
10. 7. 03. Verband 4 Tage trocken. Verbandwechsel. Befinden
dauernd gut. Appetit gut. Stuhl regelmässig. Tampons riechen noch
immer etwas nach Dünndarminhalt.
17. 7. 03. Steht auf. Verband stets 3—4 Tage trocken.
21. 7. 03. Nur noch sehr wenig Galle im Verband. Wundtrichter
verkleinert sich allmählich. Dünndarm anscheinend wieder TÖllig ver-
klebt.
25. 7. 03. Verbandwechsel. Einige der Duodenal-Nähte werden
beim Ausspülen mitherausgespült. Sekretion gering. Wundtrichter
sehr eng und in der Tiefe bereits geschlossen.
3. 8. 03. Pat. wird mit kleiner, oberflächlicher, gut granulierender
Wunde entlassen.
Epicrise: Ein Fall von akutem Choledochusverschluss,
bei dem wegen Fieber, dauernder Appetitlosigkeit die Operation
indiciert war. Wer in solchen Fällen wartet, rechnet nur mit
den Launen der Naturheilung. Die Steine in der papilla duo-
deni sassen so fest, dass ihr Abgang vor Monaten nicht zu
erwarten war. Sie Hessen sich nicht von der Stelle bewegen,
so dass eine Choledocho-Duodenostomia int. nicht zu umgehen
war. — Der kleine Defekt, der in der Duodenalnaht entstan-
den war, hat keinen grossen Schaden gebracht. Bei lockerer
Tamponade gelang es, das Herausfliessen von Darminhalt zu
verhüten.
No. 166. A. Seh., 37 j. Schriftsetzersf rau aus Blaiikeuburg a/H.
Aufgen.: 18. 9. 1903.
Operiert: 20. 9. 1903. Ectomie. Hepatopexie. Chole-
docho-Duodenostomia int. Choledochotomie mit Naht.
Netzplastik.
Entlassen: 1. 11. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, bat 2 gesunde Kinder. 2 Aborte.
Eltern und Geschwister gesund.
Pat, hat nur die Kinderkrankheiten durchgemacht, ist bis vor
einem Jahre gesund und stark gewesen.
Im September vorigen Jahres begannen bei der Pat. zum ersten
Male „Magenkrämpfe", die so schmerzhaft waren, dass sie immer
Morphium nötig hatte. Die Schmerzen sassen in der Gegend der
Gallenblase, strahlten nach dem rechten Schulterblatt, nach der Lenden-
gegend und auch nach der linken Bauchseite hin aus. Ikterus trat
— 364 —
damals nicht auf, Pat. war 4 Wochen bettlägerig, erholte sich aber
wieder vollkommen. Im Januar dieses Jahres traten zum ersten Mal
unter Gelbsucht wieder Magenkrämpfe auf, die Anfälle dauerten
immer ziemlich lange, oft 2 bis 3 Tage. Damals färbte sich auch
der Stuhl weiss und der Urin braun. Diese Anfälle plagten in
kürzeren und längeren Pausen die Pat. so, dass sie 38 Pfund an Gewicht
abgenommen hat. Der Ikterus, weisse Stuhl und braune Urin schwanden
immer kurz nach dem Nachlassen der Anfälle. Es wurde immer auf
Steine im Stuhl geachtet, doch nie einer gefunden. Schon vor '2 Jahr
riet der behandelnde Arzt, Herr Dr. Moll, zur Operation wegen einge-
klemmten Steines im Choledochus, doch konnte Pat. sich noch nicht
dazu entschliessen. Jetzt nach langem vergeblichem Morphiumgebrauch
(heissen Compressen etc.) und im Ernährungszustand stark herunterge-
kommen, entschliesst sich Pat. auf Anraten der Herren Sanitätsrat
Dr. Klöppel und Dr. Moll zur Operation. Die Gallenblasengegend
soll besonders im Anfall, aber auch ausserhalb desselben auf Druck
recht schmerzhaft gewesen sein.
Letzter Anfall vor 5 Tagen, 2 Tage andauernd, es besteht noch
starker Ikterus.
Befund: Sehr starker Ikterus. Leber vergrössert. Gallenblase
nicht tastbar, Gallenblasengegend druckempfindlich. Im Urin Gallen-
farbstoff, Spuren von Eiweiss.
Diagnose: Stein im ductus choledochus.
Operation: 20. 9. 03. Wellenschnitt. Gute Sauerstoff-Chloro-
formnarkose 45 gr. in ^/^ Std. Leber gross, Gallenblase klein, mit Netz
verwachsen. Ectomie; Gallenblase enthält 3 haselnussgrosse Steine.
Choledochus mit Duodenum verwachsen, welches am lig. hepato-duod.
hochgezerrt ist. Incision im supraduodenalen Teil des Choledochus.
Im Choledochus retrodnodeual viele Steine, die mit dicker Uterus-
soude nicht zu fühlen, erst mit Kornzange zu fassen sind. Ein Stein
retroduodenal festsitzend. Duodenotomie. Entfernung sämtlicher
Steine. Choledocho-Duodenostomia interna mit Netz auf die Dnodenal-
Naht, Choledochus. oberhalb des tief mündenden Ductus cysticus sehr
eng, reisst bei der Ectomie ein. Choledochorrhaphie, um die weit aus-
einandergezogenen Enden des Choledochus einander zu nähern und
ungefähr zu fixieren. Tamponade mit 3 Streifen. Naht. Operation
1 Stunde.
Verlauf: 20. 9. 03. 37,0. Puls 96. Kein Erbrechen, kein
Aufstossen.
21. 9. 03. 37,2-39,0. Puls 84-92. Morgens spontan Flatus, kein
.Erbrechen, Leib weich, Verband trocken. Abends keine Aenderung
des Befindens, welche das Fieber erklärt.
22. 9. 03. 37,4-37,5. Puls 120.
Über Nacht und morgens viel Erbrechen. Magenspülung fördert
kolossale Mengen Flüssigkeit, kaum etwas gallig gefärbt. Abends
noch immer viel im Magen. Rechte Seitenlage.
23. 9. 03. 87,7-37,5. Puls 92-88.
— 365 —
Bei rechter Seitenlage ruhige Nacht. Kein Erbrechen. Abends
Magen fast leer, nur am Schlüsse jeder Spülung etwas dicker Satz
von Milchresten.
24. 9. 03. Fieberfrei. Magen heute nicht so voll. Allgemein-
befinden gut.
26. 9. 03. Befinden sehr gut. Fängt vorsichtig an zu essen.
Gestern spontane Stuhlentleerung.
27. 9. 03. Verband jeden Tag mit Wundsekret und Galle durch-
tränkt.
2. 10. 03. Fat. hat abends immer noch Temperatursteigerungen
bis 38,3. Täglich 2 maliger Verbandwechsel. Im Verband Mageninhalt.
Kleine Ölfnung im Duodenum im lateralen Teile des Wundtrichters.
Allgemeinbefinden und Appetit gut. Stuhl normal.
4. 10. 03. Fat. klagt viel über Herzklopfen. Beim Terband Wechsel
zeigt sich der Magen gebläht und mit der grossen Curratur nur hand-
breit oberhalb der Symphyse stehend. Magenansspülnng fördert grosse
Massen Speisereste zu Tage.
8- 10. 03. ÖCfnung im Duodenum scheint sich geschlossen zu haben ;
seit gestern kein Darminhalt mehr im Verband.
12. 10. 03. Verband seit vorgestern trocken. Magenektasie zurück-
gegangen. Allgemeinbefinden hebt sich sichtlich.
13. 10. 03. Wundtrichter rein, Duodenum geschlossen. Fat. steht auf.
28. 10. 03. Wundtrichter stark verengt; Sekretion nur noch ge-
ring, dabei wenig Galle.
29. 10. 03. Fortlassen der Tamponade.
30. 10. 03. Verband trocken.
1. 11. 03. Auf Wunsch entlassen; es besteht nur noch ein enger
Fistelgang, der sich voraussichtlich bald schliessen wird.
Epicrise: Interessant war, dass die Sonde im Choledochus
vordrang itnd doch die Steine nicht fühlte. In zweifelhaften Fällen
ist dann auch, ohne dass man einen Stein palpiert, die Duo-
denotomie gewiss erlaubt. Pat. hat sich im Mai 1904 vorge-
stellt, sie hat ca. 40 Pfund an Gewicht zugenommen und sieht
blühend aus.
Nr. 167. L. Cz., 60j. Crräfln ans Löese (Ungarn).
Aufgen.: 14. 8. 1903.
Operiert : 16. 8. 1903. Ectomie. Choledochusdrainage.
Choledocho-Duodenostomia interna. Hepatopexie.
Entlassen: 1. 10. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. war stets gesund, abgesehen von ihrem Gallen-
steinleiden. Mutter an Carcinom gestorben. Vor 10 Jahren einmal
eine Attacke von Magenschmerzen. Dann wieder 2 Jahre völlig wohl.
Vor 8 Jahren infolge Ausgleitens auf dem Farkett Fall auf die ge-
polsterte Lehne eines Stuhles mit den rechten untersten Rippen. In-
— 366 —
Fraktion zweier Rippen, Pleuritis. Kurz nach jenem Unfall die erste
Kolik. Heftige Schmerzen in beiden Hypochondrien, ausstrahlend
nach Rücken und Schultern. Im unmittelbaren Anschluss an die mit
heftigem Erbrechen einhergehende Kolik mehrtägiger Ikterus mit
weissem Stuhl, dunklem Urin. Seit jener Zeit in grösseren oder ge-
ringeren Pausen Anfälle der gleichen Art, welche sich oft rasch folgten,
oft längere Zeit ganz ausblieben. Zuletzt war Vji Jahre lang völlige
Ruhe bis Anfang dieses Jahres, wo wieder mehrere rasch vorübergehende
Anfälle auftraten. Pat. ging, wie immer seit 8 Jahren, nach Karlsbad,
wo sie sich ganz wohl fühlte. Nach Beendigung der Kur begleitete
sie ihren Manu nach Bad Kissingen. Schon bei der Abreise von Karls-
bad und dann während des ganzen Aufenthaltes in Kissingen, wo sie
jedoch die Kur nicht gebrauchte, hatte Pat. Anfälle von heftigen,
krampfartigen Schmerzen in der Magengegend, ohne Erbrechen, ohne
Ikterus. Unmittelbar nach der Rückreise von Kissingen nach Wien
trat ein sehr heftiger Anfall der alten Koliken auf mit intensivem
Ikterus und Fieber (38,5 Achselhöhle). Der Ikterus hielt fast 3 Wochen
an, unter steten, in 3 — 4 tägigen Pausen auftretenden Koliken. Plötz-
lich, nach einer sehr heftigen Attacke, wurde der Stuhl wieder braun,
der Urin hellfer und das Allgemeinbefinden besser, so dass Pat. nach
Hause reiste. W^enige Tage nachher trat jedoch der alte Zustand
wieder ein, der bis jetzt, im ganzen seit über 7 Wochen, anhielt. Die
letzte Kolik trat vor 4 Tagen auf. Pat. ist in den letzten 3 Monaten
durch die vielen Schmerzen sehr heruntergekommen. Der Appetit
war sehr wechselnd, infolgedessen die Nahrungsaufnahme sehr un-
genügend. Während der Anfälle erhielt Pat. Morphium subkutan. So-
wohl die Herren Hofrat Breuer und Geh. Rat Nothnagel in Wien,
als auch die beiden Hausärzte, die Herren Dr. Ritok und Dr. Kalch-
brenner rieten dringend zur Operation.
Befund: Grosse, gut genährte Pat. mit massigem Ikterus. Leber
kaum vergrössert, Ga'lenblasengegend und Mittellinie druckempfind-
lich. Im Urin Gallenfarbstoflf und Spuren von Albumen.
Diagnose: Stein im Choledochus.
0 per ati 0 n : 16. 8. 03. In Gegenwart der Herren Dr. Offen-
b ach-New-York und Dr. Seiden Ir wi n Ra i n forth -Baltimore.
Wellenschnitt. Gallenblase klein, Wand verdickt, eothält im Cysticus
einen rauhen, runden Stein von der Grösse einer Victoriaerbse. Chole-
dochus anscheinend frei, aber verdickt, Iiicision des siipradnod. Teils. Stein
nicht sondierbar. Endlicii findet man dicht an der papilla dnodeni einen
' unbeweglichen Stein. Dnodenotomie. Choledocho-Duodeuostouiia interna.
Auf die mehrreihige Naht des Duodenum wird ein Netzzipfel aufgenäiit.
Hepaticus nicht drainierbar. (Cysticus mündet sehr tief, fast am Duode-
num, in den Choledochus.) Deshalb nur Choledochusdraiiiage mit Nelaton-
Kathetor. Ectomie. Spaltung des Cysticus. Vernähung desselben.
Hepatopexie mit 1 Sutur. Tamponade. Verband. Dauer der Operation
VJ2 Stunden. Gute Chloroformsauerstoff - Narkose (55 gr, Chloroform).
— 367 —
Verlauf: 17. 8. 03. Temp. abends 37,5. Puls 100. Ziemlich
viel Würgen, kein Erbrechen.
18. 8. 03. Temp. morgens 37,5. abends 37,3. Puls 100-112. Ziem-
lich viel Würgen, Aufstossen und Übelkeit, daher Magenspülung nach-
mittags. Im Magen viel altes Blut, viel Gase. Galle läuft etwas.
20. 8. 03. Befinden weiter gut.
31. 8. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres,
der Tampons, die locker sitzen und etwas riechen, sowie einzelner
Nähte. Wunde sieht gut aus. Wundtrichter sehr tief. Temp. abends
87,5. Pat. ist etwas matt.
1. 9. 03. Verband stark durch. Pat. fühlt sich noch immer etwas
matt. Verbandwechsel.
2. 9. 03. Pat. fühlt sich heute wieder wohl. Verband etwas
durch. Entfernung der Nähte und des Hepatopexie- Fadens. Wund-
trichter sehr tief. Ausspülung. Galle noch ziemlich trübe, mit Schleim
vermischt.
4. 9. 03. Galle läuft beim Ausspülen bereits ziemlich klar.
5. 9. 03. Entfernung des Hepatopexie-Drahtes.
6. 9. 03. Verband täglich etwas durch. Ausspülung. Chole-
dochnsincision selbst nicht zu erreichen wegen der Tiefe uud Euge
des Wnndtrichters. Pat. steht auf. Appetit noch massig.
10. 9. 03. Entfernung des grössten Teils der langen Fäden. Ver-
band nur noch ganz wenig durch.
15. 9. 03. Verband 2 Tage trocken. Galle läuft nur wenig. Letzter
langer Faden entfernt. Galle läuft beim Ausspülen fast klar. Wund-
trichter sehr eng. Stuhl regelmässig, gulUgefärbt.
21. 9. a3. Verband seit 3 Tagen trocken. Es läuft keine Galle
mehr. Wunde sehr eng. Keine Tamponade mehr.
1. 10. 03. Wunde geheilt, nur noch kleine Granulation. Geheilt
entlassen in vorzüglichem Allgemein-Befinden.
Die Untersuchung der Gallenblase durch das pathol. Institut in
Marburg ergiebt folgenden Befund:
Im Fundus, wie auch in den übrigen Teilen der Gallenblase zeigt
die Mucosa Atrophie, stellenweise auch alte Ulcerationen der
Wand im Übergang in narbige Schrumpfung begriffen. An solchen
Stellen finden sich neben älteren Blutungen auch frischere.
Epicrise: Erst nach langem Suchen fand man den Stein
in der Papille. Bei der Incision des supraduodenalen Teils des
Choledochus floss sehr viel Galle ab, so dass ein tieferes
Hindernis vorliegen musste. Das Pankreas war verdickt, aber
der eigentliche Verschluss war durch den festsitzenden Stein be-
dingt. Dabei war der Ikterus nur massig, die Entzündung
fehlte im Augenblick.
— 368 —
Nr. 168. L. F., 52 j. Maurermeistersfrau aus Duderstadt.
Aufgen.: 14 4. 1903.
Operiert: 16.4. 1903. Ectomie. Cysticotomie. Cystis-
ectomie. Hepaticusdrainage. Choledocho - Duode-
nostomia int.
Entlassen: 28. 5. 1903. Geheilt.
Anamnese: Fat. ist sonst immer gesund gewesen.
Seit etwa 20 Jahren „Magenkrämpfe", die vor 16 Jahren als
GallensteinkoHken erkannt wurden. Vor 16 Jahren eine Zeit lang alle
paar Tage Kolikschmerzen, von der Mitte des Leibes nach rechts her-
überstrahlend. Der Anfall dauerte oft bis 1 Tag lang. Dabei galhges
Erbrechen. Nach dem Anfall stets mehrere Tage Gelbsucht; Stuhl
weiss, Urin dunkel. Fieber bestand jedoch damals angeblich nicht.
Es gingen dann Steine ab. Fat. gebrauchte eine Kur in Karlsbad
und fühlte sich danach sehr wohl, hatte weiterhin bis Mitte Sommer 1902
nur sehr selten leichte Kolikanfälle von ganz kurzer Dauer (keine
Gelbsucht mehr).
Seit Mitte Sommer 1902 öfters leichte Kolikanfälle, die stets,
wenn Fat. erbrochen, aufhörten. Diese Anfälle wurden, besonders im
Herbst, häufiger.
Weihnachten 1902 Influenza mit allgemeiner Mattigkeit, Fieber
und Gliederschmerzen. Dabei bei jedem Essen Magenschmerzen.
Nach 8 Tagen stand Fat. auf, fühlte sich jedoch „weder gesund
noch krank".
Mitte Januar 1903 heftigerer Kolikanfall mit Schmerzen in der
rechten Seite des Leibes und Erbrechen. Danach Schüttelfrost, Fieber
(38,0-39,0) und Gelbsucht? Stuhl weiss, Urin dunkel. Kolikanfall
dauerte V* — V« Tag, die Gelbsucht 2—4 Tage. Steine gingen nicht ab.
Seitdem die ganz gleichen Anfälle mit Schüttelfrösten und Fieber,
zunächst etwa alle 14 Tage, später sogar alle 8 — 10 Tage. Vorletzter
Anfall 24. März, letzter 5. April. Steine wurden trotz sorgsamen
Suchens nicht gefunden. In den anfallsfreien Zeiten fühlt sich Fat.
matt und elend, auch hat sie an Körpergewicht abgenommen. Der
Appetit ist leidlich. Stuhlgang regelmässig.
Fat. wurde mit Karlsbader Wasser, Morphiumeinspritzungen und
Antipyreticis behandelt.
Herr Dr. Bertram-Duderstadt sendet uns die Fat. zu.
Befund : Ziemlich negativ. Kein Ikterus. Keine Leberver-
grösserung (Hepatoptose). Druckempfindlichkeit in der Gallenblasen-
gegend. Urin frei.
Diagnose: Stein im Choledochus.
Operation: 16. 4. 03. Wellenschnitt. Hepatoptose. Gallen-
blase sehr gross und mit Steinen gefüllt. Fundusteil mit Netz, Hals-
teil mit Duodenum verwachsen. Trennung. Ectomie. Trübe Galle
fliesst aus dem Cysticusstumpf in die untergeschobene Compresse.
Im Choledochus und Hepaticus 45 Steine. Spaltung des Cysticiis und
— 369 -
Choledoclius bis au das Dnodenum herao. In der Papilla dnodeiii
ist mit der Sonde ein Stein zu fühlen, völlig unbeweglich. Duodenotoniie
mit Qnerspallung des Duodenum. Die Papille wird mit einer König-
scheu Klemme gefasst und Torgezogen. Papillotomie. Die Papille resp.
der intraduodenale Teil des Choledoehus enthält 4 Steine, und die
Papille ragt wie eine Portio in das Duodenum. Schnitt in die Papille
1 cm. lang. Umsäumung mit 4 Fäden. Naht des Querschnittes im
Duodenum. Darüber Netz. Excision des Cysticus. Hepaticusdrainage.
Verkleinerung des Choledochussohnittes. Tamponade des stark blu-
tenden Leberbettes, (2 Umstechungen.) Magen sehr gross. He-
patopexie mit 2 Suturen. Naht. Dauer der Operation 1'/» Stunden.
Oute Chloroform-Narkose. Im Beisein des Herrn Dr. Klein-Idstein,
Taunus.
Verlauf: Gut.
28. 4. 03. 1. eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung des Rohres
und der Tampons, die reichlich mit Galle durchtränkt sind, nicht
riechen nnd ziemlich locker sitzen. Wunde sieht gut aus. Ausspülung.
Tamponade, Verband. Beim Ausspülen wurde ausser viel Schleim
und weichem, bröclilichem „Schotter" ein etwa erbsengrosser, fazet-
tierter schwärzlicher Stein heransgespUlt.
29. 4. 03. Verband durch. Bei der Ausspülung des Hepaticus
werden i schwärzliche, fazettierte Steine, darunter zwei erheblich über
Urbsengrösse, herausgespült. Galle noch mit viel weichem, brücklichem
Oerinnsel vermengt. Ausspülung auch des duodenalen Choledochus-
Abschnittes. Choledochus-Incision sehr gut sichtbar, liegt ziemlich
■oberflächlich. Temp. abends 37,9.
30. 4. 03. Entfernung aller Nähte und der Fäden bis auf einen.
Bei der Sondierung des Hepaticus ist kein Stein mehr nachzuweisen.
2. 5. 03. Verband täglich mit Galle durchtränkt. Täglich Aus-
spülung des Hepaticus und Choledoehus, wobei sich noch mit Flocken
Yermischte Galle entleert. Letzter Faden ist abgegangen.
7. 5. 03. Leichte Pulsirregularität. Pat. klagt über grosse Mattig-
keit. Temperaturen normal. Strophantus. Wein. Häufige Durchfälle.
Urin normal.
8. 5. 03. Pat. fühlt sich heute besser. Nachmittags jedoch wie-
-der plötzliche Pulsirregularität, Schwitzen und Angstgefühl. Digi-
talisinfus.
9. 5. 03. Pat. fühlt sich wieder wohl. Puls wieder regelmässig,
kein Aussetzen mehr. Keine Angstzustände. Durchfall hat aufgehört.
Stuhl geformt, braun.
Verbandwechsel. Verband 2 Tage trocken. Wundtrichter sehr
•eng. Ausspülung des Choledoehus, in den man, da er sehr ober-
fl.äclilich liegt, leicht mit dem Spülkatheter gelangt. Tamponade.
12. 5. 03. Verband 3 Tage trocken. Ab und zu noch leichte
Pulsirregularität, sonst Befinden gut. Pat. steht wieder auf.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 24
— 370 —
15. 5. 03. Ab und zu leichte Pulsirregularität. Puls ziemlicb
klein und weich. Klagen über Mattigkeit und Herzklopfen. Pat. bleibt
im Bett. Appetit gut. Stuhl braun.
17. 5. 03. Pat. fühlt sich etwas wohlor. Puls noch ab und zu
irregulär.
20. 5. 03. Pat. fühlt sich wieder kräftiger, keine Klage über
Herzklopfen. Puls voll und weich, nicht mehr unregelmässig.
Wundtrichter sehr eng, es fliesst nur noch eine Spur Galle.
28. 5. 03. Unter Zunahme des Appetits ist in den letzten Tagen
eine wesentliche Besserung des Befindens eingetreten. Auch die
Herztätigkeit ist besser.
Pat. wird mit ganz kleiner, granulierender Wunde nach Hause
entlassen. Gallenfiuss hat aufgehört.
Epicrise: Die Diag'nose wurde genau gestellt, obgleich
Ikterus völlig fehlte. In der Papille steckten 4 Steine, und
doch bestand kein Ikterus; im Augenblick fehlte eben die Entzün-
dung. Der hospitierende Kollege konnte sich von der vortreftlichen
Übersichtlichkeit bei der angewandten Schnittführung übei zeugen.
Nr. 169. A. B., 52j. Privatier aus München.
Aufgen.: 3. 8. 1903.
Operiert: 5. 8. 1903. Ectomie. Cysticectomie. Hepa-
ticusdrainage. Choledocho-Duodenostomia interna.
Netzplastik. Hepatopexie.
Entlassen: 13. 9. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat mit 24 Jahren an Gelenk-Rheumatismus
gelitten, später dann noch einmal einen leichten Anfall dieser Krank-
heit gehabt. Vor 10 Jahren bekam Pat. eine Eiterung in der linken
Highmors-Höhle, die operativ behandelt wurde, jedoch in leichtem Grade
noch bis 1902 anhielt. Sonst ist Pat. stets gesund gewesen.
Am 19. Januar 1902 bekam Pat. plötzlich abends Übelkeit und
Erbrechen. Nach gutem Schlafe trat am nächsten Morgen ein Anfall
von äusserst heftigen Kolikschmerzen, die quer über die Oberbauch-
gegend ausstrahlten, auf, so dass Pat. sich vor Schmerzen wand. Zu-
gleich hohes Fieber (38,6 — 39,8), Pat. war fast benommen. Die Schmerzen
hörten nach einigen Stunden auf. Das Fieber hielt 14 Tage an, ging
dann allmählich zurück. Nach 3 Wochen trat allmählich am Körper
ausgosprocbene Gelbsucht auf und hielt 2 Wochen an. Put. nahm stark
ab, war äusserst elend. Bis Juni 1902 lag Pat. im Diakonissenhaus
(München) und erholte sich dann langsam. Darauf Kur in Arolsen.
Völliges Wohlbefinden bis Anfang Juni 1903, nur einmal im Februar
Anfall von starker Verstopfung, die Oberbauchgegend war brotthart,
dabei bestand Brecluieigung und geringer Appetit. Dies dauerte etwa
8 Tage.
— 871 —
Anfang Juni 1903 bekam Pat. plötzlich eines Abends Schüttelfrost,
dabei keine Schmerzen. Am andern Tage allgemeine Gelbsucht. Stuhl
weiss, Urin dunkel. Starkes Hautjucken. Einigemale auch Erbrechen,
Seitdem durchschnittlich alle 8 Tage gleicher Anfall und Schüttel-
frost. Die Gelbsucht hielt bis jetzt an, wechselte jedoch sehr an
Intensität, Stuhl ist bald weiss, bald gefärbt, Urin bald dunkel, bald
hell. Nach den Schüttelfrösten Gelbsucht meist stärker. In den
Zwischenzeiten, namentlich wenn die Gelbsucht geringer ist, fühlt sich
Pat. ganz wohl, Appetit ist ziemlich gut, doch hat Pat. seit Anfang
Juni 12 Pfund abgenommen. Stuhl ist regelmässig.
Letzter Schüttelfrost vor 5 Tagen, nur sehr leicht, dabei zum ersten-
male leichte Schmerzen im Rücken. Seitdem fühlt sich Pat. sehr wohl,
so wie seit Anfang Juni nicht mehr. Beim Anfall vor 5 Tagen auf
fallend reichliche Stuhlentleerung. Auch bei den früheren Schüttel-
frösten nachher reichliche Stuhlentleerung, doch nie so auffallend reich-
lich wie beim letztenmale.
Pat. klagt zurzeit hauptsächlich über Hautjucken, fühlt sich sonst
ganz wohl, Appetit ist gut.
Pat. hat in letzter Zeit Karlsbader Salz zur Regelung des Stuhl-
ganges genommen, hat sonst keine Kur durchgemacht.
Herr Dr. Ziller-Albaching/Oberbayern sendet uns den Pat. zu.
Während der Erkrankung im Anfang vorigen Jahres bestand
starke Leborschwellung, ebenso Milzschwellung, anscheinend auch Peri-
karditis, ebenso Nierenentzündung (eine Zeit lang viel Eiweiss). Später
Juli 1903 etwa 14 Tage heftiger Urindrang, dabei etwas Blut beim
Urinlassen. Ab und zu hat Pat. einmal leichte Schmerzen in der rechten
Seite unterhalb des Rippenbogens. Herr Dr. Ziller schreibt uns über
den Verlauf folgendes:
„Im Janmar 1902 plötzlich schwere allgemeine septische Erkrankung
(vermutlich von der Gallenblase ausgehend), hohes intermittierendes
Fieber, soporöser Zustand, starke Anschwellung des rechten, geringere
des linken Leberlappens, grosser, stark druckempfindlicher Tumor in
der Gallenblasengegend, geringgradiger Ikterus, Perihepatitis h. u., En-
docarditis, Omarthritis rechts und links, Nephritis 3—4 Wochen. Her-
nach langsame Abnahme der Leberschwellung. Verschwinden der Herz-
und Gelenkentzündungs-Symptome, Besteheubleiben von Eiweiss im
Urin und Resistenz und Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend.
Langsame Kiäftezunahme. Im Juni mehrwöchentliche Hämaturie mit
schmerzhafter, spastischer Urinentleerung. Seit dieser Zeit bis Juni er.
mehrmaliges Auftreten von Attacken von Meteorismus, hohem Fieber,
Stuhlverhaltung, akuter Leberschwellung, Druckempfindlichkeit des
Bauches, Dauer 3— 4 Tage, hernach Verschwinden aller Erscheinungen.
In der Zwischenzeit meist gutes, subjektives Wohlbefinden. Eiweiss im
Urin verschwand allmählich vollständig. Kolikartige Anfälle waren
nie zu beobachten, ebensowenig Abgang von Gallensteinen durch den
Stuhl.
24*
— 572 —
Im Juni er. neuer heftiger Anfall mit Fieber, Meteorismus, Schüttel-
frost, Obstipation. Starker Ikterus, Urin eiweissfrei. Seit dieser Zeit
bestehen die Erscheinungen des Ikterus fort."
Befund: Starkknochiger, abgemagerter Mann, Ikterus massig,
Leber nicht vergrössert. Druckempfindlicbkeit der Gall-enblasengegend
und der Mittellinie. Kein Tumor der Gallenblase nachweisbar, Lungen,
Herz gesund. Im Urin Spuren von Eiweiss, viel Gallenfarbstoff. Starkes
Hautjucken.
Diagnose: Abgelaufene Cholecystitis, Stein im Choledochus.
Operation: 5. 8.03 im Beisein der Herren Dr. Noble-Philadelphia
und Dr. B e 1 z - Charkoff. Gute Sauerstoff-Chloroformnarkose. 50 gr. in
P/2 Stunden. Wellenschnitt bis zur Inscriplio tendinea unterhalb des
Nabels mit Schonung der Nerven. Leber v^enig vergrössert, überall
mit fibrinösen Auflagerungen bedeckt. Gallenblase ganz in Verwach-
sungen eingehüllt. Lösung von Duodenum und Netz, einige Unter-
bindungen. Gallenblase gross, am Fundus ein walnussgrosses Traktions-
divertikel, wird punktiert imd reichlich trübe Galle aspiriert. Supra-
duodenalteil des Choledochus wird freigelegt und inzidiert. Die Drüsen
sind dick nud hart. Nach langem Suchen findet man einen liaselnnss-
grossen Stein in der Papilla dnodeni völlig unverschieblich. Choledo-
üho-Duodenostomia interna mit Umsänniung^naht. Diictns pankreaticns er-
weitert, dicht daneben, ist sondierbar. Hepaticusdrainage. Ectomie.
Cysticectomie nach Spaltung des Cysticus. Netz auf die Duodenal-
naht, an 4 Steilen fixiert. Hepatopexie mit 1 Sutur. Tamponade. Naht.
Dauer der Operation 1 Stunde 20 Min.
Verlauf: Normal und fieberfrei.
19. 8. 03. Verbandwechsel. Entfernung des Rohres, sämtlicher
Tampons, die locker sitzen, stark riechen, sämtlicher Nähte und langen
Fäden bis auf einen. Chbledochusinzision liegt ziemlich oberflächlich,
ist sehr gut sichtbar. Wunde sieht sehr gut aus. Beim Ausspülen
werden zahlreiche kleine Steintrümmerchen herausgespült. Ausspülung
des Hepaticus. Tamponade.
20. 8. 03. Verband durch. Letzter Faden wird entfernt. Beim
Ausspülen werden wieder einzelne Steintrümmer herausgespült.
22. 8. 03. Verband täglich durch. Galle riecht sehr stark. Wund-
trichter bereits erheblich enger. Seitlich nach dem Magen zu im Wund-
trichter die 3 Nähte sichtbar, welche das Netz über der Dünndarmnaht
fixieren.
24. 8. 03. Steht auf.
26. 8. 03. Verband jetzt zwei Tage trocken. Galle läuft weniger
reichlich. Wundtrichter bereits sehr eng.
31. 8. 03. Es läuft nur noch eine Spur Galle.
6. 9. 03. Keine Tarnponade des Wundtrichters mehr.
10. 9. 03. Verband 3 Tage trocken. Noch Spur Galle in der Gaze.
13. 9. 03. Es läuft keine Galle mehr. Pat. wird mit kleiner, gut
granulierender Wunde entlassen.
— 373 —
E p i c r i s e : Obgleich der Stein völlig fest in der Papille
steckte, hatte Pat. gar keine Schmerzen. (Fink's Ansicht über
die mechanische Reizung der Steine teile ich nicht.) Pat. muss
eine sehr schwere Cholangitis durchgemacht haben, daher die
Perihepatitis. Gegen die von Berg in New- York empfohlene
Freilegung des papillären Teils des Choledochus ohne Duodeno-
tomie und gegen die retroduodenale Incision hege ich mehrere
Bedenken, die ich bereits im I. Teil erörtert habe.
Nr. 170. E. B., 40j. Oberlehrersfrau aus Hamburg. "
Aufgen.: 5. 6. 1903.
Operiert: 8. 6. 1903. Ectomie. Cysticotomie. He-
paticusdrainage. Choledocho-Duodenostomia interna.
^ Appendicectomie. Hepatopexie.
Entlassen: 16. 7. 1903. Geheilt.
Anamnese: Pat. hat als Kind von 11 Jahren Typhus und Ruhr
durchgemacht. Sie hat seitdem als Kind noch später häufig an Darm-
blutung gelitten und noch lauge eine druckempfindliche Stelle in der
rechten Seite des Unterleibes gespürt. Auch jetzt, in den letzten
Jahren, besonders während des Unwohlseins, hat Pat. diese Stelle als
druckempfindlich empfunden.
Im 17. und 18. Lebensjahr zweimal „Darmkoliken" mit Ver-
stopfung und Erbrechen von ca. 8 Tagen Dauer. Dabei wieder die
Druckempfindlichkeit rechts unten im Leibe. Ferner litt Pat. an Bleich-
sucht.
Pat. hat immer an „Magenschwäche" und unregelmässigem Stuhl-
gang gelitten (teils Durchfälle, teils Verstopfung).
1892 stellten sich einige Stunden andauernde, heftige „Magen-
krämpfe'' ein, die mehrere Tage lang auftraten, zugleich Erbrechen.
Hieran anschliessend mehrere Tage ausgesprochene Gelbsucht, Stuhl
war weiss. Zugleich bestand dann einige Wochen lang eine Leber-
schwellung. Infolgedessen wegen Magen-Erweiterung und Erschlaffung
sechswöchige Kur in Kissingen. Keine erhebliche Besserung, Brunnen
wurde schlecht vertragen. Doch hielt Pat. strenge Diät. Trotzdem 1893
und 94 häufige (etwa alle 3 — 4 Monate), einige Stunden lang andauernde
Magenkrämpfe, teilweise sehr heftiger Natur mit Erbrechen. Damals
wurde die Gallenblase wie eine Birne gefühlt und deshalb Cholelithiasis
vermutet. Karlsbader Wasser vertrug Pat. nicht, vielmehr traten
danach die Magenkrämpfe häufiger auf. Die Schmerzen sassen in der
Lebergegend und strahlten nach links und in den Rücken aus. Die
Anfälle von Magenkrämpfen stellten sich dann noch weiter ab und zu
ein. Nur während der Schwangerschaft (Pat. hatte 4 Mal geboren)
blieben die Anfälle aus.
1895 und 96 zweimal Dickdarmkatarrh mit Abgang von Blut und
Schleim, der 14 Tage lang anhielt.
— 374 —
Während der letzten Schwangerschaft 1897 keine Krämpfe. Seit
dieser Zeit häufig „Schweregefühl" in der Gegend der Leber und Magen-
grube („wie ein Stein, der dort liegt"). Dabei leichte Ermüdung,
Schmerzen und Lähmungsgefühl im rechten Arm, schon bei leichten
Hantierungen.
Die Krarapfanfälle traten dann wieder ab und zu auf, im Winter
häufiger als im Sommer, ^^ährend der Anfälle Stuhl meist mit Blut-
flocken vermischt.
Vor 3 Jahren wiederum Leberschwellung, die 8 Tage anhielt.
Dabei angeblich Fieber. Stuhl war weiss. Angeblich keine Gelbsucht.
Vor 2 Jahren Massage des Colon ascendens wegen Katarrhs,
danach beim Heimweg sehr heftiger Kolikaofall, so dass Pat. nach
Hause getragen werden musste.
In den letzten 2 Jahren mehrten sich die Anfälle, besonders im
Winter. Im letzten Winter alle 8 Tage Krampfanfälle, die etwa
7 Stunden andauerten. In den Zwischenzeiten fühlte sich Pat. ziem-
lich wohl. Im letzten Winter wiederum 14 Tage dauernder Darm*
katarrh mit heftigen Durchfällen und Schmerzen in der linken Seite
des Leibes.
Seit Weihnachten 1902 hat Pat. fast dauernde Schmerzen und
Druckgefühl in der Gegend der Leber und der Magengrube. Sie hat
seitdem bis heute ca. 30 Pfund abgenommen.
Am 15. April 1903 M'iederum sehr heftiger Kolikanfall, der
7 Stunden dauerte. Gallenblase prall gefüllt. Gallensteinleiden jetzt
bestimmt diagnostiziert.
Pat. wurde dann 12 Tage wegen Magensenkung und wegen
Magengeschwür im Sanatorium Braunlage behandelt. Doch trat dort
wiederum ein Krampfanfall auf. *
Gestern Mittag letzter, nur einige Minuten dauernder Krampf-
anfall.
Pat. klagt jetzt über dauernde Schmerzen und Druckgefühl in
der Gegend der Leber und der Magengrube. Die Krampfanfälle treten
besonders kurz vor oder kurz nach dem Unwohlsein auf. Dabei hat
Pat. das Gefühl, dass die Gegend der Magengrube anschwillt und
schmerzhaft ist.
Gelbsucht hat seit 1892 nicht wieder bestanden. Fieber ist nicht
vorhanden gewesen. Nach Steinen wurde im Stuhl nicht gesucht.
Stuhlgang ist häufig unregelmässig. Appetit wechselt.
Herr Dr. G r u we-Hamburg sendet uns die Pat. zu.
5. 6. 03. Leichter, etwa 10 Min. dauernder Kolikanfall abends.
Befund: Ausser Druckempfindlichkeit der Gallenblasengegend
alles normal. Urin frei. Kein Ikterus.
Diagnose: Chronische recidiv. Cholecystitis calculosa.
Operation: 8. 6. 03. Wellenschnitt. Gallenblase mit Netz
verwachsen, wird gelöst. Leber normal, nicht gross. Gallenblase im
Hals sehr geknickt, schwere Lösung. Ectomie. Gallenblase enthält
im Fundus viele kleine Steine, im ulcerierten Hals einen haselnuss-
— 875 —
grossen. Galle fliesst aus Cj^sticus trübe ab. Cysticotomie. Im Chole-
doclius mehrere kleine Steine in der Papille festsitzend. Choledocho-
Diiodenostomia interna. 5 Steine entfernt. Hepaticusdrainag^. Hepa-
topexie. Appendix in der Mitte geknickt, enthält 3 Kotsteine, ist am
Ende stark entzündet. Appendicectomie. Tamponade des Leberbetts.
Dauer der Operation l'/4 Stunden. Gute Chloroform-Sauerstoff-Narkose,
^5 gr. Chloroform.
V erl auf : 9. 6. 03. In der Nacht viel Aufstossen, starke Übel-
keit. Puls 130, ziemlich klein. Magenspülung, wobei ziemlich viel
schwärzliches Blnt entleert wird. Galle läuft (80 ccm). Blähungen
gehen nach Spritze nachmittags.
Puls abends 130. Temp. 37,7. Aussehen gut. Ma?enspUlang, im
Magen nnr noch Reste von altem Blnt, das offenbar vom Duodenum
ans in den Magen zuriickgelanfen ist.
10. 6. 03. Temp. normal. Puls 120-130. Blähungen gehen. Kein
Erbrechen. Da Puls dauernd etwas frequent, 3 Mal Kochsalzinfusionen,
Kochsalzeinläufe. Galle 80 ccm.
11. 6. 03. Puls 100, kräftig. Befinden gut. Galle 90 ccm.
22. 6. 03. 1. Verbandwechsel. (1. Verband liegt 14 Tage.) Ent-
fernung sämtlicher Tampons, die ziemlich locker sitzen, des Rohres,
sämtlicher Nähte und einzelner langer Fäden. Wunde sieht gut aus.
Tamponade.
23. 6. 03. Verband durch. Verbandwechsel. Choledochus-In-
«ision gnt sichtbar. Ansspülnng des Choledochns mit Sptilkatlieter.
Hepaticns und Choledochus bis in den Darm hin frei und leicht durch-
gängig. Tamponade. Verband.
26. 6. 03. Verband 3 Tage trocken. Verbandwechsel. Aus-
spülung des Hepaticus. Tamponade. Verband. Letzte lange Fäden
gehen ab.
28. 6. 03. Verband täglich durch. Galle läuft klar. Keine Aus-
spülung des Hepaticus mehr. Pat. steht auf.
G. 7. 03. Nach festem Austamponieren des sehr engen Wund-
trichters bleibt der Verband 2 Tage trocken.
14. 7. 03. Keine Tamponade des sehr engen Wundtrichters mehr.
16. 7. 03. Es läuft keine Galle mehr. Pat. wird mit kleinem,
gut granulierendem Wundtrichter entlassen.
Pat. wird, nachdem sie noch zweimal in der Klinik verbunden
worden und die Wunde völlig geschlossen ist, als geheilt entlassen.
Die Untersuchung der Gallenblase im path. Institut zu Marburg
ergab folgenden Befund:
Makroskopisch: Während die Wandung der Blase im mittleren
Drittel des Corpus von annähernd normaler Stärke ist und einen un-
veränderten Schleimhautüberzug trägt, finden sich am Fundus und
Collum unregeimässige Verdickungen der Wand und Ulcerationen der
Oberfläche.
Mikroskopisch zeigen die erwähnten veränderten Partien ein
Fehlen des Epithels. Nur am Collum sind noch spärliche Reste des
— 876 —
Oberflächenepithels, in der Tiefe der Wandung dagegen Gruppen un-
regelmässig ausgebuchteter Drüsen (ohne Degeneration der Epithel-
zellen) vorhanden. Die inneren Abschnitte der Blasenwand werden
von einem narbendurchzogenen und kleinzellig infiltrierten Granu-
lationsgewebe gebildet, die äusseren von hyalinen Gewebsstreifen, die
von diffusen und knötchenförmig angeordneten Lympbzellanhäufungen
durchsetzt sind. Die Muscularis ist völlig zerstört. An den Arterien
starke Wucherung der Intima. Em Fundusteil ist auffällig der Befund
von krystallinischen Gallenablagerungen in der Mitte der Wand, um-
geben von vielkernigen Fremdkörperriesenzellen. Über die Bedeutung
dieser Tatsache müssen weitere Untersuchungen Aufschluss geben.
Epicrise: In der Papille steckte fest eingeklemmt ein
Stein, trotzdem kein Ikterus. Appendix war krank und musste
heraus. Die trübe, aus dem Cysticus ausfliessende Galle wies
darauf hin, dass im Choledoclius ein entzündlicher Prozess sich
abspielte und Steine daselbst steckten. Deshalb Choledochotomie,
obgleich man bei der Kleinheit der Steine dieselben kaum pal-
pieren konnte. Die Choledocho-Duodenostomia interna ist für
solche Fälle die beste Methode.
Nr. 171. J. F.. 32 j. Bureau- Assistentenfrau aus Magdeburg-
Bnckau.
Aufgen.: 6. 11. 1899.
Operiert: 8. 11. 1899. Ectomie. Choledochotomie
mit Naht. Choledocho-Duodenostomia interna.
Entlassen: 11. 12. 1899. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese ohne Besonderheiten.
Pat. ist von ihrem 5. Lebensjahre an magenleidend gewesen; sie
vertrug nur ganz leichte flüssige Kost, bekam sofort Erbrechen, so-
bald sie den Magen um das Geringste überfüllte. Im 2ü. Jahre hörte
das Erbrechen spontan auf, und Pat. fühlte sich 7 Jahre hindurch ge-
sund. Sie verheiratete sich im 24. Jahre und ist Mutter zweier Kinder.
Damals im 27. Jahre traten die Magenschmerzen wieder auf, nahmen
aber einen mehr kolikartigen Charakter an; anfangs kamen sie täg-
lich, später wurden die Pausen grösser und nach V^ Jahre hörten die
Schmerzen schliesslich ganz auf. Die Dauer der Schmerzen betrug
gewöhnlich 2 Stunden. Von Herrn Dr. Kambach-Buckau wurde die
Diagnose auf Gallensteine und Leberanschwellung gestellt; es wurde
zunächst künstliches Karlsbader Salz verordnet, später trank Pat.
6 Wochen lang natürliches Karlsbader Wasser. Nach dieser Kur
schwanden die Schmerzen und Frau F. fühlte sich 3 Jahre völlig
wohl. Jm Frühjahr 99 stellten sich dann von Zeit zu Zeit wieder
leise Schmerzen in der Oberbauchgegend ein. Endo August 99 er-
— 377 —
folgte plötzlich ein heftiger Kolikanfall mit starkem Erbrechen, Ver-
lust des Appetits, Stuhl verbal tung. Solche ca. 12 Stunden dauernde
Schmerzattacken traten Anfang September noch zweimal auf. Kolik-
artige Schmerzen sind seitdem nicht mehr dagewesen, dagegen be-
steht fortwährend ein dumpfes Druckgefühl in der Lebergegend. Schon
im Frühjahr 99 trat bald nach den Schmerzen ein leichter Ikterus
auf; nach den Kolikanfällen im September nahm derselbe schnell zu.
Der Appetit ist in letzter Zeit sehr schlecht geworden, Erbrechen
tritt noch häufig ein. Pat. ist um ca. 23 Pfund abgemagert und fühlt
sich sehr matt. Der Stuhlgang ist sehr unregelmässig; Steine sind
nie gefunden worden. Der Urin ist schon seit langem dunkel gefärbt.
Mehrfach soll in letzter Zeit Schüttelfrost vorhanden gewesen sein.
Ikterus fast immer gleichmässig.
Befund: Kleine, gracil gebaute Frau in schlechtem Ernährungs-
zustande. Herz und Lungen gesund. Im Urin kein Eiweiss, aber
reichlich Gallenfarbstoflt". Starker Ikterus. Leber massig vergrössert.
Gallenblasengegend druckempfindlich. Temperatur normal.
Diagnose: Stein im Choledochus (vielleicht in der Papille
festsitzend).
Operation: Längsschnitt im rechten m. rect. abd. Gallenblase
gross, ihre Wandungen ödematös, ohne Verwachsungen, enthält trübe
Galle und Steine. Im Choledochus hinter dem Duodenum ein Stein fühl-
bar. Eröffnung des suprad. Teils des Choledochus. Es fliesst viel Galle.
Stein nicht zu entfernen. Veslialb Dnodeuotomie. Stein steckt in der
Papille, die erweitert wird. Der Stein ist erbsengross. Längsschnitt
im Duodenum wird quer vernäht. Vorher ist die Papille mit Seiden-
sutnren umsäumt. Gallenblase wird excidiert, Choledochusschnitt ge-
näht. Gazetamponado. Anfangs schlechte Chloroformnarkose mit 2 Col-
lapsen, dann Äther.
Verlauf war vollständig fieberfrei. Der erste Verbandwechsel
fand 14 Tage post op. statt; die Gaze Hess sich nach Spülen mit
Kochsalzlösvmg leicht entfernen. Die Fäden wurden herausgenommen.
Nach Austrocknung des Wundtrichters wurden neue Gazestreifen ein-
gelegt. Heilung unter wenigen Verbänden. Entlassung am 11. 12. 99
ohne eine Spur von Ikterus. Allgemeinbefinden vorzüglich, Appetit
*und Stuhlgang ganz in Ordnung.
Epicrise: Meistenteils gelingt es, den Stein aus der
Papille in den supraduodenalen Teil 'des Choledochus hoch zu
drücken, wo er sich bequem herausschneiden lässt. Die Chole-
docho-Duodenostomia interna, wie sie zuerst von Kocher und
mir geübt wurde, braucht man deshalb nur relativ selten auszu-
führen ; aber die Gefahr der Eröffnung des Duodenum hat sich
mir in zahlreichen Fällen so gering ervi^iesen, dass man diese
Operation nicht „als zu gefährlich" zu fürchten braucht.
— 378 -
Nr. 172. H. M., 31j. Kaufmannsfrau aus Danzig.
Aufgen.: 4. 3. 1901.
Operiert: I. 6. 3. 1901. Cystostomie. IL 13. 5. 1901.
Cysticotomie. Ectomie. Choledocho-Duodenostomia
interna. Hepaticusdrainage.
Entlassen: 30. 6. 1901. Nicht völlig geheilt.
Anamnese: Familiengeschichte ohne Belang. Fat. hat schon
als junges Mädchen an Magenkrämpfen gelitten, die meist zur Zeit
der Menstruation eintraten. Diese Magenkrämpfe haben sieh ca.
15 Jahre lang in unregelmässigen Pausen wiederholt. In den letzten
3 Jahren ist sie wegen Adnexerkrankungen in frauenärztlicher Be-
handlung gewesen. Im September und Oktober 1900 hatte sie mehrere
Anfälle von Schmerzen in der rechten Oberbauchgegend mit Er-
brechen, das Erbrochene bestand meist aus Speiseresten. Ende
Oktober 1900 kam ein heftiger. Anfall, der als Gallensteinanfall erkannt
wurde. Die sehr heftigen Schmerzen begannen in der Gallenblasen-
gegend und zogen zum Rücken. Der Urin war danach auffallend
dunkel, auf den Stuhl wurde nicht geachtet, Zeichen von Ikterus sind
nie beobachtet worden. Die Anfälle wiederholten sich im November
und Dezember mehrmals. Ende Dezember konsultierte Pat. Herrn
Prof. D ührs se n- Berlin, der angeblich 2 Gallensteine fühlte und zur
sofortigen Operation riet, doch entschloss sie sich damals nicht dazu.
Am 10. Januar hatte sie einen sehr heftigen Anfall von starken
Schmerzen, Erbrechen galliger Massen und zum erstenmale Fieber.
In der Gallenblasengegend war eine Geschwulst fühlbar, das Fieber
(bis 88,8 in ano) hielt an, die heftigen Schmerzen schwanden und
machten einem unangenehmen Druckgefühl Platz , das bei der
Lage auf der rechten Seite sich verstärkte. Die Geschwulst ver-
kleinerte sich, leichte Temperaturerhöhung blieb bestehen. Anfangs
war der ganze Leib hoch und stark gespannt, der Stuhlgang mehrere Tage
angehalten, während Pat. sonst zu Durchfällen neigte. Pat. ist seit
September erheblich abgemagert. Sie hat gegen die Schmerzen meist
Morphium und heisse Umschläge gebraucht, auch Karlsbader Salz ge-
nommen. Herr Dr. Simon-Danzig riet ihr zur Operation.
Befund: Blasse schwächliche Frau. Herz und Lungen gesund.
Urin frei von pathol. Bestandteilen. Gallenblase als eiförmiger Tumor
von geringer Schmerzhaftigkeit zu fühlen. Leber nicht vergrössert.
Diagnose: Empyem der Gallenblase.
Operation: 6. 3. 1901. Gallenblase prall gefüllt, mit Netz ver-
wachsen. Lösung. Aspiration von. Eiter. Viele Steine (ca. 100), da-
runter 2 grössere von Haselnussgrösse. Cystostomie. Drahtmethode.
Dauer der Operation ^/4 Std. Essiglappen auf den Mund.
Verlauf: 6.3. Abends 37,4. Puls 92.
7. 3. 36,8. Puls 88. Nachts zweimal etwas Erbrechen. Galle
55 gr. 37,6.
— 379 —
8. 3. 36,9. Puls 92. Blähungen gehen. Gutes Befinden. Gallen-
fluss stockt. Fieberfreier Verlauf.
11. 3. Abführen.
18. 3. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons und eines Teils
<ler Nähte.
1. 4, Steht auf. Täglich Verbandwechsel. Gallenfluss jetzt ziem-
lich stark.
18. 4. Noch immer täglich Verbandwechsel, der Gallenfluss be-
ginnt abzunehmen. Dabei völliges Wohlbefinden, guter Appetit.
21. 4. Morgens : Fat. hat schlecht geschlafen, klagt über all-
gemeines Mattigkeitsgefühl, kein Appetit, sieht schlecht aus. Nach-
mittags, wird sie unruhiger, klagt viel, keine Schmerzen, nur all-
gemeines Krankheitsgefühl. Abends 40,6. Puls 112.
22. 4. 39,9. Puls 108. Kopfschmerzen. Mattigkeit. Appetit-
losigkeit. Verband zum erstenmale trocken. Nachmittags deutlicher
Ikterus, Urin enthält Spuren von Gallenfarbstoff, Unruhe. Stuhl weiss.
38,0. Puls 114.
23. 4. 37,9. Puls 92. Befinden besser. Kein Gallenfluss. Stuhl
weiss. Kein Stein.
24. 4. 37,0. Puls 92. Befinden gut. Verband enthält wieder
Galle. Wechsel. Es wird ein kleiner scharfkantiger Stein herausgespült.
25. 4. Verband durch. Stöpselversuch. — Keine Schmerzen.
26. 4. Im Verband etwas Galle. Stuhlgang leicht bräunlich.
Noch einmal Stöpsel. — Keine Schmerzen.
27. 4. Verband trocken.
28. 4. Verband innen feucht. Stuhlgang noch ungefärbt.
29. 4. Verband aussen noch immer trocken. Wechsel. Heraus-
nahme des Stöpsels. Stuhl braun.
30. 4. Verband etwas durch.
1.-2. 5. Wechsel.
3. 5. Verband trocken.
4.-8. 5. Verband durch. Wechsel. Stuhl grau.
9. 5. Da die Galle wieder sehr stark läuft, wird wieder ein
Holzstöpsel eingetührt, um festzustellen, ob im Choledoclius ein Hin-
dernis vorliegt oder nicht.
10. 5. Verband trocken. Stuhlgang braun!
11. 5. Verband trocken.
Am 11. 5. und 12. 5. wird die Gallenblase ausgespült. Da wieder
viel Galle läuft, wird die Operation beschlossen. Zunächst konnte
man daran denken, einfach die Gallenblase abzulösen, zu vernähen und
zu versenken, da ja nach dem Stöpselexperiment ein Stein nicht an-
zunehmen war. Ich beschloss aber, um recht gründlich zu sein, die
Revision des Choledochus.
Operation: 13. 5.01. Schnitt in der Mittellinie zwischen proc.
xiphoideus und Nabel. Dann nach rechts durch den musc. rect. abd.
bis zur alten Narbe. Ich fühlte sofort im Choledochus einen kleinen
Stein, auf den ich einschnitt. Bei weiterem Sondieren fand ich 5 Steine
— 380 —
im Hepaticns und 5 im Choledochns ; erst nachdem der Clioledoclms in
einer Ansdelinnug von 3— 4 cm. aufgesclinitten war, gelang die Extraction
sänitliclier Steine ans dem Hepaticns. 2 Steine steckten liinter dem
Dnodennm nnd konnten erst nacli Clioledoclio-Dnodenostomia interna
entfernt werden. Quere Vernähung der duodenalen Incision. Im
Cysticus auch ein unverschieblicher Stein. Cysticotomie. Ectomie
nach Ablösung der Gallenblase von der Bauehwand. Tamponade.
Dauer der Operation P/4 Stunde. Fat. ziemlich collabiert. Essig-
lappen auf den Mund.
Verlauf: 13. 5. Temp. 37,0.
14. 5. 37,0. Puls 104. Gegen morgen mehrmals Erbrechen, zum
Abend häufiger. Puls schneller. 3 mal Kochsalz. Galle 100 gr.
16. 5. 38,0. Puls 136. Nachts mehrfach Erbrechen, heute morgen
bluthaltig. Kochsalz, Magenausspülung. Trinkt Milch mit Kognak.
Das Erbrochene ist bluthaltig, 3 mal Magenspülung, 3 mal Kochsalz,
Kampher; Blähungen gehen noch nicht, doch ist der Leib weich, die
Zunge feucht.
16. 5. 38,1. Puls 124. Aussehen besser, nachts noch mehrmals
Würgen, das Erbrechen hat aufgehört. Magenspülung, Kochsalz. Im
Mageninhalt nur noch Spuren von Blut. Leib weich, kein Erbrechen
mehr, abends fliesst beim Magenspülen das Wasser klar ab. Kochsalz.
17. 5. 37,4. Puls 100. Gutes Befinden. 38,1. Galle 300 gr.
18. 5. 37,5. Puls 82. Normaler Verlauf. Stuhlgang.
22. 5. Verbandwechsel. Herausnahme der Tampons. Die Darm-
naht ist am unteren Ende eitrig belegt, aus einer kleinen Öffnung
fliesst Darminhalt. Ausspülung. Tamponade. Beschränkung der Flüs-
sigkeitszufuhr.
23. 5. Verband stark von Galle durchtränkt. Wechsel.
24. 5. Verband wieder durch. Wechsel. Herausnahme der Nähte.
26. 5. Wechsel der oberen Verbandschichten.
27. 5. Verbandwechsel täglich. Ausspülung des Hepaticus und
Choledochus, die sehr schwer zugänglich sind.
Täglich Verbandwechsel.
6. 6. Gestern Abend etwas Erbrechen und Rückenschmerzen,
Urin frei.
10. 6. Täglich Verbandwechsel. Stuhlgang farblos.
13. 6. ist der Verband zum erstenmale trocken.
14. und 15. 6. Verbände wieder durch. Stühle haben braune
Farbe.
16. und 18. 6. Wieder viel Galle in den Verbänden, Stuhlgang
noch gefärbt, aber holler als normal.
19. 6. Gallenfluss erheblich weniger.
22. 6. Im Verbände seit 2 Tagen wieder viel Galle. Stuhlgang^
farblos.
24. 6. Desgleichen. Einlegen eines Gazestreifens in die Fistel.
25. 6. Verband trocken. Stuhlgang braun.
30. 6. Entlassen. Allgemeinbefinden zufriedenstellend.
-- 381 —
Epicrise: Ein sehr wichlig-er Fall. Es war sicher
richtig, die Cystostomie vorzunehmen, da Empyem der Gallen-
blase vorlag- und eine Ectomie bei der Schwellung am Gallen-
blasenhals und lig. hepato-duodenale auf die grössten Schwierig-
keiten gestossen wäre. Die Fistel heilte nicht, und das
Stöpselexperiment wies darauf hin, dass keine Steine im
Choledochus vorlagen. Und doch steckten im tiefen Oang
10 Steine. Das Stöpselexperiment gibt also nur Aufschluss,
wenn noch die Infektion im Choledochus besteht und ein
Stein vollständig die Papille verlegt. Dass in diesem Falle
niemals Ikterus bestanden hat, obgleich 10 Steine im Chole-
dochus steckten, ist für mich nicht mehr auffallend. Ich habe
die Latenz der Steine im Choledochus so häufig beobachtet,
dass ich — wenn es mir irgend möglich ist — stets Chole-
dochus und Hepaticus aufschneide und abtaste. Die Choledocho-
Duodenostomia interna war in diesem Fall in sehr kurzer Zeit aus-
geführt.
Nach neueren Berichten hatte sich Fat. sehr gut erholt
und 9 Pfund an Gewicht zugenommen. Ende August ist die
Fistel einmal wieder aufgebrochen und Galle ausgeflossen, doch
glaube ich nicht, dass der Vorgang etwas auf sich hat resp.
ein Stein zurückgeblieben ist. Bei der relativen Enge des
Choledochus kann man auch an die Entstehung einer Striktur
denken, jedenfalls ist bemerkenswert, dass die ca. 4 cm. lange
Choledochusincision sich spontan geschlossen hat.
F) Laparotomien
bei gleichzeitiger, durcii ChoIelitFiiasis
bedingter intraperitpnealer Eiterung.*)
Nr. 178. Ch. H., 48j, Arbeiter aus Klein- Wanzleben
Aufgen.: 9. 2. 1900.
Operiert: 11. 2. 1900. Ectomie. Hepaticusdraiiiage.
Entlassen: 13. 4. 1900. Geheilt.
Anamnese: Pat. war sonst stets gesund, bis er Anfang Dezember
plötzlich mit wühlenden Schmerzen im Leibe und Erbrechen erkrankte;
Ikterus und Fieber fehlten, der Urin war dunkelbraun, der Stuhl
weiss. Der Anfall hielt, allmählich schwächer werdend, 14 Tage an. Ein
2. Anfall Anfang Januar, ein 3. Ende Januar. Auf Rat des Herrn
Dr. Har bo wski-Klein-Wanzleben kommt er zur Klinik.
Befund: Kräftiger Mann mit geringem Fettpolster. Kein Ikterus.
Leber vergrössert, Gallenblase als Tumor zu fühlen. Urin frei. Herz
und Lungen gesund. Temp. 38,5.
Diagnose: Cholecystitis sero-purulenta (akutes Empyem).
Operation: 11. 2. 00. Wellenschnitt. Die Leber ist erheblich ver-
grössert, die Gallenblase prall gespannt, es wird durch Einstich trübe,
mit Eiterflocken vermischte Galle entleert. Ectomie der Gallenblase,
welche stark verdickte Wandungen besitzt, und in der dicht am
Cysticus ein grösserer Stein liegt. Verwachsaiijren zwischen Gallen-
blase null Netz. Bei Lösung der letzteren wird ein Abscess eröffuet,
welcher stinkenden Eiter enthält. Tamponade der Abscesshöhle mit
steriler Gaze. Der Cysticus wird gespalten, und da trübe Galle aus
dem Hepaticus ausfiiesst, die Drainage des Hepaticus ausgeführt. Reich-
liche Tamponade. Verkleinerung der Bauchwunde durch Durchstich-
knopfnähte. Verband. Dauer der Operation l'/a Stunden.
Verlauf: 11. 2. Abends 37,5. Puls 120, sehr schwach, deshalb
abends und nachts Koclisalzinfusion.
12.2. 38.4. Puls 120, sehr klein, 2 Mal Kochsalzinfusion. Nach-
mittags häufiges Aufstossen und Erbrechen. Durch Magenspülung
wird etwa V» 1 dunkelgrüne übelriechende Flüssigkeit entleert. Gallo
fliesst reichlich. Abends 38,9. Puls 140, sehr schwach, deshalb in der
Nacht 3 mal Kochsalzinfusion und stündlich Karapher, Wärmflaschen,
heisser Tee mit Cognak.
*) Siehe auch Nr. 138 auf Seite .285.
- 383 —
13. 2. 38,1. Puls 110. Kochsalzinfusion. Aufstossen und Er-
brechen, deshalb Magenspülung, durch welche wenig von der oben
beschriebenen Flüssigkeit entleert wird. Im Leibe alles still, keine
Blähungen. 37,4.
14. 2. 37,3. Puls 104.
15. 2. 38,0. „ 104. Magenspülung. 38,4.
16. 2. 37,8 „ 96. Blähungen gehen spontan. 38,2.
17. 2. 37,9. „ 108. Stuhlgang nach Ricinus. 38,1.
18. 2. 38,2. „ 108. 38,4.
19. 2. 37,8. „ 108. 38,4.
20. 2. 37,8. „ 108. 38,0.
21. 2. 37,6. „ 104. Verband -Wechsel. Herausnahme des
Schlauches. Die Wunde s'eht gut aus. 38,3.
22. 2. 37,9. Puls 100. 88,3.
23. 2. 37,4. „ 100. Der Gallenfluss sistiert. 38,1.
Normaler Verlauf. Der Gallenfluss betrug durchschnittlich am
Tag 250 gr.
13. 4. Verlässt geheilt die Klinik.
Epicrise: Ich habe hier die Ectomie ausgeführt,
möchte aber für derartige Fälle die Cystostomie empfehlen.
Natürlich muss der intraperitoneale Abscess gehörig drainiert
werden. Man wird also, wenn man cystostomiert, neben der
angelegten Gallenblasenfistel die Gaze aus der Bauchhöhle nach
aussen herausleiten.
Bei der Nachbehandlung haben uns in diesem Falle Koch-
salzinfusionen und Magenausspülungen recht gute Dienste
geleistet.
Nr. 174. A. M., 56j. Pastorsfraii aus Quedlinburg.
Aufgen.: 29. 5. 1897.
Operiert: 31. 5. 1897. Cystostomie.
Entlassen: 22. 7. 1897. Geheilt.
Anamnese: Pat., Mutter von 5 gesunden Kindern, wird von
Herrn Sanitätsrat Dr. Ihlefeld der Klinik überwiesen. Sie will bis
vor 8 Jahren stets gesund gewesen sein. Um diese Zeit erkrankte sie
mit Magenschmerzen, Erbrechen, Stuhl Verstopfung. Die Gallenblasen-
gegend war stark druckempfindlich. Typische Kolikanfälle, aber
alle ohne Ikterus, hat sie 12 durchmachen müssen; dieselben waren
von vorschieden langer Dauer, V« Stunde bis 2 Tage. Seit Weih-
nachten 96 bemerkte sie eine Geschwulst im rechten Hypochondrium,
die sehr schmerzhaft war. Da trotz Anwendung der verschiedensten
Mittel die Schmerzen nicht weichen wollten, entschloss sich Pat.
zur Operation. Irgend welche Abnormitäten in der Beschaffenheit des
Stuhles und des Urins sind der Pat. nicht aufgefallen, in den letzten
10 Tagen bestand hohes Fieber.
— 384 —
Befund: Grosse, kräftig gebaute Frau von leidlich gutem Er-
nährungszustand. Kein Ikterus. Herz- und Lungenbefund normal. In
der Gallenblasengegend ist ein eiförmiger Tumor von glatter Oberfläche
und prall elastischer Konsistenz zu tasten: der Tumor verschiebt sich
mit der Atmung und geht in die Leberdämpfung über; seine untere
Grenze steht 2 Finger breit unterhalb des Nabels. Keine Milzvergrös-
perung. Stuhlgang braun, Urin hellgelb gefärbt, enthält keine abnormen
Bestandteile. Temperatur abends 39,1, Puls 94, kräftig, regelmässig.
Diagnose: Akute Cholecystitis, wahrscheinlich schon purulenta,
Cyslicusstein.
Operation am 31. 5. 97, Chloroformnarkose. Längsschnitt im
rechten Muse. rect. abdominis vom Rippenbogen an bis zum Nabel.
Die Bauchhöhle wird erötfnet, es präsentiert sich die grosse Gallen-
blase, deren Oberfläche von peritonitischen, fibrinösen Auflagerungen
bedeckt ist; ebenso ist das Peritoneum parietale in der Umgebung der
Gallenblase stark injiziert, verdickt, belegt. In <1er Tiefe trübe, eitrfge
Flüssigkeit. Von der Gallonblase ziehen breite Verwachsungen zum
Quercolon und Netz. Nachdem dieselben gelöst sind, wird die Gallen-
blase punktiert und dabei 100 ccm. Eiter entleert. Die Punktionsöffnung
wird durchschnitt erweitert, die Gallenblase mit Gazestreifen ausgetrock-
net, mit Fäden angeschlungen und nunmehr aur Abtastung der grossen
Gallengänge geschritten. Im Duct. cysticus fühlt man zwei haselnuss-
grosse Öteine; es gelingt, dieselben in die GaHenblase zu schieben und
von dort aus zu entfernen; sofort fliesst Galle. Der Hepaticus und Chole-
dochus ist frei von Steinen. Wegen der Peritonitis und der Eiterung in
der Gallenblase wird letztere nur zum Teil an das Peritoneum parie-
tale angenälit. In der Tiefe nach der Unterfläche der Gallenblase zu
wird ein Tampon eingelegt. Darauf teilweisor Verschluss der Bauch-
wunde, Verband. Dauer der Operation 1 Stunde.
Verlauf: Völlig normal; am 3. Tage floss Galle in reichlichen
Mengen Täglicher Verbandwechsel. Pat. wird auf Wunsch aus der
Klinik am 22. 7. entlassen. Die Gallenfistel schloss sich sehr spät,
erst am 1. 9. Zurzeit ist Frau M. völlig beschwerdefrei und erfreut
sich guter Gesundheit.
Epicrise: In solchen Fällen von Cholelitliiasis , die mit
peritonealer Eiterung einhergehen, ist die Hauptsache die Be-
schränkung der Peritonitis. Die Steinentfernung, so sehr sie
anzustreben ist, kommt erst in zweiter Linie in Betracht.
Nr. 175. C. 8., 42j. Portier aus Quedlinburg.
Aufgen.: 28. 8. 1900.
Operiert: 29. 8. 1900. Cystostomie. (Schlauch verfahren.)
Entlassen: 30. 9. 1900. Geheilt.
Anamnese: Familienanamnese und Vorleben ohne Belang. Pat.
war immer gesund, sein Stuhlgang stets etwas träge.
— 385 —
1895 hatte er, ohne dass Schmerzen vorangegangen waren, an-
geblich nach Aerger Gelbsucht, die 14 Tage bis 3 Wochen anhielt.
Danach traten Kolilcen auf, heftige Schmerzen unter dem rechten
Rippenbogen, die nacii dem Rücken ausstrahlten. Dabei war ihm sehr
heiss, meist hatte er Erbrechen gegen Ende des Anfalles. Er hatte
dauernd leicht gelbliche Hautfarbe, die Gelbfärbung verstärkte sich
jedesmal nach dem Anfall. Etwa ein Jahr lang kamen die Anfälle
alle Wochen einmal, nach Diätfehlern auch häutiger. Er machte Karls-
bader und Olivenölkuren und hielt strenge Diät. Dann wurden die
Anfälle seltener, kamen in Pausen von 3—9 Wochen.
Im Januar 1899 kam Pat. nach einem Anfall hierher zur Unter-
suchung, der Befund war jedoch negativ, und er verliess die Klinik
wieder. Bis zum Herbst war er schmerzfrei, im Oktober kam wieder
ein Anfall und seitdem noch ca. 15 Anfälle. Vor 5 Wochen hatte er wieder
einen schweren Anfall, der mit Schüttelfrost einsetzte, er blieb 14 Tage
im Bett und machte eine Karlsbader Kur durch. Aber schon 8 Tage
nach derselben kam angeblich infolge eines Diätfehlers wieder ein
Anfall. Seitdem haben die Schmerzen nicht wieder aufgehört, er hat
ausserdem das Gefühl einer Schwellung in der Liebergegend, leichter
Ikterus ist aufgetreten. Herr Dr. Str o korb -Quedlinburg rät zur
Operation. Das Körpergewicht ist in den 4—5 Jahren seiner Er-
krankung um ca. 40—50 Pfund herabgegangen.
Befund: Kräftiger Mann. Puls 80. Temp. 37,8. Gesichtsfarbe
und besonders Konjunktiven leicht ikterisch. Urin frei. Stuhl braun.
Die Lebergegend ist im rechten Hypochondrium bedeutend vor-
gewölbt, man fühlt die gespannte Gallenblase bis Nabelhöhe reichend.
Druck auf dieselbe ist derartig schmerzhaft, dass Pat. bei der leisesten
Berührung zusammenfährt.
Diagnose: Cholecystitis sero-purulenta mit starker Beteiligung
der Nachbarschaft.
Operation 29. 8. Wellenschnitt. Gallenblase sehr gross,
mit Netz flächenförmig verwachsen. Punktion. Serum, dann Eiter.
Bei der Lösung des Netzes von der sehr wandverdickten, stark
injizierten Gallenblase gelangt man in einen intraperitouealen ab-
gekapselten ca. V* Liter Eiter enthaltendeu Abszess. Bei weiterer Ab-
lösung der Gallenblase bis zum Cysticus stellt sich heraus, dass dieser
Gang perforiert ist und von da aus noch Eiter hervordringt. In der
Gallenblase 24 kleine und 2 walnussgrosse Steine. Taniponade der
• Abszesshöhle. In die Gaileublase Drain. Da die Gallenblasenirand
sehr morsch ist, wird auf eine Eiunähaug der Gallenblase in die Bauch-
wande verzichtet und das Schlanchyer fahren zur Anwendung gebracht.
Verkleinerung der ßauchdeckenwunde. Dauer der Operation 50 Min.
Verlauf: 30. 8. 38,1. Puls 92. Kein Erbrechen. Abends 37,9.
31. 8. 37,8- -Puls 88. Blähungen sind im Gange, Leib weich,
kein Erbrechen. Abends 38,0.
1. — 5 9. Alles in Ordnung. Pat. hat Stuhlgang, isst mit Appetit.
Kehr, Technik der Gallensteinoperationen. 25
- 386 —
Ü. 9. Verbandwechsel. Die Gaze wird entfernt. Mit der Sonde
fühlt man keinen Stein. Galle fliesst. Neue Tamponade. Abends 38,4.
10. 9. Verband mit Galle durchtränkt. Es wird neue Gaze auf-
gelegt. Abends 37,4. Weiterhin guter Verlauf.
30. 9. Geheilt entlassen.
Bpicrise: Pat. hatte kürzlich eine akute serös-eitrige
Cholecystitis durchgemacht. Der Cysticus war perforiert , der
Eiter hatte sich zwischen Grallenblase und Netz ausgebreitet,
so dass eine allgemeine Peritonitis ausblieb. Trotzdem der
Kranke so viel Eiter bei sich hatte, war kein Fieber vorhanden.
(37,8° C. in ano). Er hatte bis zuletzt seine Berufsptlichten er-
füllt. Die ausserordentliche Schmerzhaftigkeit der Gallenblasen-
gegend, der charakteristische Tumor ermöglichten die Diagnose :
akute serös-eitrige Entzündung. Bei der Operation derartiger
Fälle ist es ganz unmöglich, sich über die Beschaffenheit des
Cysticus und Choledochus ein vollkommen klares Bild zu ver-
schaffen. Wir müssen uns begnügen, den Eiter zu entfernen
und die Gallenblase zu säubern. Durch eine recht ausgiebige
Tamponade an der Gallenblase entlang bis zum Cysticus, durch
Ausstopfung des durch den Eiter geschaffenen Hohlraums mit
steriler Gaze beseitigen wir die Gefahr weiterer Infektion und
setzen uns zugleich in den Stand, etwa zurückgelassene Steine
später entfernen zu können.
Natürlich sind solche Fälle, bei denen der Chirurg ganz
znletzt erst um Hilfe angegangen wird, recht geeignet, zu sog.
Eecidiven zu führen; doch trifft hiebei die Schuld nicht den
Chirurgen, sondern den Patienten, der sich so spät zur Operation
entschloss.
Nr. 176. E. Gr., 31j. Arbeitersfrau ans Pabstorf.
Aufgen.: 2. 12. 97.
Operiert: 2. 12. 97. Ectomie.
Entlassen: 15, 1. 98. Geheilt.
Anamnese: Mutter lebt noch (gesund), von Geschwistern leben
noch 8, gesund. Frau G. hat als Kind Drüsenleiden gehabt (Vater
wahrscheinlich tbc), heiratete 25 Jahr alt, ist Mutter von 3 Kindern, das
älteste skrophulös. Seit Ende 1896 hat Pat. Schmerzen in der Magengrube,
die sich als zeitweiser Druck bemerkbar machten. Appetit nicht ge-
stört, Hartleibigkeit seit ein paar Jahren. November 1897 bemerkte
Pat. zunehmenden Schmerz in der rechten Seite (Gallenblasengegend),
es stellte sich ein schmerzhafter Knoten unter dem rechten Rippen-
— 387 —
rand ein, einen Tag — ca. 8 Tage nach Beginn — brachte Pat. im
Bette zu. Der Appetit war jetzt geschwunden, viel Durst. Pat. weiss
nicht, ob sie Fieber hatte. Der Arzt, Herr Dr. Klavehn, ordnete
nach der Untersuchung die [Jeberführung in die Klinik an und wohnte
der Operation bei. — Pat. kommt gegen Abend am 2. 12. 97 an.
Befund: Kleine magere Frau, alte Narben rechts am Halse.
Bauch etwas aufgetrieben, Tympanie, in der Gallenblasengegend deut-
liche Resistenz, Tumor palpabel bis fast in Nabelhöhe, Oedem der
Bauchdecken rechts oben. Blähungen sistieren, Temp. 40,8, Puls 130,
klein. Wegen des schlechten Allgemeinbeflndens wird auf Baden und
Abführen yerzichtet und sofort zur Operation geschritten.
Diagnose: Empyem der Gallenblase, Pericholecystitis , diffuse
eitrige Peritonitis.
Operation: 2. 12. 97. Abends '/«lO Uhr. Chloroformnai kose.
Längsschnitt im rechten M. rect. abdom. Es präsentiert sich die mit Netz
verklebte Gallenblase als ziemlich grosser Tumor. Wand eitrig be-
legt, desgleichen die sichtbaren Darnischlingen. In den tieferen Par-
tien der Bauchhöhle viel trübe Flüssigkeit. Exstirpation der eiter-
haltigen, keine Steine enthaltenden Gallenblase. Ausgedehnte Aus-
stopfung der Bauchhöhle. Teilweiser Verschluss der Bauchwunde.
Verlauf: In den ersten Tagen zweimal je 1*/» Liter Kochsalz-
lösung subcutan. Im Verlaufe nötigt eine vorübergehende Blasen-
lähmung zum Katheterismus mit Ausspülung der Blase.
Temp.
3. 12. 39,1
40.0
12.
38,5
38,9
4. „ 38,5
38,5
13.
38,5
38,5
5. „ 37,9
38,7
14.
37,8
38,0
6. „ 38,2
38,7
15.
37,3
38,4
7. „ 37,8
38,5
16.
37,5
37,9
8. „ 38,5
39,5
17.
37,2
37,5
9. „ 38,3
39,5
18.
37,3
37,4
10. „ 38,6
39,5
19.
37,3
37,3
11. „ 39,0
38.9
.20.
37,2
37,7
Weiterhin normale Temperaturen. Geheilt entlassen am 15. 1. 98.
E p i er i s e : Die dififus-eitrige Peritonitis kam langsam zur
Ausheilung. — Ueber die Behandlung dieser gefürchteten
Krankheit gehen die Ansichten weit auseinander. Ich will
nicht näher auf dieses Thema eingehen, möchte nur erwähnen,
dass ich neben Ausspülungen der Bauchhöhle mit Kochsalz-
lösungen die ausgedehnte Tamponade verwende und von sub-
cutanen Kochsalzinfusionen während der Nachbeiiandlung einen
häufigen Gebrauch mache. —
Der folgende Fall, bei dem eine intraperitoneale, durch
Pankreasnekrose bedingte Eiterung beseitigt wurde, nimmt in-
sofern eine Sonderstellung ein, als eine Operation zur Aus-
führung kam, wie sie bisher noch nicht gemacht wurde, nämlich
25*
— 388 --
die Einpflanzung: eines Pankreascysten-Fistelgangs in die
Gallenblase mit nachfolgender Cysto-Gastrostomie.
Nr. 177. C. M., 48j. Fleisch er meister aus Berlinchen.
Aufgen.: 21. 8. 1903.
Operiert: 23. 8. 1903. Cystostomie. Pankreas-
nekrosen-Operation.
Entlassen: 31. 10. 1903. Geheilt bis auf Fistel.
Wiederaufgen. : 9. 2. 1904.
Operiert: 12. 2. 1904. Anastomose zwischen Pankreas-
. Cyste und Gallenblase und Cysto-Gastrostomie.
Entlassen: 9. 3. 1904. Geheilt.
Anamnese: Pat. ist verheiratet, hat 2 Kinder. Er wurde vor
ca. 10 Jahren wegen einer Mastdarmfistel operiert. Schon seit vielen
Jahren leidet er an Magendruck. Seit 7 Jahren Gallensteinkoliken.
Dabei mehrere Stunden dauernde Kolikschmerzen, von der Magengrube
nach rechts hin bis ins Kreuz ausstrahlend, oft Erbrechen, kein Fieber.
Nach jeder Kolik leichte Gelbsucht. Stuhl hell; Steine wurden nicht
gefunden. Pat. lag oft wochenlang zu Bett. Kolikanfälle in den
ersten Jahren alle 4 Wochen, dann seltener (ein paar Mal im Jahre)
und „dumpfer". In den Zwischenzeiten Wohlbefinden, keine Gewichts-
abnahme. In den letzten Jahren viermal Kur in Karlsbad. Die letzten
1 — IV2 Jahre keine Kolik bis Juli 1903. Herr Dr. 0 c ke r- Berlinchen
schreibt über den weiteren Verlauf: „Juni 1903 Kur in Karlsbad. Am
19. Juli 1903 wiederum ein Kolikanfall (100 gr. Ol. oliv, innerlich,
Morphium subkutan.) Anfall sehr heftig, dauerte 1 Stunde. Am
29. Juli nachts wiederum ein Anfall, der bis 30. Juli nachm. dauerte.
An Morphium erhielt Pat. in viermaliger Dosis im ganzen 0,06 subkutan.
Es stellten sich nun die Zeichen einer schweren Leberinsuffizienz ein.
Der Stuhl, der anfangs angehalten und weder durch Einnahme von
Gel noch durch hohe Einlaufe zu erzielen war, ging in profuse Diar-
rhoeen über, Ikterus der Skleren und Haut, subnormale Temperaturen
bis 34,8^ kalte Extremitäten, Puls 160—180, unregelmässig, nicht fühl-
bar. Abdomen hochgradig aufgetrieben, Leber bis 2 Querfinger breit
oberhalb des Nabels deutlich fühlbar. Tannigen mit Opium, Opium-
suppositorien, Aether, Wein, Kognak, Kaffee, Eisblase aufs Herz wurden
angewandt. Der bedrohliche Zustand bestand vom 31. Juli bis 2. August.
Nach Einnahme von Bismut. subnitric. änderte sich das Bild. Der
Meteorismus schwand, die Stühle wurden weniger, Lebervergrösserung
ging zurück. Stinkende Stühle wurden kompakter. Der Puls wurde
kräftiger, regelmässiger, immer noch 120 — 130. Bei sehr vorsichtiger
Diät und kleinen Dosen Opium weitere Besserung. In letzter Zeit
Einnahme von Eunatrol 0,25 zweimal. Zurzeit besteht eine beträcht-
liche Lebervergrösserung, andauernde, äusserst heftige Schmerzen im
ganzen Abdomen, besonders aber in der Magengrube und nach rechts
— 389 —
davon in der Lebergegend, dabei alle paar Minuten richtige Kolik-
schmerzen, zeitweise grosse Unruhe (Puls 90—100). Schlaf Nachts ge-
ring, daher immer noch 0,01 Morphium per os oder auch Chloral mit
Morphium. Während der kritischen Zeit vom 29. 7. bis 2. 8. zeigte sich
Indikan im TJrin, Eiweiss in Spuren, am 29. Juli kein Zucker, am
1. August Ijö^/o, am 2. August 0,b^lo, am 5. August 0*/o. Fat. ist starker
Fleischesser. Potus et Infectio negativ."
Befund: Elend aussehender, kleiner, untersetzter Mann. (Körper-
gewicht vor der Krankheit 158 Pfund.) Spur von Ikterus ; Puls 120,
dabei Temperatur 36,8—37,4**. Im rechten Hypochondrium grosser,
sehr schmerzhafter Tumor; Leib sehr aufgetrieben. Der Tumor hat
die Form der Gallenblase, doch ragt er etwas weit nach links hinüber.
Urin frei. Herz und Lungen gesund.
Diagnose: Empyem der Gallenblase.
I. Operation: 23. 8. 1903. Sehr gute Chloroform-Sauerstoffnarkose.
Vorher 0,02 Morphium. Dauer der Operation VJ2 Stunde. 60 gr.
Chloroform. Operation in Gegenwart der Herren Dr. Offenbach aus
New- York, Dr. AI den und Dr. Henry aus Cleveland-Ohio. Wellen-
schnitt. Gallenblase gross, enthält serösen Eiter, trübe Galle und
viele Steine, ist mit Duodenum und Netz verwachsen. Hinter dem
Magen ein gewaltiger, prall elastischer Tumor. Fettnekrosen im kleinen
Netz.
Stampfe Durchtrennung des kleinen Netzes dicht über der
kleinen Kurvatur des Magens nach Absperrungstamponade. 7* Liter
stinkender Eiter in der bursa omentalis. Pankreas wird in 2 ne-
krotischen Stücken (das eine 12 cm. lang und 4 cm. dick) entfernt.
Hinterher sehr lebhafte Blutung. Rohr und 3 Tampons in die
Bursa omentalis. Schlauch in die Gallenblase. „Suspension" der
Gallenblase an dem Peritoneum parietale. Choledochus anscheinend
frei. Tamponade mit 3 Streifen, Excision eines kleinen Stückes Netz
(Fettnekrosen). Naht, Verband. Puls nach der Operation besser wie
bisher.
Verlauf: 23. 8. 1903. Temp. Ab. 38,1, Puls 116.
24. 8. 1903. Temp. Morg. 39,0, Puls 140, aber ziemlich kräftig.
Leichte Unruhe, grosse Mattigkeit. Einmal Erbrechen von etwas
altem Blut. Magenspülung, im Magen ziemlich yiel altes Blut; viel
Gase. Wechsel der oberen Verbandschichten, da Verband durch. Es
läuft etwas Galle und viel Sekret aus der Abscesshöhle. Leib weich,
druckempfindlich. Kampferinjektionen. Kochsalzeinläufe. Temp. Nachm.
39,6, Puls 160, weniger kräftig. Unruhe und viel Aufstossen. Magen-
spülung ergibt nur Flüssigkeit (Tee usw.), kein Blut. Kochsalzinfusion.
Kognakklystier.
25. 8. 1903. Temp. M. u. Ab. 38,8, Puls 120-130, wieder kräftiger.
Befinden erheblich besser. Keine Unruhe. Kein Erbrechen, wenig
Aufstossen. Blähungen gehen. Noch dreimal Kochsalzklystiere.
26. 8. 1903. Temp. M. 38,3, Ab. 38,6, Puls 110-120, kräftig. Be-
- 390 —
finden gut. Verband stark durch. Es läuft viel Galle und eitriges
Sokret, Verbandwechsel.
29. 8. 1903. Temperaturen zwischen 38,2—38,4. Verbandwechsel,
da Verband wieder stark durch. Es läuft täglich ziemlich viel eitriges
Sekret und Galle durch die Rohre.
1. 9. 1903. Erster eigentlicher Verbandwechsel. Entfernung der
Rohre, sämtlicher Tampons bis auf einen, der längs der kleinen Kur-
vatur des Magens hin nach oben liegt. Tampons riechen stark. Wund-
höhle sehr tief, beim Ausspülen werden zahlreiche grössere und kleinere
Fetzen nekrotischer Pankreas-Drüsensubstanz herausgespült. Loch in
der Gallenblase gut sichtbar. Ansspillung der letzteren, wobei melirere
grössere und kleinere Steine herausgespült werden. Drainage der Bursa
omentalis durch Rohr-Tamponade. Temp. Ab. 38,2, Puls 140, ziemlich
klein.
2. 9. 1903. Verband stark durch. Verbandwechsel. Letzter
Tampon entfernt. Ausspülung, wobei einzelne nekrotische Pankreas-
fetzen herausgespült werden. Temp. M. 38,2, Ab. 38,3. Puls 120 bis
130, kräftiger.
4. 9. 1903. Entfernung sämtlicher Nähte und Fäden samt Drähten.
6. 9. 1903. Verband täglich durch. Beim Ausspülen entleert
sich täglich reichlich trübes, stinkendes, eitriges Sekret und noch viele
grössere und kleinere Pankreasfetzen, die noch mehr oder weniger
deutlich die Struktur der Drüse aufweisen. Ausspülung der Gallen-
blase, keine Steine mehr in derselben nachweisbar. Temp. Ab. noch
38,0-38,2 0.
10. 9. 1903. Sekretion etwas geringer. Temp. fast normal. Heute
wieder grössere Stücke nekrotischer Pankreassubstanz entleert.
13. 9. 1903. Temperaturen wieder etwas höher 38,0-38,6«. Heute
wieder zwei ziemlich grosse nekrotische Pankreasfetzen herausgespült.
24. 9. 1903. Temperaturen vom 14. 9. bis heute fast normal
(Abends 37,8—38,0.) Verbandwechsel noch täglich. Wunde wird enger.
Es fliesst noch reichlich Sekret und Pankreassaft, ab und zu werden
noch kleine Fetzen nekrotischer Pankreassubstanz herausgespült.
25. 9. 1903. Rohr wird heute fortgelassen. Abends Temp. 39,0.
Schnierzen im Leib. Hinter der Tamponade erhebliche Retention.
2. 10. 1903. In den letzten Tagen Allgemeinbefinden etwas
schlechter. Abends Temperaturen bis 39,0. Mehrfach Aufstossen,
Stuhlgang in Ordnung. Schmerzhafte Resistenz in der lleocoecal-
gegend.
4. 10. 1903. Resistenz deutlicher. Fluktuation nicht nach-
weisbar.
8. 10. 1903. Pat. ist wieder fieberfrei, fühlt sich besser. Appetit
hebt sich. Galle fliesst ziemlich reichlich, auch die Sekretion aus der
Fistel ist noch beträchtlich.
10. 10. 1903. Resistenz in der rechten Bauchseite wieder so gut
wie geschwunden. Besserung hält an.
14. 10. 1903. Resistenz unterhalb der Fistel wieder deutlicher.
— 391 —
Appetit wieder etwas schlechter. Temperaturen Abends wieder höher
bis 38,5 «.
18. 10. 1903. Pat. wieder fieberfrei.
24. 10. 1903. Resistenz im Abdomen fast ganz verschwunden.
Temp. dauernd normal. Wundtrichter so eng, dass heute das Drain-
rohr fortgelassen werden muss. Pat. steht wieder auf.
27. 10. 1903. Sekretion geringer. Geringer Gallenfluss. Befinden
gut. Appetit gut. Leib weich. Resistenz geschwunden.
30. 10. 1903. Fistelgang ganz eng, so dass er den Spülkatheter
gerade noch passieren lässt, ca. 12 cm. tief. Sekretion noch ziemlich
reichlich, fast ganz klar. Geringer Gallenfluss. Temperatur dauernd
normal. Wird in die Behandlung seines Hausarztes entlassen.
Epicrise: Die Diagnose sUmmte nur teilweise. Zucker im
Urin kommt auch bei Cholelithiasis vor. Auffallend war das
Hinüberragen des Tumors nach links. Das hätte unter Berück-
sichtigung des schweren Krankheitsbildes auf die Diagnose
einer Pankreaseiterung führen können. Der Weg durch das
kleine Netz war hier der einfachste. Umfassende Tamponade
ist die Hauptsache.
Der weitere Verlauf war folgender: Als sich der Patient im
Dezember 1903 wieder in der Klinik vorstellte, floss aus der noch be-
stehenden, nur noch etwas enger gewordenen Fistel sehr reichlich an-
scheinend reines Pankreassekret mit einer Spur Galle. Nach Er-
weiterung der Fistel durch Laminaria wurde Pat. wieder nach Hause
entlassen. Am 22. Januar 1904 suchte Pat. wiederum unsere Klinik
auf. Aus der noch immer bestehenden Fistel floss aber jetzt zur
Hauptsache reichlich Galle, vielleicht mit etwas Pankreassaft gemischt.
Dem Pat. wurde deshalb geraten, sich nochmals in die Klinik auf-
nehmen zu lassen, um die Fistel operativ zu beseitigen.
Befund: 9. 2. 1904. Pat. sieht zurzeit sehr gut, fast blühend
aus, hat seit der Operation im August vorigen Jahres 40 Pfund zu-
genommen. Schmerzen hat Pat. nicht mehr; die früher noch häufig
auftretenden Rückenschmerzen haben sich seit ca. 14 Tagen nicht
mehr eingestellt. Seitdem ist auch der noch immer sehr reichliche Aus-
fluss aus der Fistel rein gallig geworden.
10. 2. 1904. Stöpselung der FistelöflFnung , aus der ziemlich reich-
lich anscheinend reine Galle läuft. Der Fistelgang ist noch etwa
10 cm. tief. Der Stuhl ist etwas hell. Im Urin kein Eiweiss, kein
Zucker.
11. 2. 1904. Trotz der Stöpselung der Fistel keine Schmerzen.
In dem Verband nur eine Spur Galle. Nach Entfernung des Stöpsels
fliesst erst nach Sondierung der Fistel, wobei die Sonde ofl"enbar in
die Gallenblase selbst gelangte, Galle. Wiederum Stöpselung der Fistel.
12. 2. 1904. Im Verband ziemlich reichlich Galle. Es wird ver-
mutet, dass ev. ein Gallenstein im Choledochus bezw. in der Papille,
392
a. Gallenflstel, b. Pankrea8C7Stenfi8tel.
(Beide mllndea durch die Bauchwand nach aussen.)
Fig. 24.
Nach Preipräparierung der beiden Fisteln ist die Pankroascystenflstel in die
Gallenblase eingenäht; die Gallenblase ist mit dem Magen in Verbindung gebracht.
— 393 —
vielleicht auch ein Pankreasstein in der Papille sich findet. Möglich
ist es auch, dass eine blosse Zerrung der Gallenblase infolge der seit-
lichen Annähung an die Bauchwand den Gallenfluss verursacht. Es
wird in Aussicht genommen, 1. entweder, falls ein Stein sich findet,
diesen zu entfernen, sonst eine Anastomose auszuführen; oder 2. Ab-
lösung und Vernähung der Gallenblase.
IL Oper atio n: 12. 2. 1904. Gute Sauerstotf-Chloroforrnnarkose
(120 Minuten 65 gr. Chloroform). Schnitt in der alten Narbe. Exzision
der Fistelöffnung. Ablösung der an die Bauchwand herangezerrten
Gallenblase, gelingt nur etwa in der oberen Hälfte derselben. Durch
Sondiervmg lässt sich ein Stein nicht nachweisen.
Es fliesst dauernd sehr reichlich klare Galle. Bei der versuchten
weiteren Ablösung der Gallenblase stösst man an der medialen Seite auf
einen zweiten Fistelgang, aus dem klares, helles Sekret (Pankreassaft)
ziemlich reichlich hervorfliesst. Nach Sondieriiiig des Ganges strömen ans
der jetzt weiten Fistelöifnung grosse Mengen des offenbar anter hohem
Druck stehenden Sekretes im Bogen herans. Eine weitere Ablösung
der Gallenblase gelingt nicht, auch lassen sich wegen der vielen Ver-
wachsungen weder Cysticus noch Choledochus durchfühlen. Ob ein
Stein dort vorhanden, muss daher dahingestellt bleiben. Die Fistel,
aus der das Pankreassekret dauernd sehr reichlich hervorströmt, ist
offenbar die alte Pankreasfistel, nach deren vermutlich in der letzten
Zeit erfolgten Verheilung sich eine Pankreasretentionscyste ent-
wickelt hat. Für das weitere operative Vorgehen kam natürlich die
Drainage der beiden Fisteln nicht in Betracht, wollte man nicht den
Zustand vor der Operation in noch verschlechtertem Masse wieder-
herstellen. Ebensowenig konnte eine Vernähung der Gallenblase
bezw. der Fistel in Betracht kommen, da bei dem erheblichen Druck
der Sekrete ein Nachgeben der Naht zu erwarten war. Vielmehr
konnte es sich einzig und allein um eine Anastomosen - Bildung
zwischen den Fistelöffnungen und dem Magendarmkanal handeln. Für
die Pankreasfistel, die dicht an der medialen Seite der Gallenblase
endete, war technisch nur die Einnähung der Fistel in die mediale
Seite der Oallenblase möglich, also eine Anastomose zwischen Fistel-
gang einer Pankreasretentionscyste und der Gallenblase. Diese ge-
lang denn auch bei dem ziemlich weiten Lumen der Fistelöffnung
gut. Nunmehr galt es, eine Anastomose zwischen Gallenblase und
Magendarmkanal herzustellen. Die Bauchhöhle war aber auch nach
unten hin durch sehr zahlreiche Verwachsungen, besonders des sehr ver-
dickten klumpigen Netzes mit dem Peritoneum parietale abgeschlossen.
Zu dem Duodenum zu gelangen war unmöglich. Auch die Absicht,
zu der Anastomosen -Bildung eine Jejunum - Schlinge zu verwenden,
musste aufgegeben werden, da es sehr schwierig gewesen wäre, eine
solche Schlinge herüberzuholen, und es leicht zu einer Abknickung
derselben hätte kommen können. Es blieb also nur die Anastomoseii-
bildung zwischen Magen und Gallenblase übrig. Daher nach Durch-
trennung des Ligamentum leres Cysto-Gastrostomie. Magen (Pylorus-
— 394 —
teil) und Gallenblase legen sich verhältnismässig gut aneinander.
Netzplastik auf die Anastomosennaht. Schluss der Bauchwunde, nach-
dem noch zur Beseitigung der bestehenden Bauchhernie seitlich des
Bauchschnittes die dünne Partie der Bauchdecken exzidiert war.
Verlauf: 12. 2. 1904. Temp. Abends 37,8. Puls 108. Einmal
Erbrechen von etwas Galle. Nachts noch einmal etwas Galle und
Flüssigkeit (Tee) ausgebrochen.
13. 2. 1904. Temp. morgens 38,6, abends 39,9, Puls 132, abends
150—160, aber ziemlich kräftig. Sehr wenig Aufstossen, kein Erbrechen.
Etwas Leibschmerzen, Leib weich, nicht druckempfindlich. Blähimgen
nach Spritze.
14. 2. 1904. Temp. morgens 39,3, abends 38,4. Puls 140, kräftig.
Befinden gut, nur etwas Unruhe. Blähungen spontan.
15. 2. 1904. Temp. morgens 37,3, abends 39,0. Puls 104-120.
Befinden weiter gut. Einmal gut gefärbter Stuhl.
16. 2. 1904. Temp. morgens 38,6, abends 38,0. Verband etwas
durch. Verbandwechsel. Aus. einem der Stichkanäle in der Mitte
der Wunde sickert etwas trübes Sekret. Nach Entfernung der be-
treffenden und der beiden benachbarten Nähte wird die Wunde an
dieser Stelle etwas geöffnet, wobei massig reichlich trübe Flüssigkeit
ausfliesst. Ausspülung mit dem Spülkatheter. Drainage mittels zweier
Drainrohre.
17. 2. 1904. Temp. normal. Befinden gut. Pat. fängt an zu
essen. Stuhl reichlich, spontan, gut gefärbt.
23. 2. 1904. Verband heute trocken. Nur noch etwas Sekret im
Verband.
28. 2. 1904, Verband täglich fast völlig trocken. Nur noch
etwas Sekret in demselben.
2. 3. 1904. Der kleine Wundtrichter beginnt sich zu schliessen,
aus den Stichkanälen keine Sekretion mehr. Pat. steht auf.
9. 3. 1904. Befinden dauernd gut. Appetit sehr gut. Täglich
gutgefärbter Stuhl, Wundtrichter geschlossen. Geheilt entlassen.
Pat. wird bei Gelegenheit des Chirurgenkongresses 1904 völlig
geheilt vorgestellt.
Epicrise: Pat. war durch die stark fliessende Fistel sehr
belästigt; er verlangte ihre Beseitigung, obwohl ich ihm die
Schwierigkeiten einer zweiten Operation klar und deutlich aus-
einandergesetzt hatte. Ich nahm an, dass ein Stein in der
Papille den Gallenfluss nach dem Duodenum hinderte und zu-
gleich den Ductus Wirsungianus komprimierte. Meine Absicht
war, den Stein in der Papille zu entfernen. Aber die Adhä-
sionen waren so stark, dass eine Freilegung unmöglich war.
Zur Anastomose stand mir nur der Pylorusteil des Magens
zur Verfügung. Das Duodenum war wegen der Verwachsungen
unzugänglich. Nach Isolierung des Fistelganges der Bauch-
— 395 ~
«peicheldrüse wurde dieser in die Gallenblase seitlich implan-
tiert und dann die Gallenblase mit dem Magen verbunden.
Solche Cysto-Gastrostomien habe ich bisher in 12 Fällen
gemacht, ohne dass die Galle die Magenverdauung irgendwie
gestört hätte.
Nachtrag.
Nr. 7 (mit Gallenfistel entlassen) ist unterdessen geheilt.
Ebenso sind geheilt entlassen : Nr. 27, 28, 49, 52, 63, 66, 85, 86,
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Prof. Fritsch, Bonn, schreibt (Centralblatt für Gynäkologie 1895, No. 39):
Als Gegengewicht gegen die quantitative Vermehrung des Lern-
stoffes hat man vielfach die Lehrmittel verbessert. Es sind kurze Kom-
pendien, instruktive Abbildungen eingeführt.
Diese Tendenz verfolgen auch die bei Lehmann erschienenen At-
lanten. Einer der besten ist jedenfalls der von S. Ich möchte den
Studenten mehr diesen A.tlas als eines der modernen Kompendien
empfehlen. Alle Zeichnungen sind einfach, übersichtlich und jedenfalls
so hergestellt, dass der Lernende auf den ersten Blick das sieht, was ar
sehen soll. Es wäre sehr zu wünschen, dass diese Atlanten von den
Lehrern überall warm empfohlen würden.
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sich bei allen Interessenten Eingang verschaffen wird. Es liegt bereits
in dritter Auflage vor. Die Abbildungen sind durchweg nach Fällen aus
der Würzburger Klinik des Autors in prächtigen Originalzeichnungen
durch Herrn Maler Fink wiedergegeben worden.
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band VIII.
Atlas und Grundriss
der
traumatischen Frakturen
und Luxationen
von
Professor Dr. H. Helferich in Kiel.
Mit 76 Tafeln und 195 Figuren im Text von Maler B. Keilitz.
Sechste verbesserte und vermehrte Auflage.
Preis schön und dauerhaft gebunden Mk. 12.—
Band XVI.
Rtlas und Qrundriss
der
chirurgischen Operationslehre
von
Dr. Otto Zuckerkandl
in Wien.
Dritte, vermehrte und verbesserte Anflage.
Mit 46 farbigen Tafeln nach Originalaquarellen von Maler Bruno Keilitz und
Maler Gr. Hamnierschmidt und 309 schwarzen Abbildungen im Texte
1
Preis gebunden Mk. 12.
Band XXV.
Atlas und Grundriss der Unterleibsbrüche
von Professor Dr. Georg Sultan^ Berlin.
Mit 36 farbigen Tafeln und 83 schwarzen Textabbildungen.
Preis elegant gebunden Mk. 10. —
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band XXIV.
Atlas und Orundriss
der
Unter Mitwirkung von
Professor Dr. A. Politzer in Wien
herausgegeben von
Privatdozent Dr. Gustav Brühl, Ohrenarzt in Berlin.
Mit 244 farbigen Abbildungen auf 39 Tafeln nach Originalaquarellen von
Maler G. Hammerschmidt und 99 Textabbildungen.
Preis elegant gebunden Mk. 12.—
Dieser Atlas enthält neben einem vorzüglichen Grundriss, der alles
Wissenswerte über Anatomie, Pathologie und Therapie in klarer, knapper,
aber doch erschöpfender Form zur Darstellung bringt, einen Atlas von
seltener Reichhaltigkeit. Den pathologischen Präparaten sind meist die
normal anatomischen gegenübergestellt, sodass das Verständnis ungemein
erleichtert wird. Die Ausführung der Tafeln wurde von den ersten Au-
toritäten als geradezu klassisch bezeichnet. Der Preis ist im Verhältnis
zu dem Gebotenen erstaunlich billig.
Band XXX.
Lehrbuch und Atlas
der
Zahnheilkunde
mit Einschluss der Mundkrankheiten
von Dr. med. et phil. Gustav Preiswerk, Lektor an der
Universität Basel.
Mit 44 farbigen Tafeln und 152 schwarzen Figuren nach Originalen von
den Malern J. Fink, M. Oser, J. Fiechter.
Preis schön und dauerhaft gebunden Mk. 14. —
Das ganze Gebiet der Zahnheilkunde ist hier erschöpfend zur Darstellung
gebracht. Unentbehrlich für die Bibliothek aller Zahnärzte und vieler
praktischer Aerzte, entspricht das Buch auch besonders den Bedürfnissen
der Studierenden, da es namentlich zur Vorbereitung für das Examen
vorzüglich geeignet ist. Der Preis ist in Anbetracht der prächtigen Farb-
tafeln ein aussergewöhnlich niedriger.
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band XXXII.
Atlas und Grundriss
der
Kiiiderlieilknnde
von Dr. R. Hecker und Dr. J. Triimpp,
Privatdozenten an der Universität München.
30 Bogen 8". Mit 48 farbigen Tafeln und 144 schwarzen Textabbildungen.
Preis schön und dauerhaft gebunden Mk. 16. — .
Die Kinderheilkunde eignet sich w^egen der Uebersehbarkeit der
Körperformtn und der grossen Zahl der auf der Oberfläche des Körpers
sich abspielenden Erkrankungen ganz besonders für die bildliche Dar-
stellung. Die beiden Autoren vereirn'gen in wissenschaftlicher wie in
künstlerischer Beziehung in hervorr; gendem Masse diejenigen Eigen-
schaften, die sie zu einer gedeihlichen Lösung ihrer Aufgabe befähigen.
Wer die Schwierigkeiten kennt, die bei der Herstellung solcher Tafeln
zu überwinden sind, wird die grosse Mehrzahl derselben als ganz vor-
züglich gelungen bezeichnen.
Dem Atlas ist ein Text beigegeben, dem die Abbildungen gleich-
sam ;.ls Illustration dienen. Er zeichnet sich durch eine klare, knappe
und doch angenehm zu lesende Diktion, sowie durch übersichtliche An-
ordnung und Behandlung des Stoffes aus. Auch Erfahrene werden zu-
mal die Kapitel über Allgemeinerkrankungen, über Infektions-, Verdau-
ungs- und Nervenkrankheiten mit Nutzen lesen. Es ist überflüssig,
Einzelheiten lobend hervorzuheben, das Werk empfiehlt sich selbst.
Man kann jedenfalls mit Genugtuung konstatieren, dass mit dem Er-
scheinen dieses Atlasses ein dem Studierenden wie dem praktischen
Arzte und dem Kliniker gleich willkommenes Werk geschaffen wurde,
das einen bedeutungsvollen Zuwachs der deutschen pädiatrischen Litera-
tur darstellt.
Escherich- Wien, Münchener med. Wochenachriß JVb. 48, vom 29. Nov. 1904.
Band XXIII.
Atlas und Grundriss
der
orthopädischen Chirurgie
von Privatdozent
und Privatdozent
Mit 16 farbigen Tafeln und 366 Textabbildungen.
Preis elegant gebunden Mk. 16.—
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band X[/X1L
Atlas und Grundriss
der
Pathologischen Anatomie.
Von Obermedizinalrat Professor Dr. 0. V. BoUin^er.
In 130 farbigen Tafeln nach Originalen von Maler A. Schmitson.
2. slark vermehrte Auflage.
Preis jedes Bandes elegant gebunden Hk. 12.—
Der
Einfluss von Boden und Haus
auf die Häufigkeit des Krebses
nach Detailuntersuchungen in Bayern
von Dr. med. Karl Kolb in München.
= 150 Seiten gr. 8". Mit 9 Kartenskizzen. Preis geheftet 4 Mark. ^=
In der zur Zeit die gesamte Aerztewelt so vorzugsweise beschäfti-
genden Frage nach der Aetiologie des Krebses, in welcher bekanntlich
in Deutschland nahezu alle pathologischen Anatomen gegen, die Kliniker
und praktischen Aerzte sich vielmehr für den parasitären Ursprung der
vrankheit aussprechen, hat der Verfasser schon vor 2 .Jahren Unter-
suchungen über das Vorkommen der bösartigen Neubildungen in Süd-
leutschland — örtliche nnd zeitliche Schwaiiliuiigren — in der Zeitschrift
:ur Hygiene veröSentlicht. Die damals gefundene ausserordentliche
Häufigkeit des Krebses im süddeutschen , auch österreichischen und
schweizerischen nördlichen Vorlande der Alpen, welche ihn zur Annahme
eines Zusammenhangs mit dem Boden führten, hat ihn veranlasst, durch
Detailuntersuchungen in 1 1 Bezirksämtern und Städten Bayerns, besonders
in der Umgebung Münchens, auch in Niederbayern, Schwaben, Mittel-
franken und der Pfalz, nach den näheren Grüifden der örtlichen Häufungen
zu forschen und diese Arbeit hat ihn zur Erkenntnis der auf die Häufig-
keit des Krebses in Boden und Haus einwirkenden Ursachen geführt.
Die Untersuchungen haben zugleich zu einer ungesuchten Erklärung
geführt, warum einzelne Autoren anscheinend ganz verschiedene Eigen-
schaften der Oertlichkeiten für die dort gefundenen Häufungen verant-
wortlich gemacht haben; sie würden auch ebenso ungesucht eine Er-
klärung geben für die wahrscheinliche derzeitige Zunahme des Krebses
in fast allen Ländern und können ferner für die verschiedene Organ-
lokalisation der Krankheit bei Mensch und Tier Aufschlüsse geben. Zum
Schlüsse sind die Folgerungen ausgeführt, welche teils zwingend, teils
mehr hypothetisch aus den übrigens für parasitären Ursprung des Krebses
sprechenden Ergebnissen für die Prophylaxe, allgemeine und individuelle
Hygiene gezogen werden.
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns nnedizin. Handatlanten.
Band XVII.
AtlaH der gerichtlicheu Mcilizin
nach Originalen von
Maler A. Schmitson
mit erläuterndem Text von
Hofrat Professor Dr. E. Ritter v. Hof mann
Direktor des gerichtl. medizin. Instituts in Wien.
Mit 56 farbigen Tafeln und 193 schwarzen Abbildungen.
Preis elegant gebunden IWIk. 15. —
Band XIX.
Atlas und C^rundriss der Ilafallheilkunde
sowie der
Nachkrankheiten der Unfallverletzungen.
Von Dr. Ed. Qolebiewki in Berlin.
Mit 40 farbigen Tafeln, nach Originalen von Maler J. Fink und
141 schwarzen Abbildungen.
Preis elegant gebunden Mk. 15.—.
Dieses, in seiner Art ganz einzig dastehende Werk ist für jeden Arzt
von tiefster Bedeutung und von ganz hervorragendem, praktischem Werte.
In unserer Zeit der Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften kommt
ein Spezialwerk über dieses Gebiet einem w^ahrhaft lebhaften Bedürfnisse ent-
gegen und, so wie an jeden praktischen Arzt immer wieder die Notwendigkeit
herantritt, in Unfallangelegenheiten als Arzt, als Zeuge, als Sachverständiger usw.
zu fungieren, so wird auch jeder Arzt stets gern in diesem umfassenden Buche
Rat und Anregung in allen einschlägigen Fällen suchen und finden. Von
grösstem Interesse ist das Werk ferner für Berufsgenossenschaften, Bezirksärzte,
Physici, Vertrauensärzte, Krankenkassen, Landes-Versicherungsämter. Schieds-
gerichte, Unfallversicherungsgesellschaften usw.
J. *P. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band XX/XXL
Atlas und Grundriss
der
pathologischen Histologie.
Spezieller Teil.
120 farbige Tafeln nach Originalen des Universitätszeichners C. Krapf
und reicher Text.
Von Professor Dr. Hermann Dürck in München.
2 Bände Preis geb. je Mk. 11.—.
Band XXII.
Atlas und Grundriss
der
Allgemeinen
pathologischen Histologie
von Professor Dr. Hermann Dürck in München.
Mit 77 vielfarbigen lithographischen und 31 zum Teil zweifarbigen
Buchdruck-Tafeln nach Originalen von Maler K. Dirr und Universitäts-
zeichner C. Krapf.
Preis gebunden Mk. 20.—.
Der Band schliesst sich den beiden vorhergegangenen über spezielle
pathologische Histologie an, oder vielmehr die letzteren dienen zu seiner
Ergänzung, aber seiner Anlage nach kann derselbe auch für sich allein
als abgeschlossenes Ganzes benutzt werden.
J. F. Lehmanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Handatlanten.
Band XXVI.
Atlas nnd Grundriss
der
Histologie
und mikroskopischen Anatomie
des Menschen
von Professor Dr. J. Sobotta in Würzburg
17 Bogen Text. 80 farbige Tafeln und 68 Textabbildungen
nach Originalen von Maler W. Freytag.
Schön und dauerhaft gebunden Mk. 20. —
Dieses neue Werk über normale Histologie zeichnet sich vor allem
dadurch aus, dass bei weitem die grosse Mehrzahl der Abbildungen, ins-
besondere i'ast alle, welche gefärbte Präparate wiedergeben, in den natür-
lichen Farben des Präparates reproduziert sind. Besonderes Gewicht wurde
auf die Wiedergabe von Präparaten bei schwachen Vergrösserungen
(Uebersichts- und Situsbildern) gelegt, da solche in den bisher vorzugs-
weise gebrauchten Lehrbüchern entweder ganz fehlten, oder wegen der
Reproduktionsweise grösstenteils ungenügend für die Orientierung waren.
Das Schwergewicht des Werkes liegt in den Abbildnngen. Trotzdem
ist der beigegebene Text so vollständig, dass er als ein kurz gefasster
Grundriss gelten kann, der alles bisher Pestgestellte, soweit es für die
Studierenden und Aerzte von Wichtigkeit ist, berücksichtigt und den
ganzen Stofl' ausserordentlich klar und übersichtlich zur Darstellung bringt.
Es hat jahrelanger, anstrengender, mühsamer Arbeit des Verfassers,
des Malers und der lithographischen Anstalt bedurft, diesen Atlas, der
in den ärztlichen Kreisen der ganzen Welt Aufsehen erregen wird, zu
Stande zu bringen. Die 80 farbigen Tafeln, die der Atlas enthält, sind so
vollendet schön und naturgetreu, dass man die Präparate im Original
vor sich zu haben glaubt. Da es bisher für unmöglich galt, Tafeln in
solch hervorragend schöner Ausführung auf der Schnellpresse zu drucken,
kann der Sobotta'sche Atlas auch in drucktechnischer Hinsicht als eine ,
einzigartige Musterleistung deutscher graphischer Kunst gelten. Durch
den Schnellpressendruck war es möglich, dieses Kunstwerk zu einem
relativ so ausserordentlich niedrigen Preis herzustellen.
J. F. ]jehrnanns Verlag in München.
Lehmanns medizinische Atlanten in 4°.
ATLAS
der
Ailmlii des ii:
Von
Dr. J. Sobotta,
ao. Professor und Prosektor der Anatomie und der anthropotomischen
Anstalt zu Würzburg.
I. Band (Lehmanns medizinische Atlanten Bd. II):
Knochen, Bänder, Oelenke u. Muskeln des menschlichen Körpers.
Mit 34 farbigen Tafeln, sowie 257 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen nach
Originalen von Maler K. Hajek u. Maler A. Schmitson Gebunden Mk. 20.—
II. Band (Lehmanns medizinische Atlanten Bd. III):
Die Eingeweide des Menschen einschliesslich des Herzens.
Mit 19 farbigen Tafeln, sowie 187 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen
nach Originalen von Maler K. Hajek. Gebunden Mk. 16. —
III. Band (Lehmanns medizinische Atlanten Bd. IV):
Das Nerven- u. Grefässsystem u. die Sinnesorgane des Menschen.
(Erscheint im Jahre 1905.)
Grundriss der deskriptiven Anatomie des Menschen.
Von Professor Dr. J. Sobotta.
(Ausführlicher Text zum vorstehenden Atlas mit Verweisungen auf diesen.)
I. Band geheftet Mk. 4.—, H. Band geheftet Mk. 3.—,
III. Band erscheint im Jahre 1905.
Jeder Band enthält ausser den Abbildungen ausführliche Erklärungen
derselben nebst Tabellen und kurzem Text. Ein ausführlicher Textband
wird jedem Bande des Atlas, also in 3 Abteilungen, beigegeben. Diese
Textbände stellen ein kurzes Lehrbuch der Anatomie dar.
Atlas und Grundriss
ü.
der topograpliisclienü. angewandten Anatom
von Dr. med. Oskar Schnitze, Professor der Anatomie in Würzburg.
(Lehmanns medizinische Atlanten Band I.)
Mit 70 farbigen Tafeln nach Originalen von Maler A. Schmitson und
Maler K. Hajek, sowie 23 Textabbildungen. Preis gebunden Mk. 16. —
„Dieses Werk ist nicht für den Anatomen geschrieben, sondern fUr den, der ein
Arzt werden und sein will." Mit diesen Worten führt der Autor sein Werk ein und
bekennt damit gleichzeitig, dass er nicht nur für Studierende geschrieben taben, sondern
auch den in der Praxis stehenden Arzt anatomisch unterstützen will. Besonders der
Chirurg wird in diesem Werke ein zuverlässiges, willkommenes Handbuch finden.
J F. Lehmanns Verlag in München,
Die typischen Operationen
und ihre
Uebung an der Leiche.
Kompondivim der chirurgischen Operationslotiro.
Von Generalarzt a. D. Dr. E. Rotter.
Sechste erweiterte Auflage. 400 Seiten. Mit 115 Abbildungen.
Elegant gebunden Mk. 8.—
Die sechste, vorzüglich ausgestattete Auflage enthält alle neueren
Eriungenschaften der operativen Technik. Dieselben sind durch aus-
gezeichnete Illustrationen erläutert und bieten reichen Stoff der Belehrung.
Die gesamte Fachpresse hat mit seltener Uebereinstimmung die Vorzüge
dieses Werkes anerkannt.
Grundzüge der Hygiene
unter Berücksichtigung der Gesetzgebung des Deutschen
Reiches und Oesterreichs.
Bearbeitet von Dr. W. Prausnitz,
Professor der Hygiene an der Universität Graz.
Für Stiidit'iende an Universitäten und technischen Hochschulen, Aerzte
Architekten, Ingenieure und Verw^altungsbeamte.
Siebente erweiterte und vermehrte Auflage. Mit 580 Seiten Text und
234 Original- Abbildungen.
Preis geheftet Mk. 8.—, geb. Mk. 9.—
Sehprobentafeln
zur
Bestimmung der Sehschärfe für die Ferne.
Für die Zwecke der Praxis und mit besonderer Berück-
sichtigung der Bedürfnisse der ärztlichen Gutachtertätigkeit
herausgegeben von Dr. F. v. Ammou,
Kgl. Stabsarzt u. Augenarzt in München.
Mit 6 Tafeln und einer erlänternden Textbeilage Mk. 3. —
Durch Verfügung des Königl. preussischen KriegsmiDisteriums vom 8. Februar 1902,
No. 88411 Ol M. A. den Militärärzten zur Anschaffung empfohlen.
Die Begutachtung
Erwerbsfäliieit bei Unfallviirletzuieii der Seliorpe.
Von Dr. med. Ammann, Augenarzt.
Preis 2 Mark.
Das Buch wird alJen Aerzten, diSpn die La^e kommen könuen. ein Gutachten
in dem oben genannten Sinne abzugeben ein nützlicher Wegweiser sein.
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