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DIE
NEUROLOGIE DES AUGES.
DIE
NEUROLOGIE DES AUGES.
EIN HANDBUCH
FÜR
NERVEN- UND AUGENÄRZTE
VON
Dr. H. ^LBRAND und DR. A. SAENGER
AUGENARZT NERVENARZT
IN HAMBURG.
ERSTER BAND.
(ERSTE UND ZWEITE ABTHEILÜNG.)
DIE BEZIEHUNGEN DES NERVENSYSTEMS ZU DEN LIDERN.
MIT isi TEXTABBILDUNGEN.
WIESBADEN.
VERLAG VON J. F. BERGMANN.
1900.
AI-
Vorwort.
Das verspätete Erscheinen der zweiten Abtheilung des I. Bandes ist
darin begründet, dass der a priori ins Auge gefasste Umfang sich bei der
Bearbeitung beträchtlich erweitert hatte. Diese Vermehrung betrifft nicht nur
den Inhalt einzelner Kapitel, sondern es wurde uns während der Arbeit klar,
dass einige neue einzufügen seien, wenn wir dem Plane der grösstmöglichsten
Vollständigkeit getreu bleiben wollten, wie z. B. die Ptosis bei der Gehirn-
erweichung und bei dem Gehimabscess. Dabei traten gerade in letzterem
Kapitel einige neue Gesichtspunkte hervor, die bei dem heutigen Stande der
Himchirurgie von Bedeutung sein dürften. Femer wurde die Ptosis bei der
Landry 'sehen Paralyse und die Mischform der Ptosis mit der Pseudoptosis,
auf welche bis jetzt zu wenig geachtet worden ist, in einem zuvor nicht
angekündigten Kapitel behandelt.
Was nun den beträchtlichen Umfang einzelner Abschnitte, wie die Ptosis
bei Syphilis und bei Traumen anlangt, so verdienten nach unserer Auffassung
gerade diese Aflfektionen wegen ihrer ungemein praktischen Bedeutung und
wegen des vorhandenen grossen litterarischen Materials eine umfassende Be-
handlung, zumal da wir auch in der Lage waren, durch eigene Beobachtungen
die aus dem Studium der Litteratur geschöpften Ansichten zu erhärten und
zu modifiziren. Besonders gilt dies für die hysterische Ptosis, deren Dar-
stellung wir vielfach durch eigene Fälle zu illustriren vermochten.
Dem etwaigen Vorwurf, der recidivirenden Oculomotoriuslähmung in
diesem Bande einen zu grossen Raum zuertheilt zu haben, begegnen
wir mit der Begründung, dass eine oberflächliche Behandlung dieser so
äusserst interessanten und dunklen Afifektion zu einer Ungleichmässigkeit
den anderen Kapiteln gegenüber geführt haben würde.
31fi9S
VIII Vorwort.
Bezüglich des Facialis wurde besonderes Gewicht auf die anatomischen
und die physiologischen Verhältnisse gelegt. Dass die Bearbeitung des Orbi-
culariskrampfes einen viel grösseren Umfang für sich beansprucht hatte, als
diejenige des Levatorspasmus, war in der Natur der Sache begründet. Das
umgekehrte Verhältniss ergibt sich bemerkenswerther Weise aus dem Umfang
des Kapitels über die Ptosis gegenüber der Lähmung des oberen Facialis.
Zum Schlüsse sei noch hervorgehoben, dass wir die Neurologie der
Bindehaut, Hornhaut etc. in diesen Theil nicht mitaufgenommen haben, weil
der I. Band in seiner jetzigen Gestaltung lediglich die Beziehungen des Nerven-
systems zu den Lidern schildern sollte, um dadurch ein in sich geschlossenes
Ganze darzustellen.
Hamburg, den 12. November 1899.
Die Verfasser.
Inhalt der L und IL Abtheilung des I. Bandes.
I. Abtheiliing.
Seite
Systematisches Inhaltsverzeichniss IX
Litteratur-Verzeichniss XXI
Yerzeichniss der AbbildaDgen LVll
Kapitel I.
La^e und Form der Augenlider 1—17
ümgrenzuDg and Furchen der Lider (§1) 1
Halobildung, Haut der Lider und Faltenentwickelung , ßlepharochalasis,
Degeuerationszeichen (§2) 5
Die Höhe des Oberlides (§3) 5
Die sensiblen Nerven der Lider (§4) 6
Zweck der Lider, der Cilien und der Augenbrauen (§5) 6
Ganities neurotica und Ausfallen der Wiropern durch nervöse Einflüsse ... 8
Die Stellung der Augenbraue bei Affekten 9
Hydropathien, periodische Oedeme und Hämorrhagien der Lider 10
Das akute cirkumskripte periodische Hautödem an den Lidern und Ekchymosen
an denselben. Herpes der Lider und spontane Gangrän (§7) ... 12
Misshandlung der Lider bei Geisteskranken (§12) 16
Kapitel 11.
Form und Weite der Lidspalte unter physiologischen und pathologischen
Bedingungen 17—26
Die weite Lidspalte der Kinder (§13) 17
Abhängigkeit der Weite der Lidspalte von folgenden Einflüssen:
a) der Tonus der Lidmuskulatur im Yerhältniss zur Schwere der Lider (§ 14) 18
b) die Spannung der an den Bulbus sich inserirenden Muskeln (§ 15) . . . 19
c) die relative Füllung der Orbita, derMusculus orbitalis Mülleri (§16) 20
d) Reizung und Lähmung des Sympathicus (§ 17), Muscul. palpebralis
super, et inferior 21
e) reflektorische Einwirkungen auf die Weite der Lidspalte (§ 18) . . . . 25
f) Einfluss der Grösse des Bulbus auf die Weite der Lidspalte (§ 19) . . . 25
g) angeborene Fehler der Lider (§20) 25
Die Lidspalte im Tode (§21) 26
X Inhaltsverzeichniss.
Kapitel III.
Seite
Die Lidreflexe und das anatomische Verhalten des Musculus orbicnlaris
palpebrarum 26-37
Lidreflexe vom Nervus opticus (§23) 27
Lidreflexe vom TrigemiDus (§ 24), das Stellwagsche Zeichen 29
Der Lidreflex bei Facialislfthmung (§25) 31
Anatomische Verbältnisse des Musculus orbicnlaris (§ 26) und die Mechanik des
Lidschlags 32
Andere von der Conjunctiva und Cornea ausgelöste Reflexe (§27) 36
Kapitel IV.
Die Mitbewegungen zwischen den Lidern und dem Bulbus 37—67
a) Mitbewegungeu zwischen dem Levator palpebrae und den Hebern und
Senkern des Bulbus unter noimalen Bedingungen (§ 28) 37
Pathologische Lockerung dieses Verhältnisses 41
Mitbewegungen des Oberlids bei kompleter Facialislähmung (§ 30) . . . 42
Das von Graefe'sche Zeichen (§31) 43
b) Mitbewegungen zwischen dem Musculus orbicnlaris und den Hebern des
Bulbus (§32) 53
Das Rosenbach*sche Phänomen (§33) 55
c) Zwangsweise Lidbewegungen bei seitlichen Bewegungen des Augapfels (§ 34) 56
d) Association von Lidbewegungen mit Veränderungen der Pupillenweite (§ 35) 59
e) Mitbewegungen des Oberlides bei Oefifnen des Mundes und bei Kaubeweg-
ungen (§36) 60
f) Mitbewegungen zwischen Lid und Nasenmuskulatur (§40) 64
g) Facialislähmung und Lidpbänomen bei aktiver und bei unwillkürlicher
Innervation verschiedener Gesichtsmuskeln 64
Kapitel V.
Der Krampf des Muscnlus levator palpebrae 67—71
Kapitel VI.
Die Lähmung des Musculus levator palpebrae superioris. Die Ptosis . . 71—541
Allgemeines über Ptosis (§43) 71
a) Die kongenitale Ptosis 78
a) Die einfache kongenitale Ptosis (§46) 78
ß) Die kongenital-hereditäre Ptosis (§47) 82
Anatomische Befunde bei der kongenitalen Ptosis (§48) 84
Diagnose der kongenitalen Ptosis (§49) 91
b) Die kortikale Ptosis (§50) 96
c) Die isolirte doppelseitige Ptosis (§51) 104
d) Die Ptosis bei denNnklearlähmnngen in Folge chronischer Krank-
heitszustände 109
Allgemeines über Nuklearlähmungen (§52) 109
Die Beziehungen der Kemlähmung des Musculus levator palpebrae su-
perioris zum Augenfadalis (M. orbicul. palpebr. und frontalis) (§ 53) 114
a) Die Ptosis bei der chronischen, progressiven, aber
isolirt bleibenden Opbthalmoplegia exterior (§ 54) . 117
Die Diagnose dieser Krankheit (§55) 120
Inhaltsverzeichniss. XI
Seite
Tabelle über die bis jetzt in der Litteratur bekannten Fälle dieser Krankheit 116
/?) Die Ptosis bei Tabes und Taboparalyse (§ 57) 134
1. Die isolirte Ptosis bei diesen Erankheitszaständen (§58) 185
Vorkommen der Ptosis mit Abducenslähmung bei der Tabes (§ 59) . 137
Die Ptosis als Initialsymptom (§60) 138
Die Differentialdiagnose zwischen cerebrospinaler Syphilis und Tabes in-
cipiens (§61) 138
2. Die isolirte komplete, einseitige Ocnlomotoriuslähmung bei Tabes (§ 63) 141
Differentielle Diagnose zwischen isolirter kompleter Oculomotorius-
lähmung bei Tabes und Lues (§64) 143
Das interroittirende Auftreten der Oculomotoriuslähmung bei Tabes (§ 65) 144
Anatomischer Befund bei der isolirten kompleten Oculomotoriuslähmung
bei Tabes (§66) 144
3. Die Ptosis bei der tabischen Ophthalmoplegia exterior (g 67) ... 145
Das vorübergehende Auftreten von Ptosis bei der tabischen Ophthalmo-
plegie 148
Differentialdiagnose bei Ophthalmoplegia exterior zwischen cerebrospinaler
Lues und Tabes (§68) 149
Differentialdiagnose bei Ophthalmoplegia exterior zwischen der isolirt
bleibenden chron. Ophth. exter. und dem Initialstadium der Tabes 152
Anatomischer Befund bei den Fällen von tabischer und taboparalytischer
Ophthalmoplegia exterior (§ 69) . . . 153
Die Ptosis sympathica bei Tabes (§70) 156
Tabelle der Fälle von Ophth. ext. bei Tabes ohne Sektionsbefund . 158
Tabelle der Fälle von Ophth. ext. bei Tabes mit Sektionsbefund . . 168
Tabelle der Fälle von Ophth. bei Tabes mit Paralyse und Psychosen
mit Sektionsbefnnd 179
Die Ptosis bei der progressiven Paralyse (§73) 188
Tabelle der Fälle von Ophthalmoplegie bei progressiver Paralyse . . 191
/) Die Ptosis bei der multiplen Sklerose (§74) 194
Differentialdiagnose zwischen andern Nervenkrankheiten (§ 75) . . . 196
Pathol.-anatomischer Befund bei Ptosis bei mult. Sklerose (§ 76) . . 199
6) Die Ptosis bei der Syringomyelie (§77) 200
Differentiell-diagnostische Bemerkungen (§78) 202
e) DiePtosisbei der chronischen nnd subchronischen Ophthalmo-
plegie, kombinirt mit Bulbärkern- und Verde rhorn-
erkrankungen (§79) 203
I. Gruppe: Kombination der Ophthalmoplegie mit Bulbär-
kern affekti onen.
a) Anfängliche Erkrankung der Augenmuskelkerne und späteres
Uebergreifen der Affektion auf die rückwärts gelegenen Bul-
bärkeme (§80) 206
b) Späteres Hinzutreten der Augenmuskellähmungen zu den vor-
handenen Bulbärsymptomen (§81) 208
II. Gruppe: Ophthalmoplegie kombinirt mit Bulbär- und
Vorderhornaffektionen 209
a) Anfanglich Ophthalmoplegie, dann Auftreten von Bulbär- und
Spinalerkrankungen (§82) 209
b) Anfänglich spinale, dann bulbäre Symptome und schliesslich
Ophthalmoplegie (§83) 211
III. Gruppe: Kombination von Ophthalmoplegie mitSpinal-
affektion, ohne dass es zur Entwickelung vonBulbär-
erscheinungen gekommen wäre 212
oi :.
Seite
>..■.- ui -s- ••i'T'iJr cann Vorder-
'. 212
. ..«..^«»u aOL i»xinij»f nnd den Ex-
. . - ^ -x • «ii -."lyditiiÄ \ m ople^ie « § 85,. 212
. >. %*; B— T > f'B Piosiö bei diesen
214
a cLTonischer Ophthalmoplegie,
c *. V. t- us»i V.vriedionierkrankimgen (§ 87) 215
^^ . ,aH.:^>: ri-aö*-rkTiEgen betreffs dieser Krank-
.....%-> 217
. :. i >^i#i Bnlbirparalyse (§ 89). ... 219
>..->*. '^ >*aw Illingen zu dieser Krankheit § 90) 221
. V .^ - K- Äv-^:ben <§ 91» 226
. >^ . .V .. ^e^iN: a::9>*:Ä<ii Balbftrparaljse ( Asthenische Ophthalmo-
_" ^ ., * 226
^ V -.Vv ..*c^ ir;*Ljlun der Lider und der Balbusmoskulatar bei
v> ^v:: SfkAcnirn Fällen von asthenischer Bulbärparalvse . 232
. > ."»t: ies Naklearlähmungen in Folge sabakuter
AvA.Tf: Krankheitszustände (§ 93) 236
. cvv-'i^r. 237-263
l^ie :^o<:$ bei derpostdiphtheritischen Augenmuskellahmang(§94) 236
Leber den Sitz und die Natnr des pathol. -anat. Prozesses
bei dieser Krankheit (§95) 237
Tabelle Ober die Fälle von postdiphtheritischen Augen-
muskellähmungen und Ptosis 240
> Die Ptosis bei Influenza (§96) 248
Tabelle Ober die Fälle von Ptosis und Augenmuskellähmungen
nach Influenza 250
'/) Die Ptosis nach Masern (§97) 254
6) Die Ptosis bei dem Erysipel (§98) 256
e) Die Ptosis bei der Meningitis cerebrospinalis epidemica (§ 99) 256
f) Die Ptosis bei Typhus (§100) 257
j^) Die Ptosis bei der Pneumonie (§ 101) 258
^) Die Ptosis bei dem Rheumatismus acutus (§ 102) 259
i) Die Gerlier'sche Krankheit. Le vertige ptosique. Kubisagari.
{§ 103) 261
2. Die Ptosis bei den Intoxikationen (§ 104) 263-292
a) Die Poliencephalitis haemorrhagica superior (Wernicke) (§ 105). .264-278
Tabelle über die in der Litteratur vorhandenen Fälle von Poli-
encephal. sup. haemorrh 271
ß) Die Ptosis bei der chronischen Bleivergiftung (§108) 278
/) Die Ptosis beim Botulismus (^ 109) 278
Tabelle über die Fälle von chronischer Blei Vergiftung mit Augen-
muskelstorungen 280
Tabelle über die Fälle von Augenmuskelstörungen bei Botulismus 284
6) Die Ptosis bei verschiedenen anderen Vergiftungen 291
3. Die Ptosis bei der akut entstandenen Ophthalmoplegie ohne
auffindbares ätiologisches Moment (§ 110) 292
4. Die Ptosis bei der akuten Poliencephalomyelitis ^§ 111) . . 297
n. Abtheilung.
Seite
5. Die Ptosis bei der Syphilis 307—368
a) Die Tarsiiis luetica 309
b) Die Periostitis des Augenhöhlenrandes mit gummösen Wucherungen iu
die Orbita hinein 310—314
c) Die gummöse Entzündung der Periorbita in der Fissura orbitalis
superior und im Gewebe des Sinus cavernosus 3i4_3i9
d) Die Ptosis bei den basalen syphilitischen Affektionen des Nervus ocolo-
motorius 319—328
a) Die selbständig auftretende Perineuritis- und Neuritis interstiti^lis
gummosa eines oder beider Oculomotorinsstämme während ihres
intrakraniellen Verlaufs 319—321
ß) Eompressionsneuritis und Druckatrophie durch Exostosen, oder gum-
möse Neubildungen an der Basis, welche entweder direkt den
Stamm des Nervus oculomotorius bedrängt, oder durch Fem-
wirkung die Leitung in demselben unterbrochen hatten . . . 321
y) Direkte Läsion des Oculomotoriusstammes an der Basis cranii in Folge
von Einschnürung durch anliegende sklerotische Arterien (Arteriae
cerebri postenores, Arteriae cerebellares superiores), sowie durch
Thrombose kleiner zuführender arterieller Gefässe z. Nervenstamm 321—326
6) Die Ptosis bei der basalen gummösen Meningitis 326—328
e) Die Alteration des Wurzelgebietes vom Nervus oculomotorius . . . 328—331
f) Die Alteration des Kerngebiets des Oculomotorius 331 — 335
g) Die Ptosis bei Alteration des supranucleären Gebietes des Oculo-
motorius 335—336
h) Alteration des kortikalen Gebiets des Oculomotorius 336 — 339
i) Fehlen der Funktionsstörung des Oculomotorius intra vitam bei aos-
gesprochenen anatomischen Veränderungen post mortem .... 339
Die topische Diagnostik desSitzes der funktionellen Störungen
des Oculomotorius bei der Syphilis 339—349
A. Die isolirt bleibende Ptosis 339—341
L Bei orbitaler Syphilis * . . . 339
IL Bei basalem Sitze der Affektion 339
IlL Bei syphilitischen Herden im Wurzelgebiet des Oculomotorius 340
TV. Bei syphilitischen Herden im Wurzel- und Eerngebiet . . . 340
V. Bei syphilitischen Affektionen des Kerngebiets des Oculo- 340
motorius 340
sei&t
IL Dl* Pt«>4i* h*L «T'*klriicani<jr«ia 440—456
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Ba— •* LafciliäaciHi. 'än^inafr Ejnwirknxic | 212) 442
oiffimks» Üawirkaii? % 2U» 446
Dift *j*txkw^ilsc^ «fer STpopcEjita | 214) ^
Ehe ijcaefav^iflfc» ^^tr •^jcmMhinueiiftak«! j| 215) 449
Die TuBorem 4er Tieriuto^ | 2l»5. 4öÖ
Die PonatamöP» § 2I'> -t-^l
Die KleiDhirutomarai | 2S»> 4^
Durch Fernwirkmur htt^änzut PteaU '$222= 432
Kortikale Ptofti» duTck Tub>r«ii f->iSi 453
12. Die Ptosis bei der maUiplen Xearitis 4.5f>-46u
13. Die Ptosis bei der Landrj'seheD Paralyse 46*)-4fö
14. Die Ptosis bei der PoIrniTositiA 46i
15. Die Ptosis als fanktionell nerv^öte Störaog 46^— öl*
a) Die Ptosis hvsteriea 4fiS
a) Die schlaffe hysterische Ptosis and die Simalation der schlaffen Ptosis 463 — 477
Die Simalation einer einseitig schlaffen LeTatorllhmang (§ 235) . . 471
Die Diagnose der schlaffen hysterischen Ptosis (§236) ..... 47*3
ß) Die Ptosis spastica (psendoparalyticai 477 — 4-33
b) Die Ptosis bei der recidirirenden Ocalomotorinslihmang -4-S3 — 51?=
Die Periode des Schmerzes 4>5 — 4fe
Die Periode der Lähman^ 4SS-49i
Das Verhalten des Lerator palpebrae saperioris bei den Anfällen
von recidivirender Oculomotoriaslihmang 491 - 4d3
Die Periode der Paase zwischen den Libmangsanfällen .... 4^1
a) rein periodische Lfihmangen 493
ß) die Gruppe der periodisch exacerbirenden Fälle .... 41M
Anderweitige pathologische Zustände, welche die Anfälle recidi-
virender Oculomotoriuslähmung nicht selten zn begleiten pflegen 491
Die Aetiologie und das Wesen der recidivirenden Ocalomotorius-
lähraung 491
Die Diagnose der recidivirenden Ocolomotorioslähmang (§250) . . 50^
Die Differentialdiagnose bei recidivir. Ocnlomotoriuslähmung (§ 251) 504—51^
Eigene Beobachtungen 515—51;
16. Die Ptosis beim Schlaf 51S— 53:
17. Die Ptosis bei Erkrankungen der Orbita und ihrer Neben höhlen;
Die Mischform der Ptosis mit Pseudoptosis 532—54
Kapitel VII.
Die Ptosis sympathica 541—55
Anatomisches und Physiologisches über den Sympathicus 543—54
Klinisches über den Sympathicus 546—55
Kapitel VIII.
Die Beziehntigen den Facialis zu den Ansrenlidern . . 559—66
A. Anatomisches.
a) Der kortikale Ursprung des Augenfacialis 559 — 56
Repräsentation des Facialis in der Hirnrinde durch sog. Foci (Monakow) .56
Le signe de Torbiculaire 562u.6ä
1
InkaltsTeixeickuss. WH
b) ]>er sopimnBcleiiv Terianf des AngeBfAcialts d'M— ^6T
c) Die Kemrefioii des FadjJis ^67 — &T1
Lftge des Kerns i§577i ... ^67
Die Verbindimgeii des Fsrisiiskerps <$ ^S< $<T
Die doppelseitige InoerrstioB des oberen Fsctslis $ 279) S6S
Der Ursprung des Angenfscialis sos dem Abdncenskem (§ 39i>^ . . . $(i9
Der Ursprung des Angenfscislis sns dem Ocnlomotorhiskem i§2Sli . &?(>
Der Urspning des Orbicalsiis oris sos dem Hvpoglossoskem ($ 3$?) . 570
d) Der periphere Verlsof des Angenfsdslis 571 — 573
e) Anstomie der Tom oberen Fsdslis Tersorgtea Mnskeln 57S— 576
1. des M. orbicnlsris ocob 57S
2. des IL eorragat4M- snperalü 5^
3. des IL frontslis 575
B. Physiologisches 576->5^
1. Zweck des IL orbicalsns 576 — 57B
2. Die Wirkongsweisen des If . orbicnlsxis 57S — 5^
a) Der wfllkfirliche Lidadiloss 57S
ß) Der reflektorische Lidschlnss 5S1
Die Bskn des Blinselreflexes and dss Reflexeentmm (§293i . . . 582
y) Die Mhbewegimgen der Bolbasmnakeln mit den Kontrsktionai des
Orbicnlsris 584
Mitbewegnng der Iris bei Kontrsktionen des Orbicnlsris i§ 2951 5S5
Mitbewegnng der Nssenmosknlstar (§ 296i 5S$
Abnorme Mitbewegnngen der OrbicalsriB onter psthoL VerhIltnisseB
(§297) 586
3. Die Wirknngsweise des M. comigstor supercilü 5;97
4. Die Wirkungsweise des M. frontslis 5S7
C. Die kongenitslen Defekte im Gebiete der Fscislismnskn-
Istnr resp. des Angenfscislis 5$S — 600
1. Die einfsch kongenitsle Form 5^
Einseitige BQdongsdefdcte der Oesichtsmnsknlator <§301) 5^9
Defekt ledigUdi der Moskolstor des Angenfscislis ........ 590
Doppelseitige kongenitsle Bildongsdefekte der Gesichtsmnsknlstnr {§ 303) 590
Die sngeborene Fseislis-Abdacenslihmang sog. Pieuroplegie Schspringers
(§304) 591
KompUkstion mit Defekten der Biilbasbeweglichkeit 592
Orbicnlsrisdefekt mit Ptosis (§ 305) 1^
2. Die kongenitsl hereditire Form (§ 306) 5^
Die Disgnoee der kongenitslen Bildongsdefekte im Fscislisgebiet ({ 307) 594
Differentisldisgnose von in frühester Kindheit erworbener FscisÜsllhranng 595
Verhslten der elektr. Erregbsrkeit bei koDgenitslen Bildaogsdefekten
im Fscislisgebiet (§ 308| 59;
Eigene Beobschtnngen 59^
Kapitel IX.
DieKrsmpfxDStlBde im OrMcvIaris palpebrarom, FronUlis nnd Comgator 600-^26
Allgemeines Aber den Oibicnlsriskrmmpf ^-i^
Der tonische, clonische nnd gemischte Krampf des Augenschliessmuskels 601
Veriislten des M. stspedins bdm Blephsrospasmus (§311) ^1^
Amsorose nseh Blephsrospssmns (§ 312) ^>j
Entropium spsstieom 60Sn.6l!4
Wilbrand-ttaeBger, g—retosie 4m Asgas. I. Bd. IL Abtheilang. jj
XVlU Inhaltsverzeicbniss.
S«ite
a) Organische Läsionen, welche Orbicalariskrämpfo ver-
ursachen 603—616
I. Direkte Reizung: 608—616
1. Des kortikalen Facialiscentrums 603—608
a) Durch Geschwülste 604
ß) bei Abscess der Gehimnnde 605
y) nach Kalkeinlagerung auf der vorderen Centralwindung .... 606
6) bei Erweichungs-Herden 606
e) bei hämorrhagischen Cysten 607
2. Orbicalariskrämpfe bei direkter Reizung der subkortikalen Facialisbahn 608
8. Orbicalariskrämpfe bei direkter Reizung der Facialiskernregion . . . 608
a) Durch Geschwülste 608
ß) Facialiskrämpfe bei Tabes 608
y) Nach Blutungen 609
Hyperaktion des Orbicularis nach schweren Facialislähmungen (§ 323) . 609
4. Orbiculariskrämpfe zufolge direkter Reizung des Facialisstammes und
seiner peripheren Aeste 610
a) Direkte Reizung des N. facialis durch Geschwülste 610
ß) Durch entartete Gefässe 611
y) Durch meningitische Prozesse 611
6) Bei Affektionen des Mittelohra '. . 611
e) Krampf bei direkter Affektion der Facialiszweige 612
IL Der Reflexkrampf des Orbicularis zufolge or-
galnischer Läsionen 612
1. Durch Einwirkung auf die Verbreitung des Trigeminus in der Haut,
dem Auge, den Schleimhäuten und Zähnen 612
Blepharospasmus bei skrophulösen Comeal- und Conjunctivalleiden (§ 330) 613
Fibrilläre Zuckungen der Lider bei Conjunctivalkatarrhon (§ 331) . . 614
Blepharosphasmns bei Schneeblindheit (§ 332) 614
Blepharospasmus bei Krankheiten der Nasenschleimhaut, der Nebenhöhle,
und der Zähne (§ 333) , 614
Blepharospasmus bei neuralgischen Zuständen des Trigeminus und bei Ver-
letzung desselben, sowie bei Herpes (§ 334) 615
2. Reflexkrampf des Orbicularis durch intrakranielle Affektionen des
Trigeminus 615
b) Orbiculariskrämpfe als reine «funktionelle* Störung . . . 616
1. Funktionelle Reizung des kortikalen Facialisgebiets 616
a) Bei Chorea 616
Habit Chorea. Habit spasm. Gewohnheitskrampf 616
ß) bei Migräne 619
y) bei Epilepsie 620
6) bei Hysterie 620
2. Reflektorischei Krampf des Orbicularis als funktionell-nervöse Er-
scheinung 622
a) aus dem Gebiete des Trigeminus 622
ß) funktioneller Reflexkrampf des Orbicularis palpebr. ausgehend von
Reizungen des N. opticus 628
y) durch Vermittlung des Sympathicus bei Reizung des Darms durch
Eingeweidewürmer 625
c) Tremor der Lider 625
Inhaltsyerzeichniss. XIX
Seite
Kapitel X.
Die LähmnngBsiistände der vom Aagenfacialia versorgten Masknlatnr 627—666
Allgemeines und Symptomatologie 627—633
A. Lähmung des oberen Facialisgebietes nach organischen Ver.
änderungen 633—660
a) bei kortikalen Herden 633
a) die Orbiculaiislähmung bei kortikaler Affektion durch Erweichung 633
ß) bei Tumoren 637
Le eigne de Torbiculaire 638
b) Orbicularislähmung bei Läsion des subkortikalen resp.
supranuclearen Faserverlaufs des Facialis .... 639
DasYerbalten ,der Ausdrucksbewegungen* bei supranuclearen A ffektionen 639
c) Die Lähmung der orbiculo-frontalen Partie zufolge von Affektionen der
Kemwurzelregion 640
bei der Tabes (§ 360) 641
bei der chron. progress. aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie (§361) 642
bei Ophthalmoplegien überhaupt (§ 362) 642
bei Ophthalmoplegie mit Vorderhornerkrankungen (§ 364) .... 643
bei der klassischen Bulbärparalyse (§ 363) 642
bei Paralysie bulbaire progressive infantile et familiale (§ 365) . . 643
bei Poliencephalitis haemoiThagica (Wernicke) (§ 366) 644
bei Poliencephalomyelitis (§ 367) 644
bei circumskripten Ponserkrankungen (§ 368) 645
bei der alternirenden Lähmungsform (Miliard u. Gubler) (§ 369) . 645
bei der asthenischen Bulbärparalyse (§ 370) 648
d) DieLähmung des Augenfacialis inFolge von Affektionen
des peripheren Theils des Nerven 649—655
Verschiedenes Befallensein einzelner Aesto (§ 372), eig. Beobachtungen 649
Fall sog. rheumat. Facialislähmung mit Autopsie (§ 373) .... 652
Charakter der Lähmung und Sitz der Erkrankung (§ 374) ... 652
Die rheumatische Facialislähmung (§ 376) 654
Die recidivirende Facialislähmung (§ 377) 654
Facialislähmung bei Traumen, Schädelfrakturen, Mittelohrerkrankung
und Garies des Felsenbeins (§ 378) 654
e) Die doppelseitige Gesichtsnervenlähmung 655—660
a) peripherer Natur (§ 379) 655
ß) nucleärer Natur (§ 380) 658
y) supranucleärer Natur (§381) 658
6) kortikaler Natur (§ 382) 659
B. Die «funktionelle** Lähmung des Augenfacialis 660—663
a) bei Hysterie (§ 383) 660
b) bei Epilepsie (§ 384) 663
c) bei Hemikranie (§ 385) 663
0. Die Lähmung des Orbicularis oculi in Folge von Erkrankung
des Muskelapparates 663 — 666
Lähmung des Orbicularis bei Dystrophia musculorum progressiva
(§ 386) 663
Alphabetisches Sachregister 667
II*
Litteraturangabe zum I. Bande.
I. Abtheiliing.
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Verzeichniss der Abbildungen des L Bandes.
Fig.
9
10
11
12
13
14
15
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18
19
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26
27
P»«.
I. Abtheilung.
1:
3:
4:
5:
Farchen und Begrenzung des Aages.
Fehlen der Deckfalte und des Sulcos orbito-palpebralis snperior.
Klaffende Lidspalte bei Morbos Basedowii.
Klaffende Lidspalte bei Moskelatrophie und Stellang der Augenbrauen
bei doppelseitiger Facialislähmung.
Schlaffe hysterische Ptosis mit Erythem des pto tischen Lides.
Herpes am Ober- und Unterlid.
Exophthalmus und klaffende Lidspalte bei Sinusthrombose und Orbital-
phlegmone.
Sagittalschnitt durch die Orbita. Anatomie der Muskelansätze an die
Lider und den Fomix conjunctivae.
Enge Lidspalte bei Sympathicuslähmung.
33 : 1 Die Lage der epitarsalen und peritarsalen Partie der Palpebralportion des
35 : j Muse, orbicularis.
38: Einseitige Ophthalmoplegie mit Exophthalmus, wahrscheinlich gummöse
EntzOndung der Periorbita.
38: Darstellung der isolirten Wirkungsweise des M. palpebralis super.
I Doppelseitige kongenitale Ptosis mit Erhaltung der Beweglichkeit des
15:
16:
20:
22:
24:
39:
I Bulbus nach oben.
I Versuchter Lidschluss bei doppelseitiger kompleter Facialislähmung.
' J Mitbewegung des Lides bei Senkung der Blickebene bei doppelseitiger
kompleter Faciab'släbmung.
43: von Graefe'sches Zeichen bei Morbus Basedowii.
47: > Retraktion des Oberlides durch Krampf des Levator palpebrae super.
48:
49:
54:
55:
57:
58:
Das Klaffen der Lidspalte bei Morbus Basedowii.
Darstellung des Coojunctivalwulstes im Fornix conjunctivae.
\ Flucht der Cornea nach oben in den verschiedenen Stadien versuchten
I Lidschlusses bei kompleter Facialislähmung.
Vollständiges Verschwinden der Cornea aus der Lidspalte bei versuchtem
Lidschluss bei kompleter Facialislähmung.
Lidphänomen bei intendirter Blickrichtung nach auswärts.
Retraktion des früher gelähmt gewesenen Oberlids bei luetischer Nuklear-
lähmung.
LVIII Verzeichniss der Abbildangen.
Fig. 28 pag. 65 : Lidphänomen bei alter Facialislähinung. Blepharospasmus beim Versnch
zu lachen.
I Krampf des Levator palpebrae superioris.
Doppelseitige Ptosis bei Tabes, üeberstreckung des Kopfes, um die
Pupille in den Schlitz der Lidspalte zu bringen.
Auffälliges Herabhängen des Oberlides ohne Levatorlfthmung bei Kon-
traktur beider Frontalmuskeln.
Einseitige totale Oculomotoriuslähmung. Verauch bei grösster Willens-
anstrengung, das gesunkene Oberlid zu heben.
Gelungene Hebung des gelähmten Oberlides bei derselben Persönlichkeit
wie in Fig. 38 bei Zudrücken des anderen Auges.
In Heilung begriffene Ptosis bei luetischer Naklearlähmong.
Ptosis congenita, Versuch die Blickebene zu heben. Ungleich starke
Ptosis auf beiden Augen.
1 Einseitige kongenitale Ptosis mit Beweglichkeitsdefekt des Bulbus nach
29
30
70:
31
74:
32
75:
33
77:
84
77:
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40
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223:
60
226:
61
226:
62
63
V
227:
j oben.
Kongenitale Ptosis mit Epicanthus.
Doppelseitige angeborene Ptosis.
Aplasie der Ganglienzellen im Oculoniotoriuskern bei kongenitaler Ptosis.
Anscheiuende Proptosis bei Schädelasymmetrie.
1 Doppelseitige kongenitale Ptosis mit Erhaltung der Beweglichkeit des
Bulbus nach oben.
Doppelseitige isolirte Ptosis (nach Sil ex).
Doppelseitige isoliiie Ptosis bei einer alten Frau.
Doppelseitige isolirte Ptosis bei einer alten Frau.
Schema der Kerne in dem durchsichtig gedachten verlängerten Mark
nach Edinger.
Doppelseitige isolirte Ptosis, als forme fruste der chronischen progressiven,
aber isolirt bleibenden Ophtbalmoplegia exterior.
Doppelseitige ungleiche Ptosis im Verein mit Abducenslähmung bei Tabes.
Einseitige komplete Oculomotoriuslähmung, zweifelhaft ob nach Lues
oder progressiver isolirt bleibender Ophtbalmoplegia exterior.
Isolirte komplete Oculomotoriuslähmung bei Tabes.
Linksseitige Ophtbalmoplegia interior; rechts totale Oculomotorius- und
Trochlearislähmung.
Doppelseitige komplete Ptosis bei Tabes.
Bedeutende Besserung der doppelseitigen Ptosis (Fig. 54) bei Tabes.
Doppelseitige Ophthalmoplegie, zweifelhaft, ob Tabes oder Lues.
Rechtsseitige leichte Ptosis bei beginnender Bulbärerkrankung.
Ophthalmoplegie mit Bulbäraffektion ohne Ptosis. Bulbärmine.
Mittlere Ptosis bei asthenischer Bulbärparalyse.
Leichte Ptosis bei asthenischer Bulbärparalyse. Versuch die Augen nach
links zu drehen.
Leichte Ptosis bei asthenischer Bulbärparalyse. Versuch die Augen nach
rechts aussen zu drehen (äussei-ste Anstrengung).
1 Oberlider und Bulbusbewegungen bei dem Falle von asthenischer Bulbär-
paralyse (Fig. 60 und 61) während der Besserung.
n. Abtheilung.
64 pag.
, 310:
65 ,
312:
66 ,
313:
67 ,
314:
68 ,
315:
69 .
316:
70 ,
324:
Fig. 64 pag. 310: Gummöse Periostitis am rechten oberen äusseren Orbitalrand.
lOjähr. Junge mit einem von der medialen Fläche der Orbita ausge-
gangenen Spindelzellensarkom. Schwellung und liyide yei*fäi*bang des
Oberlides durch Blutstauung.
Basale gummöse Neubildung, nach der Fissura orbitalis fortgewuchert.
Orbita frontal halbirt.
Verlauf der basalen Nervenstämme.
Frontalschnitt durch den Sinus cavernosus.
Querschnitt durch den Oculomotorius unmittelbar nach seinem Austritt
aus dem Pedunculus In der oberen Partie des Nervenquerschnitts zahl-
reiche degenerirte Nervenbündel
71 ^ 331: Frontalschnitt durch den Pens. In der linken Brttckenhälfte ein Er-
weichungsherd bei cerebraler Syphilis.
72 j, 352: In der Heilung begriffene Ophthalmoplegia exterior mit Ptosis bei cere-
braler Lues.
73 j, 353: Geheilte Ophthalmoplegia exterior mit Ptosis bei cerebraler Lues.
Krampf des Levator beim Versuche die Blick ebene zu neigen.
74 ^ 361 : Schema der Gefässversorgung des Hirnschenkels und des Oculomotorius-
Kem- und Wurzelgebiets
75 u. 76 pag. 382: Schrägschnitt durch die drei Schädelgruben.
77 pag. 384: Schema, welches die Reihenfolge der Lähmungen veranschaulicht, die
durch einen Abscess im Temporo-sphenoidallappen verursacht werden
Komplete Ptosis nach Meningitis cerebrospinalis.
Schema der intra- und extrakraniellen ;^enösen Anastomosen
Die Anastomosen des Sinus cavernosus mit extrakraniellen Venen.
Exophthalmus und Lidödem bei Sinusthrombose.
Schematisch er Sagittalschnitt durch die Orbita.
Frontalüchnitt des Sinus cavernosus.
Verlauf der basalen Nervenstämme.
Traumatische Oculomotorius- und Facialislähmung, Ptosis und Lagoph-
tbalmus
Sagittalschnitt durch den hinteren Abschnitt und das Innere des Ge-
hirns, der das „ Wasser po Ister ** veranschaulicht.
Enophthalmus traumaticus.
Wie Figur 65 pag 312.
Tumor orbitae et baseos cranii.
Basaler und orbitaler Tumor der rechten Seite mit Ptosis und Exoph-
thalmus.
Akromegalie. Tumor der Hypophysis.
464: Schlaffe hysterische Ptosis.
466: Schlaffe hysterische Ptosis, links komplet, rechts inkomplet.
78
*
397:
79
^
402:
80
ff
403:
81
V
406:
8-2
1»
407:
83
p
423:
84
9
424:
85
*
429:
86
»
433:
87
1«
438:
88
yt
441:
89
1t
442:
90
9
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91
»
448:
92
»1
464:
93
»
466:
Verzeiohniss der AbbildungeD. LXI
Fig. 189 pag. 624: Entropium spasticum bei Blepharospasmus hystericus.
r 140 , 624 : Leichte Kontraktion der oberen Facialismuskeln bei nervöser Asthenopie.
^ 141 ^ 629: (Rechtsseitige komplete Pacialislähmung bei einem jugendlichen Indi-
, 142 , 629:1 viduum.
„ 143 , 629: Klaffen der Lidspalte beim Blick geradeaus bei Facialislähmung durch
Retraktion des Oberlides und Senken des Unterlides.
, 144 j, 629: Retraktion des Oberlides durch üeberwiegen des Levatortonus bei
kompleter Facialislähmung. Blick nach unten.
. 145 „ 680: Fester Lidschluss bei kompleter einseitiger Facialislähmung. Dabei Yer-
ziehung der Stimhaut nach dem Augenwinkel der gesunden Seite.
, 146 , 646: Schema der Pousherde nach Leube.
^ 147 j, 653: L. komplete Facialislähmung seit 26 Jahren bestehend ohne Kontrakturen.
^ 148 „ 656: ^Doppelseitige komplete Facialislähmung bei versuchtem Lidschluss und
r 149 , 556:) bei Senkung der Blickebene.
^ 150 ^ 664: Klaffende Lidspalte bei Muskeldystropbie.
, 151 j, 665: Familiäre Form der Muskeldystrophie. Klaffen der Lidspalte in ver-
schiedener Intensität bei den einzelnen Geschwistern.
Kapitel I.
Lage und Form der Augenlider.
§ 1. Die Augenlider werden nach oben durch die Augenbraue (Figur la)
(Supercilium), nach unten durch den absteigenden (c) und aufsteigenden Ast (d)
des Sulcus palpebro-malaris oder die Wangenlidfurche begrenzt. Die Letztere ist
bei jungen Individuen oft nur angedeutet. Sie markirt die Grenze zwischen
dem fetthaltigen Unterhautbindegewebe der Wange und dem fettlosen der
eigentlichen Lider. Wie an allen Stellen, an welchen reichlichere Fettmengen
plötzlich endigen, so ist auch hier das Fett der umliegenden Gesichtstheile
durch fascienartige Bindegewebsblätter, welche
sich bis zum Knochen in die Tiefe erstrecken,
begrenzt, und dadurch die Augengegend von
ihrer Umgebung gewissermassen abgeschlossen.
Merkel (1).
Bei geöffneter Lidspalte zeigt sich
am Oberlid unterhalb der Augenbraue eine
tiefe Furche: der Sulcus orbito-palpebralis
superior (6), welcher durch Einziehung des
Tarsaltheils des oberen Augenlides beim
Oeffnen der Lidspalte zu Stande kommt.
Bei jüngeren Individuen gleicht sich derselbe
nach Schluss der Augen meistens aus, oder
bildet doch wenigstens nur eine seichte Rinne.
Die über diesem Sulcus gelegene Hautpartie, welche bei Individuen mit
schlaffer Haut klappenartig auf dem Lide liegt und dasselbe beschwert, heisst
die Deckfalte.
Bei mageren Individuen mit geringem Fettgehalt der Orbita, nicht er-
schlaflFter Lidhaut und tiefliegenden Augen ist kein Sulcus orbito-palpebralis
super, vorhanden. Hier finden wir die meist verdünnte Haut des Oberlides
zwischen Orbitaldach und Bulbusoberfläche tief in die Orbita hineingezogen,
Wilbarud-Saenger, Neurologie des Auges. 1
Fig. 1.
2 Lage und Form der Augenlider.
resp. durch den Druck der äusseren Luft in die Orbita hineingepresst. Zu-
folge dieser Zugwirkung wird die Lidhaut über der Rundung des Bulbus ge-
glättet, und der Sulcus orbito-palpebralis mit der Deckfalte völlig verstrichen
(analog wie in Figur 2). Zwischen dem Lidrande und der Augenbraue bildet
sich also bei solchen Individuen ein der Bulbusrundung folgender, mehr
oder weniger tiefer Graben. Bei dem Morbus Basedowii jedoch finden
wir trotz der allgemeinen, oft sehr hochgradigen Abmagerung meist die Deck-
falte weit überhängend, und die Haut über dem Sulcus palpebro-malaris
beutelartig vorgetrieben (vergl. Figur 3), weil durch den vermehrten Fett-
gehalt der Orbita, resp. durch die stärkere Füllung und Ausdehnung der
Orbitalgefässe der Orbitalinhalt eine Vermehrung erfahren hat. Dieser zwischen
Sulcus orbito-palpebralis und Sulcus palpebro-malaris gelegene Wulst giebt
neben der klaffenden Lidspalte und der sonstigen Abmagerung des Gesichts,
der Physiognomie der Kranken jenes eigenthümliche Gepräge.
Der Sulcus orbito-palpebralis inferior (f) kommt am unteren 'Augen-
lide beim Oeffnen der Lidspalte oft nicht zu Stande, weil bei dieser Bewegung das
untere Augenlid nicht nur nicht herabsinkt, sondern sogar mit seinem lateralen
Ende etwas heraufsteigt. Wohl aber bildet sich diese Furche beim Senken
des Blicks aus, weil hier durch die Wirkung des Musculus rectus inferior
das untere Lid gesenkt und sein Tarsaltheil eingezogen wird. Schwalbe (2).
§ 2. Die Epidermis der Lider zeigt bei alternden und namentlich bei un-
verheiratheten weiblichen Individuen häufig einen starken Pigmentgehalt,
welcher auf der medianen Seite zwischen der Wangenlidfurche und dem Sulcus
orbito - palpebralis gewöhnlich am stärksten ausgeprägt ist und die ganze
untere Hälfte der Augen als Halo umzieht. Bei Individuen mit dünner
Haut schimmern die oberhalb der Wangenlidfurche gelegenen Venengeflechte
bläulich durch und tragen dadurch ebenfalls zur Bildung eines Halo bei. Bei
Abnahme der Turgescenz des Körpers, bei Herzschwäche oder bei konsumirenden
Krankheiten sinkt die Haut mit dem Augapfel tiefer in die Orbita ein, hinter
dem vorspringenden Orbitalrand bildet sich ein Graben, und der auf dieser Ver-
tiefung lagernde Schatten im Verein mit den durchschimmernden Venen-
geflechten giebt solchen Individuen ein ganz besonders krankhaftes Aussehen.
Die Haut der Lider ist sehr dünn und darum zur P'altenbildung ganz
besonders geneigt; und da sie durch ein laxes Bindegewebe nur locker an-
geheftet ist, wird durch Faltung und Wiederausdehnung derselben die Leichtig-
keit des Oeflnens und Schliessens der Augen sehr begünstigt. Die stärkere
oder geringere Ausprägung dieser Falten und der vorhin erwähnten Furchen
nehmen hervorragenden Antheil an dem Ausdrucke des Auges, sowie der ganzen
Physiognomie. Wegen Abnahme der Elasticität der Haut tritt bei älteren
Personen eine ganz besonders reichliche Falten- und Runzelnbildung an den
Lidern hervor, deren Anordnung meist durch die emotionellen Muskelkontrak-
tionen bedingt wird. Die gleichmässigen Gesichtszüge jugendlicher Personen be-
ruhen dagegen auf dem reichlicheren Gehalte der Haut an elastischen Fasern, wo-
durch selbst die Lähmungserscheinungen der Gesichtsmuskeln hier viel weniger
markant hervartrtiten» als bei den iüteren InLlividueii mit erschlatfter Haut Fällt
bei Lähmungen der Muskeltunus weg, so verschwinden die Falten und
Runzeln der Haut entweder gauii oder äiulern doch ihre Lage, eine Erschei-
nung, welche diagnostisch von höchster Bedeutung ist
Bei massiger Intensität ist die auf dem Schwunde elastischer Fasern be-
ruhende Erschlaffung der Lidhaut f B 1 e p h a r o c h a 1 a s i s , Fuchs, 3) eine dem
Alter entsprechende, gewöhnliche Erscheinung, Ausnahmsweise tritt dieselbe
stärker und zuweilen auch
bei jugendlichen Indivi-
duen auf und ist dann
als ein krankhafter, atro-
phischer Zustand der Lid-
haut zu bezeichnen. Die
Haut wird dann der
senilen ähnlich, sie liegt
dem Knorpel scblafi" au.
da auch das subcutane
Zellgewebe atrophisch ist ,
sie zeigt jedoch keine
Pignientanomahe , auch
ist dabei nur das Oberlid
befallen. Die Lidbaut
hängt als scblafl'er Sack
herunter , und bedeckt
nun meist den oberen
Theil der Pupille. Alle
Falle, die Fuchs gesehen
hat, datiren aus der
frühesten Jugend. In
einem Falle war eine
Hiniliautentzündung vor-
ausgegangen, in einem
anderen hatten wieder-
holte üileinatose Schwell-
ungen der Lider diesen
Zustand zur Folge gehabt.
Fig. 2.
€. E. Doppelseitigie inkoiDplete aügeborme Ptosis. Mikn»-
ykopisi'lifrBt'fuinl : einstellige Aplasie in bfcstiDumienZellfögnippLTi
*i Pt Ouloniutori u Bke r us.
Aehnlicbe Veränderungen der Lidliaut zeigen sich bei greisenhafter Ver-
änderung der allgemeinen Körperdecke jugendiicher Individuen. Von einem
derartigen Falle hei einem 18jährigen Jüngling giebt Rossbach (4) folgende
treffende Beschreibung: ,.Die Augenöflnung ist schlitzförmig eng in Folge
des tiefen Herabgesunkenseins der stark verlüngerten oberen Augenlider.
Auch die Conjunctiva zeigt beim Auseiuanderziehen der Augenlider eine starke
Vergrosserung (nicht Verdickung) und dadurch starke Faltenbildung und Ab-
hebung vom Auge. Auch ist rings um die Lider die Haut in eine Masse
Lage und Form der Augenlider*
¥
grosser und kleiner Falten gelegt. Das Auge selbst ist jugendlich Irisch und
klar und macht, Avenn man es bei auseinander gezogenen Augenlidern be-
trachtet, in Folge «les Gegensatzes zu dem übrigen greisenhaften Aussehen einen
merkwürdigen Pjinlnirk* Beim Scbliessen des Auges bleibt in den oberen
Augenlidern noeh eine breite Hautfalte aufrecht stehen/'
Marie (5) hat bei Akromegali e die Augenlider bald verlängert, bald
verdickt und ihren Tarsus hypertrophisch gefunden.
Das Zusammenziehen der Augenbrauen durch Kontraktion des Muse*
eorrugator supercilii, das Hinauf-
ziehen derselben durch den Musa
frontalis, und das Zukneifen der
Lider durch energische Kon-
traktion aller Theile des Muscuh
orbicularis palpebrarum benutzen
wir zur Prüfung der Funktion des
s. g. A ugenfacialis, d. h. der-
jenigen Fasergattung jenes Nerven,
welcher die mit den Lidern uod
Augenbrauen in Verbindung
stehenden Gesichtsmuskeln in-
nervirt. Dass von manchen Au-
toren dieser Fasergruppe des
Facialis ein gesondertes Fr-
sprimgsgehiet zugesprochen wird,
werden wir später noch ein-
gehender zu betrachten haben.
Die vorerwähnten Suk-i mit
Ausnahme des Orbito-palpebrahs
superior sind häutig nur an-
deutungsw'eise vorhanden. Bei
Lähmung des Muse, levator pai-
pebrae super, ist letzterwähnter
Sulcus und die DecktViIte ver-
strichen, weil das Lid zufolge
seiner Schwere nach unten sinkt, andererseits aber durch Beihilfe des
kontrahirten Frontalis die Augenbraue gehoben wird {siehe Figur 2). Indern
nun die Haut des Oberlids der Lage Veränderung der Augenbraue nach oben-j
hin folgt, wird durch dit' Zugwirkung in entgegengesetzter Richtung die Haut
des Oberlids geglättet und das Letztere anscheinend verlängertj während die
Stirnhaut parallel zur Augenbraue sich in mehrere Falten legt. Dabei steht
das nasale Ende der Augenbraue höher als das temporale (siehe Figur 2 im Ver-
gleiche mit Figur 1 und 3. Figur 2 stellt eine doppelseitige kongenitale
Ptosis dar. Figur 3 eine Patientin mit Morbus Basedowii),
Fifes 3.
Stellwat^'sches ZpiL-heii.
Bei Lähmung des Nervus Facialis sinkt das Untc^rlid zufolge seiner
Schwere herab, und demzufolge tritt der Sulcns orbito iMilpebralis inferior,
zumal in seiner nasalen Partie, etwas stärker hervor,
§ 2a. Als D e g e n e r a t i 0 n s z e i c h e n V on Seiten der Lider si ud anzuführen :
Trichiasis, angeborene Ptosis, angeborene Verkürzung der Oberlider, Epican-
thus, angeborene Phimose der Lidspalte, Coloboni der Lider und Mangel oder
Verdoppelung der Thriinenpunkte.
Die Höhe des Oberlides.
§ 3. Für gewisse pathologische Zustände ist es wichtig, die Länge des Ober-
lides zu kennen. Als Lidböhe bezeichnet Fuchs (6) die grösste Höhe des
Oberlids vom freien Lidrande bis
zur Mitte, d. h. halben Breite der
Augenbraue. Zur Ausführung dieser
Messung muss die zu untersuchende
Person die Augen ganz leicht, wie
zum Schlafe, schliessen. Die verti-
kale Ausdehnung der Lidbaut,
d- h. die grösste Entfernung zwischen
dem freien Lidrande und der Mitte
der Augenbraue wird gefunden,
wenn durch Zug an den Augen-
wimpern die Lidbaut stark ange-
spannt wird. \'or allem ist die
Lidhöhe von dem vertikalen Durch-
messer der Orbita abhängig. Sie
ist beim erwachsenen Menschen un-
gefähr doppelt so gross wie beim
neugeborenen Kinde, die Ausdehn-
ung der Lidhaut sogar 2^2 mal so
gross. Ein normaler Lidschhiss ist
nur dann möghch, wenn die Hohe
des oberen Lides in gespanntem
Zustande mindestens um die Hälfte
grösser ist als die Höhe desselben in nicht gespanntem Zustande l)ei leicht
geschlossenem Auge, Bei vielen Menschen wird ein insufficienter Lidschiusa
durch eine unzureicliende Länge der Augenlider bewirkt, welche als angeboren
zu betrachten und erblich ist. Derartige Menschen schlafen meist mit meltr
oder weniger geöftneter Lidspalte, ein Umstand, der leicht zu katarrhalischer
Reizung der Bindehaut und zu Thränenträufeln des Morgens nach dem Er-
wachen Veranlassung geben kann. Auch ist auf diesen Zustand Rücksicht
zu nehmen, wenn eventuell eine Schwäche des Orbicularis bei einer Facialis-
affektion zur Erwägung kommt.
Fig. 4.
A. B, Klaöfmle LMsj^alte bei Muskeklystmphie :
Tvpu» Fiirio-scapulo-humemlis. L. der Siilcufs
orbitn-palpfiinilisi in f. deiitltch zu erkeonen.
6 Lage und Form der Augenlider.
Die sensiblen Nerven der Lider.
g 4. Die grössere Partie des Augenlides wird von einem medialen, aus der
Verbindung des Nervus supratrochlearis mit dem infratrochlearis hervorgehen-
den Aste versorgt, während ein lateraler Stamm den übrigen Theil innervirt,
mit welchem ebenso wie mit den von oben kommenden Stämmen langgestreckte
Anastomosen bestehen. Aus den letzteren bildet sich in dem lockeren Binde-
gewebe zwischen Haut und Tarsus auf der dem Lidrande abgewandten Seite
des M. ciliaris Riolani ein reicher Plexus: der Randplexus der Lider,
v. Mises (7).
Wie aus dem F r o h s e ' sehen Atlas über die oberflächlichen Nerven des
Kopfes (Berlin-Prag 1895 Fischer) hervorgeht, scheinen offenbar grosse in-
dividuelle Verschiedenheiten in der Innervation der Augenlidhaut zu bestehen;
denn auf Tafel III dieses Werkes finden wir zahlreiche Abbildungen, in
welchen die nicht übereinstimmenden Angaben der Autoren wiedergegeben sind.
Nach Bach (8) verdichten sich die Nervenplexus in einiger Höhe über
der inneren Lidkante zum Tarsalgeflecht. Ein zweites Geflecht breitet
sich alsinterglandulargeflecht in den Zwischenräumen zwischen den
Läppchen der Meibom 'sehen Drüsen aus. Auch an den Cilien, sowie um
die MolPschen Drüsen kommt es zur Geflechtbildung. Unter der Tarsal-
bindehaut kommt es zu dem Conjunctivalgeflecht, welches mit dem
Tarsalgeflecht in Verbindung steht. Von Dogi el (9) sind besonders die Nerven-
endigungen in der Conjunctiva und den Lidern studirt worden.
Zuweilen trifft man bei Hysterischen auf eine Anästhesie der Lider.
So hatte Fer e (10) Gelegenheit, bei einer jungen, neuropathisch belasteten Frau
eine Reihe von Zufällen zu beobachten, welche durch das elektrische Licht
verursacht waren: Kopfschmerz, Schwindel, Anästhesie der Hornhaut, der
Bindehaut und der Lider. Diese von Amblyopie begleiteten Erscheinungen
dauerten eine Weile an.
Wir beobachteten diese Erscheinungen bei einer Reihe von hysterischen
Kindern.
Zweck der Lider, der Cilien und der Augenbrauen.
§ 5. Die Cilien und Lider sind die Tast- und Schutzorgane des Auges. Die
Augenbrauen, deren Haare sich am spätesten bleichen, meist bis ins höchste
Alter bestehen, dann aber sich krümmen und buschiger werden, verhindern
das Ueberströmen des Schweisses über Hornhaut und Conjunctiva, indem der-
selbe zufolge ihrer bogenförmigen Krümmung entweder nach der Schläfe oder
der Glabella abgeleitet wird.
Hinsichtlich der Sensibilität der Cornea und Conjunctiva liegen neue,
eingehende Untersuchungen von v. Frey (70), W. A. Nagel (71) und Krück-
mann (72) vor, aus denen im Wesentlichen folgendes hervorgeht:
Die Conjunctiva und Cornea sollen, nach den Prüflingen v. Frey's
mit Hilfe von Haaren in verschiedener Stärke, des Druck sinnes enthehren-
Der Ortssinn, das Orientirun^s- und Lokalisationsverniugen sei äusserst mangel-
haft imd die Druckpunkte fehlten, wohin «^egen der Schmerzsinn und die Tem-
peraturen! piindung auf einzelne Stellen beschränkt vorhanden seien,
W, A* Nagel hestreitet die Richtigkeit dieser Angaben, indem er in
der V. Frey 'sehen Untersuehiingsmetbode wegen der stechenden Wirkung
der Haare nur eine Untersuchung des Schmerzsinnes sieht. Bei Vermeidung
stechender Wirkung erhält man reine Beriihrungsempfindungen auf der Con-
junctiva sowohl, wie auf der Cornea.
Di© Kaltberiihnmg der Cornea und Conjunctiva wird als solche specilisch
empfunden, während die Warmherührung temperaturlos percipirt wird.
Sowohl die Temperaturen, wie die Berührungsreize werden an manchen
Stellen deutlich, an anderen unsicher, wieder an anderen gar nicht wahr-
genommen. Die Häuligkeit der anästhetischen Punkte, namentlich der Cornea,
wechselt bei den einzelnen Individuen.
Die Conjunctiva des unteren Lides verhält sich wie die Conjunctiva
bulbi. Die Umschlagsfalte ist für Berührungen weniger empfindlich. Die
Kälteempfindung geht hier leicht ins Schmerzhafte über.
Die Conjunctiva des oberen Lides, künstlich ektropionirt , ist fast un-
empfindlich für Berührung und Temperatur.
Die Plica semilunaris hat die gleichen sensiblen Eigenschaften wie die
Conjunctiva bulbi-
Die Caruncula nimmt sowohl Warme wie Kälte in der Mehrzahl der
Fälle deutlich wahr.
Ein Luftstrom, der die Conjunctiva und Cornea trifft, wird als kalt
empfunden, gleichviel ob er heiss oder kalt ist. Sehr heisse Luft erzeugt
neben der Kälteempfindung Schmerz, keine Wärmeemptindung.
Die Cilien sind die empfindlichsten Haare des Körpers und sind als
Tastorgane des Auges aufzufassen. Ilirc Nerven bilden mit den überaus er-
regbaren Nerven der Cornea und Conjunctiva einen besonders fein organi-
sirten Schutzapparat des Auge?. Exner(Il). Ein durch Gew^ohnlieit fixirter,
meist retlektoriscli auftretender Lidschhiss schützt den Bulbus vor dem unvor-
hergesehenen Andringen fremder Körper. Durch häufigen Lidschlag und dabei
erfolgender Befeuchtung der BulbusoherHäche wird das Hornhaut epithel vor
Austrocknung und Trübung bewahrt und durch Abkehren der angefiogenen
Staubtheilchen rein erhalten. Durch die Mechanik des Lidschlusses wird für
die Sajnmhmg der Thränen im Thränensee und ihre Fortleitung durch die
Thränenahfuhrwege nach der Nase hin Sorge getragen. Die momentane Ab-
eperning des Lichtes durch häufigen Lidschlag während des Tages, wie die
länger dauernde beim Ausruhen des Auges oder im Schlafe ist für den Wieder-
ersatz der unter Liclitwirkung verbrauchten Sehsuhstanz der Retina und damit
für die Brauchbarkeit des Auges überhaupt von ebenso grosser Nothwendig-
keit, wie die Verengerung der Lidspalte zur Abwehr gegen zu grellen und
8 Lage und Form der Aagenlider.
blendenden Lichteinfall. Das Dunkelheitsbedürfniss der Augen während des
Schlafes wird dadurch noch unterstützt, dass während dieses Zustandes die
Augen meist nach oben und aussen gerichtet sind, und somit die Papille
durch die Augenbraue und den oberen Stimhöhlenrand noch mehr beschattet
wird. Daneben wirkt bei vorhandenen Refraktionsanomalien die zusammen-
gekniffene Lidspalte gleich einem stenopäischen Apparate, blendet die nicht-
centralen Strahlen ab, verringert durch Verengerung der Oeffnung für ein-
fallendes Licht die Zerstreuungskreise und lässt nur die centralen Strahlen
passiren, welche bekanntlich wenig oder gar nicht gebrochen werden, ein
Vorgang, durch welchen das Bild zwar lichtschwächer, aber doch erheblich
deutlicher wird.
Die langen und dichten Wimperhaare des Oberlides schützen die Horn-
haut und Conjunctiva vor Staub und kleineren Fremdkörpern und sind bei
kräftiger Entwicklung und paralleler Stellung ein erwünschter Schmuck des
Auges, welcher den Ausdruck desselben in besonderer Weise beeinflusst. Von
einzelnen Autoren wird über ein prämatures plötzliches Ergrauen der Wimpern
(C a n i t i e s sive poliosis neurotica) unter Einwirkung nervöser Störungen
berichtet.
Bock (12) hat selbst derartige Fälle beobachtet und auch die Litteratur
über diese Erscheinung zusammengestellt. Wiewohl sich die Dermatologen
skeptisch verhalten, so scheint doch durch eine Reihe klinischer Thatsachen
das plötzliche Ergrauen der Wimperhaare unter zur Zeit noch dunkeln ner-
vösen Einflüssen erwiesen zu sein. Bekannt ist ja dieser Zusammenhang
zwischen Nervenapparat und Haarfarbe bei Psychosen. Bei den bis jetzt
vorhandenen Beobachtungen trat namentlich nach Aifektionen des Trigeminus,
bei Hemikranie und besonders bei sympathischer Ophthalmie und schmerz-
haften Erkrankungen des Augapfels eine rasche Verfärbung der Haare binnen
wenigen Tagen hervor. Wäre die Ansicht der Dermatologen richtig, so müsste
das Ergrauen der Wimpern sich in einem Zeitraum abspielen, der annähernd
dem physiologischen Wachsthum der CiHen entspräche. Nachdem aber Donders
die Lebensdauer einer Wimper auf 100 oder 150 Tage geschätzt hat, und das
Ergrauen der Wimpern in sehr viel kürzerer Zeit zu Stande kommt, so bleibt
nichts anderes übrig, als auch beim frühzeitigen Ergrauen der Cilien an Ein-
flüsse des Nervensystems zu denken. Wir haben einen derartigen Fall beob-
achtet bei einem jungen Manne einseitig am Oberlid; derselbe litt häufig an
Migräneanfällen.
Hirschberg (13) hat bei einem 14jährigen, sonst gesunden und auch
nicht von einer Augenaffektion betroffenen Mädchen eine nach Angabe der
Mutter seit 14 Tagen eingetretene, theil weise Weissfärbung der Wimperhaare
auf dem linken Auge beobachtet. Die rechte Lidspalte war etwas enger als
die linke (Nerv, sympath.). Die Lider zeigten sich empfindlich; im mittleren
Dritttheile des oberen Lidrandes waren die Wimpern weiss, im unteren
wechselten weisse Bündel mit schwarzen. Die Entfärbung der Wimpern wmr
im Zunehmen begriffen.
Cauitiea und Ausfallen der Wimpeni.
0
irtielle Leucosis der Wimpern kommt
■h angeboren vor
Streatfield (13a). In dem Falle von Käu her (14) von periodisch wieder-
kehrender Haarveränderung hei einem Epileptischen blieben die Augenbrauen
und Wiraperii unversehrt, und bezogen sich die pathologischen Veränderungen
hauptsächhch auf das Haupthaar. Hier traten auch Ernährungsstöningen an
der Haut des Kopfes, Gesichtes und der Lider mit anästhetischen Erschei-
nungen auf.
Berg er (15) beobachtete bei Hemiatrophia facialis eine schlechte Ent-
wickehing der Augenbraue* Ein Ausfallen der Wimpern zugleicli uiit dem der
Augenbrauen und Kopfhaaren wird zuweilen im Beginn oder N'erlauf der
Basedow 'sehen Krankheit gefunden. Wir haben selbst hei einem jungen
Mädchen einen derartigen Fall gesehen , in welchem auf beiden Augen nicht
eine einzige Wimper oder Augenbraue mehr vorhanden war. Das Aussehen
derartiger Patienten ist ein in hohem Grade unangenehmes. Auch Yeo (16} sah
gleichzeitig mit dem Entstehen des Exophthalmus erst linksseitig, dann viel
später auf dem rechten Auge einen Schwund der Augenbrauen und Cilien
sich entwickeln. Von Mo liiere (17) und Chvostek (18) werden analoge
Fälle veroftentlicht, Dass auch hier nervöse Einflüsse zu Grunde liegen,
beweist ein Fall Velar di's (19): Bei einem 16jähngen Burschen, welcher
seit mehreren Tagen an heftigen Koi>fschmerzen mit leichten Fieberaniallen
litt, waren zwei Tage vor der Vorstellung alle Cilien des linken oberen und
des rechten unteren Augenlides ausgefallen. Weder eine Krankheit des Lid-
randes, noch eine parasitäre Erkrankung der übrigen behaarten Hauttheile
war Dachzuweisen. Durch starke Chinindosen ivurde der Kopfschmerz beseitigt,
und nach einem Monat waren die Cilien wieder vollständig nachgewachsen.
Sattler (20) will dies Ausfallen der Cilien auf Störung der trophischen
Nerven und Centren zurückgeführt wessen.
Die Stellung der Augenbraue ist je nach dem einseitigen oder
doppelseitigen Reiz- oder Lähmungszustande des Musculus levator pal-
pebrae, des Nerv, facialis und trigeminus verschieden. Ganz besonders
wird dieselbe noch beeintlusst durch das momentane psychische Verhalten
des betreifenden Individuums. Denn beim Denken und bei allen Affekten
zeigt die Form und Lage der Augenbrauen Veränderungen. Die Ab-
bildungen 2, 3 und 4 stellen in dieser Hinsicht gewisserniassen die drei
Haupttjpen dar. In Figur 2 sehen wir hei einer doppelseitigen, angeborenen,
inkompleten Ptosis die Stirn zufolge der Kontraktion beider Frontalmuskeln
und erschlafftem Corrugator in parallele, nach oben konvexe Falten gelegt.
Wir sehen die nasalen Enden der Augenbrauen weit von einander entfernt
und, weil sie nach oben und aussen gezogen, auch die Nasenstirnfalten völlig
hier verstrichen. Die Koncavität der Augenbrauen ist nach dem inneren Lidwinkel
gerichtet. Gerade das Gegentbeil dieser Stellung zeigt Figur 3 bei einer Frau mit
Morbus Basedowii, bei welcher der MuscuL corrugator supercilii, d» h. die-
jenige Partie des Muse, orbicularis^ welche an der medialen und oberen
Seite der Gesichtsöffnung der Augenhöhle liegt, innervirt ist. Wir sehen bei
10 Lage und Form der Augenlider.
dieser Abbildung die nasalen Enden der Augenbrauen stark gegen die Nasen-
wurzeln hingezogen und einander genähert, die Stimnasenfalten beiderseits
stark vertieft und die Koncavität des Augenbrauenbogens mehr nach dem
äusseren Augenwinkel hin gerichtet. Bei stärkerer Kontraktion des M. corm-
gator treten mit ihrem konvexen Knie auf die Nasenwurzel gerichtete Falten
auf^ deren oberer Schenkel, allmählich sich verflachend, die Stimhaut schräg
nach oben aussen hin durchfurcht, und deren unterer Schenkel die Augen-
braue nach unten und aussen hin schräg durchschneidet.
Figur 4 zeigt uns eine Frau mit auffallend glatter, faltenloser Stim-
und Gesichtshaut zufolge von Lähmung der ganzen Gesichtsmuskulatur bei
Dystrophia musculorum. Hier sehen wir die flache Koncavität der Augen-
braue gerade nach unten gerichtet, und die nasalen Enden der Augenbrauen
in einer Linie liegen, während in Figur 2 sich deren Verlängerung nach oben,
und in Figur 3 sich nach unten von der Nasenwurzel schneiden würde.
Hidropathien, periodische Oedeme und Hämorrhagien der Lider.
§ 6. a) Hyperidrosis. Es liegen von A. v. Graefe (21) vier ein-
schlagende Beobachtungen vor. Zwei davon betrafen junge weibliche Indi-
viduen mit allgemein vermehrter Schweisssekretion , die nur auf den Lidern
stärker hervortrat. Bei zwei männlichen Individuen trat das Leiden nur
lokal auf den Lidern auf. Das eine davon zeigte ein progressives Spinal-
leiden. Durch die übermässige Schweisssekretion wurde lokal Erythem und
Conjunctivalleiden erzeugt.
b) Hämatidrosis^ blutige Schweisssekretion des Lides.
Bei einem 25jährigen, mit vielfachen Motilitäts-, Sensibilitäts- und Sekre-
tionsanomalien behafteten Epileptiker beobachteten Messedaglia undLom-
broso (22) diese merkwürdige Erscheinung, welche wohl nur als Blutung aus
den Ausführungsgängen der Hautdrüsen, analog den Blutungen stigmatisirter
Jungfrauen (sofern kein Betrug vorliegt), aufgefasst werden muss (vergl. Hebra
u. Kaposi, Virchow's Handbuch der spec. Path. u. Ther. III. Bd. 1. Lief.
2. Auflage. Erlangen 1872, p. 78).
c) Chromidrosis. Diese Sekretionsanomalie wird meist bei jungen
schwächlichen, hysterischen, hysteroepileptischen und an Menstruationsano-
malien leidenden Mädchen gefunden. Nur ausnahmsweise tritt sie bei älteren
Frauen (Galezowski, 23) und bei männlichen Individuen auf (Douve, 24).
Es entwickeln sich um die unteren Augenlider schwarzblaue, blaue oder dunkle
Flecke und Ringe, die mit trockenen Läppchen nicht zu entfernen sind,
wohl aber mit in Oel getauchten Wattebäuschen abgewischt werden können
Dabei ist die Färbung ganz vorwiegend in den Falten der Haut ausgeprägt.
Hulke (64) berichtet über einen Fall von angeblich spontan entstandener
Schwarzfärbung der Augenlider bei einem Mädchen von 15 Jahren. Die
chemische Untersuchung eines Stückchens der Lidcutis ergab das Vorhanden-
Chromidrosis der Lider. 11
sein von Argentuin nitricum. Wenn auch in einer Reihe von Fällen beabsichtigte
Täuschung vorgelegen hat [Gubler (25), v. Graefe (26), Wilhelm i (27)]
und bei anderen wieder die aus kosmetischen Rücksichten gefärbten Wimper-
haare, einem Pinsel gleich, das Unterlid in einem Halbkreise beim Lidschlag
allmählich färbten, so liegt doch eine ganze Anzahl zuverlässiger Beobach-
tungen \ov, welche eine Simulation mit Sicherheit ausschliessen lassen. So
beobachtete Rothmund (28) diese Erscheinung alle vier Wochen bei einem
an Menstruationsanomalien leidenden, 17 jährigen Mädchen, und spricht sich
hinsichtlich der Aetiologie dahin aus, dass durch eine Seborrhoe der Lidfläche
die Möglichkeit für das Festhaften von Kohlenpartikelchen gegeben war, welche
sich durch den Aufenthalt in einer damit geschwängerten Luft dort nieder-
schlagen konnten. Auch wir hatten einen Fall bei einem jungen Kaufmanne
zu beobachten Gelegenheit, dem dieser Zustand sehr widerwärtig war. Hier
trugen Staubtheilchen und Tuchfäserchen die Schuld an der Färbung, da der
junge Mann als Verkäufer in einem Tuchgeschäft angestellt war.
Delth (29) sah die Sache bei einem an Purpura und Ausfallen der Nägel
leidenden, 17 jährigen, hysteroepileptischen Mädchen in mehr oder minder regel-
mässigen Zwischenräumen auftreten.
Bei der 20jährigen Hysterica Fereors(30) entwickelte sich unter den
Augen des Beobachters eine Blaufärbung der Lider, welche sofort zunahm,
w^enn man mit der Kranken die Erscheinung besprach. Fereol hält jede
Möglichkeit eines Betruges für ausgeschlossen und macht darauf aufmerksam,
dass es sich in seinem Falle nicht um eine Schweisssekretion , sondern um
eine Färbung handle. Für die Erklärung dieses Falles muss man die That-
sache in Betracht ziehen, dass jeder dunkle Gegenstand durch ein trübes
Medium betrachtet bläulich erscheint, daher auch die Venengeflechte des Unter-
lides beim Halo einen bläulichen Ring bilden. Offenbar waren in diesem
Falle die Lidgefässe unter psychischer Beeinflussung stark dilatirt worden
und gaben im Durchscheinen durch die oft bei Hysterischen zu findende zarte
und dünne Haut dem ganzen Lide jenen bläulichen Schimmer.
Dass diese Erscheinung aber nicht auf die Lider allein beschränkt bleibt,
zeigen die folgenden Beobachtungen. So traten in Camuset's (31) Falle
bei einem 21jährigen blassen, an Metrorrhagie leidenden Mädchen plötzlich
um die unteren Lider beider Augen schwarze Ringe auf, welche im Aussehen
einer Kontusion glichen. Nach einiger Zeit hatten sich schwärzliche Flecke
an anderen Körperstellen gezeigt.
Bei dem einen von Fox (32) beschriebenen Falle handelte es sich um
ein taubstummes ISjähriges Mädchen, das zeitweise an Kopfschmerzen litt.
Es trat zuerst an den unteren Lidern eine abnorme Schweissabsonderung auf,
von wo sie sich auf die umgebenden Theile der Wangen ausbreitete. Während
der Zeit der Menstruation nahm die Absonderung ab und zeigte sich reich-
licher bei länger dauernder Stuhlverstopfung. Die Untersuchung des Urins
ergab entsprechend der Zunahme der Schweissabsonderung einen höheren
Säuregehalt, diejenige des Pigments unzweifelhafte Indigoreaktion.
12 Lage und Form der Augenlider.
Wir beobachteten bei einer 19 jährigen Hysterica eine symmetrische
Röthung der Haut beider unterer Lider, die nach einigen Tagen einen bräun-
Hchen Farbenton annahmen.
Wie Eingangs erwähnt, ist namentlich das weibliche Geschlecht zwischen
dem 17. bis 20. Lebensjahre zu dieser krankhaften Erscheinung disponirt
Von 46 sicher konstatirten Beobachtungen betrafen nach Foot (33) 6 das
männliche und 40 das weibliche Geschlecht. Es tritt diese Erscheinung
namentlich bei hysterischen, epileptischen, schwächlichen und an Menstruations-
Störungen leidenden Individuen zu Tage. Sicher liegt bei Einzelnen Simulation
vor, bei der grossen Mehrzahl tritt die Erscheinung als Folge einer Sekretions-
anomalie auf, die sich steigert bei Zuständen, welche im allgemeinen Gefass-
aufregung bedingen. Wieder bei Anderen wird durch eine Seborrhoe der
Lidflächen eine sehr klebrige Masse abgesondert, in welcher nach der Beob-
achtung Galezowski's (23) Epidermiszellen, Kohlenpartikelchen und blau
gefärbte Wollhaare gefunden werden. Da sehr häufig in diesem Sekret
Indigoreaktion gefunden wird, so darf man mit Foot (33) annehmen,
dass das bei allen Schwächezuständen vermehrt im Harn vorkommende
Tndican durch die Schweissdrüsen lokal ausgeschieden werde, und dass dabei
durch eine zerlegende Wirkung des Seh weisses Indigo sich bilde. Auch giebt
er die Möglichkeit zu, dass die Farbe durch die Thätigkeit von Bakterien
veranlasst werden könnte. So beobachtete M i 1 1 e e (68) einen Fall von Chrom-
idrose der Lider. Nachdem die Allgemeinbehandlung erfolglos gewesen, ver-
suchte man Einreibungen mit 3°/oiger Quecksilberoxydsalbe und Umschläge
mit Karbolwasser, worauf in einigen Tagen Heilung eintrat. Millee glaubt
daher, als Erzeuger des Schweisses einen Mikroorganismus annehmen zu
müssen.
Behufs Feststellung der Simulation bestreicht man am besten die Lider,
wie dies von Warlomont (34) geschehen, mit KollodiunL Wie schwer es
aber ist, in einzelnen Fällen der Simulation auf die Spur zu kommen, zeigt
Wilhelmi (35). Es handelte sich um ein 17jähriges Mädchen, welches be-
sonders nach heftigeren Schweissproduktionen ein intensiv geröthetes unteres
Lid zeigte. Erst nach 10 Tagen gelang es, die Simulation nachzuweisen. Die
Patientin hatte sich in unbewachten Augenblicken, sogar unter einem sorg-
fältig angelegten Verbände, mit einem Phosphorschw^efelhölzchen das Lid mit
grosser Raftinirtheit immer wieder gefärbt.
Die Litteratur über diese Affektion siehe Michel , Graefe-Saemisch IV,
p. 379-382.
Das akute cirkumskripte, periodische Hautödem an den Lidern,
und Ekchymosen an denselben, Herpes der Lider und spontane
Gangrän.
>i 7. Bekanntlich zeigen nach epileptischen Anfällen die Lider nicht selten
Sugillationen, deren Ursache entweder im Aufschlagen der Augengegend geg«n
^
PerlodiBcke Lidödenie. IB
feste Gegenstände oder durch Zerreissen von Blutgefässen während des Anfalls
begründet ist. Während die meisten Autoren der Ansicht sind, dass diese
soliconjnnctivalen ^iigillationeD, ähnlich wie die Bindelumtblutungen beim
Keuchhusten, durch die exspiratorische Blutdrucksteigerimg zu Stande kommen,
erklärt Un verriebt (69) in seiner neuesten Abhandlung ^iiber die Epilepsie"*
die Aetiologie dieser Blutungen in anderer Weise, llie eigenartigen Verände-
rungen des Kreislaufs bei der Epilepsie sollen durch eine an dem Cirkula-
tionsapparat sich abspielende, selbständige krampfhafte Erregung gewisser
nervöser Centralorgane zu Stande kommen, nicht etwa durch die Muskelkrämpfe
oder durch Athenianstrengungen. Bei den hier jedoch in Betracht kom-
menden Fällen handelt es sich um Ekchymosen und Oedeme, welche ohne
Trauma und ohne vorhergegangene Krampfanfälle sich einstellten.
§8. Cuntz (65) beschreibt mehrere Fälle, in welchen vasomotorische Er-
scheinungen sich öfters auch auf das Auge erstreckten. Die Lider schwollen unte
Ruthung sehr stark an, manchmal auch mit Betheiligiing der Conjunctiva
bulbi und palpebrarum. In einem Falle entstand unter Photophobie und
Kitzelgefühl eine Blase unter dem linken unteren Lid. Nach wenigen Stunden
war die Blase verschwunden, und es bildete sich eine gleiche am Fräputium.
Cuntz verweist auf Wagner und Gaben (66) über Kongestionsneurosen
lies Auges* Ormerod (36) bespricht drei derartige Fälle, bei welchen im Ver-
laufe einer Nacht oder seihst in wenigen Stunden die Augenlider Ekchymosen
oder nur Oedeme zeigten, gerade als wenn ein Trauma auf das Auge ein-
gewirkt hätte. Couplaud (36) erinnerte dabei an die spontanen Blutungen
von Hysterischen, Hulke (36) wollte die Affektion auf GetUsser krankung
zurückgeführt wissen, doch waren solche nach Ormerod's Angaben nicht
nachzuweisen. H ad den (36) hatte ebenfalts vorübergehende spontane Schweb
langen der Lider, viel häutiger aber noch solche an Händen und Füssen beob-
achtet, ohne dass eine Ursache zu linden gewesen wäre.
Jedenfalls ist der paroxysmale Charakter dieser Atfektion hier beson-
ders hervorzuheben,
Riebl (37) bespricht vier Fälle von akuten und umscfaxiebenen Oedemen
der Haut, bei zweien waren die beiden Lider ergriflen. So trat bei einem
bis dahin völlig gesund gewesenen 51jährjgen Lehrer zum ersten Male wiihrend
der Nacht eine so starke Schwellung der linkseitigen Lider auf, dass Patient
am Morgen das Auge nicht zu öftnen vermochte. In 24 Stunden war die
Schwellung YoUständig verschwunden. In den nächsten 4 Jahren wiederholte
sich die Oedembildung am linken Auge. Dann erkrankte das rechte Auge
in derselben Weise, um von da ab rechts und links abzuwechseln. Elf Jahre
nach dem ersten Unfälle trat auch Larynx- und Pharynxüdem auf Im nicht
ödematüsen Zustande zeigte die Haut der Lider eine beträchtliche Dehnung^
die 80 weit gediehen war, dass die Unterlider herabhängende Säcke bildeten,
die Oberlider in Form einer schlaffen Falte bis in die Lidspalte reichten.
Der Augenspiegel bef und war immer normal
14 Lage und Form der Augenlider.
Bei einem anderen Falle trat die AfFektion als Folge eines lokalen
Traumas (Anstossen an eine Thürkante) auf. Seitdem recidivirte das üebel
häufig. Die Patientin fand meist morgens beim Erwachen die Lider geschwollen.
Häufig fühlte sie beim Aufstehen Schwindel, Ohrensausen und Kopfschmerz.
Es darf wohl angenommen w^erden, dass die hier beschriebenen eigenthüm-
liehen Fälle nichts mit Urticaria zu thun haben; denn bei letztgenannter
Erkrankung kommt es nicht selten zu Quaddelbildung am Auge, dessen
lockeres Zellgewebe leicht zu starken Oedemen Gelegenheit giebt. Es
handelt sich vielmehr mit grösster Wahrscheinlichkeit um eine vom
Centralnervensystem ausgehende Störung der vasomotorischen Funktionen
ähnlich wie bei der Raynaud' sehen Krankheit. So hatte die Frau, welche
de Schweinitz (38) beobachtete, früher häufig an Kopfschmerzen gelitten.
Kurze Zeit nach dem erstmaligen Auftreten des Oedems war die Patientin
von einer heftigen Supraorbitalneuralgie der Seite des Oedems befallen worden.
Die Schwellung betraf das obere Lid und die gleichnamige Stimhälfte.
Die 46jährige Frau T. Robinson's (39) hatte ebenfalls viel an Kopfweh
gelitten und war häufigen Anfällen von Erysipelas ausgesetzt. Die Menses
hatten seit 4 Monaten cessirt. Die Schwellung der Augenlider begann zusam-
menhängend mit einem Anfalle von Kopfweh, in der Regel am Abend und
wuchs bis zum anderen Morgen, wobei ein klebriger Ausfluss aus den Augen
sich bemerkbar machte. Die einzelnen Anfälle der Schwellung dauerten
ungefähr. 3 Tage.
Wie oben bei Rieh 1 's Falle erwähnt, wechselt der Sitz des Oedems
zuweilen sowohl zwischen dem rechten und linken Auge, aber auch mit anderen
Hautstellen ab. Das Letztere finden wir in einer Beobachtung Loimann'8(40)
erwähnt. Hier trat die Schwellung der Lider fast täglich Morgens auf, um
plötzlich von einer Schwellung der Haut des Penis abgelöst zu werden. Nach
einer überstandenen Pneumonie cessirte diese LidafFektion 2^« Jahre lang, um
dann ohne ersichtliche Ursache sich wieder einzustellen, aber zugleich auch
auf Lippen und Wangen und die Rachenschleimhaut überzugehen. Während
im vorhin erwähnten Falle die Schwellung 3 Tage anhielt, dauerte hier das
Oedem nur wenige Stunden.
Dünn (41) beschuldigt in seinem Falle bei dem anfallsweise sich wieder-
holenden Lidödem eines 19jährigen Mädchens Polypen an beiden mittleren
Muscheln der Nasenhöhle, speziell an der Seite des Oedems und will die
Anschwellung der Lider auf eine reflektorisch entstandene Lähmung der Lid-
gefässe zurückgeführt wissen. Die Entstehungsgeschichte dieser Krankheit ist
noch dunkel, und allzuhäufig scheinen derartige Fälle nicht vorzukonmien,
jedenfalls ist sicher, dass bei keinem der hier erwähnten Fälle Eiweiss im
Urin konstatirt werden konnte.
Vielleicht gehört auch hierher jener von Stellwag (42) beobachtete
Fall von cirkumskripter und ephemerer sackartiger Anschwellung des unteren
Lides mit stark hervortretender Vene bei Morbus Basedowii, welche sich bei
Ad fällen eines überaus heftigen, von der linken Schläfe n»cK dem Schüitol
ausstrahlenden Schmerzes wiederholt einstellten.
Wir selbst beobachteten ein löjähriges Mädchen mit Morh. Bii^eibnvii»
bei welchem drei Jahre vor dem Auftreten des ExopUthiilnuis plotzhch die
Augenlider angei^cbwollen sein sollten, ohne geröthet und entzündet 211 »ein,
(Siehe auch Mannheim: Ueber Mi-rliti- itravesii p, 31).
Fieuzal (07) theilt einen Fall \xni Meningitis bei einem *iiu(*untlicUen
Kind mit, in welchem Lidödem,
seröse Chemosis und subconjunc-
tivale Blutaustritte auftraten.
§ 9, Neben dt?m periodiscli
auftretenden Oedem der Lider
kommen auch Fälle zur Be-
obachtung, bei welchen inter-
mittirenJ Erytheme an den
Lidern sich zeigen. (C u i g n e 1 43.)
Auch wir waren in der
Lage, einen derartigen Fall zii
beobachten. Bei einem 20jährigen,
zarten, verwachsenen, hysteri-
schen Mädchen trat nach längerem
Bestände einer dopiielseitigen,
schkft en , hysterischen Ptosi s
(Figur 5) auf dem Oberlide dt^r
Seite der stärkeren Ptosis ein
exsudatives Erjthem auf, das
sich anfangs auf das Oberlid
beschränkte, alfanäblicb aber in
unregelmäasiger Weise auf die
Schlafe und Wange überging.
Nach einiger Zeit rer^^bwand
dasselbe wieder. INe unregelmadsige Form deBselben inprach gegen dtm
Verdacht, als ob Patientin durch zu warme oder reizende Aufschläge atm
Sensationsbedürfntas ^icb dasselbe selbst erzeugt hätte.
Fi«. 5.
linlcMeitJf^ef» Errtbem d^r Lider «od tlt^r flaut d«f
§ 10. EineHerpesertiption auf den Lidern ^otl nach M t c h e I (44) ««Iir
eelten sein: t. Wecker «nd Homer (aielie bei Michel) hätten derartige
BeobachtimgeD beeekrieben. Wir erinnem um, mehrere Fälle gegeben tu
haben und gebt« kier(i%Rr6) dieAbbildong einer sokben, & bandek iidi
um ein 12pattigw WMmm, im |4ol2iich Ton beft%eiB KofAdttMR, flebwfndil
und Erbrectai hfinlhm wnde. IHe Zunge war rein* Am folgenden Tage trat
{^ 1 L Ueber Liclgaiigrän als Aeusserimg der Raynaud'schen Krankheit
Fig. 6.
J. J), Rechts Herpt'ä am Ober-
und Ud teil id.
Ob der folgende Fall tiierber gebort,
bleibt dabingestellt Kipp (45) be-
schreibt eine doj>pelseitige Gangrän
der Lider bei einem in einem Alko-
holdeliriiim gestürmten, mit Koth und
t-ngezieferbedeckten Manne, welcher
3 Tage später starb. Es batte vor-
her lediglich nur ein einfacher Binde-
baiitkatarrh bestanden, sonst waren
keinerlei entziind liebe Zustande in
der Haut vorhanden.
Eine eigen thümliche Tropho-
neurose am Oberlide beobachtete
Bertbold (46). Bei einer 42jährigeD
gesunden Frau zeigte sich nach
vorausgegangenem Jucken ein weisser
Fleck am oberen Lide des rechten
Auges, der sich vom Lidrande in
sagittaler Richtung über den Augen-
brauenbogen fast bis zum Ende de^
Stirnbeins erstreckte und sich
kühler anfüblte. Ein Nadelstich
wurde nur als Kältegefülil em-
lifunden. Das obere Lid war durcli
alle Schiebten bis zur Conjnnctiva
an dieser Stelle infiltrirt, auch zeigte
letztere bis zum Ende des Tarsus
eine weissliche Beschaffenheit, An
der ganzen rechten Gesichtshälfte war die Empfindlichkeit herabgesetzt.
§ 12, Als Vorkommnisse bei Geisteskranken in Beziehung auf die Lider
erwähnt Schule (47): Das Wegzupfen der Cilien, mechanische Beschädigungen
durch Einreiben von Sand und kleinen Steinchen in den'Bindehautsack, und
in einem Falle ein beständiges Reiben der Augen mit den Äermeln.
Form und Weite der Lidspalte unter verschiedenen Bedingungen. 17
Kapitel II.
Form und Weite der Lidspalte unter physiologischen
und pathologischen Bedingungen.
§ 13. Die Form der Lidspalte zeigt sich gewöhnlich als mandelförmig,
jedoch ist dieselbe sowie ihre Weite und Stellung bei den verschiedenen
Völkerfamilien meist verschieden.
Bei Thieren ist die Lidspalte meist rund, beim Menschen ist sie trans-
versal, daher kann er in grösserem Bogen seine Augen horizontal bewegen,
ohne die Cornea aus der Lidspalte zu bringen und erfreut sich eines grossen
Blickfeldes auch bei unverrückter Stellung des Kopfes.
Im Mittel kann man die Länge einer männlichen Lidspalte vom Ende
des einen Augenwinkels zu dem andern gemessen als 30 mm betragend an-
nehmen. Reu SS (48) fand 27 und 28 mm. Die Höhe der normal geöffneten
Lidspalte an der weitesten Stelle in der Mitte zwischen äusserem Lidwinkel
und Thränenpunkt gemessen beträgt höchstens 14 mm. Reuss hat im
Durchschnitt 11 mm gefunden. Nach diesem Autor ändert sich die
Höhe der Lidspalte während des ganzen Lebens nur unbedeutend. Die
Dimensionen der weiblichen Lidspalte seien gewöhnlich um einige Milli-
meter kleiner. Die kindliche Augenöffnung zeige besonders den Längendurch-
messer meist um die Hälfte kleiner, als beim Erwachsenen, während der
Höhendurchmesser mit diesem nur wenig verschieden sei, ein Umstand, wo-
durch die kindliche Lidspalte das charakteristische, weitgeöffnete Ansehen er-
halte. Merkel (49). Demgegenüber glaubt Fuchs (50) die Ursache der
weit offenen Augen der Kinder in der bedeutenden Länge der Lidspalte zusammen
mit der grösseren Elasticität der Lidhaut zu finden, während Reuss die Ursache
dieser scheinbaren Grösse des Kinderauges darin sucht, dass die Cornea
früher ihre volle Grösse erreiche, womit die Höhe der Lidspalte gleichfalls
wachse, während deren Länge noch eine geringe sei. Denn die Höhe der
Lidspalte hinge im Ganzen von der Grösse der Hornhaut ab. Das Eigen-
thümliche der Kinderaugen beruhe also auf dem Längenverhältnisse der Lid-
spalte zur Grösse der Hornhaut. Während nach Reuss die Lidspalte bei
dem 2 monatlichen Kinde ungefähr doppelt so lang sei, als hoch, sei sie bei
dem Erwachsenen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gerade drei-
mal so lang als ihre Weite betrage. Der Durchmesser der Cornea sei
eine viel beständigere Grösse, als die Länge der Lidspalte, und ziemlich von
derselben Konstanz, wie die Höhe der letzteren, was natürlich sei, wenn man
bedenke, dass die Stellung der Lidränder zur Cornea, das ist die Grösse des
in der Lidspalte sichtbaren Theils derselben während des ganzen Lebens
Wilbrand-Saenger, Neurologie des Auges. 2
18 Form und Weite der Lidspalte.
gleich bleibe, und dass der vertikale Cornealdurchmesser sein Verhältniss zum
horizontalen kaum ändern dürfte. Dass die freiliegende Skleralfläche gegen-
über der Cornea in der Lidspalte der Kinder sehr zurücktritt, also die letz-
tere relativ sehr gross erscheint, sei gewiss der eigentliche Grund für die
scheinbare Grösse der Kinderaugen.
Zwischen der maximal geöffneten Lidspalte, dem sog. Aufreissen der
Augen und dem aufs energischste geschlossenen, dem sog. zugekniffenen
Auge liegt eine Reihe von Veränderungen der Lidspalte, welche physiologisch
und pathologisch von grosser Bedeutung ist. Bei den meisten Menschen be-
deckt unter normalen Verhältnissen das Oberlid das oberste Homhautsegment,
während der untere Lidrand die untere Homhautgienze tangirt. Für gewöhnlich
ist die Lidspalte auf beiden Augen gleicli weit geöffnet. Eine Lidspalte von
ungleiclier Weite gewinnt daher stets an pathologischer Bedeutung, wobei je-
doch zu beachten ist, dass wir bei asymmetrisch gebauten Schädeln auf
Seiten der kleineren Orbita auch die engere Lidspalte finden.
Für die Beweglichkeit der Lider sorgt der Musculus Levator palpebrae
superioris und der Musculus orbicularis palpebrarum, während die Weite der
Lidspalte unter den kombinirten Einflüssen folgender Faktoren steht:
a) Der Tonus der Lidmuskulatur im Verh<niss zur Schwere der Lider.
§ 14. Der vom Nerv, oculomotorius versorgte Muse. Levator palpebrae ist
bezüglich der Stellung des Oberlides ein Antagonist des vom Facialis inner-
virten Muse, orbicularis palpebrarum. Eine Lähmung des Nerv, facialis hat
demnach : Aufhören des Blinzelreflexes, mangelnden Lidschluss beim Versuche
die Augen zuzukneifen, ein Offenbleiben der Lidspalte auch im Schlafe (Lagoph-
thalmus) und eine Erweiterung derselben im wachen Zustande zur Folge, weil
das Unterlid nicht wie sonst, durch den Musculus orbicularis gehoben und an
den Bulbus angedrängt gelialten wird, sondern dasselbe, nur lediglich seiner
eigenen Schwere gehorchend, nach unten sinkt. Dabei wird das Oberlid um ein
Geringes durch den Levator palpebrae in die Höhe gehoben, indem seiner
Spannung jetzt nur die Schwere des Oberlides allein noch entgegenwirkt. In
massigerem Grade treffen wir auf diesen lialbparetischen Zustand beider
Muskeln bei Schwerkranken mit hochgradiger Benommenheit des Sensoriunis.
Hier liegen die Patienten Tag und Nacht mit halbgeöffneter Lidspalte. Die
Conjunctiva bulbi ist leicht injizirt, und die zwischen den Lidern freiliegende
Hornhautfläche finden wir zum Theil mit zähen Schleimmassen bedeckt, welche
ihres weisslich gelben Aussehens lialber leicht von einem Mindererfahrenen
mit Hornhauttrübungen und Keratitis verwechselt werden können. Ein sorg-
fältiges Abwaschen mit feuchten W^attebäuschen eventuell ein längeres Bedeckt-
halten mit einem feuchtwarmen Umschlage lässt den Irrthum leicht erkennen.
Bei einem Theil derartiger Fälle, namentlich nach Typhus, Cholera und bei
schweren Fällen von Morb. Basedowii entwickelt sich dann thatsächlich in
den unteren Partien eine Hornhauttrübung mit geschwürigem Zerfall, eine sog.
Weite der Lid spalte unter verschiedenen BediiTgungen. 19
Keratitis e Lagoplithalmo. Wir haben btvi einem Falle von schwerem
Basedow auf diese Weise die Honihaut beider Angen zu Onmde gehen
sehen. Eine derartige Affektion darf nicht mit der Keratitis neuroparaljtica
durch Trigeminusaffektiou verwechselt werden.
Die gewöhnliche Weite der Lidspalte beim unbefangen gerade vor sich
hin blickenden Menschen und bei nüttlerer Tagesbeleuchtung wird durch die
vom Nervus sympatbicus versori^ten Mm, palpebralis superior et inferiar, durch
denAntagunismus zwischen dem M. levator palpebr. sup, und Muse, orbicnlaris
palpebrarum, sowie durch die eigene Schwere der Lider bedingt, indem
hauptsächlich durch den Tonus des M. levator das Oberbd in die Höhe
gehalten %vird.
Beim Schläfrigwerden erschlafft die Sjiannung des Levator mehr und
mehr, und das Lid sinkt seiner Schwere zufolge schlaff über das Auge herab.
Mauthner (51) fasst diese Ptosis im Schlaf als eine Kernlähmung des
Oculomotorius auf, zufolge der Ansamndung von Ermüdungsstoffen wahrend
des wachen Zustandes. Wir kommen später noch eingebend auf diese Ver*
hältnisse zurück.
Am meisten wird die Lidspalte verengt oder völlig aufgehoben durch
die Lähmung des Levator palpebrae, ein Zustand, den wir ausführlich ebenfalls
später zu besprechen haben werden. Kontraktionen des Levator sind sehr selten*
b) Die Spiiuiinng der an den Bulbus sieh inserirenden Muskeln.
§ 15. Vier gerade und zwei schräge Augenmuskeln sorgen für die Beweglich-
keit des Bulbus und erhalten denselben bei sonst normalen Spanmings- und In-
sertions Verhältnissen im Gleichgewicht. Dabei sind die Augenmuskeln sowohl
unter sich als auch mit der Periorbita durch Fascien verknüpft, welche dafür
Sorge tragen, dass die Lage des Drehpunktes des Auges durch die Kon-
traktion seiner Muskulatur in der Örbita nicht verschoben werde. Denn be-
stünde die oben erwähnte Fascienverbindung nicht, so würde durch den Tonus
der vier geraden Augenmuskeln der Bulbus in die Orbita hineingezogen,
während die Zugwirkung der beiden Mm. obliqui ein Hervortreten des Aug-
apfels aus der Augenhöhle liegünstigt. Daher sehen wir nach einer Teno-
tomie eines geraden Augenmuskels, oder nach einer Lähmung, namentlich des
Rectus extemus, die Lidspalte etwas erweitert, weil der Augapfel etwas
mehr nach vorn gegen die Lider gedrängt wird. Isolirte Obli<iuus-I/ähmungen.
welche den entgegengesetzten Effekt erzeugen würden, sind sehr selten. Da-
gegen finden wir eine Verengerung der Lidspalte nach einer Vorlagerung des
Uectus externus, weil dann durch die vermehrte Sy)annung und Zugwirkung
dieses Muskels nach hinten der Augapfel mehr von den Lidern ab nach
der Tiefe der Orbita gezogen wird. Es ist daher wichtig gegebenen Falls
hei einer Inkongruenz der Lidspalten auch dieser Verhältnisse eingedenk zu
sein. Neuerdings sind noch einige Fälle beobachtet worden, bei welchen
gleichzeitig mit der Adduktion des Bulbus eine Verengerung der Lidspalte
2*
ao
Form und Weite der Lidspalte.
herv^orgebracht wurde, indem der Augapfel in die Orbita zurückgezogen wurde.
Diese Ersclieinung trat nur bei solclien Individuen auf, welche einen kongeni-
talen Mangel der Abduktion aufwiesen. Man findet eben bei angeborenen
Beweglicbkeitsdefekten des Bulbus nicht selten die Extemi überhaupt fehlend^
oder in einen bindegewebigen Strang verwandelt, wodurch der Bulbus auf
der Seite des Externus fixirt wird. Kontrabirt sich nun der Internus, so
weicht naturgemäss der Bulbus zurück» und die Lidspalte verengert sich:
denn nun wird der Orbicularis von deui zurückweichenden Auge weniger
gestützt, seine Fasern verlieren ihren Halt und, ihrem Tonus folgend, ver-
kürzen sie sich vom Bogen zur Sehne, Türk {52) und Mac 1 eh ose (53).
e) Die relative FtilJung der Orbita.
§ 16. Ist der Fettreich tb um der (*rl)ita ein sehr grosser, oder ist, wie
bei der Basedow'st'hen Krankheit, der Tonus der Orbitalgefasi^e erschbfft
und daher der Blut re ich thum dieser
Gegend vermehrt, oder sind da-
selbst Neubildungen, entzündliche
Intiltnitionen (siehe Fig. 7) oder
Abseesse vorlianden, so wird der
Bulbua mehr nach vorn und damit
weiter in die Lidspalte hinein-
gedrängt. Bei fettarmen Personen
oder Patienten, welche starke Säfte-
verluste erlitten haben, ist der
Bulbus oft tief in die Augenhöhle
zurückgesunken , und demzufolge
die Lidspalte enger als gewöhnlich.
Diesem Zustande begegnen wir auch
bei der Heuiiatropbia facialis. So
fand Virchow (54) bei einem Falle
von neurotischer Gesichtsatropbie
den Schwund des Orbital fettes sehr
ausgesprochen. Einige glauben»
dass eine geringe Erweiterung der
LidspaUe durch den Spasmus des
von H. Müller entdeckten Muscul.
\V, \v.
Fig. 7.1)
Ex Ophthal Ullis un<J kluflende Litlspalte
bei Siaiii^thromboBe Tod.
orbital is bedingt werden könne. Durch die Kontraktion desselben werde ein
Druck auf den Orbitalinhalt ausgeübt, und damit der Bulbus mehr in die
Lidspalte hineingetrieben. An der Stelle nämlich, wo das Periost der örbita,
die sog. Periorbita als sog. Membrana orbitalisdie Fissura orbital
1) Der Pftti^Dtin, einem 18 jährigen MMchen, wurde v^r 8 Tagen ein Backenxalin
Hnka unten extrahirt. Seit 8 Tagen Schwellung des liuken Auges und Fieber. Bdd schwoll
die gfluze linke obere Wangengegend an und trat eine stiirke Schwellung der Venen immer
deuthcber hervor. Dazu kam eine starke Protrusion des liuken Bulbus nach unten unJ
i
Reizung und Lähmung des Sympathicus. 21
inferior überbrückt, sind ihr glatte Muskelnfasern in grosser Menge, wenig-
stens bei den Säugethieren, eingewebt und , bilden den vorhin genannten
Orbitalmuskel. Die überwiegende Mehrzahl dieser Fasern verläuft parallel
der Richtung der Fissur, nur wenige vertikale Bündel treten im dicksten
Theile des Muskelstratum hinzu. Vom oberen Rande der Fissur breitet sich
die Muskellage noch einige Millimeter weit im Periost der Superficies orbitalis
alae magnae aus. Innervirt wird dieser Muskel vom Sympathicus. Auf
Reizung des Halstheiles dieses Nerven drängt der sich kontrahirende, mäch-
tiger entwickelte Muskel der Säugethiere den Augapfel vor. Zum Theil wird
der Muskel vom Ganglion spheno-palatinum versorgt. Schwalbe (55). Beim
Menschen ist jedoch der M. orbitalis nach Sattler (56) nur auf verhältniss-
mässig sparsame Bündel reduzirt, welche in der medialen Partie der die Fissura
orbitalis infer. ausfüllenden fibrösen Membran gelegen sind und nicht leicht
einen irgend nennenswerthen Einfluss auf die Lage des Bulbus äussern können.
Auch haben die direkten Versuche von R. Wagner und H. Müller (56a)
an Hingerichteten gezeigt , dass beim Menschen ein Hervortreten des' Bulbus
bei Reizung des Halssympathicus nicht zu beobachten ist. Ebensowenig
können die von Sappey (57) beschriebenen organischen Muskeln in der
Orbitalaponeurose, welche bei Reizung des Halssympathicus auch zur Protrusion
mitwirken sollen, hier in Betracht kommen.
d) Reizung und Lähmung des Sympathicus.
§ 17. Die eben erwähnte Wirkung des Orbitalmuskels auf die Erweiterung
der Lidspalte wird mit Recht von Vielen angezweifelt. Ein grösserer Effekt
auf die Weite der Lidspalte wird jedoch durch Reizung oder Lähmung der
beiden glatten, ebenfalls vom Sympathicus innervirten Lidmuskeln: Muse,
palpebralis super, und palpebr. inf. hervorgebracht. Der erstere bildet die
mittlere Schicht der Aponeurose des M. levator palpebr. sup. (siehe Fig. 8, 6 b)
und inserirt sich am vorderen Rande des Tarsus. Die Faserung des M. palpe-
bralis sup. ist sagittal. Nach den Untersuchungen Sattler 's (56) ist der
M. palpebr. sup. et inf. in Stärke und Ausbreitung sehr verschieden, nament-
lich scheint derselbe bei jüngeren Individuen im Allgemeinen besser ausge-
prägt zu sein, als bei älteren; auch bilden die schmalen, theils netzförmig
angeordneten, grösstentheils aber longitudinal verlaufenden, und gegen den
konvexen Rand des Tarsus fächerförmig ausstrahlenden Faserbündel des Muskels
keine kontinuirliche Schicht, sondern werden von Reihen und Gruppen zahl-
reicher Fettzellen vielfach von einander getrennt. Ein Theil der Aufgabe
dieser Muskeln dürfte, wie auch Sappey (57) angiebt, wohl darin bestehen.
aussen. Starkes LidOdem. Die Pupillenreaktion etwas träge. Der Fundus oeuli normal.
Rechts nor ganz geringes Oedem, auch links wurde nun eine Zunahme des Exophthalmus
konstatirt. Bei aasgedehnten Incisionen der linken äusseren Wangenschleimhaut fanden
sich alle Venen thrombosirt. Patientin starb am 10. Tage ihrer Erkrankung.
00
Form und Weite der Lidspalte.
die Lider bei allen Bewegungen und Stellungen der Augen stets an dasselbe
gut angeschmiegt zu erhalten. Keineswegs scheint es aber plausibel, dass
eine spastische Kontraktion dieser Muskeln der freien Aktion des vielmal
stärkeren Orbicularis eine erhebliche Behinderung entgegensetzen könne. Man
hatte bekanntlich aus einer Reizung dieser Muskeln das Klaffen der Lidspalte
beim Morb. Basedowii erklären wollen. Im unteren Augenlide tritt an Stelle
P^rklärung der Figur 8.
1 Huut des oberen Augenlides; 2,2 Muse orbicul. palpebr. ; 3 Faioia palpebr. sup.;
4 Band des Stirn1>eins; 5 Tursus superior, schematiseh abgegrenzt, Muse, levator pal]>ebr. taper.;
6a dessen Ilauptsehne, welehe sich zwiseben Tarsus und Muse, orbicularis ausbreitet; 66 der
glatte M. pulpebralis sup.; 6c vereinigter zur Conjunetiva ziehender Fascien-Zipfel des M. levator
palpc^brae und des Muse, rectus superior; 7 M. reetus super.; 8,8 Tenon'sche Fasde; 9 Sehne
des M. rectus superior, durch den Tenon'sehen Kaum ziehend; 10 Abgrenzung des inneren Or-
1)itulfettc>s ; 11 gegen den supravaginalen Kaum 12; 13 Muse, rectus inferior; 13a Min Fsaden-
zi]>fel zum unteren Augenlid; 14 Querschnitt des Muse, oblig. infer.: 15 Haut des unteren Augen-
lids; 16 Tarsus infer. schematiseh abgegrenzt: 17 Fascin palpebr. infer. ; 18, 18 Periorbita ; 19,20
Fornix Conjunct. a Sehnerv; 6 (rluskörper; c Linse; d Hornhaut. Vertikaler Durchschnitt darch
den Augapfel und die Orbita in der Richtung der Orbitalachse bei geschlossener lidsiwltc nach
Schwalbe.
der Levatorausbreitung der Fascienzipfel des Muse, rectus infer. Er lässt
sich ebenfalls, wenn auch weniger deutlich, in drei Lagen sondern, von denen
die inneren und äusseren rein bindegewebig sind, die mittlere dagegen die
ReizüDg und Lähmung de 9 Sympftthicus.
23
glatten Muskelbündel des M. palpebralis ini'er. einscbliesst (Fig. 8, 13a).
Letztere verlaufen in der mittleren Lidportion !<agittal und znm unteren
äusseren Trirsusrande (Schwalbe I. a 242).
Eine Reizung des Grenzstninges des Sympathicus hat eine Erweiterung
der Pupille, Blässe der entsprechenden Gesichtsbälfte mit Vermehrung der
Schweisssekretion an dieser Seite, eine massige Erweiterung der Lidspalte
durch Retraktion der Lider und ein ganz geringes Hervortreten des liulbus
durch Kontraktion des glatten Muse, orbitalis zur Folge.
Bezüglich der Reizung des Sympathicus sind wir in der Lage, fol-
genden Fall mitzutheilen:
Ein 23 jähriger Knecht ist wegen Panaritien der linken Hand auf der
Chirurg; Abtheilung des Herrn Dr, Wiesinger. Im ersten Lebensjahr Krämpfe.
Angeborener rechtss. Torticollis; Cataracta zonularis oc. utr.
Die rechte Pupille ^ehr viel weiter als die linke* Reaktion
lieiderseits gut. Rechte L i d s p a 1 1 e weiter als die linke. Der rechte
Bulbus scheint etwas weiter vorzustehen als der linke, (ianz exquisit
deutlich w a r e i n halbseitiger S c h w e is s a us b r u c h auf der rechten
G esichtshälfte genau bis zur Medianlinie. Die rechte Gesichts-
halfte war blasser als die linke.
Im Uebrigen bot Pat. die unzweifelhaften Zeichen einer Syringomyelie im
unteren Hals- und oberen Brustuiark dar: Die vier Finger der linken
Hand waren verdickt und standen in Beugestellung. Hand en masse ver-
grüssert; erinnert an eine akromegalisdie Hand. Atrophien des Tbenar,
Hypothenar und der Interossei. Reste der verheilten, schmerzlos gewesenen
Panaritien (Morvan'sche Krankheit). Ueber dem linken Ellbogen eine ver-
heilte Blase. Am ausgeprägtesten ist die Störung der Schmerzeuiptindung
und des Temperatursinns (an d. L Hand besonders für Kältereize) an beiden
Händen; jedoch auch ganz leichte Störung der Tastemplindung. Es besteht
ein Ciibbus am Tebergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule, Die Reflexe
an den unt. Extremitäten, die nicht atrophisch erscheinen, sind gesteigert.
Obwohl man nun zweifeln könnte, ob es sich hier nicht vielmehr um eine
Sympathicuslähmung auf der linken Seite handle, da bei der Syringomyelie
sich dieselbe bekanntlich in der Kegel auf der Seite befindet, auf welcher
die Muskelatrophien stärker ausgesprochen sind, und die Differenz der Lid-
spalte, der Pupille und der Gefassfüllung zu Gunsten eines linksseitig patho-
logischen Processes gedeutet werden konnte, so sind wir wegen der auf-
fallenden Weite der rechten Pupille und namentlich wegen des hochgradigen
halbseitigen Schweisses auf der rechten Gesichtshälfte und wegen der niciit
ausgesprochenen Myosis der linken Seite der Ansicht , dass es sich hier um
eine rechtsseitige Halssympathicus r e i z u n g liandelt. Dieselbe dürfte sich dadurch
erklären, dass die in Betracht kommenden Nerven mit dem Bam. comniun.
des ersten Dorsalnerven die Mediiila spinalis verlassen, also aus einer Höhe
kommen, in welcher die gliomatöse Veränderung Platz gegriffen hat, was sich
aus der Lokalisation der trophischen Störungen an der Hand erschliessen lässt.
u
Fc-rrii und Weite lier Luis palte.
Kokain auf die Conjiinctiva appliÄirt, iiilt bezüglich der Lider dieselbeü
Ers^lieintmgen hervor, auch eine mangelhafte Mitbewegung der oberen Lider
heim Bhck nach unten, bekannt als \\ Graefe Vches Syniptoni. Koller und
später J es soj) (bS) fanden, das8 man einigte Tatre nach Durchscbneidung Jer
sympathischen Nervenendigungen dieses Symptom nicht mehr erzeugen könne.
Darum will auch H u ghl ings- Jackson (r>*Ja) das Kokain, da es nur auf
den Syrnpathicus wirke, als rliagnostisehcs Hillsmittel benützt wissen^ ob z. B.
bei Tabes eine Ptosis auf
einer Lilhnumg des Levator,
oder der glatten Muskelfasern
beruhe. Weil nun beim Morbus
Basedowii ganz der analoj^e
Symptumenkomplex: als La-
fj^ö[)btbaimus, Retraktion der
Lider , mangelhafte Mitbe-
wegung des Oberlides hei
Senkung der Bliekebene vi«r-
kommt, hatte schon v. G r a e f e
«liese Erscheinungen auf einen
Spasmus des Mü Her 'scheij
Lidmuskels zurückgeführt. —
Wir kommen weiter unten
noch ausführlicher auf diese
Erscheinung zurück.
Lahmung des Syrnpathi-
cus, etwa durcli Wunden am
Hals, oder Tumoren, welche
auf den Nerven drücken, be-
wirkt enge, aber auf Licht
reagirende Pupillen (wegen
überwiegender Spannung des
vom Oculomotorius versorgten
Sphincter pupillae), Ver-
engerung der Lidspalte
Fig. y.
A. B, Morbus Basedowii mit 8}'m]»athicuBlähTnuDg auf
dem n'chh*n Auge ^cnge Lideimlle ; eii^e PiipiU*").
theils wegen überwiegendem Tonus des Orbicularis, theils wegen eigener
Schwere des Oberlides und vielleicht wegen geringen Zorücksinkens des
Bulbus durch Erschlaitung des Müller' sehen Orbitalmuskels resp. durch
konsekutiven Schwund des orbitalen Fettgewebes (Hemiatropbia facialis).
Die leichte Ptosis nach Sympatbicuslähmung tritt meist nach psychischen
Alterationen oder nach körperlichen Anstrengungen stärker hervor, da-
neben Rijthung und vermehrte Schweisssekretion der gleichen Gesichts-
hälfte, lieber einen derartigen Schulfall berichtet L. J a c o b s o h n (60).
Dieser sah bei einem l'/sjährigen Kinde nach Eröft'nung und Auskratzung
eines Drüsenabscesses der linken Halsseite folgende Erscheinungen an der
Weite der Lidspalte imti*r Terscliiedeiieii Bedingmigen. 25
operirten Seite auftreten: Verengerung der Pupille^ Yerengening der Lid-
spalte, Blasse und Küble der Gesichtshälfte, Anidrosis, Enophthalmus,
Eingefallensein der ganzen Gesichtshälfte. Anscheinend war das Ganglion
cervicale suprenum bezw. die von diesen ausgehenden Fasern des Sjmpathi-
cus getroffen worden. Einen ganz analogen, bloss einen 16 jährigen Schüler
betreffenden Fall haben auch wir beobachtet. In Fig. 9 zeigen wir die Ab-
bildung einer 41jährigen, hereditär nicht belasteten Frau, welche seit Jahren
von Herzklopfen, Kurzlufligkeit, Angstgefühl, Zittern der Hände, Fliegen des
Körpers und zeitweisem Doppeltsehen litt. Seit einem Jahr zunehmende Ge-
dächtnissschwäche, erhöhte Reizbarkeit, unruhiger Schlaf und nächtliche
Schweisse. Femer unregelmässige Menstruation und Abmagerung. Bei der
Untersuchung fatid sich: enorme Struma mit Kompressionserscheinungen der
Trachea; ausgedehntes Venennetz von der vorderen Brustregion; sehr be-
schleunigte Herzaktion; beiderseits leichter Exophthalmus; rechts Pupille enger
als die linke; deutliches Graefe'sches Symptom; Insufficienz der Intemi;
kein Stellwag'sches Zeichen.
Die Sympathicuslähmung ist hier auf den Druck der Struma auf den
rechten Grenzstrang zurückzuführen.
e) Reflektorische Einwirkungen.
§ 18. Die Weite der Lidspalte steht auch in Wechselbeziehung zu der je-
weiligen Lichtmenge, welche auf die Netzhaut fallt (Zukneifen der Augen bei
Blendung). Femer steht sie in Abhängigkeit von den sensiblen Reizen, welche
von der Hornhaut und Bindehaut aus den Muse, orbicularis erregen (Schluss
der Lider bei Läsionen und Infiltrationen der Hornhaut, bei Bindehaut-
katarrhen etc.). Auch aus der psychischen Sphäre, namentlich durch die
Affekte, wird die Weite der Lidspalte beeinflusst (Aufreissen der Lidspalte
bei Schreck und Erstaunen, Zusammenziehen der Augenbrauen bei Verenge-
rung der Lidspalte bei Hass und Zorn etc.).
f ) Die Grösse des Bulbus selbst.
§ 19. Der grosse eiförmige Bulbus der Myopen drängt sich oft weit in die
Lidspalte hinein, täuscht nicht selten einen Exophthalmus vor und verhilft
seinem Besitzer zu dem charakteristischen Ausdruck ;,des Glotzauges^.
Ebenso erweitem der Buphthalmos und Skleralektasien, letztere oft unregel-
mässig, die Lidspalte.
g) Angeborene Fehler.
§ 20. Femer wird die Weite der Lidspalte durch angeborene Fehler oder
durch Verwachsungen beeinflusst: Ankyloblepharon (Verwachsung des
oberen Lides mit dem unteren entlang dem Lidrande), oder durch Symble-
pharon, der narbigen Verwachsung der Conjunctiva palpebrae* mit derCon-
26 Die Lidreflexe.
junctiva bulbi. Auch kongenitale Blepharophimosis wurde beobachtet wie
in dem Falle von Rampoldi (61), ferner Schrumpfung der Bindehaut bei
Trachom und Pemphigus.
Die Lidspalte im Tode.
§ 21. Da nach Erschlaffung resp. Lähmung des Levator palpebrae und orbi-
cularis komplete Ptosis entsteht, so ist es auffallend, dass bei so vielen Leichen
kein, oder nur ein geringer Schluss der Lidspalte gefunden wird.
Gazzaniga (62) hat an 194 Leichen Betrachtungen über den Stand
der Lider nach dem Tode und deren postmortale Bewegungen gemacht und
gefunden, dass in 80®/o der Leichen die Augen halb geöffnet sind (d. h. die
Lider bedecken die halbe Hornhaut), in 12®/o sind die Augen offen und in
8®/o halbgeschlossen, d. h. ^/4 der Hornhaut bedeckt. Gazzaniga suchte
die Erklärung dieser Beobachtung darin, dass während der Agonie Er-
schlaffung des Levator palpebrae und des Orbicularis einträte, da aber letz-
terer später als die übrigen Sphinkteren vollständig erlahme, die mangelnde
Thränensekretion einer Senkung des Oberlids störend entgegenträte, und die
Todtenstarre in den Gesichtsmuskeln überhaupt rascher sich einstelle, so werde
auch das Halbgeöffnetsein der Augen nach dem Tode leichter verständlich.
In 65®/o der halbgeöffneten Augen tritt eine mehr oder weniger voll-
ständige postmortale Schliessung der Lidspalte ein; dieselbe tritt 30 bis
60 Stunden nach dem Tode auf; später nicht mehr. Nach akuten Krank-
heiten mit rasch eintretender Todtenstarre findet man die Augen eher offen
oder halbgeöffnet, bei chronischen Krankheiten geschlossen oder halbgeschlossen.
Auf die postmortale Lidbewegung habe die vorausgegangene Krankheit keinen
Einfluss. Zwei Jahre früher hatte auch Valude (63) ähnliche Unter-
suchungen gemacht, jedoch an einem geringeren Materiale.
Kapitel IIL
Die Lidreflexe und das anatomische Verhalten des
Muse, orbicularis palpebrarum.
sj 22. Wiewohl der Lidschlag willkürlich erzeugt werden kann, so entsteht er
doch meist auf dem Wege des Reflexes. Bezüglich der reflektorischen Vor-
gänge an den Augenlidern kommen der Nervus opticus und der Nen% trige-
minus einerseits, sowie der Nerv, facialis und wahrscheinlich auch der Nerv,
sympathicus andererseits in Betracht.
Die Zabi, sowie die VollstänJigkeit der in der Zeiteinheit ertblgenden
Lidschläge steht in reflekt arisch er Wechselhejiiehung zu den auf die Retina
einwirkenden Lichtuiengen, wie zu den sensiblen Erregungen, die dem Orbi-
cularis von den Emptindimgsnerven der Hornhaut, der Conjunctiva und Lid-
haut üWrraittelt werden.
Bei den sog. psychischen ReÜexen, den emotionellen Bewegungen der
Lider, scheinen auch die vom iSympathicus versorgten glatten Lidmuskeln mit
in Aktion zu treten.
Da durch Bedecktbleiben der Lidspalte während des Schlafe weder
namhafte Mengen von Licht in das Auge fallen, noch besondere taktile Reize
von der Bulbusobertiäche ausgelöst werden, so fällt auch wahrend dieses Zu-
standes der Lidschlag weg.
Der reHektnrische Lidschlag zum Schutze der Augen geschieht beim
Menschen immer doppelseitig. Es erklärt sieh dies nach 0. Langen-
dorff (73) aus der grossen Nachbarschaft beider Augen ^ untl dem dadurch
,, gemeinschaftlichen Gefahrfelde'', weil eine Ciefahr, welche das eine Auge
bedrohe, zugleich das andere mitbedrohe. Daher habe der Mensch die inter-
centrale Bahn der beiden Blinzelretlexcenlren so eingeschliften, dass der Reflex
ül>erhaupt nie mehr einseitig bleibe.
Lidrefiexe vom Nervus opticus.
g 23. Der reflektorische Lidschi uss ist eine äusserst zweckmässige Schutz-
vorrichtung für das Auge und wird sehr kräftig dann bewerkstelligt, wenn dem
Auge theils durch Einfall zu grellen Lichtes Unbehagen oder Gefahr droht '), theils
wenn plötzlich Gegenstande im Gesichtsfelde auftauchen, deren Fortbewegungs-
richtung dem ülrerraschten Individuum noch nicht bekannt ist. Meist treten
auch im Verein mit diesem Lidschluss Fluchtbewegungen der Augen, Weg-
wenden des Kopfes und Oberkörpers, auch Abwehrbewegungen mit den Händen
auf. Diese letzteren sind bei dem neugeborenen Kinde nur ganz rudimentär
vorhanden. Hier finden wir ledigliiK einen rertektorischen Lidschluss und
vielleicht Bewegungen des Kopfes,
Je nach der Richtung des einfallenden Lichtes wird die Kontraktion
der Lid|iortion vom Orhicularis aiu Ober- und rnterlide mehr in Anspruch
genommen. Gegen die Beleuchtung des Auges von oben ist dem Oherlide
ein grosser Spielraum gegeben. Bei Beleuchtung von unten wird das untere
Lid etwas gehoben, wie man an den iiir den Lichtretlex von unten unge-
wohnten Augen von Reisenden auf den Schnee- und Eisfeldern, oder hei Schau-
spielern auf der Bühne w-egen der Prosceniumslampen sehen kann.
1) Die durch Einfall zu grellen Lichtes bewirkten intensiven Nachbilder können
namentlich bei nerv5i»en Inclivtduen sehr lange störend das Si,'hen hoejnflussen, andererseits
kann dnnh dauernden Einfall zu intensiven Lichtes eine bleibende organiarUe Veränderung
in der ilacula Int^a mit 8t'otom hervorgerufen werden.
28 Die Lidreflexe.
Den reflektorischen Lidschluss bei unvorhergesehenen Erregungen des
Opticus benutzen wir zu diagnostischen Zwecken und zumeist dann, wenn es
sich wie z. B. bei kleinen Kindern oder bei aphasischen oder benommenen
Kranken, mit denen wir uns nicht verständigen können, um die FeststelluDg
einer Hemianopsie handelt.
Zur Ausführung dieses Experiments muss die Blickrichtung des zu unter-
suchenden geradeaus gerichtet sein. Während benommene Patienten meist
in dieser Weise im Bette liegen, erscheint es bei Aphasischen oder bei kleinen
Kindern nothwendig, durch einen vorgehaltenen Gegenstand zunächst die
Blickrichtung des Patienten zu fixiren, um dann unvorhergesehen ein bren-
nendes Licht oder einen hell glänzenden Gegenstand bald von der einen, bald
von der anderen Seite im Gesichtsfelde auftauchen zu lassen. Auf Seiten
des hemianopischen Gesichtsfeldausfalles wird dann der reflektorische Lidschlag
ausbleiben, und keine Drehung der Augen und des Kopfes nach dem Liebte
hin erfolgen, während von den noch funktionirenden Retinalhälften aus dies
in prompterWeise vor sich geht. Dabei bleibt jedoch strenge zu beachten, dassman
keinen Luftzug erregen und dadurch taktile Reize auslösen, noch durch zu
nahes Heranbringen des Lichtes an die Wange und das Auge Wärmeempfind-
ungen hervorbringen darf, weil sonst ein Reflex von Seiten des Trigeminus
ausgelöst, und das Ausbleiben des Retinalttexes dadurch maskirt werden würde.
Dass dieser Reflexbogen zwischen Opticus und Facialis das optische
Wahmehmungscentrum in der Rinde der Fissura calcarina durchläuft, scheint
uns nach den Prüfungsergebnissen bei Hemianopischen im höchsten Grade
wahrscheinlich. Bekanntlich sind die Hemianopsien zufolge von Himerkrank-
ungen im Hinterhauptslappen und der intracerebralen optischen Leitung sehr
viel häufiger, als die aus einer Zerstörung des Tractus opticus an der Basis
hervorgegangenen. Würde nun die Erregung zur Erzeugung des Blinzelreflexes
nicht das optische Wahrnehmungscentrum passiren, sondern ihren Weg durch
die primären Opticuscentren nehmen, so würden wir bei der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle diesen Reflex zur Diagnose der Hemianopsie gar nicht
verwenden können, was aber den praktischen Erfahrungen zuwider läuft.
Durch Sektionsbefunde, bei welchen vorher auf diese Verhältnisse geachtet
worden war, würde die Frage leicht gelöst werden können.
Nur eine bis dahin vereinzelt gebliebene Beobachtung von Knies (74)
steht dieser Annahme entgegen. Dieser beobachtete einen 12jährigen an
urämischer Amaurose total erblindeten Knaben, bei welchem, ohne dass eine
Spur von Lichtempfindung zum Bewusstsein kam, dann ein Lidschluss eintrat,
wenn das Sonnenlicht direkt von vom in das Auge geworfen wurde.
Die von Eckhard (75) gefundene Thatsache, dass nach Abtragung des
Grosshirns beim Kaninchen das Phänomen des Lidreflexes vom Opticus aus
nicht unterbleibt, dürfen wir nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen.
Das auffällige Klaflfen der Lidspalte bei Blinden, das der Physiognomie
derartiger Individuen ein so eigenthümliches Gepräge verleiht, steht oflFen-
bar auch mit dem Umstände in Zusammenhang, dass die dem gesunden Auge
Lidreflexe vom Nerv; opticus. 20
fortwährend van der Retmti ziifliessenden und den Tonus des Orbicidaris ver-
stärkenden Reize hier völlig in Wegfall kommen.
Dass das auf Lit-htreiz erfolgende Augenblinzeln wirklich durch Reizung
des Opticus zu Stande kommt und nicht, wie einige behaupteten, auf einem
vom Trigeminus unter chemischer Einwirkung des Lichtes auf die Endgebilde
desselben eingeleiteten KeHexakte beruht, hat neuerdings Eckhard (75) wenig-
stens beim Kaninchen nachgewiesen; denn das Phänomen besteht nicht mehr
weiter, wenn der Opticus der zu reizenden Seite mit Sclxonimg des Trigeminus
durchschnitten wird. Es kommt auch durch Reizung des centralen Stumpfes
des durchschnittenen Opticus zu Stande, während es andererseits ausbleibt
nach Durchschneidung des Trigeminus und Reizung des centralen Stumpfes
dieses Nerven.
Indirekt wird ebenfalls noch vom Opticus aus ein reflektorischer Lid*
schluss bewirkt. Viele Menschen müssen, wenn sie aus dem Dunkeln ins
Helle treten, niesen. Das Niesen ist aber stets mit einem kräftigen Lid-
schluss verbunden. Auch bei lichtscheuen, skrophulosen Kindern mit Corneal*
aftektionen tritt dieses Niesen mit vermehrtem Lidkrampf auf, wenn gewalt-
sam die Augen derselben geoftnet werden. Nach Donders (70) ist der Lid-
scbluss für die intraoculare Bhitcirkulation nicht ohne Bedeutung, weil der
physiologische Blepharospasmus bei starkem Husten und Niesen als Regulator
gegen den exspiratoriscben Blutandrang dient. Trotz dieser Vorrichtung
sehen wir dennoch bei Tussis convulsiva häufig eine Sugillation der Conjunc-
tiva bulbi eintreten.
Mit Refraktionsfehlem behaftete Individuen gelangen auf empirischem
Wege dahin, ihre Lider derartig zu verengem, dass nach Art einer steno-
]Kiischen Spalte dann nur noch die centralen, oder den centralen benachbarte
Strahlen in das Auge einfallen, welche ja bekanntlich gar keine oder nur eine
geringe Brechung erleiden. Durch diese Abbiendung wird das Bild zwar
dunkeler, aber doch deutlicher, und sehen wir bei allen Individuen mit hoch-
gradigen Refraktionsfehlern diese Form des Kneifens zur Anwendung gelangen.
Bei anderen, welche beim Blinzeln die Lidspalte nicht so weit verengern,
dass durch die schiitzfiirmige Einstellung derselben eine stenopäische Spalte
gebildet wird, übt die Innervation bestimmter Muskelgmppen des so komplizirt
gebauten Orbicularis, wie wir später sehen werden, einen Druck auf den Aug-
apfel aus, wodurch ein vorhandener astigmatisclier Bau gemindert, oder selbst
korrigirt werden kann. Diese Selbsthülfe wird ebenfalls auf emiiirischem Wege
erlangt. Durch häufige Anwendung werden die Bahnen aber dermassen ein-
geschliffen, dass diese Kontraktionen später fast reflektorisch erfolgen.
Lfdreflexe vom Trigeminus,
§ 24. Noch häufiger als von der Retina sehen wir von der Bulbusoberfiäche
her den M. orbicularis refiektorisch erregt werden. Schon sehr geringe sen-
sible Reize, wie sie durch die Verdunstung der Flüssigkeit von der Bulbus-
30 Die Lidreflexe.
Oberfläche und durch die angeflogenen Staubtheilchen bedingt werden, lösen
physiologisch den gewöhnlichen Lidschlag aus, der bei vermehrten Reizzuständen
der Conjunctiva und Cornea noch häufiger und intensiver erfolgt. Diesem
zwischen Trigeminus und Facialis bestehenden Reflexverhältniis liegt daneben
auch die Feuchterhaltung der Hornhautoberfläche ob. Bei jedem Lidschlage
werden die auf derselben haftenden Staubtheilchen weggekehrt, und wird die
Hornhaut mit einer gleichmässigen Schichte von Thränenflüssigkeit von dem
gleichen ßrechungsindex, wie sie selbst, überzogen, und dadurch ein Ausgleich
derjenigen Unebenheiten bewirkt, welche temporär durch das Abfallen der
Epithelzellen entstanden waren. Die Feuchtigkeiten, mit welchen die Epithel-
schicht der Cornea fortwährend in Berührung ist, lassen bei normalem Lid-
schlage eine Verhärtung und Trübung wie an den Epidermiszellen nicht zu
Stande kommen.
In schweren fieberhaften Krankheiten ist der Lidschlag überhaupt w^en
Damiederliegens des Sensoriums vermindert, und bei somnolenten Kranken
ganz aufgehoben, weil Empfindungen peripherer Reize nicht mehr zu Stande
kommen. In der halbgeöfl'neten Lidspalte sammelt sich dann auf dem unteren
Hornhautsegment zäher Schleim und vertrocknetes Epithel, was einem Minder-
erfahrenen als Ulcus corneae oder Keratitis e lagophthalmo imponiren möchte.
Dies ist ein Symptom übelster Vorbedeutung.
Es nimmt nicht Wunder, dass ein so ausgeschliflfenes Reflexverhältnis
bei neuropathisch angelegten Individuen selbst auf geringe den Opticus oder
Trigeminus treff'ende Reize sehr häufig in excessiver Weise durch Krampf-
zustände des Orbicularis antwortet.
Was die Sensibilitätsverhältnisse der Hornhaut und Conjunctiva anbe-
langt, so hatten wir in § 4 bei Besprechung der Lidnerven das Nähere an-
geführt. Es darf hier noch nachgetragen werden, dass nach Nagel (77) der
Lidschlussreflex bei Berührung der Cornea und Conjunctiva mit einem warmen
Gegenstande viel weniger stark auftritt, als bei Berührung mit einem kalten.
Eine Berührung an Stellen der Cornea und Conjunctiva, welche zur Empfind-
ung unfähig sind, erzeugt niemals Lidschlussreflex. Den ßerührungsreflex der
Cornea und Conjunctiva untersucht man am besten mit einem spitzen
Pinsel an einem langen und schmalen Stiel, wobei man verhüten muss,
das Bild desselben im Gesichtsfelde auftauchen zu lassen, um jede plötzliche
Erregung des Opticus auszuschliessen.
Mob i US (78) hat bei zahlreichen Gesunden die Reflexe bei Berührung
der Conjunctiva geprüft. Diese sind bei Kindern und jugendlichen Personen
fast immer lebhaft: rasches Zukneifen der Augen, bezw. Fluchtbewegungen
des Kopfes. Mit zunehmendem Alter nehmen dieselben allmählich ab. Im
Gegensatz zu W. A. Nagel (77) hat er nie bei Gesunden eine umschriebene
rnempflndlichkeit beobachtet. Immer erhielten sich beide Augen gleich; die
reflektorische Bewegung wurde um so lebhafter, je näher der Cornea die
Berührung stattfand. Dagegen konnte M ü b i u s bei einem Falle von Ophthal-
nioplegia externa eine regionäre Anästhesie der Hornhaut mit Ausbleiben der
ReHexe beobachten. Beriilirte man mit einem stumpfen Gegenstande die
t'oTijiinctiva oder gar die Cornea links, so erfolgte lebhaftes Zukneifen des
Auges bezw. Weiz/Jehen des Kopfes. Am recliten Auj^^e bewirkte Beriilinmg
der medialen Hälfte der Curnea , der medialen Conjunt-tiva bulbi und der
Conjunctiva des unteren Lides keinen Retlew Wir beben hierbei noch einmal
hervor, dass nacli den rntersuchungen von Nagel (TT) sowohl die Temperatur-
wie die Berührungsreize an manclien Stellen deutlich, an anderen unsicher.
an anderen gar nicht wahrgenommen werden, und dass die HäuHgkeit der
anästhetischen Punkte, namentlich der Cornea bei den einzelnen Individuen
wecLsele. Zut^itände der Entzündung verändern die Sensibilität der Hornliaut
überhaupt.
Die Herabsetzung der Empfindlichkeit der Conjunctiva, hauptsächlich
des linken Auges, soll hei HysteriJ^chen so konstant sein, dass sie nacli Bri-
quet als ein charakteristisches Zeichen der Hysterie betrachtet werden könne.
Dabei ist aber nach Gilles de la Tou rette (T9) die Hornhaut selten auf
ihrer gan^^en Fläche unemptindlich. Nach diesen Autoren wäre auch in den
Fällen, bei welchen die Anästhesie der Hornhaut und Conjunctiva eine voll-
ständige gewesen sei, der oculo-palpebrale Retlex auch nicht mehr zu erzeugen
gewesen, während aber bei Berührung mit einem Stück Papier die Thränen-
sekretion ebenso reichlich, als bei vorhaiulener Sensibilität sicli erwiesen hätte.
Die als StelUvag'sches Zeichen bekannte Seltenheit und UnvoUkommen-
heit des unwillkürlichen Lidschlags bei der Basedo waschen Krankheit, mag
zum Theil auf Verminderung der Homhauteuipfindlichkeit beruhen, da ja
bei Nervösen derartige HypÜstbesien relativ häutig sind, und ein hochgradig
nervöser Zustand fast regelmässig bei Basedow* sehen Patienten gefunden wird.
Da aber, wie S t e 1 1 wa g selbst gefunden hat, das Seltenerwerden des unwillkür-
liehen Lid^schlags der Anästhesie der Hornhaut oft vorausgeht, und eines der
frühesten Symptome des Morb. Basedow*ii ist, kann das St eil wag'sche Zeichen
nicht von der Hornbautanästhesie allein bedingt werden. Sattler (80) will es
auf eine Liision derjenigen Reflexcent ren zurückgeführt wissen, von welchen
aus die von der Netzhaut und den Eniptindungsnerven der Bindehaut und
Hornhaut zu den motorischen Apparaten der Lider ausstrahlenden Reflexe
beherrscht werden,
G, Sa vage (92) berichtet von einer 25 jährigen nicht belasteten Schnei-
derin, dass dieselbe eine wunderbare Fähigkeit hatte, ihre Augen ofl'en zu
halten, ohne zuzwinkern. Sa vage konnte die I*apille über eine halbe Stunde
mit dem Augenspiegel beoliachten, ohne dass Patientin blinzelte. Dieselbe
litt an schweren hysteroepileptischen Anlallen. Während derselben waren die
Pupillen eng, und die Bindehäute weniger empfindlich als für gewöhnlich,
§ 25, Man sollte meinen, dass bei den gewühnlichen peripheren Facialis-
läbraungen der retlektoriscbe Lidschlag auf Seiten der Lähmung ganz in Ausfall
komme. Diese theoretische Forderung stimmt aber nicht mit der praktischen
Erfahrung überein: denn nach unseren Beobachtungen findet istetn mit dem
ausgiebigen Lidschlag des gesunden Auges gleichzeitig ein luehr oder niinder
32 Die Lidreflexe.
deutliches Zucken des Oberlides der gelähmten Seite statt. Diese Zuckung
könnte man durch das event. Vorhandensein noch leitungsfähiger Fasern
auf der erkrankten Seite erklären; andererseits darf man aber nicht ver-
gessen, dass nach der Ansicht vieler Autoren jeder Orbicalaris mit beiden
Gehirnhälften in Verbindung steht und somit besser innervirt ist, als das
übrige vom Facialis innervirte Muskelgebiet. Da wir jedoch in einem
Falle von operativer, kompleter, nicht wieder verheilter Trennung des peri-
pheren Facialis, auf der aktiv und auf elektrische Reizung völlig unbeweg-
lichen Seite, jene zuckende Bewegung der Oberlids synchron mit dem Lid-
schlag der normalen Seite erfolgen sahen, so muss hierfür noch eine andere Erklär-
ung gesucht werden. Wahrscheinlich erfolgt gleichzeitig mit der Kontraktion
des Orbicularis eine Erschlaffung des antagonistisch wirkenden Levator. Da
dieselbe gewohntermassen doppelseitig auftritt und von sehr kurzer Dauer
ist, so beginnt im Moment der Orbiculariskontraktion der gesunden Seite
das Oberlid auf der gelähmten Seite etwas zu sinken, wird aber durch den
alsbald wiederum wirkenden Tonus des Lidhebers auch gleich wieder gehoben.
Dieser ganze Vorgang tritt als leichte Zuckung in die Erscheinung.
Bei Affektionen des Trigeminus fehlt der Erregungszuiiuss von diesem
Nerven, und erscheint die Zahl der in der Zeiteinheit erfolgenden Lidschläge
vermindert. Der willkürliche und der vom Opticus aus reflektorisch erfolgende
Lidschlag ist erhalten. Da der gewöhnliche Lidschlag meist zufolge leichter
Reize aus dem Trigeminusgebiet erfolgt, so erscheint nach Lähmungen des
Opticus die Zahl der Lidschläge kaum vermindert, wohl aber macht sich, wie
wir dies vorher erwähnten, durch Klaffen der Lidspalte eine Verminderung
des Orbicularistonus bemerklich.
§ 26. Bezüglich der Mechanik des Lidschlages und der Darstellung der ver-
schiedenen Formen desselben, müssen wir den anatomischen Verhältnissen
des Muse, orbicularis etwas näher treten. Wie schon früher erwähnt,
zerfällt der so komplicirt gebaute Muse, orbicularis in eine orbitale und
eine palpebrale Portion.
Der reflektorische Lidschlag und das Kneifen des Auges vollziehen sich für
gewöhnlich nur in der Palpebralportion dieses Muskels, und tritt die Orbital-
portion meist nur dann in Thätigkeit, wenn die reflektorischen Reize starker
sind, oder wenn es darauf ankommt durch Herbeiziehung der Haut von allen
Seiten nach der Lidspalte einen möglichst festen Schluss des Auges zu ermög-
lichen. Indem sich bei diesem Vorgange die Haut der Lider in zahlreiche
Falten legt, wird die Bedeckung des Auges in zweckmässiger Weise ver-
dickt, und damit der Schutz desselben vermehrt. Auch gerathen Theile der
orbitalen Partie sehr häufig bei den psychischen Reflexen im Verein mit
dem M. malaris, dem M. corrugator supercilii und den übrigen Gesichts-
muskeln in Kontraktion.
Wir unterscheiden demnach den gewöhnlichen Lid seh lag (reflektorisch
meist durch Erregungen vom Trigeminus aus bedingt), das Kneifen bei
Blendung, resp. zur Herstellung einer stenopäischen Spalte oder Verbesserung
Die Mecbauik des Lid schlag«.
33
von Refraktionsfelilern, und den festen Sctluss der Augen bei drohenden
Gefahren und bei Aftekten.
Wiewohl beim Lidschluss eine Verkürzung der Lidspalte in der Richtung
vom äusseren zum inneren Lidwinkel hin stattfindet, so wird doch diireh das
Vorhandensein des äusseren und inneren Lidbandes verhindert, dass der Muse.
orbiciilaris die Lidspalte auf eine runde Oeffnung zusammenschnüre, worauf
ja die Wirkung eines jeden Kreismuskels zunächst abzielt.
Den Mechanismus des Lidschlages studiren wir am besten bei hoch-
gehobener Augenbraue unter starker Kontraktion des Frontalis, Hat unser©
Lidhaut von Hause aus die normale Lange, dann gelingt uns trotz dieser
Frontaliskontraktion doch ein vollständiger Lidschluss, Dabei geht der Schluss
des medianen Theils der Lidspalte sehr
viel leichter von Statten, als der der
übrigen. Die dabei fest geschlossene und
starker verkürzte Lidsjialte bildet eine
leicht S-iormig gekrümmte Linie. Alte
neu entstehenden Falten und Furchen
konvergiren nach dem irmeren Lidw^inkeL
Dabei ist der äus,sere Augenwinkel gesenkt,
der untere Lidrand ist im medianen
Theile gehoben*). Die Lidspalte ist im
ganzen stark verkürzt. Die Plica semilunaris
die Thränenkarunkel und der Thränensee
sind verschmmden. Der den Thränensee
kontonrirende Theil der Lidränder ist stark
verkürzt, oberes und unteres Lid berühren
eich hier. Die Infraorbitalfurche ist im
lateralen Theile dem unteren Lidrande
genähert. Um den inneren Augenwinkel
hat sich, unten stärker als oben, ein
System von Falten gebildet, w^elche gegen
den unverriickten Augenwinkel hin konvergiren. Die übrigen, bei offenem
Auge vorhandenen Falten und Furchen sind nur insofern modifizirt, als es
sich durch die Anspannung des Stimmuskels erklärt. Die Cilien beider Lider
werden nach dem inneren Augenwinkel hin verschoben. Der innere Lidwinkel
bleibt unverrückt. Diese Art des Lidschlusses ist wesentlich diejenige, welche
hei dem gewöhnlichen unwillkürlichen Lidschlag eintritt.
Nach Gad (81), w^elcher an der palpebralen Portion des Orbicularis
eine epitarsale und eine per i t arsale Partie (Figur 10b tmd IIb) unter-
scheidet, stellen sich die hier in Betracht kommenden Verhältnisse folgender-
massen dar.
Fig. 10 u nach Gad.
Link es Ao^e : VorJemTiaiciit. aficric^epi-
tarealo Pjirtic der Palp^bralportiüii d<^ m.
Orliiculflri». fg^^ peritareale Partie
1) Sebr deutlich treten diese Verhältnisse an Figur 16 zu Tage, wo ea sich um eiDo
doppelfteitige, in der Besserung begriffen« Facialisparese handelt.
34
Dad anatomische Verhalten des Muse, orbicularis palpebrar.
Die auf breiter Fläche (a Fig. 10a) über dem Thränensack und an der
Crista lacrymalis aufsitzenden und einen verhältnismässig starken Bauch dar-
stellenden Bündel des epitarsalen Theils konvergiren nach dem inneren Lid-
winkel, wo sie sich in je eine Portion für das obere und untere Lid sondern.
Die am Augenwinkel zunächst entspringenden Fasern enden in der Haut des
den Thränensee ))egrenzenden Theils der Lidränder. Die übrigen Fasern
stellen zwei Muskelbäuche dar, welche am inneren Augenwinkel sehr niedrig,
dafür aber um so dicker sind, und welche, nachdem sie gewissermassen hier
eine Enge passirt haben, breit, dafür aber um so dünner die Lidknorpel
überziehen. Die Enge wird dadurch gebildet, dass die am weitesten von der
Lidspalte entfernt verlautenden Fasern (r u. e Fig. 10a u. 11 o) oben in grösserer
Zahl als unten, ihren Ursprung an den beiden lateralen Schenkeln des inneren
Lidbandes nehmen. Wegen der geringen Höhe des unteren Tarsus bleibt
aber die untere Portion geschlossener, als die obere, welche sich nicht
nur über den höheren Tarsus, sondern lateral auch noch etwas darüber hinaus
ausbreitet, sodass sie den äusseren Augenwinkel
in weit geringerer Stärke erreicht, als die untere
Portion. Hieraus erklärt sichdie Senkung
des äusseren Augenwinkels beim Lidschluss.
Der gewöhnliche Lidschlag geschieht nun nach
den Untersuchungen Gad's (81) ausschliesslich
durch den epitarsalen Theil des Lidring-
muskels.
Eine von dieser Art des Lidschlags gründ-
lich verschiedene ist diejenige, welche ausgeführt
wird, wenn man zu starkes Licht abblenden
will, oder wie man sie die meisten Menschen
ausführen sieht, wenn man ihnen sagt, sie sollen das Auge nicht ganz zukneifen.
Hier zeigen alle Falten unterhalb des Auges eine Krümmung, deren Konvexität
nach dem inneren Winkel gerichtet ist, während bei der vorhin erwähnten Form
die Enden aller gebildeten Falten nach dem inneren Augenwinkel konvergiren.
Ferner, während dort das obere Lid und der laterale Theil des unteren stark
gesenkt waren, ist hier das untere Lid gehoben, das obere kaum gesenkt. Die
Cilien jedes Lides werden bei letzterer Bewegung nach innen gezogen, die
den Thränensee begrenzenden Theile der Lidränder behalten ihre Länge, die
Thränenkarunkel wird nicht nach innen verschoben, der Thränensee wird
nicht früher geschlossen, als die übrige Lidspalte. Der Orbitaltheil des oberen
Lides wölbt sich stärker, als bei dem offenen Auge über den oberen Lidrand
herab, und diese Wölbung erstreckt sich über den lateralen Augenwinkel
hinaus. Die Haut auf dem unteren Lid ist ebenfalls nicht straff gespannt,
sondern etwas vorgewulstet. Sehr charakteristisch für diese Art des Lid-
schlusses ist es, dass die sich mehr und mehr nähernden Lidränder
von oben und unten nahezu gleiche Stücke der Pupille ver-
Fig. 10 b.
Epitarsale Partie: nicht schraffirt ; peri-
tarsale Partie: schraffirt.
Die Mechanik des Lidsckloäses. 35
decken, während bei der anderen Art die Papille sehr bald
hinter dem oberen Augenlid rerschwindet.
Diese Form des Lidsehlusses wird durch den peritarsalen Theil der
palpebrakn Lidportion des Orbicolaris bewirkt. Der mediale Vorsprung des
peritarsalen Theils des Lidringmuskels ist oben und unten verschieden. Von
dem inneren Lidbande im engeren Sinne entspringt nur ein allerdings starkes
Muskelbändel der unteren Portion und zwar ron dem lateralen Drittheil der
unteren Torderen Kante. Dieses Bändel / (Fig. 10a u. IIa) verstärkt am
unteren Lid die Fuge für den Durchtritt der epitarsalen Fasern in die
Tiefe. Die ulvigen peritarsalen Fasern (/^ Fig. IIa) des unteren Lides
entspringen aus dem einspringenden Winkel zwischen innerem Lid band und vor-
derem Abschnitt der Thränensack wand. Die peritarsalen Fasern des Ober-
lids g (Fig. IQa u. IIa) entspringen aus dem entsprechenden Winkel aber dem
Fig. IIa naeli Gad.
Linkes Auge: Hintenmsidit. fg = peritareale
Partie der Palpebralpoitioo des M. orfoicnlaris.
e e = epitanale Partie.
Flg. IIb.
Epitarsale Partie: nicht tchrtiffirt.
Partie: »»hraftiru
Peritarsale
Lidband und zwar so, dass zwischen ihnen und den vom freien oberen Lid-
bandschenkel entspringenden Fasern eine Lücke bleibt. Ein Theil der Fasern
dieses Muskels entspringt auch von der Kuppe des Thränensacks.
Nach Henle (85) hat die Palpebralportion des Orbicularis im erschlafften
Zustande einen in doppeltem Sinne bogenförmigen Verlauf; die Fasern des
oberen Augenlids sind durch die Wirkung des Levator palpebrae aufwärts
konvex, die Fasern des unteren Augenlides durch ihre eigene Schwere, wenn
auch in sehr geringem Grade, abwärts konvex, und beide durch die Spann-
ung, die ihnen der Augapfel ertheilt, vorwärts konvex. Der Effekt ihrer
Zusammenziehung ist also zunächst Senken des oberen, geringes Aufsteigen
des unteren Augenb'des und Druck auf die Oberfläche des Augapfels.
Die Portio orbitalis des Lidkreismuskels liegt peripher von der Palpebral-
portion, aber unmittelbar sich an dieselbe anschliessend auf dem Augenhöhlen-
rande und dessen Umgebung auf. Die Orbitalportion zieht die Haut aus der
3*
36 Das anatomische Verhalten des Muse, orbicularis palpebrar.
Umgebung der Lider zusammen ^nd gestattet damit unter Gesammtwirkung
des Orbicularis den festen Schluss der Lidspalte. Nach Merkel (86) ver-
kürzt sich die Orbitalportion des Orbicularis für sich ganz allein, wie es
scheint, niemals.
lieber die Ausdrucksbewegungen und die dabei hauptsächlich in Be-
wegung tretenden Fasergruppen des Orbicularis hat Merkel 1. c. eingehende
Beobachtungen angestellt. Dieselben hier anzuführen, würde zu weitgehend
sein. Diejenige Partie des Muskels, welche an der medialen und oberen Seite
der Gesichtsöflfnung der Augenhöhle liegt, wird Muse, corrugator supercilii
genannt. Sie kontrahirt sich meist mit dem medialen Theile des frontalis,
führt die Augenbrauen gegen einander und vertieft die Stimnasenfalte.
§ 27. Wenn auch nicht zu den Lidreflexen gehörend, so sind doch der Voll-
ständigkeit halber noch folgende Reflexe anzuführen, welche von der Ober-
fläche der Cornea und Conjunctiva z. B. bei Ausspritzen des Bindehautsackes,
Einträufelungen in denselben etc. ausgelöst werden.
Feilchen feld (82) zählt, abgesehen von dem Schlüsse der Lidspalte
folgende auf:
L Eine ungefähr fünf Sekunden währende Unterbrechung der Athmung
nach vorhergehender einmaliger, tiefer Inspiration, oder wiederholte, schnell
aufeinander folgende saccadirte Athmung.
2. Auslösung einer Schluck bewegung.
3. Ein Niesen.
4. Ein Schmeckreflex.
Bei Zustandekommen dieser Ileflexe kommt als centripetale Bahn der
sensible Theil des Trigeminus in Betracht, die centrifugale bilden die moto-
rischen Nerven, welche zu den betreffenden Organen führen.
Diese Reflexe treten besonders bei Kindern auf und bei solchen Erwachsenen,
welche den Ausdruck ihrer Affekte nicht oder nur wenig zu beherrschen gelernt
haben. Man findet sie demgemäss bei Frauen häufiger als bei Männern, bei
Landleuten öfters als bei Städtern, bei Ungebildeten zahlreicher als bei Per-
sonen, welche durch ihre Bildung oder sociale Stellung sich eine gewisse
Selbstbeherrschung haben angewöhnen müssen. Ausserdem findet man, dass
bei öfter wiederholter Ausspülung des Conjunctivalsackes bei Erwachsenen die
zuerst beobachteten Reflexerscheinungen seltener und bald ganz nnterdrückt
werden, während das bei Kindern auch, aber weniger häufig der Fall ist.
Zu trennen von den specitischen Reflexen sind diejenigen Bewegungen,
welche sich als Ausdruck der unangenehmen Empfindung darstellen, die
das Ausspülen verursacht. Es gehören dazu, Abwehrbewegungen mit den
Händen. Zurückzucken mit dem Kopfe und Ausweichen der Bulbi nach oben.
Christiani fand auf Reiz der Augenhöhlenzweige des Trigeminus,
Atlimungsstillstand, der aber im Gegensatz zur Mehrzahl der Beobachtungen
Feilchenfelds in der Exspiration eintrat.
P. Guttmann (83) erwähnte bei Besprechungeines Falles von Atropin-
vergiftung bei einem 4jährigen Kinde, dass durch Berührung der Cornea
)ie Mitbewegungen zwischen dem Levator palpebr. und den Helern und Senkern etc. 37
nicht Lidschluss, sondern Athmungsstillstand für 5 bis 9 Sekunden ausgelöst
wurde.
Dem gegenüber beobachtete xMurri (84)', dass die Respirationspausen
bei dem Cheyne*Stokes*schen Phänomen durch Oeffnen der Augenlider
willkürlich abgekürzt werden konnten.
Kapitel IV.
Die Mitbewegungen zwischen den Lidern und dem
Bulbus-
a) Mitbewegung zwischen dem Levator imlpebrae und den Hebern und
Senkern des Bulbus«
§ 28. Nachdem der Nervus oeulomotorius den Sinus caveniosus durchsetzt
hat, tritt er in zwei Aeste getheilt durch die P'is^ura supraorbitalis in die
Augenliöhle. Der kleinere obere Ast versorgt nun gemeinsam den Muse,
levator palpebrae und den Muse, rectus superior.
Der Muse, levator palpebrae (Figur 8, 6} ist der eigentliche Heber des
Oberlides. Er entspringet in der Periorbita über dem Foramen opticum, liegt
in seinem Verlaufe nacli vorn dem Muse, rectus super, auf und geht in eine
fibröse, fächerfünnige Platte über, welche mit ihren vorderen, rein binde-
gewebigen Fasergruppeu (Figur 8, 6a) vor der vorderen Fläche des Taraus
berabläuft und sich zur Haut des Lides begiebt. Mit einer zweiten, voi*zugs-
weise aus glatten Muskelfasern bestehenden Schicht (Figur 8, 66), dem Muse,
palpebralis superior, heftet er sich an den oberen Rand des Tarsus an. Durch
den Tonus des Muse, levator palpebr, mid den Tonus des Muse, palpebralis
sup. wird im wachen Zustande das Oberlid in die Hohe gehalten. Gleich-
zeitig mit dem Heben desselben wird . die Lidhaut durch die Insertion der
fibrösen Platte {t5a} entsprechend dem oberen Tarsusrande tief in die Orbita
zurückgezogen und bildet den Sulcus orbito-palpebralis (Fig. 1 6), Dabei faltet
sich die lockere, zwischen ihm und dem Orbitalrand befindliche Hautpartie^
sodass ein Wulst entsteht, welcher oft den Tarsaltheil des Oberlides bedeck t^
selbst bis zu den Wimpern reichen und durch seine Schwere den Bewegungen
des Auges nach oben hinderlich werden kaim. Erheben wir unbefangen unsere
Blick ebene aus der Geneigten in die Horizontale oder darüber hinaus^ oder
senken wir dieselbe, so eifolgt stets eine Mitbewegung des Oberlides, welche
die Bewegungen des Bulbus um seine horizontale Achse begleitet. Diese Be-
38
Die Miibewegun^üu zwi^cben den Lidern und dem Bulbutk
we^ing geschieht unter normaleti YtTliältnissen stets gleiclxmässig auf Heiden
Augen nnd in gleicher Stärke. Sie ist in liobeui (irade zweckmässig, insofern
durch die Hebung der Lider beiui Klick nach oben das Gesichtsfeld frei ge^
hulten wird, während bei der Senkung der lUickebene das Lid herabsinkt
um die sonst zu wt*it klätlendf Lidspalte vor dem Reize der Austrockniing
zu bewahren»
Dirse gemeinsarne Aktion des Levator palpebrae einerseits und deij
Rectus super, und obliipius infer* anderseits erreicht in einer gewissen Hijhe
ihre Grenze. Wolleii wir jetzt die Itlickebene noch mehr het»en. dann müssen
wir die Augen „aulreisscn". Es macht dann der Levator nocli eine h'tzt^i
Anstrengung, wobei (b^r Muse, frontalis sich ebenfalls kontrahirt. um durcl
Hinaufziehen der AuüenbiMue die Haut des Oberlides zu lieben nnd dadurc
Fig. 12.
Fig. 13.
H. M, liiilvs: Lsihiming drs Fiiciiüie und Tricciuinus. Kemtiti» ueuroparaiytü'a. Ophthnlmoplfgi*
tf>tiiri8- rnUrtiiio bulbi. Waiirseheinlieh Tumür ao tJer Fissiiru stipniorbiüilis.
die Arbeit des Levator zu erleichtem. Das untere Lid wird dabei mechanisi
etwas mitgehoben [Lang utid F i t z g e r a I d (87) |. Das Aufreissen der Aug<
ohne gleichzeitige Innervation der Mni> frontales gelingt uns nur schwer, und
wir müssen diese isolirte Bewegung des Oberlides erst besonders einübeiu
Dass dabei die forcirte Anstrengung des Levator noch durch die glatten
l*alpebraltnuskeln unterstützt wird, scheint folgende Beobachtung zu beweisen.
Bei einem Manne mit einer linksseitigen totalen Ophthalmoplegie, zugleich
mit linksseitiger Lähmung des Facialis und Trigeniinus und leichter Brotnisio
bulbi gehing bei äusserster Willensanstrengung nur eine ganz minimale Hebung
des linken Oberlides (siehe Figur 12). Sobald aber das gesunde rechte Auge
ad raaximnni gehoben wurde, hob sich auch das Überlid des linken Auges
etwa bis zur Mitte der Cornea {siehe Figur 13). Da der Oculomotorius voll
I
iig gelähmt war, der linke
alis das Oberlid nicht in die
palte wohl lediglich nur auf
Erregung der glatten Pal-
ftlniuskel zurtick zu führen. Nur
g wurde dabei das nasale Ende
linken Augenbraue durch den
von der rechten iStirnhaut
oben gezogen. Dieses physio-
che Verbal in iss des Levator
len Hebera des Bulbus wird
anatomisch unterstützt durch
1 dem M. levator und M, rectus
riorgemeinsamen Kascienzipfel
IT 8, 6e), welcher in der aberen
chlagsfaltt:' der Ctmjunctiva
anheftet. Ausserdem sollen
nach Mrrkel (8Ü) die Pal-
altheile des Muse, orbiciilaris
Heben und Senken der Blick-
B mit bet heil igt sein, indem
die Palpebralportion des Ober-
kontrahirt, wenn man zu
m sieht, die des Unterlides
beim Emporsehen»
Anch beziiglich kongenital ei'
piungsbil düngen treten die
n Beziehungen des Levator
m Bulhushebern hervor, denn
der angeborenen Ptosis
Bhr häutig die Unmöglichkeit
aüpft, nach autwärts blicken
önnen. Bei einer gewissen
,ld einschlägiger Fälle ist dies
alten allerdings nur ein schein-
K weil die bet reft enden
rnten ivegen der Ptosis nie
B Lage gekommen w^aren, den
HS zu heben. Hier sieht luan
bei energischer Aufforderung
nach mechanisch erfolgter
mg der Augenlider Bewegungen
Augapfels nach oben eintreten,
8lt werden könnten. In Figur
Fisr. 14.
A. C D<>p|idst'itige. itikoiiipltHe, koiigt-nitwlii rtüsis
mit ErimlLuiii? il^r Bewe§;Uebki*it dva Biilbiii* nach
nheo. Bliuk gerade mi».
Fig. 15.
A, V. I>>ppelseitigi\ inkomi>lete, kongenitiiJe Pili}*!?
mit ErbaliuDg ihr BcwegUrlikt'it de» BuUuis rnicli
oben. Biirk nac^h ob«-ii,
welche durch Uebung noch leicht w^eit^r ent-
14 und 15 ist ein derartiger Fall abgebildet.
I
40 Die Mitbewegungen zwischen den Lidern und dem Bulbus.
Diese gemeinschaftliche Aktion des Levator palpebrae und Rectns snperior
wird vielleicht von einem bestimmten Koordinationscentrum aus geleitet. Gleich-
zeitige Lähmung dieser Muskeln bei Unversehrtheit aller übrigen könnte daher
als associirte Lähmung aufgefasst werden, und ist auch klinisch folgender
Fall von Kahler und Pick (88) beobachtet worden. Bei linksseitiger Hemi-
plegie bestand rechtsseitige Lähmung des Levator, des Rectns snperior und
Obliquus inferior. Die Autopsie ergab eine Schwellung und Erweichung des
rechten Grosshimschenkels , besonders des Fusses; von den Ociilomotoriüs-
wurzeln waren auf der gleichen Seite zum grösseren Theile nur die hinteren
Wurzelbündel betroffen.
Da der Levator aber nicht bloss den Hebern des Bulbus derselben Seite,
sondern auch dem Levator der anderen Seite associirt ist, denn beide Augen
werden gleichzeitig aufgeschlagen, so kann daher auch eine isolirte Lähmung
beider Lidheber auftreten, wie in Dujardins Falle (89), wo bei einem
22jährigen männlichen Individuum ohne nachweisbaren Grund eine Ptosis
isolee bilaterale aufgetreten war. Umgekehrt sind Fälle beobachtet worden, wo
bei erhaltener Beweglichkeit der Augenlider die Heber beider Bulbi gelähmt
waren. So erzählt Nieden (90) folgenden Fall:
Ein Bergmann, welcher vor einem Jahre einen einmaligen epileptischen
Anfall gehabt hatte, erlitt plötzlich beim Bücken Verdunkelung beider Augen.
Die Sehschärfe betrug beiderseits kaum V20, das Gesichtsfeld war sehr stark
eingeschränkt, die ophthalmoskopische Untersuchung ergab nichts Abnormes.
Der Blick konnte auf beiden Augen nicht über die Horizontale erhoben
werden. Wurde behufs Fixation eines über der Horizontalen gehaltenen Objekts
der Kopf gehoben, so folgten die Augen nicht in der Richtung nach oben
nach. Wurde das zu fixirende Objekt noch weiter gehoben, so bemühte sich
Patient krampfhaft, die Lidspalte durch Hebung des oberen Lides und
Verkürzung der Stimhaut zu erweitem, ohne indess die leisesten Zuckungen
in dem das Auge nach oben drehenden Rect. sup. und Obliq. infer. auszu-
lösen. Der Patient wurde geheilt.
Einen analogen Fall beschreibt Kahler (91): Ein 35 jähriger Mann
zeigte rechtsseitige Hemiplegie nach Apoplexie, rechtsseitige unvollständige
Hemianästhesie und sekundäre Kontraktur in den gelähmten Gliedern. Beide
Bulbi waren symmetrisch um ihre transversale Achse nach abwärts gedreht,
sodass schon bei normal geöffneten Augen beiderseits der obere Comealrand
unmittelbar am Augenlidrande stand. Der Kranke hielt, um seine Blickebene
möglichst horizontal zu stellen, den Kopf weit zurückgebeugt. Beim Versuch,
nach aufwärts zu blicken, machten die Bulbi leichte, zuckende Rotations-
bewegungen^ rührten sich aber nicht von der Stelle. Dagegen wurden die
oberen Lider stark gehoben, wodurch ein auffallendes Klaffen der
Lidspalte entstand. Ausser der genannten Augenbewegung fanden alle übrigen
Bewegungen sicher statt.
Wir selbst beobachteten folgenden Fall: Ein nicht belasteter, SOjähriger
Bureaubeamter hatte (ifter des Morgens über Erbrechen und Schwindel geklagt.
Die Mitbewegungen zwischen dem Levator palpebr. nnd den Hebern und Senkern des Bulbus. 41
Plötzlich fiel er eines Tages, ohne das Bewusstsein verloren zu haben, auf die
rechte Seite. Darauf Benommenheit und leichte Delirien. Abends Sensorium
wieder ganz klar. Lues, Potatorium, Unfall nicht nachweisbar.
Während die oberen Lider mühelos gehoben werden können, bleiben
die Bulbi auch bei der grössten Anstrengung, nach oben zu sehen, unbeweg-
lich in der Primärstellung stehen, und die Sklera oberhalb der Cornea wird
beträchtlich entblösst. Wiederholt man die Aufforderung, nach oben zu blicken,
so treten unruhige seitliche, aber koordinirte Bewegungen der Bulbi auf.
Die übrigen Bulbusbewegungen sind frei. Die rechte Pupille lichtstarr,
reagirte schwach bei Konvergenz, die linke normal. Fundus oculi normal.
Im Uebrigen fand sich eine linksseitige Hemianästhesie; Herabsetzung
der groben Kraft der linken oberen Extremität, welche zugleich ataktisch
war. Parese des linken Mundfacialis, Die Sehnenreflexe waren auf der linken
Seite gesteigert (Fussclonus); die Hautreflexe herabgesetzt gegen rechts.
Gehör, Geschmack normal, besonders Geruch links herabgesetzt gegen
rechts. Eine Hemianopsie bestand nicht.
Wenn auch die Existenz eines Associationscentrums für die Bulbusheber
und den Levator durch die eben erwähnten Fälle an Wahrscheinlichkeit ge-
winnt, so muss dem doch immer entgegengehalten werden, dass bei der Selten-
heit einschlägiger Kasuistik die eben erwähnten Fälle als eine Nuklearlähmung
aufgef asst werden könnten, welche durch zufällige Kombination erkrankter Muskel-
keme die Lähmung eines supponirten Associationscentrums vorgetäuscht haben
dürfte. Anderseits muss aber auch hervorgehoben werden, dass die Annahme
einer derartigen Centralstation überflüssig erscheint, denn da aus Gründen
der Zweckmässigkeit beim Blick nach oben das Oberlid von Kindesbeinen an
ebenfalls gehoben wird, so ist die gemeinschaftliche Innervation der Bul-
busheber und des Levator dem Menschengeschlecht gerade so zur Gewohn-
heit geworden, wie die gleichzeitige Innervation der Recti intemi und des
Accommodationsmuskels beim Nahesehen.
Am allerwahrscheinlichsten beruht jedoch die Mitbewegung zwischen dem
Oberlid und den Bulbusbewegiuigen um die horizontale Achse auf jener vor-
hin geschilderten mechanischen Verknüpfung des M. levator und Rectus super.,
auf deren Besprechung wir nachher noch näher eingehen werden.
§ 29. Ebenso wie nun für gewöhnlich beim Blick nach oben die Bulbusheber
und der Levator palpebrae gleichzeitig innervirt werden, werden diese Muskeln
beim Blick nach unten auch gleichzeitig erschlafft. Ueber eine merkwürdige
Lockerung dieses Verhältnisses berichtet J. Brixa (93). Bei einem kräftigen
Manne wurde folgende Erscheinung bemerkt. Wies man den Patienten an,
langsam von der Primärstellung nach aufwärts zu schauen, dann blieb das
Auge zunächst noch stille stehen. Es hob sich aber sofort das Oberlid, sodass
ein breiter Streifen Sklera über der Hornhaut erschien, dann erst folgte der
Augapfel nach, und es wurde nun die Hornhaut vom Oberlide etwas bedeckt.
Hiess man den Patienten nach abwärts schauen, so bewegte sich zunächst
der Augapfel abwärts, während das Oberlid noch stehen blieb. Es wurde
Fig. lü. Fig. 17.
L. E. DoppelM^itigi^ kmiiplolt^ FucialijlühniiUinjy:. I^, E. I>«ip]>elt^iti;ij;ej, komplete FacialislilhiuiiDf
VersHchter Lids<'hlusi Im^i ?iülrk»t**m Willens- Mithewej^ung (Jen OlHrlideB Wi Senkunsr der
impulä^e. Blickebene.
jedoch nicht in so beträchtlichem Maasse, gelimden wurde, ^Mirde die Bezeich-
nung Pseudo-G raefeVhes Symptom beigelegt. Mikraskopiscli zeigten sich
die Kerne des ( >cubniotürius von sklerotischen Gefässen durchsetzt,
§ 30. In merkwürdigt^r Weise tritt die Mitbewegung des Oberüdes mit den
Hebern nnd Senkern des ButbuK bei der kompleten Facialislähmung heiTor.
liei einer Eeihe von inis untersucliter Fitle mit Facialislähmung verengte sich
selbst bei den Ktärksten Willensini pulsen die Lidspalte gar nicht oder rnfll
ganz minimal. Lies*^ man dagegen den vor dem Auge auf- und abbewegten
Finger fixiren, ho folgt das Oberlid der gelähmten Seite den Beweginigen der
Blickebene gleichzeitig mit den Lidbewegungen des Auges der gesimden Seite.
i
Da» von Li r a c f e ' »che Zeichen,
Eb wurde also jetzt anscheinend d*-r M. levator erschlafft, während vorher
bei willkürlich versuchter Kontrakticm des Orbicularis keine Erschlaffung des
Antagonisten eintrat. In Figur !♦> und 17 ündeo wir diese Ersdieinung
photographisch wiedergegeben.
Fuchs (95) beobachtete einen Fall, bei welchetn ein 24jäliriges Mäd-
cher) durch einen Sturz im dritt*^n Lrbeusjalire eine v^dlstiindige iJihniuug des
linken Nervus facialis davongetragen hatte. Dabei bestand i^iiie I'an\se des
motorischen linken Trigeniinusastes und eine linksseitige Abducenslähmong.
Uie Sensibilität der linken tiesichtshiilft*' war nonnaL dagegen tiel ein ausser-
ordentlich hoher Stand des linken Oberlides auf. welcher als eine antago-
nistische Kontraktur des Levator palpebrae aufgefasst wurde. Virl weifpr
s beim Versuche des Lidschlusses
wird das obere Ijd herabgebra(*ht,
wenn die Patientin nach al>warts
ckt. Fiir sehr wahi-scheinlich hält
uchs, dass das Lid mechanisch ujit
herabgezogen wurdr, weil es durch
FascieiUEiigp (siehe Figur 8, 6c) mit
dem Rectus superior in Verlundung
stelle. Jedenfalls hat diese Erkläniugs-
weise sehr viel Wahrscht^iiihchkeit
für sich, da man annehmen daii",
dass ebensoviel Mensehen einseitig
ihren Levator willkürlich nicht er-
erschlaffen können, als solche, welche
einseitig nicht ihr Auge zu sehliessen
vennugeii»
§ 3L Femer begegnen wir einer
auffallenden Str»rung der Mitbewegung
des Oberlides mit den Senkern des
Bnlbus bei dem Morbus BaKedowii,
bekannt unter dem Xanien: von Uraefe'sches Zeichen. I>a,sselhe äussert sich
darin, dass beim Blick nach unten das Olierlid zunächst der Heweguug des
Bulbus nicht folgt, sondern wie durch einen S|)asmus zurückgebalteu wird
(vergleiche Figur 18), um dann ruckweise schwache Hewegungeti nach unten
hin auszuführen. I>ahei erreicht aber scidiesslich das (Hierlid nicht jenen
Tiefstand, welclier fiir die meisten Menschen gewölnilicli ist rnigt^kehrt aber
beim Itlick nach oben folgt entweder gleich anfangs, oder von einer gewissen
Hi">he ab das Oberlid meist energischer, als unter gewrdmliclien Verhältm'ssen,
der Uewegung des Bulbus. Man k<umte also nach dem Vorgänge von nruns(9G,)
diese Erscheinung als eine Senkungsinsufficienz des Oberlides bei Senkung der
Visirebene bezeichnen.
Bezüglich des Auftretens des v. (iraefe 'sehen l'hänomens ist zu be-
merken^ dass es beim Morbus Basedowii niclit allzu häutig gefunden wird.
K, S
Fijj. 18,
( ( r H e f e ' Bcties Zeiehcu Ih^i ]Morbui
44 Die MitbewegungeD zwischen den Lidern and dem Bulbus.
Wenn auch A.Lew in (97) in 55,5 *^/o der Fälle demselben begegnet sein will,
so konnten doch Hill Griff ith (98) nur in 13,3^/0 der Fälle, H. Pässler (99)
in 17,6^0 und S. West (1(X)) nur in 14,0^/o der Fälle von Basedow diese
Erscheinung konstatiren.
Beim Morbus Basedowii wird das v. Graefe'sche Phänomen fast immer
doppelseitig gefunden. R. Hitschmann (101) und Percy Frieden-
burg (102) begegneten demselben in je einem Falle nur einseitig und zwar
auf dem linken Auge, vereint mit einem auffallenden Klaffen der Lid-
spalte^) beim Blick horizontal in die Feme. Long und Pringle (103) be-
richten über sechs Fälle, wo ausser einseitigem Lidsymptom keine anderen
Erscheinungen von Basedow 'scher Krankheit gefunden worden waren, ausser
bei zwei Fällen, welche eine leichte Vergrösserung der Schilddräse zeigten.
Auch wir hatten mehrfach Fälle beobachtet, in denen bei völlig gesunden
Individuen das v. Graefe'sche Symptom mehr oder weniger stark ausgeprägt
gefunden wurde, und scheint uns diese Thatsache für die Erklärung
desselben von ganz besonderer Wichtigkeit zu sein. Raymond (104)
will das Lidphänomen auch bei der Thomsen 'sehen Krankheit im Zusammen-
hang mit anstrengenden Körperbewegungen und Retraktion • der Oberlider
beobachtet haben.
Was nun die Erklärung dieser Erscheinung anbetrifft, so herrscht, wie
über das Wesen des Morbus Basedowii selbst, so auch über das Lidphänomen
der gleiche Mangel an Klarheit und Uebereinstimmung. Früher wollte man
dasselbe von einer Reizung des Nerv, sympathicus herleiten, weil ein ver-
mehrter Tonus der glattenLidmuskeln eine Erweiterung der Lidspalte, und
eine Kontraktion des Müller'schen Orbital muskels eine leichte Protrusion
des Augapfels hervorrufen sollte. Eulenburg und Guttmann (105).
Sattler (106) nahm dagegen für den Morbus Basedowii eine Lasion
derjenigen (wahrscheinlich benachbarten) vasomotorischen Centren an, welche
die Glandula thyreoidea und das intraorbitale Gewebe innerviren, sowie eine
Läsion der regulatorischen Centren des Herzvagus und erklärt das v. Graefe'sche
Symptom (den mangelnden Lidkonsensus) durch Störung eines besonderen
Koordinationscentrums. Der Mangel an Blinzelbewegungen (das Stellwag'sche
S}Tnptom) soll auf einer Stönmg der von der Retina, sowie von den sensiblen
Ner\'en der Cornea und Conjunctiva aus erregten Reflexcentren beruhen.
Mit dieser Sattler\schen Theorie wurden auch die Versuche von Brown-
Sequard (107) und Filehne (107) in Einklang gebracht, welche Exophthal-
mus durch A'erletzung des Corpus restiforme bei Thieren hervorbrachten.
Auch glaubte Sattler eine Stütze für seine Theorie in der Thatsache zu
finden, dass nicht so selten nucleäre Augenmuskellähmungen im Verlaufe
des Basedow konstatirt werden.
M Stellwag*8cbes Zeichen: Als solches gilt aasserdem noch die Seltenheit und
Mangelhaftigkeit des unwillkttrlichen Lidschlags. —
Das Ton Graefe'sche Zeichen. 45
Hitschmann (101) schliesst sich der Ansicht Sattlers an und glaubt,
dass es sich wegen der Halbseitigkeit des Symptoms in seinem Falle um
bleibende oder Torübergehende Alteration im Kontraktionszustande von Arterien
handle, welche die Medulla oblongata, ohne Anastomosen mit einander einzu-
gehen^ mit Bhit versorgen.
Demgegenüber wollen Long und Pringle (103) das Lidphänomen durch
eine tonische Kontraktur des Levator palpebrae super, bedingt wissen.
Auch Ferri (108) glaubt das Graefe'sche Symptom vom Levator palpebrae
abhangig machen zu müssen. In einem von ihm beobachteten Falle stieg das
Oberlid bei Reduktion des protundirten Bulbus durch Druck in die Orbita
jedesmal in seine normale Stellung herab, und es stellte sich auch die kon-
komitirende Bewegung des Oberlides mit der des Bulbus wieder her. Daraus
ersehe man, dass der Exophthalmus und das v. Graefe'sche Symptom
aus der gleichen Ursache herzuleiten sei, nämlich der vasomotorischen
Lähmung der Orbitalgefasse. Li Folge einer Erweiterung derselben würde die
Muskelsubstanz der quergestreiften Muskeln verkürzt, und zwar durch einen rein
mechanischen, nicht physiologischen Vorgang. Indem sich also der Levator
palpebrae mechanisch verkürze, bedinge er somit die Retraktion des Oberlides
und verhindere zugleich dasselbe, bei Abwärtsbewegung des Bulbus diesem
zu folgen. Beide genannten Symptome seien also als einziges Symptom zu-
sammenzufassen.
Nach Sharkey's (109) Ansicht sei der Orbicularis in seiner Eigen-
schaft als Antagonist des Levator durch Inaktivität bei der Basedow 'sehen
Krankheit geschwächt, wodurch schliesslich das Gleichgewicht zwischen dem
Schliess- und Oeffnungsmuskel zu Ungunsten des ersteren aufgehoben würde, und
so ein Ueberge wicht und eine Retraktion des Levator palpebrae zu Stande käme.
Fassen wir das seither Gesagte zusammen, so ergeben sich folgende
Theorien über das Wesen des von Graefe 'sehen Lidsymptoms:
a) Die Sympathicustheorie (v. Graefe, Remak, Eulenburg-
Guttmann),
b) die Störung der betreffenden Reflex- und Koordinations-
centren (Sattler),
c) die Einwirkung der erweiterten Orbitalgefässe auf den
Levator (Ferri),
d) die Insufficienz des Orbicularis (Sharkey),
e) die Steigerung der lidhebenden Kräfte (Möbius, Bruns).
Wollte man die Liderscheinungen beim Basedow auf einen Reizzustand
des Sympathicus zurückführen, dann dürfte auch im Krankheitsbilde die
der Reizung des Halssympathicus zukömmliche Pupillenerweiterung der gleichen
Seite ^) nicht fehlen^;. Andererseits würde der hochgradige Exophthalmus
1) Lew in (110) hat unter 27 Fällen von Morb. Basedowii nur zweimal Mydriasis
und dreimal Miosis gefanden. West (111) fand nur zuweilen Erweiterung der Pupillen
bei M. B.
2) Vergleiche auch pag. 23 unseren Fall von Sympathicusreizung.
46 Die MitbewegUDgen zwischen den Lidern und dem Balbua.
jedenfalls nicht von einer Kontraktion des Müll er 'sehen Orbitabnuskels, der
beim Menschen doch nur sehr rudimentär vorhanden ist, hergeleitet werden
können. Auch liegt ein Sektionsbefund Drummond's (112) vor, welcher in
dieser Hinsicht entscheidend wirkt. Bei einem Falle von Basedow zeigten
sich beide Orbitae von Fettgewebe sehr vollständig ausgefüllt. Die Augen
waren aber im Tode keineswegs mehr so prominent, als wie zu Lebzeiten des
Patienten. Von dem Müller'schen Orbitalmuskel war keine Spur zu
finden. Daneben wäre gar nicht einzusehen, inwiefern eine spastische Kon-
traktur der beiden glatten Lidmuskeln der freien Aktion des viel stärkeren
Muse, orbicularis auf die Dauer eine erhebliche Behinderung entgegensetzen
könnte.
Der Satt 1er 'sehen Theorie von der Störung der Associationscentren ist
zunächst entgegenzuhalten, dass man von dem Vorhandensein und dem Sitze
derartiger Centralstationen bis dahin nur vermuthungsweise reden darf, und
dass das im Ji28 dieses Kapitels angeführte pathologisch-anatomische Beweis-
material noch viel zu geringfügig ist, um weitere Schlüsse daraus zu gestatten.
Wenn auch in einer ziemlichen Anzahl von Fällen Nuclearlähmungen bei
Morb. Basedowii gefunden werden, so ist doch die Zahl der Fälle mit von
Graefe'schem Symptom in vivo und Fehlen jeglicher Veränderung bei der
Sektion eine viel beträchtlichere. Ausserdem wäre es doch wunderbar, wenn
so häufig nur gerade das hypothetische Koordinationscentrum bei dieser Krank-
heit aftizirt werden würde, welches den Consensus zwischen Oberlid und den
Senkern des Bulbus vermittelt. Ausserdem macht aber das Oberlid bei den
Fällen mit v. Graefe'schem Symptom die Bewegungen des Bulbus nach unten
thatsächlich mit, allerdings nur zögernd und ruckweise und nicht in der Aus-
giebigkeit, wie bei dem normalen Auge. Bei dem langen Bestände des Morbus
Basedowii müsste aber eine Läsion dieses Koordinationscentrums endlich ein-
mal zum völligen Untergange der betreffenden Nervenelemente führen und
damit diesen Bewegungsvorgang in dauernden Wegfall bringen, was erfahrungs-
gemäss nicht der Fall ist.
Ueberhaupt macht es dem Beobachter weniger den Eindruck, als wenn
die Koordination der Bewegungen gestört wäre, sondern als wenn eine
mechanische Hemmung des Oberlides gegenüber der Bewegungstendenz
nach unten hin sich geltend mache.
Dem Vorherrschen dieses Eindruckes verdankt auch die Theorie des
Obwaltens einer tonischen Levatorkontraktion ihre Entstehung. Hiermit
wäre dann auch für die Seltenheit und Unvollkommenheit des unwillkürlichen
Lidschlages eine Erklärung gegeben. Doch auch dieser Annahme muss ent-
gegengehalten werden, dass beim willkürlichen Lidschluss thatsächlich eine
Ei*schlaft*ung des Levator erfolgt, denn bei weitem die grösste Mehrzahl der
Fälle mit v. Graefeschem Symptom vennag willkürlich sehr gut die Lid-
spalte völlig zu schliessen. Auch erschlaffen diese Individuen während des
Schlafes die Lidheber vollständig und ist da, wo im Schlafe ein Klaffen der
Lidspalte beobachtet wird, der vorhandene Exophthalmus dafür verantwortlich
zu machen. Ausserdem erzälilt noch Mosler (tl3) iniwn Fiill von pKitzlicluT
Schwellung der Schilddrüse mit sekundärem rechtsseitigem Exophthahnus und
erhr*hter Hiränensekretion. Ks be-
stiiml Ft^chts IHosis und trotzdem
das (i r a e f e'sche SymptouL
l>:4ss aber thatsächhch ein
Kontraktionszustand des Levator bei
Morbus liasedowiibenbachtet werden
kann, beweist folgende Kranken-
geschichte (siehe Figur 19 und 2t)):
F. K., 3i* jährige Frau. Seit V^ Jahr
soll das rechte obere Augenhd siel»
retrahirt haben, was iliren Mann
zur Aeusseiniug veranlasste, ihr
rechtes Auge sehe aus wie ein Glas-
auge. Mehrere Aborte. Keine Zeiclien
viui Lues. Sie liat zuweilen Herz-
klopfen, oft Hitzegefiüd. Neigung
zu Schweissfu. Ilir Hals ist nicht
dicker geworden. Die Sehscharfe
beiderseits normal, die Bulbus-
nmskulatnr ebenfalls, Ophth. und
Ref. normal Pupillenverhältnisse
noniial. Patientin war sehr matt
in den Beinen. Tremor manuum
besonders links. Puls 134. Keine
Stmma. kein Pulsiren der Hals-
gefässe. Sensibilität intakt. Der
elektrische Widerstand ist sehr er-
heblicli herabgesetzt. Links leichte
Ptosis. Hechts auffallende Retrak-
tion des Oberlides. Bei der Be-
wegung des Bulbus nach unten
bleibt das Oberlid des rechten Auges
auffallend zurück (siehe Figur 20).
Heim Blick gerade aus steht der
Rand des Oberlides melirere Milli-
meter über dein oberen Coraeal-
rande. Wegen des Tremors, der
hocbgr ad ig v e nueh r ten Pu Isf requenz,
der vasomotoriscben Sttlrungen und
der erheblichen Herabsetzung des ^^'?' ^^
elektrischen Leitungswiderstandes ^^ ^^ Reimktiim iles roohi*'u ObeHid». Biirk
_j 11*111 ■ tmdi tiiit<?n. Wulu^rbemHHi fomie fni.«'to cb'jn
wurde das Krankhettslnld als eme Morbus BM^-d^iwü.
Fi^' 19.
F. K, lUtrakriim lifs rr^-^bhMi Öl^eilids. Wuhr-
schein lirh furmr fnish- des Mnrb, Bna^diiwü, HMck
18
Die MitbewegUDgen zwischen den Liefern und dem Bulbus.
Fornie fniste des Morb. Basedowii aiifgefasst. Die Erscheinuiigen am C)W-
lide worden als eine doppelseitige Affektioii des Levatorkernes gedeut^^t Es
wurde angenoinmen, dass reclitsseitig durch denselben ein Reizzustand des
Lidliebers, links ein Lahnmiig^ziistand bewirkt worden sei. Im Verlaufe der
lieobachtiing machte bei Besserung des Allgemeinbefindens die Lähmting des
linken Oberlides Fortschritte, w^ährend die Retraktion des rechten Oberhdes
iiachliess.
MÖbius (114) hält das Stell wag'sche Zeichen (die Seltenheit und
rnvollkumnienheit des nnwül kürlichen Lidschlag^) für eine Reizerscheinung.
Die Kräfte, weiche das Auge im wachen Zustande ot!'en halten, seien starker
als bei <iesunden. Es Ijesteiie sozusagen ein übermässiger Tonus der dius Au^'t'
(jffTjenden Muskeln in analoger
Weise, wie bei erregten Menschen
überhaupt, mag es sich imi vorüber-
gehende Aufregungszustände oder
nmeine Maniebezw. nianiakalischen
Zustand handeln. Die primäre
Erscheinung sei Stellwag's
Z e i c h e n , u nd d i e F o 1 g e von
diesem sei das v. Graefe'sche
Phänomen.
In der That stellt sich diese
Hrscheiruing der w^eitklaffenden
I^idspalte bei horizontaler BUck-
richtung im Symptomenkomplexe
der B a s e d o w ' sehen Krankheit
(Figur 21) bei einzelnen Patienten
in der Weise dar, dass das Lid
schon so weit nach oben gehoben
erscheint, als wenn eine weitere
Hebung kaum noch möglich wäre (vergleiche auch Figur 3]; dabei sehen wir
weniger das Unterlid von der Comealoberfläche retrahirt, als das Oberlid.
Auch wir sind der Meinung, dass dieses Klaffen der Lidspalte aus der gleichen
U r sacb e h e r v o r ge b räch t w e rd e , wie das v . G r a e f e ' s ch e L i dp h änom en , und
möchten in dem Stell wag^schen Zeichen ein neues Ärgiunent gegen die
Sattler 'sehe Ansicht von einer Stünmg des betreffenden Koordinationscentnims
erblicken. Die Störung eines Koordinationscentnuiis sollte doch bei längerem
Bestände eigentlich zu Lähinungsersch einungen führen; es müssten daiui
alle Fälle von Basedow mit v. Gra efe'scbem Symptom im vorgerücktereii
Stadium eine Ptosis resp. Blicklähroung nach oben hervortreten lassen, was
bekanntlich nicht der Fall ist. Bei dem Siel Iwag'schen und Graefe*scheD
Zeichen kann es sich entweder nur um Erregungszustände
der Muskulatur in dem von Möbius und Bruns angedeuteten
Kla&t!ti der Luispalte bei Morbus Baiedowii.
f
Das von Graef ersehe Zeiclieii.
Sinne handeln^), oder um mechanische Verhältnisse^ welche in
ihrer individuell verschiedenen anatomischen Anlage unter der
Einwirkung des Exophthalmus mehr oder weniger auTfäilig in der
Zahl der Fälle hervortreten.
Wir hatten Figur 8 gesehen, dass der Levator und Rectus super, unter
einander und mit dem Fomix conjunctivae durch einen gemeinsamen Fascien-
zipfel (6c) verbunden sind, und da^s ein analoger Fascienscipfel (13 ö)
vom Rectus infer. zum Unterlid und zur Conjunctiva des Unterlides geht. —
Ferner findet sich bei den meisten Menschen im Fornix conjunctivae
eine bleibende Schleimhautfalte (Figur 22 ps)y welche auch beim Lidschloss
nicht verstreicht (Merkel, Graefe-Saemisch I, 68), und welche Substanz
genug hat. um der Conjunctiva zu ermöglichen, allen Bewegungen des Augapfels
nachzugeben, ohne eine Zerrung zu erleiden. Sie läuft im Kreise um den
Äugapfel herum, ist jedoch an der medialen
Seite am stärksten (siehe Figur 22). Unter-
suchen wir nun viele normale Individuen
auf dieses anatomische Verhalten, so
werden wir finden, dass die mehr oder
weniger reichliche Entwickelung dieser
Conjunktivalfalte zahlreichen individuellen
Abstufungen unterworfen ist, um bei einer
grossen Zahl von Menschen sich auffallend
straff gespannt zu zeigen, so dass wir hier
von jener Faltung der Conjunctiva eines
Fomix nichts entdecken können. Bewegt
sich nun bei derartigen Individuen der
Bulbus nach unten, so wird dieser Be-
wegung durch jenen Fascienzipfel (Fig. 8, 6c)
am ein Geringes Gegenpart gehalten. Denn
einerseits sind Levator und Rectus superior durch eigene Fascien in ihrer orbitalen
Lage tixirt, anderseits wird durch Bewegung des Bulbus nach abwärts die
Ansatzstelle des Rectus su])erior und der Fomix conjunctivae mehr nach vorne
gezogen. Ist nun jene Verlöthung des Levator mit dem Rectus superior durch
den Fascienzipfel (Figur 8, 6c) sehr straff, so wird bei der Abwiirtsbewegung
des Bulbus der Zug an der Insertionsstelle des Rectus superior direkt auf
den Levator mit übertragen und dem Oberlid Gelegenheit gegeben, der Bewegung
des Augapfels nach unten sofort zu folgen. Ist dagegen die Verlöthung zwischen
Levator palpebr. und Rectus superior schlaffer , jener Fascienzipfel breiter,
und ist im Fornix conjunvtivae eine etwas ergiebige Schleimhautfalte vor-
banden, in welche bekanntlich vom Levator aus sehnige Fäden einstrahlen,
80 kann der Bulbus bereits eine Weile in der Bewegung nach unten begriffen
Fig. 22.
p s ^^ Schlei mliuutwuht im Fomix Coa-
i u n et i vtip , Niicli if e r k c L
V) Han vergleiche auch auf Abbildung H und 21 die leichte KoDtraktion des M.
Corrugator supercilii und der vom Mund facialis versorgte n Muskulatur.
Williranil-Saenger, ^tturologie dea Augeäi. 4
• ■ • • I
•♦ ••»•4 • •"■:•
50 MitbeweguDgeD zwischen den Lidern und dem Bulbus.
sein, bevor erst das Oberlid in diese Bewegung mit eintritt. Ja es könnte
sich sogar bei relativ zu geringer Längeentwickelung des Levators ereignen,
dass, während der Bulbus eine Bewegung nach unten macht, von einem
gewissen Zeitpunkte dieser Bewegung ab das Augenlid etwas nach oben gezogen
würde, wie im Falle Ramsay (124): „das obere Lid folgte zunächst dem
Blick nach unten, blieb dann beim weiteren Senken zurück; nach einigen
Sekunden trat eine spasmodische Retraktion des Lides ein , sodass die Sklera
sichtbar wurde." Auf diese Weise möchte sich der mehr oder minder aus-
giebige Mangel an Mitbewegung des Oberlides bei den Bulbusbewegnngen
sonst normaler Individuen nach unten hin erklären. Es liegt auf der Hand, dass
diese retrograde Zugwirkung am Oberlid in denjenigen Fällen um so ausgeprägter
sein muss, bei welchen zu der diese Erscheinung bedingenden anatomischen
Anlage ein Hervorgedrängtwerden des Bulbus aus der Orbita noch hinzukommt.
Wird, wie beim Morbus Basedowii, durch vermehrten Fettgehalt und stärkere
Füllung der Orbitalgefässe der Augapfel aus der Orbita nach vom getrieben,
so müssen dann auch diese mechanischen Momente beim Blick geradeaas
schon wirksam werden und dadurch in einem stärkeren Klaffen der Lidspalte
(Stellwag'sches Zeichen) und unvollkommenen Lidschlag in die Erscheinung
treten. Bedenken wir nun, dass der Tonus des Levator (wie auch der übrigen
Bulbusmuskulatur) durch die Zugwirkung des vorgetretenen Augapfels etwas
erhöht erscheint, so wird dadurch jene retrograde Zugwirkung am Oberlid
gegebenen Falls noch vermehrt, und das Lid kann, wie so oft beim Basedow,
nur ruckweise der Bewegung des Bulbus nach unten hin folgen. Dies wird dann
geschehen, sobald sich durch die anatomischen Verhältnisse die retrograde Zug-
wirkung ausgeglichen hat, und nun die durch die vermehrte Senkung der Blick-
ebene gesteigerte Zugwirkung am Fascienzipfel von Seiten des M. rectus snperior
aus das Uebergewicht erlangt. Bei der vollen Senkung der Blickebene wird
dann das Oberlid mehr oder weniger weit, je nach der individuellen anatomi-
schen Anlage der besprochenen Verhältnisse, den Bewegungen des Bulbus nach
unten hin gefolgt sein. Acceptiren wir dazu noch die Ansicht von Mob ins,
es sei durch einen Erregungszustand des Nervensystems ein so zu sagen über-
mässiger Tonus der die Augen öffnenden Muskeln beim Basedow vorhanden,
so haben wir darin nur ein jene mechanischen Verhältnisse noch unterstützendes
Moment.
«
Unter 39 Fällen von Morbus Basedowii unserer Beobachtung finden wir
bei 27 Fällen Exophthalmus verzeichnet und zwar:
doppelseitig bei 23 Fällen einseitig bei 4 Fällen.
Unter diesen 23 Fällen zeigte sich:
a) Exophthalmus i * h^ >* h ' ^^^ Exophthalmus gleichzeitig
v.Graefe'sSympt. - vu Stellwag's Zeichen bei 4 Fällen
Stellwag's Zeichen v. Graefe'sSympt. auf dem-
selben Auge.
Das ron Graefe'sche Zeichen.
51
b)
c)
d)
e)
f)
Exophthalmus
V. Graefe
Stellwag?
Exophthalmus
V. Graefe?
Stellwag?
Exophthalmus
V. Graefe
Stellwag
gleichzeitig bei 14 Fällen.
in 4 Fällen.
fehlten gleichzeitig bei 6 Fällen.
V. Graefe
Stellwag
in 1 Falle.
Stell wag
(mangelhafter Lidschlag)
; in 2 Fällen.
g) -
V. Graefe
^ in 3 Fällen.
Unter diesen 39 Fällen von Morb.-Basedowii sprechen die Gruppen a,
ai, d = 15 Fälle direkt für diese eben entwickelte Theorie, die Gruppen b,
c, d, f = 18 Fälle nicht dagegen, denn bei den 14 Fällen von Exophthalmus
mit von Graefe'schem Zeichen der Gruppe b finden wir zwar in den Kranken-
geschichten vom Stellwag'schen Zeichen nichts angegeben, es bleibt aber
dahingestellt, ob dasselbe nicht doch vorhanden gewesen und nur zu notiren
vergessen worden war. Bezüglich der 4 Fälle von Exophthalmus ohne
V. Graefe's und Stellwag's Zeichen (Gruppe c) verweisen wir auf das, was
wir früher bezüglich der individuellen Verschiedenheiten der anatomischen Anlage
gesagt hatten, ebenso bei dem einen Falle der Gruppe e und bei den 3 Fällen
der Gruppe g, denn diese Symptome kommen eben auch bei ganz gesunden
Individuen vor.
Es bleiben also von den 39 Fällen von M.-Basedowii nur die 2 Fälle
der Gruppe f übrig mit Stellwag'schem Zeichen ohne Exophthalmus und ohne
V. Graef e'sche Symptom. Der mangelhafte Lidschlag in diesen beiden Phallen
könnte jedoch auch von einer Herabsetzung der Sensibilität der Cornea und
Conjunctiva abhängig gewesen sein, wie solche ja bei Nervösen nicht selten
gefunden wird.
Als weiteres mechanisches durch den Exophthalmus bedingtes Hindemiss
würde dann auch das Prominiren des Homhautscheitels über die durch den
oberen und unteren Orbitalrand gelegte Frontalebene zu erwähnen sein, inso-
fern das Lid hier leichter über dem Homhautrande hängen bleibt. Zudem
konnten noch Bannas (115) und Wolfberg (116) konstatiren, dass das
Herabsinken des Oberlides überhaupt seine Grenze nicht etwa an der Ergiebig-
4*
52 Mitbewegungen zwischen den Lidern und dem Bulbus.
keit der Lidhaut linde, sondern an der Exkursionsfähigkeit der Levatorsehne,
welche durch einen lateralen und medialen Fascienzipfel an der Orbitalwand
fixirt ist. Bei gleichbleibendem Breitedurchmesser der Levatorsehne würde
dieselbe um so leichter dem herabgleitenden Lide folgen, je schmäler die
Orbita wäre, um so schwerer, je breiter dieselbe sei. Im ersteren Falle ent-
spräche der die Levatorsehne tragende Lidtheil mehr der Sehne eines Kreises
mit kleinerem Radius, im letzteren mehr der eines solchen mit grösserem Radios.
Trotz jener Insufticienz der Mitbewegung des Oberlids bei vielen Fällen
von Morb. Basedowii vermögen dennoch die meisten dieser Kranken, wie z. B.
jener in Figur 3 abgebildete Fall, das Auge zuzukneifen, und es fragt
sich, wie trotz dieser seither beschriebenen mechanischen Behinderung der
vollständige willkürliche Lidschluss dabei zu Stande gebracht werden könne.
Hier muss zunächst hervorgehoben werden, dass bei Kontraktion des ganzen
Orbicularis die Schlusswirkung dieses Muskels gegenüber den entgegenwirkenden
Kräften als eine sehr erhebliche betrachtet werden muss. Da während des
Schlafes der Tonus des Levator aufgehoben ist, wird auch je nach der Stärke
des Exophthalmus, und dem mehr oder weniger deutlichen Hervortreten jener
mechanischen Momente die Lidspalte mehr oder weniger stark klaffend bleiben.
Dass trotz des Exophthalmus das von Graefe'sche Symptom fehlen
kann, wie in einem von Mäher (117) referirten Falle, widerstreitet den seit-
herigen Ausführungen nicht, da ja, wie erwähnt, das Hervortreten jener
mechanischen Einwirkungen auf eine individuell verschieden ausgeprägte ana-
tomische Anlage bezogen werden muss. Jedenfalls wirkt aber als besonders
begünstigendes Moment für diese Verhältnisse der Exophthalmus unter der
Voraussetzung mit, dass der Levator und die äussere Bulbusmuskulatnr von
normaler Beweglichkeit geblieben waren.
Nach Möbius (1. c.) soll der Exophthalmus bei Basedow fast inmier
vorhanden sein, wenn auch oft nur in geringem Maasse.
Griffith (118) fand unter 32 Fällen von Basedow:
25 mal den Exophthalmus doppelseitig,
4 mal rechtsseitig,
3 mal linksseitig.
Von einseitigen Fällen von Exophthalmus bei Morbus Basedowii
erwähnen femer noch A. Völkel (119), Barella (120), neun, Percy (121)
vierzehn Fälle. Da demnach der Exophthalmus einseitig auftreten kann,
so kann auch bei Morbus Basedowii, je nachdem die vorerwähnten ana-
tomischen Verhältnisse dies begünstigen, das von Graefe'sche Symptom
hier ei nseit ig beobachtet werden. Von welcher Bedeutung nun der Exophthal-
mus für das Hervortreten des v. Graefe'schen Symptoms vielleicht ist, zeigt
Fitzgerald (122) an 4 Fällen, in welchen das v. Graefe'sche Symptom nur
an dem Auge mit Exophthalmus zu finden war. Daneben berichtet Hack (123)
noch über einen Fall, bei welchem das v. Graefe'sche Symptom zugleich mit
dem Exophthalmus verschwand.
Mitbewegung zwischen dem Orl^ienlarij^ und den Hebern des Biilbue 53
Scbliessitch darf auch der Konvexität der Sklera und dem Umstände,
daßs durch die Palpebralportion des Orbikularis die Lider gegen den Bulbus
gedrückt werden, ein gewisser Einfluss auf die Bewe^np; des Oberlides mit
dem Bulbus zuerkannt werden, insofern, wie ünwers (125) meint, der Aug-
apfel durch Druck von der convexen Sklera das Oberlid mit bewegt.
b) Mitbewegun^en zwist^hen dem Muse, orbieularis und deu Hebern des
RulUus.
§ 32. Bei den meisten Menschen fliehen bei dem Versuche beide Augen
kräftig zu schliesseji die Ruibi nach oben und aussen, seltener nach oben und
innen. Es besteht also zwisclien der Innervation des ganzen Orbicularis und
derjenigen der Heber des Bulbus^ namentlich beider M. obliqui infer. ein
bestimmter Consensus* Nur bei einer kleinen Zahl von Individuen tritt das
ge^entheiüge V erhält niss ein, und wendet sich heim Zukneifen der Augen der
Bulbus nach unten^ (v, Graefe 126). Das sog. ., Verdrehen der Äugen'* bei
mit dem Schlafe käm[if enden Personen, ein Zustand, in welchem beide BuJbi
unter dem halberschlafften Oberlide in der Richtung nach oben und aussen
verschwinden, widerspricht nur anscheinend dem obigen Satze; denn das
Aufwärts wenden beider Augäpfel in diesem Falle ist der Ausdruck einer be-
wnssten Flucht vor neuen optischen Sinneseindrücken. Sind aber erst beide
Bulbi imter dem Oberlid verschwunden, dami tritt auch die für die Blick-
richtung nach oben physiologische Divergenzstellung derselben hervor. Mit
der letzteren wird dann nun thatsächlich doppelt gesehen, sobald das schlaf-
trunkene Individuum sich wieder aufgerafft hatte, die Lider für einige Augen-
blicke etwas mehr zn heben. Im tiefen Schlafe dagegen machen die Bulbi
htngsame und inkoordinirte Bewegungen nach allen Richtungen hin. Diese
Hucht der Augäpfel nach oben beim Zukneifen der Lider ist eine äusserst
zweckmässige Mitbewegung, indem zugleich bei dem reflektorischen Lidschlag
zum Schutze des Auges Hornhaut, Iris und Linse unter den Wulst der herab-
gezogenen .\ugenbrauen sich flüchten, um hinter einer, durch die Kontraktion
des Muskels und die Faltenbildung der Lidhaut dicker gewordenen, schützenden
Decke besser geborgen zu sein. Auch dringen gegenüber dem plötzlich ins
Auge fallenden grellen Lichte dann weniger Strahlen durch das zusammen-
gezogene verdickte Lid in das Auge, zumal dabei die durchsichtige Hornhaut
und l*upille sich gegen die dunkle obere Orbitalwand gewendet haben.
Dass bei dieser Flucht der Bnlhi nach oben der Augapfel aktiv durch
das Unterlid nach oben geschoben wurde, konnte A. v. Graefe (h c) an
folgendem Falle beobachten:
Bei einem Frauenzimmer mit totaler Unbeweglichkeit des Bulbus war
es auffallend, dass die unbewegliche Hornhaut , welche beim wiUküriichen
Blick nach oben sich nicht im Mindesten erhob, sofort eine aufsteigende
Bewegung einging, wenn Patientin die Lider fest schloss oder blinzelte. Der
früher vollständig s;tarre Bulbus schien jetzt plötzlich beweglich zu sein. Als
Ursache dieser Bewegung konnte nur die Zusammenziehung und Hebung de^
rA
Mitbewe^ung si wischen dem 0^^^i<-'illrtm un<l den Hebern des Bullmd.
unteren Lides fHOfiesp rochen werden, dejin sowie das Letztere auf die Wa
vom Bulbus abgezogen wurde, und nun die Kranke die Augenlider schlie
sollte, trat nicht mehr die geringste Verschiebung ein, sogleich aber, -weil
bei nachlai^sendem Zug das untere Lid den Bulbus wieder berührte. -
Die Flucht des Bulbus nach oben bei kräftig intendirter Zusanimenziehung
des Orbicularis können wir am deutlichsten bei Lagoplithalmus zufolge von
Facialislähmnng konstatiren , wie aus Figur 23 ohne Weiteres hervorgeht
Lässt man vhwu derartigen Patienten das Lid der gesunden Seite nur leis
wie zum Schlafe scldiessen, dann bewegt sich das» Auge meist nur wenige na
oben (siehe Figur 24), auf den Befehl aber dns Auge zuz^jkneir^^n, flieht
L. C. Hedita^iligi* kiuupkte FiieiaÜHlähmung, KoHuii^ des liulliüi« nacli oben iu verschiedt:oi
HtJidieu des veniuclilc'n Lidschlussn's.
I
Bulbus weit nach oben, meist nach aussen oben, seltener nach oben mnen^]
Zugleich damit erweitert sich auch zufolge des im vorigen Kapitel beschriebenen '
mechanischen Moments die Lidspalte (siebe Figur 23}. Bei einzelnen Individuen
und namentlich bei Leuten mit absoluter Facialislahmung verschwindet dann
oft die Hornhaut ganz aus der klafl'enden Lidspalte (siehe F'igur 25), und das
Auge gleicht den Augen antiker Statuen, bei weichen ja bekanntlich Hornhaut
und Pupille nicht modellirt wurden. |
Diese zweckmässige und der Hornhaut Schutz gewährende Flucht des
Bulbus nach oben beim Zukneifen der Augen will Oejnhardt (127) bei
vielen F'ällen von Facialislahmung so lange bestehend beobachtet haben, aU
die Lähmung des Musculus orbicularis andauerte. Es sei das Verharren des
Augapfels in seiner Ruhestellung bei dem Befehle die Lider zu sehliessen eio
unverkemibares Zeichen der Besserung der Facialislahmung gewesen. Inwie-
)
weit diese Angaben richtig sind, müsseu iiuch weitere IWobachtungen
bestätigen.
§33. Fordert man Nerv^ose oder an Biisedow'st'ber Krankheit leidende
Patienten auf, das Ange sanft wie zum Schlafe zu selüiesseu, sn beubacliten
wir sehr hantig einen auffallenden Tremor des Oberlides, der aber auch bei
sonst ganz gesunden Menschen nicht selten gefunden wird. Dies»* unter der
Bezeichnung: Rosenbach'sches Phänomen (12H| bekannte Erscln^inung er-
klären wir aus dem Widerstreit antrig<*nistiseli auf du^ Lider wirkendt^r Kraftev
Indem nämlich bei dem Yei^uche, das Auge zu scbliessen, beide Bulbi gesety.-
mässig nach oben gerollt werden, wird durch den Fasrienzipfel (Figur 8, tsc)
auf den Fomix ctuijunctivae* wie auf das iHjerlul ein /avj in drr Richtung
nach oben ausgeübt, wie wir das ja an
Figur 23, 24 und 1*^ gesellen haben.
Scbliessen wir nun sanft, wie zum
Schlafe, die Augen, so überwiegt zwar
der Tonus der Palpt hralpnrtion des
Orbicularis den Gegeuzng am Oberlid,
welcher durch das 11 1 na iif rollen des
Bulbus nach oben bewirkt wird, ahei'
nicht so, als dass nicht das Widerspiel
dieser antiigonistisch wirkenden Kräfte
in einem so beweglichen Organe wie
dem Oberlid durch einen Tremor sich
bemerk lieh machen würde. Noch auf-
fälliger tritt dieses Spiel gt geir einander
wirkender Kräfte auf, snhaltl wir he-
w*usst den Bulbus weit nach oben bewegen
und nun versuchen, das Auge sanft wie
zum Schlafe zu scbliessen. In wirklichem
Schlaf dagegen verliert sich das Kosen*
bach'sche Phänomen aus dem Orun<le,
weil der Orbicularis erschlaÜ't ist und
damit die eine Zugkraft am Oberüde in W'egfall kommt, anderseits aber der
Bulbus ganz langsame inkoordinirte Bewegimgen nach den verschiedensten
Richtungen hin unternimmt, und deshalb ein Widerspiel der Kräfte gar nicht
zu Stande kommen kann. Das Zittern der Lider beim Lidschluss von
Patienten, welche an Morbus Basedowii leiden^ worauf Homen (129) haupt-
sächlich hingewiesen hat, wird sich aus den oben angeführten Ursachen
wegen des Exophthalmus dann noch um so leichter erklären.
Da der Tremor der Lider bei geöffneten Augen sich verliert, Mann-
heim U30), so kann auch die Ursache desselben bei geschlossenem Lide nicht
die gleiche sein, die etwa den Tremor manuum hervoiTuft.
Während die seither geschilderten Mitbewegungen zwischen Lidern und
Bulbus mehr ein Ausdruck normal physiologischer Verhältnisse waren, welche
Flg. 25.
K. N. Rrvhtstsi'ilJ.ui' kompletc Füditliwlütunnnjy:.
FJiirht tk'r Cornea nach nUvn bei verGUchletii
LUisi'liJiiss.
56 Zwangsweise Lidbewegungen bei seitb'chen Bewegungen des Augapfels.
unter dem Einfluss pathologischer Zustände gewisse Veränderungen erfuhren,
wenden wir uns nun zu einer Gruppe derartiger Beziehungen, welche entweder
einen nur bei Einzelnen vorkommenden Ausnahmezustand physiologischer Mit-
bewegungen darstellen, oder welche erst als Folge pathologischer Verände-
rungen zur Entwickelung gekommen sind, ohne dass vorher eine Andeutung
davon vorhanden gewesen wäre.
c) Zwangsweise Lidbewegungen bei seitliehen Bewegungen des Augapfels.
§34. Diesen eigenthümlichen Bewegungsformen hatFuchs(131) vornehmlich
seine Aufmerksamkeit geschenkt. Meist bei Adduktion, seltener bei Abduktion
des Auges hebt sich das Lid derjenigen Seite höher, auf welcher meist Augen-
muskellähmungen vorhanden sind, während sich das Oberlid des anderen Auges
tiefer senkt und dann durch Willensimpuls in dieser Stellung nicht gehoben
werden kann. Vor Kurzem hatten wir Gelegenheit, folgenden hierher ge-
hörigen Fall genauer zu beobachten. Ein 28jähriger junger Mann hatte zu
einer Phthise noch eine tuberkulöse Meningitis hinzubekonunen. Die linke
Lidspalte war zufolge einer leichten Ptosis enger als die rechte. Die Be-
weglichkeit des linken Bulbus nach innen war beschränkt. Später entwickelte
sich auch Ptosis auf dem rechten Auge. Beim Blick nach links hin wurde
nun das linke Oberlid, und namentlich die nasale Partie desselben krampfhaft
in die Höhe gezogen, während das Oberlid des rechten Auges herabsank, und
der Bulbus etwas nach innen und unten hin abwich. Dabei zog sich die linke
Augenbraue durch Kontraktion des Frontalis lebhaft in die Höhe, und war
die Hebung des Oberlides demnach wohl weniger auf den Levator, als auf
eine Kontraktion des Frontalis zu beziehen. Liess man den Patienten weit
nach rechtshin blicken, so trat hier das analoge Phänomen auf, indem nun
das rechte Oberlid und die rechte Augenbraue in die Höhe gezogen wurde,
während das linke Oberlid herabsank, und der linke Bulbus in der Bewegung
nach rechts hin zurückblieb. Der Patient ging an tuberkulöser Meningitis zu
Grunde.
Während bei diesem Falle in der Abduktionsstellung das Oberlid des
einen Auges gehoben, das des anderen gesenkt wurde, und diese Erscheinung
abwechselnd auf beiden Augen hervorzubringen war, sehen wir in dem folgen-
den Falle aus unserer Beobachtung dies Phänomen der Lidhebung nur ein-
seitig auftreten, ohne dass das Augenlid des anderen Auges dabei herabge-
sunken wäre.
Seh. K., 34jähriger Mann, hatte vor drei Jahren Lues durchgemacht.
Wird nun unter den Erscheinungen schwerer Gehirnsyphilis ins Krankenhaus
aufgenommen. Rasende Kopfschmerzen, zeitweise Stupor, epileptiforme An-
fälle, beiderseits Neuritis optica, rechts Keratitis neuroparaly tica , links voll-
ständige Abducenslähmung. Schwindel, Tremor der Hände, Ataxie der Beine.
Während der Rekonvalescenz wurde folgende Erscheinung beobachtet (Figur 26).
Die linke Lidspalte wird beim Blick nach links auffallend weit, sodass ein
Zwangsweise Lidbew^gungen liei seitlichen Bewegungen de?f Htjlbn«.
!u
breiter Skleralstreifeii über dem oberen Honihautrande sichtbar wird, gleich-
zeitig wurde durch Kontraktion dos Muse, frontalis die linke Augenbraue in
die Hohe gezogen. Der linke Bulbus war unvermögend, über die Mittellinie
nach links hinüberbewegt zu werden. Beim Blick nach rechts hin trat bei
normaler Seitwärtshewegung heider Bulbi das Ilianonien nicht auf. Da keine
sekundäre Ablenkung des linken Auges trotz des absoluten l'nverniogens, das
Auge nach auswärts zu bewegen bestand , und auch der Patient nie über
Doppeltsehen Klage geführt hatte, mag wobi hier diese Erscheinung angeboren
gewesen sein. Auch in diesem Falte handelt es sich offenbar nicht um
eine Innervation des Levator, sondern des Frontalis, welcher die Hebung des
linken Oberlides besorgte. Eine Ptosis
war hier nicht vorhanden. Jedenfalls
giebt es sichere Beobachtungen, wie der
gleich anzuführende Fall Brownings
(133), bei welchem diese Erscheinung
nicht auf eine Erkrankung zurückgeführt
werden konnte, während dieselbe bei
anderen, wie z. B. im Falte H ri x a (132),
pli>tzlich entstanden war. Hier bestand
auf dem rechten Auge eine Lähmung
sämmtlicher vom Oculoraotoritis ver-
sorgter Muskeln. Bei kräftiger Inner-
vation gelang es, das rechte Auge etwas
über die Mittellinie hinaus zu adduziren.
Dabei hob sich da^s sonst herabgesunkene
rechte Augenlid so sehr, dass ein 1,5 mm
breiter Skleralstreifen über der Korn-
haut sichtbar w^orde. l^atientin war eine
37 jährige Frau, Das Leiden war plötzlich
entstanden. Lues war nicht vorbanden.
Bei einem anderen unserer Falle
konnten wir die in Rede vStehende Er-
scheinung unter unseren Augen auftreten
sehen. Derselbe ist dadurch auch beraerkenswertb , dass die Hebung des
Oberlides beim Blick nach unten hin erfolgte und eine Theilnahme des Fron-
talis der gelähmten Seite viillig auszuscb Hessen war:
L, Seh., 46jährige Frau, früher Kellnerin, jetzt Wirthin, hatte viel ge-
trunken und auch einmal Lues acfjuirirt. Seit •* 4 Jahren klagt dieselbe ül^er
heftige Kopfschmerzen und Angstzustände, über Schwere im linken Oberlid
lind Doppeltsehen. Eines Morgens w^ar auf dem linken Auge eine komplete
Ptosis aufgetreten, und zeigte sich bei der I'nt ersuchung eine Lähmung des
Trochlearis und aller Aeste des Oculomotorius: nur die Akkommodation w\ar
auf dem linken Auge frei geblieben. Mehrere Monate nach einer kräftigen
Schmierkur und fortgesetztem J od kali gebrauch liochgradige P»esserung der
Fip. 2G.
Seil. K. Link^: llf-wegunjErsHi'iehrÄukutJu des
Bulbus luii'h luiswarts. Hei intciidirtpr Blick-
nclituüg unch Uoks auffikUige?- He1>eii dos
link^'n Oberlid».
Zwangeweise Lidhebung 1>ei Bewegungen des balhus.
Augenmuskt^lstorungeiL Die Ptosis des linken Auges ist sehr zuriickgegan§:eß,
cUp Stellung der Bulbi beim Blick geradeaus fast normal. Die BeweglicKkeit
des Hnllnift nach nnten noch etwas beschränkt. Allgemeinbefinden sehr ge-
bessert, lilk'ki nun ratieutin mnglichst weit nach unten hin, dann wird das
früher viÜlig gelähmt gewesene linke (*i>erlid (siehe Figur 27, ohne Theil-
uahnif des M. froutalis) nach «iben gezerrt, sodass ein breiter Skleralstreifen
zwis< fien übenan Lid- nud t^oruLMlraud inni sichtbar wird.
ISei einem Falle Fri ciltMiwahrs (KU u. 135) sanken die Lider auch bei
Konvergenz, während bei rim-r zwiäten Ijeubachlunfj dieses Autors dies nur bei
der mit Seitenbewegung verknüpften
Adduktion des hetreftenden Auges
geschalt
liei einem Falle FJrowning's
(K-iS) liolien sieb bei der Konvergenz
die Lidrr stark. Bei der Senkung
der Andren gingen die Lider nur bis
zum Ihiriznntalen Meridian mit.
Wnrden die Augen noch mehr ge-
senkt, dann blieben die Lider zuerst
stehen und hoben sich zuletzt
snjLMr noch mehr in die Höhe.
iJerartige an das von Graefe-
srhe rhänomen beim Basedow er-
innernde Erscheinungen sind auch
von Fuchs (1. c) und Pick (136)
unter den analogen Umständen ge-
rn acht worden.
Aus der von Sinclair (137)
gemachten Zusamnienstellung von
L. Sf'h* lij iltr Hest-^eruntj lu'urilKih' i.)|^hlbaIniO'
p]egja fxierior mit l*tos]>. IlfJuuig drs früher
gelähiiü ^'rwbseia*'!! litikdi <MKiiiilr.H Whii Küek
iiiurli uiitfn.
Fällen abnormer Mitbew^egung des
Oberlides emehen wir, dass auch
Beobachtungen vorliegen, wo mit der
Bewegmig des Auges nacli innen immer Zusauimenziehuug des Orbicularis
und eine Zurückziehung des Bulbus verknüpft war, eine Erscheinung, welche
auf eine anormale angeborene Muskelinsertiou hinweist.
Sinclair hält es für wahrscheinlich, dass in einer gerne i n samen
Nervenfaserversorgung die Erklärung für dieses Phänomen gesucht werden
müsse. Wenn auch bei Einzelnen unstreitig diese F^rscbeinimg von Geburt
an bestanden haben muss. so waren doch bei der Mehrzahl der Fälle nucleare
Augenmuskellähmungen dem Auftreten dieser Erscheinung vorausgegangen. Es
geht darum nicht an, bei diesen ac<|uirirten Fällen an eine von der Regel
abweichende anatomische Einrichtuug der Bewegungscentren zudenken. Nach
Fuchs's Ansicht käme es bei dem unzweifelhaft atrophischen Zustande, in
welchem sich die Bewegungstentren der Augenruuskeln befänden, viel leichter
I
w
Association von Litlbewegungen mit: Veränderuugen der Pupillenweite. 59
zum Cebergreifen des Innen^ationsreizes auf benachbarte Gebiete. Man beob-
achte dieselben häufig bei Lähmungen sowohl cerebralen, als spinalen Ursprunges.
Die Mitbewegungen können die andere Seite betreffen , viel häufiger beträfen
sie aber Muskeln, welche derselben Extremität angehörten.
Schliesslich sei hier noch folgender interessa?)ter Fall von Gold-
scheider (138) erwähnt, welcher leicht mit diesen Fällen verwechselt werden
kfiimte. Derselbe beobachtete bei einer Hysterischen, dass, wenn dieselbe
nach rechts unten blickte, der linke Bulbus krampfhaft nach unten innen
gezogen wurde, während das linke obere Augenlid sich erhob. Es bestand
also ein Krampf im oberen Augenlide und im Rectus inferior.
Lewi (142) erwähnt rhytlniiischer Lidbewegungen bei Xystagnius,
d) Association yuu Lidbeweguiigen mit \eriinderuugeti der Pupillen weite.
Jt 35, Bei zwei von Sidney IMiilipi^s (139) beschriebenen Fällen waren die
eben beschriebenen Lidhewegungen von Piipillenbewegungen begleitet, indem
die Lidhebung gleichzeitig mit einer Pupillenkontraktion eintrat und umge-
kehrt. Rhvthniische Vf^ränderungen in der Weite der Lidspalte zugleich mit
Pupiilenkontraktion hat ferner Salzmann (140) bei einem 21jälirigen Mäd-
chen beobachtet Es bestand linkerseits Ptosis, Ablenkung des Auges nach
aussen und etwas nach oben und vollständige T-nbeweglichkeit des Auges nach
innen und oben. Die Pupille war erweitert und reagirte auf Licht. Die
Weite der rechten Lidsfialte war bei normal geöffnetem Auge 10 mm, die der
linken Lidspalte diigegen schwankte zwischen 3 und 9 mm. IHese Schwan-
kungen erfolgen in ganz regelmässiger Weise, Das obere Lid hob sich unter
zuckenden Bewegungen, bis die Ptosis fast ganz geschwunden war. In diesem
Zustande verhanle das Lid einige Sekunden, worauf es sich in gleichmässiger
\Veise wieder senkte, bis es das Maximum der Ptosis erreicht hatte. Dieses
Spiel wiederholte sich ungefähr zweimal in der Minute und war von einer ent-
sprechenden Aenderung in der Pupillenweite begleitet. Mit der Hebung des
Lides verengerte sich nämlich rasch und gleiclnnässig die Pupille bis auf un-
gefähr 3 mm (eine Enge, welche die rechte Pupille nur bei starkem Licht-
einfall erreichte); dann, gleichzeitig mit der Senkung des Lides, erfolgte eine
nickw*eise Erweitenmg der Pupille, welche gleichzeitig mit der stärksten Sen-
kung des Lides ihr Maximum (6— 8 mm) erreichte. Es war, sagt Fuchs, als
ob in rhythmischer Weise die Innervation des gelähmten Levator palpebrae
und des Sphincter iridis zunehmen und abnehmen w^ürde, vielleicht durch rhyth-
misch w^echselnde Versorgung der entsprechenden Ursprungskerne mit Blut.
Auch hier hob sich das Lid bei Addiiktion des Auges, Avährend es bei der
Abduktion desselben noch stärker herabsank. Die Mutter dieses Mädchens
hatte an Epilepsie gelitten. Die ( k'nlonmtoriusläbmung soll im zweiten Lebens-
jähre nach Diphtherie aufgetreten sein.
Auch Rampoldi (141) konnte einen ähnlichen Fall beobachten.
60 Mitbewegungen des Oberlids bei Oeffnen des Mundes and bei Kaubewegungen.
e) Mitbewegungen des Oberlids bei Oeffnen des Mundes und bei Kaii>
bewegungen.
§ 36. Auf die Mitbewegung des Oberlides bei OeflFnen des Mundes und Inner-
vation der Kaumuskulatur hatte zwar Gunn (143) zuerst hingewiesen, jedoch
ist von Helfreich (144) diese auffallende Erscheinung zuerst genauer studirt
und erklärt worden. Wir selbst hatten auch einmal Gelegenheit, bei einer
sehr schönen jungen Dame dies entstellende Phänomen zu beobachten. Der-
selben wurde von ihren Mitpensionären jedesmal beim Verzehren ihres Früh-
stückes Vorwürfe gemacht, „sie solle doch keine solch affektirten Bew^ungen
mit ihrem Auge machen". Für gewöhnlich merkte man dem Auge nichts an,
sobald aber die betreffende Dame kaute und die Blickebene dabei gesenkt
hielt, machte das linke Oberlid die energischsten Zuckungen, wobei der obere
Lidrand weit von der oberen Cornealgrenze sich entfernte. Die Lidspalten
waren beide gleich weit ; es war also keine Spur von Ptosis vorhanden. Auch
unterblieb das Phänomen, wenn der Mund bei geschlossenen Kiefern geöfhiet
wurde.
Die meisten Beobachter sahen diese Erscheinung beim Kauen und bei
weitem Oeffnen des Mundes eintreten, sodann bei lautem Reden und selbst
beim Schlucken. Elschnig (145) und Block (146). Letzterer fand dieselbe
auch hereditär bei zwei Söhnen, deren Vater an Gehirntumor gestorben war.
Auch lediglich beim Aufblasen des Mundes beobachtete dieser Autor das
Phänomen.
In der grossen Mehrzahl der Fälle handelt es sich um nervöse Bezieh-
ungen zwischen dem Nervus oculomotorius und dem Trigeminus; und haupt-
sächlich scheint die Aktion der vom letzteren Nerven versorgten Muscnli
pterygoidei die Mitbewegung des Oberlides zu bewirken. Fast alle Beobachter
sind darüber einig, dass bei der durch die Mm. pterygoidei bewirkten seit-
lichen Kieferverschiebung das Phänomen dann auftrat, wenn die Kiefer nach
der dem zuckenden Lide entgegengesetzten Seite gedreht wurden, wenn also
der Innervationsvorgang sich auf die M. pterygoidei der Seite des zuckenden
Lides erstreckte. Jedenfalls ist sicher, dass nicht alle vom motorischen Aste
des Trigeminus innei-virten Muskeln in gleicher Weise bei der Lidhebung mit-
betheiligt sind, denn in einigen Fällen (Just [147]) werden ausdrücklich
einzelne Kaumuskeln als nicht wirksam erwähnt, welche wieder in anderen
als von besonderer Wichtigkeit für das Zustandekommen des Phänomens an-
gesehen wurden. Der Musculus masseter und Temporaiis scheint nach Bern-
hardt (148) ganz auszuschliessen zu sein.
Während das eine Oberlid zuckt, steht meistens das Oberlid des anderen
Auges völlig still. Bei nicht gesenkter Blickebene werden die Bewegungen
des Oberlides weniger ausgiebig und verschwinden bei stark nach oben ge-
richtetem Bulbus, sofern diese Bewegung überhaupt möglich ist, denn in der
folgenden Zusammenstellung Sinclair 's (137) fanden sich unter 32 Fällen 10,
welche eine angeborene Bewegungsbeschränkung des Bulbus nach oben zeigten.
Sinclair hat nämlich 32 theils eigene, theils aus der Litteratur gesammelte
Mitbewegtingeti i\ea Oberlids beim OeffDen des Mundeä und beim Kauen. 61
Fälle znsamineiigestellt und dieselben nach den Bewegiiiigeii des Unterkiefers
in vier Gruppen eingetheilt. Die 13 Fälle der ersten Gruppe zeigen die Mit-
bewegung des Überlides, sowie der Mund geoftnet wird, und der Unterkiefer
sich nach der entgegengesetzten Seite bewegt; die zweite Gruppe um fa,s st die-
jenigen Fälle, bei welchen die Hebung des Lides nur bei Senkung des Unter-
kiefers erfolgte U6 Fälle), Die Fälle der dritten Gruppe zeigten die Mit-
bewegung des Überlidea nur bei Seitwärtsbewegung des Unterkiefers {2 Fälle)-
Wäbrend bei 28 Fällen dieser drei Gruppen Ptosis des mitbewegten Lides
bestand, zeigten vier Fälle der vierten Gruppe da^ Phänomen bei Kiefer-
bewe^ng, ohne dass Ptosis bestand. Es zeigte sich demnacb in der Mehr-
zahl der Fälle das mitbewegte Lid mehr oder minder paretisch* Bei vielen
Fällen war auch neben der Ptosis eine Parese des Rectus superior vorhanden
(Goldzieher [149J und Proskauer [150]). Bei einem Falle Uhthoffs (151)
war der Rectus internus gelähmt. In einem von Vossius(lo2) beschriebenen
Falle zeigte sich das Phänomen bei einem von zwei Brüdern, welche seit ihrer
Gebart mit einer völligen Unbeweglichkeit des Bulbus behaftet waren. Hubbel
(153) beobachtete einen einschlägigen Fall mit Strabismus divergens, Amblyopie
und mangelhafter Beweglichkeit des Rectus superior und inferior. Im Hill-
ni an n 'sehen Falle (154) war neben der leichten Ptosis noch ein Colobora der
Papilla nei*vi optici als Degenerationszeichen vorhanden. Gegenüber diesen
Fällen von Mitbewegung des Überlides neben angeborenen Bildungsfehlem und
Beweglichkeitsdetekten des Auges darf wohl noch einmal hervorgehoben werden,
dass in den Beobachtungen von Fuchs (155), Just (156), Fränkel (157) und
unserem Falle weder Ptosis, noch sonst irgend eine kongenitale Anomalie zu
konstatiren gewesen war.
Gegenüber den Fällen mit kongenitalem Bestände dieser Erscheinung
sind auch Fälle beobachtet, bei welchen, wie z. B« in der Friedenwald-
sehen Beobachtung (158), diese Mitbewegungen erst im 14. Lebens^jahre
auftraten. FränkeTs (157) Patientin hatte in ihrem siebenten Lebensjahre
keine Ptosis, in ihrem 13. war eine solche vorhanden, dagegen trat die ruck-
weise Lidhebung schwächer auf als früher. Andererseits bemerkte Kraus (159)
im Falle 3 seiner Beobachtungen, dass die für gewöhnlich etwas engere
linke Lidspalte nach neun Jahren immer noch etwas enger war, als die rechte,
dass aber die früher synchronisch mit der Oeffnung und Schliessung des
Mundes stattgehabte Hebung und Senkung des oberen Lides nicht mehr zu
konstatiren war^ Umgekehrt wurde bei Blockes Patientin (146) das Zucken
des Oberlides mit den Jahren stärker. Da also die Erscheinung sich mit den
Jahren ändern kann, muss man mit der Prognose vorsichtig sein.
?i 37. Während bei der Mehrzahl der Fälle Beziehungen zwischen Oculomo-
torius und Trigeminus hervortreten, weisen auch einzelne Fälle darauf hin,
dass bei diesen abnormen Lidbewegungen dem Nervus facialis eine Vermittler-
rolle zugestanden werden müsse. So trat in HubbeFs Falle <1d3) das Phä-
nomen beim Oeft'nen des Mundes, nicht aber beim Verschieben des Unter-
kiefers hervor. Bull (160) sah bei einem 19jährigen Patienten, dessen rechtes
62 MitbewegungeD des Oberlids beim Oeffnen des Muodes und beim Kauen.
Lid seit der Kindheit ptotisch herabhing, dasselbe sich beim Mimdö£fnen heben.
Schloss Patient das linke Auge, kontrahirte er also den linken Orbicnlaris
palpebrarum, so konnte das rechte ptotische Oberlid dann ebenso weit ge-
hoben werden, wie wenn der Mund geöffnet wurde; weiter ging es aber nicht
mehr in die Höhe, auch wenn jetzt der Mund sich aufsperrte. Einen ähn-
lichen Fall erzählt von Reuss (161). Bei einem 18jährigen Patienten hob
sich das seit der Geburt gesenkte linke Oberlid, wenn der Mund geöffnet,
und der Unterkiefer nach rechts verschoben wurde. Eine Oeffnung des linken
Auges erfolgte aber auch dann, wenn das rechte Auge geschlossen wurde.
Noch weiter wurde die Lidspalte, wenn sich dabei der Mund weit öffnete.
In dem Uhthoff'schen Falle (151) bestand neben der linksseitigen Ptosis
und der unwillkürlichen Hebung dieses paretischen Lides beim Kauen und
Mundöffnen eine Art von Kontraktionszustand des linken Facialisgebietes.
Beim Spitzen des Mundes zum Pfeifen w^urde die linke Augenlidspalte, also
die des leidenden Auges, kleiner, während sich in den Fällen von Bull und
von Reuss die Mitbewegung des Lides auf der kontralateralen Seite ab-
spielte.
§ 38. Was nun die Erklärung dieses Phänomens anbelangt, so nehmen die
Einen abnorme anatomische Verhältnisse in den Ursprungsgebieten der be-
treffenden Nerven an, wodurch der Kern des Oculomotorius und in specie
der des Levator mit dem motorischen Kenie des Trigeminus oder mit dem
Kerne des Facialis in Verbindung stehen soll (Helfreich, Bernhardt und
Siemerling)* Andere führen diese abnorme Association auf Mitbewegungeu
zurück, welche physiologischerseits vorkommen und in den einzelnen Fällen
nur eine besondere Ausdehnung gewinnen. Hei f reich glaubt eine einfache
physiologische Synergie aus dem Grunde ausschliessen zu dürfen, weil es nicht
denkbar sei, dass der dem normalen Willensimpuls nur unvollkommen ge-
nügende Muse, levator palpebr. sup. in der Form einer Mitbewegnng beim
Oeffnen des Mundes leicht und ausserordentlich ergiebig in Aktton treten
sollte, während der normal leistungsfähige Muskel der anderen Seite in voller
Ruhe verharrte. Offenbar befinde sich in den vorliegenden Fällen der Muse,
levator unter der Herrschaft ganz verschiedener Innervationsgebiete. Es müsse
geschlossen werden, dass ein grosser Theil der im Nerv, oculomotorius ver-
laufenden Fasern seinen Ursprung nicht im Oculomotoriuskeme, sondern viel-
mehr in dem Kerne des Facialis oder des motorischen Trigeminus oder in
Beiden habe. Bei den Kaubewegungen werde die in den Facialis- und motori-
schen Trigeminuskem eintretende Erregung diejenigen Fasern mit innenriren.
welclie aus dem eben genannten Kerne heraus zu dem M. levator sich begeben,
ohne mit dem Nervus oculomotorius selbst in Verbindung und Urspmngs-
beziehung getreten zu sein. Die damit angenommene Mangelhaftigkeit des
Oculomotoriuskernes lasse sich leicht durch die vorhin erwälinten Fälle von
Beweglichkeitsbeschränkung des M. internus, des M. rectus super., der Ptosis,
sowie aller sonst vom Oculomotorius versorgten Muskeln (Vossius) be-
weisen.
Milbe wegiingen dt-a Oberlids beim OeßToeti des Mundes üe4 Ih im Knin.*n. 63
Warum es nun gerade die den Unterkiefer lienihziehenden und seitlich
verschiebenden Muskeln sind, durch deren Innervation die Hebung eines pareti-
schen Lides bewirkt wird, wissen wir nicht bestimmt. Jedenfülis sind die
motorischen Kerne des Trigeininus und des Oculumotorius benachbart, und es
dürfte hier der hypothetischen Verbindung Siemerling's zwischen absteigen-
der Trigeminnswurzel und dem Oculomotnriuskenie gedacht werden. Ausser-
dem aber könnte bei dieser Nachbarschaft der Kerne unter aajuirirten patho-
logischen Zuständen der Innervationsvorgang auf benachbarte Gebiete über-
greifen und zu Mitbewegnngen Veranliwsung geben.
Die Kreuzung des Innervati onsvorganges im Facialisgebiet zur einseitigen
Mitbeweguni^ des Oberlides erklärt Bernhardt (148) folgendermassen. Das
linke Oberlid z. B. zeigt Ptosis und kann aktiv nicht gehoben werden. Jetzt
schliesst der Kranke dan rechte Auge: von einem bestimmten I'iinkte der
Rinde der Unken Hemisphäre geht der Impuls nach abwärts, die Mittellinie
kreuzend, zu demjenigen Kemantlieil des rechten Facialis, der die Nerven für
den Scbliessmuskel des rechten Auges entsendet. Zugleich aber trifft dieser
Impuls den krankhaft veränderten oder in eigenthümlichem Reizzustande befind-
lichen Punkt (Theil des Oculomotoriuskernes desselben linken Auges), von da
aus die Nervenfasern für den paretischen linken Lidheber ihren Ursprung
nehmen, und innervirt diesen mit.
Eine etwas von den in Rede stehenden Fällen abweichende Beobachtung
hat Beaumont (lö2) gemacht. Bei einem zweijährigen Kinde trat beider-
seits die Oeffnung der Lider nur ein, wenn der Kopf liinten 4ibergeworfen,
und der Kiefer gesenkt wurde. Sobald man die Bewegung des Kopfes hinderte,
nützte die Senkung des Kiefers nichts. Ausser der Ptosis war auch Epicanthus
beiderseits vorhanden.
Ji39. Eng an die seither geschilderte Erscheinung schliesst sich eine Beob-
achtung von Adamük (163) an» Bei einer 40jährigen Nonne hoben sich
mit jeder Kaubewegung die Lider weiter nach oben und wurden zurückgezogen.
Hierbei wurde der Gesichtsausdnick ein sehr auffallender und unangenehmer,
da die Augen schliesslich soweit entblosst voi-standen, dass kaum das hintere
Drittel dei*selben von den Lidern lie deckt erschien. Als Patientin das Kauen
einstellte, gingen die Augen nach und nach in ihre normale Lage zurück, so
dass keine Spur ihres HeiTorsteliens ebenso wie der Retraktion der Lider
zurückblieb. Auch sonst boten die Augen der Patientin nichts von der Norm
abweichendes dar. Während des Sprechens wurde das Iliänomen nicht beob-
achtet. Die Sache bestand schon lange, schien aber zuzunehmen. Adamük
sucht die Ursache dieses Zustandes in den Verhältnissen der, der Augenhöhle
entstammenden, venösen Gefässe zum Kaumuskel und sieht diese fragliche
Anomalie als das Resultat einer vennsen Stase an.
Rampoldi (141) beschreibt eine merkivürdige, wahrscheinlich angeborene
Motilitätsstörung, die er bei einem 4S'2Jäbrigen, sonst gesunden Mädchen beob-
achtet hat. Der Lidschlag ging ruckweise, unter krampfhaften Zuckungen
vor sich und war nicht synchronisch auf beiden Augen, d. h. es wurde das
64 Mitbewegangen zwischen Lid- und Nasenmuskalatar.
Oberlid des einen Auges gehoben, während jenes des anderen Auges sich
senkte. Der Willensimpuls ist aufgehoben, und im Schlafe sind beide Lider
geschlossen. Das rechte Auge ist nach aussen gekehrt und kann diese Stel-
lung nicht verlassen, nur beim Heben des Lides rollt es etwas nach innen,
erreicht aber nicht die Medianebene. Der linke Bulbus verhält sich ebenfalls
so. Bei geschlossenen Lidern ist er nach aussen gewendet, die übrigen Be-
wegungen sind jedoch nicht so vollständig aufgehoben wie rechts. Die
Pupillen reagiren normal auf Licht, sind aber beim Lidschluss stark erweitert
und verengem sich beim üeffnen des Auges unter den Zuckungen des Levator
palpebrae super., unter synchronischen Oscillationen. Die klonischen Kontraktionen
der Lidmuskulatur und der Iris werden auch während des Schlafes beobachtet
Dabei ist das rechte Auge nicht vollkommen geschlossen und erscheint promi-
nenter. Refraktion und Akkommodation waren, soweit man es ermitteln
konnte, normal, ebenso der Augenhintergrund.
Bei lichtscheuen, meist mit skrofulösen Comealaffektionen behafteten
Kindern begegnet man häufig einem förmlichen Aufreissen des Mundes bei
der Aufforderung, ohne Zuhilfenahme der Finger das Auge zu öffnen. Zweck
dieser synergischen Bewegung ist die Absicht, durch das Herunterziehen der
Haut der Oberlippe auch auf die Haut des Unterlides einen Zug nach unten
auszuüben, während gleichzeitig durch die Kontraktion der Frontales beide
Oberlider nach oben gezogen werden.
f) Mitbewegungen zwischen Lid- und Nasenmuskulatur.
§ 40. T o p o 1 a n s k i (164) hat in einer grossen Zahl von Fällen Mit-
bewegungen zwischen Auge und Nase beobachtet. Zog sich der Orbicularis
der Lider zusammen, so sprang an dem gleichseitigen Nasenflügel eine quere
Hautleiste als Ausdruck der gleichzeitigen Kontraktion des Levator alae nasi
vor. Die Erklärung findet Topolanski darin, dass der laterale Theil des
Muse, malaris bis hinab zum Nasenflügel reichen kann, dass also in diesen
Fällen eine Zusammengehörigkeit des Musculus malaris und des Nasenflügel-
hebers bestand. Eine Mitbewegung von einer dazwischen liegenden Hautpartie
wurde nicht gesehen.
g) Facialislähmung und Lidphänomen bei aktiver und bei unwillkfirlicher
Innervation verschiedener Gesichtsmuskeln.
§ 41. Bei schweren Facialislähmungen kommen nicht selten Kontraktur-
zustände in den vorher gelähmten Muskeln vor. Zugleich machen sich oft
Zuckungen und früher nicht vorhandene Mitbewegungen an den Lidern bemerkbar.
So beobachten wir gegenwärtig einen 51jährigen Schutzmann (Figur 28),
der im August 1896 eine rechtsseitige, totale periphere Facialislähmung aequirirt
hatte. Seit Juni 1897 kann das rechte Auge aktiv fest geschlossen werden.
Nun trat allmählich immer deutlicher ein Kontrakturzustand in der rechts-
Facialislälinmiig und Lidphänüinen
K>
ßt'itigen Wiin^emmiskulatur ^'iu, Dii* vtnlu-r verstricliuni' Xasulabialfalte wurdt^
tiefer als auf der gesunden Seite. Die rechte Lulspalfe wurde enger als links,
wahrend die rechte Äiigeid>raue in Fulge vt>n leichter Kantraktur im Frontalis
[iidver als anf der linken Seite stand.
Bei diesem Manne heö!)aclitt*ten wir iolgendt* Mitbewegnngen, von denen
eine recht charakteristisch auf Figur 28 scuiii Ausdruck gekoinnuz-n ist. Beim
Lachen koutrahiren sich die Lider des rechten Auges bis zum vidi igen Ver-
schluss der Lids[jalte mit starker Faltenbihlung: dabei steht auflVdlt'mlerweise
die rechte Augenbraue hoch. Dasselbe Verhalten war bei willkürlichen Ih-
wegungen dei" Muskulatur um den Mund
(Zälmezeigen) zu kuustatiren. Hei ak-
tiven Bewegungen der beiden Nasen-
tliigel traten kurze mit den Bewegungen
isiichrüne Zuckungen im IL frontalis,
orbicularis oculi und levator menti ein.
Umgekehrt hob sich bei willkürlicheiu
Schhiss des rechten Auges der rechte
Mundwinkel in die Hohe.
tianz ähnliche Erscheimuigen be-
oliiicbten wir bei einem oOjähr. Kaufmann,
<ter an leichtem Diabetes leidet. Auch
hier hat sich eine Kontraktur in der
früher gelähmten, rechtsseitigen Wangen-
niuskulatur eingestellt, zugleicli mit
einer beträchtlichen Verengerung der
rechten Lidspalte. Fenier traten reclit
lästige til^rilUire Zuckungen in der rechten
Gesichtshälfte auf, so dass Patient be-
hauptete, ihm sei die frühere Lähmung
Heber geweseru In h»tzter Zeit baljen
die Zuckungen spontan aufgehurt.
Beim willkürlichen Schhiss des rechten
Auges zieht sich der Mundwinkel nach rückwärts; die Nasolabialfaite
vertieft sich, und die Kimdiaut wird auf der rechten Seite gehoben. Bei
aktiven Bewegmigen der Mundmuskulatur, speziell beim Flöten, zieht sieh der
rechte Orbicularis ocub kräftig, beinahe bis zu vollständigeni Schlüsse der
Lider zusammen, zeitweis«* tritt eine schwache Kontraktion im Frontalis der-
selben Seite auf.
Ferner beobachteten wir bei einer 25jährigen Dame, die in Folge einer
Operation eine linksseitige totale Facialislähmung seit denKiuderjahren aaiuirirt
hatte, eine starke Kontraktur im linken Triangularis menti. Auch in diesem
Falle traten Mitbewegimgen in den Lidern des linken Auges hei Kontraktionen
der Muskulatur um den Mund auf. Endlich bot ein Ujähriges Madchen, das iui
3., 6. und 9. Lebensjahre an einer linksseitigen, recidivirenden, peripheren Facialis-
Wilbrand-Sattuger, Ketirologie d«s Aoges. 5
Fig. 28,
H, N. R<H'htssciti^'e totale pen|ih<>re Fat^tiiU^-
liUimiiEij;^. UDwiUkiirliclie Knmniktion <kT
lAdvr dieses Aug**s hi^hu V^Tsnch, zu luclun.
66 Facialislähmung und Lidphänomen.
lähmung litt, die erwähnten Erscheinungen in markanter Weise dar. Da
in jüngster Zeit eine ganz leichte rechtsseitige Facialislähmung aafgetreten
war, die in einigen Tagen heilte, so ist gegenwärtig bei ruhigem Verhalten
des Gesichtes schwierig zu erkennen, dass in der linken Gesiehtshälfte eine
Parese noch besteht. In Folge von Kontraktur in den früher total gelähmten
Muskeln ist die linke Nasolabialfalte etwas angedeutet, und die linke Lidspalte
enger als rechts. Sowie nun die Patientin die Zähne zeigt, oder namentlich
wenn sie lacht, tritt ungemein charakteristisch der in der linken Gesiehts-
hälfte vorhandene Kontrakturzustand in die Erscheinung und zwar so, dass
der linke Orbicularis und Frontalis sich stark kontrahiren und der linken
Gesichtsseite einen weinerlichen Ausdruck verleihen, während die rechte Seite
lachend erscheint.
Diese spastischen Phänomene bei einer peripheren Lähmung sind be-
sonders bemerkenswerth und lassen zur Zeit eine ganz einwandfreie Deutung
nicht zu.
Bernhardt (166) bezieht die Kontrakturen bei einer früher gelähmten
Gesiehtshälfte zum grössten Theil auf pathologisch-anatomische Veränderungen
in den gelähmten Muskeln.
Durch die neueren verfeinerten Untersuchungsmethoden wurden nament-
lich von Dar k sehe witsch (165) bei peripherer Facialislähmung Veränder-
ungen in dessen Kern nachgewiesen ; speziell auch bei der traumatischen Läsion
dieses Nerven. Dadurch gewinnt die von Hitzig zuerst für die in Rede
stehenden Erscheinungen gegebene Erklärung an Wahrscheinlichkeit, dass sich
im Reflexorgan ein konvulsivischer Zustand einstelle, wenn die Leitung eines
motorischen Nerven imterbrochen sei.
Bernhardt, Remak und Jacobi sprachen sich gegen diese 'Hitzig-
sche Annahme aus. Jacobi glaubt, dass das Centrum, dessen Facialis
gelähmt gewesen sei, in der Zeit der Paralyse übermässig innervirt worden
wäre, um die unbeweglichen Muskeln zu kontrahiren. Hierdurch acquirire
das Centrum als permanenten Zustand eine ungewöhnliche Energie, die in
dreifacher Weise in Erscheinung träte. Erstens pflanze sich die Erregung leicht
auf die benachbarten Centren der Muskeln desselben Gebietes fort. Zweitens
sei der Widerstand der Leitungsfähigkeit in den betr. Nervenbahnen herab-
gesetzt, und drittens wäre durch die Gewöhnung, die gesammte dem Willens-
einflusse entzogene Muskulatur zu kontrahiren, die Fähigkeit, bloss einen Theil
zu innerviren, verloren gegangen.
Dass die in Rede stehenden Erscheinungen wahrscheinlich nicht auf
pathologisch-anatomischen Veränderungen in den Muskeln beruhen, möchten
wir schon daraus erschliessen , dass in zwei Fällen ganz alter, kompleter
rechtsseitiger Facialislähmung, in denen keine Beweglichkeit wiedergekehrt
war (vergleiche Figur 25, pag.55), keine Spur einer Mitbewegung, Kontraktur oder
Zuckung sich nachweisen Hess. Nur bei solchen Facialislähmungen sahen wir
diese Symptome, in welchen sich die aktive Motilität, wenn auch nicht voll-
ständig, wiederhergestellt hatte. Dieser Umstand dürfte dafür sprechen, dass
diese Phänomene mit \'argängen im ('entmin des Faiiali:^ in Zusammenhang
zu bringen seien; hierbei müssen wir nns jedoch erinnern, dass die stipulirten
Keniveranderungen ganz besundorer Art sein müssen, da wir bei den Kern-
aÖektionen xat^ ^i^Xf^v (Bulbärkeniparalys*^) ein pjanz anderes Verltalten der
Facialismuskulatnr be^:Jbachteu, indem dieseibeniuht knntrakturirt, sondern schlaft',
atrophis^li erscheint und keine Mitbewegiingen zeigt. Andererseits konnten
wir auf dem Gebiete eines anderen Hirnnerven, des Oeulomotorius, in dem
Figur 27, pag. 58 und Fig. 35, pag. 78 erwähnten Falle von syphiütisclier
Xaclearläbmung Mitbewegungen im vorher gelähmt gewesenen Oberlide koii-
statiren, eine Erseheiinmg, die wir hier auf einen zur Heilung tendiremlen
Vorgang im Oeulomotoriuskeni zurückführen möchten.
Kapitel W
Der Krampf des Muse. Levator palpebrae.
§42. Wenn wir die Augen aufreissen. hebt der M. frontalis die Lidhaut in
die Höhe, und der Levator macht noch eine letzte Anstrengung, wodurch er
in den iiussersten, unter physiologischen Bedingungen mugliohen Kontraktions-
zustand versetzt wird. Durch lebung vermögen wir auch den Levator allein,
ohne Mithilfe des Frontalis zu inner vireu.
Als markante Erscheinung des Levatorkrampfes sehen wir ein auf-
fälliges Klaffen der Lidspalte in der Weise auftreten, dass die Stellung des
unteren Cornealrandes zum unteren Lidrande normal und die gleiche wie am
anderen Ange ist, wahrend zwischen oberem Lid- und oberem Coniealrande
ein breites Stück Sklera sichtbar wird. Aus den im § 1 beschriebenen Ursachen
springt an dem Auge der Levator-kontraktur , die Deckfalte des Oberlides,
stärker hervor und verstreicht auch nicht ganz beim Blick nach unten. Beim
Senken der Blickehene bleibt die Lidspalte des affizirten Auges stärker klaffen
(siehe Figur 29), wiewohl das Äuge unter mehr oder weniger starker Mit-
wirkung des Orbicularis geschlossen werden kann.
Es ist klar, dass bei den bezüglich des Fascienzipfels (Fig. 8, 6, pag, 22 und
pag* 49) näher beschriebenen mechanischen Verhältnissen auch hier bei der
Senkung der Blickebene das v. fxraefe^sche Phänomen hervortreten muss,
dessen auch Koppen in dem gleich zu erwähnenden Falle gedenkt.
Bei Patienten mit paretischem oder durch entzündliche Zustände schwerer
gew*ordenem Oberlide des einen Auges, tretten wir meist auf eine sekundäre
Ablenkung des Oberlides der gesunden Seite nach oben, sofern die Blickebene
geradeaus oder nach oben gerichtet wird. Durch das Bedürfniss das hera!»-
gesunkene Lid des kranken Auges über die I*upille zu erheben, und bei der
gleichmäsöigen Vertheilung des Innervationsvorganges auf beide Oberlider
(wenigstens bei den meisten Menschen), muss der gleiche Innervati onsimpuls
6^
(38 Der Krampf des Levator palpebrae.
das Oberlid der gesunden Seite auch höher erheben, weil hier das Lid leichter
beweglich und weniger schwer ist, als das der erkrankten Seite. Dieser physio-
logische Vorgang darf selbstverständlich nicht zu den Krampfzuständen des
Levator gerechnet werden. p]s liegt nahe die Ursache einer Levatorkontraktur
zunächst in einer Lähmung seines Antagonisten, des M. orbicularis, zu suchen.
Dem gegenüber muss nun betont werden, dass eine totale Lähmung des
Facialis in späteren Jahren nur einen geringen Eintluss auf den Eontraktions-
zustand des Levator ausübt, weil der Höhe der Lidstellung jetzt weniger der
Tonus des Orbicularis, als die durch Erschlaffung und Faltung der Haut ver-
mehrte Schwere des Oberlides entgegenwirkt.^) Eine in früher Kindheit erworbene
Facialislähmung scheint jedoch schon eher eine Kontraktur des Levator begün-
stigen zu können. So erzählt Euch s (167), dass ein ISjähriger Knabe in seinem
3. Lebensjahre durch Sturz sich eine Schädelbasisfraktur zugezogen hatte.
Als er 10 Jahre später in seine Beobachtung kam, zeigte er linksseitige
Lähmung des Facialis, des Abducens, und Parese der motorischen Partien
des Trigeminus. Die linke Lidspalte w^ar um 5 mm weiter, als die rechte
und wahrscheinlich durch antiigonistische Kontraktur des Levator bedingt
worden. Auch klaft'te beim Versuche das Auge zu schliessen die Lidspalte
ungewöhnlich weit.
Auch Sil ex (168) erwähnt 3 Fälle, deren Erkrankung in einseitigem
Hochstand des Oberlides bestand. Auch bei diesen glaubt er per exclusionem
die Ursache in einer Parese des Orbicularis, in specie einer partiellen Erkrank-
ung des oberen Facialisastes mit nunmehrigem, stärkerem Hervortreten der
antagonistischen Zugwirkung des Levator, suchen zu müssen. Bei den zwei
ersten Fällen war die Krankheit um das 15. — 20. Jahr, bei dem dritten Falle
im 45. Jahre entstanden. Im ersten Falle verschwand die Krankheit nach
anderthalbjährigem Bestände wieder von selbst.
Trotz dieser Ansicht der Autoren ist es nicht recht verständlich, warum
wir bei der relativ so häutig vorkommenden kompleten Facialislähmung auch
bei Kindeni so selten doch einer derartigen, auf antagonistischer Zugwirkung
beruhenden Retraktion des Oberlides begegnen.
Der eigentliche, primär entstandene Krampf des Levator ist eine sehr
seltene P>scheinung. Pick (169) erzählt einen derartigen Fall von einer
Geisteskranken, welche einen tonischen Krampf der Lidheber darbot, sodass
beim BHck nach unten das obere Lid unwillkürlich oder krampfhaft nach
oben gezogen wurde. Zeichen von Morbus Basedowii waren nicht vorhanden.
Auch durch reflektorische Reize vom sensiblen Trigeminus her wird
der Krampf des Levator erzeugt, indem kranke Zähne Zweige des 3. Astes
\ dieses Nerven in dauernden Reizzustand versetzen. Hutchinson (170)
beobachtete bei einer Dame durch Dnick einer Plombe auf die Pulpa des
ersten oberen linken Packzahnes einen Spasmus des M. levator derselben
1) Jedoch haben wir in jüngster Zeit unter mehreren Fällen von frischer kompleter
Facialislähmung bei Erwachsenen 2 mal auf der gelähmten Seite eine vergrösserte Lidspalte
gesehen.
Seite. Nach Extraktion des Zahnes besserte sich dann ancli dus Leiden und
verschwand nach ehiigen Munateii vüllig. Eine andere llL^abachtnng von
H, K. iioodin*^ il71] citirt Gowers. Hier war ein (d>erer rechter Molar-
zulin kariös und sehr sclimer/Juift. Wenige Stunden nach Entfernung des-
selben trat rechtsseitige Ptosis mit intermittirenden Anialien von kioniRclien
Spasmen in dem Levator auf, der jfde^nial einige Minuten anhieb. Fünf
Tage später war alles wieder nürniah Am Ü, 'läge waren Schmerzen vor-
handen, welche sich auf alle Aeste des Quintus erstreckten, doch gingen die-
selben bald wieder znrück, und kein Symptom kehrte wieder. Diese Fälle
von Krampf des Levator hei Heizung des Trigeniinus erinnern sehr an jene
Falle von Akkorumodationskrampf hei Zahn reizen.
Auch hei Affektion der Kernregion des Ocnloniot orius treten
neben Lähmungserscheinmigen einzelner von diesen Nerven versorgter Muskeln
auch ReiztTSchöinungen des Levator auf, otfenhar bedingt durch Kiregungen,
ausgehend von erkrankten Keinen in der Xachljarschaft. Höchst wahrscheinlich
werden diese Heize durch Veränderungen <ler Hlntgefasswundungen bedingt.]
So theilt Koppen (172) einen Fall mit, weicher im Wesentlichen para-
lytische Symptome zeigte. Es bestand Nystagmus und Strabismus divergens.
l»eim Pdick nach unten ging gewöhnlich znerst der Bulbus allein herunter.
Allmäldich folgte erst das obere Lid, wurde aber immer nocli zeitweilig ge-
hoben. Mikro.skopisch zeigten sich die Kerne des üculomotorius von
sklerotischen Gelassen durchsetzt. Koppen nennt diese Erscheinung, wie
schon früher erwähnt, Pseudo-tiraef e'sclies Phänomen, ^
Einen ganz analogen Fall besehreibt Alb rand ( 173). Bei einer 45jäb-
rigeB, spät hietischen Fran folgte in der Arrfangsperiode der Behandlung hei
der Blieksenkung das rechte Oberlid in ebenso normaler Weise, wie das linke
dem Bulbus nach abwärts. Wenn aber eine gewisse Senkung des Lides erreicht
war, blieb das rechte Oberlid gegenüber dem linken zurück mit einem ca. 2 mm
betragenden Abstand, um dann sofort mit einzelnen zuckenden Bewegungen
an einen höheren Standort zu rücken. Zeitweilig waren lieim Abwärtssehen
Doppelbilder (Parese des ^lusc. rectus infer. dexter) nachw^eisbar. Auch bestand
rechtsseitig leichte Akkommodationsbeschränkung, und war die rechte Pupille
weiter als die linke. Im feiTieren Verlaufe der Beobachtung, schon nach
einem Monat, schlug die anfangs als abnorme Mitbewegung imponirende
Prewegungsanomalie des rechten Oberlides in ein einfaches Zurückbleiben des-
selben Iieim Bück nach unten um, und trat allmählich ein deutlicher liagoph-
tlialmus des rechten Auges bei geradeaus gericliteter Blickebene immer mehr
hervor. Völliger Lidschluss war dabei rechts nur mühsam zu erreichen. Diplopie
war aber nicht mehr vorhanden, auch Exophthalmus des recliten Auges nie
zu beul Jachten.
Auch der 37jährige Patient von Schanz (174) w^ar seit mehreren Jahren
luetisch. Er hatte eine rechtsseitige Liihmung des Bectus superior verbunden
mit einer weiten reaktionsiosen Pupille und Parese der Akkommodation, Dabei
wurden die Lidspalten beiderseits abnorm geöffnet. Die linke Pupille war eng
i
70
Der Krttiniif ilt?« Lüvutor pa!pebr«c\
und refiektorisch starr. Früher bestand links auch eiu geringer Akkomino
tionskramjif. Es bestand simut rurlits eine Lähmung des Kerns des Superilj
rles Akkoniinodation.s- und Sphinlf^
terkerns, während der Kern des
LevatcM' beiderseits, der linke
Sjthiiikter- und früher auch der
hnke Akkommodationskern erhöhte
ItiMzung zeigten.
Auch Marina (175) eitirt
einen dahin fiehorigen Fall tod
Parinaud. Ein 41 jähriger Mann
btt weit 8 Monaten an Doppel*
sehen. Seit mehreren Jahren be-
standen tabische Syinj)tonie. Ihuin
erfolgte Lähmung der M. recti ex-
tern i, Parese der Intern i, Lähmimg
der Kecti sup, und int. Mydriaj*iH,
Starre der Pupillen und Hetrak-
ticju beider Oberlider. —
1* ar i na u d gieht hierfür eine etwas
snnderhare Erklärung: „der Kectus
superior und der Lidbeber wirken
xiisfinimen; wenn der erste gelähmt
und der zweite nornml ist, dann
wirkt die ganze Innerv^ation auf
dt"n Heber, und man hat daher
eine erhöhte Aktion, einen Spasmus
des Levator.** —
Aueh wir waren in der Luge,
tilgenden Fall zu beobachteiit
weli'hen wir als Forme frnste des
Morbus liasedowii betrachteten, und
tk*m^'eniäss die Ketraktiim des Lides
der reell ten Seite und ilie leichte
Ptosis der linken Seite für eine
Kernaffektion ansahen, wie solche
ja Itei dieser Kranklieit nicht selten
zur Heobachtung kommt. Es
handelte sich (Figg. 2^J u. 301 um
eine 39jährige Frau, welche mehr*
maU abortirt hatte, ohne dass Lues
* '^' "'^^ naeb/uweisen gewiesen wäre. Die-
F. K, Ileiniktmi, iJeB m-hioti (>bcdid.. BIkk j.^,|)„, ,,.^^. ]^,^^^^ erregbar, klagte
onoh tmten. W iihi^< briDlifb forme fnjste ites ii . i tt- ii
Moiim» Busedowij. Über Herzklopten und HitzegefühL
Fi^. 29.
F. K. Rfttaklititi «k» rprlirni Ol^eilid». Wuhi-
Der Krampf des Levator paipebrae. 71
Seit einem halben Jahre soll das rechte obere Lid sich retrahirt haben, und
das Oberlid des linken Auges allmählich etwas herabgesunken sein. Der Hals
war nicht dicker geworden, der Schlaf hatte sich verschlechtert, es war Tremor
manuum vorhanden, aber keine Pulsation der Halsgefässe. Puls 112. DiePatellar-
retlexe gesteigert. Linke Nasolabialfalte etwas verstrichen. Die Sensibilität
intakt. Der elektrische Widerstand war sehr erheblich herabgesetzt im Ver-
gleich zu einer Frau im gleichen Alter. Die Pupillen waren gleich und von
normaler Reaktion. Sehschärfe und Augenspiegelbefund normal. Beim Blick
nach unt^n trat rechts das Graefe^sche Phänomen auf, die Lidspalte blieb
klaifen (Figur 29), und die Deckfalte w^ar rechts nicht verstrichen, während
die Haut des gesunden rechten Oberlides völlig glatt erschien. Unter Jodkali-
gebrauch besserte sich das Allgemeinbefinden. Der Zustand des Oberlides
blieb der gleiche, eher schien die Ptosis des linken Auges noch zuzunehmen.
Einen Krampf des Levator zugleich mit krampfhafter Kontraktion des
Kectus inferior der gleichen Seite beobachtete Goldscheider (176) bei
einer Hysterischen, welcher dann auftrat, wenn dieselbe nach rechts und unten
blickte.' Nacli der Annahme dieses Beobachters wird der Krampf für gewöhn-
lich durch Willenskraft überwunden und kommt nur zum Vorschein, wenn
das vom Krampf befallene Auge in einer Stellung sich befindet, in welcher
es nicht mehr fixirt. Schliesslich soll nach Gowers (179) im höheren Alter
ein Spasmus des Levator als eine selbständige AfiFektion auftreten. Das Oberlid
stehe bei geradeaus gerichtetem Blick etwas höher, als das des anderen Auges
und bewege sich beim Blick nach unten nicht mit. Uns ist eine derartige
Störung bis jetzt noch nicht zu Gesicht gekommen.
Charcot (177) bezeichnet als Syndrome de Benedikt ein Krank-
heitsbild, welches Lähmung des linken Oculomotorius und Zittern des rechten
Armes umfasst. Das Lid ist gehoben. Es bestehe Doppeltsehen. Der
Sitz der Aifektion sei am inneren unteren Theil des Pedunculus cerebri. Die
Bewegung des Armes bestehe in Pro- und Supination.
Kapitel VL
Die Lähmung des Muse. Levator paipebrae superioris.
Die Ptosis.
§ 43. Es möchte leicht befremdlich erscheinen, warum wir die Lähmung des
Levator paipebrae superioris gesondert aus einer Reihe von Krankheitsbildern
hervorheben, welche durch die Lähmung anderer, anscheinend gleichwerthiger
Augenmuskeln, und durch das häufige Voraufgehen oder Hinzutreten cere-
12 Allgemeines über Ptosis.
braler, spinaler und bulbärer Krankheitsbilder in so vielfacher und anscheinend
regelloser Weise komplizirt erscheinen. Das Bedürfniss aber, eine festere Grund-
lage für die noch äusserst mangelhafte Verwendbarkeit der Ptosis zu differentiell*
diagnostischen Zwecken zu schaffen, dürfte allein schon genügen, ein solches
Beginnen zu rechtfertigen, zumal wenn wir bedenken, auf welch verschiedenem
Wege ein Herabhängen des oberen Lides zu Stande kommen kann. Wie häutig
handelt es sich überhaupt gar nicht um eine Lähmung des Muse, levator palpebrae
superioris. So in den Fällen, in welchen eine organische Veränderung im Ober-
lide, im Tarsus oder in der Conjunctiva Platz gegriffen und zur sogenannten
Ptosis chemotica s. ex tumore Veranlassung gegeben hat. Femer bei der
durchaus nicht seltenen sympathischen Ptosis, die oft wegen ihres leichten
Grades übersehen wird, endlich bei der pseudoparalytischen Ptosis, die der
Hysterie zukommt. Andererseits beansprucht der Levator palpebrae wegen
seines supponirten Rindenfeldes eine eigenartige und gesonderte Stellung unter
den Augenmuskeln für sich. Daneben vermögen wir einer Ptosis nicht ohne
Weiteres anzusehen, ob sie kortikalen, subkortikalen, nuklearen, fascikulären,
peripheren oder muskulären Ursprungs ist, und ebensowenig können wir aus
der klinischen Erscheinungsform der Levatorlähmung als solcher unmittelbar
entnehmen, ob dieselbe auf encephalitischer, neuritischer oder primär degene-
rativer Basis entstanden sei, oder ob durch Blutungen, Druck oder Erweichung
das Kern-Fasersystem des Oculomotorius eine Beeinträchtigung erfahren habe,
resp. ob eine primäre Dystrophie der Levatormuskulatur vorliege. Auch die
Klarlegung des inneren Zusammenhangs der Ptosis mit den dieselbe begleiten-
den Grundkrankheiten ist vielfach noch in Dunkel gehüllt. Darum erscheint
es, zur Zeit wenigstens, noch erforderlich, durch Zusammenstellung, Gliederung
und Verarbeitung des zahlreich vorliegenden Materials die Wege zu ebnen,
welche uns schliesslich dahin bringen, aus den Erscheinungsformen der Ptosis
mit Begleitumständen auch den Sitz und die Natur des Grundprozesses mit
annähernder Sicherheit bestimmen zu können.
Bei der Verfolgung dieses Zieles muss nun zunächst unser Streben
darauf gerichtet sein, für die topische Diagnostik der Ptosis festere Normen
zu suchen, — eine schwere Aufgabe, die nur unter genauester Berücksichtigung
der die Levatorlähmung begleitenden anderweitigen Krankheitserscheinungen,
unter Gruppirung und Beachtung der Aufeinanderfolge der Symptome, eme
Aussicht auf Lösung erwarten lässt. Dabei muss Bezug genommen w^erden auf
die Fragen, ob die Ptosis als Krankheit für sich, oder als Symptom in einem
Krankheitsbilde auftritt, und ob sie im letzteren Falle bei einem bestimmten
Symptomenkomplexe häufig oder selten, ob sie einseitig oder doppelseitig, ob
sie gleichzeitig, nachträglich oder häufiger als Prodromerscheinung dabei
gefunden wird, und schliesslich, ob sie eine komplete oder inkomplete Lähm-
ung darstellt, und ob ihr Erscheinen als dauernd, ephemer oder als reci-
divirend zu bezeichnen war.
Ganz besonders grosse Schwierigkeiten bereitet die Verwerthung der
Ptosis im Prodromalstadium schwerer cerebrospinaler Krankheiten, da wir
im voraus nicht wissen könnten, bis 7m weldieni (irade die Lidiiiiung fort*
schreiten, und wie lan^e sie bestehen wird. Hier hätten wir ganz l>esnnders
nach anderen begieitenden Friihsynxptooieii zu suchen, uui an-s doren Kondiinatiun
auch bei Zeiten Diaguuse, Prognose und Therapif hestiuiuieu zu künnen.
Wie wichtig für das frühe Erkennen der Tabes und Paralyse eine derartige
P^iTungenschaft wäre, liegt auf diT Hand.
rieziigbcb der allgeiueinen Diagnostik hätten wir fenier fustzustellen,
ob der Ptosi.^, wenn sie gemeinschaftlich mit einer anderen wohlcharakteri-
sirten Krankbeitsbirm auftritt^ stets auch das nämliche i>ath(dogisch-ana-
tomische Substrat zu (iiunde liege, sodass man in der Lage wäre^ von dem
Grundprozesse der IJegleitkrankbeit auf den der Ptosis und vice versa schliessen
y.ii können. Eine derartige Errungenschaft, welche ja hei so vielen Krank-
heitsbildem der Enuittehing der Aetiologie des Leidens fördernd zu Hilfe
kommt, würde von ausschlaggebender Bedeutung für die Therapie werden,
denn Lähmungszustände, welche auf Neuritis beruhen, bedürfen einer ganz
anderen iVhandlung, als eine lluskeldystrophie, und diese wieder eine andere,
ak die Krankheitsbilder, welche z. B. aus einer bestehenden Encephalitis oder
Malacie hervorgegangen sind.
Weiterhin hätten wir dann noch der Differentialdiagnose zu gedenken,
zwrischen der Ptosis bei Hysterie und derjenigen, welche durch organische
Läsionen des Nerv-Muskelapparafces hervorgebracht wird. Auch bei der Hysterie
ist das Verhalten des Levator gegenüber den Zuständen der anderen Augen-
muskeln bei dem gleichen Leiden ein verschiedenes. Während das Vorkommen
hysterischer Augennmskellähmungen von vielen Seiten angezweifelt wird, giebt
es in der That auf hjsterisciier (iriindlage eine schlaffe l*tosis (s, Fig. 5. pag. 5)
die ihrerseits wieder nicht mit dem ^o ähnlichen Herabhängen der Oberlider bei
der asthenischen llulbärparalye verwechselt werden darf. — Abgesehen von
direkt auf das Lid einwirkenden Traumen, beruht die durch organische
Läsionen bedingte Ptosis entweder auf einer Lähmung des Oculomottirius-
stammes resp. seines I^evatorastes, oder auf einer Erkrankung der das Höhlen-
grau und den Himschenkel durchziehenden Wurzelbündel resp. der Zellen-
gruppen im Gesaunntkerne des Oculomotorius, aus welchen die Wurzelfasern
für den Muse, levator palpebrae entspringen. Die Existenz einer kortikalen
resp. infrakortikalen Ptosis, also eine Unterbrechung der supponirten Nerven-
bahnen vom Hindencentrum des Levator bis zu seinem Kern im Höblengrau,
darf noch niclit als sicherstehend hingenommen werden. Ebenso bedarf auch
die von vielen Autoren angenommene primäre Degeneration der Muskelsubstanz
des Levator palpebrae noch einer unanfechtbaren Bestätigung. Während die
Lähmung des Oculomotoriusstammes resp. seines Levatorastes meist neuritischer
Natur, oder die Folge von Druckatrophie nach Exsudaten und Tumoren ist.
sehen wir die Wurzelbündel des Oculomotorius meist in grösseren apoplekti-
schen und Erweichungsherden untergehen, oder unter der Einwirkung von
Prjnstumoren leiden , während den rein nuklearen Erkrankungen meist ent-
ziindlicb-hämorrbagische, oder rein degenerative Zustände zu (irunde liegen.
n
Allgemeines über Ptosis.
Mitunter seht-n wir auch die Ptosis nach Fleisch- und Wurstvergiftungen her-
vortreten. Ausserdem wäre dann die kongenitale Ptosis hier noch anzuführen,
deren I rsache in einer A|>hisie irgend eines (xliedes der Kette im Nen-
ninskehipparate zu suchen ist. Auch hei der Hysterie tritt uns die Ptosis
als rein funktionell - ner%^öse Erscheinung unter zwei sehr charakteristischen
Formen entgegen ; und schliessHch sei noch hemerkt, dass eine leichte beider-
seitige Ptosis bei souinolenten Kranken kimstant gefunden wird.
Bei der kompleten Ptosis (sielie Fig. 33) sinkt das Oherlid zufolge seiner
Schwere üher die Hornhaut schlati" herali. Besteht dabei kein I>oppeItseheii
du rcii Lähmung der äusseren Bulbus-
tijui-keln, so sucht der Patient ver-
mittelst ausgiehigster Kontraktion des
iMusc, frontalis der gelähmten Seite
der durch die Lidiähmung gesetzten
Seh Störung r^ntgegenzu wirken . indem
durch ilitt Hebung der Augenbraue die
Haut des Oberlides mit nach olien
gezogen, und somit eine Oeffnung der
Lidsjjalte bewirkt wird (siehe Fig, 2,
png. 2l Dal>ei tritt zwischen dem
unteren Rande der Augenbraue imd
dem nun sehr deutlicli sichtbar werderi-
deu Orbitalrand ein breiter Zwischen-
raum auf. Auch wird die Deckfalte
über dem Sulcus orbito-palpebralis
ivergleiche Figur 2 und Figur 33)
verstrichen, und so durch den nach
oben von der gehobenen Augenbraue
und den nach unten durch die eigene
Schwere des Lides wirkenden Zug,
der Haut des Oberlides jenes falten-
lose charakteristische Aussehen ver-
liehen. Die Stirntläche erscheint
dabei durch das Hinaufrücken der Augenbraue und die parallelen nach
oben konvexen, über der (rlabella aber nach unten konkaven Haat-
falten (siehe Figm^ 2, pag, 2} versclnnälert. Die nasalen Fanden der
Augenbrauen sind dabei nach oben und aussen gezogen und weiter von
einander abgewandt, die Konkavität der Augenbraue ist nach dem inneren
Augenwinkel hin gerichtet, und die Stelle der hrichsten Rundung der Augenbraue
über der Mitte des Oberlides gelegen- Je länger ntin die Haut des OberHdes
von Hause aus ist^ um so energischer muss der Frontalis wirken, und um
so weniger wird sich auch bei dieser Zugw^irkung die Lidsfialte erweitem.
Dasselbe findet statt bei der Erschlaffung der Lidhaut im Alter und dadurch
vermehrter Schwere des Oberlides selbst. In allen jenen Füllen, in welchen
FiK. 31.
N, M. Doppelseid^'p Plosis mit Oriiloiiiot. nml
TmehleurMöhiiiuiij; Ix'i Tabci, Pätititit beiigl
ili'a Kojif nach i-üukwürts, «iii die Pupille
(iiitt^rhalb tle« gelUhnUm OWdids in tue Lki-
sjuilte /u bring(*u.
Allgemeinea über Ptosis.
75
die Zugkraft des Frontalis nicht ausreicht, um durch Hebung des Oberlides
einen Theil der Pupille in dit? Lidspalte zu bringen, sehen wir die Patienten
den Kopf naeh rückwärts beugen, um alsilann bei geradeaus gi-richteter Blick-
ebene möglichst viel von der Pupille iu der Lidspalte ersuheioeu zu lassen
(stehe Fjg* 31). Diese Kopfhaltung bei Tiefstand des Oberlides, im Verein
mit den tiefen, parallelen Stirnfalten, verleibt suh-ben Patienten ein äusserst
charakteristisches Ausseben. Hei lange bestehender rttisis iindert sieb jener
eigenthümliche, durch Kontraktion des Frontalis bewirkte Oesicbtsausdruck
fselbßt beim Sehliessen der Augen nur wenig, als Beweis, dass die Veränder-
ungen t welche durch die
andauernde Kontraktion des
Frontulis im (iesicbte her-
vorgerufen worden waren,
habituell geworden sind. Je
länger also von Hause aus
die Haut des Oberlides gc-
i\esen war, um so seid immer
ist der Patient bezüglich
seines Sehens daran. Um-
gekehrt kann aber eine von
Hause aus relativ kurze
Lidhaut trotz vollständiger
Lähmung doch eint* inkom-
plete IHosis vortäuschen,
weil mit dem umgekehrten
Verhältniss zur Kürze des
Überlides die Wiikung des
Frontalis eine energisehere
wird. Bezügbch der Diagnose
der kompleten unii itikom-
pleten Ptosis ist es daher
angezeigt» durch Druck des
Fingers gegen den Orhitalrand die Lidhaut zu tixiren, und somit die Wirkung
des Frontalis auszuschalten. Dadurch wird bei dem energischen \'er8uche
das Lid zu heben die Intensität d^*r Lähmung uucb deutlich hervortreten.
Die komplete Ptosis beobachten wir meist bei peripheren Lähmungen
zugleich mit der Paralyse der vom nculomotorius versorgten Pulliusmuskalatur.
Die in komplete Ptosis ist meist doppelseitig angeboren, entweder im Verein
mit den Hebern des Bulbus wne in Figur 2, pag. 2 oder isolirt bei vorhandenem
Hebungsvermögen des Bulbus wie in Figur 14 und 15, pag. 39, Auch bei
den Nuklearlähmungen begegnen wir meist der inkompleten Form der Ptosis
(siehe Figur 35, pag. 78) einseitig uiul doppelseitig, und oft von ungleicher In-
tensität der Lähmung auf beiden xViigen, im Verein mit Lähmung der Bulbus*
muskulatur. Von hoher diagnostiscber Bedeutung ist die vorübergehende
Ptosis als Früh7.eichen der Tabes und der progressiven I*aralyse.
Fi-. ;j2.
II. D. 50]:ihr1gc iJiinhinti-! ^cMinde Frjiii. Aiifriillend»!*
Heiiibjjinppn Jw^ider Olierlidfr i^hnc LüimmtjjL,^ thü Lt'valur
lind beidi*rwitiiKt' Kuntraklnr ilcr Frunlaili s , fui weiche
keiu <inii)d aiifiiiütiden \\m\
A
76 Allgemeines über Ptosis.
§ 44. Zuweilen sehen wir bei Leuten der niederen Gesellschaftsklassen
beide PVontales in einem Kontraktionszustande, sodass die Augenbrauen
dauernd in die Höhe gezogen sind, und für gewöhnlich die Stirne durch
die vorhin beschriebenen Parallelfalten mit tiefen Furchen durchzogen ist
(siehe Figur 32). Dieser dauernde Kontraktionszustand der Frontales,
welcher willkürlich nur mit Mühe gelöst werden kann und gewissennassen
habituell geworden ist, verleiht der Physiognomie derartiger Leute einen
eigenthümlich beschränkt-erstaunten Ausdruck. Als (irund für diesen krampf-
artigen Zustand muss bei vielen, weil keine andere Ursache aufzufinden ist,
die Gewohnheit angesehen werden, beim Sehen die Frontales stark zu inner-
viren. Bei anderen mögen häutige und chronische Bindehautkatarrhe zum
Zustandekommen dieser Erscheinung beigetragen haben. Da nun bei
den letzteren häutig die Oberlider auch etwas tiefer herabhängen, so
könnte ein derartiger Znstand leicht mit einer inkompleten Ptosis ver-
wechselt werden. Der Grund für das Herabhängen der Oberlider liegt bei
letzteren Fällen wohl in der durch die Hyperämie der Conjunctiva bedingten
Lidschwere und dem davon abhängigen Gefühl der Schläfrigkeit, was die
betreffenden Individuen dahin bringt, dauernd die Frontales zu Hebung der
Lider zu Hilfe zu nehmen.
Sehr merkwürdig ist überhaupt das Verhalten des Frontalis bei der
Lähmung des Levator. Die wenigsten Menschen können willkürlich nur
den einen Frontalis bei absolutem Ruhestand des andern kontrahiren. Bei
einseitiger Ptosis bildet sich dies Vermögen nun unwillkürlich aus, um mit
der Heilung der Ptosis auch wieder zu verschwinden. So konnte Mauthner
(178) folgende Beobachtung an sich selbst vornehmen, als er kurze Zeit hin-
durch an einer vollständigen, durch Trauma hervorgerufenen Ptosis rechter-
seits zu leiden hatte. Kaum war nämlich die durch das Trauma hervorge-
rufene Schwellung des Oberlides zurückgegangen, so konnte er die Lidspalte
trotz des Fortbestandes der totalen Levatorlähmung soweit öffnen, dass das
direkte Sehen mit dem rechten Auge nicht behindert war. Es geschah dies
dadurch, dass der rechte Frontalis — und dieser allein — sich kontrahirte,
und so die rechte Augenbraue mächtig in die Höhe zog. Die Kontraktion
des rechten Frontalis hing aber nicht von seiner Willkür ab. Sobald er die
Augen öffnete, erfolgte auch immer die Kontraktion des rechten Frontahs,
es stand nicht in seinem Belieben dieselbe aufzugeben, wiewohl dieselbe für
die Dauer unangenehm und peinlich w^urde, und zu zeitweiligem Schliessen
der Augen nöthigte. Als die Ptosis wieder geheilt w^ar, war Mauthner
ganz und gar nicht im Stande, den rechten Frontalis allein zur Zusammen-
ziehung zu bringen, und schon während des Heilungsprocesses hatte die
Fähigkeit der selbständigen einseitigen Facialiskontraktion proportional dem
Rückgänge der Lähmung abgenommen.
Eine andere merkwürdige Erscheinung bezüglich des Frontalis ist die
Angabe der Patienten bei einer Ptosis nur dann das Lid heben zu können.
l sie das iiiclit ptotische
» fest mit der Hand zu-
ückt hielten.*) So sahen
hei einem Falle von
learlähmung mit links-
|er Üphthalmoplegia in-
►r nrid rechtsseitiger
br (k'ulouiotorias* und
äilearislähmung in Fignr
iie Patient in F. S. mit
Btnioglicbster Anstreng-
bei geöffnetem linken
B eine Hebung des recliten
rüdes versuchen. In
ir 34 sehen wir hei zu-
Jtenem linkem Auge
leihen Vorgang nur viel
shiger erfolgen. Hier
aucli das rechte Auge
Fixation übernommen,
cheint demnach bei Aiis-
IS8 des anderen Auges
ann die volle WillMUs-
gie und Aufmerksamkeit
Arbeitsleistung des einen
italis zugewandt und da-
h eine kräftigere Kon-
tion erzielt werden zu
len.
Eine andere merk-
iige, nur der Ptosis
i Nuklear lahm engen zü-
rnende Erscheinung ist
kramiilluifteKontraktion
vorher gelähmt gewesenen
ttor als Mitbewegung hei
(n'ation anderer Augen*
kein. Frau L. Seh.
, 35) zeigt einen der-
5en Zustand. Hier war
nglich links komplete
18 und totale Oculo-
)riuspara!yse vorhanden
Ißen. Nach tSnhmierkur
Fig. 33.
F, 8. LiiikBai'iiigij: 0|ihtlmlmopl4;*v^ta iiitf-rior^ riH'ljtsseiti|y!;e
totale Ol ulomottirius- uml TraclilearblähiiJimjii. Vorsufli
li^j grossU*r YViUi^nsiiuslniigiini; ik« reihte Ohr rl kl zu heben
Fitr. 34,
F. 8, Von Fii^ur 33 j^elLiiigene Flebini^ «hs rechten Ol rt-
lid>i bei ZTjdjüi'ken dtn linken AuKe».
1) Ein Zuetand, welchen Mello Vianna (195) als Ptosis a baseule heKeichnet
78
Die kongenitale Ptosis.
und ilodkalibehanillung ^iiif; die Ptosis und Lälinning der Bulbusniusku'
latur zurück, sodass auf Figur 35 zur Zeit nur noch eine ganz leichte
Ptosis zu konstatiren ist. B*?i Senkung der Blickeltene aber wird das linke
ptotisclie Lid stark in die Hübe gezogen (Fig. 27, pag. 58), Hier springt offenbar,
wie bei den erworbenen Mitbewegungen des ptotischen Oberlides beim Kaueru
der lnne^vation8vo^^^ang im Bereiche der erkrankten Oculomotoriuszellen auf
benachbarte Hahnen über. —
Die Ptosis kann in allen Entwickebingsstadien von dem absolut schlaffen
Herabhängen des (IberHdes bei rbiuernd geschlossener Lidspalte bis zu
den spurweisen Andeutungen
einer Lähnuing klinisch her-
vortreten» und anf jeder Ent-
wiekelungsstufe dauernd be-
stehen bleiben.*» Tritt sie
doppelseitig auf, so kann
der (irad der Lähmung auf
beiden Augen der gleiche
sein, oder es kann die Ptosis
auf je einem Auge die ver-
sch iedensten Intensitätsgratie
darbieten.
Bei der traumatischen,
durch direkte äussere Ein-
wirkung aut das Oberlni
entstandenen Ptosis ist das
Herabhängen des Oberlitles
tbeil weise auf die durch die
Schwellung des Gewebes ver*
uudirte Schwere, tbeils auf
Päg 35 die direkte Lähmung der
Fniu s. sdi. Links lo ch-r iieikiug beiifi-iffeue Ophthalim»- kleinen Muskeläste der
plfgiu exterior mit Pionis, Vergi. Fig 27 pag. 58- Nerven zurückzutuhren.
a) nie kongenitale Ptosis.
Die kongenitale Ptosis ordnet sich der Gruppe der angeborenen Beweg*
lichkeitsdetekte unter, wie solche nicht allein am Auge, sondern auch an
anderen Körperstellen und meistens an der Rumpfmuskulatur, beobachtet
werden. Bezüglich der Aetiologie der kongenitalen Ptosis unterscheiden i^ir
zwei Fornien:
a) die einfach kongenitale Ptosis und
ß) die kongenital-hereditäre Form, bei welcher durch mehrere
M Mit Ptose voloutaire bezeichnen diti Franzosen eine Ptosis, welche bis zu einem
gewissen Grade mit AnstreDgung: noch nusgeglieheu werden kanu.
Die kongenitale Ptosid.
79
( tenerationen angeborene I^tosis, ofl vergesellschaftet mit anJeren Beweglitlj-
keitsdefekten, am Auge zur Beobachtung kommt. Zwar zeigt sich die kon-
genitale Ptosis in allen Intensität,sgra<len, meist ist dabei aber nur eine iu-
komplete l*tosis (Broptüsis) vorbanden, sodass melir der Gesichtsan.sdrurk
(schläfriges Aussehen), als das Sehvenniigen unter diesem Zustande leidet.
Die leichtesten Fülle sind diejenigen, bei welchen dnrch Hypertrophie, abnorme
Länge und Schlati'heit des oberen Lides hei gut entwickt^ltem, aber im Ver-
baltniss zu jenem zu schwachen M. ^Levator palpebjae eine Ptosis zu Stande
kommt, Ammon (180), Zuweilen findet man Inkongruenz in der Grösse der
Lid spalten bei intakter Funktion der Lidbeber, dann sind aber^ wie in dem
Falle 19 von Kunn (207), andere Erscheinungen an den Lideni, welche auf
kongenitale defekte hindeuten: die Oberlider sind beiderseits glatt oime
Deck falte und es findet sieb unter dem oberen Örbitalrande eine tiefe F^in-
ziehung. Bei Anderen ist wieder die Lähmung bei horizontaler Blickrichtung
kaum zu erkennen, und tritt dieselbe erst bei der Aufforderung, nach oben
zu blicken, hervor, wie bei Figur 36, in w elchem die Patientin, ein 20 jähriges
Dienstmädchen, keine Ahnung von ilirem Entwickclungsdefekt hatte. Hier
siebt man das rechte Oberlid um eine Kleinigkeit tiefer stehen als das linke.
Höber konnte das Mädchen weder den Bulbus noch die Oberlider bewegen.
Der FVontalis war hier nicht kontrahirt, weil die Oherlider die Pupillen nicht
bedeckten. Auf Abbildung 14 dagegen sieht man diePtosis deutlicher ausgesprochen
und auch beim Blick gerade aus eine leichte Kontraktur des Frontalis. Noch
stärker tritt das Herabhängen der Oberlider und die Kontraktur beider Fron-
tales in der Abbildung 2 hervor. Bei den stärksten Formen der kongenitalen
Ptosis finden wir dann neben der Kontraktur der Frontales noch ein Ueber-
strecken des Kopfes analog dem Falle erworbener Ptosis in Figur 3L Diese
vermehrte Innervation der Frontales entwickelt sich bei der angeborenen
Ptosis erst allmählich mit wachsender Intelligenz, Bei dem 2jahrigen Kintle
Figur 39 zeigte sich schon eine Hebung beider Augenbrauen. Tartuferi (183)
machte bei einem derartigen Falle folgende Beobachtung. ,,Nacbdem in den
ersten Lebensmonaten die Augen gar nicht geötfnet worden waren, geschah
dies später bald rechts, bald links. Noch später konnten heide Lider ein
wenig gehoben werden, sodass Patientin etwas zu seilen im Stande war." Die
kongenitale Blepharoptosis kommt fast immer doppelseitig vor und ist dann metst^
wie in den Figuren 2 pag, 2, 14 jiag. 31* und 39, von gleicher Stärke, Selten zeigt
sich, wie in Figur 3B, die Ptosis auf dem einen Auge stärker als auf dem
anderen. Am seltensten sind die Fälle einseitiger angeborener Ptosis, Bei
dem einschlägigen Falle Mary Putnam-Jacobi's (182) war b^i dem ein-
jährigen, sehr kräftigen Kinde das linke Auge anfänglich ganz geschlossen
gewesen. Nach einigen Wochen hatte es sich etwas geöfi'net. Das linke Auge
schien kleiner zu sein und tiefer zu liegen. Das herabhängende Lid zuckte
zuw^eilen. Der Äugapfel zeigte Nystagmus, schien aber frei beweglich zu
sein. Das Sehvermögen war ofienbar gut, die Pupille war normal
80 Die kongenitale Ptosis.
Auch wir sind in der Lage, einen Fall mit einseitiger kongenital
Ptosis hier anzuführen: siehe Fif^ur 37 und 38.
H. 0., 22 Jahre alter Maurer, kommt wegen anderweitiger Klappn
die chirurgische Abtheilung. Links kongenitale Ptosis mittleren Gra^
(Figur 37). Augenhintergrund und Sehschärfe normal. Die Bewegung
linken Augapfels nach oben ist völlig aufgehoben (Figur 38). Dabei
Patient keine Doppelbilder. Die Pupille und Akkommodation normaL
Ein andrer Fall betraf einen 15 jährigen Lehrling H. M. Seit der
burt hing das linke Oberlid herab. Neuropathisch nicht belastet.
nie Krämpfe gehabt. Auch hier blieb das linke Auge beim Blick nach ob
nach oben innen und oben aussen völlig zurück. Sonst waren ncirgjgl^fg^y
hältnisse, vorhanden. 1^^^^^^^^^
Die isolirt vorkommende Ptosis congenita, wie in Figur 14 unserer Be-
obachtung, stellt gewissermassen die einfachste und bekannteste Form der
kongenitalen Dewegungsanomalien vor. Bei einer grossen Anzahl von Fallen
tindet sich daneben ein Beweglichkeitsdefekt des Bulbus nach oben (siehe
Figur 36, 37 und 38). Hierbei ist aber hervorzuheben, dass gewiss sehr
häufig der Ausfall dieser Bewegungen nach oben nicht kongenital, sondern
durch Nichtgebrauch entstanden ist, weil wegen der Ptosis das ganze Leben
hindurch von der vorhandenen Fähigkeit^ beide Bulbi nach oben zu bewegen.
kein Gebrauch gemacht worden war. Daneben hat man nach Heuck (184)
stets zu berücksichtigen, dass ein Rectus superior zwar vorhanden, seine In-
sertion aber abnorm weit nach hinten liegen kann, wodurch die Wirkungs-
weise dieses Muskels schon in hohem Grade beeinträchtigt wird. — Bei einer
anderen Gruppe von Fällen ist die kongenitale Ptosis mit Beweglichkeits-
defekten anderer Augenmuskeln komplizirt. So hat Tilley (185) einen Pill
beschrieben, in welchem beiderseits ein Beweglichkeitsdefekt aller änsseren
vom Oculomotorius versorgten Augenmuskeln zu konstatiren war, während
Irisbewegung und Akkommodation normal vor sich gingen. Andere wieder,
wie Uhthoff (186), Ahlström (187), Guende (188), Grauer (189),
Gast (190), Schröder (191), Lucanus (192), Schiler (193), Hirschberg
(194), Recken (196), beobachteten neben der kongenitalen Ptosis einen Be-
weglichkeitsdefekt sämmtlicher äusseren Bulbusmuskeln auf beiden Augen,
während ebenfalls die Akkommodation und die Irisbewegungen intakt waren.
Bei den Fällen von Marina (197) und Bach (198) zeigte sich noch daneben
die Gesichtsinnervation äusserst mangelhaft. Beiläufig bemerkt ist bei den
Fällen mit kongenitalem Beweglichkeitsdefekt der äusseren Augenmuskeln meist
Strabismus vorhanden. Bemerkenswerth ist, dass nach Kunn (206) bei
doppelseitiger angeborener Unbeweglichkeit des Abducens kongenitale Ptosis
nie beobachtet wurde. Wieder bei einer Anzahl von Fällen ist die angeborene
Ptosis vergesellschaftet mit Herabsetzung der Sehschärfe, theils durch an-
geborene Amblyopie, [Bach und Lamhofer (199)], theils durch Fehler der Re-
fraktion, wobei der Astigmatismus eine gewisse Rolle spielt, Vossius (200). Bei
Einzelnen kommt auch zufolge dieser angeborenen Sehschwäche Nystagmus vor.
Fi^. 38.
O. KMiigeiiilide Pk>sis tle» Hnken An^es mit
^licIikeitAlefekt des liokcn Bulbus uuvh oben.
Stehe Fig, 37, Blick oiieh obeu.
WUbrftnd-Saenger Neurologie des Auges.
Fig, 37.
H, O. Kongenital*' Ptosis dam linken An^cH uiil
Bew<?jL:lichk^ i^Kilefckt des linken Bkilhua nacb
obfii. Sit*he Fig. 38. Blick jt^entde aus.
6
82 Die kongenitale Ptosis.
Nicht selten finden wir bei der Ptosis congenita auch Missbildungen an
anderen Körperregionen und geistiges Zurückgebliebensein. Wir beobachten
zur Zeit eine geistig zurückgebliebene Dame, welche beiderseits neben mittlerer
Ptosis mit hochgradigem Astigmatismus hypermetropicus behaftet ist. Der
durch die Ptosis bewirkte schläfrige Ausdruck, und die durch Dauerkontraktion
des Frontalis in Falten gelegte und verkürzte Stimhaut, gab ihr dann ein
unangenehmes, idiotisches Aussehen, das wesentlich gemildert wurde, sobald
die Patientin durch Tragen einer Ptosisbrille eine weitere Lidspalte erhalten
hatte, und die Frontaliskontraktion damit beseitigt worden war.
Zuweilen treten bei Kindeni mit kongenitaler Ptosis Krämpfe auf,
wie im Falle Lamhofer (199), oder es ist, wie in dem Falle von Mob ins.
(199) Migräne mit Erbrechen in der Familie erblich. Bei Anderen finden
wir neben der isolirten doppelseitigen angeborenen Ptosis auf beiden Seiten
Epicanthus, eine zu beiden Seiten des Nasenrückens vorspringende, über
d^n inneren Augenw^inkel vorgeschobene und denselben zum Theil bedeckende
Hautfalte (siehe Figur 39), welche sehr entstellend w^irken kann. Figur 39
zeigt das zwx»ijährige Kind F. C. Hereditäre Belastung lag nicht vor. Das
Kind soll bei der Geburt die Augen geschlossen gehabt haben. Erst nach
3 Wochen begannen die Lider alhnählich sich zu heben. Zur Zeit ist der Frontalis
in Aktion. Ausser einem Epicanthus auf beiden Augen ist das Kind sonst
nonnal entwickelt. Analoge Beobachtungen liegen vor von Hirschberg (194),
Schmidgall (201), Bach (202), v. Forster (203), Möbius (199) und
Yignes (204); im letzteren Falle war ausserdem noch Blepharophimosis
und Cataracta pyramidalis vorhanden. Auch der Fall Rampoldi (205) zeigt
kongenitale Blepharophimosis. In v. Forster's Falle (203) fehlten die
Thränenkarunkehi.
Bei einem anderen Falle aus unserer Beobachtung handelte es sich um
eine linksseitige kongenitale Ptosis. Pupillen- und Augenbewegungen waren
frei. Hereditäre Momente lagen nicht vor. Dagegen zeigte sich an den
5 Fingern der linken Hand eine verkümmerte Entwickelung der Endphalanx.
Daselbst fehlte der Nagel, ebenso wie an der kleinen Zehe beider Füsse.
Ferner bestand am Penis eine Hypospadie geringen Grades. Gleich nach der
Geburt w^ar das linke Auge völlig geschlossen, dann öffnete es sich allmäh-
lich von selbst und blieb aber kleiner als das andere.
^ 47. Sehr inteiessant ist die gerade nicht seltene Vererbung dieser Beweg-
lichkeitsdefekte am Auge. Die folgende Tabelle giebt eine üebersicht über
die zur Zeit in der Litteratur vorhandenen Fälle von Ptosis congenita
liereditaria.
Ptosis congenita heredit.
83
Tabelle I.
Über die Fälle von vererbter Ptosis congenita mit Beweglichkeitsdefekten der
Augenmuskeln.
Autor
4ii
Hereditat
Sonstige Augenmuskel -
Ijähmungen
Sonstige Störungen
Rampoldi
208
Vater, Sohn und
Tochter.
Unbeweglichkeit der äusseren
Bulbusmuskeln.
Leichter Astigmatis-
mus. —
Dagnillon
209
Ptosis , kongenitale,
heredit&re.
Strabismus divergens.
Myopie et Amblyopie
coogenitale heredi-
taire.
Lawford
210
Vater und 3 Söhne
unter 7 Kindern.
Fehlen der Hebung und Senk-
ung des Bulbus; mangel-
hafte Seitenbewegung.
normal.
Homer
211
Durch mehrere Gene-
rationen in einer
FamUie.
—
—
Henck
184
Die Mutter, 2 Söhne
und 1 Tochter.
Die Augen nach unten ge-
richtet, leicht konvergent.
Vollständige Leistungsun-
fähigkeit der M. recti inf.
et superior. Die übrige
Bulbusmuskulatur mehr
weniger funktionstüchtig.
Etwas herabgesetzte
Sehschärfe. —
Hirschberg
194
Mutter, Tochter, deren
Sohn und dessen
Sohn.
Hebung, Abduktion und Ad-
duktion der Augen aufge-
hoben. Bei dem Sohn
Epicanthus. Die Hebung
des Bulbus unmöglich.
Divergenz abwechselnd mit
krampfhafter Konvergenz.
Astigmatismus.
Vignes
204
Grossvater , 5 Söhne
und 1 Tochter von
11 Kindern, ein
Enkel. —
Epicanthus. Eigen-
thüroUches Ver-
halten der Nasen-
wurzel.
tf
204
Vater, 2 Söhne und
eine Tochter von
5 Kindern.
—
—
Yossius
200
2 Brüder.
Die Hebung und Senkung
des Bulbus unmöglich. —
Verminderung der
Sehschärfe. —
Ahlström
187
1 5 j fthriger K nahe ;
mehrere Personen
der Verwandtschaft
hatten der Aussage
nach herabhängende
Augenlider gehabt.
Unbeweglichkeit der äusseren
Bulbusmuskulatur.
normal.
Guende
188
3 Bruder von 9 Ge-
schwistern.
Unbeweglichkeit der äusseren
Bulbusmuskulatur.
6*
84
Die Ptosis coogenita hereditaria.
Autor
Heredität
Sonstige Augenmuskel-
Lähmungen
Sonstige StOnmges
Dujardin •
212
DerGrossvater mutter-
Ucherseit«. Mutter
und 4 Töchter. —
Unbeweglichkeit des Bulbus
nach oben und unten.
Starke seiüiche Beweglich-
keitsbeschränkung. —
—
Schiler
193
Gro88vater, Vater und
Sohn.
Unbeweglichkeit der äusseren
Bulbusmuskulatur.
StarkeHypermetropie
ponktfttrmige lin-
seotrübimgen. —
Gourfein
213
Grofisvater, Vater und
4 Söhne. Die weib-
lichen MitgUeder
der zweiten und
dritten Generation
blieben gesund.
Augenbewegungen bis auf
einen konstanten rotatori-
schen Nystagmus fast voll-
kommen fehlend.
Amblyopie. Yerinder-
ungen amSehnerren
und derBetina.Ter-
flarhongder Gegend
der Angenbraae. —
Ayres
214
Grossvater, Enkel. —
Bewegungslosigkeit der Recti
und Obliqui.
—
Paul Bloch
215
Zwei Brüder. —
Abducenslähmung mit Ptosis.
—
Aus der tabellarischen Gnippirung der in der Litteratur yorhandenen
einschlägigen Fälle ersehen wir, dass die hereditäre kongenitale Ptosis fast
ausnahmelos als Begleiterscheinung von Beweglichkeitsdefekten der äusseren
Bulbusmuskulatur gefunden wird. Merkwürdiger Weise ist bei allen diesen
Fällen, wie wir dies auch bei der nicht hereditären Form konstatiren konnten,
die Pupillenbewegung und die Accommodation intakt gewesen,
ein Umstand, der gegebenen Falles zu Verwechselimg mit infantilem Kem-
schwunde führen könnte, wie wir das später sehen werden. Bei einzelnen
Familien, wie in den Fällen von Lawford, Vossius, Guende, Schiler
und Gourfein trat die Erscheinung durch mehrere Generationen nur bei
einem Theil der männlichen Individuen auf. Bei anderen wieder, wie in
den Fällen von Rampoldi, Heuck, Hirschberg, Vignes zeigte sich
dieser Zustand bei beiden Geschlechtem in der Descendenz. Im Falle Ayres
wurde eine Generation übersprungen. Wiewohl die Beweglichkeitsdefekte bei
den einzelnen Gliedern der befallenen Familien sehr viel üebereinstimmnng
zeigten, traten doch wieder bei Anderen gewisse Abweichungen von dem
Familientypus dieser Beweglichkeitsdefekte auf. Als ätiologisch wichtig ist
hier noch der Angabe Kunn's (207) zu gedenken, welcher unter 19 FäUen
von Beweglichkeitsdefekten der Augenmuskulatur überhaupt 11 mal Juden fand.
Wenige Beobachter beschuldigen als ätiologisches Moment für diese Bew^nngs-
anomalien den Löffeldruck bei Zangengeburten. So bezieht Berger (216)
eine einseitige Lähmung des Levator und Rectus superior und Michel (217)
eine einseitige Ptosis auf diese traumatische Einwirkung. Dass angeborene
Anatotnische Befunde bei kongenitaler Ptosis.
Ptosis massigen Grades nicht selten mit jenen Bewegungsanomalien des
Oberlidj! verbunden ist, welche beim Kauen, Schlucken und der Bewegung
der üesichtsmuskulatur zuweilen beobachtet werden, hatten wir früher im
§ 36 pag. 60 ausführlich erwähnt.
S 48. Was die anatomische Grundlage dieser angeborenen Beweglichkeits-
defekte des Auges, in specie die kongenitale Ptosis anbelangt, so haben theils
versuchte Operationen, theils vorgenommene Sektionen und mikroskopische
Untersuchungen das Folgende ergeben:
a) Eine schwache Entwickelung des Levator resp. der betreffen-
den Bulbusmuskulatur fanden:
Lawford (210). Bei einem Manne, der seit der Geburt an Ablenkung
beider Augen nach rechts gelitten hatte, zeigte sich bei der Sektion, dass
der Rectus internus fehlte, und der Rectus lateralis sinister sehr schlecht ent-
wickelt war.
Heuck (218) fand bei einer kongenitalen Ptosis einen äusserst zarten,
nur 2 mm breiten, also jedenfalls ungewöhnlich schwach entwickelten Mus-
culus levator palpebr. sup,
Bach (202) sah in einem Falle von beiderseitiger Ptosis cong. und Be-
ßchränkung der Bulbusbewegungen nach oben: geringe Entwickelung des
JI. levator und massige Atrophie der Recti super., während das Kerngebiet
des Okulomotorius normal gewesen war.
b) Bifurkation des betreffenden Muskels.
Dieffenbach (219) fand Bifurkation des Rectus internus bei Strabismus
convergens congenital is.
c) Verwachsung der Muskeln miteinander.
Morgagni (220) sah eine Verwachsung des Muse, obliquus superior
mit der Trochlea.
Olbers und Wrisberg (221) fanden rechterseits den Muse, rectum
superior und den Rectus extemus, linkerseits den Rectus superior, den Obli-
quus superior und den Rectus internus miteinander verwachsen.
In einem anderen Falle bestand eine Verwachsung des Rectus superior
mit dem Levator palpebrae superioris. Femer war der Rectus extemus mit
dem Rectus inferior und der Rectus internus mit dem Obliquus superior
verwachsen,
d) Abnorme Insertion der Muskeln sahen
Rossi (222), Dieffenbach (219), Pflüger (223) und Heuck (184).
e) Bindegewebige Stränge statt der Muskeln konstatirteni
Ah 1 ström (187). Bei einem Falle von kongenitaler Ptosis konnte
beim Freilegen des Tarsalrandes am linken Auge keine Spur der sonst so leicht
i
86 Anatomischer Befand bei kongenitaler Ptosis.
zu beobachtenden Verbreiterung der Levatorsehne gefunden werden. Am
rechten Auge waren nur vereinzelte Sehnenfäden vorhanden.
Uhthoff (186) fand den Rectus internus als bindegewebigen, normal
inserirten Strang.
Baum garten (224) beobachtete einen Fall von Strabismus convergens
rechterseits mit Unmöglichkeit, das Auge nach aussen zu bewegen. An SteDe
des Rectus extemus traf man auf einige bindegewebige Stränge.
Guende (188). Fall mit stärkster angeborener Divergenz. Der Intemos
erwies sich als dünner atrophischer Faden, der Extemus dagegen als dick
und kontrahirt.
f) Vollständiges Fehlen des Muskels.
In Lawford's Fall (210) fehlte der Rectus internus.
Bei Ahlström (187) war keine Spur eines Levator zu entdecken.
In Heuck's Falle (184) fehlte der Levator.
Harles (225) berichtet über einen Fall, in welchem beide Obliqui fehlten,
während alle M. recti normal entwickelt waren.
Bei Seiler'« (226) erstem Falle fehlte rechts der Obliquus infer. und
Rectus sup. und links der Obliq. inf.
Beim zweiten Falle fehlte rechts der Obliq. sup. und Obliq. infer. und
links der Obliq. sup., der Obliq. infer. und der Rectus sup.
Stein heim (227). In einem Falle von Ptosis congenita mit Beweg-
lichkeitsdefekt nach oben wurde bei der Operation am Bulbus kein M. rectus
superior gefunden.
g) Mangelhafte Entwickelung der Nerven.
Cornaz (228) führt einen von Cerutti beobachteten Fall von Hydro-
cephalus mit Mikrophthalmus an, bei welchem der Nerv, oculomotorius, der
Nerv, abducens der erste Ast des Nerv, trigeminus nur aus einer binde-
gewebigen Scheide bestanden.
h) Fehlen der Nerven.
Seiler (226) beobachtete drei Fälle, bei welchen neben anderen Ab-
normitäten mehr oder weniger grosse Defekte der Augennerven vorhanden
waren. Im ersten, einem Hydrocephalus mit Mikrophthalmus, fehlte das
Ganglion ciliare mit seinen Aesten, der Thränenast des Nerv, trigeminus
rechts imd alle Nerven bis auf den Abducens links.
Im zweiten Falle, ebenfalls einem Hydrocephalus, fehlten rechts alle
Nerven, links der Nervus trochlearis, der erste Ast des Trigeminus und theil-
weise der Nerv, oculomotorius.
In dem folgenden Falle von Bach (198) mit kongenitaler Ptosis wurde
bei der Operation festgestellt, dass die Sehne des Muse, levator beiderseits
normal inserirt und auch von normaler Länge bezw. Breite erschien, ebenso
class dies mit dem am meisten gescbädigten M. rectus internus der Fall war.
Hier bestand oft'enbar etn Defekt in der Nervenlfcitimg oder eine Aphivsie in
der Keniregian des Ocalomoturius.
Alle derartigen kongenitalen Defekte einzelner Muskeln oder Muskel-
grnppen, seien sie mm am Rumpf, oder mit ISeweglichkeitsdefekten der Lider
und der Bulbusuiuskulatur kombinirt oder nicht, stellen nur verschiedene Er-
scheinungsformen einer gleichartigen Entwickelungsstörung dar. Nach den
Erfahrungen Leonowa's (229l nämlich entwickeln sich die quergestreiften
Muskeln schon in früher Fötalzeit niiabhdngig von den vorderen Hückenmarks-
wurzeln und ihren Zentren. Erst später, durch die Funktion dieser Theile
tritt ein trophisches Abhangigkeitsverhältniss derselben ein* Ein Bewegiich-
keitsdefekt kann mm sowohl eintreten, wenn das Nervencentnmi fehlt, oder
eine mangelhafte Anlage desselben (Aplasie) besteht, ferner wenn der Muskel
schlecht veranlagt ist oder fehlt, ids aucli bei normaler Anlage des Centrums,
wie des Muskels, aber mungelhafter Anlage oder Fehlen der Nervenleitung.
Sobald eben ein Glied der von der Hirnrinde bis zu den Maskelkernen
resp. bis zu den fropliischen^ spinalen Centren und den peripherischen Muskeln
reichenden Kette ausfällt, oder im Fotalleben nicht zur normalen Entwickelung
kommt, dürfen wir einen Funktionsauafall, einen Bew^eglichkeitsdefekt erwarten.
Wenn das noniial gewesene ('entrum zerstört w^ird^ dann degenerirt
auch die periphere Batin, wenn aber dieses Centrum nie angelegt war, so fehlt
die funktionelle Beeinflussung der peripheren Theile, die nichts destoweniger
aus dem vorerwalinten Grunde normal entwickelt sein können. Aus diesem
(Tfunde möchten wir auch den Fall Siemerling (181) mit einseitig
kongenitaler Ptosis und Degeneration eines Theils des Oculomotoriuskerns,
mit theilweiser Atrophie des Oculomotoriusstammes und Zertall der Le-
vatorfasern nicht als kongenitalen Beweglichkeitsdefekt, sondern als einen
in frühester Kindheit entstandenen partiellen Schwund des Oculomotorius-
kemes, als sogenannten infantilen Kernschwund (\Mobius) auffassen. —
Auch Sil ex (230) hatte bei einem 27 jahrigen Mädchen mit kongenitaler Ptosis
Gelegenheit, ein Stück des Levator mikrosko]nsch zu untersuchen. Aus
dem mikroskopischen Bilde ergab sich eine gieichmässige Atrophie des Muskels,
Es bestand eine totale bindegewebige Degeneration der Muskelfasern, nirgends
war (Querst reif ung zu erkennen. Die Kerne waren zahlreich und von Spindel-
fiirmiger Gestalt, dazwischen etwas Binde- und Fettgew^ebe, Auch dieser
Befund spricht nicht für eine Aplasie, sondern tur einen in frühester Kind-
heit entstandenen Degeneraiionsprozess analog dem Falle Siemerling 's.
Im vorigen Jahre hatten wir Gelegenheit, eine doppelseitige angeborene
Ptosis bei einem Manne zu beobachten, der an einer Lungen phthise zu
Grunde ging. Dadurch wurden wir in den Stand gesetzt, die mikroskopische
Untersuchung vor>:imehmen.
Es handelte sich utu einen 47Jährigen Milchmann C, E, (siehe Figur
40), der abgesehen von den Kinderkrankheiten nie krank gewesen war.
i
Die kongenitale Ptoiis.
1894 madite er angeblich
Influenza diirdi. 8eittk*m hatte er Huste
Kurzliit'tigkeit und eine beträchthche Abnahme der Knifte bemerkt.
i]. war stark abgeniaj^ert , hatte eine fahle ttesichtsfarbe und bot die
Ijrscheinungen einer fortgeschrittenen tuberkulösen Erkrankung beider Ober-
lapiJen dar. Die Untersuchung des Nervensystems ergab im Wesentlichen
normale Verhältnisse. Die Sehnenreflexe waren sanimtlicb sehr lebhaft,
ebenso wie die Hautreflexe. Die Sensibilität, die Hirnnerven, Augenhinter-
grund, Pupillen etc, waren nonnal. Das einzig Pathalogiscbe bestand in einem
doppelseitigen* schlati'en
Herabhängen des (Jbii-
lides, was seit der Ge-
burt bestand. Wie schrm
früher mitgetheilt^ koiii-
pensirte E. die Ptosis
thircli energische Kon
traktion der Frontale
was zu ausgeprägter
Faltenbildung in der
Stirne geführt hatU^
(Fig. 40). (
Nachzutragen ist,
dass die Mutter des
Patienten an Nerven*
schwäche litt, häufig
t>hnraachten hatte und
an Wassersucht starb.
Sonst hereditär, keine
Belastung, Lues und
Potus negirt.
Der tuberkulöse
I*rozess in der Lunge
machte stetige Fort-
schritte und am 6, Febr*
1897 trat der Exitus
lethahs ein.
Die Sektion ergab
Verwachsung beider Lungen mit der Brustwand. Dieselben waren durchsetzt
mit peribronchitischen Herden. Im rechten Oberlappen befand sich eine wall-
nussgrosse Kaverne. Ausser einer atrophischen Muskatmissleber fanden sich
makroskopisch keine sichtlich von der Norm abweichende Veränderungen,
auch nicht im Nervensystem.
Das Hirn wurde in Müller gehärtet > und der Hirnstamm in Serien^
schnitte zerlegt.
Die genaue Durchsicht der Kemregion zeigte nur die gleich zvl
Fig. 40.
C, E. I>i>ppel»eitige angeborene PtosU.
Mikroskop. Befund bei Ptosis congenita ^
schreibenden Verändeningen im OculomotoriuskenL Die Facialis-, Abducens-,
Trigeminiiskerne, sowie deren intramedulläre Wurzeln waren normal; ebenso
die Kerne der übrigen H ininerven. Die Zellen des centralen Höhlengnius,
wenn auch nicht besonders zahlreich, zeigten normales VerhalteiL
Was nun den Oculoraotoriuskern betrifft, so sei vorweg genommen,
dass auf der rechten Seite, speziell im grosszelligen, kterak*n Kern, eine
ganz auffallende Verminderung der Zahl der Ganglienzellen gefunden wurde,
Flg. 41.
Mikrosko|n»(*h<^r BefuDil zu Figur 40, Dc»ppel.*eitijEe koiigcnitak' Pulsis. i =: S(pUe der Aplasie
im Oculoniotoriuskero. Von Dr. Justi gezeichnet
während die vorhandenen normale Formen aufwiesen. Entzündliche und
degenerative Veränderungen fehlten vollständig (siehe Figur 41), so dass man
in diesem Falle wohl von einer Aplasie auf der rechten Seite des Oculo-
motoriuskernes sprechen kann, welche speziell im grosszelligen lateralen
Kern am meisten entwickelt war. In geringerem Grade zeigte sich eine
Aplasie in der \Vestphal-Edinger*schen Kerngruppe der anderen
Seite des Oculomotoriuskernes.
90 Mikroskopischer Befund bei Ptosis congeDita.
Wie bei den angeborenen Missbildungen würde es sich also hier um
eine fötale Aplasie handeln, die sich in einer numerisch geringeren Ausbildnng
der histologischen Elemente [Samuel (233) J, also in einer kleineren als
normalen Anzahl der Ganglienzellen bekundet.
Wir zählten natürlich in verschiedenen Schnitthöhen die Ganglienzellen
und fanden z. B. im Schnitt Nr. 12
auf der linken Seite 210 Ganglien,
y, ^ rechten ^ 109 ^'
im Schnitt Nr. 32
auf der linken Seite 213 Ganglien,
„ ., rechten „161 „
im Schnitt Nr. 52 (siehe Figur 41)
auf der linken Seite 55 Ganglien,
., y, rechten .,16 „
Wie schon erwähnt, boten die vorhandenen Ganglienzellen in den ver-
schiedenen Färbungen ein normales Aussehen. Die Zellen waren nicht ge-
schrumpft, die Kerne waren deutlich, von glatter Oberfläche und rundlicher
ßegrenzung. Weder fettige, noch körnige Degeneration war nachzuweisen;
ebensowenig eine Vakuolenbildung. Nur war im distalen Theil des Kerns
ein auffallend starker Pigmentgehalt der Ganglienzellen vorhanden. Dabei
war in den meisten derselben ein deutlicher Kern nachweisbar.
Auf Grund dieser vorliegenden Beobachtung und Untersuchung müssen
wir annehmen, dass der grosszellige laterale und der Edinger-Westphal-
sche Kern zum Oculomotorius gehören; denn wir fanden in beiden je die Aplasie
der Ganglienzellen, die wir als Ursache der kongenitalen Ptosis ansehen
möchten. Da nun die Aplasie in beiden Seiten nachzuweisen war, so liegt es
nahe, dies Verhalten als Stütze der von v. Gudden (244) und Perlia (239)
verfochtenen Ansicht anzusehen, nach welcher die Oculomotoriuswurzeln zum
Theil aus der entgegengesetzten Seite entspringen sollen.
Im vorliegenden Falle würden die zum Levator palpebr. sup. gehen-
den Fasern theils aus dem grosszellig lateralen, theils aus dem Edinger-
WestphaTbchen Kern entspringen. Hierbei ist aber der Umstand höchst
bemerkenswerth , dass die Ptosis doppelseitig war. Dies dürfte sich
vielleicht wohl damit erklären lassen, dass der Edinger-Westphal'sche
Kern auf der rechten Seite in Verbindung mit dem gleichseitigen grosszellig
lateralen Kern steht, so dass die Anordnung der Fasern möglicherweise eine
Analogie mit denen im Chiasma fände. Die doppelseitige Ptosis bilde dem-
nach eine Analogie zur Hemianopsie, die sich in der beiderseits bestehenden
UnVollständigkeit der Ptosis kund thut.
Bei einer einseitigen angeborenen Ptosis wäre vielleicht anzunehmen,
dass die Aflfektion lediglich den grosszelligen lateralen Kern beträfe, und dass
die Edinger- WestphaTschen Kerne intakt geblieben seien.
Leider waren wir nicht in der Lage, den M. levator palp. sup. und den
(.)julomotoriusstamm mikroskopisch zu untersuchen, da dieselben uns nicht
aufbewahrt worden wareiL In den Okuloinotormswurzelfasern konnten mit
Sicherheit weder in ihrer Struktur, noch in ihrer Vertheilung Veränderujigen
nachgewiesen ^verden.
Wenn es uns daher auch wold bewnsst ist, dass unsere Auseinander-
setzungen bezüglich des Levator in diesem Falle keinen Anspruch auf ein-
wurfslVeie Deutung erheben, so erschien uns doch der knnstatirte objektive
Belund bedeutsam genug, um eine so ausfuhr liehe ^littbeihing zu rechtfertigen.
In einem späteren Kapitel werden wir auf die Frage der Lokalisation
in der Okuloniotoriuskernregion in noch eingehenderer Wei-se zuriickkommen.
S 49 , B ez ii g 1 i eh de r D iagnus e
der angeborenen Ptosis wäre
zunächst auf diejenigen Fälle
von Asymmetrie im Scbädelbau
aufmerksam zu machen, bei
welchen die Orbita löttVamg auf
beiden Seiten von ungleiehent
l'nifange ist. Wir sehen auf
Figur 42 die Maasse der rechten
f resiehtsbalfte gegen die der
linken Seite verkürzt, und
namentlich die rechte Orbital-
öünung kleiner als die linke,
ein l'mstand, demzufolge die
rechte Augenbraue auch einen
grosseren Tiefstand zeigt, als
die der linken Seite. Da aber
beide Lidspatten in diesem Falle
von gleicher Weite sind, so
mnsB demnacli auch die F^nt-
fernung der linken Augenbraue
von dem Mittelpunkte des
linken oberen Lidrandes grösser,
wüe auf dem rechten Auge sein,
und demzufolge auf dem linken Auge mehr Haut, als auf dem recliten
Öberlide zu Tage treten. Dadurch könnte aber bei obertiächlicher Be-
trachtung eine leichte Ptosis vorgetäuscht werden.
Die Diagnose der angeborenen Ptosis ist im Allgemeinen nicht schwer,
zumal wenn sie mit anderen bekannten Bildungsfehlem kombinirt, imd wenn
ihre Erblichkeit nachweisbar ist. Schwieriger wird dieselbe aber, wenn seit
frühester Kindheit die Ptosis isobrt bestand, und wenn die Verwerthung der
anamnestischen Angaben belanglos wird; denn die Aussagen der Eltern über
den Beginn des Leidens sind oft sehr unsiclier, da deren Intelligenz und die
Sorgfalt, mit welcher sie ihre Kinder beobachten, oft viel zu wünschen übrig
lässt. Es handelt sich nümlich uiu das Auseinanderhalten vorerwähnter
J. V
Anjicheiueade Proptoöia bei Schüdelflayiümetrie,
92 Die kongenitale Ptosis.
Bildungsdefekte von der chronischen, stationären, oder bis zn
einem gewissen Grade progressiven Ophthalmoplegia
exterior, einem Krankheitszustande, bei welchem eine Lähmung aller,
oder nur einzelner äusserer Augenmuskeln mit Ptosis, oder auch Rosis
allein zur Entwickelung kommt, und welcher, weil er so häufig in
frühester Kindheit aufzutreten pflegt, von Möbius (231) als infantiler
Kernschwund bezeichnet wurde. P^s ist daher bei diesen Zuständen ein
ganz besonderes Ge^vicht auf die DiiFerentialdiagnose der angeborenen
Beweglichkeitsdefekte der Bulbusmuskulatur von den erworbenen Augen-
muskellähmungen zu legen, darf ja doch dann mit Recht auch für die Ptosis
die gleiche entwickelungshemmende Ursache angenommen werden, wie für die
vorhandenen Beweglichkeitsdefekte der Bulbusmuskulatur. Sollte aber, was
ja nicht auszuschliessen ist, zur kongenitalen Ptosis noch einmal eine erwor-
bene exteriore Augenmuskellähmung hinzutreten, so müsste dies dann als ein
seltenes Ereignis und eine zufällige Komplikation aufgefasst werden. Die
Diagnose der kongenitalen Ptosis stützt sich daher auf die Diagnose der
kongenitalen, die Ptosis begleitenden Beweglichkeitsdefekte der Bulbusmuskulatur,
und wir müssen darum, wiewohl zu einem anderen Kapitel gehörend, die
diflferentieU diagnostischen Momente derselben von den acquirirten Augen-
muskellähmungen hier in möglichster Kürze besprechen. Als differentiell
diagnostische Momente sind aber neben den erwähnten für das Vorhanden-
sein einer kongenitalen Ptosis noch femer anzusehen, wie diesKunn angiebt:
1. Das Fehlen der Sekundärkontraktur.
Die Bulbi können bei den angeborenen Beweglichkeitsdefekten die
verschiedensten Stellungen in der Orbita einnehmen. Es kann je nach den
primären Gleichgewichtsverhältnissen entweder Parallelismus der Sehlinien
oder eine andere Stellung derselben bestehen. Die Augen haben sich von
vornherein schlecht orientiert in der Orbita entwickelt. Man hat es also
auch bezüglich der Stellung der Bulbi mit einer Bildungsanomalie zu thun.
Eine Sekundärkontraktur besteht aber nicht.
Jede erworbene Augenmuskellähmung ist aber von Sekundärkontraktur
gefolgt.
Durch den Parallelismus der Sehlinien, wie er nicht selten bei Fällen von
angeborenen Bildungsdefekten der Augenmuskulatur gefunden wird, wird schon
an und für sich die Annahme einer Sekundärkontraktur hinfällig. Denn
Lähmung und gleichzeitigen Parallelismus der Sehlinie im Zustande der Ruhe
beobachtet man bei erworbenen Lähmungen niemals, es müsste denn eine
beiderseitige komplete Ophthalmoplegia exterior vorliegen.
2. Erhaltensein der Konvergenz bei aufgehobener Seitenwendung.
Während sich in einer ziemlich beträchtlichen Anzahl von Beweglich-
keitsdefekten Störungen der associirten Seitwärtsbewegungen finden, ohne dass
die Konvergenz gelitten hatte, rindet Kich diese merk\vm*dige Erscheinnng bei
den später erworbenen Formen von Lähmung niemals. Nehmen wir an, die
Seitenbewegung des linken Auges nach links hin sei unmöglich, so hat sich
eben auch nie eine Association dieses Muskels mit dem rechten Rectus in-
ternus entwickelt, und darum bat auch bei dem Befehl niich links hin^uhlicken
das verdeckte rechte Auge, welches also den Fixirpunkt nicht sieht, auch
nicht das geringste Interesse sich nach innen zu bewegen.
3. Das Fehlen der Sekundärablenkung.
Bei der erworbenen Lähmung verhält sich dies in dem analogen Falle^
also z. B. bei Lähmung der Seitwärtswendung des linken Auges ganz anders.
Weil hier von Hause aus sich eine Association des rechten Internus mit dem
linken Externus im Sinne der associirten Bewegung nach ünks hin gebildet
hatte, wird nun auch der Impuls der Seitenwendung nach links hin auf die
beiden associirten Muskeln vertheilt, selbst dann, wenn das eine Auge, wie
hier das linke, nicht mehr gehorchen kann»
4. Der Mangel an Doppelbildern,
Bei erworbenen Augenmuskellähnmngen treten nur dann keine Doppel-
bilder auf, wenn es sicli um Personen bandelt^ w^elche den Zustand der
Lähmung in früher Kindheit noch vor der Entwickelung des binokularen
Sehaktes (nach Kunn 4- — 5. Lebensjahr) erworben haben,
Acquirirte Lähmungen aber, w^elche nach Entw^ickelung des binokularen
Sehaktes ein Individuum befallen, sind unter allen Umständen {selbstredend
sofern beide Äugen sehtüchtig sind) mit dem Auftreten von Doppelbildern
verknüpft.
Bei den angeborenen Bew^eglichkeitsdefekten bestehen dagegen nie
Doppelbilder, wenn die Patienten beim Sehen sich selbst über-
lassen bleiben.^} Daraus geht hervor, dass wir es entweder mit Leuten zu
thun haben^ w^elche einen binokularen Sehakt überhaupt nicht besitzen, oder
mit solchen, die bei bestehendem binokularen Sehakte im Stande waren, durch
Bewegungen des Kopfes diejenigen Blickrichtungen zu vermeiden, hei welchen
kraft der bestehenden Beweglichkeitsdefekte Schielen und somit Doppelseben
hätte eintreten müssen.
Bei allen Fällen nun, bei welchen im Zustande der Ruhe kein Parallelis-
mus der Sehlinien besteht, kann auch kein binokularer Sebakt bestehen, Ist
aber, wie bei vielen Fällen von angeborenen Bildungsdefekten der Augen-
muskulatur im Zustand der Ruhe Parallelismus der Sehlinien vorhanden, dann
hängt der Bestand des binokularen Sehaktes davon ab, ob die Konvergenz
erhalten ist oder nicht. Im ersteren Falle können wir mit Sicherheit an-
1) D. k wenn sie ihren Kopf Dach Beheben bewegen küanen.
94 Die kongenitiile Ptosis.
nehmen, dass der binokulare Sehakt besteht, und solche Leute werden doppelt
sehen, wenn sie nach der Seite des defekten Muskels blicken. Dies wird
aber eben dadurch vermieden, dass die Patienten den Kopf
drehen. Bleiben solche Menschen beim Sehen sich also selbst überlassen,
dann werden sie auch nie doppelt sehen, ob sie nun einen binokularen Seh-
akt besitzen oder nicht.
Bei angeborenem Beweglichkeitsdefekt des Seitenwenders der einen
Seite wird der Internus des anderen Auges zum Blick nach der Seite, selbst
bei intakter Konvergenz, nur unter gewissen Bedingungen benutzt werden:
Fehlt der binokulare Sehakt, so liegt für die Benützung des Internus als
Seitenwender kein Hindernis vor. Es fällt diese Aktion dann, physiologisch
genommen, mit der Konvergenzbewegung zusammen. Es wird dann monokular
nur nach einer Seite gesehen.
5. Für angeborene Beweglichkeitsdefekte der Bulbus-
muskulatur spricht ferner die Erscheinung, dass ein anscheinend gelähmter
Muskel plötzlich ruckweise das Auge in eine andere Stellung zieht, wobei
Aufmerksamkeit und Wollen Veränderungen in den Leistungen hervorbringen.
Eine solche Erscheinung wäre bei erworbenen Lähmungen einfach un-
denkbar.
6. Als differentiell diagnostisch wichtig hebt Gourfein (213) bei
seiner Beobachtung noch hervor, dass Nystagmus bestand, was bei einer
nuklearen Lähmung nicht gut möglich wäre, ferner dass die Sehschärfe und
der Augenspiegelbefund sich abnorm verhielten, und die Ptosis eine hoch-
gradige gewesen sei, was bei der erworbenen Ophthalmoplegia exterior meist
nicht der Fall wäre.
Bezüglich der speziellen Diagnose: ob der Levator überhaupt vorhanden
oder nicht, und welche von den verschiedenen Formen der Entwickelung.<J-
störung im betreft'enden Falle vorliegen möchten etc., dürften wohl
folgende Betrachtungen über unsere Beobachtung Figur 43 und 44 hier am
Platze sein.
Fr. C, ein 23jähriges Dienstmädchen, zeigte beiderseits Ptosis congenita
leichteren Grades. Beim Blick gerade aus war kein Sulcus orbito-palpebralis
(vergl. Fig. 1 b) sichtbar, weil offenbar wegen ungenügender Wirk-
ung des Levator resp. mangelhafter Insertion die Lidhaut
nich t eingezogen war, und die Deckfalte fehlte. Beim Blick abwärts
auf die Finger klaffte ziemlich weit die Lidspalte, und die Lidhaut war ver-
strichen. Beim Blick geradeaus aber nach dem Horizont lag die Lidhaut,
wie bei der Ptosis adiposa, in leicht gewellten parallelen Falten, welche noch
bei dem BHck nach oben zunahmen. Die Bewegung des Bulbus nach oben
und nach den anderen Richtungen ist beiderseits völlig nonna' vorhanden, man
muss nur, um ausgiebigere Bewegungen nach oben zu erhalten, die Patientin
energisch auftbrdern, nach oben zu blicken. Der Frontalis ist beiderseits
nicht kontrahirt. Hier waren wohl an Stelle des Levator bindegewebige
Fig. 43.
A. C. Dr>p|iels4?itige, iiikoinpWte, k<ingeniiiile FtoHk
mit ErlinltUTitr der Mewe;L'li«'likrM{ de» ßulbiLs und*
(►hin, Blii'k geniiie nua.
Stränge \orhaoden, die eineiseits das Lid aiii vrilligen Lid^chhiss verlundcrten,
gleicliwie sie einer Hebung des Lids über die Mittellinie entgegenstanden und,
weil die Haut durch den fehlenden
Levator nicht in die Orbita zurück-
gezogen werden konnte, beim
Blick nach oben zu leichten Falten-
bihhingen auf der Lidhaut Ge-
legenheit gaben.
Die Angabe von \V. M.
Beaumont \232), dass bei dem-
selben Individuum der Grad der
Ptosis zu verschiedenen Zeiten
sehr wechseln könne, muss wohl
mit grosser Reserve hingenommen
werden. Es handelt sich wohl
hier um eine Verwechselung mit
der Ptosis bei infantilem Kern-
Schwund* Vielleicht aber kannte
eine Veränderlichkeit in der Weite
der Lidspalte bei angeborener
Ptosis auf verschiedenen Kon-
traktionsÄUständen der bei dem
betreffenden Individuum normal
vorhandenen glatten Palpebral-
niuskel beruhen, welche ja bei
Geniiithsaffekten mit innervirt
%verden. Ausserdem kann aber
mit zunehmendem Alter die Ptosis
dadurch hochgradiger werden^ dass
das obere Lid bei dem alhuah-
lichen SchlalTerwerden der Haut
vermöge seiner Schwere mehr und
mehr sinkt.
Schliesslich ist die Erschein-
ung zu berücksichtigen j dass der
Grad der Ptosis in den an-
geborenen Fällen in gar keinem
Zusammenhang mit der Wirk-
samkeit der Lid lieber stehen muss.
Die Ptosis kann hier ganz gering
sein, und der Levator ist docli
nicht im Stande, das Lid nur um
einen Millimeter höher zu beben ts. Fig. 30)> Bei der gewölmlit lien Lähnmng ist das
anders, denn da ist der G rad der Ptosis der Ausdruck der Schwache des Muskels,
Fip. 44,
A. C* I>t(»pelsutHgf\ iokomplele, kongenitale Ptosjp-
itiit Erhaltung diT BewegUcbkcit det Bulbus nncli
obi'ü. Blick nach oben.
96 Die kortikale Ptosis.
b) Die kortikale Ptosis.
§50. Horsley und Schäferhaben durch ihre berühmten Experimente am
Affen dargethaU) dass für die Augenbewegungen analog den Bewegungen der
Extremitäten und des Kopfes ein Centrum in der Rinde des Gehirns Tor-
handen sei und zwar in der ersten und zweiten Frontalwindong. Für den
Menschen ist jedoch durch eindeutige pathologische Befunde eine derartige
Rindenvertretung für die Augenbewegungen zur Zeit noch nicht mit Sicher-
heit festgestellt worden. Nur so viel darf man zur Zeit wohl an-
nehmen, dass die Läsionen der Centren höherer Ordnimg, welche über den
Nervenkemen gelegen sind, niemals Lähmungen einzelner Augenmuskeln zur
Folge haben. Von diesem Satze scheint der Levator palpebrae saper. allein
eine Ausnahme zu machen«
Vergegenwärtigen wir uns die Funktion dieses Muskels, so liegt es sehr
nahe, schon auf Gnmd von gewissen Ueberlegungen anzunehmen, dass die
Oeffnung der Augen einen Akt darstellt, der innig mit der Thätigkeit der
Grosshimrinde im Zusammenhang steht. So kündigt sich das Erwachen aus
dem Schlafe zuerst durch Erheben der Augenlider an. Licht fallt auf die
Netzhaut und erregt die Rinde des Hinterhauptlappens, Worauf allmählich die
übrige Hirnrinde in Thätigkeit tritt.
Im entgegengesetzten Falle, wenn die Funktion der Grosshimrinde nach-
lässt, fallen die Augenlider der Schwere nach nieder, indem der Tonus des
Levator palpr. sup. sich vermindert. Im Hinblick auf die später noch genauer
zu erwähnende Mauthner'sche Schlaftheorie könnte man nun einwerfen,
es sei hierfür kein Centrum in der Rinde anzunehmen, weil derselbe Vorgang
sich in den Kernen am Boden der Rautengrube wie in der Rinde des Gross-
hims geltend machen könnte. Gegen die M au thner^ sehe Ansicht der Ptosis
im Schlafe, als von einer Nuklearläbmung besonderer Art herrührend, spricht
aber die Thatsache, dass die Athmung und Herzthätigkeit, die von dem Vagus-
centrum aus regulirt wird, ununterbrochen während des Schlafes in Thätig-
keit ist. Es erscheint schwer verständlich, dass an demselben Orte im Central-
organ zugleich Thätigkeit und Unthätigkeit herrschen soll, zumal wenn wir
annehmen, dass eine gewisse Gefässkontraktion eine lokale Anämie bedinge«
welche ihrerseits wieder die Ursache der Funktionsherabsetzung sei.
Leider lässt sich nun über ein kortikales Rindenfeld des Levators, ge-
schweige denn über die subkortikalen Bahnen eines solchen zur Zeit noch
keine bestimmte Angabe machen. Wir sehen uns daher genöthigt, das
brauchbare einschlägige Material aus der menschlichen Pathologie hier zu-
sammenzustellen, um daran, so weit es thunlich, unsere Betrachtungen zu
knüpfen.
Der Erste, der von einer kortikalen Ptosis sprach, war Grasset (273).
Im Progres medical veröffentlichte er 1876 eine Beobachtung, auf Gnmd
deren er zur Annahme gelangte, dass in diesem Falle die Ptosis durch eine
lokalisirte Affektion in der Hirnrinde verursacht war.
Die kortikale rtosis. ^^^^H^ ^^
\in 26jähriger Mann kam in beinahe völlig komatösem Zustande ins
Hospital Saint-EIoi. Es bestand eine hüchgradige Hyperästhesie bei Be-
rührung der Haut Keine Lähmung. Temperatur 37 — ^37 ,5, Puls 120.
Arn folgenden Tag Beginn einer linksseitigen Ptosis* Während er das rechte
Auge freiwillig öflnen konnte , gelang ihm dies auf dem zweiten Auge nur
bis zur Hälfte, Die linke Pupille war grösser als die rechte. Am Tage darauf war
die Ptosis noch ausgesprochener; unregelmässige Athmung; Hauthyperästhesie;
Ungleichheit der Pupille. In der folgenden Nacht Exitus letalis.
Die Sektion ergab lebhafte Injektion der Dura mater. Darunter deut-
liche Zeichen von difluser Meningitis der Konvexität.
Auf der rechten Seite eine grosse, schmutzigrothe Stelle, auf der die
Injektion stärker, und das Exsudat reichlicher war. Die Stelle lag am Ende
der Fissura temporalis sup. (sciss* parallele), ohne den Grund der Fissur zu er-
reichen, und ohne den Oyrus angularis (Pli courbe) zu berühren.
Bei der Epikrise dieses Falles sagt Grasset: „Der Schw^erpunkt dieser
Beobachtung ist der Zusammenhang der Lähmung des hnken oberen Lides
mit der Läsion vor dem Gyrus angularis (au-devant du pli courbe).
Während des Lebens hatte man die Meningitis diagnostizirt , aber man
schrieb die Lähmung des oberen Lides den Exsudaten an der Basis zu, die
theihveise den Oculomotorius komprimirten* Die Autopsie hatte jedoch klar
ergeben, dass nichts Pathologisches an der Basis in der Umgebung dieses
Nerven aul'zutinden w^ar, und dass die kortikale Läsion als die einzige Ursache
der Ptosis angesehen werden müsste/'
Grasset erwälmt dann noch, dass Ferrier in seinen Untersuchungen
über das Gehirn des Atfen in der Hube der Fissura tempor. sup. ein Centrum
fiir gewisse Augenbewegungen gefunden zu haben glaubte, welches ungefähr
dem Sitz der ebenerwähnten Läsion entspräche.
Zu denselben Schlussfolgerungen gelangten Carvilie und Dur et durch
ihre Controluntersuchungen, indem sie angaben, dass „auf dem Gyrus angu-
laris {pli courbe) gewisse von Ferrier beschriebene Centren für die Augen-
bewegungen gesucht werden müssten*',
Landouzy (245) sammelte in der Folge eine ziemlich grosse Anzahl
von Fällen und glaubt die Existenz einer isolirten centralen Ptosis, welche
gekreuzt zur Läsion aufträte, klar gelegt zu haben. Die hervorragendsten dieser
Befunde sind die folgenden:
Fall M. ßaynaud (246): Encephalitis: ein Herd von 4—5 cm nimmt
das Hinterliirn in der linken Hemisphäre ein; ein anderer Herd von der
Grösse einer Haselnuss in der linken Paracentralwindung an dem Uebergang
der inneren und äusseren Oberfläche der linken Hemisphäre,
Fall Landouzy (24Ö): Ein er bsen grosser Tumor der mittleren Partie
des Lobus parietalis sup. dext.
Fall Dussaussay (247): Abscess im Lobus parietalis sup. übergreifend
auf die hintere Centrahvindung und angrenzend an den Gyrus supramarginalis
(lobule du pli courbe).
WUbr«u<l-S«ei]ger, Kourologi« d«a Angot, 7
D
98 Die kortikale Ptosis.
Verletzung, die die Gegend über der Fiss. tempor. sup. betrifft
Landouzy (248): Verschiedene Rindenerweichungen in Folge einer
nicht tuberkulösen Meningoencephalitis in der ersten Temporalwindung, über-
greifend auf die dritte Hirnwindung.
Eine Erweichung von vier Fingerbreite an der Basis der zweiten und
dritten Hirnwindung, zur Hälfte der vorderen Centralwindung , der ersten
Temporalwindung des Gyrus supramarginalis.
Dreyfus (249): Die Occipitalwindungen enthalten eine unregelmässige
Höhlung. Vor derselben ist die Himsubstanz erweicht.
Joanny Rendu (250): Kortikale Erweichung des unteren Drittels der
hinteren Centralwindung, übergreifend auf den Gyrus supramarginalis.
D e Boyer (251): Kortikale Erweichung ausschliesslich auf die Tempoial-
windungen beschränkt.
Landouzy beschliesst seine Arbeit mit folgenden Sätzen: ^Es scheint
nach den angezogenen Thatsachen:
1. dass der Ursprung, oder das motorische Centrum des Hebers des
Oberlids in dem hinteren Theil des Parietallappens gesucht werden muss,
2. dass dieses Centrum nicht unmittelbar an die motorischen Centren
der Glieder angrenzt, da die Ptosis ebenso oft isolirt vorzukommen scheint,
wie verbunden mit hemiplegischen Störungen,
3. dass unter den Nervenfasern, die das dritte Paar zusammensetzen.
diejenigen, die zur Hebung des Augenlids bestimmt sind, in Verbindung mit
den Hemisphären stehen.
Im Jahre 1878 berichtete Glynn (252) über einen Fall von dop{)el-
seitiger Neurit. opt. mit vorübergehender linksseitiger Ptosis, bei dem ein
cirkumskripter Abscess im Bereich des vorderen Theils der ersten Schläfen-
windung gefunden wurde.
Brown-Sequard (253) widmete der Ptosis eine eigene Vorlesung, in
der er zu folgenden Resultaten kam. Die Ptosis kann eintreten 1. bei einer
Veränderung irgend eines Theils des Gehirns, 2. bei einer solchen des Cor]).
striatum auf derselben, oder der entgegengesetzten Seite, 3. bei einer solchen
im Pons Varoli, der MeduUa obl. und Cerebellum auf derselben oder ent-
gegengesetzten Seite, 4. bei einer solchen in einer Hälfte des Gehirns auf
beiden Seiten und 5. im Allgemeinen in einem Auge allein in Fällen von
beträchtlichen Veränderungen auf einem der Gehimschenkel, während nach
allgemeiner Annahme die Ptosis auf beiden Seiten erscheinen müsste.
C h e V a 1 1 e r e a u (254) nimmt an, dass eine besondere Beziehung zwischen
dem Levator palp. sup. und dem Gyrus angularis bestehe und führt einen
Fall an, bei dem nach einer in der Gegend des Gyrus angularis statt-
gehabten Impression des Schädels eine Ptosis allerdings erst nach langer
Zeit sich einstellte.
Huguenin (255) beobachtete eine doppelseitige Ptosis, Neuritis
descend. n. optic. und linksseitige Hemiparese bei einer Embolie der A.
fossae Sylvii.
Chauffard (256) tbeilte einen Fall von inkompleter rechtsseitiger
Ptosis mit Blindheit und Taubheit mit» bei dem sich eine Läsion des linken
LobuL parietal, inier. und des Pli courhe fand.
Wannebroncq (258) beobachtete einen Fall von rechtsseitiger kom-
pleter Ptosis, bei dem post mortem eine Häniorrhagie geiunden wurde, welche
oberriächlich die erste Temporal- und die untere Parietalwindung lädirt hatte.
Weiss (257) berichtet über einen Fall von rechtsseitiger kortikaler
Epilepsie mit rechtsseitiger Ptosis^ hei der .sich eine cirkumskripte chronische
Meningitis über der linken vorderen und hinteren Centrahvindung fand.
In einem Falle von Drodza (259) bestand Ptosis dextr. und Embolie
der A, foss, Sylv. sin, mit cirkumskripter Meningitis und beginnender Er-
weichung der linken zweiten und dritten Stirnwindung, sowie der angrenzen-
den Partie der vorderen Centrahvindung.
In einem zweiten Fall berichtet derselbe Autor über linksseitige Ptosis
und Embolie der A, foss, Sylv. dextr. mit Veränderungen in der Ins. Reilii,
der Caps, ext., dem Claustrum, dem Linsenkern, der Broc ansehen Windung, dem
unteren und hinteren Abschnitt der Centralfurche, dem hinteren Ende der
Fossa Sylvii und den henarhbarten Partien des Cortex incl. dem hinteren und
oberen Theile der Schläfen Windungen.
T. Pfungen (260) sah in einem Falle von linkseitiger Hemiplegie, mit
linksseitiger Facialislähmung: lieiderseitige Ptosis und Trochlearisiähmung.
Die Sektion ergab einen Abscess im (iyrus parietalis mit Hjdrocephalus, Ab-
flacbung des Pons und Verklebung beider Fossae Sylvii,
Pye-Smith (2til) beobachtete bei einem 12jährigen Knaben Kopfweh^
Abnahme des Visus und Erbrechen. Es trat doppelseitige Stauungspapille,
Parese der linken oberen Extremitäten und rechtsseitige Ptosis ein. Bei der
Antojisie fand sich im unteren Thalamus opt. ein Tuberkel , der theil weise
auf den Hirnsehenkel überging.
Spitzka (2ü2) theilt einen Fall von doppelseitiger Ptosis mit, bei dem
wiederholt apoplektische Insulte aufgetreten waren. Die Sektion ergab apo-
plektische Herde in den verschiedensten Theilen des Gehirns; dieser Fall
ist also für eine Lokalisation nicht zu verwerthen.
Wilder (263) beobachtete eine Basisfraktur, bei der aus dem linken
Ohr Hirnsubstanz herausgekommen sein soll. Am dritten Tage linksseitige
Facialislähmung; nach drei Monaten linksseitige Ptosis. Wilder nimmt
eine Läsion des linken mittleren Hirnlappens an (zweite oder dritte Schläfen-
windung).
Günther (2ü4) theilt einen Fall von linksseitiger Ptosis mit, bei dem
sich eine wallnussgrosse Cyste im unteren Schläfenlappen mit gelber Flüssig-
keit fand.
W^ising (265) beobachtete einen höchst bemerkenswerthen Fall. Ein
41 jähriger Mann hatte eine linksseitige Ptosis, ferner eine rechtsseitige Hemi
plegie mit Betheiügung des Facialis und Hypoglossus rechts. Die Sektion
ergab zwei Abscesse. Einen in der linken Centrahvindung und einen im
7*
i
100 Die kortikale Ptosis.
Gyrus supramarginalis, am oberen, hinteren Ende der Fossa Sylvii nnd am
hinteren Bogen der Windung (damit wird die Ptosis in Verbindung gebracht).
Richards (266) sah in einem Falle von linksseitiger Hemiparese und
Hemianästhesie 14 Tage ante mortem zuerst rechtsseitige^ später linksseitige
Ptosis. Die Sektion ergab einen haselnussgrossen Bluterguss auf der oberen
inneren Fläche der Himschenkel, vorwiegend den rechten betreffend.
Peabody (267) beobachtete bei einem dreijährigen Knaben Strabismus
und doppelseitige Ptosis, bei dem ein Rundzellensarkom der weissen Substanz
des Cerebellums gefunden wurde.
Macewen (268) sah einen neunjährigen Knaben mit leichter Ptosis;
derselbe hatte einen Gehimabscess, welcher durch Trepanation eröffnet wurde.
Lemoine (269) beobachtete einen 43jährigen Arbeiter mit Arterio-
sklerose, der nach vorübergehender linksseitiger Hemiparese eine bleibende
komplete rechtsseitige Ptosis behielt. Vier Jahre später wiederum links-
seitige Hemiplegie. Die Sektion ergab auf dem Gyrus angularis Depression,
und einen alten, scharf begrenzten, bräunlichen Erweichungsherd in der
grauen Substanz. Femer je ein frisches Extravasat auf der Pia der
linken Himhemisphäre in der Höhe der aufsteigenden Parietal- und auf der
rechten Hirnwindung. Im Uebrigen Aortenatherom ; Endocarditis mitralis.
Kirilzew (270) sah bei einem Tumor thalami optici geringe Ptosis,
Amblyopie, träge Pupillarreaktion, Schielen und ataktische Bewegungen.
De Bono (271) beobachtete 2 Fälle von Ptosis mit gleichseitigen vom
Arm ausgehenden Krämpfen (Jackson 'sehen). De Bono fand eine finger-
breite eingedrückte Knochenstelle, die ungefähr in der Grenze der zwei unteren
mit den drei oberen Fünfteln der Centralwindungen lag. Verf. glaubt nicht,
dass das Centrum der Lidhebung im Gyrus angularis (Grasset und Lan-
douzy), sondern im mittleren Theil der Centralwindung vor dem Centrum
des Armes, näher der Fissura Rolandi liege. De Bono erhielt bei zwölf
Hunden nach Abtragung oder Reizung des Gyrus angularis keine Erscheinung
am Levator; wohl aber durch galvanische Reizung des erwähnten Centrums
Hebung des Lides.
C. A. Herter (272) beobachtete bei einem 60jährigen Phthisiker eine
linksseitige Ptosis mit geringer Mydriasis und verlangsamter Pupillarreaktion
links neben leichter rechtsseitiger Hemiparese. Die Autopsie ergab am hin-
teren Ende der Fossa Sylvii im rechten Gyrus angularis einen cirkumskripten
Erweichungsherd von etwa einem Zoll Durchmesser, der nur wenig in das
subkortikale Gewebe eindrang, und durch den die Ptosis gut erklärt werden
konnte.
Durch die Güte des Herrn Direktors Prof. Lenhartz sind wir in
der Lage, folgenden Fall mitzutheilen, der auch wegen der Gleich-
seitigkeit der Lähmung von besonderem Interesse ist.
Der 47jährige Maurer G. W. S. fiel, nachdem er vier Glas Bier ge-
trunken hatte, während des Tanzens plötzlich um, war sofort bewusstlos und
Die kortikale Ptosis. 101
blieb es bis zur Aufnahme ins Krankenhaus. Er soll während des Tanzens
mit seinem Kopf an den seiner Tänzerin heftig angestossen sein.
Früher gesund. Lues, Potus nicht nachweisbar.
St. pr. 21. Juni 97. Gesicht stark geröthet, mit Schweiss bedeckt.
Starke Benommenheit. Rechts nicht vollständige Ptosis ; links völlige Ptosis.
Pupillen mittelweit, reagiren träge auf Licht. Facialis intakt. Sprache
deutlich. Zunge weicht nach links ab. Rechts scheint die Bewegungsfähig-
keit erhalten zu sein. Die Bewegungen haben einen leicht ataktischen
Charakter.
Links werden die Extremitäten gar nicht bewegt: oben sowohl
wie unten spastische Kontraktur.
Fusssohlenreflex besonders schwach.
Cremasterreflex nicht auszulösen.
Rechts ist die Beweglichkeit erhalten.
Sensibilität intakt.
Augengrund : normal.
30. 6. Links kein Spasmus, sondern schlaffe Lähmung. Patellarreflex
rechts erhöht gegen links. Völlige Ptosis links. Das rechte Auge wird auf
Auffordenmg träge halb geöffnet.
Frontalis beiderseitig beweglich.
Mundwinkel links gelähmt.
Zunge weicht nach links ab.
1. 7. Lumbalpunktion ergiebt wasserklare Flüssigkeit von 95 mm Druck.
2. 7. Patient ist klarer, antwortet richtig.
Vollkommene Ptosis links. Das rechte Oberlid wird mit Schwierigkeit
gehoben.
Links ausgeprägte Hemiparese. Rechts ist die Beweglichkeit vorhanden
grobe Kraft ist herabgesetzt.
3. 7. Patient ist wieder benommen.
Leichte Zuckungen im rechten Arm.
9. 7. 38,9. Cyanose. Exitus.
NB. Patient hat bis zu seinem Tode seine rechten Extremitäten aus-
giebig und zweckmässig bewegen können. Die Bewegungen waren zögernd,
etwas ataktisch ; dann wieder hastig, wie bei einem Betrunkenen. Zuckungen
im rechten Arm wurden an mehreren Tagen bemerkt. Die Sektion ergab
ein sehr grosses Hämatom der Dura mater über der linken Hemisphäre, das
den Lobus parietalis am beträchtlichsten komprimirt hatte.
Die Windungen der rechten Hemisphäre waren stark abgeflacht und ver-
breitert, ähnlich wie bei einem Tumor cerebri. Sonst keine Veränderungen.
Femer beobachteten wir einen 66 jähr. Mann J., der früher stets gesund ge-
wesen war. Im 60. Jahr Beschwerden von Seiten des Herzens, die Jahre lang
anhielten und sich erst bei der später eingeleiteten antiluetischen Kur, speziell
auf Jodgebrauch, besserten. Patient fiel plötzlich auf der Strasse um und
wurde bewusstlos nach Hause gebracht. Das linke obere Lid hing vollständig
102 Die kortikale Ptosis.
herab. Der linke Supraorbitalrand war empfindlich und etwas geschwollen.
Die genaue Anamnese ergab, dass das linke obere Lid stets etwas herabhing.
Im Hause wiederholte sich ein Anfall von tiefer Bewusstlosigkeit, verbunden
mit heftigen allgemeinen klonischen und tonischen Krämpfen, mit Deviation
conjugee der Augen nach rechts, dabei war komplete linksseitig^ Ptosis
bestehen geblieben. Patient hatte einen gespannten Puls und stark geröthetes
Gesicht, so dass der Hausarzt, Herr Dr. G. Cohen, der uns diesen Fall
gütigst überliess, einen Aderlass machte, mit eklatant günstiger Wirkung,
sowohl auf die Bewusstlosigkeit, wie namentlich auf die Krämpfe.
Patient erholte sich unter grossen Joddosen. Selbst die Herzbeschwerden
wurden besser. Der Supraorbitalrand schwoll ab und war nicht mehr em-
pfindlich ; nur die Ptosis links blieb zurück, jedoch war sie nicht mehr komplet,
und Patient konnte mit Zuhilfenahme einer linksseitigen Frontaliskontraktion
ganz gut das Auge öffnen.
Nach einem halben Jahre trat plötzlicher Exitus ein, und die Sektion
ergab das überraschende Resultat eines grossen Aneurysma des aufsteigenden
Theils der Aorta, welches das Sternum usurirt hatte, so dass dasselbe bei
der Sektion zerbrach. Im linken Nebenhoden befanden sich Schwielen. Es
fand sich eine Hyperostose des Schädelknochens. Die Dura über dem linken
Hirnlappen war mit der über 1 cm dicken, keine Spongiosa enthaltenden
Schädelcalotte verwachsen. In der vorderen und mittleren Schädelgnibe war
die Dura adhärent, verdickt, gelblich und mit zarten Pseudomembranen bedeckt.
Die Pia getrübt; über dem Lobulus parietalis inferior links verdickt und ver-
wachsen mit der Hirnrinde, die konsistenter und in der Ausdehnung
von 2 cm von der Grenze zwischen Gyrus supramargin. und Gyrus angularis
graugelblich verfärbt erschien. Auch die Dura war über dieser Stelle mit
der Pia verwachsen.
Es bestand kein Hydrocephalus ; das Ependym der Ventrikel war glatt.
Im Corpus striatum links, ferner im Linsenkern waren drei erbsengrosse,
frische Hämorrhagien. Femer erschien die Spitze der ersten Stirnwindung,
die zweite und dritte Stirnwindung oberflächlich im geringen Umfang ver-
ändert; gelblich und etwas eingesunken. Die basalen Gefässe waren nicht
atheromatös. Die Pia Hess sich auf der rechten Seite des Gehirns gut abziehen.
Also unter den 25 Fällen von Ptosis der Tabelle II fanden sich centrale
Erkrankungen, die mehr oder weniger cirkumskripte Läsionen darstellten.
In einer Reihe von Fällen war es wegen der Verschiedenheit und der Mannig-
faltigkeit der Veränderungen unmöglich, eine bestimmte Lokalisation der Ptosis
anzunehmen. Diejenigen Beobachtungen aber, welche wegen der Umschrieben-
heit der Läsion zur Lokalisation verwerthbar sind, weisen mit Ausnahme der
Die kortikale Ptosis.
103
Fälle de Bonos auf den Scheitellappen hin. (Grasset, Landouzy.
Dussaussay, V. Pfungen, Wising, Lemoine, Herter, unsere Fälle),
und hier scheint der Lobulus parietalis inf. resp. angularis am meisten be-
vorzugt.
Jedoch möchten wir ausdrücklich hervorheben, dass es noch vieler exakter
klinischer und pathologischer Beobachtungen bedarf, um diese Ansicht zu
fundiren, wobei nicht verschwiegen werden darf, dass in der Litteratur viel-
fach Herdläsionen post mortem in der in Rede stehenden Gegend kon-
statirt worden sind, ohne im Leben das Symptom der Ptosis dargeboten zu
haben.
Tabelle IL
Fälle von kortikaler Ptosis mit Sektionsbefund.
Grasset (273)
Raynaud (246)
Landouzy (248)
Duäsausäay (247)
Landouzy (248)
Landouzy (248)
Dreyfus (249)
Ren du (250)
De Boyer (251)
Glynn (252)
V. Pfungen (260)
Pye Smith (261)
Spitzka (262)
Wilder (263)
Günther (264)
Wi«ing (265)
Richards (266)
Peabody (267)
Macewen (268)
Lemoine (269)
Kirilzew (270)
de Bono (271)
C. A. Herter (272)
unser FaU G. W. S.
unser Fall J.
Gyrus angularis
Lob. pariet. sup.
Gyr. angul. und Lob. pariet. sup.
Gyr. pariet. sup.
Gyr. angul.
Gyr. supramarg. und Gyr. centr.
Lob. paracentralis
1. Temporal Windung
3. Stimwindung
1. Temporal Windung
Yord. Centralwindung
Occipitalwindungen
Temporal winduog
1. Schläfen Windung
Gyr. parietalis
Thalam. opt. Himschenkel
nicht zu verwerthen
Schläfenwinduog
r. Schläfenlappen
Gyr. supramarg.
Himschenkel
Cerebellum
Gyr. angularis
Thalam opt.
mittl. Theil der Centralwindung
Gyr. angularis
Hämatom der Dura raater über dem Lobus pariet.
Lob. pariet. inf.
104 Die isolirte doppelseitige Ptosis.
c) Die isolirte doppelseitige Ptosis.
§ 51. Die isolirte doppelseitige Ptosis ist ein höchst merkwürdiges Leiden,
das sonst, soweit wenigstens unsere Erfahrungen bis jetzt reichen, ganz gesunde
Individuen und hauptsächlich Frauen in den vorgeschritteneren Jahren befallt.
Dasselbe äussert sich in einer isolirt bleibenden, allmählich fort-
schreitenden Lähmung des M. levator palpebrae. Auch hier können
wir, wie bei der kongenitalen Ptosis eine hereditär-familiäre Form von einer
nicht erblichen unterscheiden. Bei den bislang beobachteten Fällen war es
zweifelhaft geblieben, ob dieselben als Unterabtheilimg in das Kapitel der
Nuklearlähmungen gehören, oder ob es sich um einen primären, auf den M.
levator palpebrae beschränkten, Muskelschwund handelt, eine von Fuchs (274)
unterstützte Voraussetzung, zufolge deren Goldzieher (275) dieser Affek-
tion die Bezeichnung Ptosis amyotrophica beigelegt hat. Auffallend ist,
dass bis jetzt mit Ausnahme der Fälle Goldziehers das Leiden nur bei
Frauen beobachtet worden ist. Fuchs (274) war der erste, welcher auf diese
eigenthümliche Form von Ptosis aufmerksam gemacht hatte. Die Entwickelung
dieser Krankheit geht so allmählich vor sich, dass der Beginn des Leidens,
wenigstens in den bis jetzt bekannten Fällen gar nicht recht angegeben werden
konnte. Die Krankheit begann zwar nicht gleichmässig auf beiden Augen,
sie war aber schliesslich immer doppelseitig. Die betroffenen Individuen
waren sonst völlig gesund, die Augenbewegung und das Pupillenspiel waren
ganz normal. In dem einen von uns beobachteten Fall wurde Eiweiss im
Urin konstatirt, und handelte es sich hier um eine ausgesprochene Athero-
matose, während sonstige Andeutungen eines Cerebralleidens fehlten- Hervor-
zuheben bleibt noch, dass die Ptosis dem Grade nach wechselnd war; meist
zeigte sich dieselbe nach körperlicher Ermüdung und nach deprimirter Ge-
miithsstimmung stärker, während morgens meist das Lid höher gestanden
haben soll, als abends. Bei allen Fällen zeigte sich eine starke Kontraktur
beider Frontales. Im Verlauf der Beobachtung entstand bei den bekannten
Fällen eine auffällige Dünnheit der Lider, sowie eine vergrösserte Ausdehnung
derselben. Besonders auffallend ist die starke Einziehung der Haut unter
dem Orbitalrand, wie man sie sonst nur bei Personen findet, die auf das
äusserste abgemagert sind, dabei ist jedoch die Lidhaut vollkonunen frei be-
weglich und keineswegs in irgend einer Weise fixirt. Als Folge entwickelt
sich dann eine Verlängerung des Lides in vertikaler Richtung durch den Zug
des Frontalis nach oben und die Wirkung der Lidschwere nach unten. Auch
die grosse Dünnheit des Lides mag theilweise eine Folge dieser entgegenge-
setzten Zugwirkung auf das Oberlid sein. Der Hauptsache nach will aber
Fuchs dieselbe auf eine Atrophie des Gewebes in der Nachbarschaft des
Lidhebers zurückgeführt wissen, wodurch einerseits die Haut selbst dünner
geworden, und andererseits das Fett im oberen Theile der Orbita geschwunden
sei. Letzterem Umstände wäre dann die tiefere Einziehung der Haut unter
dem Orbitalrande zur Last zu legen.
Die in einem Falle von Fuchs vorgenommene Excision eines kleinen
Stückchens aus dem Levator bei Ausführung der Ptosisoperation nach Panas
Hess einen Befund erkennen, welcher sehr an den hei Dystrophia muscu-
Koruni progressiva erinnerte. Diesem letzterwähnten Leiden könne man
aber die Krankheit nicht zurechnen, weil dieselbe die Augenmuskeln gerade
Terschone und die Tendenz habe, sich auszubreiten, während sie jijerade hier auf
den levator isolirt bliehe. Fuchs glaubt, es handele gith um eine primäre
Muskelatrophie sui generis. Kuun (276) dagegen will die Sache folgender-
massen formulirt haben: „Die Dystrophia muscularis progressiva, von der
wir glaubten, sie komme nur ausnahmsweise an den Augenmuskeln vor, sei
eine Krankheit, welche die Augenmuskeln auch allein befallen könne. Der
Umstand, dass die Erkrankung nur in
einer bestimmten Muskelgruppe aufträte,
habe nichts Wunderbares , da dies zum
Typus dieser Krankheit gehöre. Gegenüber
der Annahme von Fuchs und Kunn.
welche die Krankheit als einen primären
Muskelschwund auseben , erhebt
Möbius (277) den Einwand, dass ganz
derselbe mikroskopische Befund auch nach
einer Keraliision gefunden werden könne:
denn dass bei der Kernläsion eines Nervten
auch der betreffende Muskel schwinden
müsse, verstelle sich von seihst. Wohl
würde man die neurotische von der pri-
mären Muskelatrophie in frischen Fällen
unterscheiden können. Seien aber viele
Jahre verflossen, so müssten eben die er-
krankten Elemente unter allen Beding-
ungen zu Grunde gegangen sein. Man
wHirde nur noch einzelne Fasern, die von
vornherein nicht erkrankt waren, oder die so zu sagen nur gestreift worden
seien, und die Lücken füllendes Binde- beziehungsweise Fettgewehe finden.-
Wiederum könnten einzelne hypertrophii^ehe Musikelfasern sicli hier vorerst,
wie beim primären Muskelschwund vorfinden. Nach alledem sei es nicht
wahr*^cheintich, dass die Untersuchung der Muskeln entscheidende Aufschlüsse
geben würde.
Neuerdings hat Silex (278) zwei analoge Fälle beschrieben und die
photographische Abbildung des einen Falles beigegeben (Figur 45). Auch war
dieser Autor in der Lage ein grosses Stück des Levators der einen Patientin
untersuchen zu können. Die Patienten glichen klinisch genau den Fällen von
Fuchs, anatomisch aber entsprach das Bild fast wörtlich dem, wie es von den
Neurologen bei der Dj^strophia musculorum progressiva so häufig beschrieben
worden ist. Während also Fuchs eine primäre Muskelatrophie sui generis
Fig. -15.
Naoli Silox Arrh. f. Anffenh. XXXIV. I.
p. 20. l>oppels«itij?e Isolirtp Ptosis.
ä
106 Die isolirte doppelseitige Ptosis.
für diese Krankheit annimmt, will Silex diese Krankheit in die Gruppe der
progressiven Muskelatrophie eingereiht wissen.
Demgegenüber muss nun wieder hervorgehoben werden, dass nur zwei
Beobachtungen vorliegen, wo es bei Dystrophia musculorum progressiva über-
haupt zu Augenmuskellähmungen gekommen war. Ob nun dies als ein zu-
fälliges Zusammentreffen anzusehen ist, oder ob die Ptosis, resp. die Augen-
muskellähmungen in den beiden folgenden Fällen ebenfalls durch einen
primären Muskelschwund bedingt worden waren, bleibt dahingestellt. Von
der Lidmuskulatur wird sonst nur der Orbicularis palpebr. von dieser Afifektion
mit ergriffen. Es erzählt nämlich Go wer s (279) folgenden Fall: Ein 25jähriges
Mädchen, in dessen Familie weder Syphilis noch Muskelschwund vorgekonmien
war, hatte seit dem 24. Jahre eine fortschreitende Augenmuskellähmung. Die
Bewegungen beider Augen nach oben, die des linken nach innen, des rechten
nach aussen waren aufgehoben, alle übrigen geschwächt. Geringe Ptosis. Die
übrigen Augenmuskeln waren normal. Das Gesicht war nach den Augen
betroflfen worden. Die M. zygomatici waren kraftlos, die Orbiculares waren
schwach. Gaumen, Schlund und Kehlkopf normal. Die Arme wurden schwach
und die Hüftbeuger ganz kraftlos. Keine sichtbare Atrophie, normale elek-
trische Reaktion, normales Kniephänomen.
Einen anderen Fall beobachteten Wink 1er und von derWeyde (280).
Ein Mädchen von 25 Jahren zeigte in seiner Jugend schon Schwerbeweglichkeit
der Gesichtsmuskeln. Vor 5 Jahren wurden der Schultergürtel und die Brust-
muskeln betroffen. Im Jahre 1887 begann die Ophthalmoplegia progressiva. Die
Beweglichkeit beider Augen \\ ar nach allen Richtungen hin beschränkt, hauptsäch-
lich rechts. Es bestanden [gekreuzte Doppelbilder, schräg übereinander, die Pu-
pillen waren ganz normal. Das Gesicht war vollständig ausdruckslos. Dicke aufge-
worfene „Tapirlippen". Ris de travers. Die Kranke konnte die Lider ganz
schliessen. Viele der Schulter-, Arm- und Rumpfmuskeln atrophisch. Herabsetzung
der elektrischen Erregbarkeit. Nur in einzelnen Muskeln Entartungsreaktion.
Während im ersten Falle die Augenstörungen vor der Erkrankung der übrigen
Muskulatur vorhanden waren, folgten im zweiten Falle die Augenstörungen
nach. Demnach dürfte man dieselben auf die gleiche Grundursache zurück-
führen. Im ersten Falle war die Ptosis sehr leicht, im zweiten fehlte sie.
Im vorigen Jahre beobachteten wir eine 79jährige Frau W. S., die wegen
Cataracta incipiens die Augenpoliklinik aufgesucht hatte. Die Anamnese, w*elche
von der dementen, alten Frau schwer zu erheben war, ergab, dass sie in der
Kindheit, ebenso wie ihre Mutter, an Krämpfen gelitten hatte. Beiderseits
waren oberflächliche Hornhauttrübungen , femer beiderseits beginnende
Cataract und links alte Synechien vorhanden.
Beiderseits bestand eine Ptosis, rechts etwas stärker als links, die durch
starke Innervation der beiden Frontales aufgehoben wurde (Ptose volontaire).
Sonst fanden sich keinerlei Lähmungen der Augenmuskeln. Siehe Figur 46.
Am 14. Tage ihres Krankenhausaufenthaltes stürzte sie nachts beim Ver-
suche aufzusteheB aus dem Bett und brach sich den linken Oberarm,
folgenden Tag trat der Exitus letaHs ein.
EHe Autopsie ergab massiges Oedem der l*ia; hocligradi^e Arteriosklerose
der Gefasse an der Basis eerebri; reichbche Flüssigkeit in den Seitenven-
trikeln; Ependymitis granulosa. In der Hirnsiibstanz fanden sich makroskopisch
keine Heerde. In der Retina links dicht nebeneinander Stecknadelkopf bis linsen-
grosse Hämorrhagien.
Im iibrigen fand sich eine hochgradige allgemeine Atheromatose. Hyper-
trophie des linken Ventrikels, Myocarditis chrjn.
Frische , fibrinöse Pericarditis.
Stauungsmilz, -Leber und -Nieren.
Der Stamm des Gehirns wurde
in Müllerscher Flüssigkeit gebartet.
Yora proximalen Ende des Oculomu-
turiuskerns bis zum Eintrittsgebiet des
Nervus tri*;eminus wurden lückenlose
Serienschnitte hergestellt.
In der Kernregion des Trigeminiis
fand sich eine ausserordentlich starke
Füllung der Kapillaren. Namenthch
in der Umgebung der Gefässe lagen io
dichten Mengen angehäuft amyloide
Korperchen. Die Ganglienzeilen, wie
die intramedullaren Wurzelbiindel er-
schienen normal.
Im Gebiete des TrochleariskernSj
der in einer Konkavität des hinteren
Längsbündela eingebettet und ganz
scharf als runder Kern abgegrenzt er-
schien, fanden sich vereinzelt frische,
kapilläre Hämorrhagien, Die (ianglien-
Zellen, die zum Theil reichlich pigmen-
tirt waren, erschienen in Form und
Inhalt nicht verändert Die Zellen des centralen Höhlengraus, welche leicht
von den Ganglien des Trochleariskernes abzugrenzen waren, zeigten durchaus
normales Verb alten.
Die Oculomotoriuskemregion wurde besonders genau durchforscht. Was
den Aufbau des Kernes betrift't, so entsprach derselbe am meisten dem von
Bernheim er angegebenen Schema. Zerstreut im ganzen Kern auf beiden
Seiten fanden sich reichliche, verschied engrosse kapilläre Hämorrbagien, jedocli
von verschiedenem Alter, Es waren da ganz frische Blutungen, bei denen
die rothen Blutkörperchen genau dasselbe Verhalten aufwiesen wie in den
Gefassen, Die Gestalt war kugelig und sciuirf begrenzt. Daneben befanden
sich ältere Hämorrhagien, was daran deutlich erkennbar war, dass die ein-
W, S, Isctlirtc üop|j€ls<'inj;o Ptof^is. Mikros*.
kopisdi : Starke kapillüre Hyperiimie tles
tk'uloiTnituriuskemgrbjpies und zahlreiehe »Ite
iitid frische kleine ßluttiugf a in dasselbe.
W6
Die jäolirte doppelseiHge Ptoais.
zelnen Elemente sich zösammengeballt hatten und eine duokelbräunJicb^j
Masse bildeten. An anderen Stellen Bpezieil im grosszelüg lateralen Ke^^|
der linken Seite fanden sich bräunliche Pigmentschollen, die auf das Vnr^"
handensein älterer Blutungen hinwiesen. Daneben war auf vielen Schnitten
eine ganz beträchtliche Anzahl von Amyloidkörperchen zu konstatiren. i
Die Ganglienzellen waren überall normal, tiowobl von Foriii. wie in der
Zald. Das Fasernetz erschien nicht verändert, ebensowenig die Wurzel-
bündel. An manchen Schnitten
fanden sich in der Xähe der
austretenden Wurzeln Hämor-
rhagien, jedoch waren dieselben
meistens so frischer Natur, dass
die schon länger bestehende
Ptosis jedenfalls nicht auf diese
Läsionen bezogen werden konnte.
An einzelnen Schnitten
konnten miliare Aneurysmen
konstatirt werden, wie das
auch von HeiTn Dr. Eugen
Fraenkel bestätigt wurde.
der die Oüte hatte, die Prä-
parate mit durchzusehen. Jeden-
falls war hierin die Ursache
der Entstellung der Blutungen
gegeben: zumal entzündliche
Veränderungen an der (iefass-
wand nicht nachweisbar waren.
Da im vorliegenden Falle
die Levatorrauskeln und die
üculomotorii nicht untersucht
worden waren, so ist die An-
nahme, dass die im Leben be-
obachtete doppelseitige Ptosis
auf früher stattgehabte Blut-
ungen im ükulomotoriuskern zurückzuführen sei, selbstverständlich nicht ein-
wurfsfrei. Immerhin hielten wir den anatomischen Befund, der uns überraschte^
für bemerkenswerth genug, um ihn eingehender mitzutheilen; zumal da er
auf ein ätiologisches Moment der isolirten doppelseitigen Ptosis aufmerksam
macht, dessen bisher in der Litteratur nicht Erwähnung gctban worden ist.
Ob die Beobachtung Figur 47 ebenfalls hierher gehört, oder unter den
in § 44 pag. 76 geschilderten Zustand, müssen wir zur Zeit dahingestellt sein
lassen. Es handelt sich hier um eine 60jährige, bis dahin völlig gesund ge-
wesene Frau, bei welcher seit einiger Zeit, aber unmerklich die Oberlider
melir und melu^ herabgesunken w^aren. Dabei standen beide Frontales in
A, B.
Fig. 47.
Diippclseitlge i&oUrte Ptosis bei vöUig nonufllem
Gesund hei tMZUEtiind. 60 jährige Fnuu
Die Ptosis bei den Naklenrlähmungen. 109
" äusserster Kontraktionsstellung. Hereditäre Momente lagen niclit vor, das übrige
Nen^ensystem war völlig gesund.
Jedenfalls müssen zur Ergründung der in Rede stehenden Erkrankung
noch viel umfassendere Untersuebungen für die Zukunft angestellt werden.
d) Die Ptosis bei den Xuelearlähmungeii infolge eUroniseher Krankheits-
zu stände.
I § 52. Unter Nuklearläbmang verstehen wir einen Funktionsausfall der
inneren und äusseren Augenmuskeinj welcher durch Erkrankung der am Boden
des Aquaeductus Sylvii und des III. Ventrikels gelegenen Nervenkerne bedingt
worden ist Je nachdem nur die inneren Augenmuskeln (Iris- und Ciliar-
muskel), oder nur die äussere Bulbusmuskulatnr (die verst^biedenen Recti und
Obliqiii) gelähmt sind, sprechen wir von einer Oplitlialmoplegia interior resp.
exterior. Sind innere und äussere Augetunuskeln inklusive Levator gelahmt,
dann besteht eine Ophtha Imoplegia totalis. Als eine Üphthalmoplegia
ext. completa bezeichnen wir eine Lähmung der äusseren Bulbusmuskulatur
inkl. Levator palp. sup. Unter inkompleter Ophthalmoplegia exterior
verstehen wir entweder die Lähmung einzelner resp. aller von dem gleichen
Nerven versorgten Augenmuskeln an einem resp. beiden Augen, oder die
Lähmung einzehaer von verschiedenen Nerven versorgter Muskeln an dem
gleichen Auge.
Obwohl diese verschiedene Lokalisation meist auf elektiven Ein-
wirkungen beruht und keine topographisch bedingte Anordnung erkennen
lässt, kann andererseits die Art der Vertheilung der Kernaflektion in einer
anatomischen Anlage der Gefässversorgung begründet sein. Denn aus den
Arbeiten von Heubner (281), Duret (282) undAlezais et d\4rtros (283)
gebt hervor, dass die die Stammganglien ernährenden Arterien Endarterien
sind, und dass die Kerne der drei Augenmuiäkelnerven {Üculomotorius, Troch-
learis und Abducens) von verschiedenen Gefässgebieten aus mit Bhit ver-
sorgt werden. Wir wissen ferner, dass der Oculomotoriuskern seihst wiederum
von zwei getrennten Gefässgebieten ernälirt wird, indem der vordere Theil
von der Arteria cerebri posterior, der hintere von der Arteria basilaris sein
Blut erhält, fKnies (284)], sodass sehr wohl z, B. ein Erkrankungsheerd iui
vorderen Absclmitt des Oculomotoriuskerns, ein anderer im Trochleariskern^
lind ein dritter im Abducenskern Zerstörungen angerichtet haben kann, ohne
dass der dazwischen liegende hintere Theil des Oculomotoriuskerns aftizirt zu sein
braucht. Eiir dieThatsache, dass dabei die vom Üculomotorius versorgten Muskeln
ganz besonders häutig in ihrer Eunktion beeinträchtigt erscheinen, macht
Shimamura (285) folgende Gründe geltend. Erwägt man, dass der Oculo-
motoriuskern ungetahr an derjenigen IS teile des Gehirns liegt, wo die von der
Carotis einerseits und der Vertrehralis andererseits kommenden Blutwellen auf
einander stossen, bedenkt man ferner, dass alle die Gelasse, welche sich schliess-
lich im Oculomotoriuskern in Endäste auflösen, in fast senkrechtem Verlauf
von der Basis nach der dorsalen Seite aufsteigen, und berücksichtigt man drittens,
110
Die Ptosis bei den Nuklearläbmuogen infolge chronischer Krankheiteo.
dass diese Gefässe wie die Injektionsversuche ergeben liaben, E^darterien sind,
dass also der Oculomotoriuskern nur von diesen Aesten und von keinen anderen
sonst sein Blut erhält, so können diese drei ungünstigen Umstände wohl eine
genügende Erklärung dafür geben, warum der Oculomotoriuskern so häufig
der Sitz von Erkrankungsprozessen ist, und warum eine Reihe von Erkrank-
ungen des Centralnervensysteras ihre ersten Zeichen in das Gebiet der vom
Oculomotorius versorgten Theile verlegen. Es dürfte bei jeder Störung der
Cirkulation, besonders bei jeder Herabsetzung des Blutdrucks hier am aller-
ersten eine Blutleere eintreten, welche zuerst zu vorübergehenden, und bei
häufiger Wiederholung auch zu andauernden Störungen Veranlassung geben
könnte.
Da im Verlaufe dieses Kapitels nicht allein das topographische Verhältniss
der Augenmuskelner\'^enkerne zu einander, sondern auch die jeweilige Lage
der medullären Kerne zu den ersteren und zu einander in Betracht zu ziehen
ist, so verNveisen wir hier auf die Fig. 48. welche den Vorlesungen über den
Bau der nervösen Centralorgane von Edinger V. Auflage pag. 373 entlehnt ist.
Eine Reihe namhafter Forscher glaubte festgestellt zu haben, dass die
interioren Augenmuskeln von dem vordersten Theile der Oculomotorius-
kerngruppe innervirt würden; so Kahler und Pick (241), Darksche-
witsch (316), Hensen und Völkers (317). Auf Grund eines Falles
von nuklearer Ophthalmoplegie gelangte Westphal (318) zu einer noch ge-
naueren Lokalisation, indem er die später als Edinger-Westphal be-
zeichnete Kerngruppe, als Centrum für den Sphiiicter pupillae und den Äccom-
modationsnuiskel bezeichnete. Wiewohl diese Annahme durch die Befunde
von Boedeker (319), Kostenitsch (320) und Pacetti (321) gestützt zu
werden schien, haben Oppenheim (322), Siemerling (324), Böttiger (323)
und neuerdings C a s si r e r und Schi ff (325) nachgewiesen, dass eine Lähmung
der Irisumskulatur trotz Intaktheit der Edinger-Westpharschen Kerne
Die Ptosis bei den NoklearlähmuDgen infolge chronischer Krankheiten. 111
vorkäme. Die letztgenannten Forscher kommen auf Grund ihrer Untersuch-
ungen zu dem Ergebniss, dass die Darkschewitsch'schen, die vorderen
kleinzelligen Mediankeme und die Edinger-WestphaTsche Gruppe keine
Ursprungskeme für Oculomotoriusfasern seien. Es blieben also als wirkliche
Oculomotoriuscentren nur die grosszelligen Lateralkerne und der grosszellige
Mediankem übrig. Zur Zeit sei eine Lokalisation der einzelnen Augenmuskeln
noch unmöglich. Die Fasern für den Levator palp. sup. scheinen in den lateralen
Wurzelbündeln zu verlaufen. Diese Ansichten werden zum grossen Theil in
einer in allemeuster Zeit erschienenen Arbeit von Siemerling und Boe-
deker (362) bestätigt. Auch diese Forscher halten es nicht für möglich, be-
stimmte Abschnitte oder Zellgruppen abzugrenzen, welche man als sog. Centren
einzelner Augenmuskeln verantwortlich machen könnte. In Beziehung auf den
Edinger-Westpharschen Kern diflferirt ihre Ansicht von der Cassirer's
und Schiffes, indem nach ihrer Meinung diese Gruppe in gewissem, aller-
dings bis jetzt noch unklarem Zusammenhang mit dem Oculomotorius zu
stehen scheine.
Angesichts dieser neuesten Erfahrungen haben die von verschiedenen
Forschem aufgestellten Tabellen für die Lokalisation der Augenmuskelcentren
nur sehr bedingten Werth. Im folgenden geben wir einen Ueberblick über
die bekanntesten derselben:
Hensen und Völkers (317)
cerebralwärts
Musculus ciliaris
Sphiucter iridis
Bcctus internus
Bectus superior
Levator palp. sup.
Bectus inferior
Obliquus inferior
Obliquus super.
Musculus ciliaris
Sphincter iridis
Bectus internus
Bectus superior
Levator palp. sup.
Bectus inferior
Obliquus inferior
Obliquus super.
Medianlinie
spinalwärts
Muscul. ciliaris
Sphincter iridis
Levator palp. Bectus internus
Bectus super.
Obliq. inf. Bectus inf.
Kahler und Pick (326)
cerebralwärts
Muscul. ciliaris
Sphincter iridis
Obliq. super.
Medianlinie
spinalwärts.
Bectus intern. Levator palp.
Bectus sup.
Bectus infer. Obliq. inf.
Obliq. su])er.
112 Die Ptosis bei den Nuklearifthmangen infolge chronischer Krankheiten.
Allen Starr (327)
oerebralwärtfl
Öphinct. iridis Muse, ciliaris
Levat. palp. sup. Rectus iut^rnas
llcKJt. sup. Eectas iiifer.
Obliq. inf.
Obliq sup.
Medianlinie
»pinalwärts.
Muse, ciliaris; Sphinct. iridis
Rectus internus, Leyat. palp. sup.
Reetus inf er., Rectus snp.
Obliq. inf.
Obliq. sup.
Stuelp (328)
Akkommodation
Levator palp. Sphinct. irid,
Rect. sup. Rect. int.
Obliq. inf. Rect. inf.
Obliq. sup.
Akkommodation .
Sphinct. irid. Levator palp.
Rect. int. Rect. snp.
Rect. inf. Obliq. inf.
Obliq sup.
Bernheimer (329)
Edinger-Westphal | Edinger-Westphal
Centralkern
Laterale | Laterale
Hauptgruppe | Hauptgruppe
Knies (284)
Darkttche witsch er Kern Sphinct. pupillae.
Vord. kleinzelliger Mediankcru Levat. palp. sup.
Edinger-Westpharscher Kern . Akkommodation.
Vord. dorsal, grosszcll. Kern Obliq. inf.
Vord. ventral, grosszell. Kern Rectus sup.
Hiut. dorsal, grosszell. Kern Rectus inf.
Hint. dorsal, grosszellig. und Mcdiankem . . . Rectus intern.
Was nun das Centrum desjenigen Muskels betrifft, der uns am meisten
hier interessirt, nämlich des Levator palp. sup., so zeigt sich auch in dieser
Frage unter den Autoren noch wenig Uebereinstimmung.
Kahler und Pick (326) gelangten auf Grund der mikroskopischen
Untersuchung zweier Fälle zu der Annahme, dass die Heber des Oberlids von
den hinteren lateralen Wurzelbündeln innervirt werden.
Leube (330) eruirte als Ursache einer Ptosis eine Blutung im proxi-
malen Ende eines Oculomotoriuskemes, welche die daselbst gelegenen Ganglien
zerstört hatte.
Dieselbe Annahme ist aus den vorstehenden Tabellen von Allen Starr,
Stuelp und Knies ersichtlich.
Die Ptosie bei den Nuklearlfibmungen infolge clironiBcher Krkrankungen. IIS
Oppenheim (331) konstatirte in einem Falle von rechtsseitiger Ptosis
mit doppelseitiger Mydriasis Zerstönmg desEdinger-WestpharschenKems*
Siemerling verlegte (324) das Levatorcentmm an das distale Ende
des Oculomotoriuskernes.
Wührend Gas sirer und Schiff die proximalen Fasern der lateralsten
Wurzetbiindel mit dem Levator palp. sup. in Zusammenhang bringen, thut
dies Jacob in Bezug auf die distalen Fasern.
Rossolimo (361) nimmt auf Grund einer anatorai.suhen Untersucliung
eines Falles die Lokal isation der einzelnen Muskeln im Kern entsprechend
der Kahler-Pickschen Tabelle an „nur mit dem Unterschiede, dass der
Kern des Levator palpebrae et%vas nach innen vom Kerne des Rectus sup.
liegen muss, wenn auch unmittelbar neben demselben", „Das Gleiche gelte
von den Wurzelfasern. Die lateralen Bündel sind für die Mm. rectus sup.
und obliq. infen bestimmt, die medialen für den Rectus intern., Rectus inf.
und Levator palpebrae/*
Leyden und Golds ch eider (243) sprechen sich dahin aus, dass wir
bis jetzt weder über die Lage der Kerne der inneren, noch der äusseren
Augenmuskeln sichere Kenntnis« hätten. Als festgestellt sei nur zu be-
trachten, dasa die Wurzeln des Oculomotorius, wenigstens die hinteren, zum
Theil aus dem ventralen Gebiete derselben und zum Theil aus dem dorsalen
Gebiete der entgegengesetzten Seite entspringen, und dass die zum Levator
palpek söp. gehenden Wurzelfaaem in den lateralen Bündeln enthalten seien,
von Monakow (242) sagt, dass für die Repräsentation der Heber
des Auges, die wahrscheinlich dicht nebeneinander liegen, unter Berück-
sichtigung einiger pathologischer Fälle der liintere ventrale Kern in Er-
wägung zu ziehen sei. Auch er bebt besonders hervor, dass die Frage der
Art und Reibenfolge der Repräsentation der Muskeln im OciUomotoriuskeme
noch einer gründlichen Revision und Erweiterung bedürfe.
Auf Grund unserer Untersuchungen müssen wir uns der Ansicht
KöUiker's (234) anschliessen, dass von einer wirklich scharfen Abgrenzung
von besonderen Kernen kaum die Rede sein kann. Nur der grosszellige
laterale Kern zeigte eine ziemlich deutliche Begrenzung. Demnach kann man
die Edinger-WestphaTschen Kerne als gesonderte Gruppe trennen,
allerdings, wie wir gestehen müssen, nur wenn man weiss, wie jene Autoren
die Lage und Form dieser Kerngruppe beschrieben haben. Die von Kölliker
hervorgehobene Thatsache, dass sich zwischen den Fasern des hinteren Längs-
bündeb und an der ventralen Seite desselben grössere und kleinere Zeilhauten
befinden, können w^ir bestätigen. Endlich w^ar an unseren I*räparaten der
unpaarige grosszellige Mediankern recht deutlich abzugrenzen.
Am meisten Uebereinstimraung zeigen demnach unsere Befunde mit der
von Bernheimer (329) unlängst gegebenen Schilderung der anatomischen
Gliedeiiing des Oculomotoriuskerns. Bernheimer gelangte auf Grundzahl-
reicher Untersuchungen zu dem Schlüsse, dass eine Theilung in einen vorderen
WUbrtad-Sftoiiger« Koaroloi^e des Auges. 8
K 22.
114 Die Ptosis bei den Nuklearlähmungen infolge chronischer Erkrankungen.
und hinteren, ventralen und dorsalen Kern unberechtigt sei. Das Oculomo-
toriuscentrum bestehe jederseits nur aus einer unzertrennlichen lateralen
Hauptgruppe, zu welcher auf jeder Seite ein Edinger-Westphal'scher
Kern als Nebenkern und der unpaarige, beiden Oculomotoriuscentren ange-
hörige Centralkem trete.
Wenn nun Gas sirer und Schiff (235) zu dem Schluss kommen, dass
der Edinger-Westphal'sche Kern nichts mit dem Oculomotorius zu
thun habe, so können wir dem nicht beistimmen.
Sehen wir doch im Fall Eggers (p. 89), wie die eine Seite dieser Kem-
gruppe von derselben Aplasie befallen war, wie die entgegengesetzte der
lateralen Hauptgruppe. Auch Siemerling und Boedeker (362) haben,
wie wir früher en;v'ähnten, in ihrer neuesten Arbeit darauf besonders hinge-
wiesen, dass diese Kemgruppe jedenfalls in Verbindung mit dem Oculomo-
torius gebracht werden müsse.
Wenn nun auch, wie alle neueren Autoren übereinstimmend angeben,
die Beziehungen der einzelnen Kerne zur Innervirung der einzelnen Muskeln
noch sehr strittig sind, so dürfte unser Befund im Fall Eggers nahe legen,
einerseits, dass die zum Levator palp. sup. gehenden Fasern theils aus dem
grosszellig lateralen, theils aus dem Edinger-WestphaTschen Kern
hervorgehen, andererseits dass, wie von v. Gudden und Perlia (239) be-
hauptet wurde, die Oculomotoriuswurzeln zum Theil gekreuzt, zum Theil
ungekreuzt entspringen. Auch Siemerling und Boedeker haben in der
letztgenannten Arbeit in jedem ihrer Fälle doppelseitige Kemerkrankung ge-
funden, auch da, wo sich die Lähmung der äusseren Muskeln auf eine Seite
beschränkt hatte.
Dass speziell für den Levator palpebr. sup. noch komplizirtere Ver-
hältnisse vorliegen dürften, darauf haben wir bei Besprechung des Falles
Eggers (p. 89) hingewiesen. Zugleich muss noch der Umstand in Betracht
gezogen werden, dass die für den Levator palpebr. bestimmten cerebralen
Bahnen einen anderen Weg von dem Cortex nehmen, wie die der anderen Augen-
muskeln, da die bei cortikalen Erkrankungen beobachtete Ptosis dem Levator
ein ganz besonderes Centrum in der Hirnrinde anweist. (Siehe Kapitel: die
cortikale Ptosis.)
Die Beziehungen der Kemlähmung des Muse, levator palpebr. sup.
zum Augenfacialis (M. orbicuL palpebr. und frontalis).
§53. Von besonderem Interesse sind diejenigen Fälle von Kemerkrankungen,
bei welchen Beziehungen des oberen Facialis zum Oculomotorius hervorzu-
treten scheinen.
Experimentell beschäftigte sich Mendel (332) näher mit dieser Frage^
indem er bei Thieren den Orbicularis oculi und den M. frontalis exstirpirte.
Die Beziehung der Levatorlfthmung zu der des Augenfacialis. • 115
Während er den Facialiskem intakt fand, konstatirte er auf der operirten
Seite eine Veränderung der hintersten Partie des Oculomotoriuskemes. Es
erschienen die Zellen, sowohl an Zahl, wie an Grösse geschädigt.
Diese Mendel'schen Resultate schienen durch die anatomischen Studien
Spitz ka's (333) eine Stütze zu finden.
Auch Ferrier (339) betonte in einem Vortrag den innigen Zusammen-
hang zwischen den Kernen des oberen Facialis und des Oculomotorius.
Goldscheider und Leyden (243) sehen in der funktionellen Synergie
zwischen dem Orbicularis palp. und dem Rectus sup. (vergl. §32 pg. 53) ein
„bisher noch nicht beobachtetes Moment, welches für die anatomischen Be-
ziehungen zwischen Augenfacialis und Oculomotorius ins Feld geführt werden
könnte.^
Ober Steiner (342) hebt als ein die Mendel'schen Experimente stützendes
Argument hervor, dass nach Zerstörung einer Oculomotoriuswurzel dennoch
das hinterste Gebiet des Oculomotoriuskems gesund befunden wurde.
Wichtiger als die experimentellen Ergebnisse und theoretischen Ver-
mnthungen sind jedenfalls die klinischen Beobachtungen. So sind gewiss
diejenigen Fälle sehr bemerkenswerth, bei welchen neben einer Ophthalmoplegie
auch der Orbicularis mit afficiert erschien.
Hughlings-Jackson (334) beschrieb 3 Fälle von Ophthalmoplegia
externa mit Betheiligung des Orbicularis oculi.
Turner (336) beobachtete einen Fall von nuklearer Ophthalmoplegie
mit Parese des Augenfacialis.
Einen analogen Fall theilte Meyer (338) mit.
Woods (346) sah bei Ophthalmoplegia ext. mit Ptosis eine Schwäche
beider Orbiculares oculi.
Smith (337) konstatirte bei einem Falle von totaler Ophthalmoplegie
eine Betheiligung des Frontalis und Orbicularis oculi.
Fuchs (347) beobachtete bei einem Falle von doppelseitiger Ptosis bei
einer Frau eine Schwäche in den Frontalmuskeln.
Hanke 's (335) Mittheilung ist ebenfalls recht bemerkenswerth. Bei
einem Falle von angeborener oder in frühester Kindheit entstandener, beider-
seitiger Ophthalmoplegia ext. trat schliesslich noch eine Ptosis hinzu. Zugleich
entwickelte sich eine Lähmung des Stimfacialis.
Birdsall (297) konstatirte neben Lähmung der äusseren Augenmuskeln
eine Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit des Augenfacialis.
Gegenüber diesen Fällen erwähnen Bernhardt, Sauvineau und
Siemerling ausdrücklich das Intaktsein des oberen Facialis bei nuklearer
Ophthalmoplegie. In den ausgezeichnet untersuchten Fällen von Cassirer
und Schiff (325) war trotz völliger Degeneration der Oculomotoriuskeme (auch
im hinteren Abschnitt) die Funktion des oberen Facialis nicht beeinträchtigt.
In der allemeusten Arbeit von Siemerling und Boedeker (362) erwähnen
8*
IKb Bcsiebatig der Levatarlähmung zu der des ÄagenfaciaÜs.
gvnK kompetenten Autoren ausdriicklich : ^IriJjend welche Anhalts-
i^ itm Ursprung des Augenfacilis im üculumotoriüskem anzunehmen,
i mtk nach unseren vorliegenden Resultaten nicht ergeben."^'
Andererseits ist hervorzuheben, dass bei der progressiven, amyotro-
Bttibärparalyse in der Regel die Muskeln der Stirn und der Augen-
täer intakt bleiben, ebenso wie die Äugenmuskehu während der mittlere und
SBlere Facialis erkrankt ist. (ranz auffallend ist der Kontrast zwischen der
ScUaifilieit der unteren lieöichtshällte und der Beweglichkeit der Lid- \mi
StimmnskuJatur.
Jedoch sind von W a c h s m u t h , E i s e n 1 o h r und Bernhardt Bulbiir-
paralysen beschrieben worden mit Betheiligung der oberen Partie des Cfesichts,
Aach Remak (344) beschrieb einen Fall von Bulbärparalyse mit beider-
seits leichter Ptosis und Parese des oberen Facialis. Ein ganz analoger Fall
wurde von Brissaud und Marie (345) beobachtet.
Wenn auch für die vorliegende Frage nicht entscheidend, so sei doch
darauf hingewiesen, dass bei der asthenischen Bulbarparalyse neben der
Betheiligung des oberen Facialis auch eine Opbthahnoplegia ext. mit Ptosis
beobachtet worden ist, so von W e s t p h a 1 , Hoppe, E i s e n 1 o h r , Oppen-
heim, Wilks, Show, Wachsmuth, Karplus, Bernhardt, Adler,
ßemak, Strümpell und von uns in einem Falle.
Der Vollständigkeit halber sei noch des Falles von Koshewnikow (340)
gedacht, welcher bei einer Poliomyelitis eine Poliencephalitis, bestehend in
einer doppelseitigen Lähmung des Levator palpebr. sup. und Parese des M.
orbicul. palpebr. und corrugator supercilii links beobachtete, Koshewnikow
betrzichtete diesen Fall als Stütze für die Mendel' sehe Ansicht, ebenso wie Tooth
und Turner (341) ihre Beobachtung von unterer Bulbarparalyse mit spinaler
Muskelatrophie. Es bestand hier eine Lähmung der unteren Facialisgebiete,
und es fand sich totale Atrophie des Facialiskems, Dagegen enthielt die aus-
tretende Wurzel des Facialis wieder eine Menge gesunder Fasern. Nach der
Meinung der Verfasser kommen dieselben auf der Bahn des hinteren Längs-
bündels von dem unteren Abschnitte des Oculomotoriuskems und innen iren
das obere Gebiet des Facialis.
ttegen diese Ansicht muss geltend gemaclit werden, dass es Bregmann
(343) nicht gelang, nach Durcbschneidung des Facialis deL'enerirte Fasern nn
hinteren Längs bündel aufzufinden.
Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass die FraRa-**«yr Kernlokiili-
sation des oberen Facialis durchaus noch p' ?ht gelöst ist.y=' ^ unserer
Beobachtungen und Erfahrungen schliesS' ir uns der Af bj^fitgirff*
und Schiff, Siemerling und Br p an, dass iV
mit den vom oberen Facialis vers iskeln nichf
verweisen wir als Beispiel auf Fi ^die kompe
iraktur bei der Levaiorparese dei
Ebenso wie Ca s sirer und
fertigt, aus dem gleichzeitigen Bei
Die Ptosis bei der chroniaclien, progressiven, uljer isolirt bleibenden Ophthfllmoplegie.
liehe Nähe ihrer Kerne zu schliessen bei ex<|nisit elektiveii Prozessen, welche
in ihrer Aiisbreitiuig durchaus nicht ein topographisches Fortschreiten erkennen
lassen.
a) Die Ptosis bei der ehninisehcii, pnjprressiven* nber isolirt bleilieitden
<)|i]itlia]iiioiile^iifc exterior.
S54. Meist im frühesten Kiiulesiilter «Mler in der Jiijj;entl, Keltener in späteren
Jahren, entwickelt t^ich hei dieser Kninkljeit langsam und ohne andere
Begleiterscheinungen von Seiten des Nervensystems, sowie
ohne Fieber eine doppelseitige fortschreitende Lsihmung der äusseren Augen-
muskeln mit Einschluss des Levators, welche auf jeder Stufe ihrer Entwicke-
ttmg dauernd oder für längere Perioden Halt machen kann, die aber meist
in einer vollkommenen oder nahezu totalen (J{>hthalmoplegia exterior ihren
Abschluss findet. Zur leicliteren (Jrientining über den Symptomenkomplex
bei dieser Krankheit verweisen wir auf die nachstehende Tabelle, in welcher
wir alle bis jetzt bekannt gewordenen, einschlägigen Fälle aufgeführt haben.
Am liaurtgsten werden beide Seiten zugleich, seltener eine nach der
anderen, von den Angennuiskelläbmungen befalleD, ohne dass die Lähmungs-
ersclieinungen auf beiden Augen in symmetrischer Weise sich zu äussern
brauchen. Ueber Doppeltselien wird bei dieser Krankheit nur selten geklagt,
vorzüglich desshalt), weil die Lähmung langsam und häufig symmetrisch auf
beiden Augen zur Entwickeking kommt, und weil sie häuHg in der frühen
Kindheit auftritt, noch bevor der volle binokulare Sehakt zur Ent Wickelung
gelangt ist. Häutig wurde dal>ei spontan überhaupt über Diplopie keine Klage
geführt, wiewohl bei einer Anzahl von Fällen dennoch künstlicli das Doppelt-
seben nachgewiesen werden konnte. Ist die Lähmung ausgebildet, so bleibt
sie bestehen, so lange der Kranke lebt Die Intensität der Lähmungen ist
aber mannigfachen Schwankungen unterworfen. Fast allen Füllen gemeinsam
ist das Freibleiben des Sphincter iridis und des Ciliarmuskels (Pupille und
Accommodation), sowie der Umstand^ dass die Krankheit aut den Zustand des
Selivermögens (Sehschärfe und Augenspiegelbefund) nicht den geringsten Ein-
fluss ausübt. Daneben erfreuen sich diese Patienten sonst des besten Wobl-
betindens, und es fehlen, was ganz besonders hervorgehoben zu werden ver-
dient, sonstige auf eine Erkrankung des übrigen Nervensystems hinweisende
Erscheinungen. Nur vereinzelt begegnen wir Klagen über Kopfschmerzen und
einer auffallenden Schläfrigkeit.
Wiewohl es feststeht, dass diese in Rede stehende Gruppe von Nuklear-
lätmtmgen voniehmlich im Kindesalter auftritt, so ist doch die von Möbius
(287) derselben beigelegte Bezeichnung j,infantiler Kernschwund'^ keine glück-
lich gewählte, da wir die klinisch analogen, aber zwischen dem 15, und 60,
Lebensjahre aufgetretenen Fälle ebenfalls hierher zu zählen genöthigt sind.
j
118 Die Ptosis bei der clironischeD, progressiven, aber isolirt bleibenden Oplitbalmoptegie.
Unter 32 Fällen der nebenstelienden Tabelle III p. 125 war die Krank-
heit in frühester Kindheit bei 6 Fällen aufgetreten:
im Alter von 2 — 6 Jahren bei 7 Fällen
7-20 „ „ 5 ,,
21-30 „ „ 6 ,,
30—53 „ ,, 3 „
nicht ungegehen war das Alter in 5 Fällen.
Die Entwickelung der Krankheit zeigt, wie in dem Falle Rum sehe witsch,
No. 10 der Tabelle, anfänglich bisweilen einen mehr subaeuten Charakter,
um dann ins chronisch pro-
gressive Stadium überzugehen.
Meist ist die Krankheit aber
vom Beginn ihrer Entwickelung
chronisch und kann iint^r inter-
mittirenden Stillständen sich,
wie in dem Falle Beaumont
(Xü. 4 der Tabelle), über einen
Zeitraum von 30 bis 40 Jahren
bis zu ihrer vollen Entwickelung
erstrecken. Wieder hei anderen
treten auch, wie in dem Falle
Birdsall(No. 20 der Tabelle),
im Beginne des Leidens die
Lähmungen einzelner Muskeln
intermittirend auf, um nach
einigen Wochen stabil zu werden*
Selbstverständlich kann man
einem solchen Falle von inkom-
pleter Ophthal moplegia exterior
resp. isolirter Ptosis nicht an-
sehen, ob derselbe auf dem
gegenwärtigen Punkte des Lei-
dens dauernd verharren odeT
gelegentlich zur totalen Ophthalmoplegia exterior sich erweitern wird. Nicht
selten beginnt das Leiden mit ein- oder doppelseitiger Ptosis, wie in den Fällen
von Mauthner (No. 25 der Tabelle), Nothnagel (No. 12 d. T.), Marina
(No. 6 d. T.), Lawford (No, 23 d. T,), Birdsall (No. 20 d. T.), xMitten-
dorf (No. 21 d. T.) und Zalegowski {No. 26 d. T.). Dujardin (308)
beobachtete ein isolirtes do[»pelseitiges Auftreten der Ptosis bei einem sonst
gesunden jungen Menschen. Auch wir sind in der Lage, folgende interessante
Beobachtung mit Abbildung (Figur 49) hier vorzuführen. Der 61 jährige
Dienstmann G. O. will bis zu seinem 4. Lebensjahre völlig gesund gewesen
sein. In diesem Jahre entwickelte sich ganz spontan und ohne andere Be-
gleiterscheinungen eine doppelseitige, fast komplete Ptosis, die bis auf den
G. O. ÖljfiJirippr Manu. Stit »einem 4. Ive^Mnhjahre
doppelB«it]ge Ptotda, Soßst alle Verhält oisse QormAt.
Die Ptosis bei der clirönmchen. progressiven, aber isolirt bleibendeD Oiihthalmoplegie. 119
heutigen Tag völlig stationär geblieben ist. In der Schule will Patient viel
an Kopfschmerzen gelitten und einige Jahre nach dem Auftreten der Ptosia
die gewtjlmlichen Kinderkrankheiten durchgemacht haben. Die genaueste
UnterÄuchiing des uhrigen Nervensystems liess nicht die geringste krankhafte
Erscheinung konstatieren. Die Pupillen sind gleich weit, und beide von nor-
lualer Reaktion. Die Sehschärfe und der Äugenspiegelbefund ist beiderseits
normal. Auf dem rechten Auge besteht komplete Ptosis, das linke Überlid
bedeckt beim Blick geradeaus **/3 der Pupille, Der Kopf des Patienten ist
überstreckt, beide Mm. frontales leicht kontrahirt* Sehr ausgeprägt ist
der auffällige Schwund des orbitalen Fettgewebes. Von Seiten der Bulbus-
muskehl keine Störungen. Die Bewegungen des Bulbus nach oben gehen nur
dann gut von statten, wenn Patient dazu angespornt wird. Eine Lähmung
der Bulbusheber besteht jedocli nicht, und steht offenbar die anschfiiiende
Schwäche der Butbusmusknlatur bei Hebung der Blickebene mit dt*m Mangel
an Uebung in Verbindung.
In Dufour's Beobachtung (No. 29 der Tabelle) entstand bei einem
51 jährigen Manne vor 2ö Jahren vorübergehende Ptosis, vor 18 Jahren
linksseitige Ptosis, welche ebenfalls wieder verschwand. Später wurden
die äusseren Bulbusmuskeln und die Iris mit ergriffen. Bei anderen
Fällen wieder, w^ie z. B. im Falle Kunn (So. 14 d. T,)^ trat die Ptosis mit
den Lähmungserscheinungen der Augenmuskulatur zu gleicher Zeit auf.
Wieder bei anderen, wie im Falle Mob ins (No. 17 d. T,), zeigten sich
zuerst die LähmungserscheLnungen der äusseren Bulbugmuskulatur, dann
linksseitige und später rechtsseitige Ptosis. In Hanke 's Falle (No. 7 d. T.)
entwickelte sich die Levatorlähmung erst 26 Jahre na^h Auftreten der Läh-
mung der Bulbusmuskulatur. Bei Lagrange's Beobachtung (No. 3 d. T.)
lag sogar ein Zeitraum von 37 Jahren dazwischen- Die Ptosis fehlt über-
haupt^ soweit die Erfahrungen reichen, bei dieser Gruppe von Nuklear-
lähmungen nie. Unter den 32 Fällen der Tabelle w^urde sie nur in der Be-
obachtung C hall in 's (Xo. 16 d. T.) vermisst, wobei aber immer noch die
Möglichkeit ihrer Entwickelung im weiteren Verlaufe des Lebens zu erwarten
stand. Die Ptosis kommt mit der Zeit immer doppelseitig bei dieser
Krankheit zur Entwickelung, w^obei jedoch ein gleicher Intensitätsgrad der
Lähmung auf beiden Augen nicht immer hervorzutreten braucht, wie z. B.
im Falle Cheney (No. 7 d. T.) und auf unserer Abbildung Figur 49. Dabei
besteht aber kein direktes Verhältnis zwischen ihrem Intensitätsgrade und
dem der Lähmung der äusseren Bulbusmuskulatur, Nicht selten finden wir
einen mittleren Grad von Ptosis bei vollständiger Bewegungslosigkeit der
Bulbi verzeichnet. Der Behauptung von Graefe's aber, dass bei diesen
Fällen die Ptosis stets nur eine massige sei, kann jedoch nicht zugestimmt
werden, wiewohl dieselbe bei den Nuklearlähmungen im allgemeinen in der
That sehr häutig schwach ausgeprägt erscheint. Denn in den Fällen von
Kecken (No, 9 d. T.), Strürapell (No, 18 d, T,) und Birdsall (No, 20
d. T.), und in dem von uns abgebildeten, war die Ptosis eine sehr starke.
120 Die Ptosis bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie.
Bei Rumschewitsch's (No. 10 d. T.) und Marina's (No. 6 d. T.) Falle
trat dieselbe rechts stärker als links auf.
Sehr bemerkenswerth ist die Erscheinung, dass bisweilen der Grad der
Ptosis zu verschiedenen Zeiten ein verschiedener sein kann ; namentlich nach
Anstrengungen und Gemüthsbewegungen stellt sich die Ptosis intensiver ein.
So berichtet Kunn (300) über einen 25jährigen Juristen mit Ophthalmopl^ia
exterior und sonst fehlenden Erscheinungen von Seiten des Nenrensystems,
mit Ptosis und auffälligem Wechsel in der Intensität der Erscheinungen, bei
welchen die Lidspalte des Morgens, wenn Patient ausgeruht war, viel weiter
offen stand als am Abend. Während einer längeren Beobachtungsdaner war
vor allem auffallend, dass die Erscheinungen von Seiten der Augen alltäglich
schwankten, bald war die Ptosis stärker, bald die Lähmung der äusseren
Bulbusmuskeln. Noch interessanter ist in dieser Hinsicht die Beobachtung von
W. M. Beaumont (288). Eine 41jährige Wärterin erinnerte sich, schon als
kleines Kind habe sie nicht, ohne den Kopf zu bewegen, in die Höhe sehen können.
Als sie 10 Jahre alt war, wurde die linksseitige Ptosis bemerkt. Diese
dauerte 7 Jahre an und war im Frühjahr am stärksten. Dann wurde sie
durch Operation beseitigt. Mit 19 Jahren wurde die Kranke Pflegerin. Nach
anstrengendem Dienste fiel das rechte obere Augenlid herunter; in der
Ruhe verschwand die Ptosis wieder. Gelegentlich trat auch Doppeltsehen
auf. Vom 31. Jahre ab wurde die rechtsseitige Ptosis dauernd, und es ent-
wickelte sich vollständige Ophthalmoplegia exterior. Pupillenverhältnisse und
Accommodation blieben völlig normal. P^s bestand Myopie mit Astigmatismus.
Sonst völliges Wohlbefinden. — Auch bei dem Patienten von Möbius (301) war
der Grad der Ptosis sehr verschieden, wiederholt wurde dieselbe durch Erkältung
verschlimmert. Jede seelische Erregung, besonders die Lenkung der Auf-
merksamkeit auf das Lid, Hess dieses weiter herabsinken. Da auch ander-
weitige Erregungen (Verdruss, gesellige Unruhe) nachtheilig auf das Lid
wirkten, war Patient bestrebt, ein möglichst ruhiges, gleichmässiges Leben
zu führen. Im Uebrigen fühlte er sich vollständig wohl.
§55. Bezüglich der Diagnose dieser Krankheit liegt die Hauptschwierigkeit in
dem eminent chronischen Verlauf des Leidens, so dass oft eine langjährige
Beobachtungsdauer für die Sicherstellung der Diagnose gefordert werden
muss. Andrerseits liegt aber gerade wieder in dieser langsamen Entwickelang
des Leidens ein Fingerzeig für die Diagnose, denn bei anderen, von Nuklear-
lähmungen begleiteten Krankheitsformen würden sich im Laufe der Jahre
längst Symptome gezeigt haben, welche auf eine cerebrale oder spinale Grund-
krankheit hinweisen müssten. Somit sind der chronische Verlauf, die Doppel-
seitigkeit der Augenmuskellähmungen incl. des Levator, das absolute Frei-
bleiben von anderen Krankheiten des Nervensystems, und das häufige Auf-
treten der Erscheinungen im jugendlichen Alter vier Faktoren, welche zu-
nächst bei der Feststellung dieser Krankheit in Betracht zu ziehen sind. In
zweiter Linie dürfte die begleitende Ptosis, das Freibleiben der Lris und Accom-
modation, und das Intaktbleiben der unteren Nervenkeme in der Medulla zur
Die Ptosis bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie, 121
Diagnose heranzuziehen sein. Denn nur ganx awanahmsweise wird der Kern
für die Iris und Acconimodation bei dieser Krankheit mit befallen. So zeigten
die Fülle Beanmont und Marina (Nr. 4 und 0 d, T.) die linke Pupille
etwas weiter, als die reclite, aher beide von guter Keaktion, während in dem
von Lehmann referirten Falle (No. 15 d. T.) beiderseits Iris und Accom-
modaiion gelälimt w^aren. In Striinipeira Fall (No. 18 d. F.) war nur die
Acconimodation beiderseits gelähmt, in Galezowskis Fall (No* 20 d. T,) war
sie beschränkt. Bei Ihifour's Beobuelrtung (No. 29 d. T.) trat viele Jahre
nach Beginn des Leidens eine Ahnalime der Pupillenreflexe hei*vor. Auch
die Betheiligung des Facialis am Kranklieitsbilde darf nur als Seltenheit be-
trachtet werden, und Hessen sich die folgenden Fälle wohl auch als kongenitale
Beweglichkeitsdelekte aus dem Facialisgehiete deuten, ohne dass ein Zu-
sammenhang mit den nuklearen Symiitomen bestünde. Liegen krank-
hafte Erscheinungen von Seiten des Facialis vor, so sind dieselben doch nur
äusserst schwach- So waren im Falle Becker (No, 9 d* T.) alle miraischen
(iesichtsmuskeln, besonders die der unteren Hälfte schwach, aber vun normaler
Erregbarkeit. Im Falle Strümpell (No* 18 d, T.) war Schlaftlieit der Ge-
.sichtsmuskeln, die aber sonst gut beweglich waren, vorhanden, übt hoff
(No. 13 d. T.) konstatirte in einem Falle doppelseitige leichte Facialisparese.
Bei dem Falle Hanke (No, 2 d* T.) zeigte sich eine Lähmung des Augen-
facialis, und bei Birdsall (No, 20 d/f.) eine Verminderung der elektrischen
Erregbarkeit im oberen Facialisgehiete Erscheinungen, welche, wie vorher
erwähnt, auf einen nuklearen Zusammenhang des Augenfacialis mit demLevator
hinweisen sollen.
Mit diesem eventuellen Hineinziehen der benachbarten Kernregion in den
krankhaften Prozess nach vorn und nachliinten von den Nervenkernen der äussern
Bulbitsmuskulatur, ist aber auch die Ausdehnung der Krankheit auf weitere
Kenigebiete als die des Levator und der äusseren Augenmuskeln erschöpft.
Wie schon im ij 49 p. 91 erwälint, bietet hei den Fällen, in welchen die Er-
krankung in frühester Kindheit entstanden war, die Differentialdiagnose von
den angeborenen Beweglichkeitsdefekten, die ja ebenfalls häufig mit ünheweg-
lichkeit des Bulbus, Doppeltsehen, Ptosis, freibeweglicher Iris und normaler
Accommodation einhergehen, die grössten Schwierigkeiten. Man konnte hier
noch erwähnen, dass die kongenitalen Beweglichkeit sstorungen au den Augen
auch einseitig vorkommen, während die Lähmungserscheinungen bei der chro-
nischen isoÜrt bleibenden (*phthalmopIegia externa immer beide Augen be-
treffen. Von besonderer Wichtigkeit ist aber auch das unwandelbare Stationär-
bleiben der Bewegungsheschränkungen hei den angeborenen Beweglichkeits-
defekten durch das ganze Leben hindurch, während der fortschreitende, wenn
auch oft langsame Entwickelungsgang der Lähmungen für die progressive
Ophthalmoplegie spricht. In dieser Hinsicht sind die weiter unten zu erwähnenden
Fälle von Hanke, Jocqs und Lagrange von grosser Bedeutung. Es sind
auch Falte bekannt, in welchen zu einer anscheinend isolirt bleibenden
chronischen üpbtbalmoplegie schliesslich Erscheinungen der glosso-labio-pbaryn-
122 Die Ptosis bei der chronischen» progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie.
geallähmimg hinzukamen, also ein Weiterschreiten der Erkrankung auf die
unteren Bulbuskeme konstatirt werden konnte. Bezüglich dieser Erkrank-
ungsform müssen wir auf einen späteren Abschnitt dieses Buches verweisen.
Nur selten mag es vorkommen, dass man gegebenen Falls im Zweifel
sein könnte, ob es sich um eine chron., progressive, isolirt bleibende Ophthal-
moplegie, oder um Lähmungserscheinungen im Initialstadium der Tabes handeb
könne. So erzählt Bernhardt (363) folgende Beobachtung: Ein Sljähriger
Mann zeigte links eine Lähmung der Iris und Accommodation. Einige Wochen
später kam dazu eine Lähmung der äusseren Oculomotoriusäste der gleichen
Seite. 4 Jahre nachher war die Lähmung der äusseren Augenmuskeln ver-
schwunden, die Ophthalmoplegia interna bestand aber noch auf beiden Seiten.
Einige Zeit später trat zu der Ophthalmoplegia interna eine Lähmung
des linken Abducens. Erst nach Tjährigem Bestände dieser Augenmuskel-
lähmungen traten lancinirende Schmerzen mit Schwäche der Extremitäten
auf, jedoch noch ohne bestimmte Symptome der Tabes. Hier hätte wohl
das beharrliche Vorhandensein der Ophthalmoplegia interna bei dem Ver-
schwinden der Lähmungserscheinungen der äusseren Oculomotoriusäste Zweifel
in die Diagnose einer chron. progr. isol. bleibenden Ophthalmoplegia externa,
setzen könnnen.
Bei dem folgenden von uns beobachteten P'alle dürfte es sich dagegen
wohl um eine Nuklearlähmung zufolge von hereditärer Lues handeln.
B. K., 6V2 Jahre alte Maurerstochter. 20. VE. 94. Mit seinem zweiten
Lebensjahre soll das Kind eigenthümlich ^geguckt*^ haben. Nach der Geburt
nicht krank. Im 9. Monat Keuchhusten. Im 3. Lebensjahre Diphtheritis.
Die Mutter hatte 3 Umschläge, sie litt auch an nächtlichen Kopfschmerzen.
Patientin hatte nie Krämpfe, in letzter Zeit dagegen Kopfschmerzen. Sie ist
hereditär neuropathisch nicht belastet. Die Grossmutter litt allerdings auch
an Kopfschmerzen.
Sämmtliche Sehnenreflexe gesteigert, die Hautrefiexe nicht gesteigert
Die Sensibilität nicht nachweislich gestört. Keine Motilitätsstörungen ausser
an den Augen. Der rechte Mundfacialis schwächer, als der linke. Geruch,
Geschmack, Gehör intakt.
Die rechte Pupille maximal weit, reagirt nicht auf Licht. Die linke
Pupille halb so gross, reagirt träge auf Licht.
Beide Lidspalten gleich weit. Patientin kann beiderseits nicht nach
oben sehen, die oberen Lider können beiderseits nicht über die horizontale
nach oben gehoben werden. Die Bewegungen beider Bulbi nach aussen hoch-
gradig beschränkt. Bewegung beider Bulbi nach innen unvollkonmien. Ebenso
ist auch die Bewegung nach oben, aussen und unten beschränkt. Sonst
nichts abnormes.
§ 56. Die Ursache des Leidens ist in absolutes Dunkel gehüllt. Sektionsbefunde
von dieser inkomplizirt auftretenden Gruppe von Nuklearlähmungen sind bis
jetzt noch nicht vorhanden. Es dürfte sich wohl um eine langsame Nekrose
der nervösen Theile handehi und zwar zunächst um einen atrophischen Zu-
Di« Ptosis bei der chroulschen, progresöiveiif aber isolirt bleibenden Opbthalmoplegie. 123
stand der Ganglienzellen in den Kernen mit sekimdärer Atropliie der zuge-
hörigen Nervenfasern,
Jedenfalls ist hier auf eine Bemerkung Sienierling's aufmerksam zu
machen, wie auffällig es sei, da^s unter den zur Sektion gelangten Beobacht-
ungen von Ophthalmoplegie in keinem Falle eine komplizirende Nervenkrank-
heit bis jetzt vermisst worden sei, wenn auch Fälle Jahrzehnte lang ohne
diese verlaufen und bestehen könnten. In anderen treten noch spät Kom-
plikationen hinzu, so bei Eichhorst nach {ireijahrigem Bestehen ein diffuser
Prozess: bei Lichtheim trat nach 11 jährigem Bestehen der Ophthalmoplegie
Somnolenz hinzu. Bei Bernhardt traten nach 7 Jahren tabische Erschein-
ungen auf.
In einem Falle scheint Erblichkeit vorhanden gewesen eu sein: Ayres
(No. 11 d. T.). Folgende Fälle scheinen darauf hinzudeuteUj dass wir es, wie
Möbius will, bei einer Anzahl von Beobachtungen wirklich mit Kernläsionen
zu thun haben, die in utero bereits zum vorläufigen Stillstand gelangt w^aren,
um einige Zeit nach der Geburt wieder weiter zu schreiten. So entwickelte
sich bei einer 26jährigen Patientin Hanke's (No. 2 d* T.) mit theils ange-
borener, theils in frühester Kindheit entstandener, beiderseitiger, fast totaler
Ophthalmoplegia exterior noch nachträglich Ptosis,
Bei einem 12jährigen Kinde, aus der Beobachtung Jocqs (Nr, 30 der
Tabelle), bemerkten die Eltern wenige Tage nach der Geburt, dass es mit
dem rechten Auge nach aussen schiele, und dass dieses fast unbewegliche
Auge nur nach dieser Richtung bewegt werden konnte. Im Alter von 3 Jahren
begann das Oberlid herabzusinken, imd in ganz kurzer Zeit war die Ptosis
eine vollständige. Während diese Erscheinungen sich einstellten, war der
sonstige Gesundheitszustand des Kindes ein vortrefflicher. Die Binnenmua-
kulatur des Auges war frei geblieben, das linke Auge war normal
Lagrange (Nr. 3, d. T-) berichtet von einem 37jährigen Gärtner aus
gesunder Familie, der seit einigen Monaten doppelseitige Ptosis hatte. Seit
frühester Kindheit waren beide Augäpfel unbeweglich. Der Kranke war sonst
ganz gesund. Accomm. , Pupillenbewegung, Sehschärfe und ophth. Befund
waren völlig normal.
Gegenüber der Mob ius'schen Ansicht steht nun Kunn {1. c.) auf dem
Standpunkt, dass wir es hier mit einem zufälligen Zusaramentretfen zweier
ganz verschiedener Processe zu thun haben, der eine, die fötale Aplasie, be-
dinge den Beweglichkeit^defekt des Auges, der andere komme zufällig hinzu
und bedinge die Ptosis etc.
Weitere Beobachtungen und namentlich Fälle mit Sektionsbefimd müssen
darüber weitere AufTclärung geben. 8i em e r 1 ing (181) untersuchte mikroskopisch
einen Fall von angeblich congenitaler Ptosis, Da aber Degenerationszustände
in der Keroregion des Oculomotorius imd descendirende Atrophie in den
Ner%*enbahnen desselben sich gefunden hatten, somuss entweder die Möbius'sche
Ansicht als richtig anerkannt werden, oder wir haben es mit einer in frühester
Kindheit entstandenen Ptosis zu thun, welche gewissermassen als forme fruste
124 Die Ptosis bei der chronischen, pro^essiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie.
der isolirt bleibenden chronischen progressiven Ophthalmoplegie zu be-
trachten wäre.
Es mag uns gestattet sein, der Tabelle III noch folgende eigene Be-
obachtungen vorauszuschicken :
Fall 33. J. L. 18 Jahre alter kräftiger Arbeiter (23. V. 93); keine
Lues, kein Potatorium. Die Mutter leidet an Kopfschmerzen, sonst hereditär
nicht belastet. Seit V* Jahr hängt das linke Oberlid etwas herunter.
Patellarreflexe beiderseits deutUch. Alle anderen Reflexe vorhanden.
Pupillen beiderseits gleich, reagiren normal. Keine Sensibilitätsstönmgen;
keine Ataxie. Sehschärfe und Augenspiegelbefund normal.
Fall 34. J. R. 11 jähriger Knabe. Patient hatte früher einmal ein
Ohrleiden, sonst ist er gesund. Seit dem 23. XII. 96 besteht linksseitige un-
vollständige Ptosis. Die Augenbewegungen sind sonst frei. Keine Kopf-
schmerzen. Sonst alle Verhältnisse normal. Hereditär nicht belastet.
Fall 35. A. Seh. 27 jähriger Arbeiter; hereditär nicht belastet; kein
Abusus. Guter Ernährungszustand, kräftige Muskulatur. Klagt seit Februar
1898 über Doppeltsehen. Bald darauf fiel das linke Oberlid herab, dann
auch das rechte. Darauf besserte sich im Mai etwas die Ptosis des linken
Auges und einige Monate später auch die des rechten Auges. Am 18. I. 98
hing das linke Oberlid noch etwas herab. Das rechte war wieder normal.
Auf dem linken Auge waren die Bewegungen nach oben, nach innen, nach
unten, nach oben innen und nach unten innen beschränkt, nur nach aussen
frei. Auf dem rechten Auge zeigten sich die Bewegungen nach allen
Richtungen auffällig beschränkt. Die linke Pupille etwas weiter als rechts.
Beide reagiren prompt auf Licht, Accommodation und Convergenz. Die Seh-
schärfe und der Augenhintergrund beiderseits normal. —
Die Patellarreflexe vielleicht etwas gesteigert. Alle anderen Reflexe
normal. Keine Sensibilitätsstörungen. Sonstiges Verhalten des Nervensystems
völlig normal. —
Fall 36. Ch. R. 70 jährige Arbeiterin. 5. 12. 94. Seit 14 Tagen bei
steht auf dem rechten Auge Ptosis, zu gleicher Zeit trat Doppeltsehen auf.
Will vorher nie krank gewesen sein und auch jetzt sich im allgemeinen wohl
befinden. Hereditäre Belastung liegt nicht vor. Das rechte Auge kann nicht
nach innen, nach oben und unten, wohl aber nach aussen bewegt werden.
Die übrigen Gehimnerven völlig normal. Sensibilität nicht gestört. Pupillen,
Sehschärfe und ophth. Befund normal. Sämmtliche Reflexe normal.
Tabelle III
siehe umstehend.
126 Die Ptosis bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden OphthalmoplogieL
Tabelle III. Ueber die bis jetzt in der Litteratur bekannten Fälle i
Autor and Nummer
des
Litteraturverzeichnisses
b - • k
Bulbusmuskulatur
Verhalten des Levator
Papille
Ami
I dati
1. Eliasberg (286)
2. Hanke (302)
3. Lag ränge (303)
4. Beaumont (288)
5. Szilli (309)
<3. Marina (292)
7 Cheney (304)
5 Monate. | beiders. unvollständige
I Ophth. exterior.
angeboren
oder in
frühester
Kindheit
erworben.
Seit
frühester
Jugend
Schon als
kleines
Kind
beiders.
Ophthalm.
exterior.
Seit den
ersten
Lebens-
jahren.
Seit dem
2. Lebens-
jahre.
fast totale Ophth. exter.
auf beiden Augen. —
l)e8tand beiderseits Oph-
thalmopl. exterior.
totale beiderseitigeOphth,
exter.
Lähmung sämmtlicher
äusserer Augenmuskeln,
Im 28. Lebensjahre
Entwicklung derOphtb.
exterior l>eideFBeits, zur
Zeit der Beobachtung
noch inkomplet.
Heber und Senker des
Bulbus gelähmt, Be-
wegung nach aussen
und innen beschränkt.
beiderseits Ptosis.
normal non
Im 26. Lebensjahre
kam noch eine Ptosis
dazu.
Im 37. Jahre ent-
wickelte sich beider-
seits Ptosis.
Im 10. Jahre linkss.
Ptosis von 7jähriger
Dauer. 3 Jahre
darauf auch rechtss.
Ptosis. Im 31. Le-
bensjahre wurde die
rechte Ptosis dau-
ernd.
beiderseits massige
Ptosis.
Seit dem 2. Lebens-
jahre mässigePtosis.
Klagt jetzt über
grosse Schwere in
den Lidern.
beiderseits mittlere
Ptosis. Links stärker
als rechts.
normal.
Beide
reagiren;
die linke
gegenLicht
stärker
ak die '
rechte.
normal.
Beaktion
beiderseits
normal.
Die linke
ist etwas
weiter als
die rechte.
normal.
1(
Pro
PtosiB bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie. 127
her, progressiver, isolirt bleibender Ophthalmoplegia exterior mit Ptosis.
Cialis Sonstiger Zustand
•
Verlauf
Doppeltsehen
Ophthalmosk. Befund
Sehschärfe
normal.
Im Alter von 5 Monaten
trat zuerst Strab. d. rechten
Auges auf , verschwand
wieder nach 14 Tagen, um
nach weiteren 14 Tagen
dauernd zu werden. 2
Monate später gesellte sich
Ptosis dazu.
?
normal.
^bens-
rickelte
ich mit
Ptosis
ODgdes
lis und
Cialis.
'
normal.
Mit frühester Jugend Oph-
thalmopl. exterior beider-
seits, im 37. Jahre Ent-
wickelung d. beiderseitigen
Ptosis.
normal.
Astigmatismus.
Sonst gesund. Zu-
weilen rechtsseitigen
Kopfschmerz.
Als kleines Kind schon Un-
beweglichkeit beider Bulbi.
Im 10. Jahre entstand
linksseitige Ptosis. Mit
19 Jahren wurde Patientin
Pflegerin. Nach anstrengen-
dem Dienste fiel das rechte
Augenlid herunter. Im
31. Lebensjahre wurde die
rechte Ptosis dauernd.
gelegentlich
vorhanden.
L. Emmetopie.
B. Myopie mit Astigm.
43 jährige Frau. Seit dem
ersten Lebensjahre besteht
die Krankheit.
—
—
al.
klagt über beständige
SchläfrigkeitPatellar-
reflex ünks normal,
rechts vermindert,
wird aber beiderseits
mit Jendrassik gleich.
Seit dem 2. Lebensjahre
Ptosis. In ihrem 28. Lebens-
jahre Entwickelung der
Ophthalmopl. exterior.
Ophth. Bef. normal.
Farbensinn normal.
S beiderseits = »/lo.
normal.
13 jähriger Knabe. Das
Leiden begann mit links-
seitiger Ptosis im 3. Lebens-
jahr.
normal.
128 Die PtosiB bei der ohronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden OphthilmopligiA.
Autor und Nummer
des
Litteratarverzeichnisses
Lebensalter, in
weleHem das
Auftreten der
Krankheit
gemerkt wurde
Bulbusmuskulatur
Verhalten desLevator
Papille
Aceoi
8. Raehlmann (310)
3
Lähmung sämmtlicher
BulbusmuBkein. Die
Trochleares leicht ge-
lähmt. Nystagmus.
beideneito Ptons.
—
^
9. Becken (295)
4
Ophthalmoplegia ex-
terior. Die Beweglich-
keit der Augen ist nach
aussen und oben yoll-
ständig aufgehoben ;
nach Innen erfolgt
beiderseits eine mini-
male Bewegimg, ebenso
nach unten.
beideneiU starke
Ptosis.
normaL
Bon
10. Rumschewitsch
(299) Fall n
6
Ophthalmopleg. exterior
totalis.
doppelseitige Ptods,
redita stärker als
links.
normal.
non
11. Ayres (306)
6
Ophthalmoplegia ex-
terior beiderseits.
beiderseits inkom-
plete Ptosis.
normal.
nora
12. Nothnagel (291)
15
Beiderseits die äusseren
Oculomotoriusäfltc und
beide Abduoentes ge-
lähmt.
doppelseitige Ptosis. '
normal.
non
13. ühthoff (307)
15
Ophthalmoplegia ex-
terior beiderseits.
beiderseiU mittel-
starke Ptosis.
normal.
nor
14. Birdsall (297)
FaU I
16
Ophthalmoplegia ex-
terior beiderseit«.
beiderseits starke
Ptosis.
normal.
noi
15. refer. Lehmann
(311)
18
beide Nervi oculomo-
torii.
beiderseits Ptosis.
beiderseits
gelähmt
beid
gdl
16. Challin (305)
20
beiderseits Ophthalmo-
plegia exterior.
normal.
noi
de Ptosis bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie. 129
1 facialis
Sonstiger Zustand
Verlauf
Doppeltiehen
Ophthalmosk. Befund
Sehschärfe
limiBchen
nmakelD,
n die der
Hälfte,
aber von
r elektri-
Srregbar-
?it.
normal.
—
ist spontan
nicht vor-
handen, lässt
sich aber
hervorrufen.
Ä Rechts = V«.
— L. = «/8. Es be-
steht hyperopischer
Astigmatismus.
normal.
12 jähriger Knabe, bei
welchem sich im 6. Lebens-
jahre eine totale Ophthal-
mopl. exterior innerhalb
zweier Monate entwickelt
hatte und seitdem ohne
jede Veränderung blieb.
Kein Doppelt-
sehen.
normal.
normal.
38 jähriger Mann. Der Zu-
stand soll angeblich nach
Scharlach im 6. Lebens-
jahre entstanden sein, doch
soll auch sein Grossvater
mütterlicherseits an einer
ähnlichen Affektion ge-
litten haben.
normal.
-
—
45 jähriger Mann. Mit dem
15. Jahre Ptosis, mit dem
18. Ophthalmoplegie.
Begann mit
Doppeltsehen.
—
Iseitige
FacialiB-
*»e.
normal.
Die Affektion hatte sich vor
einem viertel Jahr ent-
wickelt. Seitdem stabil.
—
normal.
normal.
18 jähriger Jüngling. Die
Lähmung hatte vor 2 Jahren
erst das rechte, dann das
linke Auge ergriffen.
normal.
-
Angenschmerzen,
Thränen^sonst gesund.
Die 26 jährige Frau hatte
bereits vor 8 Jahren über
die Augen zu klagen.
Doppeltaehen
vorhanden.
normal
normal.
42jähr. Mann. Seit 22 Jahren
Ülhmung sämmtlicher
Augenmuskeln.
Wilbrand-Saenger, Keorologie des Auges.
130 Die PtOBis bei der chronischen, progressiven, aber isolirt Ueibenden Ophtiiliiopirpr
Autor und Nummer
den
LiUeraturverzeichnisaes
J'l| I
Hin i
Bulbusmuskulatur
Verhalten des Levator
17. Möbius (301)
21
beiderseits Ptosis,
links st&rker als
rechts.
normsL mo
18. Strümpell (296) I 25
Beide Augen können
nach oben, innen, aussen
so gut wie gar nicht
gedreht werden. Nach
unipu Ut die Boweg-
lidikelt erhalten. Die
Konvergenz fehlt.
Beide Bulbi vollkommen beiderseits starke nonnsl.
unbeweglich. Ptosis.
Pupille
19. Kunn (300)
24
Im Wechsel Strabismus | Ptosis zuerst links,
und Konvergenzlähm- dann rechts,
ung. I
I I
20. Birdsall (297) 28»/« | beiderseits Ophthalmo-
Fall II ! plegia exterior.
;«ti
^7^
hak
tiki
normal, no
l)eiderBeit8 Ptosis.
21. Mittendorf (298) ! 29
22. Rumschewitsoh j 41
(299) FaU 1 1
Ophthalmoplegia ex-
terior beiderseits.
beiderseits totale Oph-
thalmoplegia exterior.
beiderseits geringe
Ptosis.
beiderseits leichte
Ptosis.
normsL n<
nonnal. 1 n
E^tosis bei der ohroniechen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie. 131
sialis
Sonstiger Zustand
Verlauf
normal.
der
«kein,
isf gut
sind.
nichts besonderes.
normal.
t rieche
keit
»bereu
•iet an-
Ge-
iskeln
:was
:zt zu
Im 21. Lebensjahre trat
plötzlich Doppeltsehen auf,
dann fiel nach 4 Jahren
das linke Oberlid herab,
später auch das rechte
Oberlid. Patient trSgt den
Kopf ül)er8treckt.
Doppeltsehen
Ophthalmosk. Befund
Sehschärfe
Doppeltsehen
bestand fort.
50 jähriger Patient bemerkte iKein Doppelt-
Starker Raucher,
früher Blennorrhoe
gehabt.
normal.
vor 25 Jahren ein Herab-
fallen der Augenlider, und
dass er beim seitlichen
Sehen seinen Kopf drehen
niusste. Sehr langsam und
ohne sonstige Neben-
enK'heinungen nahm die
I Bewegungsstörung allniäh-
j lieh zu.
i Seit Vs Jahr undeutliches
I Sehen, dann Schielen und
beginnende Ptosis. Auf- ,
I fallendes Schwanken in i
der Intensität der Paresen.
Der 29 jährige Patient er-
krunkto vor einem halben j
Jahre anfänglich an inter- |
mittirendem , dann per- i
nianentem Dop]>elt8ehen, I
doni sich 8])äter Ptosis und
Fixation der Bulbi an- |
sohloss. I
sehen.
beiderseits starke
Myopie.
vorhanden.
vorhanden.
SOjähriger Mann. Die Oph-
thalniopl. hatte vor einem
Jahre begonnen. Nach
2 Jahren keine wesent-
liche Veränderung. j
45jähr. Mann, bei welchem i
sich im Verlauf von |
4 Jahren allmählich eine
totale Ophthalmoplegia ex-
terior entwickelt hatte. i
Farbensinn normal.
Gesichtafeid normaU
ÄL = ««/60.R=»^/70.
Ophth. Bef. normal.
normal.
normal.
normal.
normal.
9*
133 Pie Ptosis bei der chrooiachen, progressiveD, aber isolirt bleibenden QfAÜuilflMpkgii.
Autor nnd Nummer
bensalter, in
reichem das
aftreten der
Krankheit
nerkt wnrde
des
Bulbusmusk ulatur
Verhalten des Leyator
Papille
AflM
latteraturverzeichnisses
,3'^ 1
23. Lawford (293)
1
50
beiderseits Ophthalmo-
beiderseits i^t totale
normsL oon
plegia exterior.
PtOfOB.
24. Kunn (312)
53
beiderseits Ophthalmo-
plegia exterior.
?
•
normal.
1
oon
25. Mauthner (289)
? Bicher
beiderseits Ophthalmo-
beiderseiUPtomierBt
nomuü.
Don
seit dem
plegia exterior.
links, 20 Jahre
1
18. Jahr.
später auch rechts.
Komplete PtooB
1
beiderseits
26. Galezowski (294)
?
beiderseits Ophthalmo-
plegia exterior.
beiderseiU Ptosis.
normal.
besci
27. A. V. Graefe (313)
9
beiderseits Ophthalmo-
plegia exterior.
beiderseits Ptosis
massigen Grades.
normaL
DOl
28. Alfr. Graefe (314)
?
Ophthalmoplegia ex-
terior.
beiderseits Ptosis.
normal.
noi
29. Dulour (290)
26
Vor 3 Monaten links-
doppelseitige Ptosis.
früher
DOl
seitige Abducensparese, Im 26. Jahre doppel- 1
normal,
neuerdings Lähmung
seitigePtosi«, welche
jetst Ab- {
des Trochlearis.
wieder yerscdiwand.
Im 33 Jahre links
Ptosis, welche wieder
nähme der
Reflexe. !
verschwand. Im
49. Ja^re abermals
links Ptosis und
2 Monate später
rechts.
30. Jocqs (315)
Wenige
Tage nach
der Geburt
bemerkten
die Eltern
Strabismus
divergens.
fast unbewegliches rech-
tes Auge.
rechtsseitige Ptosis.
normaL
DO
31. eigene Beobachtung
4
normal.
doppelseitige , fast
komplete Ptosis.
normal.
n(
32. Dujardin (308)
junger
Mann.
normal.
doppelseitige Ptosis.
normal.
n<
£^818 bei der chronischen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie. 133
oiaUs
Sonstiger Zustand
Verlauf
Doppeltsehen
Ophthalmosk. Befund
Sehschärfe
normal.
60 jähriger Mann, der seit
10 Jahren fast totale
Ptosis hatte.
—
normal.
normal.
55jährige Frau, bei welcher
sich vor IV« Jahren eine
doppeis. Ophth. exter. ent-
wickelte, die ein Jahr hin-
durch vollständig unver-
ändert blieb.
?
normal.
normal.
46jähriger Herr, hat die
Ptosis linkerseits sicher
seit 28 Jahren. Mindestens
ein Zeitraum von 20 Jahren
verfloss, bis auch am
rechten Auge Erschein-
ungen von Ptosis auftraten.
nie doppelt
gesehen.
Links Myopie Vio
5 = «/6, RS = */is
Homhautflecken.
Ophth. Bef. normal.
Gesichtsfeld : normal.
normal.
41 jähriger Mann. Die
Krankheit hatte mit Ptosis
begonnen , welche beide
Augen abwechselnd befiel.
normal.
gesund.
Patientin, bei welcher in
einem Zeitraum von 6
Jahren sämmtliche äusseren
Augenmuskeln gelähmt
wurden.
gesund.
Die Krankheit besteht seit
15 Jahren.
—
—
gesund.
Im Beginn des Leidens inter-
mittirendes Auftreten von
Ptosis, fast sieben Jahre
später traten Lähmungen
der Bulbusmuskulatur auf.
normaL
normal.
12jährigesMädchen. Wenige
Tage nach der Geburt be-
merkten die Eltern, dass
es mit dem Unken Auge
nach aussen schiele, und
dass der Bulbus fast un-
beweglich sei. Im 9. Jahre
begann das linke Oberlid
herunter zu sinken. —
—
normal.
l.
normal.
61 jähriger Mann. Im 4.
Lebensjahre entwickelte
sich spontan die doppel-
seitige Ptosis. Seitdem
stabil.
normal.
1.
normal.
Spontan entstanden.
normal.
134 Di6 Ptosis bei der Tabes and Taboparalyse.
ß. Die Ptosis bei Tabes und bei Taboparalyse.
§ 57. Unter den die Tabes komplizirenden Affektionen der Grehimnerven
stehen bekanntlich diejenigen des Nervus oculomotorius oben an, und es tritt
hier ganz besonders häufig jenes als reflektorische Lichtstarre be-
kannte und zum Oculomotorius in noch nicht klar gelegten Beziehungen
stehende Phänomen hervor, das als ein sehr frühes und zuverlässiges
Symptom für die Diagnose der Tabes von der grössten Bedeutung ist.
In zweiter Linie kommen dann hier die Störungen der vom Oculo-
motorius versorgten, äusseren Augenmuskeln bei der Tabes in Betracht, von
welchen Dill mann in 26 %^)
Marina „ 8,9^/o
Wir „ 15,8«/o
Lähmungen zu konstatiren Gelegenheit hatten. Dabei konnte Dillmann be-
stätigen, dass die Lähmungen der Augenmuskelnerven recht häufig die ersten
Erscheinungen der Tabes bildeten und so also neben der reflekt. Starre
als ein wichtiges Initialsymptom der Tabes anzusehen wären.
Es bestand nämlich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (35 von 41)
neben der Augenmuskellähmung das Robertson'sche Phänomen. Unter 41
Fällen fehlten 31mal die Patellarreflexe. Der Nervus oculomotorius war 26
mal, der Abducens 12mal, der Nervus trochlearis 3mal gelähmt, eine Reihen-
folge der Häufigkeit, die mit den Erfahrungen anderer Beobachter überein-
stimmt.
Von den äusseren Aesten des Oculomotorius ist nun ganz besonders
häufig wieder der Levator ergrift'en.
p]s fanden:
Marina unter 150 Tabesfällen in 10,6^/o isolirte Ptosis
L e i m b ach ., 400 ., in 6,2 ®/o ein oder doppelseitige Ptosis (25mal)
Grainger Stewart 15,0 ^'o Ptosis
Dillmann 5,0 ^/o Ptosis
Wir unter 302 Tabesfällen in 3,3 ®/o isolirte Ptosis.
Unsere Zahlen sind nun offenbar nicht hoch genug gegriffen, weil nicht
alle dazu verwandten Krankengeschichten unter den gleichen Gesichtspunkten
und von demselben Beobachter aufgenommen worden waren, ein Uebelstand,
dem man bei grossen Krankenhausstatistiken leider nicht entgehen kann.
Die Ptosis beobachten wir bei der Tabes
1. als isolirte einzige Lähmungsform der äusseren Augen-
muskeln,
2. mit isolirt bleibender kompleter einseitiger Oculomo-
toriuslähmung,
1) Die hohe Zahl erklärt sich daher, dass die ZusammeDstellung das Material einer
AugenkliDlk betraf. Unter 100 Tabeskrankeii der Schoe 1er' sehen AngeDkJinik war bei
26 Fällen der Oculomotorias betroffen.
im vereine mi t uphthalraoplegia intenor, extenor un<
totalis, und wir wollen nun diese verschiedenen Formen einer genaueren
Besprechung unterziehen.
1. Die isolirte Ptosis.
>5 58. Am seltensten beobachten wir bei Tabes die isoHrt bleibende, also nicht
mit Lähmungserscheinungen der anderen äusseren Augenmuskeln komplizierte
Levatorlälmiung.
Marina (L c) hatte unter 150 Tabetikern in 10,6 ^/o der Fälle isoürt
bleibende Levatorlähmung konstatiren können.
l'nter 302 Patienten der beiden gi'ossen Hamburger Krankenhäuser
fanden wir nur in 3,3 *Vo isolirte Ptosis. Hier dürfen aber wolil die An-
gaben Marina's die zutreffenderen sein, weil seine Fälle eben von dem gleichen
Un tersucher beobachtet worden waren.
Die isolirte Ptosis kommt meist nur in den A n fang ssta dien der
Tabes zur Beobachtung und ist dann meistens n i c h t von dauerndem Bestand.
Renault (348) verörtentlicht einen derartigen Fall von linksseitiger Ptosis
bei Tabes nach Syphilis.
Als dauernde, bis zum Tode des Patienten bestehende alleinige Lähmungs-
form der Augenmuskeln mag sie wohl bei Tabes nur selten gefunden werden.
So trat im Falle von Sachs (349) dieselbe zuerst auf dem rechten Auge,
wenige Monate darauf auch auf dem linken Auge auf; es folgten aber dann
die Lähmungen der äusseren Augenmuskeln nach.
Bei Krau SS (357) findet sich in Beobachtung 12 eine Atrophie des Seh-
nerven verbunden mit Miosis, absoluter Pupillenstarre und rechtsseitiger
Ptosis. Die rechte Pupille war weiter als die linke. Die Ptosis war sehr
früh entstanden.
In Beobachtung 13 desselben Autors fand sich eine linksseitige Ptosis;
die linke Pupille war weiter als die rechte, es bestand fast absolute Pupillen-
starre. Hier war die Ptosis erst spät entstanden.
Debove {358) sah in einem Falle von Tabes rechtsseitige Ptosis bei
rechtsseitiger Hemiplegie,
Da die isolirte Ptosis meist in den Initialstadien der Tabes auf-
tritt, so ist die Kenntniss der anderen Frühsymptome, mit welchen dieselbe
durchschnittlich vergesellschaftet ist, von hoher diagnostischer Bedeutung.
Die von uns beobachteten Fälle, bei w^elchen die Ptosis wenigstens so
lange isolirt bestand, als der Patient unter unserer Beobachtung verblieb, sind
kurz skizzirt folgende:
1. T. 52jähr. Mann, Ulcus. Rechts in ihrer Intensität wechselnde
Ptosis. Pupillen beiderseits weit und starr auf Licht und Accomraodation.
Fehlen der Pate Harr eflexe, Incontinentia Urinae, lancinirende Schmerzen, ge-
ringe SensibÜitätsstörungen.
2. G. M. 3Gjähr. Maurer, Beiderseits Proptosis^ schläfriges Aussehen,
Patellarreflexe fehlen. Analgesien, Incontinentia Urinae. Romberg.
I
136 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
3. J. H. 53jähr. Polizist. Rechts besteht leichte Ptosis. Lues nnd
Schanker negirt. Rechte Pupille eng und starr. Linke Papille weit, von
prompter Reaktion. Konvergenzreaktion beiderseits erhalten. Lancinirende
Schmerzen, Ataxie, Fehlen der Patellarreflexe.
4. H. M. Links Ptosis. Beginnende Atrophie des linken Opticus.
Pupillen reflekt. starr. Fehlen der Patellarreflexe.
5. E. Ptosis sinist. Pupillen weit, reagiren prompt. Fehlen der
Patellarreflexe, lancinirende Schmerzen.
6. B. 50 Jahre alt. Links Ptosis. 9 lebende Kinder. Seit langen
Jahren Schmerzen im linken Fuss, Kriebeln und Stechen. Früher Lues. Pu-
pillen beiderseits reflektor. starr. Patellarreflexe fehlen. Romberg. Leichte
Ataxie. Analgesien in den unteren Extremitäten.
7. N. 40 Jahre alt. Links leichte Ptosis. Schanker. Beiderseits weite
Pupillen. Rechts weiter als links. Rechts reflektorisch starr, links Spuren
von Reaktion auf Licht. Reaktion auf Konvergenz gut.
8. A. 35 Jahre, Kaufmann. Ulcus mit Sekundärerscheinungen. Erstes
Tabessymptom: reissende Schmerzen im Knie und linksseitige Ptosis, die
nach mehrmonatlichem Bestehen verschwand und später wiederkehrte. Später
Fehlen der Patellarreflexe, Ataxie, Analgesien, Blasenstörung.
Ob eine solche isolirte Ptosis dauernd bleiben oder vorübergehen
wird, können wir selbstverständlich zur Zeit der Beobachtung und beim Be-
ginne der Levatorlähmung ebensowenig wissen, wie wir wissen können, ob
sich noch andere Augenmuskellähmungen zur Ptosis hinzugesellen werden.
Die Erfahrung sagt uns aber, dass diese Ptosisformen im allgemeinen leicht
sind, bald vorübergehen und meist im Beginne des Leidens zur Beobachtung
kommen. Wir werden daher wohl nie fehl gehen, wenn wir eine ein-
seitige oder doppelseitige Ptosis, sei sie mit allen oder mit
einzelnen derfolgenden Symptome als: reflektorische Pupillen-
starre, lancinirende Schmerzen^), Fehlen der Patellarreflexe
oder mit Opticusatrophie^) vergesellschaftet auf beginnende
Tabes beziehen.
1) Nach Leimbach fanden sich lancinirende Schmerzen in 80,5 ^/o bei Tabes. In
67 ^/o der Fälle hatte die Tabes überhaupt mit lancinirenden Schmerzen begonnen.
2) Alle Autoren sind darüber einig, dass sich der Sehnervenschwond fast immer im
ersten Stadium der Krankheit findet. Ausnahmen kommen natürlich vor. So fand Leim-
bach (1. c.) ihn hur bei 6,75 V, Gowers (359) bei Ib^jo, wfihrend ans anderen Statistiken
sich 10 ^'o ergaben. Nach Leimbach war Sehnervenatrophie in 1,5 ®/o das erste Zeichen
der Tabes gewesen.
Nach Peltesohn (883) fanden sich unter 25 tabischen Sehnervenatrophien in 84
bis SS^jo das WestphaPsche Kniephänomen, in 24*^/0 lancinirende Schmersen, in 20 ^»
Ataxie und in 16 °/o das Romberg'sche Symptom. Unter diesen Patienten hatte bei xwekn
schon vor 10 Jahren die Verschlechterung der Sehkraft begonnen. — Nach Moritx (4SS)
ist die Sehnervenatrophie bei Tabes, wenn vorhanden, stets früh, wenn nicht als erstes
Symptom und jedenfalls vor Eintritt ataktischer Erscheinungen nachxaweiseiL
§ 59, Für die Sicherung der Diagnose Tabes im Prodromalstadium
kann auch nach Kahler (360) das gemeinschaftliche Vor-
kommen von r t o s i s mit A b d u c en ^ 1 ä h m u n g herangezogen werden,
welches nach dessen Zusamraenstt'Uung ganz besonders häufig im Frühstadium
der Tabes zur Beobaclitung kommen soll.
Wir waren in der Lage, folgende Falle mit doppelseitiger isolirter
Ptosis und Abducenslahmimg zu beobachten.
9. L, (>, 40 jähriger Mann (Figur 50); vor 13 Jahren Schanker.
Schmierkur. Linke PupitU* reflektorisch starr, die rechte reagirt auf Licht-
einfall träge. Seit 5 Jahren be-
steht *auf dem linken Auge eine
Parese des Abducens. Vor
zwei Jahren trat zuerst links-
seitige leichte Ptosis und
mittlere Ptosis des rechten
Auges auf* Zur Zeit nun hat
sich die früher vorhanden ge*
wesene leichte Ptosis des Unken
und mittlere Ptosis des rechten
Auges dermassen zu Gunsten des
Patienten geändert, dass nun links
gar keine Ptosis und rechts nur
ein geringer Tiefstand des Ober-
lides zu bemerken ist. Die rechte
Lidspalte wird bei Bedeckt halten
des linken Auges ohne Zuhilfe-
nahme des rechten Frontalis ad
maximum erweitert. Die linke
Abducenslähmung besteht noch
fort. Beiderseits fehlen die Pa-
tellarretlexe.
10. H. E. 51 jähriger Zahn-
arzt. Pupillen beiderseits weit
und starr auf Licht. Links; Ab-
ducenslähmung, beiderseits hängende Oberliderj schläfriger Aus-
druck , links ist die Ptosis stärker ausgesprochen. Die Patellarreflexe sind
beiderseits vorhanden. Analgesien an den unteren Extremitäten. Trophische
Gelenkerkrankung.
IL Sp, 37 Jahre, Kaufmann^ vor 6 Jahren linksseitige Abducens-
lähmung und Ptosis, welche von selbst wieder verschwanden. Seit vier
Wochen von neuem Abducenslähmung, Retlekt. Pupillar«tarre, L, Patellar-
reflex fehlt. Sensibilitätsstörungen und Accommodationsläbmung, Blasen-
schwache, Ataxie, Impotenz.
NB. Später Fehlen d. r. Patellarrefl.
Fig. 50.
L n. TabeB, Iiuksseitiee AbdueeiisIfihiTiuiig, doppe!-
seitijfe aa IntensitÄt wechsi^'lnde riosi». Zur Zdt
BeaseriiDg cUt LäbmungderseheitiUDgen.
i
138 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
12. 40jähr. Kaufmann. Inkomplete Ptosis links und leichte Parese
des 1. Abducens. Ungleichheit der Pupillen, reflekt. Lichtstarre. Opticns
verfärbt; d. rechte hyperämisch, Analgesien.
Bezüglich weiterer Beobachtungen über isolirte Ptosis und Abducens-
lähmung bei Tabes verweisen wir auf die Fälle 56 und 59 der Tabelle IV
und den Fall 5 der Tabelle VIII.
Sehr viel häufiger sind die Fälle von Abducenslähmung mit Ptosis
und Lähmung anderer Aeste vom Oculomotorius, wie in den folgenden
Fällen der
Tabelle IV: Fall 7, 8, 9, 15, 26, 29, 32, 34, 35, 40, 41, 42, 43, 44, 45,47,
49, 52, 55.
V: Fall 1, 7, 10, 13, 17, 19, 20, 23.
„ VI: Fall 3, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 15.
^ VIII: Fall 4, 5, 6.
§ 60. Eine späterhin zur Tabes führende Ptosis, als Initialsymptom,
könnte aber, zumal bei Fällen, bei welchen anamnestisch keine Hinweise auf
Lues gegeben sind, anfänglich zur Verwechslung mit der chronischen,
progressiven, isolirt bleibenden Ophthalmoplegie führen, wie
wir dies schon auf pag. 122 erwähnt hatten. Wie schwierig in dieser
Hinsicht die Diagnose werden kann, zeigt folgender Fall aus unserer Be-
obachtung.
13. Frau T., Wittwe (Fig. 51) 42 Jahre alt, war nie geschlechiskrank. Here-
ditär nicht belastet. Der Mann ist an Rückenmarkskrankheit zu Grunde
gegangen. Nie abortirt. Hat ein gesundes, jetzt 16 Jahre altes Kind. War
bis vor vier Jahren völlig gesund. Damals bekam sie eine Augenmuskel-
lähmung auf dem rechten Auge, wobei die Hornhaut ganz in der Ecke ge-
sessen haben soll. Das Lid sei nicht herabgefallen. Wenige Monate darauf war
die Lähmung wieder geheilt. Dann lediglich Ptosis, die wieder vorüberging.
Seit V4 Jahr hat sich jetzt (18. I. 98) auf dem linken Auge partielle Oculo-
motoriuslähmung und zwar sämmtlicher äusseren Aeste eingestellt. Zuerst
sah sie doppelt, dann nach etwa 3 Wochen fiel das Oberlid plötzlich in der
Nacht herab. Seit dieser Zeit besteht auf dem linken Auge schlaffe kom-
plete Ptosis. Die Iris und der Ciliarmuskel sind normal. Die Sehschärfe
beiderseits normal, ebenso der Augenspiegelbefund. Die Patellarreflexe sind
beiderseits lebhaft. Achillesretiex beiderseits vorhanden, Vorderarm- und
Tricepsreflex fehlen. Plantarretiexe beiderseits vorhanden, die Abdominal-
reflexe fehlen beiderseits. Sonst ist Patientin gesund, nur giebt sie an,
seit Beginn der Augenmuskellähmungen auffallend schläfrig geworden zu
sein. Zu jeder Tageszeit, w^enn sie wolle, könne sie einschlafen.
§61. Schwieriger noch wird sich die Differentialdiagnose zwischen
cerebrospinaler Syphilis und Tabes incipiens gestalten, wenn als
hervorragendes Symptom eine isolirte Ptosis vorhanden ist Selbst wenn die-
selbe von reflektorischer Lichtstarre begleitet sein sollte, können wir nicht
Die Ptosis bei der Tnbef und TabojiarÄlyse.
K
ohne weiteres die Diagnose auf lieginneude Tabes stellen, da nach unseren
Erfahrungen reHektorische Licht starre auch bei cerebrospinaler Lues ge-
funden wird \). Auch das Fehlen des KniepbänonienK kommt bei cerebro-
spinaler Lut's vor, ganz abgesehen davon, dass bei Tabes, wenn aiicfi selten, die
PatellarreHexe erhalten sein können-).
Ferner sind bei der Lues Paralysen im Bereiche des Nerv, oculoinotarius
ebenfalls sehr häutig, bald ist es ausschliesslich Ptosis^ bald eine Ldhmiing
des Sphincter iridis mit Mvdri'
asis, welche alleine lange Zeit
hindun:h bestehen können. Ein-
seitige Pupillen- und Accommo-
dationslähmung entwickelt sich
aber gewöhnlich auf luetiscljer
Basis. [VrgL Rumpf (435),
Zeissl (436), Alexander (437)
und V, Graefe (434)].
Oppenheim und Eiseu-
lohr haben speziell auf die
Aehnlichkeit der Tabes mit
Lues cerebrospinalis in manchen
Fällen hingewiesen (Pseudo-
tabes syphilitica). Das auf-
fallende Seh wankend es Patellar-
rertexes, das Auftreten von
Paresen, von Jluskelrigidität
< E r b'scherS} mptomeiikomplex)
im weiteren Verlaufe wird in
manchen Fällen die Stellung
der DiagnoRe zu Gunsten der
cerebrospinalen Lues ermög-
lichen.
So beobachteten wir (Fall
4) einen 69jäbrigen Arbeiter
G. , welcher von Kind an
augen]eidend, sonst aber gesund gewesen sein will Seit dem 2. X. 96
kann Patient die Augen nicht mehr öffnen. Die Ptosis soll allmählich
eingetreten sein; sie ist beiderseits gleich. Die Cornea trübe in Folge von
Fig. 51.
Fnni T. Kriihf-r rcdits, jotxi Unk» parliflle <JcuIo-
inut^Hiushihiiiun^;, /weifeihnft, nli liiitialHtünliuin von
Tuh^Ti, Iawe (xiiT zur isolirt lileihcndt^n pro|^re«given
Oplilhaluioplegia exterior gebdriger Faü,
M Uhthoff (388) fand unter 100 Füllen von Lues des Gentraltiervefisy&t^ms 10 mal
reflektorische Lichtstarre meistens mit erlüiltener Konvergpnzreaktifin (Wi Tabi*a 60— 90**^«.
bei progresäiver Paralyse 50 '^o). — 4niul fand er Felden der Pupiilarreaktiun aaf Licht umi
Convergenz.
'i) Vun 400 Tabetikern hatten nacli Leimhach 92 ^^ kein KniephUnomen, 4,25 **'o
«in krankhaft verändertes; also waren die Piitelhureticxe in Z,lh^;o enthalten.
140 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
Keratitis. Es bestehen keine Störungen der Bulbusmuskulatur. Seit Vs Jahr
kann er auf dem linken Ohr nicht hören. Nie geschlechtskrank gewesen.
Die Pupillen reagiren beiderseits. Rechts scheint der Patellarreflex zu fehlen,
links ist er vorhanden. Kein Romberg. Keine Sensibilitätsstörungen. Die
übrigen Reflexe normal. An der Aussenseite des linken Oberschenkels und
unterhalb der linken Brustwarze deutliche Herabsetzung der Schmerzempfindung.
Für eine luetische Erkrankung dürfte die frühere Keratitis und das Schwanken
der Patellarreflexe in diesem Falle sprechen.
Fall 15. F. S. 31 jähr. Frau hat als Kind einen Ausschlag am Kopf ge-
habt. Sie hat 4 mal todtfaule Kinder geboren. Patientin leidet viel an
Kopfschmerzen. Seit einiger Zeit auffalliger Tiefstand beider Augenlider,
was Patientin sehr beunruhigt. Wenn die Kranke die Blickebene hebt,
folgen die Oberlider nur ruckweise. Die linke Pupille ist weiter als die
rechte und von elliptischer Gestalt. Beiderseits besteht reflektorische Starre.
Ophthalmoscopisch sieht man beiderseits ausgedehnte chorioiditische Ver-
änderungen. Die Patellarreflexe fehlen. Tricepsreflex linkerseits nicht
auslösbar. Kein Romberg, kein Hitzig, keine lancinirenden Schmerzen.
Diesen Fall möchten wir als Pseudotabes luetica auffassen.
Bezüglich des Charakters der pathologischen Veränderung nun, durch
welche die isolirte Ptosis bei der Tabes hervorgerufen wird, liegt nur eine Be-
obachtung und zwar von De j er ine (365) vor. Derselbe hatte in einem Falle
Ton doppelseitiger Ptosis bei einem Tabetiker mikroskopisch eine periphere
Neuritis der zum Levator gehenden Nervenäste konstatirt, während die
anderen Aeste und der Stamm des Oculomotorius selbst unversehrt waren.
Leider sind jedoch in diesem Falle die Nervenkeme nicht untersucht worden.
Da jedoch, wie wir später sehen werden, in der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle die Ptosis im Verein mit Ophthalmoplegie bei der Tabes nuklearer Natur
ist, so wird man auch für die meisten Fälle isolirter Ptosis wohl einen primär
degenerativen Prozess im Levatorkem annehmen dürfen.
§ 62. Das Vorkommen der isolirten Ptosis ist wissenschaftlich von hohem
Interesse. Eigentlich sollte man meinen, die Lähmung eines Oberlides mnsste
immer auf eine Nuclearlähmung hinweisen. Uhthoff fand aber unter 250
Fällen von Syphilis des Zentralnervensystems, die einseitige isolirte Ptosis
8mal (ohne gekreuzte Körperlähmung), dreimal waren basale Erkrankungs-
herde daran schuld, 4mal war der Sitz der Läsion unsicher, und einmal war
der Sitz der Läsion in der entgegengesetzten Hirnrinde zweifelhaft.
Ferner beobachtete Uhthoff die isolirte Ptosis viermal bei luetischer
Oculomotoriusaflektion mit gekreuzter Körperlähmung. Hier w^ar der Sitz der
Läsion bei 3 Fällen ein fasciculärer, einmal war ein Tumor in der Hirnrinde
vorhanden. Wir werden im Kapitel über die Ptosis bei der Syphilis noch
genauer auf diesen Punkt zurückkommen. Jedenfalls ist daraus zu entnehmen,
dass die isolirte einseitige Ptosis auch durch basale Herde hervorgerufen
werden kann. Dasselbe hat auch Bezug auf die isolirte doppelseitige
Ptosis bei Lues des Centralnervensystems, U h t li o f f fand dieselbe bei vier
Fällen, und stets war der Sitz der Läsion ein basaler.
ie isolirte komplete einseitige Oculoraotoriuslähmung
bei Tabe&.
D
§ 63. Die isolirte, komplete, einseitige Ocnlomotoriuslähmung ist bei
Tabes eine seltene Erscheinung, Die Levatorlähmung ist selbstverständ-
lich dabei immer vorhanden und äussert sich in einer absolut schlaffen^
totalen Ptosis.
Die komplete Oculomotonuslähmung kommt als erstes Symptom der
Tabes vor, wie in den beiden von Fischer (366) beobachteten Fällen: Ein
Mann von 40 Jahren, luetisch, zeigte anfangs rechtsseitige Oculomotoriuslähmung^
Sjjäter traten tiibische Erscheinungen hinzu.
Beobaciityng IL Ein 47jähriger Mann, luetisch, zeigte linksseitige Oculo-
motoriuslähmung, anfangs ohne jegliche Spinalsymptome* Spater ausgeprägte
Tabes.
Auch bei Marina (1. c. pg. 211) tinden wir eine einschlägige Beob-
achtung. Ein 67jähriger Patient acquirirte im 21. Lebensjahr Lues. Seit
25 Jahren langsam sich entwickelnde vollständige linksseitige Oculomotorius-
lähmung. Seit 15 Jahren lancinirende Schmerzen, Jet^t vollständige Lähmung
des linken Oculoinotorius mit leichter Parese des Rectus internus der rechten
Seite. Starke Miosis, beiderseits Pupillenstarre. Die linksseitige Oculo-
motoriuslähmung war lange als erstes und einziges Symptom
der Tabes hier vorhanden.
Auch der von Pribram (367) veröfTentlichte Fall zeigte Lues. Hier
war aber als erstes Zeichen der Tabes reflektorische Pupillenstarre aufge-
treten. Der Patient hatte vor 14 Jahren ein Ulcus. l>ie Tabes begann mit
reflektorischer Pupillenstarre. Später trat vollständige linksseitige
Oculomot oriuslähmung hinzu.
Auch wir sind in der Lage folgenden Fall niitzutheilen ohne jedoch an-
geben zu können, ob die Oculomotoriusiähmung als erstes oder späteres
Symptom der bei der Untersuchung des Patienten bereits ausgeprägten
Tabes aufgetreten war. Während die seither erwähnten Fälle sämratlich
luetisch waren, konnte bei der folgenden Beobachtung Syphilis nicht nachge»
wiesen werden.
Fall 16. J, B., 57jähriger Schifler, zeigt auf dem linken Auge eine isolirte^
komplete Oculomotoriuslähmung (siehe Figur 52). Es bestand rechts reflekt.
Pupillenstarre, die linke Pupille war absolut starr und weiter als die rechte.
Die Sehschärfe war beiderseits normal* Der Patient ist angeblich seit 1 Jahre
krank. Keine Syphilis, kein Schanker. In diesem Falle von Ptosis ist der
linke Frontalis nicht kontrahirt, weil aus Widerwillen gegen das Doppeltsehea
das linke Auge bedeckt bleiben musste.
Iti
Die Ptosis bei dar Tabes und Taboparaljs*-.
Auch in dem vun tU^ Bobo (368) beschriebenen Falle von rechtsseitiger
kompkter Oculomotoriuslähmung bei Tabes war keine Syphilid vorhanden,
die tabischen Ersrheinun^en traten aber mit der OculomotoriiLsläliinimg zu-
gleich in die Erscheinung, üleicbzeitig bestand hier rechts ein Spa*miu
des Orbicularis.
Als spät auftretendem Sym|>tüin der Tabes begegneten wir der
isolirten einseitigen kompleten Oculümotöriusläbmung in folgendem Fallt*
{Nr, 17) nuserer Beobacbtung:
K, J., 59jähr. Zollbeamter,
leidet seit 15 Jal^ren an blitz-
iirtigen Schmerzen. Vor -U).biLren
< beschwur am Penis, nie Sekundir-
erscbeinungen» Vor 18 Jahren
Stoss gegen das linke Au^e. Kam-
berg. Unsicherheit beim (lehen.
Ataxie beim Knie fersen versuch.
Fehlen der Patellarretlexe. N;ich-
triuifeln des rrins. Hochgradige
Aijili^ien. Beiderseits reflek*
toUM iie Starre der Pupillen, beide
\ün unregelniiissiger Fi^iin. Seit
14 Tagen links k o m p 1«? te
< ) c u I o m o 1 0 r i u s 1 ä b ui n n g.
In der f o l g e n d e n B i»-
obachtung ist zwar 'li*'
( ) c u 1 o m o t o r i u sl ä b ni u n g a n t
dem einen Auge isolirt und
komplet, auf dem anderen
besteht aber absolute Tu
pilienstarre: Glorieux <369)
lierichtet über einen Mann, der
ohne Prodrome gehabt zu haben,
mit VUmn erwaclite. Es zeigte
sich rechts komplett-OculomotoriuS'
lähmung bei intaktem Trochlearis und Aliducens, ausserdem beiderseits
absolute rupillonstarre- Lues wurde negirt. Hechts fehlen die Patellar«
reflexe, links waren sie herabgesetzt. Blasensebwäche. Impotenz. Zeitweise
trat noch intermittirendes Doppeltsehen dazu.
In dem von Mobius (370) erwähnten Falle trat noch später zur Oculo-
Hiotoriuslähmung Parese des Trige minus bin^u. Es handelte sich um
eine 37jährige Frau, welche seit einigen Jahren luetisch war. Die Pupillen
w^aren eng, ungleich weit und refiektorisch starr. Die Sehschärfe war beider-
seits normal. Es fehlten beiderseits die I*atellarretlexe. Leichte Aniüithe>iL'
der Finger.
Flg. 52,
J. B. iH^lirte komplete nDkeä*<4tljure Oculomotorius-
lühmung bei ThIh"».
Die Ptosis bei der Tabes und Tabopftralyse.
14;^
Zuweilen ist aber nur d ie kumplete üculomot oriuslälimuBg
Vorläufer einer Ophthalmoplegie, wie in dem bereits erwrähnten Falle
von Glorieux und in den beiden folgenden Beobachtungen von Sauvinean
(371): Fall I. SUjäbriger Mann. Im 27. Jahre Syphilis. Anfangs Labmunjz
des linken Oculomotorius. Seit einem Jahre Unbeweglichkeit des linken
Bulbus, dann Ptosis und später Lälmiung des ganzen rechten <k'ulomotoriiis.
Fall II. 37jiihriger Mann. Vor 10 Jahren Lues. Die Aftektion rtn^^
mit Doppeltsehen an. Vollständige totale Lähmung des rechten üculomotorius.
Lähmung der Binnen nniskulainr links. März Ul : Läbnmng des rechten
Trocblearis, des rechten
( Jculoniotorius mit geringer
Ptosig. Linkes Auge unbe-
we^liclh aber keine Ptosis.
$64. In ditlerentiell dia-
gnostischer Hinsicht könnte
leicht diese isolirte Orulo-
inotnriiislähmung bei labes,
zumal wenn sie das einzige
Imtialsyraptom bildet, wie
in den eingangs erwähnten
Fällen von Marina und
Fische r , mit cerebraler
Lues verwechselt werden.
Auch wir kfinnen fol-
genden Fall (Nr, 18 Fig. 53)
au§ unserer Beobachtung hier
anführen :
Frau F, S., 33jährige
Arbeit er flau ist hereditär
nervös belastet. Die Schwester
leidet an Kupfschmerzen, der
Bruder hat sich im Xer-
folgungswahn das Leben
genoonnen, Patientin zweimal verheirathet, ist in beiden Eben kinder-
los geblieben. Schon als Kind hatte sie einmal an Kopfsclimerzen zu
leiden. Nie Erbrecben. Seit 3 Wochen Doppeltsehen mit Schielstellung des
Auges nach aussen. Vor 14 Tagen fiel auch das rechte Oberlid herunter.
Sonst fühlt sich Patientin wohl. Es besteht zur Zeit rechts eine fast kom-
plete Ptosis (siebe auch Fig. 33 p. 77), Sie kann aktiv das rechte Auge etwas
üönen — die übrigen Zweige des Oculoniotorius rechts ebenfalls gelähmt.
Der Trochlearis und Abducens frei. Beiderseits besteht Accommodationsparese.
Die rechte Pupille ist enger als die linke, beiderseits reflektorische Licht-
starre und Konvergenzstarre. Die Patellarreflexe, die Ächillesreflexe sind
vorhanden. Der Plantarreflex beiderseits lebhaft. Keine Ataxie. Sensibihtät
F. S. IJnkssf^ti^e Öi»hthalmopl<'gia mterior, rH.'hlsseitigp
umle Ocalooiotoiius* uiul TniHili^jirisIalimtiiig , iinsii'hcr
tmUt begitiuenil« Tabc?*.
ob cerebral** Luc
144 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
gut. Sonst alles normal. Bezüglich der Kinderlosigkeit dieser Patientin in
zwei Ehen könnte man an Lues denken, dafür würde auch die beiderseitige
Accommodationsparese sprechen.
Ueber einen anderen Fall berichtet Uhthoff (385): Derselbe stellte
einen Kranken vor, welcher seit 2 Jahren eine rechtsseitige Trigeminuslähmimg
hatte, eine Affektion aller drei Aeste mit Betheiligung der Gescbmacksfasern.
Dazu hat sich eine komplete Lähmung des Oculomotorius derselben
Seite gesellt. Der Kranke war vor 20 und vor 4 Jahren syphilitisch infizirt,
und man nahm daher eine gummöse Erkrankung des Trigeminus und Ocnlo-
motoriusstammes an der Basis cranii an. Indess Inunctionen hatten wenig ge-
holfen. In allemeuester Zeit haben sich aber neue Erscheinungen, die früher
nicht da waren, gezeigt als : lancinirende Schmerzen in einem Intercostahaum
links nebst einer kleinen anästhetischen Zone daselbst; femer taubes Gefühl
und Herabsetzung der Schmerzempfindung in den Händen (Ulnarisgebiet).
Die Pupillen waren links normal. Die Kniephänomene normal, keine Blasen-
beschwerden.
Nach Fournier (386) ist die syphilitische Oculomotoriuslähmung aus-
gebreiteter und betrifft mehrere Muskeln; gleichzeitig bestehen Kopfschmerz,
Schwindel, epileptiforme Anfälle, Aphasie, geistige Störungen u. dergl.; bei
der tabischen, bei der vorwiegend die Nervenwurzeln erkrankt seien, wäre
oft nur ein einzelner Muskel erkrankt. Bei Lues leide die Acconunodation
frühe, bei Tabes bliebe sie lange erhalten. Tabische Lähmungen seien oft
nur vorübergehend, manchmal nur wenige Stunden anhaltend und würden oft
rückfällig; syphilitische Lähmungen seien konstanter und entwickelten sich
allmählich. Diese Angaben können jedoch nur im grossen und ganzen von
differentiell diagnostischem Werthe sein.
§65. Auch liegt eine Beobachtung vor, wo das intermittirende Auftreten der
Oculomotoriuslähmung bei Tabes anfänglich zu einer Verwechslung mit reci-
d i vir end er Oculomotoriuslähmung geführt hatte. So beobachtete Pel (364)
innerhalb zweier Jahre bei einem Kranken siebenmal recidivirende partielle
Oculomotoriuslähmung. Der erste Anfall dauerte zwei Tage, der letzte noch
nicht zurückgegangene schon 2 Monate. Es war immer geringe Ptosis
vorhanden, und das Auge stand nach unten und aussen abgelenkt. Die nicht
erweiterte Pupille reagirte träge. Sonst war alles normal, aber Fehlen der
Patellarreflexe, lancinirende Schmerzen und Gürtelgefühl wiesen auf beginnende
Tabes hin.
§ 66. Ein Sektionsbefund eines Falles von isolirter^ kompleter, einseitiger
Oculomotoriuslähmung bei Tabes ist leider noch nicht vorhanden, wiewohl der
Besitz eines solchen in hohem Grade interessant wäre. Es liegt nämlich die
Yermuthung nahe, dass diese Form der Augenmuskellähmung durch einen
neuritischen Prozess im Oculomotoriusstamm bedingt sein möchte. Jeden-
falls könnte hier schon eher an Neuritis gedacht werden, als bei den tabe-
tischen Formen der isolirten Ptosis.
»leuritis des OcuJomotoriiisstammes
degetieration bestehen kann, liut Marina (I. e. pag. 200 Fall XXII) bei der
fi»l£?enflen Beobaclitung inikrask<ipisc!i nachgewiesen. Ein 38jäliriger Sänger
hatte vor 18 Jahren Ulcus oline Sekundärer scheinungen. Links Lähmung
des Oculomotorius mit Ptosis. Die rechte Pupille mydriatisch, die linke
leicht niiotisch, reUektorisch starn Beide Abducentes paretisch. Tabes mit
Larynxcrisen. Äi)aplexie durch Hätuorrhagie in die rechte Kleinhirnhemi-
spliäre. Massige Atrophie des Vagus-, des Acusticus-, stärkere des linken
Oculomotoriuskerns, Neuritis des Vagus, des Acusticus und des Oculoniutorius.
Auch Oppenheim und Siemerling (372) haben in einer Reihe von
Tabesi allen ächte interstitielle Neuritis resp. Perineuritis kons tat! ren
ktmnen. Allerdings erstreckte sich die Untersuchung nur auf die peri-
pheren Nerven, und wurde nicht gleichzeitig die Kernregion untersucht,
Dass aber auch andererseits bei cerebraler Lues mit Oculomotorius-
lähmung eine Kerndegeneration bei der Autopsie gefunden werden kann,
zeigt folgender Fall von Oppenheim (373), weicherauch in therapeutischer
Hinsicht von Interesse ist.
Ein 31 jähriger Kranker zeigte abgelaufene Keratitis parenchymatosa^
Iridochorioiditis syphilitica, Lähmung des rechten Oculomotorius, Pupillenstarre
(iritische Synechien), lancinirende Schmerzen, krampfiiafte Hustenanfälle mit
Schlingbeschwerden, i*arese des (iaumenseegels, des rechten Stimm bandes und
des rechten Cucullaris, Brechanfälle, Fehlen des Kniephänomens, Sensibilitätsstör-
nngen an den Beinen, Blasenbeschwerden. Besserung du rch Schmierkur
Die Lichtreaktion der linken Pupille war wieder nachweisbar. Ein Jahr
später wurde Patient wegen Verschhmnierung wieder in die Klinik aufgenommen.
Nun konnte trotz Fehlen des Kniephänomens Fusszittern hervorgerufen
werden. II. Sclimierkur erfolgtos. 2 Jahre darauf bestand spastische Parese
der Beine mit lebhafter Steigerung des Kniephänomens und Fussclonus. Tod
drei Jahre darauf an Carcinoma uteri.
Die anatomische Untersuchung ergab einen Erweichungsherd im linken
Corpus striatum, Pachyuieningitis interna chronica et Arachnitis gummosa
im liiickenniarkskanal. Die spinale Meningitis war am stärksten am unteren
Brust- und oberen Lendentheil. Graulich speckiges (iewebe uiugab das Mark,
umklammerte und durchwuichs die Wurzeln, drang zum Theil auch in das
Ifark ein und hatte im unteren Brusttheil den ganzen Querschnitt einge*
nommen, sodass auf- und absteigende Entartung zu Stande gekommen war.
Im verlängerten Mark waren atrophisch : das rechte Solitärbündel, iler liintere
Vaguskern und besonders der Olossopharv^ngenskern und die Wurzelfasem,
sow^ie der Abducenskern. Deutlich war auch eine Atrophie der
( ) c u 1 o nio t o r i u s k e r n e.
3. Die Ptosis bei der tabischen Ophthalmoplegia exterior.
§ tj7. Marina (1. c.) konnte bei 150 Tabetikern in 3,3 ^o Ophthalmo-
plegie konstatiren.
Wilbr*nd-Saengeir« Neurologie des Augea. 10
146 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
Wir fanden unter 302 Fällen von Tabes in 22 Fällen Ophthalmoplegie^),
also in 7,2o/o.
Unter einer Zahl von 99 Fällen von Ophthalmoplegie bei Tabes (siehe
Tabelle IV bis IX) und Taboparalyse wurde Ptosis überhaupt in 69 Fällen
konstatirt, keine Ptosis nur in 12 Fällen, Zweifel, ob Ptosis Torhanden
war, weil in den Krankengeschichten ihrer neben der Ophthalmoplegie nicht
besonders Ei-wähnung gethan, bestand in 18 Fällen. Man ersieht daraus, wie
ausserordentlich häufig der Levator bei der tabetischen Ophthalmoplegia
exterior mitafficirt wird.
Unter den 69 sicher konstatirten Fällen von Ptosis bei tabetischer Oph-
thalmoplegia exterior war dieselbe in 25 Fällen einseitig, in 44 doppelseitig
angegeben, wenigstens zur Zeit der Niederschrift der Krankengeschichten. Dass
aber hier so häufig Ptosis gefunden wird, nimmt nicht Wunder, wenn man
berücksichtigt, dass bei der Ophthalmoplegia exterior bei Tabes nur in einer
ganz verschwindenden Anzahl von Fällen der Oculomotorius überhaupt nicht
mit afficirt ist (Siehe die Tabellen IV bis VI.). Meist sind dabei anfangs nur
einige der von ihm versorgten Muskeln neben dem Levator paretisch, und es
kommt im weiteren Verlauf oft zur kompleten Lähmung dieses Nerven.
In der Mehrzahl der Fälle ist das Auftreten der Ptosis ein plötzliches
wie z. 1{. in der Beobachtung von Glorieux (369), wo ein Tabetiker, ohne
Prodrome gehabt zu haben, mit Ptosis erwachte.
Die Ptosis war in allen Intensitätsgraden vorhanden, meistens aber nur
leicht und wechselnd in ihrer Stärke.
Siemerling und Boedeker (362) fanden in allen vorgeschrittenen
Fällen der Taboparalyse auch starke Grade der Ptosis. Es machte den Ein-
druck, als ob diese mit der Intensität der Lähmungen in den übrigen vom
Oculomotorius versorgten Muskeln Hand in Hand ginge. Bei anderen konnte
die Ptosis noch überwunden resp. bis zu einem gewissen Grade noch ausge-
glichen werden, ein Verhalten, welches die Franzosen mit „Ptose volontaire'
bezeichnen. Die Symptome der leichteren Ermüdbarkeit des paretischen
Levators waren dagegen bei den Fällen von Siemerling und Boedeker nicht
deutlich zu Tage getreten.
Ob in der Mehrzahl der Fälle von Ophthalm. exter. bei Tabes die
Ptosis zuerst aufgetreten war, oder erst; nachdem die anderen Augenmuskel-
lähmungen sich entwickelt hatten, konnte aus der Beschreibung der einzelnen
Beobachtungen in einer für die Statistik zu verwerthenden Weise aus unserem
Materiale nicht entnommen werden. Jedenfalls gehören die Fälle, bei welchen
schliesslich sämmtliche Augenmuskeln mit Ausnahme des Levator
1) Abgesehen von der doppelseitigen reflektorischen Starre der Papille, die oebeo
einseitiger Augeninuskellähmung von Marina ebenfalls der Ophthalmoplegie zagezihlt
wurde.
Die Ptosis bei der Talies und TaboparaljÄe.
147
gelähmt waren, zu den st'lteu-
ßten Ausnahmen. So begann bei
dem Fa 1 le B o e d e k e r * s ( 374) die
Krankheit mit einer Lähmung der
Externi,waraof huld reflektorische
Pupiüeiislarre folgte. Erst 5 Jalire
spater traten sichere Zeichen von
Tabes und Paralyse auf, wie ein-
seitiges Fehlen des Kniephänomens,
hincinirende8chmerzen,Schwindel-
antlille. Stöniug der S]jrache und
Intelligenz. Später wurden alle
Augen m u s k e 1 n mit A u s-
n ah nie des Levator gelähmt.
Häutiger dagegen sind schon
die Fäile. bei welchen die an-
fänglich vorhandene komplete
Ptosis hei fortschreitendem G rund-
leiden sich besserte und fast ver-
schwand , wie in dem folgenden
Falle (Fig. 54 u. 55) aus unserer
Beobachtung.
(Nr. 19.) H. M 39]ähriger
Matrose. Ausgesprochene Tabes.
Im Juni 1895 fiel ganz plötzlich
das rechte Oberlid herunter. Die
Ptosis besserte sich etwas, als
plötzlich nach einigen Wochen
beide (Oberlider gelähmt wurdt-n,
Patient (siehe Figur 54) miisste,
um sehen 2u können, den Kopf
weit zuriickbiegen. Nachdem dieser
Zustand eine Reihe von Wochen
angehalten hatte, gingen alhnäh-
lich beide Lider von selbst wieder
in die Hohe; dabei zeigte sich,
dass inzwischen Doppeltsehen auf-
getreten war, und die beiden Recti
inteiTii, sowie der eine Rectus
superior gelähmt waren. Pupillen
besonders eng und reaktionshis
auf Licht. Beiderseits normale
Sehschärfe und normaler ophth.
Befund. Im November war die
Fig 54.
H. M. Dnppi'lfseilig^ Ptosis bei Talw*«.
H. M. I>iM-Sfi>Jbe Pftiient wie Fig. 54 (jeUt niU
Vollbflrt). Kt^leuteiidf BeastTunff der Ptoüin;
^f Jahr hf litter. als zur Zeil derAufDahme Fig. 54,
148 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparaljae.
Ptosis noch mehr zurückgegangen. Am 4. Dezember ist erwähnt, dass der Grad der
Ptosis fast einem täglichen Wechsel unterworfen sei. Einen Monat darauf im
Jan. 1896 hatte die Ptosis wieder zugenommen, sodass links das Auge überhaupt
nicht mehr geöffnet werden konnte (s. Fig. 54). Einige Wochen später war beider-
seits die Ptosis komplet. Im Februar entwickelten sich allmählich Schmerzen in
der rechten Gesichtshälfte, taubes Gefühl in der Zunge, hochgradige Herab-
setzung der Sensibilität im Gebiete des I. und II. Trigeminusastes. Rechts
fehlte der Konjunktivalreflex, und der Komealreflex war sehr schwach. Rechts
Kaubeschwerden, Geschmacksstörungen und rechterseits Affektion des Mund-
facialis, Taubheit und Ameisenlaufen in den Händen und Füssen. Vom 15.
April 1897 ab ging das Heben der Oberlider langsam besser. Am 18. Juni
1897 war links die Ptosis noch stärker als rechts.
Am 18. VIII 1897 war rechts die Bewegung des Bulbus nur nach aussen
möglich, links die Bewegung desselben nach allen Richtungen aufgehoben,
nur etwas Beweglichkeit nach aussen möglich. Das linke Oberlid bedeckt
nur noch das obere Drittel -der Hornhaut, rechts kaum noch Ptosis (siehe
Figur 55).
Am häufigsten sind jedoch die Fälle mit vorübergehender Ptosis im
Initialstadium der Tabes und späterem Auftreten stationärer Lähmungen der
äusseren Bulbusmuskulatur.
Ueberhaupt ist das vorübergehende Auftreten von Ptosis bei der
tabischen Ophthalmoplegia exterior ein sehr häufiges. So beobachteten wir
(Nr. 20) einen 47jährigen tabischen Herrn mit träger Pupillenreaktion,
hincinirenden Schmerzen, Analgesien rechts, abgeschwächtem Patellarreflexe etc.,
bei welchem drei Mal Ptosis mit Doppeltsehen aufgetreten und wieder zurück-
gegangen w^ar. Wie schnell überhaupt diese Lähmungen bei Tabes, selbst ohne
Behandlung, wieder verschwinden und wieder auftreten können, zeigt folgende
Beobachtung von W o i n o w (375) , bei welcher anderthalb Wochen nach
Lähmung des Rectus intc^rnus am rechten Auge sich Paralyse des M. rectus
internus und Obliquus super, des linken Auges einstellte. Dann wurde
fünf Tage später Paralyse des M. rectus und obliquus des rechten Auges kon-
statirt, und nach vier Wochen waren alle Muskeln wieder normal, bis wieder
zwei Wochen später Lähmung des Rectus super, beiderseits auftrat.
Es ist dies ephemere Auftreten von Ptosis und Diplopie bei der Tabes
um so auftauender, als wir hier ni emals vorübergehende Affektionen
des Sehnerven beobachten. Denn treten einmal bei der Tabes Symptome
von P'rkrankiing des Nervus opticus auf, so ist auch sicher mit dem Beginne
der progressiven Seimervenatrophie der vollständige Verfall des Sehvermögens,
und zw.ir auf beiden Augen unabweisbar.
Ein vorül)ergehendes Auftreten von Ptosis und von Augenmuskel lähmungen
vollzieht sich nun nicht allein auf dem einen befallen gewesenen Auge, sondern
es kann der ganze bis daliin einseitig vorhandene Komplex von Lähmungen
rasch verschwinden, um dann im gleichen Masse auf dem anderen Auge auf-
zutreten, wie in der folgenden Beobachtung Jendrassik's (376). Ein
Die Ptosis bei t!er Tabes und 'Inbopamlyae. 149
Tabetiker zeigte bei der Aufnahme eine reclitsseitige Oculomotoriuslähmung:
ais weite Pupille, Ptosis^ (die Kornea stand im äusseren Winkel der Lid-
spalte), Faciiilis- und sensibele Trigeminuslähmung. Der ganze SYUiptomen-
komplex begann nach einem halben Jahre sich zu bessern, und die vollständige
Heilung vollzog sich in 8 — 10 Tagen, Wahrend dieser Zeit entstand aber
ilie gleiche Ijähmiingsforra auf der linken 8eite in gleichem Schritt mit der
Besserung auf der rechten Seite. Ein halbes Jahr spiiter wanderte die ganze
Lähmung wieder nach der rechten Seite zurück. Bei der Sektion war nichts
Aufteilen des an der Medulla oblongata zu erkennen, Audi die mikroskopische
Unti^rsuchung erwies keine Veränderung in den betrutienden Neivenkernt^n,
Wenn auch in diesem Falle ein symmetrisches Befallen werden der Kern-
region der anderen Seite hervorzuheben ist. so ist jedoch der Hang zu sym-
metrischer Erkrankung der gleichen Kernregionen , m i t Ausnahme der
Lev atorkerne, bei den tabiscben Nuklearliihmungen nicht sehr in die
Augen springend, während hingegen am Sehnerven oft an den korrespondiren-
den Steilen der beiden Nervi optici Gesichtsfelddefekte hervortreten.
§ 68. Sehr schwierig ist oft die DitFerentialdiagnose bei Oplithalraoplegia
exterior mit Ptosis zwischen cerebrospinaler Lues und beginnender Tabes, Para-
lyse und Psychose* Die Ophthalmoplegie ist hier Theilerscbeinung einer diftusen
Erkrankung des Nervensystems, in der bald die »spinalen und cerebralen,
bald die psychischen Symptome vorherrschen. Aber auch die Syj»hitis kann
Kernerkrankungen hervorrufen, *) wenn auch, vielleicht in der Mehrzahl der
Fälle, eine gummöse Meningitis eine basale neuri tische und selbst isolirte
Augenmuskellähuiung verursacht; denn ühthoft' fand bei 250 Fällen cere-
braler Lues mit Sektionsbefund Folgendes:
L Nur die vom Oculoraotorius versorgten Zweige für die äusseren
Augenmuskeln betrofien : 3mal (Imal basale Läsion, 2mal fasciculäre).
2. Alle Ae^te des Oculomotorius ohne Sphincter pupillae, wohl aber
Accommodation mitbetroffen. (Imal unbestimmter Sitz der Läsion L
3. Alle Äeste mit Ausnahme des Levator palpebrae. (imal unbe-
stimmter Sitz der Ursache).
4. Levator palpebrae, Rectus infer, und Rectus internus. (Imal SitK
der Läsion basal).
5. Rectus internus, Sphincter pupillae und Accommodation. (Imal
basaler Sitz der Liision),
6. Rectus internus und Rectus super. (Imal basaler Sitz der Läsion),
7. Rectus internus und RectuS infer. (Imal basaler Sitz der Läsion).
8. Levator palpebrae und innere Augenmuskulatur: 6mal {3mal basal,
3mal unbestimmter Sitz der Läsion).
9. Rectus internus und innere Augenmuskulatur; Imal (basaler Sitz
der Läsion).
1) VonGraefe (434) fand unter 160 Fällen von Lähmungen des Oculomotorius mehr
ils die Hälfte durch Lues bedingt.
ä
150 Die Ptosis bei der Tabes and Taboparalyse.
10. Levator palpebrae und Rectus super.: 2 mal (basaler Sitz der Läsion.
11. Isolirt Rectus superior: 7 mal (basal).
12. Levator palpebrae und Rect. internus: 2 mal (basal).
13. Keine Funktionsstörungen bei deutlichen anatomischen Veränderungen
6mal (Imal war der Oculomotorius blassgrau verfärbt, 5mal bestanden
basale perineuritische Veränderungen.
Im Allgemeinen kann man hier sagen, dass die tabische Ophthalmoplegie
in der Regel einseitig beginnt und, wenn das zweite Auge ergriffen wird, auch
dann gewöhnlich die tabische Natur unverkennbar hervortritt. Jedenfalls bleibt
aber sicher, dass auch die Syphilis sehr häufig die Ursache von Oculomotorius-
lähmung ist,^) und es sich dabei in der Mehrzahl der Fälle um partielle
Lähmungen dieses Nerven handelt. Während bei beginnender Tabes meistens
reflektorische Lichtstarre beobachtet wird, finden wir sehr gern als Initial-
symptom der cerebralen Lues eine einseitige absolute Pupillenlähmnng isolirt
oder verknüpft mit Accommodationslähmung resp. Schwäche der gleichen
Seite. So konnte Alexander (437) bei 35 Fällen von einseitiger Oculomotorius-
lähmung in 72°/o mit Sicherheit, in 14°/o mit Wahrscheinlichkeit Lues nach-
weisen. Es handelte sich hierbei wesentlich um einseitige Pupillen- und
Accommodationslähmung. Auch Rumpf (435) bestätigt dies und fügt in seiner
Monographie eine eigene Beobachtimg hinzu. — Ueber folgende dahingehörige
Beobachtung berichtet Rosenthal (439): 36 jähr. Frau. Vor 6 Jahren Syphilis.
Vor 8 Wochen Strabismus converg. 4 Wochen nachher Lähmung der linken
Körperseite. Linksseitige Ptosis. Lähmung des Rect. sup. und inf. sin. Links
Pupillenerweiterung und Accommodationslähmung. Linksseitige Abducens-
lähmung. Links Parese des äusseren Facialis. Später wurde die linksseitige
Ptosis vollständig. Die Sektion zeigte ein haselnussgrosses Syphilom im
Schweife des rechten Streifenhügels. An der Hirnbasis war der linke N. ocu-
lomotorius atrophirt und erweicht. Bei der mikroskopischen Untersuchung
fanden sich nur wenige intakte Nervenröhren.
Auch wir könnten hier mehrere diesbezügliche, eigene Fälle anfuhren,
in w^elchen bei sicher konstatirter Lues nur einseitige Pupillen- und Acconmio-
dationslähmung vorhanden war, welche auf eine antisyphilitische Kur
zurückging.
Erscliwert wird noch die Differentialdiagnose zwischen cerebraler Lues
und Tabes durch die Thatsache, dass bei Tabetikem mit luetischer Ver-
gangenheit Augenmuskellähmungen und somit auch Ptosis häufiger, als bei
nicht luetisch gewesenen Tabikern gefunden werden.
Nach Berg er 's Angaben (377) bestand bei früher syphilitisch gewesenen
tabischen Männern in 32 ^/o ein üeberwiegen der Augenmuskellähmungen,
während bei nicht syphilitisch gewesenen Männern dieselben nur in 17®/o
1) Hutchinson (438) konnte unter 17 Fällen von Nuklearlähmungen 10 mal Syphilis
mehr oder minder sicher nachweisen.
gefunden wurden. Bei sypbilitisdi gewesenen weiblichen Tabisdien stehen
25^*i'o den nicht syphilitisdi gewesenen mit 18^Vo gegeniiben
Nach Di II mann (351) war in der Hälfte der Fälle von Aiigenniuskel-
lahmungen Sjijhiüs nachweiöbar entsprechend den Angaben von Oppenheim
und Remak*
Nach Eulenbiir g*s Zusaminenstellung (378) zeigte sich unter 39 sicher
luetischen Tabikern 7mal^ also in 17,9'^/o der Fälle der Oculomotorius in seinen
Zuneigen alter irt
Bezüglich der Beleuchtung dieser difierentiell-diagnostischen Scliwierig-
keiten zwischen cerebrospinaler Lues und Tabes mag es gestattet sein, einige fremde
und eigene Beobachtungen hier anzuführen. Su beobachtete Seguin (379) einen
31 jährigen Luetischen mit beiderseitiger Ptosis und Paralyse resp. Parese
der vom Oculomotorius versorgten Augenmuskeln. Die linke Pupille war weiter
als die rechte. Beiderseits bestand Pupillenstarre auf Licht und Accommodation.
Bhisenheschwerden, Steigerung der Patellarref lexe, blitzartige Schmerzen,
fortschreitende Atrophie der Muse, temporales und niasseteres. Zwei Jahre
darauf war die Tabes roll ausgesprochen mit Fehlen der Patellarref lex e
und Ataxie aller vier Extremitäten.
In dem von Sachs (349) erzählten Falle trat zuerst Ptosis auf dem
rechten, w^enige Monate später auf dem linken Auge auf. Es folgte Lähmung
der übrigen Augenmuskeln, schliesslich konnte nur das linke Auge noch etw^as
nach innen und oben bew^egt werden. Die linke Pupille reagirte auf Accommo-
dation, aber nicht mehr auf Licht, die rechte war durch Hornhauttrübungen
verdeckt. Das Kniephänomen fehlte beiderseits. Während dessen
führte akute Poliomyelitis zu Atrophie des rechten Beines. Sonst verhielt
sich der Kranke normal.
Lang (380)citirt folgende Beobachtung Donath's, Bei einem 55jährigen
Manne, w^elcher allabendlich heftige Interkostalschmerzen bekam, waren die
Pupillen enge, reagirten aber auf Licht. Rechts Lähmung des Trochlearis,
Pateltarretlex rechts fehlend, links schwach. Ausserdem Schmerzen in den
Beinen, Maculopapulöses Syphilid am Rumpf und den Extremitäten, sodass
die Infektion auf drei Monate zuriickdatirt werden konnte. Der Kranke
hatte jede Genitalaffektion geleugnet und will seit Jahren den Coitus nicht
ausgeführt liaben. Im Laufe der nächsten vier Wochen wurden die Pupiüen
ungleich und verloren die Lichtreaktion. Es entwickelte sich ferner links-
seitige Ptosis und rechtsseitige Facialisparese. Eine Inunctionskur
beseitigte rasch die Schmerzen, die Trochlearis- und Oculomotoriuslähmung,
sowie das Hautsyphilid. Die Ungleichheit der Pupillen, das Robertson'sche,
das Westphat'sche Zeichen, sowie die rechtsseitige Facialisparese blieben jedoch
bestehen.
Hier bestand offenbar ein Parallelverlauf zwischen Tabes
u nd Lues.
Wir hatten Gelegenheit, folgenden Fall zu beobachten (Nn 17). E. 0.
39jährige Plätterin. Patientin hat ein gesundes Kind, welches jetzt 20 Jahre
i I.
im
Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
alt ist; drei Kinder sind im Alter von ^/, Jahren an Schwäche gestorben, ikx
Mann ist an Nervenlähmung zu Grunde |j;egangei), war aber sonst gesund gewe^tüi.
Patientin leidet jetzt an Schwindel und taubem Uefühl in der linken Hand und
klagt seit einem Monat über Sehschwache, welche sich als Accommodatioa^-
parese entpuppte» Die Selisdüirte sonst normal. Beiderseits sind die Pupillen
starr auf Licht; auf Konvergenz geringe Reaktion. Die linke Pupille > aU
die rechte. Die Patientin giebt an^ dass gegen Abend das rech te Oberlid
herabfällt, und sie bis zum nächsten Tage dasselbe nicht heben kann. Kh^^X
über nachtliche Kopfschmerzen: konnte eine Zeit lang keinen Urin
lassen. PatellarreHexe lehliaft, kein Ruinberg, keine Ataxie, keine Sensibili-
tätsstörungen, leichte Spannungen uu
linken Schultergelenk , Händedruck
abgeschwächt. Neuerdings zeigen
sich die Bewegungen des
rechten Augapfels allseitig
beschränkt, und zwar fällt die
Iknvegung nach oben ganz au?,
während die Beweglichkeit nach
aussen, innen ond unten nur wenig
beschränkt ist. Daneben wird auf
dera linken Auge eine ganz geringe
Reaktion gegen Licht wieder kon-
Ntatirt. Wir werden wohl nicht fehl
gehen, wenn wir diesen Fall ebenso
wie den folgenden als Lues cerebralis
auffassen.
Beobachtung 18, siehe Fig. 56.
L, M. 45jähriger Matrose. Vor zwei
Jahren Syphilis. Seit einem Jabr
heftige Kopfschmerzen, links Ptosis
mittleren Grades. Beim Blick
nach oben bleibt der Bulbus sehr
erheblich zurück, Blick nach unten und nach oben innen beschränkt.
Rechts keine Ptosis, jedoch die Beweglichkeit des Bulbus nach allen
Seiten bin erheblich beschränkt. Die rechte Pupille weiter als die linke,
die rechte starr auf Licht, die linke zeigt träge Reaktion, beiderseits die
Konvergenz und Accommodationsreaktion erhalten, linker Mundfacialis gelähmt,
Augenhintergrund, Sehschärfe, (iesichtsfeld nomial, P a te 1 1 ar re fl e xe gesteigert*
keine Ataxie.
Dann giebt es wieder Fälle, bei denen es fraglich ist, ob man sie als
atypische Form der isolirt bleibenden progressiven Üphthal-
moplegia exterior zuthei len soll, oder ob sie als Initialstadium
der Tabes aufzufassen wären, (Beobachtung 19). Ein 36jähriger sonst gesunder
Patient, welcher hereditär nicht belastet ist, kein Zeichen von Syphilis dar-
Fig. 56.
L. M. 45jjlhngcir Matrofii\ Dop|ie]seiti^e 0|>h-
ihlilmoplegie. Z weife] huft ul^Tiibt's; wahrMihdulich
^
Die Ptosis bei der Taties und Taboparalyse* 153
bietet, sich nie infieirt haben will uiul zwei lebende Kimler hat, bemerkte
seit einem Jahre eine Beschränkung der Augen beivegungen, Doppelt sehen und
Herabsinken des Oberlids auf dem rechten Auf^e. Die Untersuchunj^ ergab
eine Parese des Trocblearis, des Oculoniotoriiis und Lähmung der Accommo-
dation und I^tpille auf dem rechten Auge. Beiderseits bestand eine Unmög-
lichkeit, nach aussen zu sehen. Die linke Pupille war retlektorisch starr auf
Licht. Kein Hoinberg. Keine Motilitätsstörungen, Patellarreflexe beiderseits
vorhanden. Sehschärfe und nphthalm. Befund normal. Später etwas Besserung
der Ptosis. Schmierkur ohne Erfolg, — Die Pupillenverbältnisse lassen in
diesem Falle eine progressive, isolirt bleibende Ophtbalmoplegie fraglich er-
scheinen, wälirend andererseits wieder eine Schmierkur ohne Erfolg blieb.
Gehen wir nun auf den pathologisch-anatonii sehen Befund naher ein, so
hatten wir schon des Vorkommens der Neuritis an den Stämmen der Augen-
muskelnerven auf Seite 140 Erw\ähnung getban.
S G9. Wir verdanken namentlicli S i e m e r 1 i ng und B o e d e k er umfassende
Unt-ersuebungen über den mikrüskopischen Befund bei den Fallen von tabischer
und tabo-[>ara!ytischer Ot>hthalmüplegie. Bei der Mehrzahl aller Beobachtungen
war eine hochgradige Atrophie der betreffenden Kerne, der zugehörigen
Wurzeln, Nerven und Muskeln vorhanden. In tlen Kernen ist es die Degeneration
der Ganglienzellen und der Schwund des Fasemetzes, welches als konstantes
SjtQptom uns überall entgegentritt. Da eine i>rimäre Degeneration der Kerne
das ursprüngliche Wesen dieser chronischen Ophthalmoplegie bei Tabes und
Taboparalyse darstellt, so verfällt damit auch das ganze motorische Neuron
der Entartung. An den zugehörigen Augenmuskeln konnten Si ein erlin g
und Bocdekerdie verschiedensten Grade der Degeneration» von der einfachen
Verfettung der Faser bis zur vollkommenen Schrumpfung mit grösserer oder
geringerer Betheiligung des interstitiellen Bindegewebe« tinden, und man sah
in einem und demselben Muskel die verschiedensten Prozesse des Verfalls
nebeneinander. Im Allgemeinen konnte man sagen, je hochgradiger die
klinischen Ausfallserscheinungen gewesen waren, um so stärker manifestirte
sich auch der Verfall im Kern.
Bei einer Keihe von Fällen wurde auch eine Verdickung des Ependyma
gefunden {siehe Eichhorst, Fall 6 der Tr belle V, und Kahler, Fall 9 der
Tabelle V). Im letzteren Falle waren noch zahlreiche erweiterte Getlisse
mit verdickten Wandungen in der Umgebung des Aquaeductus Sylvii vor-
handen, so auch im Falle Marina, No. 10 der Tabelle V.
Rosenthal (Fall 11 der Tabelle V) fand Ependym verdickungen ara
Boden des Aquaeduktus und des III. Ventrikels. Jedenfalls ist aber diese
Verdickung des Ependym s kein konstantes Zeichen. Ebenso verhält es sich
mit den Hämorrbagien, welche von Beevan, Fall 2 Tabelle V, Buzzard,
Fall 1 Tabelle V und Siemerling und Boedeker Fall 6 Tabelle VIII
konstatirt wurden. Die letzterwähnten Forscher konnten jedoch Gelässer-
krankungen in den meisten Fällen nicht nachweisen. Dagegen w ird von diesen
154 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
Autoren die Wahrscheinlichkeit betont, dass in den meisten Fällen ein Theil
der Blutungen erst verhältnismässig kurz vor dem Tode zu Stande gekonmien
sei. Im Fall Eichhorst, Fall 6 Tab. V wurde eine frische Blutung auf der
Eminentia teres gefunden.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in vereinzelten Fällen, wie
z. B. bei Glorieux(369) die plötzlich entstandene Ptosis durch eine Hämor-
rhagie bewirkt worden sein könnte, zumal hier Biergenuss zugestanden
worden war.
Bezüglich der auffallenden Erscheinung vorübergehender Lähmung, oder
des Schwankens in der Intensität der Augenmuskellähmungen bei Tabes ist
folgendes zu bemerken:
Zunächst müssen wir, zur Zeit wenigstens noch, die Eventualität offen
lassen, dass die vorübergehenden Lähmungsformen rein funktioneller Nator
sein könnten, d. h. durch solche Schädlichkeiten bedingt würden, deren Nach-
weis mit unseren jetzigen Hilfsmitteln noch nicht gelingt. Andererseits könnte
man aber auch annehmen, dass unter Umständen die Affektion so geringe
Spuren hinterlassen habe, dass wir diese später anatomisch nachzuweisen
nicht mehr im Stande wären. Wir verweisen hier auf den Fall Jendrassik
Fall 8 Tabelle V, den Fall Sharkey Fall 14 Tabelle V und auf die Fälle
von asthenischer Bulbärparalyse (siehe das betreffende Kapitel).
Kahler (Fall 9 Tabelle V) führte in seinem Falle die vorübergehende
Oculomotoriuslähmung auf Cirkulationsstörungen zurück, bedingt durch die
Wucherung des Ependyms im Aquaeductus Sylvii und die zahlreichen er-
weiterten Gefasse in der Umgebung desselben.
Siemerling und Boedeker kommen nach ihren ausführlichen Unter-
suchungen zu dem Schluss, dass erst ein gewisser Grad der Zerstörung der
im Kerne befindlichen Elemente, hauptsächlich der Ganglienzellen erreicht
sein müsse, um die Funktion der Nerven nachweislich zu beeinträchtigen resp.
aufzuheben. Die Zerstörung der Ganglienzellen gehe nicht mit einem Male
oder plötzlich vor sich, sondern successive fielen sie der Schädigung anheim.
Bei einem derartigen Verlaufe in der Erkrankungsweise des Kerns sei die
a priori wahrscheinliche Möglichkeit einer Wiederherstellung, eines Ausgleichs
der Läsion leicht erklärlich. Das verschiedenartige Aussehen der Zellen, wie
es sich in ihren Fällen schon bei den meisten Färbungen ohne Weiteres
darbot, der Wechsel in der Gestalt und Grösse, das mannigfache Verhalten
der Fortsätze, alles dies lasse erkennen, dass der Zerfall des Kerns Schwank-
ungen unterworfen sei, welche auch in der Funktion zum Ausdruck kämen.
Die Veränderungen der Gestalt der Zelle sei das erste pathologische
Zeichen, während der Schwund der Granula erst in zweiter Linie hervor-
trete. Daher habe man es allem Anschein nach mit zwei verschiedenen
Stadien des pathol. Prozesses zu thun. Auf Grund vorhandener Befunde
dürfe man annehmen, dass die früheste Veränderung, mit der die ZeUe auf
einen Heiz antworte, im Verhalten der Granula und zwar in einem Zerfall
derselben sich kund gebe, wobei die äussere Form und Grösse der Zelle durch-
Die Ptosis bei der Tabes und Taboparalyse.
im
aus erhalten bleiben könne. Es sei nun eine Tliatsathej dass in einem grossen
Theile der in ihrer Form und Gnisse bereits stark beeintrüchtigten Zellen
woblerhaltene Gramila sich tamlen, sodass man annehmen müsse» es fände eine
Restitution der zerfallenen Granula statt, und dass somit der
Befund des Zerfalls der Granula auf einen akuten, sich etappen-
weise abspielenden Zellprozess hinweise, während die Form Ver-
änderung der Zelle das Dauerprodukt des jeweiligen K rank-
te itsTorgan ges darstelle. A priori spräche nichts gegen die Annahme,
dass eine bereits formveränderte Zelle mit vorhandenen Granulis bis zu einem
gewissen trrade funktioniren könne. Es läge nahe, in dem vermutheten Ver-
halten der Ganglienzellen während des Krankheitsprozesses den Grund iiir
den Wechsel im Grade der klinischen Ausfallserscheinungen zu suchen.
Die Zellgehiete für den Levator scheinen ganz besonders für derartige
Erholungszustände disponirt zu sein, denn wir begegnen sehr häutig anam-
nestisch Angaben von vorübergehendem Herabhängen eines oder beider Lider,
oder sehen eine anfängliche komplete oder hochgradige Ptosis im Verlaufe
der Tabes entweder ganz vergehen oder geringer werden, um auf einem be-
stimmten Intensitätsgrade längere Zeit oder für den ganzen Ivrankbeits ver-
lauf zu verharren. Im Sinne Siemerling's und Boedeker's ist hier die
Schädigung, nachdem die ersten dadurch gesetzten Störungen überwunden
waren, nicht weiter fortgeschritten, es hat eine Wiederherstellung, ein Aus-
gleich des Prozesses stattgefunden, und wir haben in der dauernden Parese
die Reste der vorhanden gewesenen Läsion vor uns.
In den eben entwickelten Anschauungen dieser Autoren würden w^ir
dann auch eine Erklärmig für die Zustände rascher Ermüdbarkeit resp. Zu-
nebmens der Lähmungserscheinungen während des Tags und Besserung der-
selben durch die Nachtruhe resp. hei Hebung des allgemeinen Kräftezustandes
des erkrankten Individuums ünden.
Um ein Beispiel für ein derartiges Schwanken der Ptosis bei Tabes mit
Sektionsbefund anzuführen, wollen wir die Beobachtung Oppenheim's (381)
hier kurz .skizziren. Es hing das rechte Oberlid tiefer herab als das linke,
doch bestand bei forcirtem Äufreissen der Augen keine Difierenz zwischen
rechts und links. Ungefähr ein Jahr später wird berichtet: Die Augen können
gut geöffnet werden, die rechte Lidspalte ist aber für gewöhnlich etwas kleiner
als die linke. Häutig hängen die oberen Augenlider weit herab, ohne dass
von einer eigentlichen Ptosis die Rede sein kann. Bei der mikroskopischen
Untersuchung konnte in der Hölie der vorderen Vierhügelgegend kurz hinter
der hinteren Kommissur ein deutlich atrophischer Zustand des rechten
Oculomotoriuskerns konstatirt werden. Die Ganglienzellen waren zum grossen
ITieile untergegangen, die austretenden Wurzelfasern verdünnt und zum Theil
degenerirt. Im Stamm des rechten Oculomotorius fand sich eine grossere
Anzahl atrophischer l'rimitivfasern, ebenso im Abducens.
Bezüglich der doppelseitigen Funktionsstörung des Levator bei einseitig
156 Die Ptosis bei der Tabes und Taboparaljse.
gefundenem Krankheitsherd haben wir § 48 p. 90 schon des Wissenswerthen
Erwähnung gethan.
§ 70. Schliesslich sei noch erwähnt, dass E. Berger darauf aufmerksam
gemacht hat, dass eine leichte Verengerung der Lidspalte bei Tabes nicht
durch Ptosis sondern durch Lähmung der glatten Muskelfasern der Augen-
lider (siehe Figur 8 p. 22) hervorgerufen werden könne. Unter 109 Tabetikern
habe dieselbe in 22 Fällen theils einseitig theils doppelseitig bestanden.
17mal sei gleichzeitig Miosis derselben Seite vorhanden gewesen, ein Symp-
tomenkomplex, der, wie wir § 17 pag. 21 gesehen haben, der Lähmung des
Halssympathicus zugeschrieben wird.
§71. Als differentiell-diagnostisches Hülfsmittel für derartige Fälle empfiehlt
Hughlings- Jackson (59) das Cocain, da dasselbe nur auf den Sympathicus
wirke. Bestehe also eine Verengerung der Lidspalte und der Pupille als
Folge einer Sympathicuslähmung, so würde die Cocaineinträufelung auf die
Weite der Lidspalte und der Pupille keinen Einfluss ausüben können.
Wir haben uns von der Richtigkeit dieser Angaben in jüngster Zeit
bei einem Fall von rechtsseitiger Sympathicuslähmung, bedingt durch das
Hineinwuchern einer Neubildung in den rechten Grenzstrang, überzeugt.
§ 72. Resümiren wir angesichts der eminenten Schwierigkeit, die sich oft
bei der Stellung einer sicheren Diagnose erhebt, noch einmal kurz die im vor-
stehenden Kapitel gemachten Ausführungen, so ergiebt sich, dass bei der
Tabes und Taboparalyse ganz besonders früh und häufig der Levator pal-
pebrae afficirt erscheint und zwar in Form einer meist ephemeren Ptosis.
Die Ptosis bleibt in einzelnen Fällen isolirt. Hiebei muss diflferential-
diagnostisch das Vorkommen einer isolirten Ptosis bei der chronischen, pro-
gressiven, isolirt bleibenden Ophthalmoplegie und bei der cerebrospinalen
Lues berücksichtigt werden. Als Hülfsmoment für die tabische Ptosis fällt
deren Zusammenvorkommen mit Abducenslähmung ins Gewicht. In anderen
Fällen von Tabes ist die Ptosis Theilerscheinung einer isolirten, kompleten,
einseitigen Oculomotoriuslähmung. Auch hiebei muss die leichte Verwechs-
lung mit cerebraler Lues und einer recidivirenden Oculomotoriuslähmung
berücksichtigt werden.
Am meisten Schwierigkeiten macht die Ptosis, welche bei der tabischen
Ophthalmoplegia exterior auftritt, da die Syphilis ein ganz ähnliches Krank-
heitsbild produzieren kann. Bei der Spärlichkeit der brauchbaren patho-
logisch-anatomischen Befunde war es nicht anders möglich, als nach
klinischen Gesichtspunkten die gegebene Eintheilung vorzunehmen, weil da-
durch allein die differentiell diagnostischen Momente deutlicher hervorgehoben
w^erden konnten. Der Zukunft ist die nächste Aufgabe gestellt, für diese
klinische Eintheilung die pathologische anatomische Grundlage sicherer zu
fixieren.
Tabelle IV, V und VI
sielie amstehenü.
158
Tabelle IV. Ophthalmoplegie
Tabelle IV. Ophthalmop
Szi
Autor und Litteratur
Nervus oculomo tor i us
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
Iris
1 A b a d i e ref . Dufour obs. 72
2 Bousquet ref. Dufour
obs. 73
3 B a d a 1 , Gaz. d. scienc. mM.,
d. Bordeaux 1893 Nr. 16
De Bono, Riforma med.
I 1891, 649
Bernhardt Arch. f. Psreh.
u. N. XIX. 2
6 : Bristowe,Brainl885.313|
Barret, Austral med.Joum.
Melbourne XVI. 225
8 i Chabcrt, Ek;ho me'd. Nr. 24
i 1892
9 I C h V o 8 1 e k , Neur. Centralbl.
, 1893, 762
beiderseits
Ptosis
10
11
12
13
14
Despngnct, ref. Dufour '
obs. 54 I
Despagnet, ref. Dufour i
obs. 55 j
Despagnet, ref. Dufour '
obs. 56 I
I
De8i)agnet, iTf. Dufour j
obs. 57 I
I
D a n i 1 1 o , Petersb. Psych. '
Ges. 1889 p. 51 ' 1
R. Ptosis
Ptosis
R. >L.
beiderseits
Ptosis
beiderseits
Ptosis
beiderseits
Ptosis
alle äusseren M. des Oculom.
Ophthalmoplegie compl^te
doppelseitige Ophthalmopleg.
R. Lähmung des Oculomo-
torius
unvollkommene Ophthalmo-
plegia exterior
einiger äusserer Muskeln
Ophthalmoplegie
R. Rectus intern, und Obli-
qaus inf. gelähmt
L. Rect. intern, und beide
Obliqui inf.
L Rect. sup. inter. Beide
Obliqui
R. internus
I Lähmung beider M. recti
I int«rni
' Ophthalniopl. mixte bilat^r.
I compl^tc
Ophthalm. mixte bilat^r.
comp].
Ophthalm. mixte comp),
unilaterale
I Ophthalm. mixte compl.
i unilat.
I Ophthalm. ext. et intern.
beiderseits
totale Opthal.
inter.
R. Ophthal
intemaCspäter)'
L. Ophthalmo-i
plegia inter.
L. Mydriasis
R. Sphincter
Iridis
refl. starr
ungleich,
geringe Keaet
Ophthalm.
intern.
bei Tabes (Ptosis) ohne Sektionsbefand.
159
(Ptosis) ohne Sektionsbefund.
18
an
Nervus
trochlearis
Nervus
facialis
Sehnerv
Andere Erschei nn nge n
R. Krampf des | Ophth. be- Lancinirende Schmerzen. Anormale Lokalisation
orbicul. und ginnende der Empfindungen. Fehlen der Patellarreflexe.
Atrophie.
der mim.
Muskeln
Seh-
störung
ing
Qg R. Lähmung L.
ang I Lähmung
Zuckungen im |
Mundwinkel ',
Lähmung
Amblyopie
Später lancinirende Schmerzen in den Unter-
extreuiitäten. Jahrelanges Bestehen der Oph-
thalm. inter., ohne dass weitere auf centrale
Erkrankung hindeutende Symptome auftraten.
Muskelatrophie der Schultern des Oberarms und
des rechten Masseter.
Anästhesie der linken Gesichtshälfte. Erhöhte
Kniephänomene. Links Exophthalm.
Bulbärerschcinungen. Reizerscheinangen des
sensiblen Trigeminus, Lähmungserscheinungen
des motor. Trigeminus. Fehlen der Sehnen-
reflexe an den l-nterexti-emitäten.
160
Tabelle IV. Ophthalmoplegie
Nervus ooulom o tori ns
Autor und Litteratur
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
iri» ' 1
15
Dinkler, Berl. klin W.
1693 Nr. 16 und 17
L. Ptosis
L. Totale Ophthalmoplegie
R. Oculomotoriua
refl. surr
16
17
Eigene Beobachtung W.
Eulenburg, Deutsche med.
Woch. 1887 Nr. 35
beiderseiu
leichte Ptosis
beiderseits fast vollständige
Ophthalmopleg. ext.
refl starr
Miosis
refl. starr
Sl
18
Fcrrier, Lancet 1891 p. 84
beiderseits
Ptosis
komplete Ophthalm. exterior
kompl. Ophth.
inter.
19
Eigene Beobachtung H. B.
keine Ptosis
L. A. Rectus intemua und
Bewegung nach oben
R. A. Rectus internus und
Bewegung nach oben
L. Hchtstarr.
R. träge
Re«kUon
D
20
Glorieux, ref. Neurol. C.
XrV. 780 Fall I
R. Ptosis
R. kompl. Oculomotorius-
lähmung
beiderseits
absolute
Pupillenstarre
B-1
21
Glorieux, 1. c. Fall II
beiderseits
Ptosis, später
Besserung
beiderseits komplete totale
Ophthalm.
22
V. Graefe, Arch. f. Ophth.
II. 2. p. 299
L. Ptosis
beiderseits vollkommene
Lähmung aller 6 Muskeln
Reaktion auf
Aooommo-
dationerhalten
beiderseits
reflekt. starr
b«
23
R. P. H 0 w a r d Amer. Journ.
of med. sc. 1889 März
erst links,
später rechts
beiderseite Ophthalmoplegia
exterior
Ophthalmopl.
interna
24
K e 1 1 i , Wien. med. Wochen-
schrift No. 9
beiderseits
Ptosis
beiderseits Ophthalmoplegie,
links unvollständig, redits
fast vollständig
ungleich
weit
Pupillenstarre
P
25
Meyer, A., Ueber einen
Fall von Ophthalmoplegie
bei Tabes. In.-Diss. Berlin
beiderseits
Ptosis
R. >L.
beiderseits Ophthalmoplegia
totalis
Pupillenstarre
26
Parinaud, ref. Marina p.
194 Fall I '
i
beiderseits
Retraktion der
Lidheber
beiderseits Interni, Rect. sup.
et inf.
reflekt.
Pupillenstarre
R. Mjdriasis
bei Ptosis (Tabes) ohne Sektionsbefund.
161
Nervus
Trochleari»
eD8 I L. Trocblearis
K. Trocblearis
ts
18
ex-
ex-
Nervus
Facialis
früber
Jj&bmuDg des
L. Facial.
Paralyse
Sebnerv
Atropbie
ober. Facialis
L. paretisch
Atrophie.
— Rechts
begiiinen-
dcAtropliie
Atrophie
Andere Erscheinungen
Schwäche der unteren Extremitäten und Par-
aestbesien. Crises gastriques. Ataxie. Romberg-
Westplial'scbes Phänomen. Patellarreflexe fehlen.
Analgesien an den unteren Extremitäten. Hocb-
gradige Ataxie.
Die Kniereflexe waren noch vorhanden und die
Bewegungen noch nicht ataktisch, doch wiesen
schiessende Schmerzen und gastrische Krisen,
sowie die Sehnervenatrophie auf Tabes hin;
früher auch Lähmung des Blickes nach oben,
jetzt nur noch doppelseitige Abduoensparese.
Ausgesprochene Tabes, Fehlen der Patellar-
reflexe, hochgradige Ataxie und Blasenstörungen.
R. Fehlen, Links Herabsetzung der Patellarreflexe.
Blasenstörungen , Impotenz , intermittirende
Diplopie.
Später kehrte R. die Beweglichkeit des Obliq. sup.
wieder, L. war die Ptosis geschwunden und der
Rectus Inf. und intern, etwas gebessert. Vor
einigen Monaten bulbäre Symptome
Bulbärerscheinungen , Taubheit. Störungen des
motor. und sensibelnTrigeminus, rechts Atrophie
der Zungenhälfte. Anästhesie beider Corneae.
Fehlen beider Patellarreflexe.
Kopfschmerzen, Fehlen der Patellarreflexe.
Fehlen des Patellarreflexes , hereditär belastet.
Zunge rechts atrophisch. L. Trigeminus leicht
gestört. Larynxkrisen. Atrophien der Mus-
kulatur in der oberen Extremität.
Durchschiessende Schmerzen. Westphal ' sches
Zeichen. Romberg. Blasenbeschwerden.
Wilbrand-Saenger, Neurologie dos Auges.
11
162
Tabelle IV. Ophthalmoplegie
Nervus oculom o t o ri u«
Autor und Litteratur
PtO!*i8
äussere Bulbnsmuskeln
Iris
27
28
29
30
Parinaud, 1. e. Fall II
Petersen, Journ. of nerv,
and ment. diseases Nr. 7
1890
Bosenthal, Deut. Arch. f.
klin. Med. Bd. 38. Z. 263
Ben du, Bull. med. Paris
VI p. 253. 1892
31 I Bossolimo, N. C. IX. 612
Ophthalmoplegia externa
polyneuritica
32
normal
beiderseits
Ptosis
L. Ophthalmoplegia exter.
B. Ophthalmoplegia exter.
L. vorübergehende Oculomo-
toriuspareie
L. Ptosis L. rect. internus
beiderseits
Ptosis
beiderseits
Ptosis
beiderseits Lähmung aller
äusserenOculomotoriusäfite
beiderseits Ophthalmoplegia anfangs
' exter. normal, später
I reaktionslo« '
beiderseits
Pupillenstarre
B. Ophthalmo-
plegia inter.
R. Ophthahuo-
plegia inter.
L. refl. starr !
Szili, J. f. O. 1885, 308
33 Sauvineau, ref. Marina
p. 193
34
35
36
37
Sauvineau, 1. e. 194
Schule, Arch. f. Psych, u.
Nervenkr. XXVII. S. 295 '
Sachs, Bost. med. and surg.
journ. CXXI. p. 188. 1889'
I
Marina, cit. bei Dufour .
Obs. 58
beiderseits
Ptosis
beiderseits
Ptosis
B. massige
Ptosis
beiderseits Ophthalmoplegia !
exter. I
starr
1 L. Unbeweglichkeit der Bulbi iL. absolut starr
B. totale Oculomotoriuslähm- 1 B. starr auf ,
ung
L. mäs:sige
Ptosis
B. totale Oculomotoriuslähm-
ung
L. absolute Un1)eweglichkeit
der Bulbi
beiderseits Ophthalmoplegia
exter.
beiderseits | beiderseits Ophthalmoplegia
Ptosis
beiderseits
Ptosis
I
exter.
Lieht
L. Iris gelähmt! Ae
R. refl. starr
B. vorüber- '
gehende Oph-
thalmoplegia I
inter.
später beider- ;
seita starr '
L. reflekt. ,
starr
i
R. Mydriasis
L. Miosis I
beiderseits
lichtstarr |
reagirt aaf '
Accommo-
dation
bei Ptosis (Tabes) ebne Sektionsbefand.
163
Nervus
Tnxjhlearis«
I
beiderHeits
Trochlearis
Nervus
Facialis
:s beiderseits
I I Trochlcaris
L Trochlearis
L. Facialis
Sehnerv
Andere Erscheinungen
I
Der Ophthalmoplegie gingen Kopfschmerzen
voraus. Vor einem Jahr L. Hemiplegie. Durch-
schiessende Schmerzen. Ataxie. Hemiatrophie
der Zunge. Westphal'sches Phänomen.
Amblyopie 1875 Syph. infic. 1882 Sehschwäche und Strab.
diverg. links, später lancinirende Schmerzen.
1887 epileptiformer Anfall, 1884 doppelseitige
Ptosis und R. Ophthalmoplegie. Parese des
linken Oculoniot. und Facialis. 1885 Wieder-
herstellung der Beweglichkeit des linken Auges.
Lähmung der Kaumuskeln. 1888 Abnahme
der Patellarreflexe.
L.Röthungl Der linke Trigeminus zeigte sich auffällig abge-
der Papille' stumpft, femer bestand Analgesie der unteren
Extremitäten. Fehlen der Plantar- und Patellar-
I reflexe.
' Durchschiessende Schmerzen. Schwanken bei
geschlossenen Augen. Fehleu der Patellar-
reflexe. Blascnbeschwerden etc.
Die Bewegungsstörungen der Augen später V('>IIig
verschwunden. Paraesthesien , Roniberg. Im-
]>otenz. Eetentio urinae.
Atrophie
Atrophie des Sehnerven als erstes Symptom be-
ginnender Tabes.
I Fehlen der Patellarreflexe.
I Trochlearis
Fehlen der Patellarreflexe. Romberg.
Beginnende Tal>es.
beiderseits Fehlen des Kniephänomens. Atrophie
des rechten Beines.
38 jähriger Syphilitiker. Tabes.
11*
164
Tabelle IV. Ophthalmoplegie
1
1
i
Nervus oculom otorins
,J: 1 Autor und Littcratur
'^ 1
1
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
Iris
Am
k
38 Schwarz, ref. Marina 191
1
L. Rectus super. 1 beide starr
R. Rectus internus '
1
39 'Dinkler, Berl klin. W.
1 1893 Nr. 16
1
R. Oculoniotorius R Mydriasis. ,
lieiderseits
starr
1
40 i Charcot,Progr. mM. 1893
Nr. 24
i
R. Ptosis
R. Rect. intern, sup. et inf.
beideneits
refl. starr
be*
1
41 Marina, p. 208
L. Ptosis
R. Rectus sup. et infer.
L. Rectus sup.
Miofib 1
beideiaeits .
reflekt. starr
gd
42 .Marina, p. 209
Im Ptosis
R. Rect. internus und superior
L. Rectus sup.
reflekt. starr l
Mioais >
Ptosis
44 1 Buzzard, J. f.O. 1879, 413 beiderseits
I Cliuical lectures 1881 p. 180 ! Ptosis
! I
! ;
45 iDutil, Progr. med. 1892. beiderseits
' Nr. 46 Ptosis
Ophthalmopleg. ext , rechta | Ophthalniopl. ;
wirkt nur noch der Troch- 1 inter. I
learis I refl. sUrr
46 Marina, 1. c. ]>. 11
47 Unser Fall Gorezko
48 • Fall Rabe
49 - Fall Nor
' keine Ptosis
I
I beiderseits
Ptosis
K.>L.
I
keine Ptosis
I
beiderseits Ophthalmoplegia
exter.
R. nur ObIi(i. infer. beweglich
L. Rectus externus frei.
leichte Parese der Augen-
bewegungen nach oben und
nach den Seiten
l>eider8eits Parese der vom
Oeulomotorius innervirten
^[uskeln
L Obliquus infer. paretisch
K. Ptosis . R. Parese des Rectus internus
schwach ,
beiderseits
refl. starr
ungleich weit'
beide reflekt. .
starr '•
beiderseita
Mioeia und
refl. atarr
R. >L.
L. atarr. |
R. apurweiae ,
Reaktion '
L.>R.beider-
aeits Mioais. '
Sehr träge |
Lichtreaktion '•
beidcrseita |
R. geringe Re-'
aktion .
L. fehlend
bei Ptosis (Tabes) ohne Sektionsbefand.
165
Nervus
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Andere Erscheinungen
*ns
»ns
untere Zweige
L. schwach
untere Zweige
beiderseits
Facialis
ts
8
ts L. Trochlearis
"«!R)Tn>chlearis| ^' ^^"^"^^
ts
links fibrilläre
Zuckungen in
den unteren
Gesichts-
uiuskeln
;ns L. Trochleariü
1 paretistch
derl
:e8
Westphal'sches Phänomen.
Parästhesien im Gebiete des rechten QuintuH,
lanciniremle Schmerzen. Larynxcrisen. Kau-
muskeln atrophisch. Fehlen der Patcllarreflexe.
I Bulbärerscheinungen. Anftsthesie an verschiedenen
; Körperstellen. Westphal'sches Ph&nomen. Im-
potenz. Sphincterenlähmung etc. —
Lancinirende Schmerzen. Fehlen der Patcllar-
reflexe. Romberg. Ataxie. Früher Iritis.
Ataxie, lancinirende Schmerzen. Westphal'sches
Zeichen. Komberg. Herabsetzung der Sensi-
I bilität. Impotenz. Blasenschwäche.
I Herabsetzung der Sensibilität. Fehlen der Pa-
tcllarreflexe.
locomot. Ataxie. Crises gastriques, Atrophie der
Scapnlamnskulntur. Fehlen der Patellarrcflexe,
massige Anästhesie der Beine.
Tabes. Früher Lucs.
Komberg. Westphal'sches Phänomen.
I
Vor 11 Jahren Lues, ausgesprochene Tabes.
Früher Sehanker. Fehlen der Patcllarreflexe,
breitspuriger Gang, Incontinentia urinae.
■ ausgesprochene Tabes.
166
Tabelle IV. Ophthalmoplegie
Nervus oculomotorins
^ I Alltor und Litteretur
' Ptosis I
uutfsore Bulbusmuskeln
Iris
Am
dl
50 ' Unser Fall Langbein
.1
Fall Kölschen
52 I , Fall Woitersdorf
I
53 j, Füll Martin
54 „ Fall Bohne
55 1, Fall Mooruiann
56 „ Fall Keinke
57 j, Fall Roller
58 „ Fall Hantz
59 „ Fall H. E.
60 „ Fall M. P.
!
!
1
Ol I , Fall A, L.
keine Ptosis I K. Kectus internus
keine Ptosis
R. > L. beide
' starr
beiderseits
I Miosis, starr
' beiderseite : R. Obliq. infer. Rectnsraper.
I leichte Ptosis ' et infer.
I j L. Bulbus fast völlig starr
< keine Ptosis , L. rectus internus
I R. Ptosis R. alle Aeste des Oculomo- ■
I schwach | torius |
I beiderseits i R. alle Oculomotoriosäste
I Ptosis I L. Rectus infer. und Rect.
I internus
i L. Ptosis
R. Ptosis R. komplete Oculomotorius-
koniplet ' lihmung
R. Ptosis ■ beiderseits Oculomotorius- ,
I lühniuug I
beiderseits
leichte Ptosis
K. Ptosis in- L. rectus internus
komplet '
I
beiderseits l R. Oculoiuotorius
Ptosis
R. > I.. '
I
beiderseits
reflekt. starr I
[Mydriasis,
beiderseits '
reflekt. starr
beiderseits |
{ reflekt. starr ,
R absolut starr
iL reflekt. starr
I Miosis, beide
j starr
!L. > R. UMdei
|8tarr auf Lieht
I und Konver-
genz '
beide absolut '
starr ■
beiderseits
weit und starr,
auf Lieht
i
L.>R. beider-| L J
seits reflekt. ' <
starr li
beiderseits \ he
absolut starr A<
bei Ptosis (Tabes) ohne Sektionsbefand.
167
I Nervus
8 Trochlearis
e beiderseits
Trochlearis
ns L. Trochlearis
i gelähmt
R Trochlearis
! gelähmt
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Andere Erscheinungen
Atrophie
Atrophie
ausgesprochene Tabes,
ausgesprochene Tabes.
Tabes mit Bulbärsymptomen.
Vor 12 Jahren Lues, ausgesprochene Tabes.
Früher Schanker und Lues. Crises gastriques,
ausgesprochene Tabes.
Vor 18 Jahren Schanker, keine Sekundär-
erscheinungen, ausgesprochene Tabes.
Kinderlos, nusgesprodiene Tabes.
Keine Lues, kein Schanker, ausgesprochene Tabes.
keine Patellarreflexe, beginnende Tabes.
Die Patellarreflexe sind bcidersi'ita vorhanden.
Analgesien an den unteren Extremitäten.
Trophische Geleukerkrankungeu.
Lues. Anfangs rechts Ptosis, dann Unsicherheit
im Gang. R. Mundfacialis afficirt, dann Dop))el-
bilder. Beiderseits Fehlen der Patellarreflexe,
Analgesien an den Extremitäten. Hitzig'sche
Zone.
Lues, ausgesprochene Tabes mit Blasenst^Jrungen .
168
Tabelle V. Ophthalmoplegie
Tabelle V. Ophthahnoplegi
Nervus Ocu lom o t or i u s
Autor und Litteratur
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
Iris
Am
r . ^ -- . -
1 jBuzzard, Braio V. p. 34 leichte Ptosis
I 1
' I
2 iBevan Lewis Braiu 1882 i
3 ! Bloeq und Onanof f , Gaz.
I hebdom. 297, 1892
4 I Dejeriue und Darkseho- ,
I witsch, ref . Jahresbiirieht .
für Ophthalmologie von '
' Michel 1887, 293 i
5|Dejerine, 1884 Progri^s
I
m6d. 43
Ophthalmoplegia externa
Ophthalmoplegia externa
Lähmung des Nerv, oculo-
motorius und Anaesthesie
des Gesichts
beiderseits |
Ptosis
beiderseits
absolut starr I
R. Miosis I
L. Mydriasis '
6 Eichhorst,Korrespondeuz-
I blatt für Schweizer Aerzte
I Nr. 14. 1889
7 Hutchinson, ref. Dufour
I obs. 50. Med. Chirurg.
I Transaet. LXII. 307, 1879
beiderseits ' L rcctus internus
Ptosis I
Ophthalmopl.
interior i
bei Ptosis (Tabes) mit Sektionsbefund.
169
(Ptosis) mit Sektionsbefund.
Nervus
Trocblearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Bemerkenswert bes und Sekt ionsbef und
! In einem Falle miliare Blutergüsse in der Gegend
des Abducenskems.
j Die Kerne des N. Aecessorius, Vagus, Hypoglossns
' entartet, der des Abducena verkleinert, in seiner
Umgebung miliare Apoplexien.
!
' Die Sektion ergab im Rückenmark die Veränder-
I ungen bei beginnender Tabes, dann Atrophie
I der Kerne des Oculomotorius und Trigeminus.
Atrophie der Oculomotoriuswnrzeln, des Kerns
I und der von ihm versorgten Muskeln.
I Luetische Vergangenheit. Tabes : Ausgesprochene
Hinterstrangdegeneration, Leptomeningitis, Wur-
! zelatrophie. Neuritis der vorderen Wurzeln
und Ilautäste an den unteren Extremitäten,
! starke Atrophie des linken Nervus und Mus-
culus abducens, der Wurzelfasem und des
I Kernes der gesammten Nerven. Der Oculo-
I motorius war unbetheiligt.
I
j Tabes. Bei der Autopsie fand sich eine De-
j generation der zum I^vator gehenden Nerven -
I äste vor, während die anderen Aeste und der
I Stamm des Oculomotorius selbst unversehrt
waren.
Fast latent verlaufene Tabes, Fehlen der Patellar-
reflexe. Sektion : graue Entartung der Hinter-
I stränge, Ependym -Verdickung des IV. Ven-
trikels und ein frisches Blutgerinnsel auf der
Eminentia teres rechts.
kb-l beiderseits
Trocblearis
Atrophie \ Tabes. Sektion : Vei*dickung des Ependyms und
Degeneration der Kerne des III., IV. und VI.
I Paares Graue Degeneration der Optici und
I Oculomotorii; die Fasern der letzteren im
, Hirnschenkel waren nur durch Bindegewebe
I angedeutet. Vom Trocblearis war nichts zu
sehen. Ausgeprägte Atrophie der Abduoentes.
i Partielle Degeneration des Trigeminus. Die
I Veränderungen waren histologisch denen bei
' progressiver Muskelatrophie gleich.
170
Tabelle Y. Ophthalmoplegie
.• I
k;
Autor und Litteratur
Nervus Oculomotorins
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
8 Jendrassik, Nourol. Cen-i K. Ptosis
tralbl. IX. 377
1
R. kompletc Ocolomotorius-
Lähmung
I j
9 I Kahler, Prager Zeitschrift ,
I II, 1882, 432 '
plötzlich linksseitige partielle
Oculomotorius • Lähmung,
welche später wieder ver-
schwand
10 I Marina, p. 200
L. Ptosis
L. Oculomotorius
Iris
_L
B. Mydriasis
reflektor. starr
L. Miosis
j B. Mydriasis,
beide starr
11 Rosen thal, Deutsch. Archiv I K. Ptosis 'Diplopie
I f. klin. Medicin XXXVIIL I
I 3. S 263. 1886 ' |
bei Ptosis (Tabes) mit Sektionsbefund.
171
ns
sens
NerviiM
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Beine rkenswerlhes und Sektionsbefund
icbt
lach
R. Facialis
I
später
Atrophie
Tabes. Sensible Trigeminuslähmung. — Nach
^/a Jahre vollständige Heilung des Symp-
tomenkomplexes binnen 8 — 10 Tagen ; während
dieser Zeit entstand ganz die gleiche Lähmungs-
form auf der linken Seite in gleichem Schritt
mit der Besserung rechts. Ein halbes Jahr
später wanderte die ganze Lähmung wieder auf
gleiche Weise auf die rechte Seite zurück. Bei
der Sektion war nichts Auffallendes an der
Oblongata, die mikroskopische Untersuchung
erwies auch keine Veränderungen in den be-
treffenden Nerven kernen.
Tabes. Starke Kopfschmerzen während der Ent-
wickelung der Oculomotoriuslähmung. Sektion :
Ausser den gewöhnlichen tabetischen Er-
scheinungen, als Sklerose der Hinterstränge und
chron. Meningitis spinalis, zeigte sich eine
Wucherung des Ependyms im Aquaeductus
Sylvii, welche den Kanal ganz ausfällte an
dieser Stelle. Die Umgebung des Aquaeductus
zeigte zahlreiche erweiterte Gefässe mit ver-
dickten Wandungen. Die Kerne und Wurzel-
fasern des Oculomotorius waren normal.
Tabes mit Larynxkrisen. Sektion: Tod durch
llämorrhagie in die rechte Kleinhimhemisphäre.
Massige Atrophie des Vagus-, des Acusticus-
und stärkere des Oculomotoriuskems. Neuritis
des Vagus, des« Acusticus und des Oculomotorius.
Das Ependym des HL Ventrikels und des Aquae-
ductus etwas verdickt und knotig aufgetrieben.
Die Arterien zeigten verdickte Wandungen.
In der Gegend zwi«chen Trochlearis und Oculo-
motoriuskern konnte man durch einige Schnitte
ein Gefäss verfolgen , welches rosenkranzartig
aufgetrieben war. Der linke Oculomotorius-
stamm zeigte Degeneration der Fasern mit
Verdickung des interstitiellen Bindegewebes.
Ebenso beim Vagus und Acusticus.
Tabes. Hinterstrangsklerose. Bei Eröffnung des
HL Ventrikels beträchtliche ependymärc
Wucherungen mit partieller Obliteration des
Aquaeductus Sylvii ; diese mikroskopisch aus
Bindegewebsfasern mit eingestreuten Rundzellen
und Kernen bestehenden Wucherungen er-
streckten sich am Boden des IH. Ventrikels
nach hinten zu, wo bekanntlich der längliche
Oculomotoriuskem gelegen ist.
I
172
Tabelle V. Ophthalmoplegie
tz; !
Autor und Litteratur
Nervus Oculoniotorius
Ptosis
äussere Bulbusmiukelii
Iris
Am
12 , Ross, Brain 1886, April 24 leichte doppel-
i , seitige Ptosis
Oculoiuotorius und Trochle-
aris beiderseits
13 IRoss, 1. 0.
beiderseits I Ophthalmoplegia exterior
Ptosis totalis
reflekt. starr
14 I SharkcySeymour, 1886
I ref. Dufour obs. 52
15 'Oppenheim, A. f. Psveh.
1 u. Nerv. XX. 131
i
16 I Oppenheim, A. f. P. u. N.
XX, p. 158
17 Pacetti, ref. Si«'merling u.
lioedeker, A. f. Pj*vch.» u.
I Nerv. XXIX, 423*
Reaktion
beiderseits
vorhanden
II. Pt(»sis Ophthalmoplegia incompleta . mlxta
Beweglichkeit des rechten R. > L 1
Bulbus nach oben , unten 1 beiderseits '
und namentlich nach innen . reflekt. starr ■
beschränkt, Bewegung des ' |
linken Bulbus frei. {
L konii)lete | beiderseits Parese des Nerv. . L. > R.
Ptosis I oculomotorius in den ver- ' Reaktion
I schiedenen Zweigen, links i gering. al>er
I noch ausgesprochener als ' erhalten
I
rechts
I
L. Ptosis
I hochgradige Beschränkung ■ beiderseits '
der Beweglichkeit der 1 reflekt. starr |
Bulbi. Es war eine ge- , '
ringe Hebung und Senkung |
i noch möglich. i
I
bei Ptosis (Tabes) mit Sektionsbefund.
173
Nervus
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Uemerkenswerthes und Sektionsbefund
Trochlearis
beiderseits
Trochlearis
s Trochlearis
Atrophie | In der MeduUa oblongata und dem Himstamni
Fortsetzung der Degeneration des Rückenmarks
femer Degeneration der abi*teigenden Tri^e-
minuswurzel, dos Fascic. rotundus und des
grössten Theiles vom Vaguskem. Im Oculo-
motorius- und Trochleariskem und ihrer Nach-
barschaft bestanden betrücht liehe Veränderungen^
sowie Atrophie der Wurzelfasem dieser Nerven.
Die Ganglienzellen au Zahl vermindert. Kaum
eine Spur des Bündels von I^ongitudinalfasern,
welche die absteigende Quintuswurzel enthHlt,
war vorhanden, indem die von den vorderen
Vierhügeln durch diesellK» quer hindurch zum
Oculomotoriuskem ziehenden Fasern unter-
brochen und atrophirt sind.
Das centrale HOhlengrau um den Aquaeductus
Sylvii hatte sich mit Karmin intensiv roth ge-
fiirbt. Das Gewebe war dicht mit Kernen be-
setzt. Die Ganglienzellen des Oculomotorius
und Trochlearis waren verkümmert. Die Fasern
des Oculomotorius waren zu feinsten Fibrillen
geworden in ihrem intramedullären Verlauf.
Bei der Sektion nichts Pathologisches gefunden ! ?
In einer Höhe, der vorderen Vierhügelgegend kurz
hinter der hinteren Commissur entsprechend^
zeigt sich der recht« Oculomotoriuskem deut-
lich atrophisch, indem die Ganglienzellen zum
grossen Theil untergegaagen sind; ebenso sind
die ausstrahlenden Wurzelfasem verdünnt und
zum Theil degenerirt. Im Stamme des rechten
Oculomotorius fand sich eine grössere Anzahl
I atrophischer Primitivfusern, ebenso im Abdue<»n8.
Tabes dorsalis. Beide Trigemini und Vagi dege-
j nerirt.
. Trochleariskcmc, Oculomotoriuskeme (incl. West-
phal'sche Gruppe) von normaler Beschaffenheit,.
I ebenso die Wurzeln dieser Nerven. Peri-
I pheri sehe Nerven nicht untersucht. Tabes.
Störungen im Trigeminusgebiete; die aufstei-
I gende Trigeminuswurzel ist in ihrer ganzen
Ausdehnung atrophirt.
Atrophie ' Degeneration der Ilinterst ränge, der aufsteigenden
■ Trigeminuswurzel beiders. Partielle beiderseitige
Degeneration der aufsteigenden Gloasopharyn-
geuswurzel.
j Atrophie der Abducens-, Trochlearis- und Oculomo-
I toriuskerne mit ihren Wurzeln. Die medialen
und lateralen Gruppen gleichfalls degenerirt.
I Der Darkschewitsch'sche Kern am wenigsten be-
I troffen. Der im hinteren Längsbündel liegende
Oculomotoriuskem war links besonders dege-
I nerirt.
174
Tabelle V. Ophtbalmoplegie
Autor und Littoratur
18 I Sieiuorling u. Boedeker,
I A. f. Psych, u. N. XXIX,
452, F^l VI
Nerv DB Oculomotorim
Ptosis
I
äuss>ero Bulbusmoskoln
Iris
Im
19
Krauss-Bcrjjer, A. f. Ps.
u. N. XXIII, 412, Fall V
20
keine Ptosis
Cassirer und Schiff, Fall
IL Arbeiten aus dem Ober-
Bteiner'schen Institut. Wien
u. Leipzig, Deutieke 1896 Hl. mittlere Pt.
|8]>üter auch R;
R. Ptosis mitt-
leren Grades,
später
beiders. Ptosis
incompleta.
Das rechte Lid
soll vor zwei
Monaten ganz
herunter-
gehangen
haben, jetzt
wiedergehoben
beiderseits
Ptosis,
L. komplet,
total
Augenbewegungen nach allen
Richtungen beschränkt,
namentlich rechts. Nystag-
musartige Zuckungen bei
Bewegungen.
Die Aufwärtsbewegung beider
Bulbi sehr unvollkommen,
sodass fast gar keine will-
kürliche Bewegung mög-
lich ; links nur soweit, dass
der untere Rand der Horn-
haut sich kaum 1 mm
vom Unterlid entfernt.
EinigeMonate später wurde
Oculomotorius- und Abdu-
censparese konstatirt
Beide Bulbi sind etwas nach
aussen abgelenkt und voll-
stündig unbeweglich
R >L. I
reflekt. starr !
I
beiderseits -
träge Reaktion;
auf Licht
OphthalmopL I
inter. '
beiderseits,
Pupillen
massig weit
L. > R.
reagiren weder
I reflektorisch,
Inochaooommo-
I dativ
A.Iii
B.I
henl
spät«
21
I Cassirer und Schiff, Fall :
I III, 1. c. 137
keine Ptosis j Augenbewegungen nach allen
Richtungen frei , jedoch
weicht beim Blick nach
oben das rechte Auge stark
nach oben innen, beim
Blick nach vom bisweilen
I (las linke Auge nach innen
I ab. Bei allen Bewegungen
I leichter Nystagmus
beiderseit«
ad maximum
dilatirt, voll-
kommen
reaktionslos
auf Licht,
Acc. u. Konr.
bei Ptosis (Tabes) mit Sektionsbefand.
175
Nervus
ts TrcK'hlearis
18 Tn>chlcaris
Trochlearis
Nen'us
Facialis
Sehnerv
BemerkeDswerthes und Sektion8l>efund
Atrophie ! Tabes. Senile Demenz. Abdiicf^nskem massig
I de^nerirt, ebenso die Wnrzeln und Nerv.
I Trochleariskem beiderseits massig dcgenerirt.
I Massige Degeneration der Oculomotoriuskerue,
die Wurzeln dünn. Nerv degenerirt. Wc^st-
phal'sche Gruppe gut. Die Augenmuskeln dege-
nerirt. Optici nicht untersucht.
Pupille
stark
geröthet,
Venen
stark in-
jicirt und
geschlän-
gelt
Mikroskop. Untersuchung des Rückenmarkes. Die
Mednlla und Gegend des Aquactluctus nicht unter-
sucht.
K. Mund-
facialis
Links Naso-
labialfalte
etwas schlaffer
I
normal Tabes Sensibilitätsstörungen im Trigeminusgebiet.
I Leichte Störungen im Uereiche des Facialis und
Hypoglossus. Schluckbeschwerden. Geschmacks-
st<")rung. Atrophie der rechten Armmuskulntur.
I Athetoseurfigc Bewegungen. Graue Degeneration
1 der Ilinterstränge. Kleines Spindelzellensarkoni
I des rechten Vorderhorns iiu Cervikalmark.
Beiderseitige hochgradige Degeneration der spinalen
I Trigeminus- und Glossopharyngeuswurzel. Ver-
änderungen im kleinzelligen dorsalen Glosso-
phar^-ngeus- Vaguskern. Gefässveränderungen am
I Bmlen der Rautengrubc. Degeneration der beider-
' seitigen Kerne und Wurzeln des Trochlearis
und Abduceus. Grotiszellige laterale Oculomo-
I toriuskerne und grosszelliger Centralkern, sowie
Oculomotoriuswurzeln degenerirt. Edinger-West-
I phal'sche, Darkschewitsch'sche und kleinzellige
' vordere Median kerne intakt. —
I Die perivaskulären Lymph räume am Boden des
I IV. Ventrikels stark erweitert und erfüllt von
Exsudatmassen, in der an manchen Stellen rotlie
I Blutkörperchen auffindbar sind. In der Um-
gebung dieser erweiterten Lymphräume kleine
I Hämorrhagien. Die Gefäss«; zeigen eine auf-
I fallend verdickte adventitielle Scheide.
Atrophie I Tabes. Rechte Zungenhälfte atrophisch, Zunge
' weicht nach rechts ab. Sensibilität im ganzen
j Gesichte herabgesetzt. Konjunktival- und Kor-
I nealreflex fehlen vollständig. Tuberkulosis.
Grosse Degenerntion der Hinterstränge. Chron.
I tuberkul. Meningitis. Degeneration der spinalen
Trigeminus- und der spinalen Glossopharyngeus-
I wurzeln. Degeneration in den Oculomotorius-
kernen. Degeneration der peripheren Hypo-
I glossusäste in der atro])hischen Zungenhälfte,
, eigenthümliche fettige Degeneration der Mus-
I kulatur ders<>lben Zungenhälfte. Graue Dege-
' neration beider Nerv, optici.
176
Tabelle Y. Ophthalmoplegie
22
i
Nervus Oculomotorios
; Autor und Litteratur
1
Ptosis
ttussere Bulbusmuskeln i Iris
Au
Cassirer und Schiff, Fall
beiderseits
Links fast totale Ophthalmo-
L.admaximuin
IV, 1. c. 144
Ptosis
plegie. Rechts Bulbus frei
erweitert,
L. > R.
beweglich
voUkommen
Recht» Ptosis
reaktionslos.
angedeutet
Hechts
ebenialli
vollkommen
reaktionslos
23
Th. Buzzard, Clinical ' beiderseits
lectures 1881, p. 180
Ptosis
R. > L.
Beide Bulbi bewegungslos
mit Divergenz der Seh-
achsen.
R.>L.ieflekt.* gdi
starr
bei Ptosis (Tabes) mit Sektionsbefund.
177
I I Nervus
DS I Trochlearia
R. Trochlearis
TnK'hlearis
Nervus
Facialis
leichte
Störungen
Sehnerv
Opticus-
atrophie
Schwäche der
unteren
Faeialisgebiete
))e8onder8
links
Bemerkenswerthes und Sektionsbefund
Tabes. Meningitis 1>a8ilari8 tuberculosa acuta.
Leichte Facialis- und Hjrpoglossusstorungen.
Keine Sensibilit&tsstörungen im Bereiche des
Trigeminus.
GraueDegeneration der Hinicrstränge, meningitische
y erfi nderungen. Einseitige partielle Degeneration
der spinalen Trigeminuswurzel. Rechter Troch-
leariskem und rechtseitige Wurzeln degenerirt.
Degeneration in den linkseitigen grosszelligen
Kemgruppen des Oculomotorius und in den
intramedullllren linkseitigen Wurzelbündeln des
Oculomotorius. Edinger-Westphal , Darksche*
witsch und vordere kleinzellige Mediankeme
intakt. —
Tabes. Tod in einem Anfalle von Dyspnoe. Die
Nerven des VI. Paares wurden bei der Sektion
nicht gefunden. Graue Degeneration der Hinter-
stränge. Sklerose der GolTschen Stränge nach
unten abnehmend. Atrophie der Hinterhömer.
Die untere Hälfte des IV. Ventrikels und die
Kerne des Aceessor, Hypoglossus, Vagus, Glosso-
pharyngeuB erschienen normal, desgleich, des
Corp. restifonu. und die Oliven. Die Wurzel-
fasem des Abducens, des Facialis- Abducenskems
waren in hohem Grnde atrophisch; in ihrer
Umgebung zahlreiche verdickte und erweiterte
Blutgefr&se, miliare Hämorrhagien.
Wilbrsnd-Ssenger, Neurologie des Auges.
12
178
Tabelle VI. Ophthalmoplegie
Tabelle VI. Ophthalmoplegie bei Tal
Ncryns Oculo m ot o r i u s
Autor und Litteratur
Ptosis
üussoro Bulbusmunkeln
Iris
d
Boedeker, Arch. f. Psych., keine Ophthalmoplegia completa ' beidorseit:«
u. Xerv. XXIII 3l3, 1892
Thomson, Festschrift zu , keine
Ehren des Geh.Rath Meyer,
Perthes, Besser und Mauke I
Hamburg I
reflekt. starr
K. > L.
I
R. erliebliohe ! reflekt. starr
i L. geringere Beweg! ichkeits- später erlischt
beschränkung | die KoDver-
i ' genzreaktion
I I
bei Tabes mit Paralyse oder Psychosen mit Sektionsbefand.
179
oder Psychosen mit Sektionsbefund.
Nervus
Trochleariö
lü.
Nervus
Facialis
Sehnerv
Bemerkens werthes und Sektionsbefund
centrale Einseit. Fehlen des Patellarreflezes. I^ianeinironde
Scotonie f. Schmerzen , Schwindelanfftlle , Störung der
Farben Sprache und Intelligenz. Tabes- Puralj^ssf,
Amblropiei Die Rfbiion erinib den der TubfS uod Paralyse
bloss entÄprecbondeu Befund. Die Kerne der Äugen-
nerven z^'i^len Kntartiing, ebentio deren Stümtn«
und ilie WurEeln selhKt. Nur das distale Ende
des < k^iilomotormekei^i war zk^mllch uover-
K^hri jjrrM lln' cnlupricht wnhrsM'hHnlich de^m
Levatorkem. D Sehnerv geigte einen inter-
stitiell-neuritischen Prozess. Keilförmig dicht
hinter der Papille, weiter nach hinten halb-
moDdfdruif^ ongeordDet (chronische Neuritis der
papiliomakuUron FiiseHiünilt^I). Die Sehstü-
mngen hotti^ii auch wÄhrc^ud des Lebens das
Bild einer Tntoxikuüonäaniblytsple ilargeboten.
Der Kranke war während seint r Kranklieit zum
Säufer geworden.
R.Atrophie Gewisse Symptome dtr Tabes dorudis, (We«tpbiil-
schesZeifhcn Reichte Ataxie Jnkonüopnz) zu denen
sich üUJsei'de.m Zeichen emer Krknmkung der
^eitenstrfinge (ivchwitcbe, Trt^inor) gesellen,
Paralyse: Unregi^luiÄsslge, mehr fleckweise ak
»ygtcmutbchc Erkrankung der Hinter- und
SeitcustrUnge in den obt'r«n\ ausserdem aber
Degeneration der Vordi' rat ränge Ij^ondcra einer-
seits und Erkrankung beider V<irtlerh6mer
besonders des einen in dera unteren Abüchnllltt
ii^i= Kiickfiiamrkä. <ätre<*k weise Enlartnng der
hintt^rcn Wnrat'ln des Rutkenmarka* Ycrftn
derung der Gefüsst^ iin gestimmten liückenmark,
dle«4'lben vermehrt, t heilweise oblitcrirt.
Hochgradige HeLTt^neraiton beider Hypogloaiius^
kerne mit Atrophie der Wurzeln. Ausgi?-
fjprorhene Erkmnknni^' der Abd litten skeme mit
entBpret'hetifier Atroj^hio der Wurzeln, Eine
entschiedene Degeneration der Ocalorao torlas-
kerne ( mit den daKUgehöngen linkseitigeu
WvirzelhüniJeln) besonders in den unteren Ab-
schnitten de» Kfrncitj während der Unk« Ocu-
Inmotoriuskern nur eine geringe Atrophie und
ein nonuah'N Verhalten der rechttcitjgen
Wurzel Uli ndil aufweist. Die Westpbal'scben
Kerne sind gesund. Von den AiiL^enn^^-ireii
sind beide Alxlucentes hochgradig atrophisch,
der linke Oculomotorius ist massig atrophisch,
der rechte dagegen g(>sund. Ebenso sind beide
Trochleares gesund.
12*
180
Tabelle VI. Ophthalmoplegie
Autor und Littcratur
Nervus Oculomo torius
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
Iris
Aß
i
SiemerliDg, Arch. f. Psveh.
und Nerv. XXII 194 Falll
Siemerling, 1. c. Fall II
Siemerling, 1. c. Fall III
beiderseits
Ptosis
beiderseits
leichte Ptosis
beiderseits
massige Ptosis
Vollständige Lähmung aller
Augenmuskeln
Zunehmende Beweglichkeits-
beschränkung erst rechts,
dann links. Nur noch
schwache Bewegungen nach
abwärts möglich
Nach den Seiten Bewegungen
am stärksten eingeschränkt,
nach oben und unten besser.
auf Konver-
genz eihalten
beiderseits
reflekt. starr
R. > L. Beide
absolut starr
L. >B.
reflekt. starr
bei Tabes mit Paralyse oder Psychosen mit Sektionsbefund.
181
NervuB
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehuerv |
Andere Erscheinungen
ns
beiderseits
Trochlearis»
Abblas-
suDg der
Papillen
its
ns
beiderseits
Trochlearis
'its
sns
Ophthal-
mosk.
Atrophie
Blindheit
Atrophie
Der linke Musculus rectus ist in einzelnen Bündeln
erkrankt, die kleinen Muskelnervenäst« des
Abducehs zeigen eine leichte Degeneration, in
den übrigen Augenmuskeln zeigen sich geringe
Veränderungen. Die Erkrankung charakterisirt
sich anatomisch überall als ein Zugrundegehen
der Ganglienzellen der Nervenkerae ohne deut-
liehe Zeichen einer abgelaufenen oder noch be-
stehenden Entzündung. Den Blutungen kommt,
da sie meistens jüngsten Datums sind, eine
Bedeutung für die Genese des schon mehr-
jährigen Krankheitsprozesses nicht zu. Wenn
auch mit ziemlicher Sicherheit angenommen
werden darf, dass der rechtsseitige Oculomo-
toriuskern ebenfalls, allerdings in weit ge-
ringerem Maasse erkrankt ist, so findet sich eine
Atrophie der Wurzelbündel doch nur auf der
linken Seite und dementsprechend ist der linke
Nerv massig atroi)hisch, der rechte dagegen
gesund. Der Prozess ist am intensivsten und
illtesten in beiden Ab<lucenskernen, und dem
entspricht klinisch die frühzeitige komplete
Ab<lucenslähmung,und anatomisch die peripherie-
wärts abnehmende, aber hochgradige Atrophie
der Nerven. —
Tabes und Paralyse. Abducenskem und -Nerv
atrophisch. — Oculomotorius-Kem und -Nerv
atrophisch. Westphal'sche Gruppe gut. —
Trochlearis: Kern gut, Nerv atrophisch. Par-
tielle interstitielle Veränderungen an beiden
Optici. Fettige Degeneration der Augenmuskeln
beiderseits. Die Atrophie der N. N. abdu-
centes, oculomotorii und trochleares bis in
ihre Endverbreitungen ausgeprAgt. Degeneration
der Augenmuskeln mit Hypertrophie der Fasern.
Tabes mit hallucinatorischen Angstzuständen und
Hinterseitenstrangsklerose. Degeneration der
Kerne des Oculomotorius, des Abducens, leichte
Degeneration der Ganglienzellen im Hypoglossus-
kern. Atrophie der N. N. oculomotorii, ab-
ducentcs, trochleares.
Tabes. Hypochondrisclic Stimmung. Degeneration
der Kerne des Oculomotorius; am leichtesten
im distalen Beginn. Degeneration des Abducens-
kerns, beiderseits leichter Zerfall der Ganglien-
zellen im Hypoglossus. Atrophie der Nervi
oculomotorii und abdncentes. Degeneration
der Augenmuskeln. Graue Degeneration der
Optici. —
182
Tabelle VI. Ophthalmoplegie
j^ Autor und Litteratur
Nervus Oculomotorias
Ptosis
äussere Bulbusmuskeln
Iris
6 I Siemerling, Fall VI
beiderseits
deutliche
Ptosis
I
7 ! Siemerling, Fall VIII I.e.
8 I Siemerling, und Boc-
I deker, A. f. Psych, u.
I Nerv. XXIX 427 Fall I
9 Siemerling und Boe-
deker, 1. e. Fall III
keine Ptosis
Die Beweglichkeit der vom
Oculomotorius Tersox^n
Muskeln deutlich be-
schränkt
beiderseits
reflekt. starr
L. Ausgesprochene Oculomo-
toriuslähmung
B. angedeutet
beiderseits
absolut starr
keine Ptosis
K. Andeutung einer Parese
der Augenmuskeln mit
Ausnahme des Trochlearis
und Obliq. inferior
L. Parese des Beet. inf. und
Obliq. super.
beiderseits
absolut starr
I
beiderseits I Fortschreitende Lähmung
starke Ptosis | aller Augenmuskeln. Deut-
liche nystagmusartigeZuek-
ungen auch in der Ruhe
beiderseits I
reflekt. starr i
bei Tabes mit Paralyse oder Psychoseu mit Sektionsbefund.
183
Nervus
Trochlearis
Nervus
Facialis
Sehnerv
Andere Erscheinungen
ts
18
beiderseits
Trochlearis
ts
IS
Trochlearis
Atrophie
normal
Atrophie
L. normal Tabes mit Paralyse. Degeneration der Kerne des
R. Abblas- Ocnlomotorius (Westphal'sche Gruppe gesund),
sung nach Degeneration des Abducenskems beiderseits und
innen des Trochleariskems beiderseits. Zerfall der
Zellen im Hypoglossuskem. Degeneration der
N. N. ocnlomotorii , abducentes, trochlearcs.
Atrophie der Augenmuskeln. Partielle graue
Degeneration des rechten Optikus bis in die
Papille hinein. Beide Optici intakt. Der
ganze Oculomotoriuskem ist von stark gewun-
denen und gesohlängelten , mit Blut gefüllten
Gefässen durchzogen. Im centralen Theil des
Kerns finden sich in der Mitte und im rechten
Kern grössere, im linken kleinere Blutaustritte.
Paralyse mit Degeneration der Hinter- und Seiten-
stränge.
Unregelmässige Erkrankung der Hinter- und Seiten-
strünge im Lendenmark, auch der Vorderstränge
und Vorderhömer. Degeneration der hinteren
Wurzeln.
Massige Atrophie des Hypoglossuskemi. Hoch-
gradige Atrophie beider Abducenskeme und
der Nervi abducentes. Oculomotoriuskem links
ausgesprochen, rechts angedeutet atrophisch.
Westphal'sche Kerne und distales Ende der
Oculomotoriuskeme gesund. Die Wurzelbündel
und der Nervus ocnlomotorius links atrophisch,
rechts gesund. Augenmuskeln leicht d^^erirt.
Bechter Optikus total atrophisch, linker par-
tiell. —
Paralyse. Apath. Demenz. -Tabes. Mikr. Befund.
Beide Kerne des Abduoens degenerirt, rechts
mehr. Die Wurzeln rechts dünner. Bechter
Abducens erheblich degenerirt, links wenig
zerfallene Fasern. Der linke Trochleariskem
zeigt geringe Degeneration. Die Wunel gut.
Rechter Trochleariskem stark degenerirt, ebenso
die Wurzel. Der Oculomotoriuskem ist beider-
seits atrophisch. Hier und da finden sich in
den Kemen in der Nähe der Gefässe kleine
Blutungen. Die Westphal'schen Gmppen gut.
Wurzeln degenerirt. Die Wurzel&ste degenerirt.
Links sind sie besser.
Paralyt. Grössendelirien, dann apathisch. Seiten-
und Hinterstrangsklerose.
I Der Abducenskera beiderseits, ebenso die Wurzeln
i und der Nerv degenerirt. Der Trochleariskem
beiderseits, ebenso die Wurzeln und der Nerv
degenerirt. Vom Ocnlomotorius ist der Kern
beiderseits sehr stark degenerirt, ebenso die
Westphal'sche Gmppe. Femer sind die Ocnlo-
motorius-Wurzeln und -Nerv degenerirt. Alle
Augenmuskeln stark degenerirt, ebenso beide
Levatores paipebr.
184
Tabelle VI. Ophthalmoplegie
Nervus Oonlo m o t o ri ns
u
Autor und Litteratur
Ptosis
äussere Bulbusmoskeln Iris
ACQ
10
Siemerling und Boe-
beiderseits Lähmung nach allen Rieh-
1 1
L. >B. ,
deker, 1. c. Fall IV
mittlere Ptosis tungen
beideneits
absolut starr
11
Siemerling und Boe-
R. Ptosis
1887 Paralyse des rechten
beiderseits
deker, 1. c. Fall V
L. Ptosis ( Oculomotorius und par-
absolut starr
angedeütet
tielle des linken
1891 Paralyse des rechten
)
Oculomotorius
Parese des linken Oculomo-
torius, Intentionsnystagmus
12
Siemerling und Boc-
keine Ptosis
L. scheinen die Augenbeweg-
R. >L,
deker, 1. c. Fall Wll
ungen frei
Reaktion
R. Beschränkung nach oben
auf licht links!
fehlend, rechts!
vermindert
13
Siemerling und Boe-
beiderseits
Rechts Lähmung aller Ocu-
R. >L.
deker, 1. c. Fall IX
Ptosis, rechts
lomotorinsmuskeln , nur
absolut starr.
mehr
Beweglichkeit nach oben
etwas erhalten. Links frei
beiderseits
1
14
Boedeker, N. C. XIV 191
R. Ptosis
R. Lähmung sämmtlicherOca-
lomotoriusäste nur die Be-
weglichkeit nach oben ist
beiderseits
reflekt. sterr
R. keine Kon-
etwas erhalten. Augenbe-
vei-genxreak- |
wegungen im übrigen frei.
tion
Der rechte Bulbus etwas
L. Miosis !
prominenter als der linke
Reaktion auf
L. Sämmtlichc Augenbeweg-
Konvergenz |
ungen frei
erhalten
1
1
bei Tabes mit Paralyse oder Psychosen mit Sektionsbefand.
185
I
I I Nervus
18 I Trochlearis
Nervus
Facialis
Trochlearis
lysCj Trochlearis
en
18 I
ter I
m
es
du-
Sehnerv
Abblas-
sung
namentlich
temporal
Atrophie
Atrophie
Partielle
Atrophie
R. Papille
tem])oral
vielleicht
i etwas ab-
geblasst
Andere Erscheinungen
Tabo - Paralyse. Vom Abdueons beiderseits die
Kerne, die Wurzeln und der Nerv degenerirt.
Vom Trochlearis beiderseits Kerne, Wurzel und
Nerv degenerirt. Vom Oculomotorius beider-
seits Kern, Wurzel (inel. Westphal'sche Gruppen)
und Nerven degenerirt. Alle Augenmuskeln
degenerirt. Partielle Atrophie des Optikus,
indem beide Sehnerven in ihrem grösbten Theile
atro])hisch sind.
Paralyt.-apath. Demenz. Degeneration der Seiten-
und Hinterstränge.
Beiderseits leichte Degeneration des Abducenskems,
namentlich rechts. Im linken Abducens kleine
Fasern.
Der Trochleariskern beiderseits degenerirt, nament-
lich rechts. Die Wurzeln ebenfalls degenerirt.
Degeneration beider Oculomotoriuskeme im Be-
ginne gleich, dann rechte Seite stärker befallen.
Die Oculomotoriuswurzeln rechts dünner als
links. Westphal'sche Grupi>e gut. Alle Augen-
muskeln degenerirt.
Verwirrt, Grössenideen. Taboa. Abducenskern und
Nerv intakt. Trochleariskern und Nerv intakt.
Leichte Degeneration beider Oculomotorius-
keme.
Paralyt. Demenz. Grö«senideen. Tabes.
Abducens: Kern, W^urzeln, Nerven intakt. Beide
Kerne des Trochlearis nur massig degenerirt
im distalen Theil, im proximalen Theil stärker.
Wurzeln und Nerven intakt. —
Der Oculomotoriuskern beiderseits degenerirt,
rechts noch mehr in der vorderen Hälfte.
Intramed. Wurzeln links intakt, rechts stark
atrophisch. Westphal-Edinger'sche Kerne dege-
nerirt. Rechts Oculomotorius stark degenerirt. —
Lues hat wahrscheinlich bestanden. Potus? Tabo-
paralyse. Rechter Oculomotorius hochgradig
verdünnt. Der Abducenskern wenig verändert.
Vom Oculomotoriuskern ab tritt deutliche De-
generation der Kerne zu Tage, recht« meist
(aber nicht auf allen Schnitten) in höherem
Grade als links. Der auffallendste Unterschied
besteht bezüglich der austretenden Fasern : Diese
sind rechts verschwunden oder zu dünneren
Fäden verschmälert, links von normaler Breite.
Dieser Unterschied der Fasern bleibt in der
ganzen Länge des Kerns derselbe. Die dorsal
vom Kenigebiet in schräger Richtung noch
medial- ventral wärts verlaufenden Fasern sind
rechts degenerirt. Eine fast bis zu vollkom-
menem Schwunde vorgeschrittene Atrophie weist
der rechte dorsal gelegeue Kern auf (Kreis-
gruppe) und dessen nach der Mittellinie hin
austretenden Fasern. Die vorderen medianen
Kerne endlich sind ebenfalls beide hochgradig
zerfallen, der rechte noch mehr als der linke
186
Tabelle VI. Ophthalmoplegie
hi:
Nervus Ocnlomotorins
^ ! Autor und Litteratur
I
i Ptosis I äussere Bulbusmuskeln
15 , Westphal, A. f. P. u. X. L. Ptosis
i XVIII 840 !
beiderseits starker Strabismus
diverg.jWillkürlichoAagen-
l>cwegungea vollständig
fehleud
Iris
i0
d
L. auf Licht
starr
R. unmerklich,
reagirend.
bei Tabes mit Paralyse oder Psychosen mit Sektionsbe und.
187
Tn>chleari8
ÜDM-illkür-
liche Beweg-
ungen um den
Mund.
beginnende
Atrophie
Sektion: Ahducentes und Ocnlomotorii grau,
verdünnt, Augenmuskeln mehr oder weniger
verfettet. Wurzelfasem der Ocnlomotorii stark
degenerirt, den entsprechenden Befund ergeben
die Stämme der N. ocnlomotorii. Hochgradige
Atrophie der Ganglienzellen im Kern des Ocu-
lomotorius, die Grundsubstanz scheint normal.
An dem Trochleariskeme fand sich eine voll-
ständige Atrophie bisher nicht beschriebener
Gruppen kleiner Ganglienzellen ; die intra-
medullären Abschnitte der Trochleares zeigen
fast vollständige Atrophie. Die AbducensM'urzeln
sind hochgradig atrophisch.
188
Die Ptosis bei der progressiven Paralyse.
Was von der Tabes gesagt wurde, gilt auch für die Kombination der
Tabes mit Paralyse. Bei den von Siemerling und Boedeker beschriebenen
Fällen von Taboparalyse sehen wir die Augenstörungen meist nicht als weit
zurückliegende Vorläufererscheinungen des cerebralen und spinalen Leidens
auftreten, sondern gleichzeitig mit diesem, oder oft im Verlaufe desselben,
auftreten.
y) Die Ptosis bei der progressiven Paralyse.
S 73. Nach Moeli (384) sind graue Atrophie der Sehnerven und Augen-
muskellähmungen sehr viel häufiger, wenn gleichzeitig mit der Tabes psychische
Störungen vorhanden sind: graue Atrophie mit solchen 35^/o, ohne solche 8^o:
Muskellähmungen mit solchen 47®/o, ohne solche 15^/o.
Während Lähmungserscheinungen der Iris und des Ciliarmuskels (retlekt.
Starre auf Licht, auf Konvergenz, und Accommodation , Accommodations-
lähmung, Ophthalmoplegia interior) zu den frühesten und konstantesten
krankhaften Symptomen von Seiten der Augen bei der progressiven Paralyse
gehören, so steht diesen so häufigen Aflfektionen des vorderen Kerngebiets
des Nervus oculomotorius die bleibende Lähmung der äusseren Augenmuskel
resp. des Levator palpebrac als relative Seltenheit gegenüber.
Ueber das Vorkommen der Lähmung eines Augenmuskels oder der Ent-
wdckelung einer Ophthalmoplegia exterior bei Paralytikern giebt uns folgende
statistische Zusammenstellung beredte Auskunft:
Tabelle VIL
Ueber das Vorkommen der Lähmung eines Augenmuskels oder Entwickelung
einer Ophtlialmoplegia exterior bei Paralyse.
Autor und Litteratur
Männer
Weiber
Gesammt-
Zahl
Anzahl der Fälle
von
Paralyse
Siemerling und Boedeker,
Arch. f. Psych, u. N. XXIX.
722
2,0 ^,0
2,2 o/o
676
223
Ilirschl, eitirt bei Siemerling
und Boedeker
•
10,0
Kaes, Allg. Zeitschrift f. Pfvch.
LI. Heft I
3,6 '^, 0
2,0 V
3,3
A.Mario, (Kontribution il V etude
des troubles ocul. dans la
paralysie generale Tht*se de
Paris
14,3 <>;0
300
Gilbert Ballet, Neurolog.
Centralbl. XII. 626
27
37.
Die Ptosis bei der progressiven Paralyse. 189
Im Allgemeinen können wir also einen Prozentsatz von 2 — 3 für das
Vorkommen von dauernden Augenmiiskellähmungen bei der progressiven nicht
mit Tabes komplizirten Paralyse annehmen. Der hohe Prozentsatz von 14,3
bei Marie erklärt sich wohl daraus, dass die nystagmusartigen Zuckungen
in den Endstellungen, welchen wir ja auch so häufig bei anderen Nerven-
leiden begegnen, den Augenmuskelstörungen zugezählt sind.
Was die Ptosis anbelangt, so konnte in allen von Siemerling und
Boedeker untersuchten Fällen starke Grade derselben konstatirt werden,
und es machte den Eindruck, als ob diese mit der Intensität der Lähmung
in den. übrigen Muskeln des Oculomotoriusgebietes Hand in Hand gingen.
Im Beginne konnte die Ptosis oft noch überwunden, wenigstens bis zu einem
gewissen Grade ausgeglichen werden, später hing das Lid schlaff herab, und
war keine Hebung mehr möglich.
Unter den sieben inkomplizirten Fällen von Paralyse auf Tabelle VIII
fanden wir 5mal Ptosis verzeichnet. Erwähnenswerth scheint noch, dass
im Falle 6 dieser Tabelle bei doppelseitiger starker Ptosis und vollständiger
Degeneration aller Gruppen des Oculomotoriuskems neben Degeneration der
Wurzeln und Nerven die Degeneration in den beiden Mm. levatores palpebr.
am wenigsten gegenüber den anderen äusseren Augenmuskeln ausgesprochen war.
190
Tabelle VIII. Ophthalmoplegie
Tabelle VIII. Ophthalnw
^
Autor und Litteratur
Nervus oculomotorias
Ptosis
1 I Böttiger^ A. f. P. u. N.
XXI 2
beiderseiUi
Ptosis, später
R. starke
L. geringe
Ptosis
änssi're Bulbusmuskeln
Iris
dtt
beiderseits Oculomotoriuslfth-
mung
I
Siemerling, A. f. P. u. N. , keine eigent- I Nach allen Kichtungen sind
'^ ^ ,, „, I j.^j^^ Ptosis dieAugenbewegungen stark
I beschränkt
XXII 194 Fall IV
Siemerling, I.e. Fall VII
I
4 I Siemerling und Boe-
deker, A. f. Ps. u. N.
XXIX 720 Fall X
Siemerling und Boe-
deker, 1. c. Fall VIII
keine Ptosis
Augenbewegungen sehr be-
schränkt, nur rechts nach
aussen gut
L. Ptosis
L.zunehmende
Ptosis
L. Parese säm ratlicher Ocu-
lomotoriuȊste. Beweglich-
keit nach unten noch am
besten erbalten, nach innen
und oben stark einge-
schränkt. Nystagmus
beiderseits
starr
auf Licht und
Konvergenz
R. > L.
starr auf Licht
und Konver-
genz
L. > R. I
R. starr auf ;
Licht
L. > R. I
auf Licht starr!
bei progressiver Paralyse (Ptosis).
191
essiver Paralyse (Ptosis).
Nervus
Trochlearis
Trochlearifl
Trochleariö
TrochleariR
ts
8
Nervus
Facialis
ZuckuugcD am
rechteo Mund-
winkel
Sehnerv
Andere Erscheinungen
Atrophie
Abblass-
Der Facialis- und Abducenskem sind links ärmer
an Ganglienzellen. Die linke aufsteigende
Quintuswurzel ist in ihrer ganzen Ausdehnung
zum grössten Theile entartet.
Die hinteren Trochleariskeme fehlen beiderseits.
Die Hauptkeme des Trochlearis sind beider-
seits, besonders der rechte stark atrophisch.
Der Oculomotorius sowohl in Kernen als Wur-
zeln hochgradig entartet. Die Westphal'schen
Kerne sind relativ gesund. In den Ganglien-
zellen Vakuolen. Der Blutreichthum ist im
ganzen Himstamm erhöht ; prall gefüllte Kapil-
laren, l)esonder8 in der grauen Substanz äusserst
zahlreich. Im Hoden des III. Ventrikels, zum
Theil in seinen Seitenwänden zahlreiche punkt-
förmige kapilläre Hämorrhagien, Ependymitis
ebenda.
Abducenskem atrophisch, rechts stärker als links,
ung Nervus Abducens atrophisch. Der Oculomotorius»
namentlich kern und Nerv atrophisch,
temporal I Trochlearis: Kern und Nerv atrophisch. Die
Augenmuskeln degenerirt.
normal
normal
Abducens : Linker Kern und Nerv stark atrophisch.
Rechter Kern und Nerv gut.
Oculomotorius: Kern und Nerv atrophisch. West-
phal'sche Kerne gut.
Trochlearis: Kern atrophisch; Nerv atrophisch.
Augenmuskeln degenerirt.
Beiderseits aufsteigende Trigeminuswurzel, sen-
sibler Trigeminuskern und austretender sensibler
Trigeminus degenerirt.
Abducens : Beide Kerne degenerirt. Links stärker.
Trochlearis: Kern beiderseits sehr wenig degenerirt,
links stärker. Trochleariswurzeln gut.
Oculomotorius :
Westphal'sche Gruppe gut. Beide Kerne dege-
nerirt, links stärker. Wurzeln links stark
atrophisch, reckts intakt. Kern im centralen
Höhlengrau gut erhalten.
Abducens: Kerne degenerirt, Wurzeln dünn, Nerv
degenerirt.
Trochlearis: Beiderseits wenig zerfallene Zellen.
Wurzel gut.
Oculomotorius: Degeneration beider Kerne nament-
lich von der Mitte un. Linker Kern sehr stark
degenerirt. Wurzeln links stark degenerirt.
Westphal'sche Gruppe gut. Kern im centralen
Höhlengrau gut. Blutungen im centralen
Höhlengrau und der hinteren Commissur.
Augenmuskeln degenerirt. Linker Obliquus su-
perior intakt.
192
Tabelle VIII. Ophthalmoplegie
Nervus oculomo to rins
Ptosis
SiemerÜDg und Boe-
deker, 1. c. Fall II
7 Jessen, citirt bei Dufour
les paralysies nucleaires
observ. 189
beiderseits
starke Ptosis
äussere Bulbusrnnakeln
Iris
Am
dl
Fortschreitende Lähmang
aller Augenmuskeln. Zu-
letzt kaum Bewegung yor-
banden. Proinisio bulbi
L > R. i
auf Licht und;
Konvergenz '
starr
bei progressiver Paralyse (Ptosis).
193
Nervus ■ Nervus
Trochlearis I Facialis
I
I
Sehnerv
Andere Erscheinungen
Trochlearis
Atrophie ' Abducens: beiderseits Kern, Wurzel und Nerv
i degenerirt.
i Trochlearis : Beiderseits Kern, Wurzel und Nerv
I degenerirt.
Oculomotorius : Alle Kerne degenerirt, auch die
Westphal'schen. Wurzel und Nerv degenerirt.
Blutungen im centralen Höhlengrau.
Alle Augenmuskeln degenerirt. Levatores am
wenigsten.
Progressive Paralyse. On trouva des 16sions du
noyau d'origine de Poculo-moteur externe.
Wilbraud-Saenger, Neurologie des Auges.
13
UM Die PtosiB bei der omltiplca Sklerose.
/ Die Ptosis bei der mvltiplem Sklerase.
^ 74. Eingehende Untersuchungen über die Augemnaskelstömngen bei der
rliftseminirten Herdsklerose verdanken wir U h thof f «443». Derselbe konstsürte
in 18^0 der Fälle Augenmuskellähmungen «abgesehen Ton den Zacknngen der
Bulbi in den Endstellungen >, darunter 3 mal Lähmungen des Ocalomotorius.
Zweimal fand sich eine ausgesprochene Ophthalmoplegia exterior. Unter den
Fällen von A. Lübbers i510» handelte es sich 4mal um Parese des Ocalo-
motorius mur partiell und fast ausschliesslich auf den Rectas internus be
schränkt;. Ptosis wurde nicht beobachtet.
Auch Parinaud (511) giebt eine Zusammenstellung der Augenstorungen
Im der disseminirten Sklerose. Hie und da wurde Ptosis konstatirt
Unter den 35 Fällen von multipler Sklerose aus der Beobachtung von
Probst (440i traten als erstes Symptom leichte Augenmaskelstönmgen auf.
Der I^vatorlähmung ist jedoch dabei keiner besonderen Erwähnung gethaB.
Unter 68 Fällen von multipler Sklerose aus den beiden grossen Ham-
burgischen Staatskrankenhäusem fanden wir 18 mal den Oculomotorius afficirt.
Ptosis wurde in 14,7 ^'o der Fälle von uns gefunden. Wir
geben dieselben in kurzer Skizzirung hier wieder.
1. Ein 37 jähriger Töpfer erkrankte mit Kreuzschmerzen und Lähmung des
rechten Armes. Später spastische Lähmung des rechten Beines. Rechter
PatellarreHex gesteigert. Lähmung des rechten Oculomotorius inkl. des Le-
v a t o r p a 1 p. s u p. Intentionszittem. Links Herabsetzung des Sehvermögens.
2. oOjähriger Maurergeselle. Allmähliche Lähmung der linken Körper-
seite, die sich wieder Ijesserte. Sehstörung. Linksseitige Ptosis. Beider-
seith Trochlearis, Abducens und Obliquus inf. paretisch. L. Sehnerv blässer
als rechts. Träge I^ichtreaktion der Pupillen. Beiderseits Intentionszittem.
PatellarreHex gesteigert, links mehr als rechts. Langsame Sprache.
3. 49jähriger Kaufmann. Seit 3 Jahren zunehmende Steifigkeit in den
deinen. Schwindel. Ab und zu Incontinentia urinae. Patellarreflex ge-
steigert. Fussklonus. Nystagmus. PupillendilFerenz. Ataxie der Beine.
Linke Augenlidspalte kleiner als die rechte.
4. Ein 40jähriger Mann erkrankte mit Koj)f schmerzen, Sehstörungen,
Doppeltsehen und Ptosis. Vollkommene Heilung. 1 Jahr später wieder Kopf-
schmerz, Herabsetzung des Sehvermögens links und Schwäche im linken Bein.
Krhöhung der Sehnenreflexe. Rechtsseitige homonyme Hemianojisie. Beider-
seits Atrophia nerv. opt. Pupillendifferenz. Links Ptosis geringen
Grades, (iang spastisch. Spraclistörung. Schwäche im rechten Arm und
reichten l^Mn.
f). Fil. L., 27 J. Häufig Schwindel, Doppeltsehen vorübergehend.
Hochgradigfi si)astische Kontrakturen beider Beine. Beiderseits Fussklonus.
Verlangsamte, stossweise Sprache. Intentionstremor beider Hände. Lacht
viel. Beiderseits temporale Abblassung der Optici. Links Skotom für Weiss
d Farben. Nystaginische Zuckungen. Links inkomplete Ttosis.
Pupillen beiderseits gleicli, Reaktion etwas träge.
6. M. A,5 24jührige3 Dienstmädchen. Beginn mit Schwindel und apo-
■lectiformera Anfall Beiderseits Intentionsxittern der Hände; hochgradige
Steigerung der Patellarretlexe. Beiderseits Fussklonus. Nystagmische
Zuckungen der Bulbi in den Endstellungen. Leichter Tremor des Kopfes.
Kontraktur im FuBsgelenk. Gang unsicher. Link^ leichte Ptosis.
7. Katharina R*, 00 J. Beginn mit Schwäche und l:^chwere im linken
Bein ; der linke Arm folgte nach. Dann Zucken im linken Auge, Zittern der
rechten Hand und Sehschwäche, Linke Lidspalte enger als die rechte,
8. J. F, A. M., 50 J., Hutmacher. Nystagmus, Pupillendifferenz;
Amblyopie seit 4 Jahren, Intentionstremor ; Steigerung der Patellarredexe,
Spastische Kontrakturen heider Beine. Leichte Ptosis des linken
Auges. Nach 6 Tagen verschwunden. Nach w e i t e r e n 3 Wochen
ausgesprochene linksseitige Ptosis.
9. A. Seh., 41 J., Haushälterin, litt schon als Kind an Heniicranie. Im
25. Jahr Kopfschmerzen und Augenmuskel Ulhmung. Im 36. Jahr Abnahme
des Hör- und Sehvermögens links, frehaufte linksseitige Migräneanfalle mit
Erbrechen- Die o b.e r e n Augenlider hängen beiderseits tiefer
aU normal. Links centrales Skotom. Die linke Papille ist weiss.
10. H. A. B. Früher hing das linke, später das rechte
Oberlid herab.
In diesen Fällen stellte sich die Ptosis
Imal als komplete einseitige,
5 mal als inkomplete leichte Lähmung eines Levator palp. sup. dar»
2 mal fanden wir die eine Lidspalte kleiner als die andere notiii.
In l Fall war eine leichte Ptosis bald rechts, bald links aufgetreten.
In 1 Falle endlich hingen beide Oberlider tiefer herab als normal
Wie bei der äusseren Bulbusmuskulatur die Lähmungen keinen ausge-
sprochenen Charakter zeigen, sondern etisvas Unvollkommenes, Verschwommenes
an sich haben, so finden wir auch die I'tosis bei der multiplen Sklerose
meist als eine inkomplete und unfertige. Dieselbe zeigt ebenso wie bei der
Tat>es oft ein ephemeres Auftreten [siehe Nr. 8 der olien mitgetheilten
Fälle und Taylor (44<^ Fall 1)].
Auch die isolirte Lähmung des Levator kommt neben Nystagmus bei der
multiplen Sklerose vor, wie in dem folgenden durch die Sektion bestätigten Falle
von Schule (449). Ein 23jähriger Forstbeamter zeigte Schwindelantalle,
Koordinationsstörungen der Arme und Beine, Tremor capitis, Parese des
rechten Arms und Beins , Nystagmus und Ptosis. Dabei bestanden
Schüttelkrämpfe, Schlingbeschwerden und scandirende Sprache.
Meist tritt jedoch die Ptosis zugleich mit Doppeltsehen und folgenden
mehr oder minder stark ausgesprochenen Störungen von Seiten des Auges
ein, für welche die Beobachtung lU von Leube (447) typisch ist. Bei einem
n*
196
Die Ptosis bei der multiplen Sklerose.
26 jährigen Menschen mit multipler Sklerose bestand Doppeltsehen, Strabismog,
Pqpillendifferenz bei erhaltener Reaktion, Sehschwäche, Nystagmus und Ptosis.
Ebstein (450) beobachtete einen Fall von multipler Sklerose mit Atrophie
beider Sehnerven, wobei später eine beiderseitigePtosis auftrat. Nystag-
mus fehlte jedoch dabei.
§ 75. In differential-diagnostischer Besiehung käme zunächst die
Verwerthung der Ptosis gegenüber der cerebrospinalen Lues, der Paralyse,
der Tabes und besonders der Hysterie in Betracht. Dabei wäre mm
zuerst wieder die Frage zu berücksichtigen, wie sich überhaupt das Ver-
hältniss der Augenmuskellähmungen bei diesen Krankheiten unter einander
gestaltet. Nach einer Zusammenstellung von Liebrecht (MüJich. med.
Wochenschr. No. 24, 1891) aus dem Materiale der Schöler^ sehen Augenklinik
zeigten sich unter 25000 Augenkranken 312 Augenmuskellähmungen. Tabel-
larisch geordnet traten dabei folgende Ergebnisse zu Tage:
Tabelle IX.
3
<
2
rtiell
total
halmo-
egia
erior
Ifl
9 £
:ll
^
1
1
Oeulo
pa
und
-5 ^a
O
i'»
ri
i^
Lues cerebri
Tabes
Paralyse
Multiple Sklerose
14
34
11
34
3
1
13
4
6
4
43
90
11
3
I
13»?
28.'2
3,8
0,3
Auf das Vorkommen der Levatorlähmung ist jedoch in dieser Tabelle
leider keine Rücksicht genommen worden.
p]s muss nun hervorgehoben werden, dass das Vorhandensein einer Ptosis
für die Diagnose der multiplen Sklerose im allgemeinen wenig von Belang ist,
jedoch für den speziellen Fall, wie wir noch ausführen werden, von hoher
diagnostischer Bedeutung werden kann. Giebt es doch kaum eine Krankheit,
die so latent, und so oft im klinischen Gewände einer anderen Krankheit ver-
läuft, wie gerade die disserainirte Herdsklerose.
So machte in der folgenden Beobachtung von Mann (441) die Unter-
scheidung von cerebrospinaler Lues Schwierigkeiten.
Yaw 26jähriger Mann erkrankte mit Diplopie und etwas Kopfsehmerzen
im Mai 1888. Drei Monate später ergab die Untersuchung am linken Auge
eine unvollständige Ptosis und Parese des M. rectus internus« Wenn
Patient aufgefordert wurde, nach der rechten Seite zu blicken, so traten am
linken Auge nystaginiisartige Zuckungen nach innen ein* Die übrigen B(*weg:ungen
des linken Auges, sowie sämintliche des rechten waren normal. Die Pupillen
waren mittelweit, gleich und reagirten prompt. Als Ursache dieser Affektion
wurde eine frühere luetische Infektion angenommen nnd Jodkali verordnet. Im
Oktober sah er den Kranken wieder; zu dieser Zeit waren ab^r am linken Auge
sohon die Mm. rect. snp* obliq. sup. nnd infer, auch gelähmt. Die Pupillen waren
immer normal. Patellarretlexe erhöht. Schwindelgefühl, welches am Geben
hinderte; auch ermüdete Patient sehr leicht und fühlte sich matt. Eine anti-
hietische Kur blieb erfolglos. Im Februar 1889 schien auch der M. rectus
extern, am linken Auge paretisch, dieser Muskel war ebenfalls am rechten Auge
schwächer. Die linke Pupille w^ar etwas weiter, die Reaktion jedoch gut; an
der Zunge fibrilläre Zuckungen; das Kauen und Schlingen fiel dem Kranken
etwas schwer, Sprache scandirentl, er hörte etwas schlechter auf dem linken Ohr,
Die oberen Extremitäten waren normal, an den unteren trat bei intendirten
Be%vegungen ein heftiges Zittern ein, sodass der Patient kaum gehen konnte.
Die I*atellarrertexe sehr erhobt. Blase und Darm normal. Weder apoplektiforme,
noch epilepti forme Anfalle.
In dem einen von Greif f (442) beschriebenen Falle handelt es sich um
eine Kombination der multiplen Sklerose mit progressiver Paralyse, im
anderen Falle um die Kombination von Lues und Leptomen.ingitis
mit multipler Sklerose; hier war aber in vivo kein Zeichen vorhanden, welches
auf multiple Sklerose schliessen Hess,
Der erste Fall betrifft eine 43jährige Frau, die unter den Zeichen
der Paralyse erkrankt war (Silbenstolpem, Pupillendifferenz), Parese des
Mundfacialis rechts, des Gaumensegels, schlechter Gang. Nach Jahresfrist
Demenz. Dann Zittern des paretischen Arms. Später Decubitus, rechts-
seitige Ptosis, Intentionszittern , Kontrakturen. Nach 1^/* Jaliren Tod-
Sektion: In der Mitte der ersten rechten Frontahvindung, Wurzel der
zweiten rechten Frontalwindung und Spitze der dritten Frontalwindung
Atrophie. Substanz derb. Die w^eichen Haute sind getrübt und adhärent. —
Der zweite Fall betraf einen 45jahrigen, schwächlichen, neuropathisch be-
lasteten Mann mit luetischer Infektion, 1875 Zittern der Beine, Sprach-
störung, Blasen- und Mastdarmstörung; 1875 ausgeprägte Paralyse. Zu-
nehinende Demenz, Tremor manuum, Piipillenditferenz. Geringe Ptosis
links, Silbenstolpem, Zuckungen in den Lippen. Exitus. Anatomisch:
diffuse Sklerose des Gehirns^ chronische Leptomeningitisi diffuse Sklerose des
Kückenmarks; disseminirte sklerotische Herde in den verschiedenen Strängen.
Mit Tabes dorsal is kann sich die multiple Sklerose auch kombiniren,
wie dies Westphal in einem Falle beobachtet hat. Hierbei muss hervor-
gehoben werden, dass im Verlaufe der multiplen Sklerose durch Lokalisation
der sklerotischen Platjues in den Hintersträngen tabesähnliche Symptome
hervorgerufen werden können. Kin wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen
Tabes und Sklerose liegt aber, wie bekannt, vor allen Dingen in dem t'harakter
event vorhandener Sehstörungen von Seiten des N, opticus; denn während
198 Die Ptosis bei der multiplen Sklerose.
dieselben bei der Tabes stets einen progressiven Verlauf nehmen und über
kurz oder lang zu absoluter Amaurose führen, ist bei der multiplen Sklerose
die Sehnervenaffektion in der grossen Mehrzahl der Fälle und im B^nne
des Leidens von flüclitigem Bestand. Eine progressive Opticusatrophie mit
völliger Erblindung ist sehr selten. Femer sind die reflektorische Lichtstarre,
welche bei der multiplen Sklerose ebenfalls selten vorkommt, und der Umstand
ins Feld zu führen, dass bei der Tabes die Augenmuskellähmungen nicht
jenen verschwommenen, unklaren Charakter haben, der ihnen bei der multiplen
Sklerose anhaftet.
Sehr häufig giebt die disseminirte Herdsklerose Veranlassung zur Ver-
wechslung mit Hysterie, zumal da sie oft mit derselben kombinirt verläuft.
Tritt nun bei einer vermeintlichen Hysterie eine Ptosis mittleren Grades auf,
so wird hiedurch die Diagnose einer multiplen Sklerose an Wahrscheinlichkeit
gewinnen, weil bei der Hysterie für gewöhnlich die sog. Ptosis pseudopara-
lytica gefunden wird. Dieselbe hat aber mit dem Levator gar nichts zu
schaffen, sondern beruht auf einein Spasmus der Palpebralportion des
Orbicularis, wie wir dies in dem Kapitel: über die hysterische Ptosis
später noch eingehender auseinandersetzen werden. Bei der Differential-
diagnose zwischen Hysterie und multipler Sklerose sind die weit häutiger
vorkommenden krankhaften Erscheinungen am Sehnerven von viel bedeuten-
derer Valenz als die relativ seltene Ptosis.
Dass aber im speziellen Falle das Vorhandensein einer selbst leichten Ptosis
von der gröbsten Bedeutung werden kann, wird jedem klar werden, der den
so häufig atypischen Verlauf der multiplen Sklerose kennt und berücksichtigt,
dass, wie wir gesehen haben, eine isolirte Levatorlähmung auch bei dieser Krank-
heit vorkommt. Eine unter dem Bilde einer spastischen Spinalparalyse, einer
kombinirten Hinterseitenstrangaffektion, einer Myelitis transversa, ja amyo-
trophischen Lateralsklerose verlaufende multiple Sklerose wird als solche dann
sicher diagnosticirt werden können, sobald eine Ptosis, selbst geringeren
Grades, zu dem Krankheitsbilde hinzutritt. Denn bei den erwähnten Affek-
tionen wird überhaupt keine Ptosis gefunden; bei der amyotrophischen
Lateralsklerose pflegen aber zunächst immer die unteren Bulbärkeme be-
troffen zu werden.
Schwieriger gestaltet sich die Diagnose für diejenigen Fälle, bei welchen
die multiple Sklerose mit bulbären Symptomen in akuter Weise einsetzt: mit
Ataxie der oberen Extremitäten, Hemiparesis und Gefühlsstörungen, da eine
akute Encephalitis pontis et med. obl. denselben Symptomenkomplex, eventuell
auch mit Ptosis, darbieten kann.
Sehr wichtig ist ferner das Vorhandensein einer Ptosis bei der hemi-
paretischen Form det multiplen Sklerose zur Unterscheidung von einer Hemi-
parese aus anderer Ursache, zumal in den letzten Jahren diese hemiparetische
Form der Sklerose mehrfach (so auch von uns) beobachtet worden ist.
Da bei Tumor cerebri, Apoplexien und Encephalitis das
Auftreten einer Ptosis möglich ist, und diese Erkrankungen mit multipler
Sklerose verwechselt werden künnten, namentlit^h wenn letztere mit Hirn-
Symptomen beginnt, so verweisen wir wegen der differentielJ-diagnosti sehen
Erwiigun)i:;fen auf die späteren Kiipitel, w^elclie die Ptüsis hei den erwiilinten
Affekt ionen behandelt.
JeJenl'alls ist die Ptosis bei der mnltiplen Sklerose ein klinisch
w^ichliges und bisher nirht genug gewürdigtes Syniptom, tbis tmter Umstünden
mehr zu bedeuten hat und luisschlaggebender für die Diagnose wertlen kann, als
die bekannten nystaginisehen Zuckungen in den Endstellnn^en, weil dieselben
sogar bei Gesunden vorkummen können. Natürlicli muss bei der Benrtheiking
der Ptosis eine eventuelle At!ektion des Synipathicus mit Bestimmtheit
ausgeschlossen werden, was im Allgemeinen bei der stets vorhamlenen gleich-
seitigen Miosis nicht schwer fallen dürfte.
i; 70. I*atbologisdi-anatomiscb kann die Ptosis bei der multijden Sklerose
sowohl kortikalen, als subkortikalen, nuklearen, fascikulären and peripheren
Ursprungs sein, je nach der Lokaiisation der sklerotischen Platjues. Aus
iliesen njannigfaltigen Bedingungen gebt schon die Bedeutsamkeit der Levator-
liibmung hervor und zeigt, wie selir eine Ptosis an Dignitat die anderen
Augenmuskellähmungen übertriH't.
Wilbreml wir in der Litterat ur keinen Fall von Ptosis bei der nudtiplen
Sklerose mit rein kortikaler Lokaiisation, eventuell im Gyrus angularis, tinden
konnten, lasst folgender Fall von Taylor (446) es zweifelhaft, ob der Sitz
kortikalen oder nuklearen Ursprungs sei.
Bei einem 34jährigen Manne mit üpbtbalmojilegia exterior completa,
soviel sich beurtheilen liess, war vorzugsweise die innere Kapsel, die Gross-
und Kleinhirn-Rinde betbeiligt. Ein Theil des Oculomotoriuskerns war be-
einträchtigt-
In dem früher erwilhnten Falle Greiff's (442) zeigte die mikroskopische
l-ntersuchung eine starke iSklerose der Gefässe und deutliche Ependym-
wueherung im IV, Ventrikel, Die Nervenkerne waren normal. Die Ptosis
war daher wohl durch intracerebrale Veränderungen verursacht worden.
Rein nuklearer Natur war die geringe Ptosis in dem folgenden Falle
Yon Siemerling (451).
47jäbriger Mann mit geistiger Schwäche, Bewegungen der Augen-
muskeln tbeils aufgehoben, tbeils äusserst beschränkt, das rechte Auge wird
etwas mehr vom oberen Lide bedeckt; Fehlen der PupillenreHexe, Abblassung
der temporalen Papülenhälften, Kniephänomen erbalten. Decubitus, ^Symptome
von Geistesstörung. Die mikroskopische Untersuchung zeigte das Rückenmark
gesund, Degeneration der Kerne des t)cu!omotoriii!ü. Die Westpharscijen
Gruppen und das dorsale Ende des Kerns gesund. Abducens und Trochlearis
mit ihren Nerven atrophisch. Atrophie der Augenmuskeln. Partielle graue
Degeneration des rechten Nervus opticus.
In dem Falle von (*laus (445) war die Ptosis sowohl durch nukleare,
wie periphere Veränderungen bedingt. Bei einem 22jährigen Patienten be-
stand neben langsamer Sprache, gesteigerten Sebnenreflexen (Fussklonus) ein
i
200 Die Ptosis bei der multiplen Sklerose.
auffallendes Herabhängen beider oberen Augenlider, besonders während der Ruhe.
Auch beim Sprechen wurden dieselben nur bis zur Hälfte geöffnet. Bei Auf-
forderung kann er sie eine Ze^it lang vollständig öffnen, lässt sie
aber bald wieder sinken. Ausser der multiplen Sklerose waren über der
Konvexität meningitische Veränderungen an den Stirn- und Centralwindnngen
vorhanden. Unter anderem fanden sich im Haubengebiet, hie und da im
rothen Kern, in den Vierhügeln und im Bereich des Oculomotorius-Trochlearis-
kems einzelne Herde mit massenhaften Kömchenzellen, welche sowohl frei
im Gewebe, als auch an den Gefässen vorhanden waren. Ausserdem er-
schienen daselbst die Nervenfasern in geringerer Anzahl und ersetzt durch
eine verbreiterte Bindesubstanz. In den Himnerven und besonders im Oculo-
motorius fanden sich vielfach Körnchenzellen und stellenweise eine Ver-
breiterung des interstitiellen Gewebes.
In den Fällen von Leube (447) und Liouville (448) waren sklerotische
Herde im Oculomotoriusstamme gefunden worden. Somit kann auch eine
Ptosis bei der multii)len Sklerose auf rein peripherischen Veränderungen
beruhen.
d) Ptosis bei der Syringomyelie.
v^ 77. Das eingehende Studium der Syringomyelie in neuester Zeit hat dar-
gethan, dass Bulbärsymptome bei dieser Krankheit durch Weiterfortschreiten
des krankhaften Prozesses nach derMedulla oblongata hier nicht selten auftreten,
und zwar im Allgemeinen erst in den vorgerückteren Stadien. Von den Augen-
muskelnerven wird am häufigsten der Abducens, als der am tiefsten gelegene,
befallen. Jedoch treten mitunter auch Lähmungen des Oculomotorius auf.
von denen es noch nicht ganz sicher ist, ob sie nicht als Komplikationen zu
betrachten sind, weil nach Schultzens (499) Angaben die Spaltbildung und
Gliawucherung sich nie so hoch hinauf erstrecken soll. Ganz besonders
bemerkenswerth erscheint nun das zuweilen beobachtete Auftreten von Augen-
muskellähmungen im Initialstadium der Syringomyelie, eine Erscheinung, welche
durch die Flüchtigkeit ihres Charakters und die Bevorzugung des Abducens
eine grosse Aehnlichkeit mit den Augenmuskelstörungen im Frühstadium der
Tabes zeigt.
Bezüglich des Vorkommens der Ptosis bei der Syringomyelie nun muss
die Levatorlähmung scharf von der durch eine SympathicusaflFektion erzeugten
sogenannten sympathischen Ptosis unterschieden werden, welch' letztere, wenn
auch oft nur schwach angedeutet, gar nicht so selten bei der Syringomyelie
zur Beobachtung kommt.
Was die Häufigkeit des Vorkommens der Augenmuskelstörungen überhaupt
bei Syringomyelie anbelangt, so konnte L. Lamacq (501) in 50 Fällen dieser
Krankheit mit Bulbärerscheinungen bei 7 Fällen Diplopie und in 1 Falle
Strabismus feststellen.
Schlesinger (500) hat unter 200 Fällen von Syringomyelie Augen-
muskellähmungen und vorübergehende Diplopie 24 mal bei 22 Fällen gefunden,
also in 12 ^^o. Ptosis in Folge von Ui'ulomotoriusaftektion bezeichnet dieser
Autor als selten,
Angaben iilier Ptosis fanden wir bei folgenden uns aus der Litteratur
2 ugäng] i ch en F ä ! l e n :
H. Nenhaus (502). 1. 2t\jähriges Mädchen. Rechtsseitige Ptosis.
Tlethte Pupille etwas weit. Schwäche der Finder beider Hände; Atrophie
derselben, Skoliose. Ausgebreitete partielle Einptindungslähmung, Cjanose am
Unterarm und Handrücken. Rechtsseitige Svmpathicusparese. NB. Anffallend
ist hierbei die rechtsseitige l*upmener Weiterung, wetclie für eine Sympathicus-
reizunfj: spricht.
2. Von demselben Autor (5l>2). 27jährige Näherin. Rechts Ptosis.
Verengerung der Pupille. Unilaterale Schweisssekretion. Abmagerung des
rechten Armes: später Taubheitsgefühl im linken Bein. Motilitätsstörungen
an der recliten oberen und unteren F^xtreinitat. Teuiperutursinn an <len unteren
Extremitäten gestört. Tropbische Störungen. An der rechten Schläfengegend
weisse Haare. Vasomotorische Störung?.
3. Emil Tornow {503). 38)ähriger Arbeiter. 1892 schmerzlose Pana-
ritien der rechten Hand. SensibilitätFstörung; Ptosis, (ielenkerkrankung:
Blasenstörung. Seit einigen Jahren Scbmerüeu in den unteren Extremitäten.
4. Ür. W. Rosenblath (504). 40jäbrige Frau erkrankte mit Kopf-
schmerzen. Ungefähr 1 Jahr später Schwäche, Schwere und Parästhesien in
den Extremitäten. Gleichzeitig Krlimoiuiig der Finger. Nach vorübergehender
Besserung Lähmung, Spasmen, Muskelatrophien und Sensibilitätsstönmgen.
Danelien rechtsseitige Ptosis, Nystaguiu.s. Schiefstand des Gaumens und
B läse nstorun gen.
Die Sektion ergab Syringomyelie und l*achymcningitis cervicalis hyper-
troph ica in der Höhe des 1. Cervi kainerven. Weiter nach unten ausgedeliute
Hf*hlenbildung, die bis zum 7. Halsnerven reicht.
5. A. Raichline (505). Bei einer 47jäbrigen Frau mit Syringomyelie
bestand rmksseitige Ptosis mit Pu[>illenverengernng und Nystagmus horizontalis
besonders bei linksseitiger Blickrichtung. Vielleicht bandelte es sich liier
um eine Ptosis sympatbica.
6. Jolly (Ö06) stellte eine luetische Kranke vor, die zum zweiten Mal an
vollständiger beiderseitiger Oculomotoriuslähmung litt, und welche mau auf eine
basale Erkrankung zurückführen ktmnte. Jedoch war in Erwägung zu ziehen,
ob niclit das Augenleiden niiclearer Natur sei, da die übrigen bei der i*atientin
beobachteten Erscheinungen (Gefühls-, Muskel-, Ernabrungsstönmgen) auf eine
Syringomyelie hinwiesen.
Aus den w^enigen hier mitgetheilten Fällen ist zu entnehmen. da?s
in der Tliat die Levatorläbmung, wenn auch nicht liäulig, bei der Syringomyelie
zur Beobachtung k(mimt.
(jar nicht so selten ist aber, wie wir schon eingangs erwähnten, eine
Ptosis auf sympathiscfier tiruudlage; denn eine einseitige Sympathicuslähmung
wird bei der Syringomyelie recht häutig beobachtet durch Läsion der pupillen-
202 Die Ptosis bei der Syringomyelie.
erweiternden Fasern im oberen Brustmark, die mit dem Ramns conununicaDS
des 1. Bnistnerven das Rückenmark verlassen.
So beobachteten wir folgenden Fall von Syringomyelie mit dieser
Komplikation:
A. S., löjähriges Mädchen. Schwäche der rechten Hand, Finger stehen in
leichter Krallenstellung. Die Haut über dem Handrücken ist cyanotisch. Thenar
und Hypothenar atrophisch. Tastempfindung gut, Temperatur- und Schmen-
empfindung sehr herabgesetzt.
Patientin verbrannte sich öfter die rechte Hand, ohne dass sie es meikte.
Die Kraft derselben ist hochgradig herabgesetzt. Dynamom. rechts 0.
links 60.
Es besteht eine deutliche rechtsseitige inkomplete Ptosis. Beim Blick
gerade aus ist die rechte Lidspalte (> mm; die linke 8 mm.
Die rechte Pupille ist eng und um ^/s kleiner als die linke.
Zugleich besteht ein geringer, aber deutlicher rechtsseitiger Exophthalmus.
Die Pupillarreaktion ist beiderseits normal.
In der ersten Beobachtung Kopp ens (507) über akute Höhlenbildung
im Kückenmark trat rechterseits kurz vor dem Tode Ptosis und Pupillenenge auf.
Es bestand eine atrophische Lähmung beider Beine mit unerheblicher Sen-
sibilitäts- und Blasenstörung. Bei der Obduktion fand sich im Halsmark in
der Mitte der grauen Substanz eine Höhle ohne Zusammenhang mit dem
Centralkanal und ohne Wandung.
Die Lähmung der Beine war infolge einer Kompression des Plex. sacr.
und lumbalis durch sarkomatöse Massen zu beiden Seiten der Wirbelsäule
entstanden.
Dejerine (508) und Mitraille (508) beobachteten bei einer 57jährigen
Frau, welche an den Erscheinungen der Syringomyelie litt, die für eine
Lähmung des linken Halssympathicus charakteristischen Symptome.
Vielleicht gehören Fall 2 und 5 auch zur sympathischen Ptosis.
$ 78. Jedem Neurologen ist bekannt, welche Schwierigkeit unter Umständen
die Erkennung einer Syringomyelie bereitet. Giebt es doch f^älle dieser
Krankheit, welche trotz ausgedehnter Höhlenbildung symptondos verlaufen sind.
Wenn nun auch hierbei in Betracht gezogen werden muss, dass die meisten
dieser Fälle einer Zeit angehören, welche vor der Entdeckung Schultzens
und K ahlers liegt, so existiren doch zahlreiche Fälle aus neuester Zeit
deren klinisches Bild sehr wenig hervortritt und mit anderen Krankheiten
leicht verwechselt werden kann. Jeder auch noch so geringfügige Anhalts-
punkt, jede Bereicherung des Symi)tomenkomplexes dieser gar nicht so seltenen
Krankheit darf als bedeutungsvoll bezeichnet werden; und so erscheint es
daher auch wohl berechtigt., die difFerential- diagnostische Wichtigkeit einer
Ptosis in einem zweifelhaften Falle von Syringomyelie hier zu betonen.
Speciell die oft geringe sympathische Ptosis mit der dazu gehörigen
Pupillenverengerung wird unter Umständen die Unterscheidung von einer
Die Ptosis l»Gi der 8yringorayelie. 2Ü3
i}'^terie erleichtern, bei der die Ptosis meist in pseudoparalytischer Form
lud ohne Piipillenverengerung auftritt.
Die grüsste Schwierigkeit kann, wie auch Schnitze dies in seinem Lehr-
buche S. 307 an einem prägnanten Beispiel hervorhebt, sogar die Tabes machen,
im Anfangs Stadium beider Krankheiten flüchtige Augenmuskeltähmungen^
trnphische Störungen an den Gelenken, der Haut, partielle Empündungs-
lahmongen, Schmerzen, Alteration der Retlexthatigkeit und endlich auch
rupilienstü Hingen beobachtet werden. Die Ptosis kann aber hier wie dort von
gleicher Natur sein. Wird jedoch eine inkomplete einseitige Levatorläbmung
mit gleichseitiger Pupillenveränderung gefunden^ imd zeigt sich das in den
betretenden ('onjimctivalsack instillirte Cocain unwirksam, so spriclit dies
sicher für eine durch Sympathicuslahmung bewirkte Ptosis, welche ihrerseits
wieder in Rücksicht auf die Häufigkeit des Vorkommens für eine bestehende
Syringomyelie venverthet werden könnte.
Kommt die Möglichkeit der Vortauschung einer Syringomyelie durch
amyotrophische Lateralsklerose, progressive Muskelatrophie, multiple Sklerose,
oder progressive Dulbärparalyse in Frage, so kann wiederum eine sympathische
Ptosis und paralytische Miosis ausschlaggebend für die S}Tingomyelie werden,
abgesehen von der eventuell vorhandenen Halbseitigkeit vonbulbiiren Störungen,
wie das ja besonders bei der Syringomyelie beobachtet w^ird. Dagegen können
Riickenniarkstimioren (wne wrir es in einem Falle erlebtem, Konipressionsmyelitis,
Pachymeningitis cervicalis hypertroph, und Plexuslähmungen diesen Symptom-
komplex isymp. Ptosis njit Pupillenenge) ebenso darbieten, wie die Syringo-
myelie, jedoch niemals eine Ptosis in Folge von Levattirlähmung.
Bei der syphilitischen Meningomyelitis kann gewiss in manchen Fällen
die Difi'erentialdiagnose recht schwierig werden; jedoch wird eine antisyphili-
tische Kur Klarheit schaffen können, insofern dieselbe bei der Syringomyelie
unwirksam bleibt.
Eine vorhandene Ptosis kann endlich bei der Differentialdiagnose zwischen
Friedreich'scher Krankheit, Lepra, Polyneuritis, Arthritis deformans und
Syringomyelie zu Gunsten der letzteren verwerthet werden.
b) Die Ptosis bei rter chronischen ued subchrüiiisehen Ophthalnioiile^ief
kombinirt mit Ilulbärkent- uud YoTderliomerkraiikuiigen.
?i 7H. Nach Guinon und Parmentier(388) kombinirt sich die doppelseitige
chronische Ophthalmoplegie nicht selten mit der (ilosso-labio-pharyngealparalyse.
Die erstere wird als eine obere, die letztere als eine untere Bulbärlähmung
von diesen Autoren aufgefasst. Vereinigt würden dann beide eine vollständige
l'olioencephalitis darstellen, mit welcher sich eine Poliomyelitis anterior, bald
in Gestalt des Duchenne- Ar an 'sehen Typus, bald als subakute vordere
Spinal lähmung verbinden könne. —
Von dem l*mstande abgesehen, dass es uns richtiger erscheint, die Bezeich-
nung Polioencephalitis für den in Rede stehenden Krankheitsprozess ganz zu ver-
%i Die Ptosis bei der chronischen und subchronischen OphthAlmopIegit.
meiden, weil es sich weniger um entzündliche, als um degeneratiTt
durch ihren chronischen Verlauf charakterisirte Vorgänge handelt, id
die Beziehungen der Ophthalmoplegie zur klassischen Balbärparalvft «i
der progressiven Muskelatrophie nicht so weitgehend und einheitlich, wie dl«
Autoren es darstellen. So häufig man auch in der Litteratur die Kombintki
der Ophthalmoplegie mit degenerativen Vorgängen in den Bulbärkenien ol
den Vorderhornganglien des Rückenmarks finden mag, so selten zeigt sich deni
Verknüi)fung mit der classischen progressiven Bulbärparalyse. Letztere stdh
bekanntlich eine allmählich sich entwickelnde progressiv-atrophische LähmoK
der Zungen-, (iaumen-, Lippen- und oft auch der Kehlkopfmuskulatur dir.
welche entweder i)rimär auftritt, oder zur progressiven und der amyolropiu-
sehen Muskelatrophie sich hinzugesellen kann. Bei der mit Ophthaimopleipe
verbundenen Bulbärparalyse aber sehen wir oft ein atypisches, unvollständiges
Hefaliensein der Nervenkerne, bei welcher Atrophien mit den so cbarak-
teristischen fibrillären Zuckungen ebenso häufig, wie die qualitativen Ver-
änderungen der elektrischen Erregbarkeit vermisst werden.
Dasselbe beobachten wir bei den mit Ophthalmoplegie kombinirten Vorder-
hornaffektionen. Beinahe niemals handelt es sich um das typische Bild einer
Duchenne- Aran' sehen spinalen Muskelatrophie, sondern meist um eine
atyi)ische, oft sprunghaft auftretende atrophische Spinallähmung von bald
chronischem, bald subchronischera Charakter, bei welcher dann meist die Sehnen-
reHexe und häufig auch die fibrillären Zuckungen fehlen. Bei einigen Fälleninir^
trotz vorhandener Lähmung eine deutliche Atrophie vermisst, und wieder bei
anderen war auch die weisse Substanz besonders in den Seiten- und Hint€^
strängen mit ergritten. (Hutchinson, Westphal-Siemerling und unser
Fall.) — Kurz es handelt sich im Orossen und (lanzen um einen parencbymatos-
degenerativen Prozess, welcher die Xenenkerne des Mittelhirns, des Pons. der
Medulla oblongata und der Vorderhörner in wechselnder Intensität und Aus-
wahl ergreift. Meist(»ns tritt zu Anfang eine Ophthalmoplegie in die Er-
scheinung. Seltener sind die Fälle, in welchen die bulbär-parairtischen
Symptome den Augenmuskellälimungen voraufgehen. Andererseits kann sich
eine Ophthalmoplegie mit Vorderhornerkrankung kombiniren, ohne dass Bulbär-
erscheinungen hinzuzutreten brauchen. Dass, daneben aber jedes der erwähnten
(lebiete im klinischen Bilde für sich selbständig erkranken kann, brauchen
wir hier nicht erst noch hervorzuheben. Wohl aber sei betont, dass bei den
fortschreitenden Erkrankungen der motorischen Leitungs-
bahnen (Dr. M. Probst [509]) eine Attektion der Bulbärkeme und der
(Ganglienzellen der Vorderhörner bei Intaktbleiben der Augenmuskelkeme ge-
funden wird, eine Thatsache, welche gegen die von G uinon und Parmentier
verfochtene Zusammengehörigkeit der Ophthalmoplegie zur typischen amvo-
trophischen Bulbärparalyse und progressiven Muskelatrophie ins Feld gefuhrt
werden kann.
Bezüglich des Richtiingsverlaufes, in welchem die einzelnen Nervenkerne
von oben nach unten und vice versa befallen werden, giebt uns folgende Zu-
Die Ptosis bei der chronischen und subchronischen Ophthalmoplegie. 205
. iMomenstellung von 40 Krankheitsfallen einen Aufschluss. Dieselben lassen
^iish Tom klinischen Gesichtspunkte aus am besten in drei Gruppen ordnen:
r^- I. Ophthalmoplegie mit bulbärparaly tischen Erscheinungen.
5f 11. Ophthalmoplegie mit Bulbär- und Vorderhornaffektion.
k. III. Ophthalmoplegie mit Vorderhornerkrankung.
Gruppe
Absteigende
Richtung der
Kernaffekiion
Aufsteigende
Richtung der
Kemaffektion
I
11
III
11
8
3
9
5
4
^22
18
= 40 Fälle
Zunächst entnehmen wir aus dieser Zusammenstellung, dass die Zahl
der Fälle mit absteigender Erkrankungsrichtung grösser ist als die mit auf-
steigender.
Während bei einzelnen Krankheitsbildem ein stetiges Befallenwerden
von Kern zu benachbartem Kerne beobachtet wird, zeigt sich bei vielen ein
spmngweises, nicht an die anatomische Reihenfolge geknüpftes Auftreten der
KemaiTektion. Dabei muss hervorgehoben werden, dass, trotz dieses oft sprung-
weisen Auftretens der Erkrankung, die Aehnlichkeit mit der typischen pro-
gressiven amyotrophischen Bulbärparalyse darin zum Ausdruck kommt, dass
fast lediglich nur die motorischen Kerne affizirt werden. Denn unter 40 Be-
obachtungen konnten wir nur in 6 Fällen (Hirschberg (390), Eisenlohr (391),
Cassirer und Schiff (395), Mauthner (411), Duboys (412), Brasch(414)
Störungen im Gebiete des sensiblen Trigeminus nachweisen. Ausserdem war
noch in dem Falle von Cassirer und Schiff (395) Sehstörung und Opti-
eusatrophie vorhanden. Bei 8 Fällen (1, 2, 3, 4, 5, 27, 28, 30) bestand auch
eine Ophthalmoplegia interior, und im Falle 36 eine reflektorische Lichtstarre.
Mit Absicht ist die folgende Gruppirung aus klinischen und nicht
ätiologischen Gesichtspunkten erfolgt, weil der zu Grunde liegende Prozess
aus den vorhandenen Mittheilungen oft nicht mit Sicherheit erkannt werden
konnte. Dass bei einigen Beobachtungen auf Jodkalium eine Besserung
eintrat, beweist noch nicht die luetische Basis des gegebenen Falles,
weil eben bei anderen auf Strychnin, und wieder bei Anderen auch
spontan eine Heilung beobachtet worden ist. Bernhardt sagt (Arch.
f. Psych. Bd. 19, S. 512) bei der Epicrise zu seinen drei Fällen von
Nuclearlähmung: ^Welcher Natur die pathologischen Prozesse waren, wage
ich nicht in irgend wie bestimmter Weise anzugeben: jedenfalls waren es in
206 Die Ptosis bei der chronischen und subchroniscben Ophthalmoplegie. I i'ftt^i'*
den beiden letzten Fällen Veränderungen, welche, des Ausgleichs fikk iBi>«^*^*
der Zeit zu einer mehr oder weniger vollständigen Heilang geführt Ua'Bl^ ^
Ist es doch auch durch die Mauthner' sehen Untersuchungen unddieaUmhi|b>^' -^
nachher veröflFentlichten Arbeiten unzweifelhaft festgestellt, dass die rendiej» I f**^
artigsten pathologischen Prozesse dem Symptomenkomplexe der Nuclwa^ Mbn:^^^
zu Grunde liegen können. Daneben haben wir auch noch mit demUuMlK^^^
zu rechnen, dass selbst dann und wann ein Fall zur Sektion gehnrifUl ^^
welchem, analog bekannten Fällen von Sclerose en plaques, von Bdbäniiihi ■*i-'?^
und anderen sogar zum Tode führenden Erkrankungen des Centraha»«»*^^'-
Systems, die mikroskopische Untersuchung bedeutender Forscher rnihh B^^^
geblieben war (Eisenlohr, Neurol. Centralbl. 1887, 15 und 16). ■S«^^'
h^'
1
I. Gruppe. 4>ift
Kombination der Ophthalmoplegie mit Bnlbärkernaffektimi.
(In einigen Fällen mit t}i)i8eher Bnlbärparalyse.)
a) Anfängliche Erkrankung der Augenmuskelkerne und spätem
Uebergreifen der Affektion auf die rückwärts gelegenen
IJulbärkerne.
§ 80. Bei den 3 ersten Fällen sehen wir die AflFektion ganz von»
beginnen, indem neben den Erscheinungen der Ophthalmoplegia exterior an-
fänglich auch solche der Ophthalmoplegia interior vorhanden sind.
Fall 1. Hirschberg (390) fand bei einem 50jährigen Arbeiter
rechts totale Lähmung des Abducens, Mydriasis und Accommodationspinse.
0 Monate später trat Lähnmng sämmtlicher äusserer und innerer Auaco-
muskeln nebst Ptosis und Anästhesie der Cornea und Conjunctiva bulbi auf.
Leichte Schlingbeschwerden. Nach weiteren 10 Monaten trat Lähmuns des
linken Abducens hinzu.
Fall 2. Prisen loh r (391). Lähmung beider Abducentes. Die rechte
Pupille ist weiter als die linke, die Lichtreaktion ist rechts aufgehoben. Ms
normal. Dann stellte sich Taubheitsgefühl und später hochgradige Anästhesie
im (jebiete beider Trigemini, besonders in der Schleimhaut der Lippen der
Zunge und d(?s (iaumens ein, sowie eine Schwierigkeit im Schlucken, d. h. den
Bissen an den richtigen Ort zu dirigiren. Lues war nicht vorhanden. Eisen-
lohr hielt die Aftektion für nuclear verbunden mit eventueller skierotischer
Veränderung der Trigeminuswurzeln.
Fall 3. Laufen au er (389). Völlige Ophthalmoplegie beider Augen,
nur die Externi noch einigermassen wirksam. Pupillen weit und starr. Bnlbär-
paralyse.
Fall 4. Cassirer und Schiff (39o). 42 Jahre alter Mann. Alcobo-
lismus chronic. Delirium tremens. Ophthalmoplegia exterior et interior fere
totalis. Links Ptosis. Atrophia nerv, optici utriusque. Lähmung und Atrophie
Die Ptosis b. d. chroDischen u. subchronischen Ophthalmoplegie, komb. m. Balbftraffektion. 207
im Bereiche der motorischen Portion des rechten Trigeminus, Störungen im
Bereiche der sensiblen Trigeminusäste, leichte Erscheinungen von Seiten des
Facialis und Hypoglossus. Schwere Gehörstörung. Sektion.
Fall 5. Dufour (393). Von diesem Falle ist es zweifelhaft, ob er
hierhergehört, indem allerdings die Erkrankung in der Richtung auf die
Bulbärkeme weiter fortschritt, dieselben aber noch nicht erreicht hatte.^
Ein öljähriger Mann hatte vor 25 Jahren eine vorübergehende doppel-
seitige Ptosis. Vor 18 Jahren abermals eine linksseitige Ptosis, welche
wieder vorüberging. Eine Lähmung der linken Bulbusheber trat vor 18 Monaten
auf, und 2 Monate später wurden auch die rechten Bulbusheber befallen. Seit
3 Monaten besteht eine Lähmung des linken Abducens, dann kam eine Lähmung
beider Trochleares mit Abnahme des Pupillarreflexes auf Licht hinzu. Oph-
thalmoskopisch normal. Patellarreflexe normal. Es bleibt, wie schon gesagt,
zweifelhaft, ob dieser Fall hierher, oder als irreguläre Form unter die isolirt
bleibende chronische Ophthalmoplegia exterior (Seite 117) gehört.
In den folgenden Fällen fehlen Erscheinungen von Ophthalmoplegia
interior. Wir sehen gradalim den bulbären Symptomen-Komplex neben der
Ophthalmoplegia exterior mehr und mehr hervortreten, bis er im Falle 11,
Bresgen, zur vollen Entwickelung kommt.
Fall 6. Bernhardt (394). Fall IL 44jähriger Mann. Beginn der Krank-
heit mit Mattigkeit und Spannung in den Augen. Nach 3 Monaten trat
beiderseits Ptosis auf. Lähmung des Rectus super, links. Parese des
motorischen Trigeminusastes. Heilung durch Jodkali und Galvanisation.
Fall 7. In Uhthoffs Fall (396) ging die Parese nur auf den Facialis
über. Es hatte sich doppelseitige Ophthalmoplegia exterior entwickelt, und
die Beweglichkeit beider Augen war völlig aufgehoben; mittlere Ptosis.
Parese des Facialis, sonst alles normal. Die Aifektion besteht seit einem
Vierteljahr unverändert.
Fall 8. Förster (397, Fall I). Beiderseits Ptosis und Ophthalmoplegia
exterior. Parese beider Faciales. Schlingbeschwerden namentlich Abends.
Fall 9. Nussbaum (399) sah einen 43jährigen Kranken mit Ptosis
auf beiden Augen und hochgradiger Beweglichkeitsbeschränkung beider bulbi.
Die Pupillen reagirten gut. Ausserdem war der rechte Nerv, facialis und
Glossopharyngeus betheiligt.
Fall 10. Bernhardt (400) sah eine 33jährige Kranke mit Lähmung
sämmtlicher äusseren Augenmuskeln. Ptosis angedeutet. Pupillen normal.
Später traten Schling- und Kaubeschwerden hinzu.
Fall 11. Bresgen (401). Zuerst Erkrankung des rechten Abducens,
6 Monate darauf doppelseitige Ptosis mit Lähmung sämmtlicher äusseren
Augenmuskeln auf der linken Seite. Zwei Jahre später Bulbärparalyse. Iris,
Accommodation sowie der Sehnerv blieben frei.
Unter den 11 Fällen der Gruppe la sahen wir die Ptosis
überhaupt nur im Falle 2 fehlen, im Falle 4 einseitig auftreten,
während sie bei 9 Fällen doppelseitig gefunden wurde.
2C8 Die Ptosis k d. chronischen u. subchruntschenOphthalmoplegiej komb. m, BulbftniCrekticiQ,
Gruppe L b) Bei den folgenden Beobachtungen bestandei
anfänglich Bulbärsymptome^ und es traten später Lahmnngen
der Allgenmuskeln hinzu.
§ 8L Fall 12. Iiemak(402}. 48jiihr. Frau rait Sprachstörung und Schling-
beschwerden. Unniöghckeit zu pfeifen, unregelniässige Herzthätigkeit. Gesichts-
ausdruck raaskenartig; Augensdiluss unvüUkammen. Erbrechen, Stinikopf-
schmerz. Nach und nach entwickelte sich eine Ptosis, links starker als rechts,
und gleichzeitig eine Parese des Facialis. Tod an SchUickimeumonie* Krank-
heitsdauer vom 10* November
Wm bis lö. Februar 1887.
Sektionsbeftind*
Remak sagte in der
Epicrise: „Es hatte sich
hier also^ anscheinend in
apoplek tisch er \V ei.se <iuf-
tretend, eine Para lysis glosso-
labio-pharj^ngea entwickelt.
Fall 13 u. 14. Herald
(citirt bei Dufour [393],
Obser^'ation 27 und 28) sah
zwei Fälle einer einseitigen
Oculomotorius- Lähmung im
Verlaufe einer Ulosso-labio
pliaryngeal - F'aralyse auf-
treten.
Fall 15, Romberg
(citirt bei Dufour fäi^S], Ob-
servation 29). Bei einem
40jiihrigen Manne trat zu
einer schon bestehenden Bul-
bärtiaralyse eine doppel-
seitige Lähmung des Kectus
superior hinzu.
Fall 16. Euienburg (citirt bei Dufour [395], Observatiao 30). Zu
einer Bulbärparalyse trat eine einseitige Abducenslähmung.
Fall 17. Minot (404) beobachtete bei einem als Bulbärparalyse
diagnosticirten Falle eine linksseitige Ptosis.
Fall 18. Eigene Beobachtung: E. R. (Fig. 57), 13^'* J. alt, hereditär neuro
pathisch belastet. Seit längerer Zeit bestehen Sprachstörungen mit Inspirations-
kram pfen und Seh luckbeschwerden, Schwindel, Kopfschmerzen, hau Hgen Scbnierzeii
beim Kauen. Lst vergesslicber geworden und schläft leicht ein. Das Gehör
für tiefe Tone rechts herabgesetzt. Zittern der h erausgestreckten Zunge. In
letzterer Zeit trat rechts Ptosis auf, sowie horizontaler Nystagmus beim
F\g, 57.
n. n, IIiiizuti''et^n von ri'L'htsscUJiL'C'r Ptneis zu vor-
biindt'iiiii Syittptoiiifn liner nulbürerkrankung.
Die Ptosis b. d. cfaromscfaeD n. subchronisch eni Ophthalmoplegie, komb. m.BulbärafTektion. 209
Fixiren. Pupillenverhältnisse normal. Sonst keine Augenmuskellähmungen.
Polyurie. — Sämmtliche Reflexe normal (siehe Fig. 57).
Fall 19 und 20. Als Paralysie bulbaire progressive infantile
et familiale beschreibt Londe (405) zwei Fälle bei zwei Brüdern von
9 und 5 Jahren. Es trat zuerst Thränenträufeln auf, dann erschwertes
Sprechen, Veränderung des Gesichtsausdrucks, mangelhafter Verschluss der
Augen im Schlaf, Schlingbeschwerden, vollständige Unbeweglichkeit der oberen
Gesichtshälfte. Die Augen schlössen unvollständig und wurden nur langsam
geöffnet. Links Ptosis. Lippen und Zunge paretisch. Der Lidreflex herab-
gesetzt. Auffallend seltenes Blinzeln der Augen. Auch Charcot und Fazio
haben eine Form der progressiven Bulbärparalyse im Kindesalter beschrieben,
bei der eine Ptosis und Lähmung im oberen Facialisgebiet bestand.
Unter den 9 Fällen der Gruppe Ib finden wir bei 4 Fällen Ptosis
angegeben, bei zweien fehlte dieselbe, bei zweien war es zweifelhaft, ob sie
vorhanden war, weil in der Krankengeschichte keine dahin bezügliche Be-
merkung sich vorfand.
IL Gruppe.
In dieser Grnppe yon Beobachtungen sehen wir die Ophthalmoplegie
kombinirt mit Bulbär- und Yorderhomaffektion auftreten.
a) In der Reihenfolge: Ophthalmoplegie, Bulbär-Spinal-
Erkrankung.
§ 82. Fall. 21. Förster (397, Fall III). Vor 1 Jahr beiderseitige
Ptosis. Beiderseits Ophthalmoplegia exterior. Seit acht Tagen Zeichen von
Hypoglossuslähmung, Gaumensegellähmung, Behinderung der Speisenbewegung
im Munde, schwierige Phonation des S. Bald Lähmung des Facialis. Später
Lähmung der Extensoren der Hände und Sehstörung.
Fall 22. Bernhardt (408). Rechts Lähmung des Rectus internus und
extemus, links des Internus, leichte Ptosis. Kauen rechts erschwert.
Geschmack in der rechten Zungenhälfte vermindert, (Besserung). Nach einigen
Jahren Schwäche der Extremitäten. Die 40jährige Frau litt in der Kindheit
an oft sich wiederholenden Migräneanfällen.
Fall 23. Schaffer (409). 39jähriger Metallarbeiter. Seit 7 Monaten
krank. Beiderseits Ptosis. Rechts Parese des Rectus sup. infer. und
obUq. super. Links Lähmung des Rectus extern, intern, infer. und des Obliq.
super. Parese beider Faciales, der Hypoglossi, der Vagi und Accessorii.
Atrophie und Parese der oberen Extremitäten. Pupille rechts > links. Normale
Reaktion.
Fall 24. Mauthner (411). Heine's Krankengeschichte. Rechts Mydriasis
und Accommodationslähmung. 8 Jahre später Ophthalmoplegia exterior, links
mit vollständiger Ptosis; rechts war die Ptosis geringer. Läh-
Wilbr«nd-8A«ng«r, Neurologie des Anges. 14
210 Ptosis b. d. chronisch, u. subcbronisch. Ophthalmoplegie, korab. m. Bolhirerkranlnmg ste.
mung des sensiblen Trigeminus. Lähmung der Beine und Bnlbärsymptome.
20jähriges Leiden. Tod.
Fall 25. Duboys (412). Vor 6 Jahren Kopfschmerzen mit Doppel-
sehen und linksseitiger Ptosis, welche nach einigen Wochen wieder verschwand.
Dann jedes Frühjahr erneutes Auftreten dieser Lähmungserscheinungen mit
Spontanheilung nach einigen Wochen. Später beiderseits Ophthalmoplegia
exterior. Beiderseits Ptosis. Verlust der Accommodation, dann fÄhiniing
des Pharynx mit kompleter Anästhesie und Schluckbeschwerden. Alsdann
Lähmung des rechten Arms. Lähmung der Respirationsmuskeln. Tod.
Fall 26. Brasch (414) berichtet über einen nicht luetischen 47jährigen
Mann mit beiderseitiger Abducenslähmung, rechts mit völliger Lähmung aller
äusseren Zweige des Oculomotorius, rechts Ptosis, zeitweise auch
links Ptosis, links nur der Internus gelähmt. Kechts Anästhesie in beiden
oberen Aesten des Trigeminus, und Parese des oberen und unteren Facialis.
Im weiteren Verlaufe Ausbreitung der Lähmung auf die Extremitäten, Er-
schwerung des Schlingens, der Phonation und der Sprache. Pupiüenverhält-
nisse normal. Sektion: Degeneration der Ganglienzellen der Vorderhömer
besonders im Brust- und Cervikalmark. Degeneration der Seiten- und Hinter-
stränge und der Wurzeln. Die Gefasswände etwas verdickt. Degeneration
aller Ganglienzellen der Oblongata, nur die des Acusticus waren normal. In
der rechten Hälfte der Brücke traf ein Degenerationsheerd die austretenden
Facialis- und Trigeminuswurzeln. Die Ganglionzellen des Facialis waren normal,
die des Quintus zum Theil degenerirt, und ebenso auch ein Theil der Pyramiden-
bahn. Degeneration des hinteren Thciles des Oculomotorius- und
Abducenskernes. Degeneration des hinteren Längsbündels, der Schleife
Hnks und einer kleinen Kegion am linken Pes pedunculi. Die Degeneration
bestand in Rarefikation der grauen Substanz, Verminderung der Nervenfasern,
und Ausfall von Ganglienzellen. Die Gefilsse waren strotzend mit Blut gefüllt,
die Wände reich an Kernen. Viele Ganglienzellen waren degenerirt, entweder
pigmentlos, oder körnig getrübt mit erweiterten pericellulären Räumen.
Fall 27. Eigene Beobachtung. Herr M. hereditär neuropathisch be-
lastet. Seit Kindheit ^rasendes Migräneleiden ^. Im Jahre 1888 zuerst
Lähmung des Abducens, dann Starre der Pupillen. Hierauf doppelseitige
komplete Ptosis und Entwickelung einer beiderseitigen vollständigen Oph-
thalmoplegia exterior. Alsdann entwickelte sich eine Lähmung der ünter-
extreniitäten und der Si)hinkteren, eine Erschwerung der Sprache, Schling-
und Athembeschwerden. Das Sehvermögen, der Augenspiegelbefund und die
Accoramodation normal auf beiden Augen. Der Facialis und Trigeminus frei.
Zuletzt zunehmende Schwäche in den Oberextremitäten und Abnahme des
Gefühls in denselben. Die beiden Hände machten fortwährend Pronations-
bewegungen. Tod durch Schluckpneumonie. Sektion verweigert.
Fall 28. Mauthner (411). Im Beginn der Krankheit Lähmung des
rechten Rectus infer. und des linken Abducens mit Ptosis. Später kam
rechts eine Lähmung des Rectus internus mit Lähmung der Iris und Acoom-
PtösiftK d. chronisch, n, subclironiscb.Ophihalnioplegie, komb. m, Bulbärerkr&ukung etc. 211
modation binzu. Etwas später Unemptindlichkeit im Trigeminus rechts und
Symptome von progressiver Muskelatropliie.
b) In der Reilien folge: Spinale-, dann bulbäre Symptome und
schliesslich Ophthalmoplegie.
§ 83. Fall. 29. Seeligmüller (415). Seit 4 Jahren Schwäche aller Extre-
mitäten und im Genick. Seit drei Jaljxen Lähmung des rechten Oculomotorius:
Rectus Slip., obliijiius infer., Rectus inf. Rectus intern, gelähmt; Levator
rechts pare tisch. Links Rectus extemus gelähmt, Rectus internus
paretisch. Beginnende Facialislähmung. Kau- und Schluckbeschwerden.
Rapide Zunahme der Muskelschwäche.
Fall 3(X Marina (417)* 33jähriger Arbeiter. Ulcus ohne Sekundär-
erseheinungen. Nach 14 Jahren Schwäche der Extremitäten, Muskelatrophie
mit dem Typus Duchenne-Äran-We stphal. Leichte Ptosis links,
rechts stärker. Parese des linken Abducens. Pupille für Licht wenig,
für Convergenz gut beweglich. Links Pupille weiter als rechts. Farben-
perct'ptiun normal. Facialis und Trigeminus normal, r'harynxlähmung. Später
Lähmung der Scitenbewegung der Bulbi nach rechts. Die Pupillen weit und
unbeweglich. Anhaltende Hustenanfälle. Verschluckt sich leicht. Die hervor-
gestreckte Zunge weicht nach rechts ab. Lancinirende Schmerzen.
Fall 31. H ig i er {418). 25jährige Frau. Im neunten Lebensjahre nach
Typhus: Schwäche in beiden Augenlidern, welche bis jetzt fort-
dauerte. Im 25. Lebensjahre Abort. Eine Woche darauf Schmerzen^ An-
schwellung und Scliwäche in den Beinen. In der letzten Zeit Veränderung
der Sprache und des Gesichtsausdrucks, Lähmung beider Faciales in allen
Aesten. Leichte Ermüdbarkeit der Kaumuskeln. Zunge dünn. Schlucken
erschwert. Sprache hat einen nasalen Klang. Paralysis ner\'. recurrentis.
Parese der M. crico-aryth. iwstici. Puls 106—108. Leichte Ermüdbarkeit
der Nackenmuskulatur. Ahnahme der Kraft der Oberextremitäten. Blitzartige
Schmerzen in den unteren Extremitäten. Parästhesien und Anaesthesia dolorosa.
Parese im Gebiet der Peronei. Westphal'sches Phänomen. Paralyse der
äusseren Aeste des N. oculomotorius, der N. N. trochleares und Abducentes.
Beiderseits Ptosis.
Fall 32. Charcot (420). 41jähriger Mann. Bleikoliken seit dem 18. Jahr.
Die Krankheit begann mit atrophischer Lähmung in der Hand-, Arm- und
Schultermuskulatur. Nachher wurden die unteren Extremitäten befallen. Die
Sehnenretlexe au den oberen Extremitäten fehlten, an den unteren waren sie
erhalten ; hier flbriJläre Zuckungen. Unvollständige Ophthalmoplegia exterior,
welche 1 Jahr nach der Muskelerkrankung anfing, Pupillen und Accommo-
dation normal, Üphthalm. Befund normal. Leichte Schluckbeschwerden.
Fall 33. Probst, VI. Fall (509). 40jährige Taglöhnerin, Parästhesien
am ganzen Körper, Begann schwer zu reden; hierauf Schwäche in den oberen
Extremitäten. Später wurde das Gehen beschwerlich. Baibärmiene. Rechte
Lidspalte enger als die linke. Rechter Mundwinkel tiefer als der linke. Starke
14*
j
212 Ptosis bei der chron. u. subchron. Ophthalmoplegie, komb. m. Vorderhonutffektkm.
Sprachstörung. Muskulatur der oberen Extremitäten erheblich abgemagert ood
abgeschwächt, besonders in den Handmuskeln; Krallenhand. Herabsetzung
der elektrischen Erregbarkeit, keine Entartungsreaktion. Im weiteren Verlaufe
trat beiderseits eine leichte Ptosis auf. Der Gang war steif, paraparetisch.
ni. Gruppe.
Kombination yon Ophthalmoplegie mit Spinalaffektion, ohne dass es
dabei znr Entwickelnng yon Bnlbärerseheinnngen gekommen wäre.
a) In der Reihenfolge: Ophthalmoplegie, Vorderhorn-
Erkrankung.
§ 84. Fall 34. Hotz (421) sah einen Mann mit Lähmung beider Intemi und
Extemi und des rechten Facialis. Später wurden auch Arme und Beine
gelähmt. Nach Gebrauch von Strychnin verschwand die Lähmung.
Fall 35. Fürstner (422). ISjähriger Patient. Doppeltsehen. 14 Tage
später Schmerzen in den Schultern, dann folgte Schwäche in den beiden
Armen. Darauf rechts Abducenslähmung. Links Beweglichkeitsbeschränkung
des Auges. Ptosis duplex. Pupillen K > L. Reaktion normal. Lähmung
beider Oberarme und des Schultergürtels, links stärker. Beträchtliche Schwank-
ungen in der Intensität der Funktionsstörungen an den Augen und Armen.
Die sehr rasche Ermüdbarkeit der Muskeln macht eine häufige Wiederholung
aktiver Bewegungen unmöglich.
Fall 36. Sachs (423). Bei diesem Falle trat zur Ptosis auf dem
rechten Auge wenige Monate später auch Ptosis auf dem linken
Auge hinge. Es folgte Lähmung der übrigen Augenmuskeln. Schliesslich
konnte nur das linke Auge noch etwas nach innen und oben bewegt werden.
Die linke Pupille auf Licht starr, auf Accommodation reagirend. Einige Jahre
nach der Augenmuskellähmung entwickelte sich eine ausgedehnte Atrophie
der Muskulatur der rechten Unterextremitäten. Beiderseits Fehlen der Pupillar-
refiexe. Kopfschmerz.
b) In den folgenden Fällen bestanden zuerst Lähmungserscheinungen
am Rumpfe und den Extremitäten und traten die Erscheinungen
der Ophthalmoplegie erst später hinzu.
§85. Fall 37. Charcot (420). 37 jähriger Mann. Fraktur der Fibula. Als
der Kranke nach der Heilung der Fraktur aufstehen wollte, war er an den
ünterextremitäten, bald nachher auch an den Oberextremitäten gelähmt.
Massenatropliie an den Gliedern mit Ausnahme von den Oberschenkeladductoren.
FibrilläreZuckungen. Fehlen der Reflexe und der Sehnenphänomene. Anaestbesie
des Velum und des Pharynx. Drei Monate nach der Extremitätenlähmung
beiderseits Ptosis, links stärker als rechts, und Lähmung der Intemi
id Externi. Die Bewegungen nach oben und ujiten besclii'änkt Leichte
Icoommodationsparese. Pupillen nonnaK Der Grad der Ptosis
wechselte während des Tages.
Fall 38. Sauvineau (425) sah ein 14 jähriges Miidchen, welches
18 Monate alt, Lahumng der Beine und Strahismus bekommen hatte. Die
Lähmung der Beine verschwand nach vier Monaten, während der Strabismus
blieb. Die Bewegungen der Augen nach aussen waren beschränkt. Es bestand
gleichnamiges Doppeltsehen.
Fall 39. Hadden (426). 40 jähriger Mann. Vor 15 Jahren Lues.
Bekam eine Atrophie der Mm. interossei, sowie der Dannienmuskeln und
eine doppelseitige Ptosis mit
unvollständijier Beweglichkeit der
Augenmuskeln nach oben und
unten. Die Pupille zeigte keine
Lichtreaktion und nur eine ge-
ringe lieaktion hei der Accommo-
dation.
Fall 40. Eigene Beobachtung.
Ein 44 jähriger Schuh uiacher von
der Abtheilung des Herrn Oberarztes
I>r. Jo Hasse, der uns diesen Fall
gütigst zur Publikation überliess,
ist seit seiner Kindheit krank. Im
Anscbluss an eine Infektionskrank-
heit bekam Patient eine „schwer-
ßllige" Sprache und einen „latschi-
gen" Gang. Seit 15 Jahren besteht
stärkere Sprachstörung. Vor zwölf
Jahren traten Augenstörungen
(Doppeltsehen) ein, seit einem Jahre
Blasen- und Mastdarnistörnng. Seit
dem letzten halben Jahre kann
Patient gar nicht mehr gehen. Er
ist verbeirathet und hat vier gesunde Kinder. Lues und F'otus sind nicht
nachweisbar.
Die Untersuchung ergab eine spastische Paraparese mit Ataxie der
unteren Extremitäten. Die Patellarredexe sind gesteigert. Es findet sich
beiderseits Fussclonus; ferner an Ober- und Unterschenkeln Analgesien. Auch
in den Oberextremitäten bestehen Spannungen mit gesteigerten Refiexen,
keine Atrophien, keine fibrillären Zuckungen, daneben Ataxie» Die Sensi-
bilität in ihren verschiedenen Qualitäten an den oberen Extremitäten, Brust
und Rücken intakt. Im 3. Ast des recliten Quintus ist die Schmerzempfin-
dung herabgesetzt.
Fig. 58,
Chronbche Ophthal moplcfie bei eint- r koinbioirten
HinttrseileiiätrangEttektJon ohne Ptonit.
Bulbärmiene,
M
214 PtoBis bei der chron. u. subcbron. Ophthalrooplegie, komb. m. VorderlioniaffektiQii.
Patient macht einen stupiden Eindruck; Bulbärmiene (siehe Figur 57) und
bulbäre Sprache (F. G. K. P. Q. R. können nicht ordentlich ausgesprochen
werden); die Oberlippen sind etwas dünn. Patient kann nicht pfeifen. Die
Zunge zittert etwas, kann aber gut bewegt werden und zeigt keine Atrophie.
Beim Sprechen wird der Mund ungleich innervirt; dabei besteht keine FaciaKs-
lähmung.
Die elektrische Untersuchung ergab nur in den Oberlippen und den
Händen geringe Abweichungen von der normalen Reaktion. JedeDfalls war
keine typische Entartungsreaktion vorhanden.
Was nun die Augen betrifft, so bestand eine hochgradige Beweglichkeits-
beschränkung nach allen Richtungen hin. Beiderseits keine Ptosis.
Die Pupillen waren gleich weit und reagirten normal. Accommodation normal.
Ophthalmoskopisch war links eine beginnende Opticusatrophie zu konstatiren.
Die Sehschärfe war beiderseits herabgesetzt. Das Gehör war beiderseits gleich.
Der Geschmack war rechts hinten auf der Zunge gegen links herabgesetzt
Die Prüfung des Geruchs ergab unsichere Resultate.
Kurz es handelt sich hier um eine chronische Ophthalmoplegie bei
einer kombinirten Hinterseitenstrangaffektion verbunden mit Bulbärkem-
und beginnende Opticuserkrankung. (Multiple Sklerose?)
§ 86. Was nun das Vorkommen von Ptosis bei diesen Zuständen be-
trifft, so ist die Yertheilung der Levatorlähmung auf die einzelnen Kfuikheits-
gruppen aus der folgenden Tabelle ersichtlich.
Tabelle X.
•
Ptosis
fraglich, ob
Anzahl der Fälle
fehlende Ptosis
Ptods vor-
doppelseitig
einseitig
handen
[ a = 11
9
1
1
Gruppe I {
1 b = 9
1
4
2
2
f a = 8
8
^^
_^
Gruppe II
1 b = 5
3
1
—
1
( a = 3
2
__
1
_
Gruppe III
b = 4
2
—
2
—
«
25 .-= 84,24%
6 = 15,5 V
6
3
79,1
90/0
Ptosis bei der cbron. n. sübchroii. Ophthalmopfegie, korob. m. Vor^erhornaffektion. 2! 5
Wir entnehmen daraus, dass in denjenigen Fällen, in welchen sich die
phthalmoplegie mit Bulbärkem- und VorderhornafFt'ktiimen konipüzirt hatte
(abgesehen von den Fällen typischer Tabes, l*aralyse, multipler Sklerose,
SyringomyeHe) die Ptosis in 79"/o der Beobachtungen aufgetreten war und
mithin als eines der konstantesten Symptome bei diesen Zuständen betrachtet
werden mnss.
In 84 ^/o der Fälle war die Ptosis doppelseitig vorhanden, wenn auch
ihrem Intensitätsgrade nach verschieden.
In 6^1 Q einseitig.
Auch hier sehen wir die Ptosis isolirt auftreten wie im Falle 36 {im
Beginne des Leidens) und zwar auf beiden Augen. In den Fällen 17, 18,
19 und 20 war die Levatorlähmung isoÜrt, aber nur auf dem einen Auge,
In den Fällen 12 und 20 war dieselbe mit einer Facialislähmun^ kombinirt.
In den Fällen 13 und 14 bestand eine einseitige Oculomütüriuslähuning.
Im Falle 25 ging die Ptosis viele Jahre dem Auftreten der bulharen
und S|)inalon Erscheinungen voraus.
Wie bei der chronischen progressiven, isolirt bleibenden üphthalmoplegia
exterior sehen wir auch hier hei einigen Fällen die Intensität der Ptosis
tätlichen Schwankungen unterworfen.
Im Falle B ras eh (Nr. 26) trat die linksseitige Ptosis nur zeitweise
auf, während die des rechten Auges dauernd vorhanden war*
Was den Verlauf der Fälle anbetrifft, so w^ar derselbe theils ein chronischer,
theils ein subchronischer. In den Fällen 6 und 34 trat Heilung ein, bei dem
Falle 6 durch Jodkali, bei dem Falle 34 angeblich durch Strychnin.
§ 87. Bezüglich des anatomischen Befimdes liegen von vier Fällen mit
ßubchronischem Verlaufe mikroskopische Untersuchungen vor.
Bei der Beobachtung von Remak (Fall 12) liess die von Oppenheim
gemachte mikroskopische Untersuchung in der Gegend der Pyramidenkreuzung
noch nichts Pathologisches erkennen; aber sofort mit dem Erreichen des
Hypoglossuskerns traf er auf die Erkrankung: zahlreiche Spindelzeilen, ver-
dickte Gefässe, Schwund der Zellen, und zwar am stärksten in der oberen
Hälfte des XIL Kernes: aucli die Kerne des Vago-Accessorius und Glosso-
pharyngeus waren erkrankt, desgleichen der Facialiskern, dieser besonders
in seiner unteren Hälfte. Am Abducens-Quintus und Oculomotoriuskem war
nichts Krankliaftes zu erkennen; auch die Wurzeln aller Gehirnnerven er-
schienen intakt. Die Untersuclmng des Oculömotoriuskerns konnte jedoch
keine vollständige sein, weil das Präparat bei der Sektion an dieser Stelle
durchtrennt war, und somit eine lückenlose Serie nicht gewonnen werden
konnte.
Im Falle Duboys {Fall 25) ^ne laissa voir I'autopsie rigoureusement
faite, qu'une congestion legere des enveloppes meningees, sans lesion des
centres nerveux: cerveau, bulbe ou moelle,"" —
Sehr genau ist der Fall 26 von B rasch untersucht.
$
216 Ptosis bei der chron. u. subchron. Ophthalmoplegie, komb. m. VorderhoniaffBktiji«.
Bei demselben ergab die anatomische Untersuchung im Rückenmark
eine Erkrankung der Vorderhornzellen (gering im Lendenmark, erhebiidier
im Brust- und Halsmark), wechselnde Läsionen der Hinter- und Seitenstrange
und der Wurzeln, massige Gefässerkrankungen. An der Medalla wurden
Degenerationen fast aller Kerne (exclusive Acusticus) und der Pyramiden
gefunden. Li der rechten Brückenhälfte fand sich ein Herd, welcher den
austretenden Facialis und Trigeminus in sich begriff, den Kern des ersteren
fast ganz verschonte, den des letzteren aber zerstörte und stellenweise auch
auf die Pyramidenstränge der rechten Seite übergrifip. Isolirt erkrankt gefunden
wurden ausserdem die Kerne des Abducens, die hinteren Abschnitte der
Oculomotoriuskeme, die hinteren Längsbündel und die linksseitige Schleife,
endlich ein kleiner Bezirk im Hirnschenkelfuss. Die anatomische Untersuchung
hatte freilich auch im Bulbus eine f>krankung fast aller Kerne aufgedeckt,
indessen war eine Degeneration in dem Facialiskerrie kaum erkennbar, und
in den anderen Kernen war sie keine so vorgeschrittene, wie bei der klassischen
Bulbärparalyse, und man wird deshalb in dem vorliegenden Falle, wo übrigens
auch schon vor Eintritt der Bulbärsyraptome der rechte obere Facialisantheil
gelähmt war, die bulbären Symptome wenigstens als vom Ponsherd mit ver-
anlasst auffassen dürfen.
In der Beobachtung vonCassirer undSchiff (Nr. 4) tritt der degenerative
Charakter noch mehr in den Vordergrund. Es wurde gefunden: leichte
Degeneration des Hypoglossuskerns und seiner Wurzeln. Massig starke
Degeneration beider aufsteigender Glossopharyngeuswurzeln. Die spinalen
Wurzeln des Trigeminus waren beiderseits hochgradig degenerirt, sensibele
Kerne und sensibele Wurzeln sonst intakt. Motorischer Kern und motorische
W^irzel rechts massig stark degenerirt.
VI. Kern und Wurzel beiderseits total degenerirt.
IV. Kern beiderseits stark degenerirt, besonders links. Entsprechende
Degeneration der intramedullären Wurzelbündel und der Trochlearisstamme.
III. Totale Degeneration der beiden grosszelligen Lateralkeme und
des grosszelligen hinteren Centralkerns. Wurzelbündel des HI. degenerirt
mit Ausnahme der lateralsten. Edinger-, Westphal- und Darkschewitsch-
scher Kern vollkommen intakt. Atrophia optici utriusque.
W'as die Gelasse betrifft, so linden wir eine auffallende Blutfiillung
wesentlich nur an den ausserhalb der Himsubstanz gelegenen Gefassen,
namentlich in der Höhe des Austrittes des Facialis, Acusticus, Glossopharyngeus.
Eine etwas stärkere Ausdehnung und Füllung der Gefässe wurde allerdings
auch in dem Gebiete der Trochlearis- und Oculomotoriusgegend konstatirt
Im Uebrigen wurden nirgends wesentliche pathologische Veränderungen der
Gefässwandungen oder Zeichen von Blutungen angetroffen.
Ob die folgende Beobachtung Gayet's (427) hierher gehört, oder
zur Püliencephalitis hämorrh. sup. Wernicke (siehe daselbst), ist zweifel-
haft, da eine mikroskopische Untersuchung nur oberflächlich vorgenommen
wurde. Der Kranke erlebte eine Kesselexplosion, ohne dadurch einen direkten
Ptosis hei der chron, n, sabchron. Ophthalmoplegie, komh. m. Votderbornaffektian. 217
::liadeii zu erleiden. Seit dieser Zeit Zustand höchster Aufregunj^. Nach
'einij^eu Wochen unbesiegbare Schlafsucht. Gay et fand bei der ersten Unter-
suchung beiderseits fast vollständige Ptosis, alle vom (Jculomotorius versorgten
Muskeln beiderseits gelähmt, Strabismus divergens, Pupillenreaktian auf Licht
und Accommodation normal, das ganze Muskelsystern im Zustande der Atonie.
Bewegungen energielos, Sensibilität intakt, Sensor i um frei. Im Verlaufe der
Krankheit hatte sich rechtsseitige Hemiplegie eingestellt, die aber wieder
verschwand. Kurz vor dem Tode war die rechte Pupille enger als die linke.
Kach fünfmonatlicher Krankheitsdauer starb Patient in Folge von Inanition
im Zustande der h<ichsten Scbwäclie. Die Sektion zeigte in der ganzt^n Partie
der Pedunculi, wo sich die Üculomotorii verlieren, und besonders in dem
ganzen Umfange des erweiterten Aquaeductus Sylvü. rückwärts vom Boden
des IV, Ventrikels bis zum Calamus-scriptorius (beide Thalauii und die liintere
Commisusr sind mit afficirt) eine allgemeine gelbgraue Verfärbung des Gewebes,
auffallende Injektion der Gefässe und eine Unzahl capillärer Blutungen.
Gay et deutet diesen Befund als eine entzündliche Alterration^ einhergehend
mit entzündiicber Röthe, Hyperaemie, anscheinend etwas Gewebsskterose mit
einem gewissen Grade von Erweichung, kurz gesagt, eine diffuse Encephalitis,
§ 88. In diflerentiell diagnostischer Hinsicht ist zu erwähnen, dassDejerine
<|428) einen Fall von doppelseitiger Ophthalmoplegia exterior, nachdem eine
Lähuiung der Extremitäten wiederholt aufgetreten und verschwunden war,
aof eine periphere Neuritis zurückführt, — Auch können die Augenmuskeln
in seltenen Fällen der progressiven Muskelatrophie des facio-scapulo-
humeralen Typus mit betroffen sein. So lag Ptosis in einem Falle von
Landouzv und Dejerine (429) von
Oppenheim (430) berichtet über einen durch Stöningen im Bereiche
der Augenmuskeln und derKehlkopfnxuskulatur merkwürdigen Fall von juveniler
progressiver Muskelatrophie. Die Pupillen waren von gleicher Weite und
reagirten gut auf Lichteiufall. Die Beweglichkeit der Bulbi war entschieden
beeinträchtigt und zwar in" seitlicher Richtung. Es \i^rden die entsprechenden
Augenwinkel nicht erreicht und war der Defekt besonders gross für den Rectus
externus. Auch trat bei forcirten Seitvvärtsbewegimgen Nystagmus ein.
Patient soll aber nie doppelt gesehen haben. Oppenheim fuhrt auch noch
eine analoge Beobachtung von Bay (ref. Cannstatter Jahresbericht für 1877)
an. Hier bestand bedeutende Schwäche der Mundbewegungen, Strabismus
divergens, die Augen konnten nicht nach aufwärts und abwärts bewegt werden.
Das Kauen war behindert, beim Schlucken gerieth häufig ein Theil des
Genossenen in den Larynx. Sprachstörungen; ausserdem waren die Papillen
atrophisch.
Der von Oppenheim mitgetheilte Fall gehört in die Klasse der primären
progressiven Muskelatrophien. Die Art der Entwickeln ng, die Lokalisation,
der Charakter der Muakclentartung, namentlich die durch die mikroskopische
Untersuchung nachgewiesene Hy|jertrophie der Muskelprimitivfasern, das Fehlen
der tibrillären Zuckungen, alle diese Momente wiesen in seinem Falle darauf
218 Ptosis bei der chron. u. subchron. Ophthalmoplegie, komb. m. VorderhoniailektioD.
bin, dass es sich um einen Muskelschwund nicht neurotischen Charakten
handelte.
Vielleicht gehört auch die Beobachtung Bristow's (431) hierher, worin
kurz über einen Fall von Ophthalmoplegie bei einem 53 jährigen Manne mit
Muskelatrophie der Schultern und des rechten Masseters neben Ophthahnoplegie
berichtet wird.
Ferner verweisen wir hier auf die pag. 106 erwähnten Fälle ton
Gowers, Winkler und von der Weyde.
Die grösste Schwierigkeit bei der DiiFerentialdiagnose machte die Ab-
grenzung der Fälle von der Poliencephalomyelitis, zumal dieser von Rosenthal
zuerst gebrauchte Name sich auf Fälle von chronischem Verlauf bezog, wie
die erwähnten von Guinon und Parmentier u. A.
Neuerdings nun trennt man die chronischen von den aknteD und snb-
akuten Erkrankungen, und auch wir folgen darin Oppenheim's Ansicht,
die er in seiner mustergültigen Arbeit-„die. Encephalitis" (512) niedergel^ hat
Bei den letzteren handelt es sich in histologischer Beziehung nm eine Erkrankung
der Blutgefässe, um eine akute oder subakute hämorrhagische Encephalitis
von einigen Wochen, oder höchstens einigen Monaten Dauer. Unsere im
vorliegenden Kapitel mitgetheilten Fälle rechnen wir wegen des meist schleichen-
den, chronischen Verlaufes zu den atrophisch degenerativen Prozessen,
bei welchen der encephalitische Prozess nicht festzustellen ist. Zugleich
möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass bei manchen der Fälle die Rubri-
cirung aus dem Grunde sehr schwierig war, weil es zweifelhaft bUeb, ob
derselbe nicht besser als Poliencephalomyelitis zu bezeichnen wäre.
Was nun andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen und Ptosis be-
triflFt, die ev. das Grundleiden verdecken könnten, so ist in erster Linie die
bulbäre Form der multiplen Sklerose zu berücksichtigen. Jedoch wird die
Steigerung der Reflexe, werden die nystagmusartigen Zuckungen, der Intentions-
tremor, ferner endlich der meist unter Remissionen einhergehende Verlauf
genügende Anhaltspunkte zur Unterscheidung darbieten.
Ferner könnte ein langsam wachsender Tumor in der MeduUa oblongata,
imPons und in der Vierhügelgegend ein ähnliches Krankheitsbild produzieren;
in der Regel sind jedoch die Symptome bei den Tumoren stürmischer und
treten schubweise mit Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen, Konvulsionen und
meist mit Stauungspapille auf.
Des weiteren wären basale Prozesse wie Lues, Tuberkulose, Sarkom,
Carcinom in's Auge zu fassen, welche ebenfalls oft eine Ptosis zeigen und
die Gehirnnerven sowie die Extremitäten in Mitleidenschaft ziehen. BezügUch
der differentialdiagnostischen Momente verweisen wir auf die späteren Kapitel
dieses Buches.
Mit Pseudobulbärparalyse, das heisst der cerebrobulbären Glosso-pharyngo-
labialparalyse ist eine Verwechselung nicht leicht möglich, da bei dieser Er-
krankung Augenmuskellähmungen, speziell auch eine Ptosis nicht YorkcHnmen,
Die Ptosis bei der astbenisclieii ßulbärpuraly&e. 219
Ind die gelähmten Muskeln ihr normales Volumen und ihre normale elektrische
Erregbarkeit behalten.
Ebenso können leicht durcli die Art des Beginnes alle Prozesse ausge-
schlossen werden, die man unter dem Namen der akuten Bulbärparalyse zu-
sammen fasst, also vor allen Dingen die Apoplexie der Med. oblong., die bul-
bare Myelitis ^ die Erweichung durch Embolie oder Thrombose der Basilar-
arterien* Durch akutes Einsetzen zeichnen sich ferner die Neuritis der bul-
baren Nerven (Eisenlohr, Käst) und die bulbäre Form der L an dry sehen
Paralyse aus, welche letztere auch mit Ophthalmoplegie und Ptosis einher-
gehen kann (Goebel, 513.)
So grosse Schwierigkeit unter Umständen die Unterscheidung von der
asthenischen Bulbärparalyse, bei der sich ja fast immer eine Ptosis findet,
machen kann, so dürfte letztere doch in den meisten Fällen durch die charak-
teristischen Remissionen, durch das Fehlen von Muskelatrophien, von quali-
tativen Veränderungen der elektrischen Erregbarkeit, durch die ev. vorhan-
dene myasthenische Reaktion Jolly's erkannt werden können. Hierbei muss
aber stets berücksichtigt werden , dass die Hysterie sicli öfter mit der
asthenivschen Bulhärparalyse kombiniert.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass unter dem Bilde einer atro-
phischen Bulhärlähmung eine heilbare Form von Pohencephalitis speziell im
jugendlichen Alter vorkommen kann*
Ueber die ähnlichen Symptomenbilder, welche als Folge einer luetischen
Erkrankung des Centralnervensystems auftreten, werden wir in einem speziel-
len Kapitel zu sprechen haben.
Endlich muss noch auf die Ger Herrsche Krankheit und die japanische
Kubisagari hingewiesen werden, welche sich mit den Symptomen der Oph-
thalmoplegie (speziell der Ptosis), Parese der Hals-Rumpfmuskeln, Störungen der
Sprache, des Kauens und Schluckens verbindet. Beide Krankheiten werden
eingehender mit den akuten Poliencephalitiden infektiösen Ursprungs be-
handelt werden.
e) Die Ptosis bei der iistheiiiselieii Bulbärparalyse,
§ 89. Von grossem diagnostischem Interesse ist das Vorkommen und das
Verhalten der Ptosis, bei der von Strümpell (452) mit asthenischer Eni-
bärparalyse, von Jolly (453) mit Myasthenia pseudoparaly tica
gravis benannten Aflektionj die in Wilks, Erb, Oppenheim und Eis en-
1 o h r ihre ersten Beschreiber gefunden hatte. Als Fundamentalerscheinung der
Krankheit ist die abnorme Erschüpfbarkeit der Moskeln neben frühzeitigem
Auftreten von Bulbärsymptomen hervorzuheben. Diese abnorme Ermüd-
barkeit der Muskeln, sagt Strümpell, unterscheidet sich von der gewöhn-
lichen raschen Ermüdbarkeit im paretischen Zustande dadurch, dass sie in
solchen Muskeln hervortritt, welche zunächst den Eindruck völlig normaler
Funktionsfähigkeit machen. Ausserdem setzt die Ermüdung zuweilen so rasch
ff
220 Die Ptosis bei der asthenischen Bolbärparalyse.
und in so hohem Maasse ein, wie es bei sonstigen Muskelparesen kaum
jemals der Fall zu sein pflegt. Dieses Symptom d^arf jedoch nicht als
ausschliessliche Eigentümlichkeit der asthenischen Bulbärparalyse betrachtet
werden; wir hatten schon bei der inkomplizirten Ophthalmoplegia interior.
bei den tabetischen Nuklearlähmungen und anderen Kemaffektionen auf
das Vorkommen desselben hingewiesen. Bei der asthenischen Bulbär-
paralyse jedoch zeigt sich aber gerade diese Erscheinung ganz besonders
prägnant. Im Allgemeinen darf man wohl behaupten, dass die Krankheit in
ausgesprochenen Fällen die gesammte willkürlich bewegte Körpermuskulatur
befällt, wenn auch gewisse Gebiete, wie vor allem die bulbären Muskelgebiete
(Augenlider, mimische Gesichtsmuskeln, Kaumuskeln, Zunge, weicher Gaumen)
in besonders hohem Grade. Am wenigsten scheinen in einigen sonst schweren
Fällen die Bewegungsmuskeln des Augapfels betroffen zu sein. Die reflek-
torisch bewegten inneren Augenmuskeln bleiben aber stets
verschont. Die doppelseitige Ptosis ist zugleich mit der Schwäche der
Kaubewegungen und der Nackenmuskulatur eines der konstantesten und am
deutlichsten hervortretenden Symptome dieser Krankheit. Meist nicht stark
ausgeprägt, ist sie häufig das erste, dem Patienten auflFallige Symptom.
Aus einer Zusammenstellung der bis jetzt in der Litteratur bekannten Fälle
dieser Krankheit (siehe Tabelle XI), denen wir drei selbstbeobacbtete noch hin-
zufügen konnten, treflfen wir in 78,5^/o auf beiderseitige Ptosis, und zwar
ist die Doppelseitigkeit dieser inkompleten Levatorlähraung als Charakteristikum
für diese Krankheit anzusehen. Uebereinstimmend melden die Autoren, dass
das Herabhängen der Augenlider Abends am stärksten ausgeprägt sei. So
war bei dem von Devic und Roux (454) mitgetheilten Falle die Ptosis des
Morgens früh kaum wahrnehmbar, aber während des Tages deutlich vorhanden.
Sehr gut schildert Fajersztejn (455) dieses Verhalten: „Die oberen Lider
hängen ein wenig herab und bedecken das obere Homhautviertel, was dem
Gesicht einen müden und schläfrigen Ausdruck verleiht. Beim Hinaufschaoen
fallen die Lider immer tiefer und tiefer herab. Patient versucht, diesem
Herabsinken durch Kontraktion des Musculus frontalis entgegen zu wirken.
Nach wenigen Minuten stellt sich aber eine vollständige Ptosis ein."" Wenn, wie
in dem Falle Fajersztejns die Ptosis bei ausgeruhtem Nervensystem
ursprünglich nur eine geringe war, und erst in Folge der gesteigerten An-
forderungen an die Augen während des Tages stärker hervortrat, so wird
jedoch bei einzelnen Kranken, wie z. B. in dem Falle von Erb (456) und
vonGoldflam (457) immerhin auch einer starken Ptosis Erwähnung gethan.
Im Falle Eisenlohr war die Ptosis zeitweise so stark, dass Patientin, tun
sehen zu können, den Kopf hinten übergestreckt halten musste.
Schon Eisenlohr (458) macht auf den häufigen und raschen Wechsel
aufmerksam, welchem die Ptosis im Laufe der Beobachtung unterworfen sein
kann. Wie erwähnt, fing bei einer Reihe von Fällen die Krankheit über-
haupt mit Ptosis an. So berichtet Goldflam, dass bei seinem Patienten
schon im Beginn der Erkrankung die Augenlider herabgefallen seien, dikI
Die Ptosie bei der astheDiacheii iJolbärparaljBe. 221
olly erwähnt als ers^tes Symptom der seit einem halben Jahre bestehenden
Krankheit seines 14jährigen Patienten das Unvermögen, die Augen nicht
läDgere Zeit hinter einander offen halten zu können, was zuerst in der
Schale heim Blicken auf die Tafel autgefallen sei. Nach einer HuJiepause
hätten dann die Li dh eher wieder hesser funktionirt.
Meist zeigen beide Lider die lähmungsartrge Schwäche. So fanden wir
unter 42 Fällen von asthenischer llulhärparalyse hei 29 Fällen doppel-
seitige, und in 3 Fällen [Goldflani (460 J, Ivoshewnikow (465) und
llaymond (406) einseitige Ptosis, Das Auftreten dieser einseitigen Levator-
parese ist auffallend und weist dncli wieder auf einen Lähmungszustan<l hin;
denn wenn die ganze Körper muskulatur von einer lähmungsartigen Schwäche
befallen ist, so kann man nicht recht begreifen, warum der Levator des einen
Auges davon eben ausgenommen sein soll. Bei 13 Fällen unter 42 trat die
Ptosis ohne Lälimnngserscbeinungen von Seiten des Oculo-
niotorius, des Abducens und Trochlearis auf. Bei 19 Fällen waren
neben der Ptosis Symptome von Ophthal moplegia exterior resp. Dopjjelt-
sehen vorhanden. Bei vier Fällen fanden wir nur Üoppeltsehen resp.
Ophthahnoplegia exterior ohne Ptosis verzeichnet, ebenfalls eine auf-
fällige Erscheinung in Anbetracht der lähmimgsartigen Schwäche der ge-
sammten Kürpermuskulatur und der dauernden Anstrengung des Levators im
wachen Zustande. Bei (j Fällen lagen keine Störungen der äusseren Augen-
muskehi, abgesehen vom Orbicularis, vor. Im Allgemeinen ist bei dieser Krank-
heit die Häufigkeit und Stärke der Ptosis ^^egenüher dem Unversehrtbleil*en
der ßewegungsmuskeln für die Bulbi zu betonen, weil sich auch hier wieder
die Sonderstellung der Levator es gegenüber den anderen Augenmuskeln aus-
zudrücken scheint. Bei den Fällen Bernhardt (459), Eisenlohr (458),
tioldflam (4*j0), Hoppe (461) war die Ptosis auf dem einen Auge stärker,
aU auf dem anderen. In der Beobaclitmig von Kar plus (462) war die
Ptosis bald auf dem linken, baki auf dem rechten Auge stärker. Meist ist
sie von geringer bis mittlerer Intensität,
Was das Verhalten des Orbicularis anbelangt, so tinden wir im Falle III
von Erb (456), im Falle Karjilus (462), Goldflam (460), Fajersztajn (4Ö5),
gleichzeitig neben der Ptosis auch eine lähnvungsartige Schwäche im Lid-
scbliessmuskel , ein Parailelverlauf von Lahmiingserscheinungen, dessen Be-
deutung wir in S 53 pag, 114 näher besprochen hatten. In den Fällen: Eisen-
lohr (458), Hoppe (461), Bris Saud und Lantzenberg (463), Widal und
Marinesco (464), Koschewnikow (465), Raymond (466) war neben
doppelseitiger Ptosis der ganze Facialis schwach,
f § 90, In differentiell-diagnostischer Hinsicht macht die Untersclieidung
I zwischen asthenischer Bulbärparalyse und Poliencephalomyelitis die grössten
Schwierigkeiten. Wir werden in einem folgenden Kai>itel sehen, wie ganz besonders
häufig auch bei dieser Krankheit eine doppelseitige Ptosis vorzukommen ptlegt.
I Nach den zur Zeit vorliegenden Ileobachtungen spricht eine 0 p Vi t h alm o p le g i a
[ interna gegen die asthenische Bulbärparalyse. Schwarz (467) hebt hervor,
222 Die Ptosis bei der aeiheDisohen Balbftrparalyse.
dass die durch Ermüdung sich steigernde Ptosis leicht den Eindruck von
Somnolenz machen könne, welche der asthenischen Bulbärparalyse als
Symptom nicht zukomme, wohl aber der Poliencephalitis.
Es wurde anfänglich erwähnt, dass das Leiden ziemlich rasch einsetze,
und meist nach wenigen Wochen den Höhepunkt erreiche. Etwa die Hälfte
der Fälle erliegt dann den bulbären Sjrmptomen, bei der anderen Hälfte
kommt es allmählich zur Heilung. Einzelne Beobachter erzählen von
Remissionen und Exacerbationen. So trat in der Beobachtung von Devic und
ßoux (454), bei welcher die Patientin vor 26 Jahren Lues acquirirt hatte,
nach einer Schmierkur Heilung ein. Später nahm aber namentlich links die
Ptosis zweimal von neuem zu, um sich unter dem Gebrauch von Jodkali
grösstentheils zu verlieren. Ob Syphilis in diesem Falle wirklich die Ursache
des Leidens gewesen sei, bleibt dahingestellt. In diesem Falle, dem einzigen
unserer Tabelle, wurde auch eine leichte Neuroretinitis beobachtet, und dürfte
die letztere wohl von der Lues abhängig gewesen sein, und könnte demnach
auf einen Parallelverlauf zwischen asthenischer Bulbärparalyse und cerebraler
Lues geschlossen werden.
In dem IL Falle von Koshewnikow (465), in welchem eine rasche
Ermüdbarkeit des Sehnerven mit koncentrischer Gesichtsfeldeinschränkong
neben doppelseitiger Ptosis und erschwertem Lidschluss beobachtet wurde, kann
man wohl einen Parallelverlauf der asthenischen Bulbärparalyse mit Hysterie
annehmen. Der Fall betraf ein ITjähriges Mädchen, deren beide Brüder
an nervöser Asthenopie litten. Auch wurde in diesem Falle eine zeitweihge
Schwäche des Sphinkter iridis und des Muscul. ciliaris bemerkt, eine Er-
scheinung, die bei keinem sonstigen Falle der Tabelle zur Beobachtung ge-
kommen war.
Ätiologisch interessant und klinisch von hohem Interesse ist auch die
Beobachtung von Karplus (462), dessen Fall 19 Jahre lang zur stationären
Ophthalmoplegie gerechnet worden war, bis sich endlich die Erscheinungen
der asthenischen bulbärparalyse entwickelten. Im fünften Lebensjahre einer
jetzt 24jälirigen Frau trat nämlich ohne äussere Veranlassung eine geringgradige
rechtsseitige Ptosis auf, welche in den nächsten Tagen an Intensität
zunahm, und welcher sich im Laufe der nächsten Wochen auch eine links-
seitige Ptosis hinzugesellte. Nach einem Jahre ging die beiderseitige Ptosis
langsam zurück. Seither aber traten alljährlich mehrwöchentliche Perioden
starker beiderseitiger Ptosis auf. Während dieser Zeiten Froh-
Kemissionen, Abends P^xacerbationen der Parese. Hier und da Doppelbilder.
Später abermals Ptosis, die diesmal monatelang anhielt. Ausserdem Parästhesien,
Schwäche und auffallende Ermüdbarkeit der oberen und unteren Extremitäten.
Dann Paralyse der den Bulbus bewegenden Muskeln. Beiderseits Ptosis
mittleren Grades, Parese des Stirn- und Augenfacialis. Vorübergehende
Kauschwäche. Die interioren Augenmuskeln und der untere Facialis blieben
normal. Auffallend war in den frühen Perioden der Krankheit die KonstAW
Dh Ptosis bei der asthenischen Btilhärparalyi
223
-ähmiiTig tler äuäseren Augeamuskeln bei dem periodischen Schwanken
Levatorpiirese.
Wt^iter oben wurde in Kürze auf die differentialdiagiiostisclien Momente
"fischen der urgaiiischen und der asthenischen Bulbärparaljse aufraerksani
^^^Uiacht. Dasselbe gilt für die Pseudobnlbärparalyset die Tumoren und die
"^philitisehen Plrkrankungen dieser Gegend.
S 91. Bei der geringen Zahl der bis jetzt von dieser Krankheit beschriebenen
!" ma^ es uns gestattet sein,
bliebst drei eigene Beubacb-
^ua^eri hier folgen zu lassen.
Fall 1. Frl. M. C, 20 .1.
(Fig. 59.)
Anamnese: Der Vater
ilÄtb an Diabetes. IH^ Motter
nervös.
In früher Kindheit spinale
Kinderlähmung. Das linke Hein
5 t im Wachstimm zu rück ge-
llieben und magerer als das
»cbte. Sie trat von jeher kurz.
Da sie Ende Februar
1896 eine grössere Schwäche
11 linken Bein bemerkte, liess
ie «ich täglich massiren. Seit
Fanuar 1896 litt sie Öfter an
Lopfsch merzen.
Anfang April liel sie ganz
llötziich auf der Strasse bin.
In letzter Zeit: Be-
schwerden beim Sjirechen;
Schwäche in den unteren und
Fig. 59.
M. (', 20 Jjihre bIl Mittlere Ploali bei aathenisrher
BiiUiiirpuralyse. Tmitlither Au.s^ang.
oberen Extremitäten; Herabsinken der beiden oberen Lider. —
8Jd 189tj, St. pr. Graciles, blasses Mädchen mit etwas kindlichem
Habitus: innervirt beim Sprechen verschieden den Mundwinkel und lacht
sehr viel mit eif^entliiimlich grimmassierendem Ciesichtsausdruek,
Besonders auffallend ist eine nicht ganz vollständige Ptosis. Sie
innerviert stark den Frontalis und biegt den Kopf nach hinten, um sehen
zu können,
Beweglichkeit der Balbi sehr beschränkt.
Das reclite Auge kann etwas nach oben,
„ „ „ sehr wenig nach rechts,
), ,, „ sehr wenig nach links,
„ „ ,, besser nach unten
bewegt werden.
224 Die Ptosis bei der asthenischen BoIbArparalyse.
Das linke Auge kann etwas nach oben,
„ ,, „ sehr wenig nach rechts,
,, ;, „ sehr wenig nach links,
„ „ „ etwas nach unten
bewegt werden.
Pupille rechts weiter als links, reagirt direkt und indirekt.
Kein Doppeltsehen (mit rothem Glas geprüft). Geruch, Geschmack, Gehör:
besonders gut; letzteres sogar sehr fein. Am Gaumen besteht deutliche
Analgesie. Der Gaumen wird gehoben, aber mit schwacher Kraft. Es kommt
öfter beim Trinken Flüssigkeit aus der Nase. Gaumen- und Rachenreflex
gut. Die Kraft der Kaumuskeln ist herabgesetzt.
Patientin verschluckt sich leicht. Stimme ist leise. Kehlkopfunter-
suchung: Die Aryknorpel schliessen gut; ebenso die Stimmbänder.
Es besteht eine deutliche Schwäche in den Armen, «so dass Patientin
sich die Haare nicht machen kann. Ebenso sind die unteren Extremitäten
schwach.
Patellarreflex links abgeschwächt im Vergleich zu rechts.
Vorderarmreflex = | , . , . , _ . ,
rr ' n \ beiderseits vorhanden und normal.
Tncepsreflex = |
Hautreflexe sämmtlich vorhanden. Sensibilität nicht alterirt, ausser am
Gaumen, an der linken Wangenschleimhaut Herabsetzung der Schmerzempfindung.
Hier und da Parästhesien in der linken Wange und im linken Ohr. Patientin
klagt über Kückenschmerzen und Reissen in den Armen. Keine Blasen- und
Mastdarmstörungen. Urin frei von Eiweiss und Zucker. Die Beobachtung
ergibt ein auffallendes Schwanken und Wechseln im klinischen Bilde.
Am 3/6. klagt sie über vermehrte Erschwerung beim Sprechen. Klang
wie bei Gaumensegellähmiing.
5/6. Sprechen besser; Ptosis stärker.
8/6. Grössere Schwäche in den Armen.
15 6. Manchmal spontane Zuckungen in den Zehen beider Fasse.
17/6. Vermehrte Schwäche. Patientin kann sich nicht mehr allein
im Bette aufrichten. Hyperalgesie der Lendenwirbelsäule bei Druck.
26/6. Seit zehn bis zwölf Tagen keine Schluckstörung. Sprache sehr
schwach; ebenso Husten.
30/6. Patientin kann sich wieder besser aufrichten. Innervirt den rechten
Mundfacialis stärker als den linken.
Herzaktion oft ungleichmässig.
2/7. Bedeutendere Schwäche der Nackenmuskulatur, Sprache sehr schlecht,
die oberen Extremitäten kräftiger; Polyurie.
10/7. Heute wurden die Augen besser geöffnet. Zum ersten Mal
vorübergehend Doppeltsehen, auch von Dr. Eisenlohr konstatirt, welcher
die Diagnose der asthenischen Bulbärparalyse bestätigte. Der Rücken bei Druck
empfindlich. Bewegimg der Beine gut.
18/7. Ptosis stärker. Kauen und Schlucken besser. Seine schwerer.
Die Ptosis bei der ndtheniächeii Butbärparaljae. 225
7/8. Zuweilen Doppt^ltselien. Patientin verschluckt sich hier und da,
Patientin geht auf vier Wochen in eine Kliuik. Status fere idem. Dann
nach CuxJiaven, wo sie sich entschieden erholt hat* Sie sieht besser aus;
fühlt sich besser. Jedoc!i die objektiven Symptome sind ungefähr dieselben:
Ptosis; Augcnmuskelliihmung; Neigung zum Verschlucken. Schwäche der Ex-
tremitäten ohne sichtliche Atropliien.
Die Verwandten der Patientin bestimmten die Mutter, sich an Iloniüo-
patben und Kurpfuscher zu wenden.
Im .Ajifang December letzte Untersuchung. Sie war selir erregt und
hatte hysterische Zufalle. Einige Tage spater Eieber. j 20. 12 an Pneumonie.
Die Sektion wurde verweigert,
Fall IL Wilhelmine K., 22 Jahre, Cigarrenarbeitersfrau.
29/12. 97. Vor sechs W^ochen Schmerzen heim Schlucken. Ihr Vater
und ihr Mann behaupteten, ,,es sei rotb und dick im Hals/' Kein Fieber.
Nach fünf bis sechs Ta^en keine Schmerzen mehr. Nach drei bis vier Tagen
Doppeltsehen heim Blick nach rechts.
NB. Sechs Wochen vor der Kranklieit sagte der Mann, sie schiele.
Einmal lief ihr beim Essen W^asser au.s der Nase.
St< pr.
Das linke Auge kann nicht nach aus.^ien bewegt werden (siehe Figur 60
und 61), da.s rechte ebenfalls nicht, bei Bewegungen nach der Seite hin treten
gleichnamige Doppelbilder auf, nach oben hin gekreuzte. Pupillen in Ordnung.
Patientin blinkt fortwiibrend; gegen Abend fallen die Augen zu (Ptosis). Die
Zunge zittert beim Herausstrecken zuweilen. Schluck Störung, Dynam. beider-
seits 50, beim zweiten Mal 25, beim dritten Mal 15. Patientin ermüdet
leicht. Hier und da Schwere imd Schmerzen im Nacken. Sehnen- und Haut-
Teäexe beiderseits gleich lebhaft. Sensib. intakt. Gesichtsausdiiick schlaff und
nichtssagend. (lalvauiache und faradische Untersuchung normal, auch im
schlaffen Facialisgebiet. Wenn sie lacht, bewegen sich die Gesichtsmuskeln
etwas langsam, so dass das Lachen etwas Grimassenhaftes an sich hat. Der
Stirntheil des Facialis zeigt keine besonders auffällige Schwäche, Der Mund
ist in die Breite gezogen.
Patientin ermüdet ausserordentlich leicht beim Gehen, beim Treppen-
steigen und Arbeiten; Sensoriuui frei^ die Zunge zittert nicht, sie wird gerade
herausgestreckt. Der weiche Gaumen wird ziemlich gut gehoben. Die
Patientin schluckt etwas mühsam, aber doch ganz gut. Keine Muskel-
atrophieen. Keine myasthenische Keaktion (Jolly). Keine Sphinkterenstö-
rxxng. Urin frei. Puls etwas beschleunigt. Verord. viel Ruhe, Eisen, InHuenz-
douche.
1/1, 97. Im ganzen etwas besser. L, Abducensaparese und Abducens-
scbwäche, beiderseits Krampf der Intemi. Patientin blinkt wx^niger. Patientin
hat hie und da trockenen Husten. Lungen-, Rachen- und Nackenschmerzen.
10./ 1. Gehen wieder schlechter.
13./1* Stärkeres Üoppelsehen; immer noch Husten,
Willir«iid-S««iifer, NDurologie des Auges. 15
226
J}ie Ptosis bei der »ätboDi^hen ßulbärparalyse.
Fig. 60.
W. K* Leif'litf I^ri^ii-H Iwn astlit^uiM^lier Bylburpiiniiyse.
Versuch, tlie Au)ir*^ti nach liuks auj^wHitH zu drehen.
Fi|f. 61,
W» K. Linchtp Vimh Ijm'i KsthiMiischer Bnlbüi'pnralyBf.
Versuch, die Aivvren oat'h ricklÄ aiuswilrls eh drelK-u {siusscrste
ADStrt^iitriißg).
19JL Basrditek
bewegt sich gut: uf
linken Auge noch
parese.
Patientin ist jeWi
1893) grravida (4,
Die Augenstörungen
besser (siehe Figur 62 ü
63). Die Bulbi könnmiaa
allen Richtungen frei b«TO
werden. Die Lidsp&htn sil
normal weit. PaÜeiitin fiü
keine Schwäche tneliit ^tiä
im Nacken, noch indf^nli-
tremitäten. Sie verscUndR
sich nicht und klagt woik
nicht mehr über Irocköffl
Husten.
Fall IIL Fräulein W.
41 Jahre, leidet seitmehr^Tf»
Jahren an nervöst^n B^
seh werden. Seit vergangenm
Winter fiililt sie sich äiisserrt
matt, konnte ihre GÜtNk
kaum mehr bewegen* nickt
mehr Treppen steigen, Benn
Ej?sen wurden ihr die Kiefer
müde, so dass sie m\M
nur tliissige Xahmngr aof-
niihm. Vor zwei JÄhren
hätte sie ihre Lider nicht
tm'lir heben können und httbe
dojjpelt gesehen. Sie wurde
damals von einen» Augenarzt
am Schielen operirt.
St. praes. — (
Hiagere Pei^on von mödeui
Aussehen, Die Augen hui
Patientin halb gescJd^
Fordert man sie auf, in die
Ihihe zu blicken, so thut m
(las ganz gut, die Lider
sinken aber sofort, wieder
herab, dann benutzt sie den
^
Die Ptosis bei der nBtheniaclien Bnlhfirparalyae,
^ - ^efinger zum Heben der
' ^V^T. Bei starrem Fixiren
"*V^ii beide Augen ganz zu,
^ -\Ba Blick geradeaus bestellt
^I^Xitlicher Stahismus conver-
t-^^T5s. Der linke Bulbus ist
1 ^Xir massig in der Horizontal-
^^ie nach aussen zu bewegen,
^*ewegnngen nach oben innen
^nd oben aussen ganz unmög-
lich* Bewegung horizontal nach
.* innen sehr ergiebig. Die Be-
^ ^*eg:iingen nach unten und unten
^ innen norraalj nach unten aussen
^ aber erschwert.
Rechtes Auge: in der
Horizontalen nach aussen sind
die Bewegungen ergiebiger als
links» aber doch deutlich be-
schränkt. Bew^egungen gerade
nach üben unmöglich, ebenso
nach oben aussen, nach oben
innen schwach. Bewegungen
nach unten aussen völHg auf-
gehoben, ebenso nach unten
und unten innen,
irten Blick nach
das tinke
ab.
Auge
innen
eine Zeitlang
Beim associ-
oben weicht
stark nach
Patientin konnte
nicht schlucken.
Im Gesichtsfeld leichte
Ermüdbarkeit. Nach Erholung
der Augen volle Sehscliarfe.
Klagt über Lichtblendung und
Photopsieen bei gescldossenen
Augen. F*upil[enverhältnisse,
Accomraodation , ophthalmosk,
Befund beiderseits normal.
Patientin kann momentan die
Augen nicht schliessen. Beim
Geschlossenhalten fortw^ährende
Zuckungen und Tendenz die
Lider zu öffnen. Zeitweise
Zuckungen im linken Mund-
Die nüitilii'lic Piitkutio wie in Fig; 60 und 61 nach
BeHjtcrtnig der ast heu i sehen BuU)»rpimily,He.
Fig. 63.
DieM"]be Patit^ntin wir in Fig. 60 ii. 61 naeii Besserung
der astlienisehen Bulhürparalrae. Blick seitsw&rU
nach linkN hin,
15*
i
228 Pie Ptosis bei der ftstfaenischen Balbärparalyae.
Winkel. Die Funktion des Frontalis und Corrugator supexcilii beiderseits
normal. Patientin wacht häufig Nachts auf, weil der Mond hin und her
gezogen wurde.
Die Sprache ist eigenthümlich verschleiert, manche Worte kommen
zischend heraus. Bei längerem Sprechen tritt sehr schnell Ermüdung ein;
z. B. kann Patientin nicht weiter als bis 20 zählen, dann sagt sie, es ginge
nicht mehr, sie sei müde. Auch in der Unterhaltung tritt nach kurzer Zeit
diese Ermüdung ein. Allgemeine Sensibiliät intakt. Reflexe vorhanden.
Später wurde Patientin sehr gebessert aus der Krankenhausbehandlung
entlassen.
In diesem Falle bestanden neben den Symptomen der asthenischen Bulbär-
paralyse auch die Erscheinungen der nervösen Asthenopie.
§ 91. Fragen wir nach dem Wesen dieser interessanten Krankheit, so ist uns
die pathologische Anatomie bei den jetzigen Untersuchungsmethoden die
Antwort noch schuldig geblieben. So konnte Eisenlohr (458) bei seinem
Falle nur ganz zuletzt entstandene kapilläre Hämorrhagien in der Mednlla
entdecken. Hoppe (461) fand ebenfalls kleine agonale Blutungen im centralen
und vorderen lateralen Okulomotoriuskem, im Westphalschen und im Vagus-
keme. Dreschfeld (468) konnte trotz sorgfältigster mikroskopischer Unter-
suchung in seinem Falle nichts Pathologisches nachweisen.
C. Mayer (473) fand an den Zellen des Hypoglossuskems mit Aus-
nahme einer minimalen Zahl vacuolenhaltiger Zellen normale Verhältnisse.
ebenso die Rückenmarksvorderhörner, sowie die Pyramidenbahnen völlig normal.
Hingegen waren ausgesprochene Erkrankungen des intramedullären Abschnittes
der Vorderwurzeln, sowie der Hypoglossuswurzel , insbesondere an Marchi-
Präparaten deutlich zu erkennen; die Präparate zeigten längs der Vorderwurzebi,
sowie an einzelnen Stellen der Hypoglossuswurzel Streifen und Schollen
geschwärzten Myelins. Die intramedullären Vorderwurzelantheile , sowie die
Hypoglossuswurzel erschienen bei Markscheidenfärbung deutlich atrophisch.
S 92. Gewissermassen als Forme fr uste der asthenischen Bulbärparalyse
und von Karplus (462) als asthenische Ophthalmoplegie bezeichnet.
dürften die folgenden Beobachtungen angesehen werden.
Kar plus (462). Bei einer 24 jährigen Frau trat im 6. Jahre ohne
äussere Veranlassung eine geringgradige rechtsseitige Ptosis auf, die in den
nächsten Tagen an Intensität zunahm, und welcher sich im Laufe der nächsten
Wochen auch linksseitige Ptosis zugesellt^. Nach einem Jahre ging die beider-
seitige Ptosis allmählich zurück. Seither traten alljährlich mehrwöchentlich
dauernde Anfälle starker beiderseitiger Ptosis auf. Während dieser Zeiten früh
Remissionen, Abends Exacerbationen der Parese. Später Schwäche und
auffallende Ermüdbarkeit in den über- und Unterextremitäten. Darauf
Ophthalmoplegia exter. Beiderseits Ptosis mittleren Grades, Parese des
Stirn- und Augenfacialis, vorübergehende Kauschwäche.
K. Kunn (469) berichtet von einem 25jährigen Juristen, welcher (nie
luetisch) Mitte Oktober 1895 verkapptes Doppelsehen, seit November desselben
Die Ptosis bei der asthenischen Bulbärparalyse. 292
Jahres Auftreten von Schielen und beginnende Ptosis zuerst auf dem
linken, später auf dem rechten Auge bemerkte. Es konnte dabei ein auf-
fallender Wechsel in der Intensität der Erscheinungen konstatirt werden,
indem die Lidspalte am Morgen, wenn der Patient ausgeruht war, viel weiter
offen stand, als am Abend. Während einer längeren BeobacbtuUgszeit fiel
auf, dass die Erscheinungen an den Augen alltäglich schwankten , bald
war die Ptosis stärker oder geringer, dann trat vorübergehend Convergenz-
lähmung oder Strabismus auf. Sonst völlig normaler Befund von Seiten des
Nervensystems ; insbesondere war die motorische Kraft und die Ausdauer der
Körpermuskulatur des Patienten vollständig normal.
Einen diesem ganz analogen Fall erzählt Ho che (470). Eine 49 jährige
Virgo litt bisweilen an Kopfschmerzen, in letzter Zeit auch an Schwindel.
Seit Herbst 1891 auch Gefühl von Müdigkeit in den Augen, nur immer
Abends. Im Frühjahr 1892 leichte Ptosis links, die bis zum Sommer
komplet wurde; alsdann auch fast völlige rechtsseitige Ptosis. Im August
1892 wurde doppelseitige Ophthalmoplegia exterior konstatiert. Es war über-
haupt nur eine geringe Abduktion des rechten Bulbus möglich.
Goldzieh er (471). Der 37 jährige Kranke war nie syphilitisch, jedoch
hereditär neuropathisch belastet. Es bestand Ophthalmoplegia exterior
bilateralis. Bemerkenswerth war aber, dass am Morgen nach dem Erwachen
die Augen ganz normal sich bewegten, sie waren vollständig offen, nach 1
bis 2 Stunden fielen aber dann die Augenlider nieder, und die Augenmuskeln
verloren ihre Beweglichkeit. Der Patient war von Zeit zu Zeit äusserst ver-
gesslich, so dass er zu gewissen Zeiten nicht wusste, wo er war.
Camus et (472). Ein 55 Jahre alter Kapitän wurde vor 35 Jahren
von einer Diplopie befallen, welche nach 1 — 2 Monaten wieder verschwand.
5 Jahre später erschienen dieselben Symptome mit leichter doppelseitiger
Ptosis und hielten ein Jahr lang an.
8 Jahre später trat wieder ein Anfall mit Doppeltsehen und Ptosis auf,
komplicirt während zweier Monate mit Schlingbeschwerden und hochgradiger
allgemeiner Schwäche. Nach 7 Monaten vollständige Heilung.
Nach 9 Jahren ein neuer Anfall mit beiderseitiger Ptosis, totale
Ophthalmoplegia exterior und nachfolgender allgemeiner Schwäche. Bis zur
vollen Entwickelung derselben vergingen 4 Monate. Die Iris und Accommodation
waren stets freigeblieben. Keine Sehstörungen beim monokularen Sehakte.
Der ophthalmoskopische Befund beiderseits normal.
Während die Fälle Kunn, Hoche und Goldzieher mehr der isolirt
bleibenden progressiven Ophthalmoplegie ähneln, neigt sich der Fall Kar plus
und Camuset offenbar mehr der asthenischen Bulbärparalyse zu. Ob daher
diese Formen ein Krankheitsbild für sich darstellen, oder ob sie den oben er-
wähnten pathologischen Zuständen zugezählt werden müssen, bleibt einstweilen
der Zukunft überlassen.
290 Die Rosis bei der asthenischen Bulbärparalysr.
Gegenwärtig beobachten wir eine 27jährige Dame, deren Leiden vielleidit
in diese Gruppe gehört, oder eine höchst seltsame Kombination einer hyste-
rischen Ptosis mit der isolirt bleibenden chronischen Ophthalmopl^ie darstdh.
Seit 1889 besteht diese Affektion. Angeblich ohne jede YeranlassaBf
fiel das linke Oberlid herunter und es trat eine in der Intensität wechseliide
Ptosis ein. 1895 trat eine ganz analoge Ptosis des rechten Auges auf.
Die Untersuchung der gesund aussehenden, gracUen Patientin ergab dis
Vorhandensein einer beiderseitigen Ophthalmoplegia incompleta exterior. Sie
kann die Augen nicht nach aussen, sehr wenig nach oben aussen, oben innen,
etwas nach oben, am besten nach unten und innen bewegen. Hierbei mnss
besonders hervorgehoben werden, dass der Grad der Bewegungsbeschranknng
der Bulbi ein wechselnder ist, also ebenfalls eine gewisse Analogie zur Ptosis zeig[t
Die Konvergenz ist ganz leidlich erhalten, so dass Patientin ziemlich lai^
lesen kann.
Das Interessanteste nun in diesem Falle ist das Verhalten der doppel-
seitigen Ptosis.
Es handelt sich nicht um eine eigentliche Lähmung, da Patientin
manchmal, insbesondere wenn sie ganz unbeobachtet ist, die oberen Lider
gut erheben kann. Ganz besonders auffallend ist es, dass nach längerem
Lesen die Patientin im Stande ist, die Augen beiderseits sehr gut zu öffnen.
Sobald man jedoch dies untersucht und konstatiren will, fallen die oberen
Lider herab, und man sieht deutlich die Bemühungen der Patientin, die Augen
zu öffnen, an den energischen Kontraktionen der Frontalmuskeln. Meistens
ist die Ptosis ungleich. Das rechte obere Lid hängt tiefer herab als das
linke. Hier und da erscheinen kleine Querfältchen auf den oberen Lidern.
Jedoch ist hervorzuheben, dass die Augenbrauen ganz hoch stehen; also in
keiner "Weise das Verhalten zeigen, wie bei der Ptosis pseudoparalytica. Des
Morgens nach dem Aufwachen ist die Ptosis viel geringer als des Abends.
Die Pupillen sind beiderseits gleich, reagiren direkt und indirekt gut. Die
Accommodation ist normal. Das Sehvermögen und das Gesichtsfeld hat tiir
"Weiss und Farben normale Grenzen.
Im Geschmack, Geruch und Gehör sind keine Anomalien nachweisbar.
Es bestehen keinerlei bulbäre Erscheinungen. Die Kraft der Extremi-
täten ist normal und es tritt keine „leichte Ermüdung" ein. Auffallend ist nnr.
dass Patientin rechts das Dynamometer auf 50, links auf 75 bringt, ohne
Linkshänderin zu sein.
Der rechte Mundfacialis wird beim Sprechen etwas weniger innervirt
als links. Ueberhaupt hat Patientin ein etwas eigenartiges Mienenspiel, was
sicherlich dadurch hervorgerufen wird, dass^ je länger man dieselbe ansieht,
um so mehr die oberen Lider herabsinken, Patientin aber auch um so mehr
bemüht ist, dieselben wieder zu öffnen, wobei die Innervation stets die Fron-
tales und zwar in ungleicher Weise trifft, die Levatores palp. sup. jedoch
verfehlt.
Die PtosiB bei der aathenischen Bolbärparalyse. 231
Ein auswärtiger Professor der Augenheilkunde sagte ihr, sie litte an
^Gesichtsstottem^ und rubrizirte das Krankheitsbild in das Gebiet der
Hysterie. In Bezug hierauf müssen wir noch nachtragen, dass Patientin
kfiinerlei Stigmata dieser Krankheit: weder Analgesien, noch Ovarie, noch
Fehlen des Rachen- oder Conjunctivalreflexes während unsrer Beobachtung
darbot.
Was nun unsere Ansicht betreffs dieses Falles anbelangt, so neigen wir
am meisten dazu, denselben der isolirt bleibenden progressiven Ophthal-
moplegie zuzurechnen, bei welcher der Levatorkern mit afficirt ist, jedoch im
Stande erscheint, durch Pausen in der Innervation (Lesen) sich zu erholen.
Immerhin w^äre es auch möglich, dass es sich um eine Kombination einer
hysterischen Ptosis eigener Art (psychogene Levatorlähmung) mit einer chro-
nischen Ophthalmoplegie handelte. Endlich könnte man denselben auch, wie
eingangs bemerkt, zur asthenischen Ophthalmoplegie rechnen.
238
Tabelle XI... Das Verhalten der Lider uiid der Baniiianii
•le.
Tabelle XI.
Das Verhauen der Iiider und der Bnlbusinuskulator bei der asthemscken B
paralyse.
Autor nnd Nummer
Ptnflia
des
Littemtorverzeichnisseflw
Bulbusmoskeln.
X tUBlB
eins, doppeis.
Facialis und Augenlider
lidsdda
1. Wilks (474)
Diplopie
—
—
—
2. Erb (456) Fall I
Pt.
Paüentin kann wiUkur-
lieh das obere Augen-
lid ziemlich gut heben«
Die Augen sind halb-
talis in starke Falten
gelegt
3. FaU n
Diplopie
Pt.
gehen höchst mangel-
haft Ton statten.
Klonische Zu
im Fronta]
Orbienlaris
brae. Am
schwach.
4. Fall III
Pt.
Die oberen Augenlider
hängen schlaff herab;
sie können wohl vor-
werden, um sie jedoch
zu erheben , werden
beständig die Stimbaut
und die Augenbrauen
stark in die Höhe ge-
zogen.
In den oberei
des Fadalii
eine leichte
zu bestehen,
zuckende 1
tionen in
Frontales.
5. Oppenheim (475)
—
»
Die mimischen Gesichta-
bewegungen schwach,
aber erhalten.
Schwäche d«
Schlusses.
6. Eisenlohr (458)
Diplopie
11
Der Grad der Ptosis war
häufigem und raschem
Wechsel unterwerfen.
Mit Mühe wurden die
Augen geöffnet, aber
die Aktion der Leva-
tores Hess sofort nach,
sodass Patient um ge-
radeaus zu blicken,
den Kopf etwas zurück-
beugen musste.
DerSchluasd«
obechon toU
▼ollzog sieh
ringer Kraft
seits. Beide
les in g
Grade pareti
7. Shaw (476)
--
—
—
AugenKfalu«
8. Bernhardt (459)
Diplopie
Pt.
—
—
Das Yerhalte der Lider und der BalboamaekaUtar etc.
23
or nnd Nummer
des
I tnrreneich niBses.
BoHmsmuikeln.
Ptosis
eins, doppele.
Fedalis und Augenlider.
Lidschluss.
oldflam (457)
Diplopie
Pt.
emak (477)
enator (478)
oppe (461)
reschfeld (468)
oldflam (460)
Fall I
Pt.
Ophthalmoplegia
exterior
Fall U
Fall in
Pt.
Schon im Beginne der
Erkrankung fielen die
Augenlider herab. Kurz
darauf sah Patient
doppelt. Die rechte
Lidspalte ist kleiner,
eigentliche Ptosis aber
nicht vorhanden.
Die Betheiligung des
oberen Facialis war
besonders bemerklich.
Hervorstehen der Augen.
Der Gesichtsausdrnck
wurde starr und die
Augen scheinen grösser
geworden su sein.
Sämmtliche Gesichts-
ästo beider Faciales
sind gelähmt. Parese
im oberen und unteren
Facialis.
Die Unbeweglichkeit des '
Bulbus war anfangs
perio<lischy später mit
Schwäche der Extremi-
täten verbunden.
Comeal- und Conjunc-
tivalreflex sehr ver-
mindert. V. Graefesches
und von StcUwagsches
Zeichen.
Die Lider können
nicht geechlosseji
werden ; es bleibt
eine Spalte rechts
grösser als links.
Schwäche des Lid-
schlusses.
Die Augenlider kön-
nen ein wenig ge-
schlossen, aber nicht
fest sugekniffen wer-
den und setzen dem
Versuche sie su öff-
nen nur geringen
Widerstand ent-
gegen.
Deutliche Parese
unteren Facialis.
des
Das rechte Oberlid kann
mit Anrtreoi^ng mit
Hilfe dot FrontjUi'i
**in w€iiig gehoben wer-
tlt*ti. Cornea bis zu
*/ä bedeckt. Dt-T Augen-
facialis wirkt gut, der
untere Ast ist dagegen
paretisch.
Beiderseits Lagoph-
thalmus, rechts stär-
ker als links.
Augenschluss gut.
Später aueh der Or-
bicularis paretisch.
234
Das Veriialten der Lider und der BalbaflOMiskiilmtar ete.
Autor und Numiuer
des
LitteraturT&rzeic'hniflieis,
BulbofinmRkeln
Facklü und Augenlider.
17, C. Majrer (473)
IS. Strümpell (453)
n. joiir (453)
20. Pineles (479) Diplopie
Fall I
21.
22.
23.
Fall II
Fall III
FaU IV
24. Sackling (480)
Fall I
25.
Fall n
exterior
exterior
26. Fajersztajn (455)
I
27. Dcvic u. Roux Ophthalmoplcgia r ^^- i Di<^ Ptosis ist des mor-
Pt,
Pt.
Pt,
Pt.
. 1»
Pt
- L
Pt
- i .
Pt.
1
Ophthalmoplegia '
—
Ophthalmoplegia ' —
Pt.
Beweglichkeit im Btltn-
theü des Padalll sehr
gering. Beide ober*
Augenlider leigen eiu^
massige, aber tieutliche
Pto«iA , welche bei
liogeren Yersneb^ti die
Augenlider tu. heben
eÜricer wird. Mund-
faeiaUi auch pai^isch.
Bt» ^nte Symptom seiner
ieit iVi J^ien be-
stehenden Krankheit
be«tiiud darin, dase er
die Augea niobi längere
Zeit hintor einander
offen halten konnte,
wa» Euersl in der
Schale au0iel beim
Blick auf die Tefel.
Nach einer Rohepftuee
funktionirten die Lid-
heber wieder besser.
I
I Der Mundfacialis nor-
; mal. Das Rnnseln der
I Stirn geht gut von
statten.
(554)
extenor
gcns früh kaum wahr-
nehmbar, aber am Tage
deutlich vorhanden.
Später nahm die Ptosis
zweimal von neuem
zu, namentlich links.
DerLidsehlna
Dtid ach wie
bei luvkmiftli
koelfeii dej
mehr und x
Pas Verhalten dar Lider und der Balbuamaakalatur etc.
235
Autor and Nummer
des
Litteratarrerzeichnisses
Bulbusmuskeln.
eins
Ptosis
. doppeis.
1
Facialis und Augenlider.
Lidschluss
28. Koshewnikow
(465) Fall 1
—
11
Pt.
Schwäche in allen Aesten
des Facialis.
—
29. „ Fall II
Diplopie
Sphincter iridis
und M. ciliaris
schwach
Pt.
n
Schwäche der Lippen.
Augenlidschluss un-
vollkommen.
30. Kalischer (481)
Diplopie
1)
Pt.
—
—
31. Silbermark (482)
verschwommenes
Sehen
»
Pt.
—
—
32. Brissaad und
Lantzenberg (463)
FaU I
Diplopie
1»
Pt.
Facialisschwache.
—
33. „ FaU n
Diplopie
1»
Pt.
—
—
34. Widal and Ma-
ri nesco (464)
Diplopie
n
Pt.
—
—
35. eigene Beobacht-
ung M. C.
Ophthalmopl.
exterior
n
Pt.
Linker Mundfacialis
schwächer innervirt als
der rechte.
Lidschluss möglich.
36. eigene Beobachtung
Diplopie
«
Pt.
Schlaffheit des unteren
Facialis.
—
37 . eigene Beobachtung
-
y>
Pt.
—
—
38. Hoche (483)
Ophthalmopl.
exterior
n
Pt.
—
—
39. Kunn (469)
Ophthalmopl.
exterior
m
Pt
—
—
40. Karplus (462).
Ophthalmopl.
exterior,
hier und da
Doppeltsehen
n
Pt.
'
Parese des Augen-
lacialis.
41. Camaset (472)
Diplopie
9
Pt.
Bei einem Anfalle von
Doppeltsehen hatte sich
allgemeine progressive
Muskelßchwäche ein-
gestellt.
42. Baymond (466).
Diplopie
Pt.
«
—
—
43. eigene Beobachtung
Ophthalmopl.
exterior
jf
Pt
Ungleiche Innervation
des Facialis.
Lidschluss gut.
236 Die Ptosis bei den Nnklearlähmnngen in Folge aknter Krankheitszostiode.
f) Die Ptosis bei den Nuklearlähmungen in Folge subakuter oder akuter
Krankheitszustände.
§ 93. Die hierher gehörigen Krankheitszustände ordnen sich im Grossen
und Ganzen folgenden drei Hauptgruppen unter:
1. den nach Infektionen,
2. den nach Intoxikationen und
3. den bei nicht eiterigen Encephalitiden aufgetretenen Augen-
muskellähmungen.
"Während bei den Nuklearlähmungen zufolge chronischer Krankheits-
zustände das Endziel des krankhaften Vorganges im Kemgebiete der Augeiih
muskeln gewissermassen auf eine komplete (interiore und exteriore) Ophthal-
moplegie gerichtet ist, und auch dann^ wenn nach längerem Bestände des
Leidens doch nur eine inkomplete Ophthalmoplegie zur Entwickelung ge-
kommen war, die Lähmungen, wenn sie stabil blieben, unheilbar waren,
stellt sich die Sache bei den Nuklear - Lähmungen zufolge aknter oder
subakuter Krankheits- Prozesse ganz anders. Wir sehen die Nuklear-
lähmungen bei chronischen Krankheitszuständen fast durchgehends als die
Folge rein degenerativer Vorgänge in den Ganglienzellen und Wurzel-
fasem des Kerngebietes auftreten, demzufolge auch die Lähmungsznstuide
schliesslich irreparabele sein mussten, während wir bei den Nuklearlähmungen
zufolge akuter oder subakuter Krankheitzustände entweder einer rein toxischen
Wirkung auf die Ganglienzellen ohne postmortalen anatomischen Befund, oder
einem hämorrhagisch entzündlichen Vorgange im Kemgebiete der Augenmuskeln
begegnen. Bei einzelnen wurden allerdings auch degenerative Vorgänge in
den Ganglienzellen gefunden, deren Natur höchst wahrscheinlich als sekundäre,
zufolge der vorausgegangenen Entzündung, aufzufassen ist; daher gehen
hier die Lähraungszustände, sofern nicht nach Verlauf weniger Tage oder
Wochen der Tod des Patienten eingetreten war, auch meistens wieder in
Heilung über. Daneben tritt bei den von Intoxikationen und Infektionen
abhängigen Nuklearlähmungen meist ein auffälliges elektives Verhalten
zu Tage, Ueber das uns hier am meisten [interessirende Symptom der
Ptosis lässt sich keine bestimmte Angabe schon aus dem Grunde machen,
weil das vorliegende Material noch zu dürftig ist. Im Allgemeinen konnte
das Vorkommen der Ptosis als ein seltenes, mit Ausnahme der Polioen-
cephalomyelitis und der Gerlier'schen Krankheit (Kubisagari), bezeichnet
werden, bei welchen Zuständen die Levatorlähmung eine bevorzugte Rolle
spiellt.
Die Ptbald bei der po8tdipbih<eHtiflcbeb AugenibKskell&limaDgf. 237
1. Die Infektionen.
a) Die Ptosis bei der postdiphtheritischen AugenmuskellBhmung.
§ 94. Das diphtheritische Gift zeigt eine, grosse Konstanz im Hervor-
bringen von Lähmungserscheinungen des weichen Gaumens und der Accomino-
dation, während der Sphincter pupillae so gut wie gar nicht geschädigt wird.
Daneben gehören Lähmungen der äusseren Bulbüsmuskulatur und des Levator
zu den seltensten Krankheitserscheinungen.
Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass die postdiphtheritischen
Lähmungen in der grossen Mehrzahl der Fälle bei Kindern und zwar erst
einige Wochen nach Beginn der Infektion aufzutreten pflegen. Meist setzt
die Äccommodationslähmung zugleich oder nach kurzem Intervalle mit der
Gaumensegellähmung ein. Der Äugenspiegelbefund ist fast immer normal,
ebenso wie die Sehschärfe, wenigstens nach erfolgter Korrektur der Brechungs-
anomalien, sich normal erweist.
Bei der so hervortretenden Vorliebe des diphtherischen Virus für den
Accommodationsapparat ist es nun in hohem Grade auffallend, dass die übrigen
Theile des Oculomotorius relativ so selten bei der Diphtheritis mitafficirt werden ;
denn unter den postdiphtheritischen Lähmungen der äusseren Bulbüsmusku-
latur nimmt der Abducens die bevorzugte Stellung ein. Gegenüber der
grossen Anzahl von Accommodationslähmungen nach Diphtherie ist aber über-
liaupt die in der Litteratur bekannte Zahl von Lähmungen der Bulbüsmuskulatur
(siehe Tabelle XII) eine verschwindend kleine. Noch geringer ist dabei die
Theilnahme des Levator an den Lähmungserscheinungen. So fand Goodall
(468) unter 1071 Fällen von Diphtheritis nur einmal, und Moll (487) unter
150 Fällen postdiphtheritischer Äccommodationslähmung ebenfalls nur einmal
Ptosis. In den wenigen Fällen, in welchen auf Tabelle XII der Ptosis Er-
wähnung geschieht, war dieselbe doppelseitig vorhanden und stets vergesell-
schaftet mit Symptomen der Ophthalmoplegia exterior.
§ 95. Ueber den Sitz und die Natur des pathologisch-anatomischen Prozesses
bei dieser Krankheit kann man noch wenig mit Bestimmtheit sagen. Da die
Affektion meist wieder spurlos vorübergeht, so scheint die Annahme einer toxischen
Einwirkung auf die Nervenkeme für die grosse Mehrzahl aller Fälle berechtigt.
Finden wir doch fast durchgängig auf beiden Augen eine isolirte Lähmung
der Accommodation, oder eine solche verknüpft mit Lähmungszuständen ein-
zelner vom Abducens resp. Oculomotorius versorgter Bulbusmuskeln nach dem
Typus der Ophthalmoplegia exterior resp. der Nuklearlähmungen. Dieser
Auffassung wird auch die Untersuchung Hasche's (492) gerecht, welcher das
Rückenmark, die Medulla, den Oculomotorius und Trochlearis nach einem Falle
von postdiphtherischer Ataxie mit Augenmuskellähmung mikroskopisch mit
negativem Ergebniss untersucht hatte. Dagegen wurde aber von Remak
23B Db PtoM M d«r posidipMMritiMikcii
gezeigt, dass die LähmuDgen Ton starker Hyperaemie in den Gan^anBUoi
und Neoritis der Nenrenwnrzeln herrühren können. Mendel (488) faul
Hyperaemie und kapillare Blutungen in den Xenreninurzeln und daneben En-
lagerong lymphatischer Elemente in die adTentitiellen Baume und in die
Umgebung der Gefasse, dabei aber auch Veränderungen in den Nerrenstammeik
namentlich im Ocnlomotorins. Gombanlt (489) nimmt eine Affektidn des
peripheren basalen Nervenstammes, des Ocnlomotorins, an. Er hatte in ihm
Veränderungen gefunden, die er als periaxiale Segmentd^eneration beschreibt
Die Axencylinder sind dabei intakt oder doch nur sehr wenig Terändert,
während Pitres und Vaillard auch eine Degeneration des Axencylindeis
gefunden haben. Krauss (490) fand die Ganglienzellen normal, aber starke
Veränderungen in den Nervenstämmen, namentlich im Ocalomotorios. Auch
konstatirte dieser Autor neben den stark gefüllten Gefässen kleinere und grossere
Blutungen. Endlich hat Hochhaus (491) in 4 Fällen starke entzündliche
Veränderungen in den Muskeln nachweisen können, neben geringer inter-
stitieller Entzündung des Nerven selbst. Bernhardt (492) fand Degene-
ration in allen peripheren Nervenzweigen, am stärksten zeigte sich auch
hier der Oculomotorius alterirt. So scheint also der ganze Nervmuskelapparat
in seinen verschiedenen Gliedern durch diese Krankheit afficirt werden zu
können.
Bemerk enswerth ist im Falle Mendel, dass trotz gefundener Neuritis
des Oculomotoriusstammes die Iris und Accommodation normal geblieben waren.
Da, wie wir später sehen werden, isolirt bleibende Ptosis auch bei
basalen Herden auftreten kann, so bleibt es zweifelhaft, durch welche ana-
tomischen Veränderungen die Levatorlähmung bei den postdiphtheritischen
Lähmungen bedingt werden möchte.
Tabelle Xll.
40
Tabelle XIL Ueber die Fälle von Ptosis
Tabelle XII. Ueber die Fälle von Pto
Autor und Litteratur
Augeumtiakeln
datioa
Mendel, Neurol. Centralbl.
IV. 128
beiderseits
Ptosis
ü h th o f f , Nenrol. Centralbl.
IV. 125
£wetzky, ref. Jahresb. f.
Ophth. 1887. 253
beiderseits
leicbte Ptosis,
jedoch können
die Augenlider
mit Anstreng-
ung noch YöUig
gehoben wer-
den
beiderseits
vollständige
Ptosis
Benson, Lianeot I. 457. beiderseits
März 17. 1883 Ptosis
Warren Tey, Ophth. Re- beiderseits
View 1895. 395 Ptosis
Romak, cit. b<u Dufour | ?
observ. 100 i
I
de Schweinitz, Annal. | leichte Ptosis
Ophth. and Otol. 1. p. 155. i
1892 I
Ophthalmoplegia exterior
B. Beet, intern, tup. n. infer.
L. alle geradenAugenmnskeln
R. vollstftnd. Ophthalmopleg.
exter.
L. analoges Veiiialten, nur
noch eine leichte Beweg-
lichkeit im M. rectos exter-
nus erhalten
beiderseits totale Ophthalmo-
ple^^iii psterior; erhalten
uar nur i>ine sehr geringe
Üewciriii'bktit in horizon-
taler Richtung
beiderseits Lähmung der Ab-
ducentes
L. Parese des internus
beiderseits Lähmung desOcu-
lomotorius und Abducens
Parese beider Abducentes
normalea Ver-
halten
normales Ver-
halten
geUhnt
Dorail
gelito
gelähmt g^
und AiigenmiiskelläbmaDgen nach Diphtheritis.
241
agenmuskellähmimgen nach Diphtheritis.
ispiegelbefund
bvermögen
normal
Aetiologie und sonstige Symptome
Ausgang und Sektionsbefund
Velumlähmung. Schwäche aller Ex-
tremitäten, rechter Facialis pare-
tiach. Parese der Nackenmusku-
latur. . Ataxie. Grobe Kraft an
den Beinen erhalten. Sensibilität
intakt. Sehnenreflexe fehlen. Ei-
weiss im Urin
Velumlähmung. Schwäche der Unter-
extremitäten. Fehlen der Patellar-
reflexe. Besonders Schwäche im
Extensoren- und Peroneusgebiet.
Sensibilität und Sphineteren intakt
Lähmung des Gaumensegels
Auf Serienschnitten von den vorderen
Vierhügeln bis zu den Pyramiden zeigte
sich eine hochgradige Anfüllung der
kleinen Arterien und Kapillaren. Bei
einer Reihe kleiner Arterien waren in
den adventitiellen Bäumen weisse und
rothe Blutkörperchen angehäuft, öftem
konnte man auch weisse Blutkörperchen
in grösserer Zahl neben den Gefässer
liegend finden. Keine Verstopfung dee
Gefässe. In grösserer Zahl kapillär-
Blutungen, z. B. im intrapontinen Ver-
lauf des Nerv, abducens. Die Gefänr
wände normal. Die Ganglienzellen de-
Nervenkeme normal. Im Oculomotoriuss
kern erschienen die Zellen im Vergleich
mit denen von normalen Präparaten auf-
fallend gross, wie geschwellt. Ver-
änderungen in den Kervenstämmen,
zumal im Oculomotorius.
Vollständige Heilung.
Vollständige Heilung.
I
Lähmung des weichen Gaumens.
Abnahme des Gehörs. Schwäche
in den Unterextremitäten
Allgemeine Schwäche
Erscheinungen
Parese beider Beine
und
atakt. Starke Hyperaemie in den Kernen , die
Wurzeln des IH., VI., X., XII. Paares
zeigten Erscheinungen von Neuritis.
Völlige Heilung.
Wilbrand-Saenger, Neurologie des Auges.
16
242
Tabelle XII. Ueber die Fftlle von Ptosis
Autor und Litteratur
Ptosis
Kraus, Neurol. Centralbl.
VII. 490
Standford Morton, Brit.
med. Joum. 1890. 1476
(4 Fälle)
Heintz, Centralbl. f. prakt.
Augenheilk. 1895. 33
Henoch, Deutsche med.
Wocb. 1889. Nr. 44
D e n i g , Müncb. med. Woc^h.
1895. 820
Füttercr, ref. Centralbl. 1
f. Augenheilk. 1896. 579
Hochhaus, Virch. Archiv. I
CXXIV. Heft 2. FaU I 1
FaU II
(klinisch un-
genau beobach-
tet)
Acoom
bei 4 Fällen Abduoenslähm-
ung; es gesellte sich in einem
Falle Lähmung des Bectus
infer. und Eectus sup. dazu
keine Ptosis beiderseits Abducensparese
beiderseits die Abduoentes
gelähmt
keine Ptosis - l^eiderseits die Abdueentes
gelähmt
R. Ptosis völlige Paralyse des rechten
Oculomotorius
Parese des linken Abducens
normal
normal
?
normal
R. gelähmt
Paralyse beider rccti oxtemi
Ruhe mann, Berl. klin.
Woch. 1887. N. 49
bei :s F
eelibt
R. •»]
geläi
geli
und AugenmuBkelläkmungen nach Diphtheritis.
243
Dspiegelbefund
slLvermGgeD
Aetiologie und sonstig«» Symptome
Gnumensegellälnnung
Ausgang and Sektionsbefund
Die Ganglienzellen der Kerne normal.
Anders verhielt es sich mit emem Theile
der Nervenfasern. Die stärkste Ver-
änderung in dieser Hinsicht zeigte der
peripherische , intracerebrale Oculomo-
torius. Ein Theil der Ajcencylinder war
untergegangen, während andere ihre
scharfen Contouren verloren hatten. Die
Markscheiden hatten zum Theil ihr
normales chemisches Verhalten eingebüsst
und den Farbstoff aufgenommen. Theil-
weise zeigten sie sich geschwollen (Ab-
bildung daselbst). Die Blutgefässe stark
gefüllt, längs ihrer Wandungen und auch
im nervösen Gewebe befanden sich zahl-
reiche rothe Blutkörperchen. Hier und
dn waren kleinere und grössere Blutungen
vorhanden.
normal
nts Neuritis optica •
D(fr Patcllarreflex fehlte und kehrte
frühestens nach 3 Monaten zurück.
Unsicherer Gang, allgemeine Kör-
perschwäche
Gaumensegellähmung
■ Gauuiensegellühmung
Gaumensegel- . unvollständige Ex- Heilung,
tremitätenlähmung
Heilung.
Lähmung des Gaumens, RachenS|Starke Entzündung der gelähmten Muskeln,
und Kehlkopfes. Herzschwäche. | Schwäche der paretischen ; in den ent-
Pareae der Extremitäten | sprechenden Nerven nur geringe, inter-
stitielle Kemvermehmng, Centralorgane
frei.
Gaumen- und Schlundlähmung. Myositis der gelähmten Muskeln
Herzsehwüche. Kehlkopflähmung
Ataxie, rechtss. Facialisparese
Ner>'en
und Centralorgane frei. Auch in den
beiden anderen Fällen ohne Augen-
muskelstörungen zeigten sich die nervösen
Centralorgane stets frei, die peripheren
Nerven leicht interstitiell entzündet, wo
sie in den gelähmten resp. paretischen
Muskeln lagen , welche eine ausge«
sprocheue Entzündung aufwiesen.
16*
244
Tabelle XII. üeber die FAlle von Ptosis
Autor und Litteratur
Augenmnskelii
Moll (150 Fälle postdiphth.
Lähmung). Centralbl. für
prakt. Aug«nheilk. 1896.
p. 2
Rosenmeyer, Wiener med.
Woch. 1886. Nr. 13 u. 14.
(10 Fälle postdiphth. Au-
genmuskellähmungen)
Call an, ref. Jahresb. f.
Ophth. 1875. p. 485
Rumpf, ref. Jahresb. f.
Ophth. 1875. 381
H e n o c h , Deutsche med.
Woch. 1889. Nr. 44
R e m a k , Centralbl. f. Augen-
heilk. 1886. 161 (100 Fälle
postdiphth. Augenmuskel-
lähmungen)
Bernhardt, Virch. Arch.
Bd. 99. 393
Paul Meyer, Virch. Arch.
Bd. 85. p. 181
Friedenwald, Med. News
LXIII. 1 7. p. 461.0kt. 1893
Marina, Über multiple
Augenmuskellühmungen.
p. 110. Fall I
dito Fall II
in einem Falle
Ptosis
in 16 Fällen Parese beider
cxtemi, in 3 Fällen ein-
seitige Abducensläbmung
in 2 Fällen Parese der extern!
4 Fälle ge-
lähmt. Elinmal
reflekt. Starre,
wahrscheinlich
auf einen ande-
renKrankheits-
zustand zu be
ziehen
normal
uuTollständige
Ptosis
150 n
lihi
in 10 :
gdilL
nicht yorhan-
den
Lähmung beider intemi
beiderseits Abducenslähmnng
10 mal Abducensläbmung, ein-
seitig und doppelseitig
1 mal doppelseitige Oculo-
motoriuslähmung nebenAb-
ducenslähmung
keine Diplopie, kein Strabis-
mus, kein Nystagmus (IIL
u. VI. Paar bei der Sektion
afficirt gefunden)
normal
Parese beider Abducentes
Parese des rechten Abducens
beide Abducentes gelähmt.
Femer totale Lähmung des
Rectus super, sinist. Parese
beider intemi und des
Rectus super, und Obliq.
sup.
gleich weit,
träge Reaktion
lelihj
gdlhi
beiden
100 Fi
nie eio«
normal
normal
normal
beidei
gelä
L. Ao
dati
■cfa«
und Angenmaskellähmtingen nach Diphtheritis.
245
Segelbefand,
erxnögen
Aeiiologie und sonstige Symptome
Ausgang und Sektionsbefund
>nnal
>rmal
>rmal
•rmal
In der überwi^enden Mehnahl der
Fälle Lähmung des weichen Osn-
mens und der Schlundmuskulatur,
gelegentlich mit leichten atakti-
schen Symptomen und Fehlen der
Kniereflexe.
In 6 Fällen Störungen in anderen
Mnskelgebieten.
linksseitige Hemiplegie.
28 mal Lähmung des weichen Gau-
mens. In 3 Fällen Ataxie und
Fehlen des Patellarreflexes.
fand unter 21 Fällen von Diphtheri-
tis den Patellarreflex 13 mal
fehlend, 1 mal einseitig erhalten
Schwäche und Lähmung der Ex-
tremitäten. Lähmung des Gaumen-
segels
Verbreitete Degeneration in den peripheren
Nerven. Die Oculomotorii stark afficirt
und zwar ziemlich gleichmässig in allen
Aesten, geradeso degenerirt waren die
Abducentes. Die Anwesenheit von Kfim-
chenzellen lässt sich hier bis in die
kleinsten Zweige verfolgen. Die Kerne
der Medulla oblongata und Brücke hatten
nur wenig gelitten. Die Muskeln Hessen
nirgends bedeutende Degeneration er-
kennen.
Heilung.
{papilläres Oe-
1 geschwollene
angelte Venen,
r rechts
Fehlen der Patellarreflexe.
Gaumensegellähmung, Lähmung der
Nackenmuskulatur. Parese der
unteren Facialiszweige. Schlaffe
Lähmung der unteren Extremi-
täten bei erhaltener Sensibilität.
Fehlen der Patellarreflexe.
246
Tabelle XII. Ueber die F&lle von Rosis
Autor und Litteratpr
Ptosis
Augenmuskeln
Pnpüle
Adqob
düic
Duboys, ref. Dufour 1. c.
Obs. 158
einseitig Kectus exteraus ge-
lähmt
?
beiden
gellh
V. Ziemssen 1888, Über
diphth. Lähmongeo. Klin.
Vorrrage Nr. 6
(hat mehreremale Abducens-
lähmung bei Diphtherie
beobachtet neben Aoom-
niodationsschwäche)
C an t , ref. Dufour 1. c.obs. 204
beiderseits Alnlucenslähmung
Morton, Ophth. Review,
p. 30. 1891
sah in 4 Fällen nach Hals-
diphtherie Lähmung der
extemi. Einmal war auch
der Kectus super, und infer.
betheiligt
?
4 FiQ
lih]
Kraus, Centralbl. f. Augen-
heilk. 1894. p. 43
keine
R. Lähmung des Obliq. sup.
nonnal
nora
Goodall, Brain 18. p. 282.
1896 fand unter 107lFällen
nach Diphtheritis
in einem Falle
Ptosis
26 mal Lähmung äusserer
Muskeln, 7 mal des Rectus
externus, 3 mal beide
externi gelähmt
2 mal waren die meisten
Augenmuskeln gelähmt
'56 mal
an
Scheby-Buch, Arch. f.
Ophtb. XVII 1. 265 fand
unter 24 Fällen von Accom-
modationslähmung nach
B Diphtherie
2 mal Insufficicnzen der Mm.
recti intenü
1 mal erweitert
mit träger Re-
aktion
Bö rge r, Deutsch. med.Woch.
1895. Nr. 52 fand unter
100 Fällen von echter
Diphtheritis
3 Augenmuskellähmungen
Schmidt-Rimpler, Die
Erkrank.d.Auges. Spezielle
Path. und Therap. von
Nothnagel XXI. p. 454
beiden
Aeoomi
tion ge
Hasche, Münch. med. Woch.
1895. Nr. 11
Lähmung der äusseren Augen-
muskeln
gdil
and Aagemnaskellfthmnngen nach Diphtheritis.
347
K«n8piegelbefund,
SehTermGgen
ite NeuritiH optica
Aetiologie und sonstige Symptome
Aufgang and Sektionsbefund
Fehlen der Patellarreflexe .Heilung.
Gaumensegel gelähmt
10 mal Lähmungen des Gaumens
B Gaumensegellähmungen, 2 Pa-
resen der unteren Extremitäten I
linksseitige Facialislühmung
i I
I I
I Ataxie in den unteren Extremitäten Rückenmark, Medulla, Nerv, oculomotorius
I und trochlearis sowie die dazu gehörigen
i . Muskeln Hessen bei der mikroskopischen
! ' Untersuchung nichts Anormales erkennen.
248 Die Ptosis nach Influenza.
ß) Die Ptosis bei Influenza.
§ 96. Von allen Infektionskrankheiten nimmt in Beziehung auf das Vor-
kommen von cerebralen, speciell encephalitischen Prozessen, die Influenza die
erste Stelle ein. Ist doch auch gerade die Encephalitisfrage durch deren Bezidh
ungen zur Influenza sehr gefördert worden, wobei in der Erforschung des
kausalen Zusammenhanges vor allem Leichtenstern, Fürbringe r, Schmidt.
Bück 1er u. A. sich grosse Verdienste erworben haben. Nach Entdeckui^
d es Influenzabacillus war eben das Mittel an die Hand gegeben, diesen uiwih
Uchen Zusammenhang auch objektiv nachweisen zu können. Positive Befände
im Centralnervensystem an Influenzaleichen sind dann von Pfuhl, Nauwerk
und Eugen Fraenkel gefunden worden. Wenn nun aber Oppenheim
hervorhebt, dass mit der Ermittelung dieser Thatsachen noch nicht die Be
rechtigung gegeben sei, „alle Fälle von scheinbar hämorrhagischer Encephalitis
auf eine Jnfluenzainfektion zurückzuführen und eine primäre Lokalisation des
Mikroorganismus im Gehirn zu postuliren", indem er auf die gleichzeitige
Chlorose mit Sinusthrombose und Encephalitis hinweist, so sind diejenigen
Fälle noch viel zweifelhafter, in welchen die Diagnose der Influenza nur anf
klinische Erscheinungen hin gestellt, und die komplizirende Himaffektion
nicht durch die Sektion nachgewiesen und näher erforscht worden war.
Ebenso wie bei der Diphtheritis treten die Augenmuskellähmungen meist
nach Ablauf der eigentlichen Erkrankung auf. Gegenüber der grossen Zahl
von Erkrankungen an Influenza ist die Anzahl der in der Litteratnr be-
schriebenen Fälle mit Augenmuskelstörungen eine recht geringe. Ptosis
wurde dabei 8 mal beobachtet und zwar 3 mal einseitig und 5 mal doppel-
seitig. In 7 Fällen war die Ptosis Theilerscheinung einer Ophthalmopl^e.
Einmal trat sie zugleich neben Lähmung einzelner Aeste des Oculo-
motorius derselben Seite auf.
In einem Falle war die Iris und Accommodation mitgelähmt; in drei
anderen Fällen war die Accommodation allein betroffen.
In einem Falle war die Iris allein gelähmt. Bei 12 Fällen bestand eme
Accommodationslähmung.
Während in 13 Fällen der Oculomotorius befallen war, fand sich in 14
Abducens-, in 9 Fällen Trochlearislähmung.
In Bezug auf den klinischen Verlauf zeichnen sich die Ophthalmoplegien
bei Influenza durch grössere Intensität und längere Dauer gegenüber solchen
aus, welche im postdiphtherischen Stadium aufgetreten sind.
Da bezüglich dieser Augenmuskellähmungen bei Influenza keine Ob-
duktionsbefunde vorliegen, sind wir noch im Dunkeln betreffs der eigentlichen
Natur des pathologisch-anatomischen Prozesses, wenn auch die hohe Wahr-
scheinlichkeit besteht, dass es sich um eine Poliencephalitis haemorrhagica
handelt, wie sie zuerst von Leichtenstern für die Influenzaencephalitis
beschrieben worden ist.
Tabelle XIII.
50
Tabelle XIII. Ueber die Fftlle von n
Tabelle XIII. Ueber die Fälle von
Autor und Litteratur
Braunstein, ref. Jahresb.
f Ophth. 1890, 447.
Gutmann, Berl. klin. W.
Nr. 48
Ptosis
vandenBergh, ref. Jahres-
l>ericht f. Ophth. 1890. 446.
Fall I
Fall II
Fall III
Sattler, Prager med. Woch.
Nr. 13. 1890, hat bo-
obachtet
Fage, Arch. d'Ophth. X. ■
p. 136. 1890. ;
Schirraer, klin. Monatsbl. '
f. Augenh. 1890. 312
R. Ptosis
R. Ptosis
Augenmuskeln
Diplopie. Fibrilläre Zuck-
ungen der unteren Lider.
Anfangs rechter , später
anch linker Abduoens ge-
lähmt.
R. Das Auge stand unbe-
weglich in Abduktions-
Stellung, später stellte sich
die Funktion des Abdacens
u. Trochlearis Tollkommen,
des Rectus intern, and
inferior theilweise wieder
her. —
R. Lähmung des Rect. super.
L. Lähmung des Rect. extern.
L. Lähmung des Abduoens
zweimal Abducenslähmung
2 Fälle von Augenmuskel-
lähmungen (Rectus super,
und Al)ducens).
I R. totale Ophthalmoplegie.
Prominenz des Bulbus.
Pupille I
I
I
weit, TOD '
träger Reak-
tion
B. Mydriasis, i
reflekt starr j
auf Licht, f
später trat die,
Konvergenz- ,
reaktion ein,
während die '
Lichtstarre '
bUeb.
Aoooo
datiQ
' 2FiIkil
' iFifln
UooiIihMl
R. Mydriasis
absolut starr
B.geli}
Stöwer, kl. Monat:<bl. f. ^ L.Ptosis, i Prominenz des linken Bulbus. |
Augenh. 1890. 418. Fall II welche später I Doppelbilder beim Blick!
■ wieder zurück- ' nach oben ; gelähmt der j
ging. j obere Ast des linken Oculo- 1
motorius. I
Uhthoff, Deutsche med. i beiderseits
Wo<'h. 1890. Xr. 70 | massige Ptosis ,
I
normal
normal
und AugettmuskellähmuDgen nach Influenza.
251
enmuskellähmungen nach Influenza.
^^^V^ Sonstige Symptome und Aetiologie
Ausgang und Sektionsbefund
papiUe. Herab-
l der Sehschärfe.
normal
normal
Hautanfisthede der rechtenTemporal-
gegend. Schwächung der Sehnen-
reflexe an den Unterextremitäten.
Fehlen der Patellarreflexe.
Aorteninsufficienz.
Heilung.
Heilung.
Heilung.
Erbrechen, Kopfschmerzen. Herab-
setzung der Sensibilität auf der '
rechten Stimhälfte, der Nase und |
dem Auge. Die Zunge weicht
beim Herausstrecken nach rechts '
ab. Die Kaumuskeln funktioniren i
schwach. Unvollständige Lähmung
des Trigeminus und wahrsehein- j
lieh des Facialis.
1
Schluckbeschwerden , Parese des i
weichen Gaumens , linksseitige
Pleuritis.
^2
Tabelle XIII. Ueber die FAlle von Ptous
Autor und Litteratur
Pflüger, Areh. f. Ophth.
XXXVII. 4. 71
Pflüger, Berl. klin. Woch.
1890. Nr. 28
Goldflam, Neur. Centralbl.
X. 162
beiderseits
Ptosis com-
pleta
Fukala, Ncurol. Centralbl.
X. 532
Gillet de Grandmont,
Progr. med. 1890. Nr. 29
G ay e t , Recueil d*Opbthalm.
m. p. 172. 1876
Oppenheim, die Encepha-
litis S. 45. Wien 1897.
Eigene Beobachtung 7. April
1896
Augenmuskeln
beiderseits Trochlearis und
Obliqnus inferior gelähmt
L. Oculomotorins und Ab-
duoens gelähmt. Parese
das Trochlearis. 2 Monate
später war nur noch Bectus
super, u. infer. schwach.
Vollständige ünbeweglich-
keit beider Bulbi.
2 Fälle von Oculomotorius-
parese nach Influenza.
träge liohi-
reaktion
L. Parese der
Pupillen-
bew^lQDg
normal
beiderseits | beiderseits komplete Oph- 'leichte Mydri-
Ptosis I thalmoplegie
beiderseits
inkomplete
Ptosis
beiderseits
Ptosis
Vollständige Unbeweglich-
keit beider Bulbi.
Doppelseitige Ophthalmo-
plegie.
Linkss. Abducenslähmung
asia, schwer
bew^lich
beide weit,
etwas träge
Reaktion
Links Parese 1
der Pupillen- 1
bewegung >
Aoc
dl
P«
V^
gelih
ptrrt»
und AngenmiiskelliÜimuDgen nach Influenza.
253
piegelbefiuid
Auägacig und SektionAbefnnd
besonderes
affc&viiteniag
dlqgeliiiig der
onuil
pifoal.
Vor 14 Ttgen InfiueniEa. Im Aller
v<»Q 20 Jahren Uk^us molle,
Epilepsie in den Jugendjahrcii.
Leidet an Binse» katarrh.
L. Taabheit^g^frihl der Finger*
Vorübergehende Lähmung der
Stn^ker liakB, dvr Beuger recht*
und d^ Unken Facialis, PateUar^
reflexe rorhandi^ti. Bpraobbe-
Bcb werden. Pan^j^e des Gau inen-
segels. ScWuf-'k - Beachwefd^n^
Pneumonie.
^mndt^tix. S<?li wache der Ex-
tremitäten. AuKwtgefnbl.
Beoemng.
Befliemng.
Tod,
Leiobte« Ameisen) auf oti in
FingerspitKeu dfr Hände.
den
GaumeuiegelpArfsCf DysAfthrie^Dys*
phagie; iHchte« Fiel>^r, niiwjge
TocUjoardie; auch in den Ex*
tremitÄten geringe Pareae.
Yor 3 Wochen Inäuensa.
Besserung.
Besa«rung,
In 5 Woehi'U Heilang,
254 Die Ptosis nach Masern.
/) Die Ptosis nach Masern.
§ 97. Nach R i 1 1 i e t und B a r t li e s kommen ernstere nervöse Erscheinungen
bei Masern nur selten vor. Jedoch sind schon hie und da, so von Henoch,
Für bring er u. a., meningi tische Prozesse im Anschluss an Masern beob-
achtet worden ; speciell ist die Meningealtuberculose eine unzweifelhafte Kom-
plikation der Morbilli. Von Thomas und Barlow sind Erkranknngen des
Centralnervensystems bei Masern mitgetheilt worden; ebenso von He noch in
seinen klassischen Vorlesungen über Kinderkrankheiten, wobei derselbe jedoch
speciell hervorhebt, man solle nicht vergessen, dass auch ein zufälliges Za-
sammentreÖen stattfinden könne, woran die Masern selbst nicht schuld seien
In der uns zugänglichen Literatur fanden wir, wie zu erwarten stand,
nur wenig Fälle von nervösen Störungen bei Masern, in denen eine Ptosis
beobachtet worden ist.
Raymond (514) berichtet von einem Falle von rechtsseitiger Hemi-
plegie und doppelseitiger Ophthalmoplegia interior, die 14 Tage nach Aus-
bruch der Masern aufgetreten war.
Mori (515) theilt folgende höchst interessante Krankengeschichte eines
18jährigen Mannes mit, der plötzlich von Schwindel, Uebelheit und Diplopie
befallen wurde. Nach 13 Tagen fand sich eine fast komplete beiderseitige
Ophthalmoplegia ext. mit Ptosis. Nur die Rinnenmuskeln und der rechte
rect. suj). waren frei geblieben. 3 Tage, nachdem die Lähmungen entstanden
waren, traten Masern auf, während deren Verlauf die Ophthalmoplegie in
Heilung überging.
Dr. Dreisch (516) beschreibt 3 Fälle von Oculomotoriuslähmungen, die
im Gefolge der Masern aufgetreten waren. In einem Falle bestand Ptosis
und Parese des Rect. intern., sup. und inferior. In den beiden anden*n
Fällen handelte es sich um Accommodationslähmungen.
Nacli unserer Ansicht dürfte es sich in diesen Fällen wohl um cirkum-
skrii)te encei)lialitische Prozesse handeln, die ähnlich wie bei der Influenz;!
meist sehr günstig verlaufen. Wir hätten uns nach der Analogie der Loka-
lisation der Influenzastäbchen im Centralnervensystem vorzustellen, dass der
Masernmikroorganismus vereinzelt in der Neuroglia, in Häufchen, in Lympli-
spalten, im Zwischengewebe, in perivasculären Lymphräumen sich fände oder
zu embolischen Verstopfungen von Lymphkapillaren oder Häufchen in Blut-
kapillaren und kleineren Arterien geführt haben möchte (Pfuhl).
Andererseits ist es namentlich bei den mit Fieber einhergehenden Pnn
zessen sehr möglich, dass es zu wirklich entzündlichen encephalitischen Pro-
zessen kommt.
Im Folgenden möcliten wir noch einen hierlier gehörigen Fall mittheilen.
den wir der Güte des Herrn Direktor Prof. Lenhartz verdanken:
Am 1. Dezember 1895 wurde der 9^2 jährige Knabe 0. Abends un-
besinnlich und verlor die Sprache. Einige Wochen vorher hatte er eine In-
fektionskrankheit durchgemacht, von der es zweifelhaft blieb, ob sie als
Die Ptosis nach Masern. 255
Masern oder Scharlach anzusehen gewesen war. Bei seiner Aufnahme ins
Krankenhaus am 5. Dezember lag Pat. absolut reaktionslos da, den Kopf
nach der linken Seite gewendet. Es bestand eine vollständige Parese des
rechten Arms und Beins. Die Muskulatur war schlaflf. Der rechte Facialis
erwies sich in allen seinen Aesten als gelähmt. Während die rechte Pupille
mittelweit und beweglich war, bestand links Mydriasis und absolute Starre;
femer war links eine Ptosis und eine fast völlige Aufhebung aller Bulbus-
bewegungen zu konstatiren; rechterseits war der Abducens gelähmt. Der
Augenhintergrund zeigte sich normal. Die Patellar- und Plantarreflexe waren
rechts aufgehoben, links schwach. Ausser einem Herpes labialis et nasalis,
massigem Ascites, V«®/o Albumon, ist nur noch zu bemerken, dass sich im
Urin massenhaft hyaline Cylinder vorfanden, welche theils mit Epithelien,
theils mit rothen Blutkörperchen besetzt waren.
Die Lumbalpunktion ergab einen Druck von 105 mm. Die Flüssigkeit
war wasserhell.
Am 7./12. reagirte Patient auf Anrufen.
Am 8./ 12. schlägt Patient bei Betreten des Zimmers das rechte Auge
auf. Links ist die Ptosis etwas geringer. Die linke Pupille ist noch immer
weiter als die rechte; reagirt jedoch, wenn auch träge. Linker Bulbus un-
beweglich; rechts nur Abducenslähmung. Am 9./12. rechter Bulbus frei.
Links fehlen die Bewegungen des Rect. int. Am 23./12. kann sich Patient
allein aufrichten. Die Bewegungsfähigkeit des rechten Beins hat sich gebessert.
Die Aphasie und Ptosis nebst linksseitiger Oculomotoriuslähmung ist unver-
ändert. Am 4. Januar fängt Patient an zu sprechen. Anfangs Februar sind
sämmtliche Augenbewegungen frei. Ptosis nicht mehr vorhanden. Bei der
Entlassung am 15. Mär/ besteht noch eine völlige Lähmung des rechten
Beins. In der rechten oberen Extremität ist Parese vorhanden; die Finger
sind ganz imbeweglich. Hier und da .vorübergehend linksseitige Ptosis und
Facialisschwäche. Patient versteht alles, was man zu ihm sagt. Er kann
sich auch verständlich machen; jedoch besteht noch dysarthrische Sprach-
störung.
Es ist natürlich nicht mit Sicherheit zu entscheiden, welcher Prozess
hier vorgelegen haben mochte, zumal auch das klinische Bild einige schwer
zu deutende Symptome enthält. Im Grossen und Ganzen entspricht es einer
PedunculusaflFektion, denn es handelt sich um eine komplete Hemiplegie mit
Facialis- und Hypoglossuslähmung auf der rechten und partieller Oculomo-
toriuslähmung auf der linken Seite , also um eine Hemiplegia altemans
superior. Die Aphasie dürfte wohl auf die Benommenheit und die hoch-
gradige Dysarthrie zurückgeführt werden. AuÖallend war das komplete Be-
fallensein des rechten Facialis und vor allen Dingen die rechtsseitige Abducens-
lähmung. Nicht minder schwierig in der Deutung erscheint das vollständige
Fehlen des rechten Patellar- und Plantarreflexes.
Es ist daher nicht unmöglich, dass es sich hier um 2 Herde gehandelt
haben mochte, von welchen der eine seinen Sitz im Himschenkel hatte, wo-
256 Die Ptosis bei dem Erysipel.
durch die rechtsseitige Hemiplegie und gekreuzte Oculomotoriuslähnmiig be-
dingt worden sei. Der andere mochte dann umschrieben im Pens an jener
Stelle lokalisirt gewesen sein, wo der Facialis um den Abdncenskem herum-
geht. Hieraus dürfte sich dann die komplete Facialislähmung und zwar viel-
leicht als eine fasciculäre schon erklären.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass die vorhandene Nephritis in dem
absichtlich so ausführlich mitgetheilten Falle sehr zu Gunsten eines früher
vorhandenen Scharlachs sprechen dürfte. Letztere Erkrankung verhält sich in
Beziehung auf das Nervensystem ganz ähnlich wie die Masern, indem dahin
zielende Komplikationen sehr selten aufzutreten pflegen.
d) Die Ptosis bei dem Erysipel.
J^ 98. Ein Herabhängen der Oberlider kommt bei dem Erysipel häufig vor,
da die Kopfrose meistens über die Lider eines oder beider Augen hinwegzieht.
Diese Ptosis ist jedoch die Folge der Schwere und Volumzunahme des
meist sehr ödematösen oberen Lides, das auch häufig mit Blasen be-
deckt ist. Daneben kommt aber auch eine wahre Ptosis, beruhend auf
einer Lähmung des Levator palp. sup., während und nach dieser Krankheit
zur Beobachtung. Dies betont speziell Knies (517), und auch Schmidt-
Rimpler macht darauf aufmerksam, dass nach Erysipel bisweilen Augen-
muskellähmungen zur Entwickelung kommen. So beobachtete letzterer bei
einem 18jährigen Mädchen, dem Sitze der Rose entsprechend, eine einseitige
Accommodationsparese.
Stöwer (519) sah bei einem 20jährigen Manne nach Gesichts-
erysipel eine Lähmung sämmtlicher Augennerven auf dem rechten Auge.
Auch der 1. Quintusast war afficirt. Ausserdem bestand leichter Exophthal-
mus. Heilung trat nach einer Inunktionskur ein. (Zeichen von Syphilis waren
nicht vorhanden.) Einige Wochen später trat vorübergehend eine linksseitige
komplete Oculomotoriuslähmung auf. Stöwer erklärt die Erscheinungen
durch die Annahme einer Orbitalphlegmone im Anschluss an das Erysipel
mit chronischer Meningitis und Blutungen in der Gegend der Fissura orbitalis
superior.
€} Die Ptosis bei der Meningitis cerebrospinalis epidemica.
§ 99. Der motorische Reizzustand, der die Nackenmuskulatur bei diesen In-
lektionskrankheiten vorwiegend befällt, zeigt sich auch an anderen Muskeln,
nur dass hier die tonische Starre öfter mit klonischen Zuckungen wechselt:
an den Augen äussert er sich meistens in Form eines spastischen Strabismus
convergens oder divergens; manchmal auch eines Nystagmus. Sehr viel seltener
sind Lähmungen im Gebiete des N. oculomotorius ; so fand Schirm er (524)
unter 27 Krankheitsfällen nur einmal eine Oculomotorius- und Abducens-
lähmung. Dieselbe war, wie die Sektion ergab, durch eine Fortpflanzung der
Entzündung auf die Stämme dieser beiden Nerven entstanden.
Ausser Strümpell (525), welcher auf das
''ationsstn Hingen der AufjenTiiiiskeln und von rnpillenverändprimgen hin-
reist und Jaffe (52t>), welcher bei mehreren derartigen Fällen Augen-
miskellähmnngen beobachten konnte, hat sich L e i ch t e n s t e rn (527)
sim eingehendsten mit dem vorliegenden Gegenstände beschäftigt. In den
29 Fällen seiner Beobachtung war unter allen Gel umnennen am häutigsten
der Abducens theils einseitig, theils doppelseitig afticirt. Aeusserst selten
konstatirte er Ersclieinungen von Seiten des Ocnlomotorins. Im Stadium
hydroeephalicum kam einmal Ptosis beider Lider, einmal Schwäche eines
Internus nnd einmal Ungleichheit der Pupillen vor. In einem Falle, der nach
mehrwöcbentlichem Stadium hydrocephalicum tödtlich endigte, fand sich zur
Zeit, wo das Sensorium noch erhalten war, eine Lähmung sämratlicher xVugen-
mnskeln nut Pt*jsis. Dif* Bulbi standen bewegungslos in der Primarstellüng,
Auch wurde Nystagmus im Stadium hydrocephalicum beobachtet. Das Ver-
halten der Pupillen war ein normales,
Bemerkenswerth ist ein anderer Fall, bei dem klinisch sich nur eine
doppeJseitige Abducensparese beraerklich machte, wiewohl sämmtliche Gehini-
nerven von einem eiterigen Exsudat umhüllt waren und speciell die Ocukv
motorii rosaroth erschienen.
Wir selbst beobachteten bei einer Frau mit Cerebrospinalmeningitis ber
doppelseitiger Taubheit, Blindheit und kombinirten Augenmuskeilähmungen
eine einseitige Ptosiji* Der Fall ging in Genesung über. Ferner sahen wir
einen anderen, gleichfalls geheilten Fall mit Ptosis, welchen wir in einem
späteren Kapitel mittbeilen werden.
^) Die Ptosis beim Typhus.
jä ItK), In seinem kbissischen Werke über Infektionskrankheiten erwähnt
Ciriesinger (528) speciell die Ptosis als eine zuweilen während des Darm-
typhus auftretende Paralyse, für welche die bald darauf gemachte Obduktion
keinen anatomischen Grund auffinden Hess. Während Ijähmungen der Extre-
mitäten im Verlaufe des Typhus oder nach demselhen in der Litteratur
häufiger beschrieben worden sind, fanden wir nur bei folgenden Autoren uns
interessirende Mittheilungen :
Bernhardt (529) berichtet von einer 33jährigen Frau, bei der sich
nach einem Typhus Doppeltsehen und rechtsseitige leichte Ptosis eingestellt
hatte. Bei der Untersuchung fand sich beiderseits komplete Unbeweglichkeit
der Bulbi; Mydriasis, gute Pupillenreaktion.
Ebstein (530) beobachtete bei einem 20jährigen Studenten am dritten
Tag eines Typhus eine linksseitige Ptosis, zu welcher wenige Tage später
eine Parese des gleichseitigen Rect. internus hinzutrat, W^ährend die Ptosis
schon am 15. Tag des mittelechweren Typhus wesentlicli geringer geworden
war, ging die Interrmsparese nur sehr langsam zurück. Ebstein fasst die
Lähmung als eine toxische Neuritis des Oculomotorius auf. Bemerkenswerth
Wilbrftad*S« enger. :Sfiirologie 4cn- Aages. 17
258 Die Ptosis bei der Pneumünie.
ist, dass Patient während der Rekonvalescenz einen schweren epileptischen
Anfall hatte. Es trat völlige Heilung ein.
Henoch (531) konstatirte hei einem elfjährigen Mädchen im Anfang
der dritten Woche heiderseitige Ptosis, Abducenslähmung und Sprachlosig-
keit. Die Lähmimgserscheinungen schwanden bei der Abheilung des Typhus.
Einen ganz ähnHchen Fall beobachtete Nothnagel (532) ebenfalls im
Anfang der dritten Woche.
Berger (533) sah zwei Tage vor dem Tode eines Typhuskranken eine
doppelseitige Ptosis.
1]) Die Ptosis bei der Pneumonie.
§ 101. Bekanntlich wird das Nervensystem durch die Pneumonie nicht selten
beeintlusst. Cerebrales Erbrechen und eklamptische Anfalle kommen bei
Kindern, Delirien bei Erwachsenen vor. Auch konnte man nach dem Ent-
fiebern sowohl das zeitweise Auftreten einer vorübergehenden psychichen Stör-
ung beobachten, als auch gar nicht selten Meningitis und Meningo-encepbalitis.
Speziell ist das Auftreten einer Meningitis cerebrospinalis zu gleicher Zeit
mit einer Pneumonie eine klinisch bekannte Thatsache.
Sehr viel seltener ist das Vorkommen von Augenmuskellähmungen bei
dieser so häufigen Krankheit. Ob dieselbe toxischen Ursprungs oder durch
eine komplizirende Meningitis oder Meningo-encephalitis bedingt wird, bleibt
bei dem Maiijrel an geeignetem Sektionsmaterial bis jetzt eine offene Frage.
Alt (520) theilt einen Fall von Lähmung des Levator palp. sup., des
Internus, des Ciliarmuskels und des Splüncter pupillae bei einer Pneumonie
mit und erwähnt gleichzeitig einen Knaben, der während einer Pneumonie an
Strabismus convergens litt. In beiden Fällen trat Heilung ein. G u b 1 e r
(521) beobachtete bei einem 52jährigen Pneumonie-Rekonvaleszenten eine
linksseitige Ptosis und Mydriasis bei erhaltener Pupillarreaktion. Nach
6 Wochen trat Heilung ein, während eine Lähmung der Zunge und des
Pharynx bestehen blieb.
Eine sehr interessante Krankengeschichte theilt M a u t h ne r (522)
mit: Ein 5jähriger Knabe bekam vor 3 Monaten während einer Pneumonie
Schielen. Bei der Untersuchung fand sich beiderseits eine hochgradige Ptosis.
Die faltenlosen (Jberlider wurden durch die Frontales etwas gehoben. Bei
Fixation der Augenbrauen vermochte der Knabe das rechte Auge gar nicht,
das linke nur wenig zu (offnen.
Es war eine totale Oculomotoriuslähmung vorhanden, während der
Sphincter pupillae und die Accommodation beiderseits freigeblieben waren.
Auf der linken Seite fand sich eine Facialisparese. Nach 2 Monaten trat
Heilung ein.
Bei dem Mangel an anatomischen Untersuchungen ist bezüglich des
den Lähmungen bei der Pneumonie zu Grunde liegenden Prozesses nicht fest-
zustellen, ob derselbe rein toxischen oder infektiösen Ursprungs und ev. ab-
I
Dm Pioaii bei dem Rbeumfitisinus aeiitiis. 259
bängig vuii encephalitisclieii oder iiit^iiingi tischen Afl'ektionen sei. Hierbei
darf erwähnt werden, dass N a u w e r k (523) bei der eitrigen Meningitis der
krou|xiseii l'neiiinonie folgende Augonsjmptüniekonstatiren konnte : In einem Falle
eine nnzwei feihatte i^tusis; in Va der Fälle Strabismus, nicht selten eine
Zwangstellung der Bulbi, dagegen selten Nystagmus. Oiththiduioskopiscli kam
Stauung in der Retina vor. Ziemlich häutig fand sich eine gleich massige
Pu[»illenverengenmg mit gestörter Reaktion, selten eine terminale Pupillen-
enaeiternng, dagegen nahezu in der Hälfte der Fälle eine einseitige Pupiüen-
Teren^ening.
^) Die Ptosis bei dem Rheuintitlsmiis Aeiifus.
S 102. Bei demtieherhaften (Gelenkrheumatismus spielen die Knmplikatimien
von Seiten des Nervensystems eine grosse Holle. So ist die Chorea, besonders
im Kindesalter, eine sehr häutige Nachkrankheit, welche meist nach dem Ver-
schwinden der (ielenkatiektionen aiif/aitreten pttegt. L'eber das Wesen der-
selljen sind die verschiedensten Theorien aufgestellt worden. Speziell von
französischen Autoren [Mora (ö34)J wurde auf die Betheiligung des Rücken-
marks und seiner Hüllen in Form von leichten Mjelitiden und Meningitiden
beim Rheumatismus aufmerksaiu gemacht. Am schwersten afficirt ist nicht
seilen das (irosshiru liei dieser Kraiiklieit. Abgesehen von wirklichen
Psycliosen wie Manie und Melancholie, treten Delirien, Coma und Krämpfe,
namentlich bei hohen Temperaturgraden auf, Symijtiune, die von manchem
, al& Cerebralrheumatismus bezeichnet worden sind.
Endlich tinden sich in seltenen Fällen Meningitis purulenta, sowie Lähm*
iingen, die theils euibidisclien, tbeilsencephaiitischen Urst>rungs sind. Bei folgen-
I den Beobachtungen wurde* die Augenmuskulatur befallen: so sah Beevor
I (535) nach eitiem rheumatis<;hen Fieber auf beiden Augen eine Bew^egungs-
storung, wobei die Bewegung nach oben und unten beschränkt und die seit-
liebe fast ganz aufgehoben war. Ausserdem konnte ein beträchtlicher (irad
von P t o s i s konstaiirt werden. Pupilleureaktion und Accommodation waren
normak Die Konvergenz erschien unmöglich. Es trat Heilung ein.
Michel (536) t heilte folgende aus den Kriegsjabren 1870:71 stammende
Beobachtung mit: Am 30, Dezember 1870 kam ein 23 jähriger Soldat, der
seit Äwei Tagen über Eingenommenheit, Schwere des Kopfes und stechende
I Schmerzen in lieiden Schlafen zu klagen hatte, ins Lazareth. Hier trat noch
starkes Schwindelgefiihl und Ohrensausen liinzu. Die Percussion des Schädels
war besondei^ in der Scbläfengegend emptindlich. Temperatur 39,5 im
After, des Nachts traten leichte Delirien ein. Tagsüber bestand Somnoleuz
und Scbmerzliaftigkeit im Nacken (keine Nackenstarrel Am Morgen des vierten
Beohachtnngstages war eine komplete rechtsseitige Oculoraotoriuslahmimg mit
Ptosis zu konstatiren; ferner ein rechtsseitiger Exophthalmus und eine
kapilläre Hyperamie des N. opticus dext. Die Sehschärfe war beiderseits = 1.
Die Temperatur fiel am folgenden Tag bis 38. Am 7. Tage des Lazareth-
17»
2G0 Die Ptosis bei dem Rheumatismiis acatus.
aufenthaltes klagte Patient über Stechen im linken Kniegelenk; zugleich stieg
die Temperatur wieder an. Nach 24 Stunden war ein Erguss im Kniegelenk
zu konstatiren, die Oculomotoriuslähmung aber im Rückgang, indem der
M. rect. int. vollkommen wieder beweglich wurde. 3 Tage später bestand
nur noch eine leichte rechtsseitige Ptosis und Hyperämie der Papille. Während
die Oculomotoriuslähmung in 11 Tagen geheilt war, dauerte der allerdings
milde Gelenkrheumatismus 5 Wochen.
Nach der Annahme MicheTs handelt es sich in diesem Falle um eine
an der Himbasis lokalisirte, mit seröser Exsudation einhergehende Hyperimie
der Meningen, die sich analog einem Gelenkergusse rasch resorbirt hätte.
Im Verlauf einer subakuten Polyarthritis beobachtete Bunzel (o37i
bei einem 21jährigen Mädchen eine Lähmung, die sich als Divergenz
beim Blick nach oben, als Paralyse des rechten, Parese des linken Rectns
intern, und Konvergenzliihmung manifestirte. Nach 17 Tagen waren die Er-
scheinungen zur Norm zurückgekehrt. Bunzel glaubt als Ursache eine
Exsudation in die Meningen an der Basis, oder einen neuritischen Prozess,
oder einen embolischen Vorgang in der Kemregion annehmen zu müssen.
Wir können dieses Kapitel nicht beschliessen, ohne noch der früher so
häufig angenommenen Erkältung als Ursache einer Augemnuskellähmung zu
gedenken. So sagt Eulenburg (538) in seinem Lehrbuche: „Rheumatische
Schädlichkeiten führen nicht selten zu Lähmungen im Gebiete des X. ocolo-
motorius, wobei die veranlassende Ursache öfters in einzelnen Zweigen z. B.
dem Lcvator-Äst lokalisirt zu sein scheint; in anderen Fällen scheint der
Stamm des Oculomotorius innerhalb der Schädelhöhle durch einen akut ent-
standenen rheumatischen Prozess (cirkumskripte basilare Periostitis)" afficin
worden zu sein.
A. von (jraefe (541) bezog in den fünf folgenden Fällen die Augen-
muskellähmungen auf eine vorausgegangene Erkältung.
Fall 1. Ein ISjähriges Mädchen erkältete sich heftig. Am folgenden
Tag bekam sie eine beiderseitige, inkomplete Ophthalmoplegie unter Kopf-
schmerz und Somnolenz. In 6 Wochen war bis auf eine leichte Lähmung
des Rectus superior völlige Heilung eingetreten.
Fall 2. Bei einem 20jährigen Soldaten stellte sich einen Tag nach einer
starken Erkältung eine doppelseitige Ptosis ein, die sich beiderseits mit einer
inkompletenOphtliahnoplegie komplizirte. Innerhalb einer Woche trat Besserung
ein, die nach fünf Wochen in völlige Heilung überging.
Im 3., 4. und 5. Fall traten doppelseitige komplete Ophthalmoplegien
nach Erkältung auf. In sämmtlichen Fällen erfolgte vollständige Heilung.
Lands herg (542) beobachtete bei einem jungen Menschen nach einer
starken Erkältung eine doppelseitige komplete Ophthalmoplegia exterior ohne
sonstige Gehirnerscheinungen und ohne Sehstörung. Nach drei Monaten voll-
kommene Wiederherstellung.
SchTiler (543) berichtete von einer 40jährigen Frau, dass dieselbe nach
einer starken Erkältung Schwindel und Kopfschmerzen bekam. Während der
Die Ptosis bei der Gerlier'schen Krankheit. 261
nächsten fünf Tage entwickelte sich eine doppelseitige Lähmung sämmtlicher
Augenmuskeln mit doppelseitiger Ptosis, Chemosis und Exophthalmus. Nach
einer Inunktionskur trat völlige Heilung ein..
Raymond (544) theilte folgenden höchst bemerkenswerthen Fall mit:
Bei einer 25jährigen Frau (ohne Lues, Alkoholismus und Hysterie) trat nach
einer Erkältung zur Zeit ihrer Menstruation plötzlich eine Lähmung des linken
unteren Facialis ein. Dazu gesellte sich nach 14 Tagen allmählich eine
Lähmung des Hypoglossus, des motorischen Quintusastes, des Abducens und
des Oculomotorius in zwei Aesten (Levator palp. sup. und Rect. sup.) Die
Ptosis und die Zungenlähmung zeigten vorübergehende Remissionen von der
Dauer weniger Minuten bis ^U Stunde. Der ophthalmoskopische Befund war
normal. Nach 3 Monaten war völlige Heilung eingetreten.
Simonot (539) berichtet von einer einseitigen rheumatischen Paralyse
des X. oculomotorius.
Knies (517) spricht seinen ablehnenden Standpunkt in dieser Frage mit
folgenden Worten aus: „Nur selten ist ein direkter Zusammenhang zwischen
einer vorher noch nicht vorhandenen Augenaffektion und der Abkühlung einer
mehr oder weniger grossen Körperoberfläche vorhanden". ^Zur Annahme einer
rheumatischen Augenerkrankung genügt es nicht anamnestisch keinen anderen
Grund ausfindig machen zu können, als die Angabe der Erkältung des Patienten.*'
Wir haben in früheren Kapiteln gesehen, wie oft Jahre voraus bei verkapptem
Cerebral- oder Spinalleiden Augenmuskellähmungen auftreten und wieder ver-
schwinden können, für welche die Angabe der Erkältung von Seiten der
Patienten leicht gefunden ist.
Schmidt-Rimpler hält dagegen bei einer Reihe von peripheren Augen-
muskellähmungen an der rheumatischen Ursache fest. So hatte Moebius (540)
eine Oculomotoriuslähmung beobachtet, welche unter gleichen Bedingungen auf-
getreten war, wie die refrigeratorische (sogen, rheumatische) Facialislähmung.
Ein 20 jähriger Mann bekam 2 Tage nach einer Eisenbahnfahrt, während
welcher er sich der Zugluft ausgesetzt hatte, heftige Schmerzen in der Um-
gebung des rechten Auges. Nach etwa 14 Tagen stellte sich eine komplete
Oculomotorius- (mit Ptosis), Abducens- und Trochlearislähmung ein. Die
Binnenmuskulatur blieb merkwürdiger Weise verschont. 4 Monate später war
Patient bis auf eine Abducensschwäche geheilt.
i) Die Gerlier'sche Krankheit.
(Le vertige paralysant. Le vertige ptosique. Kubisagari.)
§ 103. G er Her (493) hatte im Sommer 1885 und 1886 in den Grenzorten
zwischen Genf und Frankreich eine eigenthümliche Krankheit beobachtet, deren
Hauptsymptome in plötzlich auftretendem Schwindel bestanden mit lähmungs-
artiger Schwäche aller oder vieler willkürlicher Muskeln, heftigem Schmerz
im Nacken und Rücken und einer charakteristischen Ptosis eines oder beider
262 Die Ptosis bei der Gerlier'schen Krankheit.
Augen. Immer trat die Krankheit in ganz kurzen, intennittirenden Anfällen
auf, deren Intensität jedoch sehr verschieden war, anfangs von Anfall zu
Anfall zunehmend, um nach Bestehen von einigen Wochen bis zu mehreren
Monaten wieder abzunehmen. Die Kranken gleichen im Anfall Betrunkenen.
Die Parese der Muskulatur oder einzelner Muskelgruppen hält viel länger
an, als der Schwindel. Die Strecker der Hand und der Finger wurden ganz
besonders betroffen, der Kopf sinkt nach vorn und meist auf die Seite, der
Mund kann nicht geöffnet werden. Oft wird die Sprache stammelnd und
Dysphagie tritt auf, in besonders auffallender Weise aber Ptosis.
Die Erscheinungen sind oft unsymmetrisch; die Sehnenreflexe sind erhalten,
oft etwas erhöht. Die Sensibilität ist normal. In den freien Intervallen sind
die Kranken meist vollkommen wohl. Starke Sinneseindrücke (Geräusche, helles
Licht), Schreck und Aufregungen, vor allem aber Ermüdung durch Anstreng-
ungen ruft die Anfälle hervor. Im Juli traten die ersten Anfälle auf, die
letzten Erscheinungen im November. Während Gerlier kein Schielen be-
obachtete, hatte David (494) wiederholt Klagen über Doppeltsehen bei dieser
Krankheit gehört. Ophthalmoscopisch konnten von diesen Beobachtern keine
Veränderungen konstatirt werden, dagegen fand Eperon (496) bei zwei
Fällen eine ausgesprochene Hyperaemie der Papille und ihrer Umgebung, ja
in dem einen Falle glaubte er sogar von einer Entzündung der Papille sprechen
zu dürfen mit i)eripapilläreu Blutungen. Auch Sulz er (497) hat Ophthal-
moscopische Veränderungen bei dieser Krankheit gefunden, ähnlich wie Eperon.
Beide Kranke zeigten auch Gesichtsfeideinschränkungen besonders nach oben.
Als bleibende Augenerscheinung soll eine Herabsetzung der Sehschärfe be-
stehen bleiben, während die Ptosis, das Doppeltsehen und das Nebelselien
wieder verschwänden.
Haltenhoff (495), der ebenfalls neun Fälle von dieser Krankheit Ix-
obachten konnte, schliesst sich der Ansicht Gerlier's an, dass es sich um eine
Infektionskiankheit handele, die vielleicht durch einen in den Viehställen
sich entwickelnden Krankheitserreger verursacht war. Denn die Betroffenen
waren nur Leute, weiche in Viehställen schliefen.
Neuerdings hat K. Miura (498) eine Arbeit über eine in den nörd-
lichen Provinzen Japans unter der ackerbauenden Bevölkerung endemischen
Krankheit Namens Kubisagari verölfentlicht , in welcher er an zahlreichen
Beobachtungen die Gleichheit derselben mit der Gerlier'schen Krankheit
feststellte. Nach diesem Autor sind anfallsweises Nebelsehen, Ptosis, Diplopie.
Parese der Nacken-, Rumpf- und Extremitätenmuskulatur sowie Störung der
Sprech-, Kau- und Schlingwerkzeuge die Hauptsymptome dieser Krankheit.
Unter 03 eigenen Fällen konnte er folgende Häutigkeitsscala verschiedener
Symptome aufstellen :
Nebelsehen 40 mal
Ptosis 38 ,,
Parese der Nackenmuskeln ... 34 -
Die Ptosis bei der Gerlier'schen Krankheit. 263
Diplopie 29 mal,
Parese der Oberextremitäten . . 26 „
^ „ ünterextremitäten . . 24 ^
des Rumpfes 18 ^
^ der Zunge 16 ;,
^ der Kaumuskeln .... 12 „
„ ,, Lippen 11 „
„ des Schlingens 5 „
Von Augensymptomen wurden überhaupt beobachtet: Nebelsehen, Ptosis,
Doppeltsehen, Hyperaemie der Papille und ihrer Umgebung.
Was die Ptosis anbelangt, so tritt sie als das zweithäufigfte Symptom
in verschiedenen Intensitätsgraden auf, entweder so leicht, dass sie dem
Kranken nur einen schläfrigen Ausdruck verleiht, oder so stark, dass nur
ein haarfeiner Spalt zwischen den Lidern zurückbleibt. Sie beruht jeden-
falls auf einer Lähmung des Lidhebers. Eine vorwiegende Beteiligung des
linken Auges an der Ptosis, wie es von G e r 1 i e r angegeben wurde, konnte
M i u r a nicht konstatiren.
Das Nebelsehen entspricht wahrscheinlich dem allzuraschen Verschwinden
lixirter Objekte und den Symptomen allzuleichter Ermüdbarkeit der Netzhaut,
wie wir sie, als zum Symptomenkomplex der nervösen Asthenopie gehörig,
kennen.
Bezüglich des Doppeltsehens fand M i u r a immer nur gekreuzte paralle
stehende Doppelbilder und bezieht dieselben auf eine Insufficienz resp. Parese
der M. recti intemi. An einen Krampf der Augenmuskeln sei nach dem
Krankheitsbilde nicht zu denken.
Betreffs des eigentlichen Wesens dieser Krankheit sind wir noch völlig
im Dunkeln, da bis jetzt noch kein Sektionsbefund vorliegt. In differentiell-
diagnostischer Hinsicht kommt hier zunächst die asthenische Bulbärparalyse
in Betracht. Dieselbe tritt aber nicht wie die Gerlier'sche Krankheit anfalls-
weise auf, und führt auch in der Mehrzahl der Fälle zum Tode, was bei jener
nicht der Fall ist.
2. Intoxikationen.
J^ 104. Bezüglich der Intoxikationen müssen wir diejenigen Krankheits-
zustände an den Augenmuskeln und dem Levator, welche akut während der chro-
nischen Einwirkung von Giften einsetzen, wie z. B. bei der chronischen Alkohol-
und Bleivergiftung, von Zuständen auseinanderhalten, welche nach akuten
Vergiftungen sich entwickelt haben. Zunächst ist bei den meisten dieser Er-
krankungsformen auffällig, dass hier durch Affektion des Sehnervs und der
Retina Sehstörungen hervortreten, welche wir bei den Nuklearlähmungen zu-
folge chronischer Krankheitszustände fast ganz und gar vermissen. —
264 Die Ptosis bei der akuten haemorrh. Poliencephalitis sap.
Bei den chronischen Intoxikationen mit akutem Auftreten
schwerer Cerebralerscheinungen linden wir ganz besonders die äussere Bulbus
miiskulatur und in zweiter Linie den Levator betheiligt, während die Pupillen-
bewegung meist frei bleibt; bei den akuten Vergiftungen dagegen tritt
als Symptomentrias vom Auge vornehmlich die Accommodationslähmung mit
Mydriasis und Ptosis hervor. Von einer Accommodationslähmung ist bei den
chronischen Intoxikationen mit akutem Einsetzen cerebraler Krankheitssymp-
tome nach Ausweis der Tabellen keine Rede.
§ 105. Unter den chronischen Intoxikationszuständen mit akutem Ein-
setzen schwerer Cerebralsymptome hat Wernicke (484) für den Alkoholis-
mus ein wohl charakterisirtes Krankheitsbild unter dem Namen der
a) akuten haemorrhagischen Poliencephalitis superior
ausgeschieden, und wir wollen nun sehen, in welcher Weise der Levator bei
diesem Krankheitsbilde in Mitleidenschaft gezogen wird. Das dem Alkohol-
genuss ergebene Individuum erkrankt ohne Fieber mit Benommenheit, Schlaf-
sucht, Verwirrtheit und Delirien. Während diese Symptome, zu denen
sich häufig Wadensteifigkeit, Kopfschmerz und Erbrechen gesellen, an Inten-
sität zunehmen, treten Lähmungserscheinungen an dem Augenmuskelapparat
hervor, meist in Gestalt einer mehr oder weniger kompleten Ophthalmoplegia
exterior; die Binnenmuskulatur des Auges bleibt dabei meist verschont, oder
es lässt sich doch nur reflektorische Starre auf Licht nachweisen (unter
19 Fällen der Tabelle XIV dreimal). Gleichzeitig findet sich gewöhnlich
ophthalmoskopisch eine leichte Neuritis optica mit Netzhautblutungen oder
Abblassung der temporalen Papillenhälften als Zeichen einer vorhandenen
Alkoholamblyopie (chron. Neuritis des papillomakulären Faserbündels im
SehneiTen). An den Extremitäten macht sich motorische Schwäche mit
Inkoordination bemerklich, der Gang wird schwankend und taumelnd. Meist
fehlen die Patellarretlexe. Die Sprache ist lallend und schwer verständlich.
Zwar hebt Wernicke in seiner Schilderung des Krankheitsbildes ein
Verschontbleiben des Sphincter iridis und des Levator hervor, es hat sich
jedoch aus der weiteren Beobachtung von Fällen ergeben, dass etwa in der
Hälfte derselben doppelseitige Ptosis dabei vorhanden war. Allerdings
ist meist die Levatorlähmung eine unvollkommene, die Lider hängen nur
theilweise über das Auge, und es können dieselben nach Aufforderung nicht
völlig gehoben werden. Während also Lähmungen der Bulbusmuskulatur in
allen Fällen gefunden werden, ist die Ptosis kein integrirender Bestandtheil
des Krankheitsbildes. Denn unter 19 Fällen der Tabelle XIV waren 17 mal
Lähmungen der Bulbusmuskulatur vorhanden, bei zwei Fällen waren die
Angaben ungenau; Ptosis wurde achtmal gefunden, darunter einmal einseitig,
siebenmal war keine Ptosis vorhanden, bei vier Fällen waren die Angaben
ungenau. Die Pupillen reagirten in 12 Fällen, wenn auch manchmal träge;
bei drei Fällen bestand reflektorische Lichtstarre, bei drei Fällen waren die
Angaben ungenau.
Die Ptosis bei der akuten haemorrh. PoUencephalitis aap. 265
Bei zehn Fällen war das Sehvermögen und der ophthalmoskopische
Befund unnormal und nur bei zwei Fällen normal. Bei sechs Fällen fehlte
die genauere Angabe.
Eigene Beobachtungen. Fall I.
§ 106. Ein 41 jähriger Gastwirth hatte seit dem 1. Juli 1897 über Dop-
peltsehen und eine gewisse Schwere nebst Vertaubung im linken Beine Klage
zu führen. Der Gang war unsicher. In der letzten Woche traten noch
Verdauungsstörungen hinzu. 1891 hatte Patient ein Delirium tremens durch-
gemacht. Im letzten Jahre will derselbe zwar viel massiger als früher ge-
worden sein, er trinkt jedoch noch V« Flasche Roth wein, zwei Glas Bier und
etwas Portwein pro Tag, welche Angaben bei seinem Berufe als zu niedrig
bezeichnet werden dürften.
Angeblich raucht er nur 2 — 3 Cigarren.
Vor 20 Jahren hatte er eine Gonorrhoe imd ein Geschwür auf der
Lippe, doch sollen nie Sekundärerscheinungen aufgetreten sein. Er lebt in
kinderloser Ehe. Bei der Untersuchung war Patient nicht benommen, im
Gegentheil sehr gesprächig und von alkoholistischer Euphorie. Rechts bestand
eine leichte Ptosis. Beiderseits blieb der Bulbus beim Blick nach aussen
zurück. Es konnten gleichnamige Doppelbilder nach beiden Seiten ohne
Höhenabstand und ohne Schiefheit nachgewiesen werden. Die Pupillen waren
beiderseits gleich und reagirten gut auf Licht und Konvergenz. Die Accom-
modation war rechts etwas abgeschwächt. Das Sehvermögen betrug beider-
seits 18- Augenhintergrund, Gesichtsfeld und Farbensinn waren normal.
Das Gehör und der Geschmack wurden beiderseits ganz gut befunden. Der
Geruch war rechts schärfer als links. Es bestand deutliche linksseitige
Facialisparese und ein ausgesprochener Tremor manuum. Das Dynamometer
ergab rechts 80, links 89. Der Gang war unsicher. Im linken Bein zeigte
sich eine Abschwächung der Motilität und Sensibilität bei lebhaften Reflexen
und gut erhaltener Muskulatur. Die Leber war vergrössert, das Cor nach
links verbreitert.
Patient ging in ein Krankenhaus, das er nach Wochen geheilt verlassen
konnte.
Fall IL
P. Schneider, Schlossersfrau, 34 Jahre, aufgenommen 29. Mai 1896.
(Abtheilung des Oberarztes Herrn Dr. Jollasse). Gestorben den 3. Juni 1896.
Anamnese: [Von der Patientin nicht zu erheben. Angaben des Ehe-
mannes]. Patientin war früher stets gesund. Hatte mehrere aussereheliche
Kinder. Seit einem Jahre mit dem jetzigen Manne verheirathet. Mehrere
Aborte. Lues negiert. Potatorium erwiesen. Seit V* Jahre wurde ihr das
Gehen schwerer; sie wurde vergesslich und trank mehr als gewöhnlich.
Anfang Mai Verschlechterung des Ganges, so dass sie nach mehreren
Schritten umfiel.
266 Die Ptosis bei der akuten hacmorrh. Poliencepbalitis sup.
Vor 2—3 Tagen plötzlich Sprachverlust. Beim Nachhausekommen fand
der Mann seine Frau auf der Erde liegend, lallend und lebhaft gestikulirend:
dabei lief ihr der Speichel fortwährend aus dem Munde.
Status praesens und Verlauf: Mai 1896. Untersetzte Frau mit
mittelstarkem Pannicuhis adiposus; Gesicht gedunsen. Acne rosacea; liegt
in lebhafter Unruhe im Bett, sucht fortwährend nach Gegenständen, greift
gestikulirend in der Luft und am Betttuch umher. Dabei läuft ununterbrochen
der Speichel aus dem linken Mundwinkel. Die Sprache hochgradig gestört,
schwer verständlich, klingt wie bei Gaumensegellähmung. Untersuchung des
Rachens unmöglich.
Die inneren Organe ohne wesentliche Veränderungen.
Pupillen beiderseits gleich, ziemlich eng, reagiren träge auf Licht.
Es besteht beiderseits Ptosis mittleren Grades, links stärker
als rechts.
Schluss der Lider normal.
Die Patientin tixirt nicht; zeitweise Divergenzstellung. Aus- und Ein-
wärtsbewegung der Bulbi sehr beschränkt.
Die Zunge wird mit Mühe herausgestreckt. Das Schlucken geht gu
von Statten. Ataxie der Hände massigen (jrades.
Die Sensibilität ist wegen der fortwährenden Unruhe und des hall>-
benommenen Zustande« der Patientin schwer zu prüfen.
Die Nervenstämme sind beiderseits an den Unterschenkeln auf Druck
sehr sclimerzliaft. Der Cruralis nicht empfindlich. Ganz enorm schmerzhaft
sind dabei die Füsse. Schon bei vorsichtiger Berührung schreit Patientin
laut auf. Die Füsse sind sehr kalt, ohne Oedeme.
Mit Unterstützung kann Patientin die Beine ansetzen. Das linke wird
nur kurz als Stütze gebraucht und scheint beim Aufsetzen heftig zu schmerzen.
Die Kraft in den unteren Extremitäten ist beträchtlich herabgesetzt.
Die anfänglich vorhandenen Patellarreflexe verschwanden später. Plantar-
retlexe gesteigert. Die Periostreflexe vorhanden. Kein Fieber; Puls klein 112.
nicht aussetzend. Urin frei.
Am vierten Tage des Krankenhausaufenthaltes wurde Patientin sehr
unruhig, sie schrie, schim])fte und tobte unter fortwährend choreaartig gesti-
kulirenden Bewegungen der oberen Extremitäten derartig, dass sie isolirt
werden musste. Nahrungsverweigerung. Nur Wasser trinkt sie gierig, ohne
sich zu verschlucken. Lässt Stuhl und Urin unter sich. Gegen Abend Somno-
lenz. Puls 120. Patientin reagirt schwach auf Anrufen. Komplete Ptosis
beiderseits. Augenschluss besonders kräftig. Beim Aufheben der Lider
starke Myosis beiderseits. Schwache Lichtreaktion, beiderseits Augenbewegungen
unmöglicli. Die PlantarreHexe sind noch lebhaft.
Nachts 10 Uhr Exitus let.
Sektion am 3. Juni 1896.
Beträchtlicher Pannic. adiposus. Hypertrophia et degeneratio adiposa
cordis. Emphysema pulm. Fettleber; Stauungsmilz; Stauungsnieren.
Die Ptosis bei der akuten haemorrh. Polieocephalitis sup. 267
Sehr starkes Oedem der Pia, die chronisch verdickt ist. Pacchionische
Granulationen. Massiger Hydrocephalus int. Hirnarterien zart.
Im rechten Thalam. opt. Blutungen kleinster Art. Im Pons und der
Kemregion makroskopisch keine Veränderungen. Mikroskopisch: Der Oculo-
motoriuskern in seiner ganzen Ausdehnung, ganz besonders aber auch die
nach abwärts liegenden Regionen der Kernregion zeigen sich durchsetzt
von zahlreichen, verschieden grossen Hämorrhagien.
Fall m.
Auf der Abtheilung des Herrn Oberarztes Dr. Jo Ilasse hatten wir
kürzlich folgenden Fall zu beobachten Gelegenheit, durch dessen Sektion die
Richtigkeit der Diagnose bestätigt wurde. (Herr Dr. Barkow wird denselben
noch eingehender bearbeiten und publiziren).
Ein 35jähriger Arbeiter, der schon mehrere Male wegen Alkoholismus
im Krankenhause Zuflucht gesucht hatte und an epileptischen Krämpfen litt,
klagte vor einiger Zeit über Doppeltsehen. Anfangs Juli 1898 erkrankte er
mit Mattigkeit, Kopfschmerz, Erbrechen und Durchfall. Patient gab mit
Bestimmtheit an, dass er vor Jahresfrist an Doppeltsehen gelitten habe.
Bei der ersten Untersuchung bestand Pupillendifferenz; Strabismus-
convergens, und wurden andauernd nystagmische Zuckungen konstatirt. Nach
kurzem Krankenhausaufenthalt stellten sich Delirien ein. Patient war unruhig
und desorientirt. Einige Tage darauf war Patient theilweise somnolent; hatte
subnormale Temperatur. Auch war eine leichte Nackensteifigkeit nach-
zuweisen. Die Pupillen waren eng, ungleich und reagirten schwach. Es trat
anhaltendes Erbrechen auf. Patient klagte über Kopfschmerz.
Am Tage vor dem Exitus konnte noch folgender Status erhoben werden :
Patient macht einen schläfrigen Eindruck mit herabgesenkten Oberlidern,
welche nicht geschlossen waren. Schwäche im ganzen Facialisgebiet. Auf
energische Aufforderung hebt er das obere Augenlid. Bewegungen des rechten
Bulbus sind nach aufwärts möglich; dabei nystagmische Zuckungen; nach
aussen nicht, nach innen und unten sind die Bewegungen beschränkt.
Links bestellt hochgradige Miosis. Links sind die Lidbewegungen wie
rechts. Die Beweglichkeit des linken Bulbus war nicht mehr zu prüfen. Der
Händedruck erwies sich als normal. Hie und da kurze Zuckungen. Bei
Oeffnung der Augen kontrahirt Patient stark den Frontalis, so dass mög-
licherweise doch eine beiderseits vorhandene inkomplete Ptosis
vorlag.
Am folgenden Tag trat der Exitus ein.
Die Sektion ergab im Höhlengrau des Aquaeduct. Sylvii und des
IV. Ventrikels zahlreiche punktförmige Blutungen. Auf der rechten Seite war
eine grössere, etwa linsengrosse Hämorrhagie vorhanden.
Die Pia war zart.
■Sh Die PtMis bei 4er akutea fcnwirifc FiiliiM ■ f hililit
lASLn Gehirn zeigte sich im Ganzen bhitreicfa , die gnae Sobstanz war
roAa zetarbt. Die Ventrikeln enthielten keine Termehrte Flnss^eit.
Wan nan die in Heilung übergehenden Falle betrifft, so legt die Art
de^ Prozesses die Möglichkeit einer Tölligen Räckbildung nahe, zumal dk
GehimÄubätanz in Tielen Fällen sehr wenig afficirt erschien^ andererseits ist
auch die Thatsache nicht zu Tergessen. dass eine Poirneuritis sich gerne mit
der Poli'^^encephalitis verbindet iThomsen. Boedeker. Jacobaeus) und
auch die Möglichkeit einer Neuritis der Bnlbämerren bei den geheUten
FälleTi nicht von der Hand gewiesen werden kann. Jedoch sei
herrorjfehoVien . dass Thomsen und Boedeker bei ihren Untersuchungen
nVier alkoholische Ophthalmoplegie die Augenmuskeln und Xerren intakt ge-
funden haVien.
Femer kann der Ausgang der Encephalitis in lokale Nekrose und in
Xarbenbildung nicht bezweifelt werden, obwohl für die hämmorrhagische
Form der Entzündung durch Sekt ionsbef und dieses Endstadium nicht er-
wie-'en {.'•t.
;: 107. In differentialdiagnostischer Hinsicht spielt bei diesen Fällen die
Aetiolr>gie die Hauptrolle. Meist ist aus der Anamnese, dem Habitus des Patienten,
aus der eigenthümlichen mit Somnolenz verknüpften Cnruhe, der rasch ent-
stehenden. schliesslich fast zu totaler Lähmung führenden Ophthalmoplegie
leicht die Diagnose zu stellen. Die vorhandene Neuritis opt. lässt natürlich
auch an einen vorhandenen Tumor in der hinteren Schädelgrube denken,
fil>eziell beim Kleinhirn, da bei beiden AflFektionen taumelnder Gang, Er-
brechen, Nackensteifigkeit und Augenmuskellähmungen (durch Femwirkung
auf die Basis) vorkommen. Jedoch ist der klinische Verlauf beim Tumor ein
sehr viel langsamerer als bei der Wernicke'schen Krankheit, und die Neu-
ritis opt. hat bei den Tumoren der hinteren Schädelgrube gewöhnlich den
(.'harakter einer hochgradigen Stauungspapille.
Da die Krankheit fieberlos verläuft, die Bewusstseins- und Gehstörung
aber sehr frühzeitig und rasch auftritt, so muss femer eine Apoplexie und
Enc(;i)halomalacie in das Bereich der diagnostischen Erwägungen gezogen
werden. Aus einem späteren Kapitel ergeben sich unschwer die diflferenten
Momente. Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, dass Neuritis opt. und doppel-
seitige symmetrische Augenmu.«kellähmungen gegen diese Aflfektionen in den
meisten Fällen sprechen dürften.
Da eine Fleisch- und Fischvergiftung mit Augenmuskellähmungen auf-
treten kann, so sei derselben hier besonders gedacht. Es bestehen jedoch
zwisclien beiden Krankheiten so viele unterscheidende Merkmale, dass wir
einstweilen darauf verzichten, auf dieselben näher einzugehen^ zumal da wir
in einem besonderen Abschnitt diese Zustände behandeln werden.
Die Angabe Wernicke's, dass die Augenmuskellähmungen stets asso-
ciirt seien, konnte bei weiteren Beobachtungen nicht bestätigt werden. Was
Die Ptosis bei der akuten haemorrh. PoDencepbalitis sup. 269
den anatomischen Befund betriflft, so wurden die Angaben Wer nicke 's von
allen nachfolgenden Autoren bestätigt. Bei meist normalem Verhalten des
Rückenmarks und des übrigen Gehirns zeigte sich das gesammte Höhlengrau
d. h, die Wände des III. Ventrikels, die graue Substanz des Aquaeductus
Sylvii und des Bodens des IV. Ventrikels durchsetzt von multiplen mikro-
skopischen Blutungen, in deren Umgebung sich Kömchenzellen nachweisen
Hessen. Etwas anders war der Befund in dem von Thomsen nütgetheilten
Falle 4 auf Tabelle XIV. Es fanden sich nämlich die Kerne des Abducens
und Hypoglossus in erheblichem Grade degenerirt, weniger die des Oculomo-
torius und des Trochlearis. Die Wurzelfasern sämmtlicher Nerven waren
gesund und waren Blutungen nur in geringem Maasse vorhanden. Ausserdem
fand Thomsen Haemorrhagien der Pia an der hinteren Fläche des sonst
gesunden Rückenmarks, besonders im Lendentheil.
Dass diese Fälle nicht immer tödtlich enden müssen, sondern einer
Besserung und Heilung fähig sind, beweisen die Beobachtungen 5, 8, 14, 15,
16, 17 der Tabelle XIV. Nach Wiener (485) bleiben bei der Heilung nicht
selten Augenmuskelstörungen zurück.
270
Tabelle XV. üeber die in der Litteratur vorhandenen Fälle
Tabelle XIV. Ueber die in der Litteratur vorhandenen
Autor und Litteratur
Ptosis
Augcnmuskela
PupiUc
Acom*
daiM
1. Wcrnicke, Lehrb. d.
Gehirnkrankheiten II. 229
Fall II
keine Ptosis | Die Augenbeweglichkeit
I 8c>heiot l>eeiuträchtigt ohne i
I dass sich etwas Genaueres
feststellen lässt, da Patient '
nicht fixirt. Durch wieder-
holte Beobachtung wurde
festgestellt dass Patient die
Augen gar nicht Ixjwegte, ,
sondern nur durch Beweg-
ungen des Kopfes im Stan-
de war, Gegenstände zu
fixiren.
I
1>eKiens€itj>
Miosis
2.
Wernieke, I.e. Fall III. i
236 ,
keine Ptosis ' Zeitweise Doppcltsehen ge- 'mittel weit bei-
habt. Doppelseitige totale derseits; reagi-
Abducenslühmung. Später jren auf Licht
scheint die Beweglichkeit und Konver-
nach innen ehenfnlls be- . genz
eint rächt igt. ]
Thomsen, A. f. Psvch.
XIX. 185 1887 Fali I
keine Ptosis I Lähmung der recti extern i ! mittelweit, rea-
i und iiiterni, die Beweglich- giren deutlich
I keit nach oben und unten auf Licht
, beschränkt. |
I I ;
4. Thomsen, 1. c. Fall 2 ' keine Ptosis Beide Augen auf den Boden eng. Reaktion,
1 1 gerichtet, konnten fast gar erhalten,
I I nicht nach den Seiten oder wenn auch
j nach oben bewegt werden ; | gering, später
i geringer war der Defekt , linke Pupille
1 nach innen und nach un- grösser als die
ten nystngmusartige Zuck-
unt^en
rechte
von Poliencephalitis superior baemonhagica. (Wernicke.)
271
tliencephalitis superior haemorrhkgica. (Wernicke.)
ispiegelbefund
hvermögen
Aetiologie und sonstige Symptome
Ausgang und Sektionsbefund
leutlich geröthet,' Delirium. Gang ataktiscli. Som-, Zahl reiclie punktförmige Blutungen, welche
Schwellung. R.. nolenter Zustand, mit grosser auf das centrale Höhlengrau des 111.
nförmige Blut- Schwäche verbunden. Alkoholis-' und IV. Ventrikel» sowie des Aqune-
! mus. I ductus Svlvii beschränkt sind.
Bothuug, jedochi
Schwellung derj
p, keine Blutung.
• rechts deutliche;
ia optica , einej
nförraige Blut-;
L. A. nur Ilyper-
ier Papille.
.ussere Papillen
blasser als nor
^iderseits Alko
blyopie
iegell>efund nor-!
kann aber Nie-i
recht erkennen i
Delirium tremens. Sei» wache der
Beine. Deutliche Xackensteifig-
keit. Sopor. Alkoholismus.
Alkoholismus. Delirium tremens.
Sprache lallend. Tremor. Gang
taumelnd, breitbeinig. Kniephä-
nomen lebhaft. Lungenödem. Tod
Alkoholismus.ZunehmendeSchwäche
der Beine. Heftige Kopfschmerzen
und Gliederreissen. Benommen.
Rechter Mundfacialis leicht pare-
tisch. Kniephünomen lebhaft.
Krankheitsdauer 20 Tage.
I
i
I
Zahlreiche kapilläre Blutungen , welche
nirgends üb(»r den grauen Boden des IV.
Ventrikels hinausgehen, im III. Ventrikel
nicht so ausgesprochen wie im obigen
Falle; dagegen erstreckten sich die Ver-
änderungen noch etwas weiter nach ab-
wärts in das oberste Gebiet des Calamus
scriptorius. Es handelte sich um eine
selbständige entzündliche, akute Kern-
erkrankung im Gebiete der Augenmus-
kelnerven, die in der Zeit von 10 — 14
Tagen zum Tode führte.
Nephritis interstitialis chronica. Multiple
Blutungen vorzugsweise in der am Boden
des IV. Ventrikels resp um den Aquae-
ductus gelegi*uen grauen Substanz der
Medulla oblongata und dem Pons. Die
Nervi trochleares, ocuhmiotorii und ab-
ducentes erwiewn sich auf dem Quer-
schnitt ganz gesund. In beiden N. op-
ticis fand sich eine Neuritis des papillo-
makulärt>n Faserbündels.
Nephritis interstitialis. Der Abducenskern
war auf allen Schnitten hochgradig de-
generirt, die Zellen der Anzahl nach
stark vermindert, in der Höhe der Troch-
leariskn'uzung Blutungen im Bodengrau
und im Bindearm , der Trochleariskern
zeigte eine deutliclie Degeneratitm sowie
einzelne Blutungen , ebenso der Kern
des Oculomotorius. Die Zahl der Zellen
l>etrug hier etwa ein Drittel der nor-
malen. Stämme und Wurzelbündel der
Augenmuskelnerven waren gesund, der
M. rectus externus sin. und der Muse,
rectus super, zeigten eine leichte paren-
chymatöse Degeneration , nämlich ein
Theil des Sarcolemmschlauches erschien
Iwr, und einzelne Fibrillen waren ab-
norm pigmentirt.
272
Die Ptosis bei der akuten
Autor und IJtteratur
Ptosis
Augenmuskeln
PopOle ^
5.
Thomsea, BerL kXm.
L, Ptosis ,
40jflLjii-. Fc»l«tor, erkTwikt«
^E^0aAt^ f«te
W. 1888 Nr. 2
plötKlich mit lx!irier7«iliffpr
tiüvolbtüDdigi^r ülhmung
dai' A iigi^n in tiskeln , Nystag-
mus, Facialisparaise. L.
A. nach allen Kichtong«!
unbeweglich ; nur nach
auK^eu l>eBtpht eine geringe
Bew^egliebkeit E. A. nor-
gü^trifcinl
male Be^wegliehkeit nadi
aussen uii^i unten, in den
übrigen RiditungeD iiöd ►
diu Bewt^gung erUebUcb '
bcK^hrönkt. i
6.
Themse- n, Archiv, für
beide raeita
Nystagmus In den Endstell* .reagfren gut !
Psych. XXL 3. Fttll 3
An iQt^ngitilt
lunebroende
Ptosis
auf Licht and
7.
Boedeker, Near Cen-
keiap Plofiü
doppelseitige Abdooenilähm-
Tew'ktorudbe
tralbl. XIV. iSfi
ung, doppelseitige Lähm- UohlstÄrre bei
ung den N. oeulomofcoriuB I deutlich Tur-
in wechselnder Intensität handener Kon-
j vergenxieak-
1
tion
8.
Boedeker, Cburit^ An-
kein« FtoBiM
l
1
\
nalen XVIL 790
lind extami beiderseits ge-
Ifthnit
aneb trigej auf |
auf Licht und,
Ac^omcnoda- l
tion 1
9.
HoffmaoDi Neurolog.
Centralbl. XIV. 618
V
9
Pupillenreak-
tion prompt
1
ege1l>efund
ime der Seh
] Hilffce ttb-
Heiliing.
plötzlich entseandeiij Erbrecrbea^ Bi*
nommpnheit, Kopf- und Glieder
BchmerKen, AUixie der Ext rem i
täten, SpraehstÄriiiitr, SümnitUche
ElrBcheinun^en beÄAerieii sieh rasch,
nacb einigeo Monaten vrareu nur
noch leiehte Stt^ruQgen der Äugen-
b«wegungen übrig. AikoholiamtiJi
Taehycardie. AlkoholiituiiH, Ud- Hämorrhagisvbe Entiündung mit S^klero-
eieherer Gang. KrHmpfanfäJh^ rait
J>el irien , Fehlen d. Knie phftiiu mens,
Tremfir der obereo Extrem itäten^
Sprach« lallend, Hände hängen
Wim Ausstrecken der Arme schlaff^
henib. Krankheitsdauer 17 Tage
AJkoholisnjUB, leichte linkseitige Fa-
ci&liÄparese Kopfschmerz, Schwin-
del^ Delirien, Bchmer2en in den
Amiea und Beijien. Herabsetz-
ung lier inotor. Kraft in allen
Extremitäten, Tremor der Ilände
nnd Arme. Nach 32 tligie. Krank
heit T<id.
Alkobtdiämus.
Älkoholisnuis, Rchwäehe in den vier
Extremitfiten , Mattwerden der:
Btimni^ und Schluckbe&chwerdenl
ohne Sensjhilitätssti^iruügen, stn-
nehmende selilafTe Parese, der
Rumpf' und Extremitäh'niiniskeln,|
Sehielen, 14 Tage daniuf Ophtltal-
DioplegiiiexL |j4^iehte Atrophie der
von Lähmung t^fallenen Muskula-
tur. Öehnenreflexe erloschen.
sirunjar im hinteren V'agnskern und Blut-
ungen im Oeukimotoriusgehiet. Die
gleichzeitige ÄMiieenalahmung ist viel-
leicht auf pathologische Pioz^sse im
centralen Höhlen grau bezw. auf daj
diiriu vorhandene Fa»ersystem zu rück -
Euführen.
Von der vorderen Kommissur an bta zur
Gegend dts Trigeminuakerna hin , im
Bereiche der Umgebung des llf. und
rV. Ventrikels und de« Aquaeductus,
Blutungen von sehr verschiedener Grösm» ;
auch erstrecken sich dieselben zif^mlich
tief, bis zu 1 — 2 eni seitwärts vom Ven-
trikel in's Bereich der gnmsen Ganglien
hinein. Auch die wHaae Bubshmz ist
nicht verschont (innere Kapis+d, vordere
Kommissur). In der Nfthe der grösscTen
Blutungen liegen meist Gefiifise in weiten
H palten. Die CrefUsswan düngen sind ver-
dickt^ an einzelnen Stellen deutliehe KaJk-
iufiltratioij. Am meisten betroffen ist der
vortlere Theil des OculomotoriuBkerna.
In der Abdueensgegend sind Blutungen
nicht mehr vorhanden, der Kern tat
gesund. Die Plage ftis&e habeu grosaen-
theils verdickte Wandungen. Vielfach
finden i^ich gtin?. oder theil weifte throm-
bosirte Gefiisse.
BesÄerung.
Polieneephaliti« super. hÜmorrhagSea, mas-
sige Hyperämie i. d. Med u Ha oblongat.
et Bpinalis, eiu/,elne vakuolisirte Gang-
lien Äclien im Vorderhorn des Lenden*
raarks. Intaktheit <ler vorderen tind
hinteren Wurzeln des N. oealomotorius
mi der Babis. Die jjeripheren Nerven
wurden nicht untersucht.
-Sa eng er, Keuroloede des Aagea.
18
274
Die Ptosis bei der akuten
Autor und IJtteratar
10. Koshewnikoff, Progr.
mfed. 1887. Nr. 36 und
37
ll.Jacobäus, Deutsche
Zeitschr. f. Nervenheilk.
1894. Bd.V. 4. u. 5. Heft
12. Reunert, Deutsches
Archiv f. klin. Med. Band
50. 1892
13. Schule, Arch. f. Psych,
und Nerv. XXVII. 295
14. Murawieff, Neurol.
Centralbl. 1897. p. 113
beiderseits,
besonders
rechts Ptosis
keine Ptosis
beiderseits
Ptosis
geringe Ptosis
beiderseits
Augenmuskeln
Augenbewegungen nach un-
ten oben und innen sehr
beschränkt , auch nach
aussen nicht ganz frei.
Beide Bulbi nach aussen
und oben abgeleukt
leichter Strabismus diyer-
gens. Die Bewegungen
beider Bulbi sind sehr be-
schränkt, nur ein wenig
nach oben und unten er-
halten. Starrer Blick
Bulbusbewegungen nach aus-
sen, innen und oben sehr
beschränkt, etwas weniger
nach oben
gleich und
mittelwejt ;
reagiren auf
licht und Ae-
conunodation
etwas eng,
reagiren aof
licht
Pupillen
beiderseits
starr auf licht
mehr oder minder vollstän- 1 später beide
dige Lähmung der Mus- ; Pupillen licht-
kulatur beider Augen. D. starr
1. Bulbus steht nach aussen
gerichtet, führt jedoch zu-
weilen leichte Bewegungen
nach aussen und oben aus.
Das rechte Auge scheint
uubeweglich zu sein
Doppeltsehen. Gänzliches
Febleu der konsensuellen
Augen bewegungen nach
beiden Seiten hin, ohne
Lähmung der einzelnen
Muskeln des oculomotori-
schen A])parateB. Nystag-
die linke Pu-
pille weiter als
die rechte. Be
aktionaufLicht
und Acc. sind
normal
Wscn , zählt
Finger auf
Eatfernung,
ipilleBcheinl
idert zu seLo^
i nicht zu
lülgvmeine Srbw&rhe, Mageti8chm«r<,die Wimd des III. V^ntrikeli, des Aquae*
duc'tQs Sylvii, sowie auch der Torderstp
Thcul ÜC& Bodeiis dru IV. Veütrikels Biod
in eitler Tieft' vini etwa 4 nun Avirith
ond von Eahln-ichco kleiDen Bluriinffu
diirrhsptstt ; nach nntca errciehen die*elbeü
nicht gftii36 die Miüc de» Poqb. Nerven-
kerne pcaund.
Krifte der diis centrftk H<iiilfiigniu de« TU. und IV.
ien. Starker Trinker, Schwache
der B< ine, JSchwt^reira Kopfe, anch
Schwäche der Arme, Belirien-B**-
uommenheit. rndeutlicIicSprachci
Cr4^mii5tcr- und Patclliirrcflcxej
fehlen. Krunkbeitj^duuer: 9 Tage
befund we-
chwierigkejt
ich nag nicht
Tunä und
normal
Tremor ling. et. man.
Arme vermindert, liehen des
rechten Bciofa sehr erschwert,
Fehlen derKniephünomeiis^ Plan-
tar- nnd Cremasterreflex links
schwa<?h. Störungen derSetisibili-
tät an den unteren Extremitäten^
Gang topi>end , Beiirimmenheit,
Alooboliemus, Wadenmusknlatur, {
etwas druekenipfinillich. Leiebte
linkaeitige FacmliKparese
AlkoholismuB. Bomnolenz. Gang
unsieher. Keine Ataxie. Atro
phie der innerCD Schenkel munkn-
lattir. Schwache Keflexe. P»re>ie
AlkoholismuM. Später linkneitige
llemipure»e, Schwindelgefühl, De-
ll riea. Starke Benommenheit
berraebt vor. Di^^ser Zustand
statkmiir, bis Tod an einei Lun-
genaftektion erfolgte.
Alköholismus Htreniins. Früher loe
tisch. Pwyehische Stürtiogeo^ Ab-
nahme d. Gedächtnisses. Schwäche
der unteren Extreniitiiten, Etu
pfindlichkeit der Nerven stamme
der unteren Extreniitiiten auf
Drucke Herabsetzung der Patel-
larreflexe
Ventrikels und des Aquaeductus jsI von
zahlreiehen punktfürmigen Iliimorrbairieu
liurchsetzt, Daa Gewebe gescb wollen ^
abnorm feurht. Im Cervikabnark sind
die meisten Theile iler Gtdl'scben i^t ränge
grau. Bedeutende Dilatation der Gefiinae
in der Oblnngata nnd besnuders im f^en-
tralgmu. Unter dem Aquaeductus An-
häufungen von nicht veränderten Blut-
körpiTcheu. Nervenkerne int-akt.^ Die
Nerven zeigten Vermehmrjg des inter-
stitiellen Gewebe«, be><nnder*i stark war
dasselbe in den Crura.leä zu sehen. Das
Mark sehr vieler Fasern war unregel-
miUsii? zerklüftet, der Äxencylinder un-
kenntlich.
Auf den Thalami stwei gegenüberstehende
kleine rot he Flecken mit punktförmigen
Hämorrhugicn besät. Die grmie Sub-
Rtauz der Brücke tief violett verfärbt.
Pia getrübt. Die Musktln und Nerven
der Augen noruiül. Kapilläre Ilämor-
rhagien in der Kern reg ion der Ahdu-
eentf^s und <)culonmtorii, in den Seiten-
r*'gionen der Brücke , ira verlängerten
Marke gegen die Wurzeln des Acuüticns
und des Abducens,
EDcephalomalaciii Üavu multiplex alteren
und neueren Datums. Die Arterien an
der Basis waren hochgradig atbi^romat^s
verändert, ebeuso die kleineren Gefässe,
Dai? gesammte Ilohlengrau vom Beginn
der RantengrnlH* an bis unter iMe vor-
deien Vif*rhügel war von isahlreichen
kleineu Blutungeo liurehsi'ttt Ein aus-
gedehnter Erweithuuk'sVierd hefand ."iieb
jin Gehiete des rechten N. oeulomoto-
fius; dieser hatte Kern und Fasern des-
selben zerstört und durcli sein Ueber-
greifen auf den rechten Ilirnschenkel
eine Parese der Unken Körperscite her-
beigeführt
Be«semng, n&mentllch der Augenma^kel-
störnngeii.
IS"
276
Die Ptosis bei der akuten
15. 0. Wiener, Prager med.
Woeb. 1895. Nr. 40.
le.Suckling, The Brit.
med. Joum. 1888. Mars
3. p. 464.
17. Herrnbeiser.ref.Neu-
rol. Centralbl. XIV. 954
leichte Ptosis
beiderseits
Ptosis, links
weniger stark
18. Eigene Beobachtung, Fall
Schneider. Abtheil ang
des Herrn Dr. Jolasse
beiderseits
Ptosis mitt-
leren Grades,
links stärker
als rechts.
Schluss der
Lider normal
19. Eigene Beobaehtung,FallI .<
Strabismus converg. am rech-
ten Auge, Schwäche bei-
der Recti extemi. Leichte
nystagmusartige Beweg-
ungen besonders bei maxi-
msden Bewegungen
rechterseits Ophthalmoplegi«
exterior. rechts Strabis-
mus diyerg.
Eng; rea^ren
auf Lidit
K. leichte
Ptosis
Zeitweise Divcrgenzstellung.
Auswärts- und Einwärts-
l)ewegung der Bulbi sehr
beschränkt
20. Eigene Beobachtung, Fall | beiderseits
III. Abtheilung des Herrn j leichte Ptosis
Dr. Jollasse
Doppeltselien; beiderseits blei-
ben die Augen bei der Be-
wegung nach aussen zu-
rück. Beim Fixiren oscil-
latorisch • nystagm. Zuck-
ungen. Gleichnamige Dop-
j)elbilder nach beiden
Seiten
Dop]>eIt8ehcn. Strabismus
converg. nystagm. Zuck-
ungen. R. Bewegung des
Bulbus nach aussen, nach
innen u. unten beschränkt.
eng, beiderseits
gleich, reagiren
träge auf Licht i
normal
linkilN
all rre
L. hochgrad. '
Miosis. I
Reaktion er-
halten. I
hftmorrhagischen Poliencephalitis aap.
277
igelbefand
mögen
Aetiologie und sonstige Symptome
Ausgang und Sektionsbefnnd
1 stark herab-
hthalmoskop.
Retina zalil
reifenförmige
ritis optica
»n Untersuch'
bei dem be-
[ Falle in der
Kahlreiche, in
im papillären,
la umfassen-
:elegen, kreis-
tanstritte und
Spritzer und
n den venösen
I, keine weis-
en
irt nicht. Der
■gelbefund
ruhe der Pa-
licht aufzu-
beiderseits
schwerer Potator. Delirien Hallu
cinationen, leichte Facialislähmung
rechts. Tremor. Nachschleppen
des rechten Beines. Rechtsseitige
Hemiparcse
Alkoholismus. Patcllarreflexe beider-
seits verschwunden, Plantarrefleze
gesteigert. Waden und ebenso die
hinteren Tibialnerven auf Druck
sehr schmerzhaft. Intellegen z sehr
verringert
Besserung.
Besserung namentlich der Augenmuskel-
störungen.
vollkommene Heilung.
Bef. nicht zu
Alkoholismus. Unruhe, linker Fa-
cialis gelähmt. Sprache schwer
vertsändlich. Ataxie massigen
Grades der Hände. Die Sensibili-
tät wegen Unruhe der Patientin
schwer zu prüfen. Die Nerven-
stämme an den Unterschenkeln
sehr druckempfindlich. Ganz
enorm schmerzhaft sind die Füsse
auf Druck. Kraft in den unteren
Extremitäten sehr herabgesetzt.
Die Patellarreflexe waren anfäng-
lich auszulösen, später verschwun-
den. Kein Fieber
Gefühllosigkeit im 1. Beine. Delirien
Tremor leichte beiderseitige Fa
cialispurose. Tremor man. Gang
unsicher. Das linke Bein schwächer
als das rechte
Delirien, dann Somnolenz, Nacken
Steifigkeit. Schwäche im ganzen
Facialisgebiet. Erbrechen. Kopf-
schmerz
Starkes Oedem der Pia ; dieselbe chronisch
verdickt. Im rechten Thalamus opticus
Blutungen kleinster Art. Im Pons und
der Kernregion makroskopisch keine Ver-
änderungen; mikroskopisch: der Ocolo-
motoriuskern in seiner ganzen Ausdehn-
ung, ganz besonders aber auch die nach
abwärts liegenden Partien der Kernregion
zeigen sich durchsetzt von zahlreichen,
verschieden grossen Hämorrhagien. Femer
fanden sich Ecchymosen im rechten Tha-
lamus opticus.
Besserung.
Im Höhlenprau des Aquaeductus Sylvii
und des IV. Ventrikels zahlreiche punkt-
förmige Blutungen.
R. eine grössere linsenförmige Hämorrhagie.
278 Die Ptosis beim Botulismus.
ß) Die chronische Bleivergiftung.
§ 108. Bei der chronischen Bleivergiftung, bei welcher schon an und für sich
das Vorkommen von Augenmuskellähmungen nach Ausweis der Tabelle XV
selten ist, finden wir nur zweimal Ptosis verzeichnet. Ob diese Lähmungen
peripherer Natur sind, oder zu den Nuklearlähmungen zählen, bleibt dahin-
gestellt, da keine Sektionsbefunde vorliegen.
y) Die Ptosis heim Botulismus.
§109. Unter den akuten Vergiftungen nimmt praktisch der Botu-
lismus (Wurst-, Fleisch- und Fischvergiftung) die erste Stelle ein. Ein bis zwei
Tage nach dem Genüsse verdorbenen Fleisches treten Uebelkeit, Erbrechen,
allgemeine Abgeschlagenheit, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Versiecben
der Speichel- und Thränensekretion nebst Sehstörungen auf. Als ständige
Erscheinung bei den Letzteren darf eine doppelseitige Lähmung oder hoch-
gradige Parese der Accommodation angesehen werden, meist begleitet von
Mydriasis und Ptosis. Bei den heftigeren Intoxikationen treten dann
noch Augenmuskellähmungen mit dem Charakter der Ophthalmoplegia
exterior zu den vorerwähnten Symptomen hinzu. Der ophthalmoskopische
Befund bleibt hier normal, und die Sehstörungen beruhen auf der meist
völligen Lähmung der Accommodation. Meist berichten diejenigen Autoren,
welche Massenvergiftungen zu beobachten Gelegenheit hatten, neben den
vorhin erwähnten Indigestionsbeschwerden über die okulare Symptomentrias:
der Accomraodationslähmung, der Mydriasis und Ptosis. Es ist daraus ersicht-
lich, dass die diese Vergiftungen verursachenden Ptomaine auch ganz besonders
leicht die dem Oculomotorius zukommenden Nervengebiete zu lähmen scheinen.
Vom Bewegungsapparat des Auges ist nach dem Oculomotorius der Abducens
am empfänglichsten für das Gift. Ob nun bei diesen Zuständen lediglich
eine Vergiftung der Nervenkeme vorliegt, und das Gift sich vorzugsweise den
Spezialkern für die Accommodation, die Pupille und den Levator auswählt,
oder ob der Befund ein ähnlicher, wie in der von Wernicke beschriebenen
Poliencephalitis superior ist, bleibt vorläufig dahingestellt. Jedenfalls halten
die Vergiftungserscheinungen und die okularen Störungen oft viele Wochen,
ja in einzelnen Fällen viele Monate an. Leider sind die zur Sektion ge-
kommenen Fälle offenbar nicht auf vorhandene Blutungen im centralen
Höhlengrau durchforscht worden. Ferner ist nicht zu eruiren, ob die Schluck-
beschwerden, und das Unvermögen Brod und sonstige, mehr trockene Bissen
hinunter zu schlucken, eine Folge der vorhandenen Pharyngitis bei vermin-
derter Speichelsekretion ist, oder ob auch hier durch Kemalteration die
Schlingbeschwerden verursacht worden sein möchten.
Auffallend ist jedenfalls die grosse Aehnlichkeit des Symptomenkom-
plexes der Fleischvergiftung mit dem der Atropinintoxikation.
Die Ptosis beim Botalismas. 279
In Tabelle XVI finden wir die Fälle von Botulismus, soweit uns
deren Litteratur zugänglich war, nach Symptomen geordnet.
Da es durchaus überflüssig erscheint, sämmtliche Arten akuter Intoxi-
kationen hier vorzuführen, so begnügen wir uns damit, noch der folgenden sechs
in der ophthalmologischen Litteratur bekannteren Fälle hier Erwähnung
zu thun:
Wir sehen, dass der Fall Wer nicke mit Schwefelsäurevergiftung ganz
den analogen mikroskopischen Befund ergab, wie die unter der Poliencepha-
litis haemorrhagica super, angeführten Fälle von chronischem Alkoholismus.
Tabelle XV, XVI und XVII
siehe umstehend.
280
Ptosis und AugenmuskelstOnmgen
Tabelle XV. Fälle von chroni
Antor uud Littoratur
1. Wadsworth, Boston med. a. surg.
Journ. 1885. Oct. 8. ref. Neiirol. Centn
1886. p. 10
2. Renaut und v. Stcllwag, ref. Du-
four 1. c. Obscrvat. 200—201
3. Galezowski, Recueil d'Ophth. 1877.
p. 264
4. Fall II
5. bei einzelnen Füllen
6. Landesberg, Med. Bull. PhUad. H.
p. 108 1880. ref. Jahresb. f. Ophth.
1880. 245 Fall I
7. Fall II
8. Fall III
9. Fall IV
10. Fall V
Ptosis
Augenmuskeln
PopOI
11. Ptosis
L. > E.
aktioil
L. A. horizontale Bewegungen
= null, Parese der Senker
R. A. Beschränkte Exkursion
nach aussen
hal)enwahrsoheinliehNukIear-
lähniungen bei ehren. Blei-
vergiftung beobachtet
UnvollständigeLähmung aller |
äusseren Augenmuskeln '
plötzlich unvollständige Läh- keine M
mung beider Abducentes asb
und des linken Oculomo- 1
torius
keine Augenmuskelstörungen I Mrüri
keine Augenmuskelstörungen -
R. A. Abducensparese
11. vollständige Lähmung der
äusseren Acstc des Oculo-
inotorius
R. M
11. V. ScbrrMler, A. f. O. XXXI I. 229. '
1885 '
beiderseits Abducenslähmung i
12. Bach, A. f. A. XXVI. 218. 1893.
I
I
beiderseitige j beiderseits Exophthalmus i beidene
PtO!<is I K. A. Lähmung des Ckrulo- solat
I motorius I
iL. A. Lälimung des Rectas
I extern, und Obliq. super. I
I
bei der chronischen Bleivergiftung.
281
iftnng mit Aogenmuskelstörungen.
m
Äugenspiegel-
befiiDd
SehTermdffD
Aatiologic uad sonitife Symptome
Ausgang uod Sektionttbefund
b^ideneJti
NGuritb optica
KopfochmerieD, UDbehügi^Ji, Uebelkrit, IfJlc
und Leberichwelliini]?. Augenbesehwer-
deOj chron. Bleivergiftong
mng
chron. ßlclverglfttiQg
chron. BklveiKlftang- EpUeptl forme An*
filk
-
sc
chroD. Bleirergiftuüg
betdcFü^it«
ScbDervena-
traphlß
ehron. Bleivprgifttmg
chron. Bleivcrgiftang
die bekantitPiL
Erechi^iiiuDgen
liciluDg,
ormal
chron. Bleivergiftung
Ifiilung,
Atrophia op*
ttca
bf'giuni'iide Ataxie nad
Gebtiin
VermiDdeniug de«
beiderseita
' Neuritis optica
chron. Bleivergiftung
Heilung.
I beiderseits ; Lähmung der Extensoren und Arme beider- Besserung.
I Neuro-retinitis i jeits. Bleivergiftung
Bluteztrava-
sate in der
Retina
I
tändig GesichUfeld Fehlen beider Kniephänomen, Ataxie beider
imt für Grau und
roll- , Koth einge-
lig schränkt
Beine. Neuralgie, gastr. Krisen. Urin :
Ei weiss- Bleivergiftung
282
Ptosis and AugenmnskelstOmogen
Autor und Litteratur
Ptosis
Aogcnmuskeln
Pqü
13. Lagleyzc, Clinique Ophth. Nr. 8.!
1896 1
R. LähmiiDg des Bectiu in-
ternus
14. Zinken ref. Arch. f. 0. XXXI I., i
238 1
R. Abducenslähninng
15. Meyer, ref. A. f. 0. XXXI. I. 239
Diplopie und Strabismus
16. Lunn, ebendaselbiit
vorübergehende Diplopie
17. Stood, Arch. f. Augenh. 1884. 3,
215, Fall 5
L. Abdncens gelähmt
bei der cbronischen BleiTergiftnng.
283
imo-
OD
I , l
Augenspiegel- |
befaud - Aetiologie nnd sonstige Symptome
Sebverm(')gen
I Kolik, Gliederschmerzen , Krämpfe, Kopf-
I schmerz. Schwindel, BleiTergiftnng
Ausgang und Sektionsbefund
Torübergehen- > lUeikolik
' de Anfälle von |
I Blindheit
Hemiplegie
Blindlieit.
i Atropkia nerv.
optici
NeurorHinitis.
Blindheit
Hemiplegie. Bleikolik
Stirnkopfschmerz. Bleivergiftung
Abnahme des ; Kopfschmerz. Delirien. Klon. Krämpfe
Sehvermögens
284
Ptosis und AngenmoskelstOningen
Tabelle XVI. lieber die Fälle von Angenmnsl
Autor und Litteratur
Ptofria
Augenmuskeln
1.
Cohn, Arch. f. Aug. IX. 2. 148
Fall I
2.
Fall II
1
St4
UI
3.
Fall III
(
1
4.
Fall IV
i
5.
Ilöring, Kl. Monatsbl. f. Augenh.
II. 235. 1864
1
1
6.
Scheby-Bucb, Arch. f. Ophthal.
XVII 1. 288. Fünf FäUe
Fall I Doppeltsehen
'f.
' R
1
1
7.
Förster, Graefe-Saemisch. VII. 179
beiderseits
Ptosis
beiderseits Abducenfl-
Ocnlomotoriusparese
1
und ' en
1
8.
Groenouw, kl. Monats!)!, f. Augenh.
XXVIII. 166. FaU I
1
1
9.
Fall II
1
■ wei
:akt
1
10.
Fall III
wei
11. Fall IV
I bi^iderseits | Beweglichkeit beider Bulbi et«
j geringe Ptosis , nach aussen und innen bc- atsg
schränkt R«i
12. Ulrich, kl. Monatsbl. f. Augenh. i
XX. 235. 5 Fälle I
13. Kra atzer, ref. Dufour 1. c. Observ. ; 11. komj>let
100. Fall I , L. inkouiplet
ireif c
14. Fall II
bei<lcrs«"its Diplopie. Parese des K«*ct.
leichte Ptosis , internus. —
.^
beim Botolismus.
285
urst-, Fleisch- und Fischvergiftimg. Botulismus.
UDO-
<on
Augenspiegel-
befand
Sonstige Symptome nnd Aetiologie
Aufgang und Sektionsbefund
limt
Erbrechen , DurchlalL Halsschmerzen.
Sohluckbeschwerden« Vergiftung durch
Wildpastete.
limt
Erbrechen, Schweiss, Durchfall, Magen-
schmerzen, Schluckbesohwerden, Pharyn-
gitis. Fischyergiftung.
imt
Schlingbeschwerden. Fischvergiftung.
imt
Erbrechen, Schlingbeschwerden, Magen-
be8chwerden,Trockenheit im Hals. Fisch-
yergiftung.
unt
Trockenheit im Schlünde. Wurstver-
giftung.
imt
Schluckbesohwerden , Trockenheit im
Schlünde, Magenboschwerden, Erbrechen,
Wurstvergiftung.
imt
Diarrhoe , Erbrechen , Brustbeklemmung,
Urinbeschwerden , Schlingbeschwerden,
Wurstvergiftung.
isch
Trockenheit im Halse, Schlingbeschwerden,
Mattigkeit in den Gliedern. Fleisch-
vergiftung.
adig
ach
Trockenheit im Halse. Fleischver-
giftung.
iftch
Trockenheit im Halse, Schlingbeschwerden,
Fleischvergiftung.
ach
Unbedeutende Herabsetzung des Lichtsinnes,
Durchfall , Halsschmerzen , Schlingbe-
schwerden, Pharyngitis, Urinbeschwerden,
Fleischvergiftung.
imt
Uebelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Kratzen
im Hals, Röthung der Conjunctiva.
Fleischvergiftung.
Störungen des Larynx und Pharynx, aU-
«emeine Muskelschwäche. Wurstver-
Sektion negativ.
giftung.
mt
Diplopie, wie ol)en Nr. 13. Wurstver-
giftung.
286
Ptosis und AagenmaskelstOnmgen
Autor und Litteratur
Augenmoikelii
Popi]
15. Kraatzer, ref. Dufour 1. c. Observ.
109 FaU ni
16. FeilchenfeldyCentralbl. f. Augenh.
1896. 154
17. Alexander, Centralbl. f. Augenh.
1888. 87. Fall I
18. Fall n
19. Eichenberg, J. f. O. 1880. 247
Fall I
20. Fall II
21. Gutmann, Berlin.
Nr. 8. 1890
Klin. Woeb
22. Höring, klin. Monatbl. f. Augenh
n. 235.
23. Rot h, Eulenberg, Viertel- Jahrsschrift.
XXXIX. 241.
24. Böhm, General Übersicht über die
"Sanitfitsver waltung i. Eönigr. Bayern.
XIV. 1880
25. Knies, ref. Jahr. f. Ophth. 1886. 258
26. Pedraglia, Bcitr. z. Augenh. III
p. 60. Fall I
27. Fall II
28. Leber, Arch. f. Ophth. XXVI. 239.
FaU I
beiderseita
Ptosis
beiderseits
Ptosis
Ptosis
R. massige
Ptoös
Ptosis
Auffällige Schwierigkeit aach
oben EU sehen. Neigung
zur Divergenz.
Beide Ocolomotor. in allen
Zweigen , Abdaoens und
Trocfalearis gelAhmt. Kon-
vergenz erhalten.
N. Ocnlomotorius und Abdu-
cens gelfthmt.
R. fast vollständige Lähmung
aller äusseren Augenmus-
keln. L. Lähmung der^
selben Muskeln mit Aus-
nahme desLevator.
weit» m
jedod
gdllui
trtgeB«
gdik
beiderseits Abduoenspareae.
Papin*
enreitcf
MTdiii
nittfsl
mieigrll
Dontf
beim Botulismns.
287
Augenspiegel-
befund
Sonstige Symptome und Aetiologie
Aufgang uud Sektionsbefnnd
Die Papillen
hyperämisch.
Rings um die
Sehnerven-
scheiben her-
um ist d.Netz-
haut graulich
getrübt.
I
^ !
t , normal
t normal
Diplopie wie Nr. 13. Wurstvergiftung.
Trockenheit im Hals, Durchfall, Hals-
schmerzen. Austernvergiftung.
Fischvergiftung (Hering), die be-
kannten Erscheinungen.
Fischvergiftung (Hering), die be-
kannten Erscheinungen.
Wurstvergiftung.
Wurstvergiftung.
Bedeutende Schwellung des Gesichts in der
Gegend der rechten Parotis, weniger in
der linken. Mattigkeit, Unbehagen.
Fl e i 8chvergiftung(G an se fleisch).
Trockenheit im Halse.
Wurstvergiftung.
Wurstvergiftung in einer Familie.
Trockenheit und zusammenziehendes Ge-
fühl im Hals. Fischvergiftung.
Trockenheit im Halse, Schlingbeschwerden,
Mattigkeit, Stuhl Verstopfung, Behinder-
ung der ürinentlecrung. Schwellung
des Gesichts in der Jochbogengegend.
Fleischvergiftung (Schinken).
Schluckbeschwerden, Trockenheit im Hals.
Verstopfung. Fleischvergiftung
(Schinken).
Kopfschmerz , Uebelkeit , Erbrechen , Tro-
ckenheit im Halse, Schluckbeschwerden,
Röthung des Gaumens.
Tod.
Ptosis und AagenmuskelstOiuDgen
Autor und litteratur
Ptods
Augenmuskeln
M
29. Leber, Arch. f. Ophth. XXVI. 239.
Familie: Vater, Mutter, Sohn
Ptosis
fand sich bei
allen dreien.
Bei dem Sohne,
welcher starb,
in höherem
Grade
Doppeltsefaen. Alle Augen-
bewegongen erfolgen sehr
träge und energielos
Mj«
30. do. Beobachtung 3
MD
31. Jnstinus Kern er, Tübinger Blätter
m. 1. 1817 u. 1820 beschreibt die
charakteristischen Störungen des Auges
als:
Ptosis
AugenmuBkeUAhmungen, be-
sonders AbduoensÜhmung
Mj*
32. Niedner, Berl. klin. Woch. Nr. 1
Doppeltsehen
Jlyd
33. Baumann, Württemb. med. Korre-
spond.-Bl. 1870. Nr. 22. 4 Fälle mit:
Ptosis
Mri
34. Nauwerk, Med. Morresp.- Blätter d.
württemb. ärztl. T^andesverein. 1886.
154. Zehn Personen erkrankten nach
dem Genüsse yon Würsten. Es wurde
beobachtet:
Ptosis
Uji
35. Flury, Schweizer Korrespond. - Bl.
Nr. 8 u. 9. 1885
Ptosis
Parese der Augenmuskeln
Mjd
36. Federschmidt, Generalübersicht üb.
die Sanitätsordnung i. Königr. Bayern.
XIV. 1880
b. einer Person
Parese des Le-
vator
bei 3 Personen Doppeltsehen
1
37. Pürkhauer, Bay. ärztl. Intelligenz-
blatt. Nr. 24. 1877
Ptosis
Doppeltsehen
i
Mjd
38. Hirschfeld, Viertel jahrschrift f.
gerichtl. Mediz. XLIU. S. 283
Ptosis
1
llTdl
39. Müller, Deutsche Klin. 1869 u. 1870
40. Brosch, Wiener klin. Wochenschr.
1896. Nr. 13
Ptosis
i
Mjdi
beim Botnlismus.
289
Augenspiegel-
befnnd
I
normal
Sonstige Symptome und Aetiologie
Ausgang und Sektionsbefund
Abgeschlagenheit in den Gliedern , Uebel- ' Bei einem Falle Sektion,
keit, Erbrechen , Durst, Trockenheit im I Keine organischen Ver-
Halse, Aufhebung der Speichelsekretion, | änderungen.
Obstipation, bellender Husten, Schluck- j
beschwerden, taumelnder Gang, Thränen-
abfionderung versiegt. Wurstvergift-
ung.
I
Uebelkeit, Erbrechen, Durchfall, Trocken- i
heit im Halse. Schluckbeschwerden. |
Wurstvergiftung.
Neue Beobachtungen über die in Württem-
berg so häufig vorfallenden tOdtlichen i
Vergiftungen durch den Genuss ge-
räucherter Würste: Aufhören der
Thränensekretion und die oben geschil-
derten Symptome.
Wurstvergiftung bei drei erwachsenen
Individuen.
Wurstvergiftung neben den bekannten
Erscheinungen.
Wurstvergiftung neben den ol)eu er-
wähnten Erscheinungen.
Fleischvergiftung. Fl. hat bei einer
grösseren Anzahl von in höchst dürftigen
Verhältnissen lebenden Individuen den
Symptonicncomplex des Botulismus beob-
achtet.
bei 22 Fällen von Wurstvergiftung
mit den bekannten allgemeinen Erschein-
ungen.
Vergiftung mit Wurst gif t:
bei 5 Fällen von Fischvergiftung.
Austernvergiftung.
Von 10 Personen starben
In einem letal verlaufenden
Falle war die Störung eine
doppelseitige.
3 Todesfälle.
mit Sektionsbefund.
^ilbrand-Saenger, Keorologie des Auges.
19
290
Tabelle XYII. AugeDmuskelstöroiigen nach
Tabelle XVII. AugenmuskelstöniBge
Aator und Litteratar
Augenmuskeln
1. Knapp, Arch. f. Aug. IX. 2. 229
2. Richards, Laocet. April 1878.
3. Fontau. Recueil d'Ophthalm. 1883.
309. ref. Jahrosb. f. Ophth. 1883. 605
4. Emmert, ref. Dufour 1. c. obs. 152
5. Dillingham, Ncm- York med. Ro-
cord Dec. 13. 664. 1890
6. W ernicke, Lehrbuch der Gehim-
krankheit II. 229. Fall II
keine Ptosis
Ptosis.
L. Ptosis
Ptosis von 10
bis 14tägiger
Dauer
die rechte Lid-
spalte etwas
enger als die
linke. Kann
die Lidspalte
nur auf 1 cm
öffnen
anfangs Parese, sämmtliehe jqiitcr
Muskeln beiderBulbL >^pi- wdt i
ter Hebung beider Bulbi
nach oben gestört. Stra-
bismus divergeDB
doppelseitige Oculomotorio»- beidf
Lähmung. R.Lfthmungdes
ReotuH internus, L. Lfthm-
ung sämmtlicher Äusseren ,
Augenmuskeln i
totale Lähmung des linken
Oculomotorius >
Zuckungen in den Endstel- f^6A
lungen, die Bewegung bei- trige B
der Augen nach links ist tif
bedeutend beeintrlchtigt ;
das linke Auge geht nicht
über die Mittellinie^ die |
Bewegungen nach rechts [
in ähnlicher Weise beein-
trächtigt,da8selbey erhalten
tritt bei Konvergenz herror
verschiedenen akuten Vergiftungsfällen.
291
denen akuten Vergiftungsfällen.
BCh
htigt
I Augenspiegel-
befund
Sehvennögen
Aetiologie und sonstige Symptome
Ausgang und Sektionsbefund
Sehvennögen
normal.beider-
aeito Ophthal.
nichts ab-
Doppels. Neu-
ritis, massige
Schwellung d.
PapiUe mit
streifenförmig.
Blutungen.
Abnahme des
Sehvermögens,
später beständ-
iges Flimmern
vor den Augen.
Zahlr. Blut-
ung in beiden
Retinae
Xohlendunstvergi f t u n g. Kopf-
schmerzen, Besinnungslosigkeit.
Biss einer Brillenschlange.
Nikotinvergiftung. Heftiger Kopf-
schmers und Schwindel, Schlaflosigkeit
und Verdauungsstörungen. Die Augen-
muskellähmungen waren plötzlich auf-
getreten.
Lähmung des linken Trigeminus und Fa-
cialis. Leuchtgasvergiftung.
Sulfo naive rgiftung.
Wenig energischer Augensohluss. Der
rechte Mundwinkel steht tiefer. Keine
Sensibilitätsstörungen. Grosse Müdigkeit.
Zeitweise Erbrechen, Somnolenz, Kopf-
schmerz, Steifigkeit im Nacken. Häufiges
Gähnen und Stöhnen. Schwefelsäure-
vergiftung.
Besserung.
Besserung nueh Abstinenz
Residuen der Schwefelsäure-
vergiftung. Auf dem Durch-
schnitte durch die central.
Gehimganglien sieht man,
soweit der IH. Ventrikel
reicht, iu den Wandungen
desselben zahlreiche kleine
punktförm. Hämorrhagien.
Die mikroskopische Unter-
suchung ergab, dass die
Blutungen meist in den
Gef ässcheiden lagen , die
kleinen Gefässe und Kapil-
laren waren sehr erweitert
und prall gefüUt. Die Ge-
fässwand ohne auffaUende
Veränderungen ; in der
Nähe der Blutungen über-
all Körnchenzellen.
19*
292 Die Ptosis bei der acut entstand. Ophthalmoplegie ohne anffindbaree Itidog. Mmm^
3. Die Ptosis bei der acut entstandenen Ophthalmopl^e ohne
auffindbares ätiologisches Moment.
§ 110. Wir sahen in den vorhergehenden Kapiteln, dass die akute Ophthil-
moplegie meist auf dem Boden der Intoxikation und Infektion entsteht, und
wir haben die Fälle mit annähernd sicherer Aetiologie hauptsächlich zusam-
mengetragen, um festzustellen, welche Rolle der Ptosis als klinischem Symp-
tom bei diesen Erkrankungen zukäme. Die ätiologische Bedeutung des
Traumas für die akut entstandene Ophthalmoplegie ist bis jetzt noch nickt
genügend nachgewiesen und begründet. So war dem früher angefahrtes
Gay et 'sehen Falle eine Kesselexplosion, dem Bruns 'sehen Patienten ein
Sturz vom Reck etc. voraufgegangen und hatte zu einer hämorrhagischen
Encephalitis geführt.
Wir möchten denjenigen Autoren beistimmen, welche annehmen, dass
durch das Trauma nur eine lokalisirte Prädisposition für dies Wirksamwerde^
und Einsetzen der im Körper schon vorhandenen pathologischen Noxe ge-
schaffen werde, möge letztere nun in einem organisirten Keime oder einem
toxischen Agens bestehen. Wir beziehen uns hiebei auch auf die Unter-
suchungen über die Aetiologie der Endocarditis (564), die der eine von uns
im Verein mit Dr. Eug. Fraenkel seinerzeit angestellt hat.
Abgesehen von den durch die vorher genannten ätiologischen Momente
bedingten akuten Ophthalmoplegien existirt nun eine ganze Reihe akut ent-
standener Augenmuskellähmungen, deren ätiologisches Moment in Dunkel
gehüllt ist, und die wir wegen der dabei vorkommenden Ptosis noch einer
Betrachtung unterziehen müssen.
Einen in diese Kategorie gehörigen Fall von akuter Polioencephalitis
ohne auffindbare Aetiologie theilt Wolfe (551) mit. Bei einem 39 jährigen
Kranken entwickelte sich akut eine totale beiderseitige Ophthalmoplegie mit
Ptosis, sowie Diplegia facialis. Es bestand Romberg und Ataxie, welche
Erscheinungen zurückgingen. Der Fundus oculi war normal.
Etter (403) beobachtete einen ebenfalls in Heilung ausgehenden Fall
bei einem 27jährigen Mädchen, bei welchem sich in wenigen Tagen eme
Lähmung aller Augenmuskeln, beider Faciales, Accessorii, totale Schlucklahmnug,
Sehschwäche bei normalem Augenhintergnmd und Gesichtsfeld entwickelt hatte.
H. Salomonsohn (556) berichtet über einen Fall von Polioencephalitis
acuta, bei dem weder Alkoholismus, noch Lues, noch Trauma, noch eine ander-
weitige Intoxikation vorlag. Ein 25 jähriger Mann^ der bisher gesund gewesen
war, erkrankte plötzlich mit Mattigkeit, Schwäche und andauerndem Stira-
kopfschmerz. Vier Tage später traten wiederholt Anfälle von Schüttelfrost
und Erbrechen auf. Stupor. Doppelseitige Ptosis. Strabismus coä-
vergens. Linker Abducens gelähmt. Unbeweglichkeit des Auges beim Blick
nach oben. Die linke Pupille weiter als die rechte. Später Nackensteifigkeit,
starker Stupor, Retentio urinae; Pupillen eng und reaktionslos. Doppcl-
Ptosis bfi der acut eutstaud. Oplitlialoiople^ie obue aufliudbareä ätiolog. Momentu 293
titige komplete Ptosis. Wiederholtes Erbrechen. Nach 15 Tagen
SUige Heilung. —
Ueber i.^inen geheilten Fall von Poliencephalitis mit Ptosis. Ophthal-
loplegia totalis und Lähmung des Facialis und Hypoglossus berichtet
ruibert (398), Hierbei ist zu enviibnt-nj dass Zneker im Urin gefunden ▼
irde.
Oppenheim beschreibt folgenden, von Bruns beobachteten Faü^ bei
(reichem der Autor die Diagnose nicht mit Sicherheit stellen konnte, sondern die
löglichkeit einer traumatischen Spätapoplexie ins Augö fasste. Ein 13 jähriger
ibe erkrankte zwei Tage, nachdem er beim Turnen auf den Kopf gefallen
mit Erbrechen und heftigem Kopfschmerz. Drei Tage später war er
Dfös, hatte einen langsamen unregelmässigen I*iils^ eine rechtsseitige peri-
phere Facialislähmijng, leichte Dy.sartbricj Nystagmus und linksseitige
P t o s i s. Ferner bestand eine linksseitige Hemianästhesie und Hemiataxie,
Heiniparesis auf der linken Seite. Es trat Fieber mit Dyspnoe und unregel-
mässiger Herzaktion dazu. Vom 9. Tage anzeigte sich eine Besserung, welche
allmäldich zur Heilung führte.
Ausser den schon erwähnten findet sich noch eine ganze Reihe solcher
Fälle von akuter Poliencephalitis in der Litteratur verzeichnet, welche wir
bei dem grossen wissenschaftlichen Interesse, welche diese noch ganz unklaren
Beobachtungen darbieten, in Kürzt? liier noch anfügen wollen.
So beobachtete Berry (Ö45) bei einem 2'/ä Jahre alten Kinde nach
Husten unter Kopfschmerz das Auftreten einer Ophthalmoplegia exterior,
welche in Besserung überging.
I Landesberg (546) berichtete von einem 40jährigen Manne^ dass derselbe
eine doppelseitige Abducenslähmung bekam, die nach P/s Monaten heilte.
Erb (547) sah bei einem 12jährigen Knaben gan^ plötzlich Lähmung
der Recti extemi und interni auftreten, welche nach 13tägiger elektrischer
Behandlung wieder verschwand.
Nie den (548) beobachtete eine doppelseitige Lähmung der Hect. sup.
und Oblifp inferiores, die eines Morgens ohne auffindbare Ursache und Kom-
plikation entstanden war. Die Lähmung verschwand bald wieder vollständig.
Du f nur (549) berichtet von einem 26jährigen Menschen, bei dem ohne
erkennbare Ursache plötzlich eine Lähmung beider Recti interni aufgetreten
war. Die folgenden Tage nahm auch die Schwerbeweglichkeit nach oben
und unten zu. Mit Ausnahme des Rect. inf. und Oblifp sup, waren alle
Muskeln schliesslich gelähmt. Fünf Wochen darauf erkrankte Patient an
akuter Peritonitis. Während dieser Krankheit besserte sich binnen 14 Tagen
die Ophthalmoplegie bis zur Heilung. Die Pupillen waren normal. Bei einem
anderen i''aile Dufour's handelte es sich um einen 23jährigen Menschen,
welcher des Morgens beim Aufstehen über Kopfschmerzen klagte. Gegen
i Abend trat Doppeltsehen auf. In den folgenden Tagen bestand Uebelkeit
und andauernde Somnolenz. Der auf die Stirn beschränkte Kopfschmerz
vermehrte sich. Die Bewegungsstoningen der Augen wurden täglich stärker.
<
I
294 Die Ptosis bei der acut entstand. Ophthalmoplegie ohne an£6ndlMu:es itiolog.
Schliesslich waren dieselben ganz bewegungslos. Es bestand eine sehr
leichte Ptosis links. Das rechte Auge schien etwas prominent zu mt
Pupille und Accommodation waren normal. Seit Beginn der Augenstonmgen
verlor Patient auch den Geschmack. Nach Verlauf eines Jahres trat TöDip
Heilung ein.
In Dufour's Arbeit (549) sind zwei von Haab gemachte Beobachtunpii
erwähnt, die zwei kräftige junge Leute betrafen, welche ganz plötzlicli toh
kompleter Ophthalmoplegia exterior befallen wurden, ohne andere Symptome
und ohne erkennbare Ursache.
p]inen recht bemerkenswerthen Fall theilt Goldzieher (552) mit: Eil
6 jähriger Knabe machte eine Stägige fieberhafte Krankheit dnreh. Seitdem
war er sehr schläfrig. Es trat eine doppelseitige Ptosis und Lähmung
sämmtlicher Oculomotoriuszweige mit Ausnahme derjenigen, welche die Bimien-
muskeln versorgen, ein; ferner eine Abducensparese.
'Goldzieher nahm eine hämorrhagische Entzündung der grauen Sub-
stanz in der Nähe des III. und IV. Ventrikels an; die Sektion ergab eine
tuberkulöse Geschwulst in der Höhe der Kerne der motorischen Angen-
nerven.
Bei einem 14 Monate alten Knaben beobachtete Goldzieher (5Ö3)
linksseitige Ptosis und Bewegungslosigkeit des nach aussen gerichteten
linken Auges. Das rechte Auge konnte kaum nach rechts bewegt werden
und blickte beständig nach innen. Femer bestand eine linksseitige Facialis-
lähmung. Pupillen und Augenhintergrund waren normal. Da das Kind
skrophulös war, so nahm Goldzieher in diesem Falle eine tuberknlöf«
Poliencephalitis sup. an.
Hock (553) stellte einen 40jährigen Kranken vor, bei dem plötzlich
eine beiderseitige Lähmung sämmtlicher Augenmuskeln mit Ausnahme des
M. sphincter und ciliaris aufgetreten war. Im 14. Jahre hatte Patient eine
Nekrose des Unterkiefers. Hock nahm als Ursache der Ophthalmoplegie eine
Pachymeningitis basilaris an (?).
0. de Speviller (557) berichtet von einem 4jährigen Knaben, bei
welchem sich nach 8 tägigem mit geringerTemperatursteigerung einhergehendem
Unwohlsein eine komplete linksseitige Oculomotoriuslähmung mit Ptosis
innerhalb 12 Stunden entwickelt habe. Die Pupillen waren maximal erweitert
Nach 4 Wochen war völlige Heilung eingetreten.
Chavernac (554) beobachtete bei einer Mesocephalitis acuta ein-
seitige Ptosis.
Co 11 ins (558) berichtet über eine Lähmung der äusseren Augenmuskeln
bei einem 7jährigen Kinde, welches im Coma 5 Wochen nach Beginn der
Erkrankung zu Grunde ging.
Cheney (555) publizirte einen Fall von akuter doppelseitiger Ophthalmo-
plegia exterior und interior, welche bei einer 33 jährigen Frau 10 Tage nach
ihrer letzten Entbindung unter heftigen Schmerzen sich eingestellt hatte.
Beiderseits bestand eine Ptosis und eine Injektion der Papillen, deren
Ptosis bei der acut entstand. Ophthalmoplegie ohne auffindbares fttiolog, Momeut- 295
izen verschwommen ersfliieiieii, zugleich war das Sehvermögen herabgesetzt.
Ilmählich gingen die Lähmungserscheinimgen zurück.
Einen sehr interessanten Fall von akuter einseitiger Ophthalmoplegie
It Kossolimo (559) niitgetheilt, den wir in einem späteren Kapitel noch
^tuhdicher mittheilen werden, da derselbe auf encepbalomalacischer Grund-
?e beruht.
Wir selbst verfügen über folgende eigene Beobachtungen hinsichtlich
iit auftretender Ophthalmoplegien ohne au flind bares ätiologisches Moment,
Fall L Eine 64 jährige Frau, die vor 2 Jahren eine kurz vorüber-
gehende Psychose hatte, erkrankte plötzlich mit Schwindel und Unsicherheit
t>eim Gehen, Die Untersuchung ergab links eine leichte Ptosis, eine
Parese des linken Al>ducens und beider Kecti inferiores.
Die linke Pupille war etwas weiter als die rechte. Die Reaktion war
erhalten. Beim Sprechen war eine Ungleichheit des Mundfacialis zu konstatiren.
Es bestanden leichte Schluck- und Sprachstörungen, Die Sensibilität w^ar
intakt. An den ReHexen war niclits Besonderes nachweisbar. Ebenso verhielt
sich das Gehör, der Genich und Geschmack normal. Beim Gehen schwankte
die Patientin etwuxs nach rechts. Ferner war sehr' auffallend, wie rasch
Patientin beim Sprechen ermüdete. Es sei speziell noch hervorgehohen, dass
Lues und Alcoholismus nicht nachweisbar waren, und dass, wie Herr Dr. Otto
Meyer mittheilte, Patientin gegenwärtig geheilt ist.
Fall II. Ein 42 jähriger, früher ganz gesunder Mann klagte seit 8 Tagen
über Schwindel, sodass er nicht ordentlich geben konnte. In letzter Zeit
wurde er beim Treppensteigen knrzhiitiger.
Bei der Untersuchung machte Patient einen etwas stumpfen, schläfrigen
Eindruck. Das linke obere Lid hing herab; der linke P>ulbus konnte
nicht nach oben, nicht nach innen, etwas nach aussen und nach unten bewegt
werden. Das rechte Auge war nach aussen abgewichen und konnte nicht nach
innen und schlecht nach oben gewendet werden. Nach allen Riehtungen, in
welchen eine Bewegung möghch war, traten nystagmische Zuckungen auf.
Die linke Pupille war eng und reagirte gut; die rechte war mittelweit
und bewegte sich träge. Der Fundus oculi war beiderseits normal. Links
war eine Parese des Mundfacialis zu konstatiren. Ferner war am linken Unterarm
eine Abstumpfung der Sensibilität vorhanden zugleich mit Abscbwächung
des Händedrucks.
Sonst war nichts Pathologisches von Seiten des Nervensystems nach-
zuweisen.
Es ist noch zu bemerken, dass die Herzaktion unregelmässig und
beschleunigt, und dass an der Mitrabs ein dumpfes Geräusch vorhanden war.
Nach Mittheilungen des Hausarztes Herrn Dr. Otto Meyer ist kurze Zeit
nach Erhebung des obigen Status der Patient plötzlich gestorben.
Fall IIL Der Güte des Oberarztes Herrn Dr. Jollasse verdanken
wir nachfolgenden FalL den wir mikroskopisch zu untersuchen Gelegenheit
hatten.
296 Die Pfcosis bei der acat entstand. Ophthalmoplegie ohne auffindbares iftiokg.
Der 14jährige Arbeiterssohn K. M. B. konnte seit 8 Wochen yor Anf-
nähme ins alte allgemeine Krankenhaus nicht mehr ordentlich gehen. FrilMr
war er nie krank gewesen, ausser dass er häufig an Kopfschmerzen und im
letzten Jahr an Zuckungen in den Armen und Beinen gelitten hatte. Hereditir
war er nicht belastet. Trauma, Potus, Lues waren nicht nachweisbar.
St. pr. am 1. September 1897: Der blasse, magere Junge hat
stupiden Gesichtsausdruck und klagt über Zuckungen in den Armen und Beisen.
Die Temperatur war 37,7. Puls 100 und kräftig und die Athmung ruhig und
gleichmässig. Die Reflexe waren sämmtlich vorhanden, die Patellarreflexe
beiderseits lebhaft. Die Hände und Finger waren in andauernder Bew^mig
begriffen. In den Armen, den Beinen, im Gesicht und am Hals traten einzehs
Muskelzuckungen auf, welche sich verstärkten, sobald Patient beobachtet wurde.
Diese Zuckungen betrafen meistens nur einzelne Muskeln und waren an den
unteren Extremitäten weniger stark als in der übrigen Körpermuskalatur.
Der Patient ging unsicher, zögernd und mit gespreizten Beinen.
Die Untersuchung der inneren Organe ergab einen normalen Befoni
Der Urin war frei von Zucker und Eiweiss.
6. September: Patient lässt Stuhl und Urin unter sich; ist somnolent;
antwortet nicht. Leichte Ptosis rechts.
7. September: Patient delirirt vor sich hin; choreatische Zuckungen^
Secessus involuntar. Pupillen eng, reaktionslos. Sehnen- und Hautreflexe
vorhanden. Hämoglobingehalt 80®/o.
8. September: Die rechtsseitige Ptosis ist unverändert. Patient ant-
wortet heute, ist über seinen Aufenthalt im Krankenhaus orientirt. Die
Lumbalpunktion ergab eine wasserklare Flüssigkeit. Formelemente waren
mikroskopisch nicht nachweisbar. Anfangsdruck 210; nach 4 com 160. Im
Ganzen wurden 6 ccm entnommen.
Abendtemperatur 37,8. Retentio urinae.
9. September: Die rechtsseitige Ptosis nimmt zu. Somnolenz. Secessus
involuntar.
10. September: Das rechte obere Augenlid bedeckt jetzt ^/s der Cornea.
Patient kann nicht schlucken; ist heute klarer.
Augenhintergrund ist normal. Der Patient fällt beim Aufrichten nach
der linken Seite. Er klagt über starke Kopfschmerzen.
11. September: Somnolenz. Des Morgens Expektoration von eiteriger
Flüssigkeit. Exitus letalis.
Sektion am 12. September.
Schädeldach von normaler Dicke. Gehirnwindungen etwas abgeflacht.
Pia zart. Flüssigkeit in den Ventrikeln nicht vermehrt. Makroskopisch an
der Hirnsubstanz ausser einer leichten Hyperämie nichts Abnormes nach-
weisbar. (Pons und Medulla wurden behufs mikroskopischer Untersuchung
eingelegt.)
Im Spinalkanal vermehrte Flüssigkeit. Rückenmark nicht sichtlich
verändert.
Die Ptoai» bei der Polioeucepbalomyelitis acuta und subacuta. 2^
Im Uebrigeo fanden sicli frisdie lobuläre Heerde in beiden Longen .
Die njikroäkopiscbe Üntersnchung des in Miiller'selier FliLssigkeit
gehärteten rräparates zeigt eine hämorrhagiscbe Ent-eplialitis m\ centralen
Höhlengrau des Aquaediict. Sylvii und des vierten Ventrikels. Es handelte
sich hierbei nicht um einen kontinuirlichen Heerd, sondern um kleinere,
disseminirte, nur mikroskopisch sichtbare, bestehend aus Itundzelleninültraten
in der Uragebiing der (ietasse. Letztere erschienen stark erweitert und
«trotzend mit Blut gefüllt. Ausserdem fanden sich nocli in der Umgebung
; der Gefässe, sowie auch hie und da im Gewebe kleine Hämorrhagien. Die
^■Arterienwände waren nicht verändert.
^k Auf einem Schnitt durch das obere Ende des vierten Ventrikels befanden
^■Dch mehrere Hämorrhagien dicht unter dem Ependym. In der Oculomotorius-
^^^emregion w^ar keine Ilämorrhagie zu finden, jedoch eine ausserordentliclie
starke Füllung des Gefässnetzes. Die Ganglienzellen schienen nicht selir
verändert zu sein, da bei den meisten die Form und der Kern noch deutlich
erkennbar blieben. Auch wurden nir«?;ends Komchenzellen gefunden.
Auf eineui Schnitt durchs hintere Ende der Brücke zeigte sich in der
Substantia reticidaris ein kleiner umschriebener Heerd, bestehend in zelUger
Intiltration ohne Blutung. Ausserordenthch zahlreiche ausgedehnte Hämor-
rhagien fanden sich auf einem Schnitt in der Höbe der austretenden sensiblen
QuintuswurzeL Auf der einen Seite oberhalb der gekreuzten Trigeminus-
Wurzel befand sieh eine längliche querverlaufende Blutung ins Gewebe, Am
beträchtlichsten verändert war die Gegend der Briickenfasern. Daselbst waren
mächtige hämorrhagische Infiltrationen ins Gewehe vorhanden, die zum Theil
eine Zerstörung desselben herbeigeführt hatten. Auch in der Umgebung der
mächtig erweiterten Gelasse waren vereinzelte Blutungen zu konstatiren. Auf
einem Schnitt in der Höbe des Faciahsaustrittes zeigte sich eine grosse Blutung
dorsal von der einen Pyramide,
Kurz, es handelte sich hier um eine hämorrhagische Encephalitis bei
einem 14jährigen Knaben, ohne bekanntes ätiologisches Moment,
Bezüglich des Vorkommens von Ptosis bei dieser letzterwähnten Ab-
theilung von Fällen ist zu env ahnen, dass die Levatorlähumng unter 22 Fällen
überhaupt nur 3 mal vermisst Tv^irde. Bei 10 Fällen wurde die Ptosis doppel-
seitig, in 8 Fällen einseitig konstatirt; bei einem Falle blieb es zweifelhaft,
ob eine Levatorlähmung vorhanden gewesen war. Was die Intensität der
Ptosis anbelangt, so war dieselbe meist leichten bis mittleren Grades.
4. Die Ptosis bei der PoHoencephalomyelitis acuta und subacuta*
S 111. In einem früheren Kapitel haben wir die Fälle von Polioencephalo-
myelitis mit chronischem Verlauf, wie sie von Guinon und Parmentier,
Rosenthal u, A, geschildert worden sind, eingehend betrachtet und dabei
hervorgehoben, dass noch nicht genügende Anhaltspunkte für die Annahme
eines entzundhchen Prozesses vorlägen. In den meisten der Fälle dürften
298 Die Ptosis bei der Polioencephalomyelitis acuta und sobacata.
degenerative Vorgänge den Krankheitsbildern zu Grunde liegen. Anders
verhält sich die Sache bei den Fällen mit akutem und subakutem Verlauf.
Hier handelt es sich meist um eine hämorrhagische Encephalitis, bei der das
Nervenparenchym sowohl an den Ganglien wie den Nervenfasern schwer
geschädigt erscheint.
Hierher gehört ein Fall von Goldf lam (410), eine 30jährige Schusters-
frau betreffend, welche unter heftigen Hinterhauptskopfschmerzen eine doppel-
seitige Ptosis mit Diplopie acquirirt hatte. Darauf stellte sich eine allgemeine
Schwäche ein, die allmählich in eine hochgradige Parese und beinahe völlige
Paralyse zuerst der oberen, dann der unteren Extremitäten überging. Es
gesellten sich noch Schluckbeschwerden, Behinderung der Sprache und
dyspnoetische Anfälle hinzu. Nach 8 monatlichem Bestand der Krankheit war
ihr Zustand höchst bedenklich: die Kräfte verfielen, die Athmung wurde
frequent und oberflächlich, der Puls klein und beschleunigt (140) bei hoch-
gradiger Temperatursteigerung ; schliesslich war die ganze willkürliche Musku-
latur beinahe gelähmt und es traten bulbäre Erscheinungen der bedrohlichsten
Art auf. Jedoch trat Besserung ein und 2 Monate später verliess die Patientin
geheilt die Klinik.
Goldf lam weist in der Epikrise darauf hin, dass der Charakter der
Lähmung, die athrophischen Zustände der Muskeln, die Herabsetzung der
elektrischen Erregbarkeit, Trägheit der Zuckung bei galvanischer Beizung,
Schwinden der Sehnenreflexe bei Intaktheit der Sensibilität etc. auf einem
Prozesse in den grauen Vordersäulen hindeuteten.
Einen Fall von echter akuter Poliencephalomyelitis, der nach 1^/2 Monaten
letal ausging, theilte 1895 Kaiser (560) mit. Ein 20 jähriger, früher stets
gesunder Tischlergeselle erkrankte plötzlich mit Kopfschmerzen, Schielen und
Doppeltsehen. Dazu gesellten sich Schwindelanfälle, Schlingbeschwerden, skan-
dirende Sprache und taumelnder Gang. Es waren neben einer Lähmong
beider Externi auch die beiden inneren geraden Augenmuskel betroffen, wenn
auch nicht im gleichen Grade. Im Grossen und Ganzen war die Lähmung
des linken Auges stets stärker ausgesprochen als rechts. Von Anfang an
bestand Ptosis links. Während der Krankheit war Patient somnolent, gegen
das Ende der Krankeit wurde er komatös. Ferner bestand eine totale Parese
des linken Facialis, eine Herabsetzung der Schmerzempfindlichkeit in der
rechten Gesichtshälfte (mit Aufhebung des Cornealreflexes).
Einen sehr merkwürdigen Fall beobachtete Knapp (561). Bei einem
32 jährigen Manne, welcher vor 8 Jahren luetisch war, trat nach einem Exzess
in Baccho gleichzeitig Amaurose und aufsteigende Körperlähmung auf. Am
15. Krankheitstag entwickelte sich eine beiderseitige Ophthalmoplegie» zu der
am 17. Tag sich eine Bulbärparalyse hinzugesellte. Am 21. Tag trat der
Tod ein. Die Sektion ergab eine gänzliche Erweichung der Lendenanschwellung
und des oberen Dorsalmarkes ; Chiasma, Tract. u. n. optici waren geschwollen,
weich und röthlichgrau. Die Arterien zeigten hyaline Verdickung der Intims.
Die Ptosis bei der Pölioencephalonojelih's acuta ütid siibivcuta. tifJ9
Opticus war eine Eedarteriitis und Rundzelleninfiltration vorhanden,
<ilosso[»liaryngeus, Vagus und Hypoglossus betheiligten sich später in progessiver
Weise an der Erkrankung, Am letzten Lel»enstage trat eine völlig schlafte
Lähmung des rechten Aruies auf.
Bei der Sektion fand sieh eine mit enormer Hyperämie und vielen
EKtravasattonen einhergeliende entzündliche Aftektion vor, die in ziemlich
l^aiitTiiilig symmetrischer Weise uni da.s distale Ende des dritten Ventrikels,
Kden Aijuäduct und den vierten Ventrikel lokalisirt war, mit einem Wort, eine
^■Erkrankung des gesammten centralen Hiihlengraus mit den darin gelegenen
^Kernen ausser dem Facialiskern und der Suhstantia gelatinosa der auf-
stiäigendeu Trigeminuswurzel, sowie einige wenig umfängliclic Zerstürungen
von weissen Fasermassen. Im Rückenmark fand sich in der C'erviealan-
sehweHung in der Hülie des 4. und 5. ('ervikahierven eine Degeneration der
(tanglit-nzellen im reclitenVorderhoi ii : Zerstörung des Fasernetzes, Erweiterung
der Getasse, deren Wandungen intiltrirt w^ircn und mehrfache kapilläre Blutungen.
Hervcvrzuhehen ist nodi, dass auch von der an das Vorderhorn angrenzenden
weissen Suhstanü ein schmaler Saum zerstört war.
Einen analogen F^all, der in Heilung üherging, veröfl'ent lichte Oppen-
heim (512). ^Ein lojäliriger Knahe erkrankte im Mai 1891 mit Kopf-
schmerz, leichter Benommenheit und nur wenige Tage anhaltender Tenipe-
ratursteigerung. (tleichzeitig stellte sich Ptosis und eine im Laufe von
ea. 14 Tagen sich vervollständigende Ophthalmoplegia exterior ein. Nach Ablauf
der ersten Woche wurde die Spraclie näselnd, und traten Setdingbeschwerden,
Respirationsstörungen und eine Schwäche der Extremitäten hinzu. Als
(Jppenheim den Patienten ca. fünf Wochen nach Beginn des Leidens unter-
suchte, fand er Folgendes: Konndete Ophthalmoplegia exterior bei normaler
Funktion der Binnenmuskeln. Ptosis b i l a t e r a 1 i s , eine erliehliche Schwäche
der Orbiculares palpebrarum , geringe Schw äche der Lippenmusketn , Parese
und Atro]jhie der Zungenmuskeln, Dysarthrie» Dysphagie und Lähmung des
tiaumensegels mit erloschener Retlexerregbarkeit ; Tachycardie, diffuse Parese
der Arme mit vorwiegender atrophischer Lähmung der kleinen Handmuskeln,
partielle Entartungsreaktion in diesen, sowie in der Zungenmuskulatur, massige
Schwäche der Beine und Erhöhung des Kniephänomens. Das Sensor ium war
zur Zeit der rntersuchung frei, der Patient hatte weder Fieber noch Kopi-
schmerzen. In der Folgezeit trat eine allmählich fortschreitende Besserung aut>
lui .lahre 1895 hatte Oppenheim (413) einen anderen in diese Kate-
gorie gehörenden Fall publizirt, den er selbst folgendermassen resümirt:
^Im Dezember des Jahres 1886 erkrankte der rüstige und vorher gesunde
Mann (27jähriger Unteroffizier) mit Kopfschmerz in der Stirngegend, nach
einigen Tagen sah er doppelt. Sofort wurde — obgleich Syphilis nicht
vorausgegangen war — eine Schmierkur eingeleitet. Daliei verschlechterte
sich der Zustand, es trat doppelseitige Ptosis und Lähmung der
äusseren Augenmuskeln hinzu, wenige Tage später Erschwerung des Schlingens
und Kauens, sowie Sprachstörung und schliesslich Schwäche in allen vier
300 Die Ptosis bei der Polioencepbalomyelitis acata and subacata.
Extremitäten. Als er etwa zwei Monate nach Beginn des Uebels iB ik
Nervenklinik aufgenommen wurde, fanden sich alle Erscheinungen einw
Poliencephalomyelitis. Es bestand nämlich eine vollständige Ophthalmopkgia
biiateralis externa bei normaler Funktion der Augenbinnenmuskeln; eine
Parese beider Faciales mit besonderer Betheiligung des Augenschliessmoskels,
eine Parese des Gaumensegels, indess hatten sich die Schlingbeschweiden
bereits zurückgebildet. In den Armen und Beinen war die Muskelkraft in
Allgemeinen etwas herabgesetzt, insbesondere aber betraf die Schwäche die
Interossei, so dass Patient beispielsweise nicht im Stande war, den vierten
und fünften Finger aneinanderzubringen. Die elektrische Untersuchuiig
zeigte quantitative Abnahme der Erregbarkeit in den Orbiculares palpebrarain
und Interossei, keine Entartungsreaktion. ^
Oppenheim begründete seine Diagnose der Poliencephalomyelitis und
hob hervor, dass eine Ursache nicht festzustellen war. Das Einzige, was
ermittelt werden konnte, bestand in einer Kopfverletzung vier Jahre vor
Ausbruch des Leidens, dessen Rekonvalescenz sich über Jahre erstreckte.
Als einziges Residuum war eine Parese einzelner Zweige des rechten Oculo-
motorius zurückgeblieben.
Eich hörst (406) berichtete von einem Kranken mit Poliencephalo-
myelitis, welcher beiderseits eine Ptosis, links eine Abducensparese und
Lähmung des rechten Internus, beider Recti sup., Obliqui inf., Recti inf. und
Obliq. sup. darbot. Daneben bestand eine atrophische Spinallähmung, eine
linksseitige Facialislähmung, doppelseitige Hypoglossus-, Vagus, und GIosso-
pharyngeusparese.
Einen sehr bemerkenswertlien Fall von subakuter Poliencephalomyelitis
theilte Kaiischer (562) mit. Bei einem 64 jährigen, bisher gesunden Manne
trat ohne bestimmtes ätiologisches Moment (vielleicht Gram, Ueberanstrengung,
Tabacksmissbrauch) erst rechts und kurz darauf auch links eine Ptosis
mit vorübergehender Diplopie auf. In wenigen Tagen waren alle äusseren
Augenmuskeln paretisch resp. paralytisch. Dabei fehlten alle Allgemeiner-
scheinungen wie Fieber, Kopfschmerz, Neuritis opt., Erbrechen, Schwindel,
Benommenheit u. s. w. und die anderen Hirnnerven waren frei bis auf eine
Schwäche im rechten unteren Facialis. Fast gleichzeitig, vielleicht 2--3
Wochen später, trat eine schlaffe, symmetrische Parese resp. Lähmung erst
der untereren und dann der oberen Extremitäten auf; später wurden auch
die Rumpfmuskeln betroffen. Dabei bestand Verlust der SehnenreÜexe ohne
Ataxie, ohne Veränderung des Lagegefühls. Die faradische Erregbarkeit der
nicht atrophischen, gelähmten Muskeln war herabgesetzt resp. aufgehoben.
Anscheinend lag keine Entartungsreaktion vor. Fibrilläre Zuckungen fehlten.
Die Sphinkteren blieben intakt; objektiv konnten keine Sensibilitätsstörungen
nachgewiesen werden, obwohl eine geringe Druckempfindlichkeit der Nerven-
stämme und leichte Parästhesien in den Händen zeitweilig auftraten. Nach
jinfänglich progressivem Verlauf blieb die Lähmung stationär und zeigte
I
Die Ptosis bei der Polioencepbalomyelitia acut« und subacuta. 3t)l
Remission en in ihrem allgemeinen Verlaufe. Abgesehen von diesen tnit stets
nach Ruhe und besonders morgens eine vorübergehende Besserung der Lähm-
ungen ein, der jedoch eine schnelle Erschöpf bar keit und Eniiüdung folgte.
4*/« Monate nach dem Beginne des Leidens trat der Tod ziemlich plckzlich,
anscheinend an einer Respirationslähmung ein. Die Sprache, das Schlucken,
sowie die psychischen Erscheinungen waren unbetheiligt geblieben. Der ana-
tomische Befund ergab Getasserkrankun^ sowohl im Rückenmarke, wie in
dem höher oben gelegenen centralen Hoblengraii, Durch letzteres erstreckten
sich tiefässdilatationen und Blutungen in mehr oder weniger intensivem und
extensivem Grade. Danehen fanden sich Ganglienzellenentartungen. Dieser
Fall zeigt, wie Kaiisch er hervorhebt, theils Beziehungen zu den priniär-
atrophischen degenerativen Prozessen, theils zu den vaskulären, hämorrha-
gischen Ent/iindungen der grauen Substanz des Rückenraarks (Poliomyehtis
acuta) und des Mesencephalon (Poliencephabtis sup. haemorrhagica Wer nicke).
Fall I. Gegenwärtig beobachten wir einen in diese Kategorien gehör-
enden Fall in der Praxis des hiesigen Arztes Herrn Dr. Hermann, der uns
die Publikation in dankenswert her Weise überlassen hat.
Es handelt sich um eine 30jährige Frau aus gesunder Familie, die bis
IHUO stets gesund gewesen war, ausser dasa sie etwas an Bleichsucht gelitten
hatte. 1896 liekani sie 10 Tage nach einer normalen Entbindung ohne
Fieber Schmerzen, anfangs in den Beinen, dann im rechten und später im
linken Arme. Nach einigen Tagen war eine komplete rechtsseitige Radiahs-
luhmung mit Entartungsreaktion im konstatiren. Dabei war die Hand- und
der Armriicken auffallend geschwollen. Der Druck auf den N. radialis sowohl^
wie auf die Streckmuskeln am Unterarm war schmerzhaft. Nach neun Tagen
trat eine ähnliche aber leichtere Affektion am linken Arm auf. [Dieser Fall
ist von Saenger in seiner Arbeit über Neuritis puerperalis (563) beschrieben.!
Nach einer Reihe von Wochen war völlige Heilung eingetreten und
Patientin war bis Februar 1H98 gesund. Zu dieser Zeit hatte sie eine Fehl-
geburt mit grossem Blutverlust. Seitdem war sie etwas leidend und anämisch
gew^orden. Letzteres wahrscheinlich durch häutige, wie sie angab, menstruelle
Blutungen bedingt.
Am 8. September 1898 bekam sie einen Obnmachtsanfall und fühlte
sich sehr matt.
Am 10. September trat nach einer grösseren Wagenfahrt Kopfschmerz
und Düppeltsehen auf. —
Am 12. September konstatirte Herr Dr. Herrmann auffallend enge
Pupillen, die weder auf Licht noch Accommodation reagirten, Sie waren
beiderseits gleich. Ferner bestand eine totale linksseitige Facialislähmung
und sowohl motorische wie sensible Störungen im linken Arm, Der rechte
Rectus sup. und Abdiicens sollen damals gelähmt gewesen sein. Nachzutragen
wäre noch, dass sämmtliche Kinder gesund zur Welt gekommen sind, dass
weder Lues, Potus, Yergiftung, Infektionskrankheit noch ein Trauma dem
Leiden vorhergegangen war.
302 Die Ptosis bei der Polioencephalomyelitis aeata und sabacuta.
Am 29. September konstatirten wir bei der sehr anämischen Frau eint
doppelseitige Ophthalmoplegie und zwar konnte Patientin mit beiden Augen
nicht nach oben sehen. Ebenso war die Bewegung nach unten und dit
Fähigkeit zu Konvergiren aufgehoben. Mit jedem Bulbus allein vermocht!^
sie noch nach oben, nach unten und nach der Seite geringere Bewegungen
auszuführen. Eine Ptosis bestand nicht, wohl aber eine PupillendifferenL
Die linke Pupille war doppelt so weit, wie die rechte. Beide reagirten deut-
lich auf Licht. Daneben zeigte sich eine deutliche linksseitige Accommodations-
parese. Während Patientin Druckschrift links nicht lesen konnte, Termodite
sie dies rechts und erkannte Finger in der ganzen Länge des Zimmers. Bei
der Untersuchung mit dem rothen Glase gab Patientin gekreuzte Doppelbilder
mit Höhenabstand an.
Der Augenhintergrund war beiderseits normal. Es bestanden weder Schlack-
noch Sprachstörungen. Gehör, Geruch und Geschmack waren nicht gestört. Der
Facialis erschien schlaff, das Gesicht hatte etwas starres; jedoch konnte es
beiderseits innervirt werden, wiewohl der rechte Mundfacialis schwächer
erschien. Im Trigeminusgebiet war ausser einer Druckempfindlichkeit an
der Austrittsstelle des N. infraorbitalis nichts zu konstatiren. Femer war
unter dem linken Unterkieferrand ein kleines schmerzhaftes Knötchen vor-
handen.
Ganz auffallend war die Schwäche der Nackenmuskeln, die nicht gespannt
erschienen, und ferner die Klage über Schmerzen im Nacken und linken Arm.
Ganz ähnlich wie 1896 war die Streckseite des Unterarmes etwas geschwollen
und schmerzhaft auf Druck. Die Kraft der linken Hand war deutlich herab-
gesetzt gegen rechts. Vorderarm- und Tricepsreflexe waren beiderseits lebhaft.
Die taktile Empfindung war in allen drei Nervengebieten des Unterarmes
herabgesetzt ; dagegen war die Schmerzempfindung erhalten bis auf eine kleine
Zone auf der Mitte der Streckseite des Vorderarmes. Atrophien, fibrilläre
Zuckungen waren nicht vorhanden. Druck auf die Nervenstämme war links,
speziell in der Fossa supraclavicularis schmerzhafter als rechts. Auf Ataxie
war wegen der Schmerzhaftigkeit nicht zu prüfen.
Was die unteren Extremitäten betrifft, so war die grobe Kraft beider-
seits normal. Es bestand keine Ataxie. Die Sensibilität war nicht gestört.
Die Patellarreflexe waren beiderseits gesteigert. Fussclonus konnte man auf
beiden Seiten produziren ; links leichter als rechts. Die Plantarreilexe waren
beiderseits gleich.
Am 4. Oktober 1898 war links eine deutliche Ptosis zu konstatiren.
Die Bewegung des linken Bulbus war nach oben beschränkt ; nach aussen
erreichte der äussere Corncalrand die äussere Kommissur unter nystagmus-
artigen Zuckungen. Der Blick nach innen und nach unten war ebenfalls
beschränkt.
Der rechte Bulbus konnte nach aussen und unten noch bewegt werden,
dagegen nicht nach innen.
Üie rechte Pupille prompt. 1
mehr zu koTistütiren.
rEs bestanden gekreuzte I>uppelbilder nach links. Der Augenliinter^nmd
ar normal. Die Papillen erschienen blass.
Der Hiindedruck war links schwächer gewortlen. Wej^en zu gross^er
chmerifihat'tii^keit konnte keine elektrische Untersuchung; unf^estellt werden.
Patientin war auffallend schläfrig, hatte einen kleinen l>eschleunigt.en
Puls; keine Teinperatursteigerung, keine Schluckstönmgen, siirach sehr leise
und klagte über Nackensch merzen.
SiB bekam Xatr. salicyL, da^^ Üir 1896 von grossem Nutzen gewesen
war. Am 5. Oktober war Patientin komatös, hatte Erbrechen und Puls-
verlangsaniung.
In den nächsten Tagen erholte sie sich. Das Salicyl nmsste ausgesetzt
werden. Am 13. Oktober war der Puls 96. Patientin war immer noch
sehr scldäfrig. Die linke Lidspalte war noch enger als die rechte.
Es bestand Strabismus divergens o. d. Die rechte Pupille war sebr erweitert»
während die linke sich beträchtlich verengert hatte. Beiderseits bestand
reflektorische L i c h t s t a r r e ; mehrmals geprüft auch mit Refl exsp iegel .
Das rechte Auge konnte gar nicht nach oben, nicht nach aussen, nicht nach
unten, w^ohl aber nach innen, jedoch nicht ausgiebig und mit nystagmischen
Zuckungen bewegt werden.
Das linke Auge konnte nicht nach oben, schwach nach innen und nach
unten, besser nach aussen unter Nystagmus bewegt werden. Patientin konnte
weder konvergiren, noch nach oben und unten blicken. Am besten nach der
linken Seite iiin. Es wurden gekreuzte Doppelbilder mit Hühenabstand nach-
gewiesen. Der Augenhintergrund war normal. Leber Nackenschmerzen klagte
Patientin nicht mehr. Sie war subjektiv in ganz leidlicher Stimmung, fragte,
wann sie aufstehen könne. In Iiezielumg auf das Sehen fühle sie Besserung,
ebenso betreffs des Armes, Der Händedruck links war sehr herabgesetzt:
der Handrücken war etwas geschwollen. Die Sensibilität erschien nicht
wesentlich alterirt. Die PatellarreHexe waren beiderseits gesteigert; links
mehr als rechts. Links bestand Fiissklonus, rechts nicht. Auffallend war
die fortwährende Neigung zu .schlafen; ferner als neues Symptom eine links-
seitige Parese des Mundfacialis, Zungen-, Schluck- und Kaubew^egung war
intakt. Patientin wurde galvanisch behandelt und möglichst gut ernährt:
Milch etc. Am 15. Oktober stellten sich zum ersten Male Schluckstörungen ein.
Am 16. X. bestand doppelseitige Ptosis. Beim Versuch, die Augen
m öffnen, w'urden beide Frontales inner\ irt. Beide Bulbi waren bewegungslos.
Der linke stand nach aussen in der Ecke.
Die rechte Pupille war über mittelweit, die linke stark verengt. Beider-
seits bestand reflektorische Licht starre.
Die Untersuchung war sehr erschwert durch die Somnolenz der Patientin,
die Urin und Koth unter sich liess. Auf eindringliches Anrufen speziell von
304 Die Ptosis bei der PolioencepIialoiDyelitis acnta und sabacata.
Seiten ihres Mannes, dessen Stimme sie besser versteht, kam sie den Auf-
forderungen nach : so bewegte sie die rechte obere und untere Extremität ganz
gut, hingegen die linke obere und untere Extremität kaum noch. Patellar-
reflexe waren beiderseits vorhanden , rechts schien er lebhafter zu sein ak
links, wohingegen links noch Fussklonus auszulösen war.
Nadelstiche wurden überall als schmerzhaft empfunden.
Die Verordnung bestand in Einleitung einer Inunktionskur und in
Fortsetzung der elektrischen Behandlung.
Fall IL Durch die Güte des Oberarztes Herrn Dr. Sieveking waren
wir in der Lage, folgenden Fall mikroskopisch zu untersuchen, den wir in
vivo nur einer kurzen Untersuchung unterziehen konnten, da die Sonmolenz
der Patientin eine sehr tiefe war.
Am 15. Dezember 1897 verlor die 37 jährige Frau A. das Bewusstsein.
Nachdem sie dasselbe wiedererlangt hatte, konnte sie zuerst nicht scharf gehen
und bekam im linken Arme ein Gefühl von Ameisenlaufen. Am 25. Dezember
wurde sie in's Krankenhaus Bethesda aufgenommen. Daselbst konnte eine
doppelseitige Ptosis, wechselnde Divergenz der Bulbi, normaler ophthal-
moskopischer Befund und herabgesetzte Kraft im linken Arme konstatirt
werden. Das Sensorium war in den ersten Tagen leidlich klar; dann ent-
wickelte sich eine auffallende Apathie, welche allmählich in Somnolenz über-
ging. Vom 6. Januar an war die Patientin soporös; am 9, Januar fieberte
sie bis 38; dabei hatte dieselbe 140 Pulse und 20 Athemzüge in der Minute.
Am 10. Januar 39®. 156 Pulse und 28 Respirt^tionen.
Am 11. Januar stieg die Temperatur bis 40,6, der Puls auf 156. An
diesem Tage trat der Exitus ein.
Als bemerkenswerth ist aus der Krankengeschichte hervorzuheben, dass
zuweilen Andeutung von Nackenstarre vorhanden, und der Gang in den ersten
Tagen etwas taumelig war. Sie verschluckte sich öfter; die Sprache war
erschwert, undeutlich und in letzter Zeit lallend. In Beziehung auf die Sensi-
bilität, die Keilexe, Sphinkteren, konnten keine Störungen nachgewiesen werden.
Auffallend war der Wechsel in den Erscheinungen, besonders hinsichtlich
der Augenmuskelstönmgen. Als wir die Patientin sahen, konnten wir eine
doppelseitige Ptosis und Ophthalmoplegia exterior konstatiren. Die Binnen-
muskeln waren frei. Der Augenhintergrund zeigte sich normal. Wegen der
Schläfrigkeit der Patientin konnte die nöthige. eingehende, speziell elektrische
Untersuchung gerade im Hinblick auf die Unterscheidung von der asthe-
nischen Bulbärparalyse leider nicht vorgenommen werden.
Bei der Sektion war ausser einem ziemlich reichlichen Blutgehalt des
Gehirns keine wesentliche Veränderung zu konstatiren. Die Pia erschien
zart, ebenso die Gefässe an der Basis. Im Rückenmark zeigte sich weder
eine Erweiclmng noch Blutung. Der Himstamm, der N. oculomotorius, die
Augenmuskeln, speziell der Levator palp. sup. wurden einer mikroskopischen
Untersuchung unterworfen. Die betreffenden Stücke waren in Müll er scher
Flüssigkeit gehärtet worden.
»
Sit Ptosis b«i der Polioencephalomyelitis acuta und aubacuta, 305
Obwohl die Untersucbung noch nicht abgeschlossen ist, so hat doch die
mikroskopische Durchmusterung der Ociiloraotoriuskeniregion bereits so inter-
essant« Details er^^eben, dass wir dieselbe jetzt schon mittheilen und betrefts
des gewonnenen Befundes auf den am Ende des I. Bandes erfolgenden Kach-
Btrag venA^isen. In hohem Grade auffallend war die ganz ausserordentliche
" Erweiterung der Oefässe. Arterien und Kapillaren waren strotzend mit Blut
f gefüllt. Die Lymph scheiden der kleineren Gefiisse waren erweitert und prall
H mit Rundzetlen ausgestopft, so dass im Hiimatoxylinpräparat Jedes Gefäss
^ von einem blauen Rundzellenmantel umhüllt schien. Meistens waren in der
Nähe der (ie fasse Blutungen von verschiedener Grösse zu konstatiren. In
einigen Präparaten lagen dieselben jedoch auch frei im Gewebe. In der
Gebend des grosszelüg lateralen Kernes waren deutliche Rundzelleninfiltrationen
nacliziiweisen. Die Ganglienzellen färbten sich sehr schwer und waren nur
undeutlich zu erkennen; manche waren aufgequollen, hlass, glasig glänzend.
Höchst bemerkenswerth zeigte sich das Verhalten der Oculomotoriuswurzel-
fasem. Während dieselben auf der einen Seite bei ihrem bogenförmig ge-
schwungenen Durchtritt durch den rothen Kern und das hintere Längsbündel
total degenerirt waren, indem sie deutlich körnigen Zerfall zeigten, waren
die Wurzelfasem auf der anderen Seite zum grössten Theil normal; nur die
medialen Bündel waren degenerirt.
In der Gegend des rothen Kernes und des hinteren LängsbündelSj w^ar
die üenissveränderung beinahe ebenso stark, wie im centralen Höhlengrau.
Daselbst war die Hyperämie der Gefässe mit ihren Rundzelleneinscheidungen,
Hämorrhagien und Rundzellenanhäufungen am mächtigsten entwickelt Die
Untersuchung des Levator palpebr. super, und des N. optic- ergab
normalen Befund. Die Durchforschung des Pons und des Rückenmarks steht
noch aus.
Jedenfalls handelt es sich im vorliegenden Falle um eine hämorrhagische
Encephalitis, die man wegen ihrer Lokalisation und der Art ihres Auftretens
als eine akute Poliencephalomyelitis bezeichnen muss*
Ob die schon frühzeitig aufgetretene Ptosis in diesem Falle fascikalärer
und nicht nuklearer Natur war, lässt sich nicht entscheiden.
In den angeführten Fällen von sicherer Poliencephalomyelitis acuta und
subacuta sehen wir bei allen eine Ptosis auftreten; und zwar in acht
Fällen doppelseitig und in einem Falle einseitig. In unserer ersten Beobach-
tung war die Ptosis zuerst auf der einen Seite, nachher auf beiden Seiten
konstatirt worden. Ferner sehen w^ir, dass bei der Poliencephalomyelitis
acuta ein ähnlicher Wechsel der Erscheinungen vorkommen kann, wie bei
der asthenischen Bulbarparalyse. Jedoch unterschied sich derselbe nach
unseren Erfahrungen dadurch, dass die Symptome, speziell die Ptosis, am
Morgen bei der asthenischen Bulbärparalyse geringer entwickelt war, als am
Abend, was wir in unseren Fallen von Poliencephalomyelitis nicht
konstatiren konnten.
Wilbrand- S&eD ger, Neurologie dca Auges. 20
306 Die Ptosis bei der Polioencepbalomyelitis acuta und mibacata.
Ein Hauptkriterium in der Unterscheidung beider Krankheiten dürfte,
wie auch Oppenheim hervorhebt, in dem Verhalten der Muskeln g^en den
elektrischen Strom liegen, indem deutliche qualitative Störungen der Erregbar-
keit für Polioencephalomyelitis, die myasthenische Reaktion jedoch
für die asthenische Bulbärparalyse sprechen dürfte. Jedoch darf nicht
vergessen werden, dass auch die multiple Neuritis in Beziehung auf die
Erscheinungen sehr viel Aehnlichkeit mit der Poliencephalomyelitis acuta
haben kann, und dass sich beide Prozesse miteinander kombiniren können,
wie sehr wahrscheinlich in dem Falle K. aus unserer eigenen Beobachtung.
Sehen wir doch hier bei einer Frau, die nach einem normalen Wochenbett
an einer Neuritis und Neuromyositis medialis erkrankt gewesen war, zvei
Jahre darauf die Erscheinungen einer akuten Poliencephalitis sup. et inf.
auftreten, zugleich mit einer schmerzhaften Anschwellung der Muskeln im
1. Radialisgebiet, genau so wie vor zwei Jahren. Weil infolge der grossen
Schmerzhaftigkeit eine elektrische Untersuchung nicht möglich war, und die
Patientin noch unter Beobachtung steht, so konnte die Diagnose bei einer
Krankheit, welche täglich noch wechselt und vor- und rückschreitet, zur Zeit
noch nicht mit voller Sicherheit gestellt werden.
Wie wir früher schon erwähnt haben, liegt in der Somnolenz ein beide
Krankheiten unterscheidendes Merkmal, indem beinahe in allen Fällen von
Encephalitis in der Gegend der Oculomotoriusregion die Schlafsucht ^ so
hervorragendes Symptom bildet, dass Mauthner sogar daraufliin seine Theorie
des physiologischen Schlafes aufgebaut hat.
§ 112. Bei keiner anderen Krankheit finden wir den Oeulomotorius auf
dem langen Wege von den Augenuiuskeln durch das Stamm-, Wurzel- und
Kerngebiet bis zu dem t^upponirten Riodencentrum des Levator hin so häufig
und in so mannigfacher Weise aftizirt, wie bei der Lues in iliren Spätformen
und in dem metasyphih tischen Stadium bei der Tabes und der Paralyse.
Wenn wir bedenken, dasts durch gummöse Neuritis, durch Meningitis,
durch Periostitis, durch Blutungen, durch Erweichungen und vorübergehende
Emiibrungsstorungen von Seiten erkrankter Bhitgefasse, femer durch gum-
möse Tumoren und durch primäre und sekundäre Degeneration das Stamm-,
Wurzel- und Kemgebiet des Oculoniotorius sanimt den von ihm versorgten
Muskeluj sowie das Kindenfeld für den Levator und dessen Leitung erkranken
können, so wird unser Interesse bei dieser Krankheit nicht allein durch eine
solche Mannigfaltigkeit der pathologischen Aeusseningen und ihrer Angriffs-
punkte in hohem Grade gefesselt, sondern noch vielmehr durch die Viel-
seitigkeit der klinischen Symptome, sei es aus dem Nervmuskelgebiete des
Oculomotorius selbst, sei es durch Komplikation derselben mit krankhaften
Erscheinungen anderer gleichzeitig durch die Syphilis affizirter Nerven-
und Gehimpartien,
Ausserdem sind es gerade die von luetischen Aflektionen des Oculo-
motoriusstammes bewirkten klinischen Symptome einer isolirten Ptosis
und einer isolirten Ophthalmoplegia exterior, welche die für gut fimdirt
gehaltene Lehre Mau thn er s (565) von den Nuklearlähmungen so erschüttert
haben, dass wir zur Zeit weder eine stichhaltige Definition, noch ein gültiges
diagnostisches Moment für eine supponirte Nuklearlahmung anzuführen ver-
mögen. Und wenn durch eine gummöse Veränderung lediglich des Oculomotorius-
Stammes eine isolirte Ptosis als einzige Lahmungsfonn von Seiten dieses
Nerven thatsächlich beobachtet wird, so darf man diese diagnostische Er-
fahrung wohl auch auf andere Nerven übertragen und wird dem v, Grae fe-
schen Satze, dass die Erkrankung eines Nei-venstammes auch eine Lähmung
aller von ihm versorgten Muskelgebiete zur Folge haben müsse, nur eine be-
dingte Gültigkeit fürderhin zuerkennen w^ollen. Zudem möchte wohl keine
Wilbrand-SAengcr, Neurologie des Auges. I. Bd. II. AbtheUaiif. 21
ä
308 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
andere Krankheit bei differential-diagnostischen Erwägungen so häufig in
Betracht kommen, als gerade die Syphilis des Gehirns und des Rückenmaib.
Wie bei den seitherigen Erörterungen neben der Ptosis auch des Zn-
standes des Gesammtoculomotorius gedacht wurde, so werden wir audi in
diesem Kapitel der Betrachtung der Levatorlähmung die Besprechung der
syphilitischen Lähmungsformen aller Zweige desNervus oculomotorius zu Grande
legen, dabei aber jeweilig die Bedeutung der syphilitischen Ptosis in klini-
scher und pathologischer Hinsicht besonders hervorheben.
§ 113. Bezüglich des Vorkommens der Oculomotoriuslähmung bei der
Syphilis finden wir in der ausgezeichneten Arbeit Uhthoff's (566) folgende
Angaben: Auf 167 Autopsien von cerebraler Lues kamen Affektionen:
des optischen Apparates in 101 Fallen,
der Oculomotorii y, 66 „
der Abducentes ;, 29 „
der Trochleares y, 6 „
der Trigemini ;, 25 „
Ferner kamen auf 259 Fälle von Himsyphilis überhaupt 90 Affektionen der
Oculomotorii. Hiervon war 16 mal die Oculomotoriuslähmung einseitig mit
gekreuzter Körperlähmung, 37mal bestand eine doppelseitige und 37nuü
eine einseitige Oculomotoriusparalyse.
Eleneff (567) sagt über Augenmuskelstörungen bei der Himsyphilis
Folgendes: „Oculomotoriuslähmungen kommen an Häufigkeit nach den Stö-
rungen am Sehnerven. Sie können vollständig und unvollständig sein. Die
Lähmung der interioren Augenmuskeln ist häufig bei Syphilis mit Greistes-
störung verknüpft. Unvollständige exteriore Ophthalmoplegie kann durch
einen Herd am Schädolgnmde erzeugt werden. Einseitige gemischte Ophth&i-
moplegie (Symptome von interiorer und exteriorer Ophthalmoplegie) ist sehr
häufig bei Himsyphilis. Die Lähmung anderer Himnerven ist seltener. Zu-
nächst folgt der Abducens."
Coli ins und Wilde (568) stellten 141 Fälle von Ophthalmoplegie zu-
sammen. In ^/s war die Ursache Syphilis.
§ 114. Im Allgemeinen gehören die Augenmuskellähmungen zu den Spät-
erscheinungen der Lues, wiewohl dieselben auch im Frühstadium dieser Krank-
heit zur Beobachtung kommen können. Jedoch fanden Wi Ihr and und
Staelin (569) unter 200 sicher konstatirten Fällen aus der Frühperiode
keinen einzigen Fall von Augenmuskellähmung.
S aenger (699) beobachtete bei einem 24jälirigen Eutscher, der sich im Juni 1890
inficirt hatte, fünf Monate später eine linksseitige Ptosis; femer eine Lähmung des
M. rect. int., rect. in f. und sup. auf der linken Seite. Die linke Papille war etwas
nach oben verzogen und weiter als die rechte, die Lichtreaktion war bei derselben, ebenso
wie die Sehschärfe und der Augenhintergrund in Ordnung. Acht Tage vor Eintritt der
Ptosis hatte Patient an heftigen Kopfschmerzen gelitten. Ungefähr in derselben Zeit bekin
er an der Streckseite der Unterschenkel und hinten an der Haargrenxe eine AnxaU
pustulöser Knotensypbilide. Ferner Psoriasis plantaris dextr.
Bei energischer antisjphilitischer Behandlung war schon am 5. November die Ptosis
bedeutend zurückgegangen, ebenso die Lähmung des Rect. sap. und int. Der Beet io^
Dl© Ptosis bei der cerebralen Sjpbüiß.
309
war noch aitizirt. Am 11. Deiember bestanden noch nach rechts hin in der Horizontaleböno
g«kreu2t6 Doppelbilder.
Am 8. Januar 1891 war jede Sti^nrog an den Augen verschwunden.
Serebrennikowa (703) theilt einen Fall mit, wo bei einem 2Djährigen Manne
Inf Monate nach sy pbilitiHcher Infektion sich starke Kopfschmerzen einstellten
ad einen Monat darauf das linke Auge vollständig erblin<lete und nach weiteren 10 Tage»
daa rechte.
Ausser der doppelseitigen Amaurose bestand Oculomotoriustäbmang, Olfactor iua-
pare^e, Parese des linken Trigemiiiusastes. Ophthalmoskopische Veränderungen fehlten voll-
ständig. Tod nach 18 Tagen trotz energischer Kur. Die Autopsie ergab an der Gehirn^
tkAsis zwei gummöse Neubild imgen, von denen die eine grössere (von der Grösse einer
Wallnuss) gleich hinter dem Chiasma über dem Tractus opticus ainister lag, die andere
halb so grosse mehr rechts gelegen war. Das Taber einer, war auch von dem gi'össeren,
theils zerfallenen Gumma ergriffen.
Wir sind ferner in der Lage folgenden Fall eigener ßeohachtung mit Ptosis und
Augenmuskelläiimungen aus der Frühperiodo der Lues hier anzuführen.
A, R.» ein SOjähnger kräftig gebauter Mann, hatte sich vor 10—12 Wochen inficirt.
fis entsiand ein Ulcus am Penis mit Sekundärersebeinungen. Seit 14 Tagen Eecidiv mit
Ail88chlmg an den Beinen. Seit vier Tngen Augenniuskelstörungen auf dem linken Auge und
Ptosis, nachdem er bereits seit acht Tagen an heftigen Kopfschmerzen gelitten hatte. Linka
besteht eine Ptosis mittleren Grades bot Lähmung des Rectus internus, inferior und snperior.
Die linke Pupille etwas nach oben verzogen und um ein geringes weiter als die rechte;
sie reagirt jedoch auf Licht. Sefaschfirfe beiderseitig normal, ebenso der ophthalmoscopische
Befund. Schmierkur. Yßllige Wiederherstellung nach acht Wochen. Daa übrige Nerven-
»jitem war volüg normal geblieben.
J§ 115. Bekanntlich offenbaren sich die syphilitischen Affektionen theils
als entzündliche resp. hyperplastische, theils als spezifisch gummöse. Auch
geben sie Veranlassung zu rein degenerativen Vorgängen im Nervensystem.
Wiewohl nun die hereditäre Lues im Allgemeinen wenig zu Gehirnkrank-
heiten disponirt, so werden doch klinisch und pathologisch -anatomisch auch
ganz die gleichen Affektionen des Oculomotorius bei der kongenitalen
Syphilis beobachtet. So unter anderen in den Fällen von Lepine (570),
Lawford (571), Gajkiewicz (572), von Graefe (573), Chiari (574),
T hier seh (575), Zappert (576) und Siemerling (648).
§ 116. Wir treten nun der Frage näher, in welcher Weise sich die
gfpMlis an den einzelnen OerfliehkeiteB des oettlomotorischen Neryniuskel-
apparates patUologtsi^h-anatamisHi und klinisch zu äussern pfteg^t. Aus
Gründen der Zweckmässigkeit beginnen wir mit den bezüglichen Krankheits-
zuständen an und in der Orbita.
a) In seltenen Fällen giebt eine für sich bestehende
Tarsitis laetica
durch chronische indolente Infiltration des Tarsus mit Schwellung, Verlänge-
rung und Schwere des Lides Veranlassung zu einer Pseudo -Ptosis.
21»
310
b\i^ Ptosiä Itt'i der üerelirolen Bypliills.
h) Die Periostitis des AiigeiiliUhieii rundes mit ^iiintnösen Wueherung^fl in
die Orliita liiueiin
Als eiüe Lieblingsstelle für giinimöse Tcriotitis ist vor allem hier A&
obere Rand der Aiigenböhle zu erwähnen. Eine schmerzhafte Gescbwuki
wölbt die Haut zwischen Augenbraue und dem Sulciis orbito-palpebralis sui»erior
liervor und bewirkt theils durch
Sehwcdhing eine verraehrtÄ
Schwere des Oberlides, theils
durch direkten Druck auf das-
.selbe eine leichte Ptosik
^^^^^^^^^^ In Fig. 64 geben wir die
I ^^^^^^^^^^^Ä Abbildung eines derartigen
Falles:
N. N., sa Jalire alt, Eäm
liälterin, hatte mit 15 J«]if«B mam
Auäät^hlag Liliff Hea ganjEeo KStftf.
Damals auch Fiiior, sorisi nickte
von Lues zit ertiiren. Hait iwesaii
geboren, dii^ Kinder leiten oocK Hte
Abort, Patientin klagte wtii Atm
8ommtir 1898 üWr Scbroerzeti u
der rechten Schläfe tmeli Kumm
über dem rechten Auge. Im Jdi
1ÖU8 vert^chlimmerten dich di«aelto,
auch hing seitdem das OI>erlid «t«ai
herunter uod zwar des Morgm
stärker als des Ahends. Seit J«B
auch zuweilen Doppeltselien.
St. praes. M&äsige Ptosis
recht». Der olfere Lidraod ist ia
seinen äusseren zwei I>rtttelJi w^
dru(!kempfiadlich und geachwolttxt.
Der tastende Finger fablt njiter dem
Orbitahaiide an dieser Stelle em
schmerzhafte Yerdickung. Beim Blick nach oben und unten hat Patientm gleichB&mift
Doppelbilder von atypischem Charakter. Heim Treppensteigen Schwindel. An der rediten
Seite des Halses besteht seit 14 Tagen eine geschwollen© Drttse von etwa HaaelDUSfgTöax.
Auf der Überlippe einige abgeheilte Rbagaden. 8onat alles normal. JodkalibeliaiidlDiig
allein blieb erfi^lglos. Erat auf ein Traitement mixte ging die Geschwulst rasch xnrOck.
Während in diesem Falle die gummöse Entzündung des Periosts nock
auf den Ürbitalrand lokalisirt gebheben war und nur durch Druck «od
Schwellung die Beweghchkeit des Lides imd des Bulbus beeinträchtigt hatte,
zeigten sich die schädlichen Einwirkinigeu in der Beobachtung Schott's (577)
viel ernster.
Es bestand auf dem rechten Auge ein Ejtopbthalmus mit flomhautgesehwQr ful
heideraeJta Parese im Bereiche mehrerer vom Oculomotorius versorgter Muskeln. Zracte
Bulbus und oberer Äusserer Orbital wand war eine derbe (Teschwulst fühlbar. OpbtJiilB*:
Abgelaufene Neuritis, Die Sektion zeigte eiae gummöse Periostitis der ScbfldelkiiedbB
FiK VA.
N. N. 36 Jahre alt. Gummöee Pertoitilis um nx'hteü
oberen äu»wren Orbitalrand.
Die Ptosis l>ei der cerebralen Syphilis. 311
Ent Wickelung gummi>ser Kuot^ii iu beiden Orbitae, Rechts war der Rectus eiiperior
ie ein Tfaeil des Obliqnus infeiior in iler in die Orbitalbi^ble hineingewucberten gumm&seu
Biie iintergegaDgen. In der linken Orbita ncbloss ein derber, speckiger Knoten den
Muftctilns rectua euperior ein. Es handelte sich nni ein fünfjähriges Kind.
In diesem Falle war also der vom Oculomotorius versorgte Muskel-
apparat direkt gummös erkrankt.
In einem schweren Falle vt»n Walter (644) mit doppelseitigem Gumum der OrUital-
liöhle war in den 8cbuitten überhaupt gar nichts mehr von den Augenmuskeln zu sehen.
DieBelben waren v&lUg in der gummcisen Wucherung untergegangen.
Id dem von Mracek (645) beobachteten Falle fand wich 9—10 Monate nach einem
üenitalgeschwtir eine syphili tische Infiltration des Periosts und des Zellgewebes der Augen-
li5h]e, Uebergreifen des Prozeases auf den Obliqutis inferior und Abducens, W^eitersch reiten
d^Bfielben im subkutanen Zellgewebe der Lider und der W&nge.
Schmi dt-Rira pl er (581) berichtet über einen 3^jäbrigen, seit aeht Jahren luetischen
Mann mit Caries des Nasenbeins und Lähmung sämmtlicher Augenmuskeln.
Aalfällig bezüglich des Befundes an den Oberlidern ist die folgende Beobachtung
Mandelstamm' s (646). Bei einem vor 20 Jahren luetisch inflzirten Manne trat ein
doppelseitiger Exophthalmus mit chemotischer Schwellung der Skleralbindehaut, Lähmung
der Bulbusbewegungen und rechterseits Keratitia neuroparalytica auL Beide obere Lider
waren daliei wie bei Morbus Basedowii in die Höhe gezogen» so d&.sshei offenen Augen die oberen
Skleralpartien unbedeckt blieben. Der Kranke vermochte aber noch die Lider zu schliessen*
Nach Quecksilberinjektionen trat Heilung ein. Die Retraktion der Oheriider blieb aber bestehen.
Vielleicht waren hier die Levatores durch schwielige Narben verkürzt.
Was in diagnostischer Hinsicht von den Orbitaltumoren giltj gilt auch
von den gummösen Affektionen des Orbitalinbalts, nur dass hier der Exophthal-
mus und die Schwellung meist rascher üur Entwicktdung kommen. Die
gummösen Massen beengen den Raum der Orbita, sie bedrängen die Nerven,
durchsetzen die Muskeln und führen dadurch zu Exophthalmus und zu Be*
we^gungsstürungen. Ob der Levator, und wieviele Bullnismuskeln, dabei in
Mitleidenschaft gezogen werden, hängt von der direkten Durchwachsung der
betreffenden Muskeln und von der Starke des auf denselben lastenden Druckes
ab. Auch hat man dabei zu bedenken, dass nur einzelne zu den Muskeln
hinziehende Nen^enzw^etge durch gummöse Massen lädirt sein können. Je
mehr nun nach der Tiefe der Orbita zu, also in der Spitze des Orbitaltrichters,
die gummöse Wucherung sich entwickelt, um so vollständiger werden alle dort
sehr nahe hei einander gelegenen Nervten und Muskelansätze (s. Fig. 67) von
den syphilitischen Produkten durchsetzt, umlagert und erdruckt werden können*
Theoretisch muss dabei nun die eventuelle Entwickehmg einer 0|jhthalmo-
plegia exterior bei Freibleiben von Iris und Accommodation, sow^ie mit Frei-
bleiben von Ptosis zugestanden werden, und zwar bei Fällen, in welchen
eben die zum Ganglion ciliare führenden Nerven für die inferiore Angen-
muskulatur, oder der zum Rectus superior und Levator führende Ast des Oculo-
motorius, sowie der Bauch dieses letzterwähnten Muskels freigeblieben waren.
Daneben muss jedoch betont werden , dass die Ptosis auch durch
Schwellung und dadurch vermehrte Schw^ere des Oberlides hervorgerufen
werden kann, wenn der Abfluss des Blutes im Bereiche der Vena ophtha!-
812
Die Ptoisis bei der cerebralen Syphilis.
mica und deren Anastomosen mit der Vena facialis anterior innerhalb iW
Orbita behindert worden war (siehe Fig. 65).
Ob durch isolirte Perineuritis und interstitielle Neurilii
gummosa die einzebien orbitalen Zweige des Nervus oculomotarius und da
anderen AugeDmuskelnenen
fiir sieh allein erkranken, i*t
zweilelbaft, denn hterl
gehörige SektioDsbefuiii
fehlen, und etwa beweifiemk
Krankengescliichten, wie z.B.
eine Beobachtung Donath's
(621) mit kompleter link^
tiger Lähmung des Ocutoi
torius, komplizirt mit ei
solclien des Nenrus supnp
orbitalis, dürften mit dem
izteichen Keehte auch al^ ba-
sale AttVfct innen auf^ufa^^seo
sein, Dass jedoch nebeo
basaler gunimr)8er AflFektioD
auch eine mehr selbststandig«
gimiraöse Entzündung der
kleineren orbitalen Nerren-
zweige in der That beob-
achtet w^erden kann, «eigt
sei-
ii
dfot
Fig. 65,
lOjähr. Junge mit einern von ilf>r meilialon Flftclic der
Orhita rtus^fgimifeiieii Sj>iiHlehHlt'n*iit'kr»m, SdiwflluDg uoil
Uvldit Vcrfürbung de« Oberlide» durcli Blutfi^uung,
folgender Fall Sieinerliog*»
(578).
Der Ast des rechten Ooilo-
motorios zum Reetas super. ]km
Perineuritis che Veranderung^uti^
kenoeD. Die Scheide des Nerven war atark verdickt. Nicht so erbeblicli w«r dit
Wucherung und DegeTieration in dem linken Ocukmotorinö mit seinen Aesten «um Bcetoi
superior und inforior. Durchweg fand «ich eine erhebliche ioteratitieile Wuchernng nä
Kemvermebmng und Afropliie der Nerven f äse m. Unter den vom Oculomotorius versorgte«
Angonniuskeln» von denen der rechte Rectus superior, der linke Rectus superior und inferior m
Untersuchung kamen, zeigten einige ganz erhebliche parenchymatöse und interstitielle Ver^
änderuogen. In diesem Falle Siemerlin g'a bestand eine basale gummöse AfiekUoo, die
offenbar Iflnga der Nerven in die Orbita hinein und dort längs der Nerven^weige wätm
gekrochen war.
Bei Fällen von Syphilis mit ausgesprochenen Orbitalsymptomen, welch«
anfänglich nur vereinzelte Augeumuskellähmungen und besonders solche aus
dem Bereiche des Oeulomotoriüs zeigten, muss man daher vor allem einen
basalen Herd vermuthen, welcher später seine Ausläufer durch die Fi?snra
orbitalis in die Augenhöhle hineingescbickt hat.
So bestand in dem Falle Tresilian's (588) im Beginn des Leidens Ptosis mit
Abducenslähmung, Kopfschmerzen und Erbrechen. Allmählich entwickelte sich eine reehti-
Die Ptosb bei der cerebralen Syphilis.
313
settige komplete Ophthal moplegia iatemr und exterior mit Amblyopie und leictliter
AaÄathesie des rechten Trigeininusgebiefcüs. Vor fünf Jahren Ln^s, jetzt Hautgummata.
Besserung durch onliluetische Kur. Dass dabei wegen der ionigen Nachbaricliaft auch der
Nervus opticus meist miterkraokt, braucht kaum hesonders hervorgehoben zu werden.
Auch wir hatten Gelegenheit folgenden hierhergebörigen Fall zu heohachten. Am
2. Dezember 1895 kam ein 48jähriger Mnnn in die Klinik, welcher seit 14 Tagen Über
Schmerzen in der linken Gesichts hälft« Klage führte, eine linkf^seitige totale Abducena-
läbmuog zeigte j auf beiden Augen aber normale Sehschärfe und dem Alter enlaprecbende
Accommodation aufwies. Der Augenspiegelhefund war beiderseits uormaL Eine luetische
Infektion wurde in Abrede gestellt.
Am 20. Januar 1896 war zur linken Abduceusläbmung noch eine totale AnÜHthe.siti im
Bereiche des Unken Trigeminua hinzugetreten, die Sehschärfe war recbia normal, auf dem
Jinkca Auge auf " u reduzirt. Es wurde hier Snellen (0,6) m\i -f 1,0 noch mühsam
gelesen. Die Cornea des linken Auges war jetzt
getrübt und völlig anästhetisch. Auf beiden Augen
WÄT die Fupillenreaktion erbalten* Am 13. März
1896 zeigte sich links eine vollkommen «Ptosis
mit betrlcbtlicher Protrusion und üubeweglicbkoit
des linken Bulbus (siebe Fig. 66), hei leichtem
Oedem des linken Oberlids. Auch die seitliche
Partie links vom Auge war etwas geschwollen
und intiltrirt. Das linke Auge war absolut starr
und unbeweglich, die Coojunctiva ^clerae gerdthet
und geschwollen, auf der Mitte der Hornhaut zeigte
öich ein tlacher Substanz Verlust (Keratitis neuro-
paralytica). Die Oberfläche der übrigen Hornhaut
war getrübt und völlig unempfindlich ; die Corneal-
reflexe völlig erloschen. Die linke Pupille zeigte
sich nach unten und nach innen hin mit der vor-
deren Linsenfläche verwuchsen. Die Pupille des
rechten Auges reagirte direkt und indirekt nicht
ganz prompt auf Licht. Patient hatte ein Gefühl
von Schwere im linken Auge und in der linken
Gesteh tshälfte. Es bestand Anästhesie in allen
drei Aesten des Trigeminus. Linkerseits schien
die Thränensekretion aufgehoben zu sein. Der
linke Facialis war in allen Zweigen paretisch,
es bestand aber keine Atrophie, Das Gaumensegel hob sich gut. Di»s Gehör und die
Kopfknochenleitung war linkerseits bcrnbgesetzt ; auch wurde in letzter Zeit häufig über
Ohrreissen links Klage geführt. Der ^ieruch war beiderseits gut entwickelt. In den
vorderen Zweidrittel der linken Zungenhälfte scliraeckte Patient nichts.
Es wurde an falls weise über Schmerzen in der 8tirne geklagt
Die Sehschärfe dos linken Auges war stark herabgesetzt; der Ophthal moakopiscbe
ß«fand wegen Trübung der Hornhaut nicht zu prüfen.
Auf eine Schmierkur wollte Patient sich keineswegs einlassen, wiewohl auf gi'osse
Dosen JodkaU eine merkliclie Besserung eingetreten war. Das linke Oberlid konnte wieder
etwas gehoben und der linke Bulbus etwas nach oben, nach aussen und nach unten wieder
bewegt werden. Der Exophthalmus war geringer geworden. Nach eingetretener Besserung
hatte sich Patient leider unserer weiteren Beobachtung entzogen.
In diesem Falle hatte ofiVnbar die Krankheit mit einem basalen
gummösen Prozess begonnen, und waren die gummüsen Massen dureb die
Fissura orbit-alis i^nperior in die Orbita hinein gekrochen. Trotzdem Patient
Fig 66.
H. M. Wiihrscheialich huRale gumm5se
Neubildung nach der FisKuru orbitalk
fortgewuehert.
314
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
in Abrede gestellt hatte, sich luetisch inficirt zu haben, so dürfte aas den
so rasch erreichten Erfolge wohl die Diagnose auf basale gummöse Menis-
gitis mit gummöser Affektion der Orbitalgebilde hier gerechtfertigt er-
scheinen. Dass bei diesem Falle die die Carotis umkleidenden Sympathicos-
fasern, zumal diejenigen Aeste, welche den oberen Palpebralmnskel der linkea
Seite versorgten, intakt geblieben sein muss-
ten, hatten wir schon auf pag. 38 an doi
Figuren 12 und 13 hervorgehoben.
Der gammöse Process kann aber auch den
umgekehrten Weg nehmen, primfir in der Orbitt
entstehen und durch die Fissora orbitalis in die
mittlere Schftdelgrube hinein wachem, wie in ebem
Falle von Blessig (647). Bei einem vor 15 Jahren
luetisch inficirten Manne entstand ein rechtsseitiger
Exophthalmus mit hochgradiger Beweglichkeitsbe-
schrftnknng des Bulbus und einer Anästhesie im Be-
reiche des I. und IL Astes des Trigeminns mit Eert-
titis neuroparaljtica. Exenteratio orbitae. Enukleatioo.
Rinen Monat darnach Stauungspapille am linken Auge.
Somnolenz, Tod. Die mittlera Schädelgrube von
gummösen Massen ausgefällt, die von der Fissun
orbitalis superior hereingewuchert waren. In der
Leber alte syphilitische Narben.
Wenn der gummöse Prozess in der Tiefe
der Orbita die Muskellähmungen bedingt, so
wird derselbe bei der engen Nachbarschaft der
motorischen Nervenstämme daselbst (s. Fig. 67)
wohl alle Augenmuskelnerven afficiren. Aus
dem Grunde spricht auch eine isolirte totale Oculomotoriuslähmung
bei voller Intaktheit des Trochlearis und Abducens schon a priori gegen
eine orbitale Affektion.
So erzählt Westphal (590) folgende Beobachtung. Ein Patient zeigte rechts Läh-
mung des Nervus oculomotorias in allen seinen Zweigen. Bei der Sektion fand man den-
selben umgewandelt in einen derben, unregelmässigen Körper, welcher in seinem vorderen
Theile eine leicht grauröthliche Beschaffenheit besass. In seinem Yerlaafe durch den Sinus
cavernosus hatte alsdann der Oculomotorius noch eine sehr geringe Konsistenz und leicht
gelbliche Farbe. Sonst waren noch gummöse Knoten an der Oberfläche des Grehirns, ond
es bestand syphilitische Periostitis der Kopf knochen.
Fig. 67.
Orbita frontal halbirt. Hintere Hälft«
derselben mit den Muskeln und der
Endausbreitung des N. abducens und
des N. oculomotorius. VI N. abdu-
cens ; /// N. oculomotorius ; Vi Erster
Ast des Trigerainus. Die ovale Scheibe
an der medialen Seite des Oculomo-
torius ist der Durchschnitt des N. op-
ticus. (Nach Merkel.)
c) Die gummöse EntzUndung der Periorbita in der Fissora orbitalis
superior und im Gewebe des Sinus cayemosus.
§ 117. Geht der gummöse Prozess auf das periorbitale Gewebe über, welches
die Fissura orbitalis superior obturirt, so wird diese umschriebene Entzündung
sämmtliche Bewegungsnerven des Bulbus in noch grössere Gefahr bringen,
weil der Oculomotorius, der Trochlearis, der Abducens und der obere Ast des
Quintus hier auf engstem Räume zusammengedrängt liegen. Die dabei oft
Vprlauf der bsftalen Norvf'nBtjImme (nneh Merkel),
der Basis, ihrem Eintritt in die Dura mater und ihrem Verlaufe durch den
Sinus cavernosus und die Fissura orbitalis superior befansen.
§ 118. Es ist eine beachtenswerthe Eigenthiimlichkeit der Nerven in
der mittleren Schädelgrube, welche sowohl bei der Beiu*theihing von Tumoren
an der Schädelbasis mancherlei diagnostische Fingerzeige geben, als auch
bei Basisfraktnren in Frage kommen kann, da ss dieselben eine weite Strecke
in der Dura eingelagert verlaufen [s. Fig. Ö8 (Merkel 579)]. Nachdem
316
Die Ptosis bei der cerebralen Sjrphilis.
^^apit^sis
beide Oculomotorii nahe bei einander vor der Brücke im Baume zwischen den beides
Hirnschenkeln in konvergirender Richtung aus dem Gehirn getreten sind, tct
laufen sie zwischen der Arteria cerebelli superior und der Arteria cerebri
posterior, senken sich neben der Mitte der Sella turcica in die Dura ein, und geha
rasch in die Tiefe, sodass das sie bedeckende Durablatt stärker ist, als du
unter ihnen liegende, welch letzteres nach dem vorderen Ende des Sirnn
cavernosus so dünn werden kann, dass der Nerv frei in diesen hineinzu-
ragen scheint. DerTrochlearis und Abducens (IV und VI Fig. 68) schliessen
sich völlig dem vorgenannten an.
Die Nervi trigemini und Abducentes sehen nun an einer geöfibeteo
Schädelhöhle aus (Fig. 68), als wären sie Nerven der hinteren Schädelgrnbb
da sie sich in dieser schon in die Dura einsenken. Der 1. Ast des Trigemiims
verläuft von unten nahe an den beiden anderen nach der Fissura orbitaüs
superior.
Der Sinus cavernosus (Fig. 69) schliesst sich dicht an das feste
Gewebe an, welches die Fissura orbitalis superior, speciell deren medialen
Theil ausfüllt. Seitlich
'^°''''''* lehnt er sich an den
Türkensattel und erstreckt
sich rückwärts bis an die
Spitze derFelsenbeinpjra-
mide. Er ist von einer
Menge von Bind^ewebs-
balken durchzc^n. Die
von dem sympathischen
Geflecht umhüllte Ca-
rotis interna ist völlig
in den Sinus eingelagert
Sie macht hier eine frage-
zeichenartige KrümmnBg
FrontaJsehnitt des Sinus cavernosus. IIl N. oculomotorius. (Fis 68 n) und füllt SO
IV N. troehlearis. VI N. abducens. V\ V\ 7» die drei \ ^ ^ rp, -i J
Aeste des N. trigeminus (nach Merkel, Topogr. Anatomie emen groSSen Iheil des
P^K- 71). venösen Sinns aus. Ausser
der Carotis liegt derNerms
abducens (VI Fig. 69) im Inneren des Sinus und klemmt sich gewissennassen
zwischen die Arterie und die Wand des Sinus hinein, sodass er nur mit seinem
unteren Theile frei in den letzteren vorragt. Unmittelbar auf der Arterie
liegen in der aus Figur 69 ersichtlichen Ordnung der Nervus oculomotorius,
der Trochlearis und der 1. Ast des Trigeminus, doch haben sie mit dem
Sinus selbst, wenigstens in der Ebene des gezeichneten Schnittes wenig so
thun. Sie sind in der Substanz der harten Hirnhaut selbst eingeschlosseD.
Am anderen Ende des Sinus cavernosus treten dann die Nerven didt
zusammengedrängt in das periostale Gewebe ein, welches die Fissura orbitilii
superior ausfüllt. Nur am macerirten Schädel stellt sich die letztere ab eise
Fig. 69.
Die Ptosis bei der cerebralen ^ypliiLia«
317
Jaffende Oeftnuiig dar; in dem mit Weichtheilen überzogenen Kopfe ist sie
ch durch eine sehr feste Bindegewebsmembran verschlossen, welche aus
fder Verbindung der sich in der Fissur begegnenden Periorbita mit der Dura
later des Gehirns gebildet wird. Nur eine grössere Oefinung enthält diese
lembran. Dies Loch ist zum Durchtritt für den Nervus oculomotoriuß
Bstimmt und kann den Namen des Foramen oculomotorii führen. Dasselbe
iat aber bkis an der medialen oberen 8eite in der unteren Wurzel der Ala
Orbitalis des Keilbeins eine knöcherne Begrenzung; Der übrige Theil des
[Randes gehört der straften und scharf gespannten Periorbita an, welche hier
durch knorpelartige Festigkeit und geringe Elasticität sehr geeignet ist, den
Knochen zu vertreten. Dieselbe bildet, da dieses Gewebe die Dicke
|lfon mehreren Millimetern besitzt, hier förmliche Kanäle für
d i e d u r ch t r e t e n d e n N e r v e n. Das Foramen oculomotorii liegt am meisten
medianwärts. Durch dasselbe geht, ausser dem Oculomotorius, an dessen
unterer lateraler Seite noch der Abducens, während der Trochlearis
durch ein eigenes Kanaklien hindurchtritt, das lateralwärts vom Foramen
oculomotorii an dessen oberen Seite gelegen ist. Neben und unter dem
Trochlearis, am meisten nacli aussen, ist die Eintrittsstelle des Ramus ophthal-
inicus Nervi trigemini (Vj Fig. 69), während die Vena ophthalmica
superior unter dem Oculomotorius und neben dem Abducens^ nachdem sie
den Sehnerven gekreuzt hat, die Orbita verlässt und sich mit einer Erweiter-
ung in den Sinus einsenkt.
S 1 19. Entzündet sich nun dieses die Fissura orbitalis superior abschliessende
Gewebe der Periorbita, so kann demnach eine ganz umscliriebene Periostitis
die schwersten Folgen nach sicli ziehen, indem die durch die Fissur hindurch-
ziehenden Nerven strangulirt werden. Ganz derselbe EflFekt wird natürlich
erzielt, wenn eine basale gummöse Meningitis zu dieser Stelle hin fortwandert.
Als Symptomen begegnen wir dann einer kompleten Ptosis mit totaler
exteriorer und interiorer Ophthalmoplegie, Unemptindlichkeit des Bulbus
und Erblindung durch Aftektion des in der nächsten Nachbarschaft der Fissur
durch den Canalis opticus austretenden Sehnerven. Häufig gesellt sich auch
Schmerz in der Tiefe der Orbita, Schwellung des Oberlides (s. Fig. 65) und
ein leichter Exophthalmus hinzu. Einen charakteristischen, hierhergehörigen
Fall theÜt I. Hutcliinson jun. (580) mit.
Bei langdaucradem Schmerz io der Stirn und den Schlafen entwickelte sich mit einer
fast kompleten LähmuD^ des Oculomotorius unter Vortreibung dee Bulbus, Kongestion d«s
Oberlides und sturker Sebstürung, eine Unbeweglicbkeit des BnlbuB. Eine cbroniscbe Ent-
zQndung um den rechten Sinus cavernosus hatte Neuritis aller in seiner Wand verlaufenden
Nerven bei-vorge rufen und den Sinus obliterirt. Es zeigte sich eine theilweise V^erstopfung
der Carotis und Anliithun^ der Spitze des Schläfenlappens an die Dura. Sehr wabröchejn-
lieh lag Syphilis dieser Affektion zu Gmnde.
Wie aus den folgenden Beobachtungen hervorgeht, stellt die Lues das
grösste Kontingent zu den Erkrankungen in dieser Gegend.
So Wriehtet Thompson (583) über eine vollständige Lähmung der Augenmuskeln
des einen Auges mit Anä.^the»ie des Bulbus und der Haut im Bereich des Frontalis bei
leichtem Exophthalmus, Sehnerv gerdthet Heilung nach antisyphiiitiacher Kur,
318 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Arens (584) sah vollständige einseitige totale Ophthalmoplegie mit Ptosis bei
Stimschmerz; fast vollständige Amblyopie der gleichen Seite. Hcilang durch aotilueo-
sche Kur.
de Laca (586) fand einseitige komplete Ophthalmoplegie begleitet voo beftigti
Neuralgien im Bereiche des I. Astes des Trigeminns bei einem Manne , der sieh vor 10
Jahren Lues zugezogen hatte, ohne dass nachher irgend eine syphilitische BehandloBg:
erfolgt war. Die antilnetische Kur erzielte Heilung mit Zurückbleiben einer mis-
sigen Ptosis.
In dem Falle Cooper's (587) begann der genannte Symptomenkomplex bereits in
achten Monate nach dem Auftreten des Primäraffektes. Im Laufe von vier Wochen wurdn
nacheinander ergriffen: Der Abducens, der I. Ast des Trigeminus, der Trochlearis, der
Oculomotorius. Heilung; nur der Nervus abducens blieb gelähmt.
Auch Kochon-Duvigneaud (582) hatte drei einschlägige Fälle beobachtet,
in welchen syphilitische Periostitis der Fissura orbitalis superior imd
des Foramen opticum vorhanden, und einen Fall, in welchem letzteres
frei geblieben war. Das Krankheitsbild der Periostitis dieser Stelle soll sich
nach diesem Autor von dem einer benachbarten intrakraniellen oder orbitalen
Erkrankung dadurch unterscheiden, dass die Nerven in jenen beiden Löchern
eine ganz besondere Anordnung hätten, die sich weder diesseits, noch
jenseits wiederhole. Ausser dem Oculomotorius, Abducens, Trochlearis nnd
Opticus sei nur der Ramus ophthalmicus nervi trigemini mit
betroffen, das Gebiet des Infraorbitalis bleibe frei. Im Gegen-
satz dazu befalle die intrakranielle Erkrankung alle Aeste des Trigeminns
gleichzeitig, sehr selten aber alle motorischen Augennerven, ohne nicht anch
den Facialis oder Acusticus und Hypoglossus mit anzugreifen. Intra-
orbitale Leiden seien immer mit dem Zeichen eines Orbitaltnmors verbanden;
der Sehnerv, wenn mit betheiligt, zeige Stauung und Atrophie.
§ 120. Nicht selten kriecht aber, wie früher erwähnt, eine basale
gummöse Affektion durch den Sinus cavernosus nach der Fissura orbitalis
superior hin und in dieselbe hinein. Wir verweisen hier auf den von uns
pag. 313 beschriebenem Fall M. und auf folgende Beobachtung Bernhardt 's
(585) : mit Exophthalmus einseitiger totaler exteriorer und interiorer Augen-
muskellähmung mit Ptosis, anästhetischer Conjunctiva und Cornea, intaktem
Sehen, aber Parese des Facialis der gleichen Seite. Heilung trat nach
antiluetischer Kur ein.
Die beiden folgenden Fälle mit Sektionsbefund zeigen ebenfalls anfäng-
lich eine gummöse basale Affektion, welche im weiteren Verlaufe in die
Fissura orbitalis superior eingedrungen war.
So berichtet A. v. Graefe (622) über einen 40jährigeo, seit 12 Jahren laetiscben
Mann mit völliger Lähmung des rechten Ocalomotorins, Trochlearis, Trigeminns and
Abducens. Weiterhin trat eine Lähmung des linken Oculomotorius, des Trochlearis and
des rechten Arms hinzu mit zögernder Sprache und Somnolenz. Es wurde eine bastle
gummöse Meningitis um beide Optici bis gegen die Hypophysis hin gefunden. Aach an
die Arteria basilaris zeigten sich weiche Granulationen. Die rechte mittlere Schädel-
grübe zwischen der Dura und dem Knochen war mit einer gununösen MasBe aoageftUt,
welche, in der Gegend des Ganglion Gasseri am dicksten (vergl. Fig. 68), aich neben dem
Opticus ausbreitete, den IL und IV. Nerven drflckte, den Sinns cavemoaos anaf&llte oad
die Carotis daselbst stellenweise etwas verengerte.
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis. 31 f)
Hitsclimaiii] (623) beobAchtetc bei einem Hypliilitiker rechterseita Lähmung: des
lervus abduceua, des Trigeminiis, des 0 1 f a c t o r i u s und F a ci aU s* Im weiteren Verlaufe
Ät rechts eine Ptosis und eine Keratitis neuropftralytic» auf. Der Tod erfolgte durch
elbstmord. Bei der Sektion fand man die Dura entsprechend dem Clivus, sowie in der
loDeren Hlilfte der rechten mittleren Schädelgrube nnd Über der Hinteraeite der linken
Schläfenbeioppamide stark verdickt durch eine grauweiBse , stellenweise sulzige Masse.
Das Ganglion (jrasseri» «owie die durch dio Orbitaltissur tretenden Nerven waren von diesen
Exsudatmassen stnitf uuiacheidet, besonders die Aeste des Tri ge minus. Mikroskopisch
erschien der Nervus abducens in einen bindegewebigen Ötrang verwandelt. Ferner zeigte
sich im IL Trigeminuaaste eine totale Degeneration, eine tbeil weise im rechten Nervus
o c u 1 o m 0 1 o r i a s.
Bemerk enswertb ist das frühzeitige Auftreten einer derartigen
Affektion in der vorhin erwähnten Beobachtung Co o per 's im 8. Monate
nach erfolgter Infektion. Dass bei frühzeitigem Eingreifen diese bedrohUdien
Fälle zu völliger Heilung gebracht werden können, zeigen die Fälle von
Thompson imd Arens.
Eine theil weise Heilung erfolgte in der Beobachtung Cooper's, indem
der Abdncens völlig gelähmt blieb.
In dem Falle de Luca's trat völlige Heilung bis auf eine zurück-
bleibende Ptosis mittleren Grades ein. Dieses Uebrigbleiben einer iso-
lirten Ptosis bei basale^ Erkrankung des Oculomotorius in der Fissura
orbitalis superior ist eine höchst auffallende Erscheinung, wenn man bedenkt,
da£6 der ganze Stamm des Oculomotorius unter der gummösen Meningitis und
Periostitis gelitten hatte. Denn entweder wird hier die Lähmung durch Neuritis,
oder durch Druck von schwieligen Massen mit nachfolgender Atrophie erzeugt.
Bei Erkrankungen in der Fissura orbitalis ist die Ptosis auf der
Hohe der Krankheit stets eine komplete und ein nie fehlendes Symptom
von Seiten des Oculomotorius.
d) Die Ptosis bei den basalen syphilitischen AlTektianeii des Nervus
oculomotorius*
§ 121. Auch hier sehen wir, wie in verschiedener Weise die Leitungsfähig-
keit des Nervus oculomotorius durch die luetischen Neubildungen bedrängt
und vernichtet wird.
Zur Gewinnung einer besseren Uebersicht wollen wir zunächst die ver-
schiedenen Formen der Erkrankungsweisen dieses Nerven patho-
logisch-anatomisch gegliedert und mit Beispielen belegt hier vorführen , um
dann später die für die P t o s i s so wichtigen klinischen Erscheinungen prägnanter
hen^orheben zu können,
a) Selbständig auftretende Perineuritis- und Neuritis inter-
stitialis gummosa eines oder beider Oculomotoriusstämme
während ihres intrakraniellen Verlaufs,
Die einseitig oder doppelseitig in dem Nerven auftretenden Veränder-
Qagen erweisen sich hier als völlig selbständige, von den Gefässen ausgehende,
320 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
kleinzellige Infiltrationen, welche die Nervenfasern sekundär zur Atrophie
bringen. Die aus dem Gehirn hervortretenden Oculomotoriusstämme zeign
meist eine härtliche, graue Verdickung, welche zum Theil in der Form einer
mehr gleichmässig cylindrischen, zum Theil in einer umscliriebenen spindd-
förmigen oder knotigen Anschwellung sich darstellt, ohne dass eine ausser-
halb des Nervenstammes gelegene basale gummöse Affektion
vorhanden wäre. Die Scheide des Oculomotorius ist in diesen Fällen mit-
afficirt und von ihr aus der Prozess in den Nerven hineingewuchert. Derselbe
Prozess setzt sich dann nach den Angaben Uhthoff's (1. c.) in derSubstuu
der Nerven entweder mehr selbständig fort, um zu einer richtigen geschwükt-
artigen Degeneration in demselben zu führen, ohne dass an diesen pro-
pagirten Stellen auf dem Querschnitte dann die Nervenscheide mit affizirt zu
sein braucht. An einzelnen Stellen kann es auch noch zur EIrweichung im
Nerven selbst kommen.
So zeigte sich in der Beobachtung Glifford-Albutt's (589) der rechte Ocolomotorioi
ungewöhnlich gross und dick. Es wurde sonst noch im Gehirn Geftsserkrankiiiig und vae
gummöse Geschwulst in der Himsubstanz gefunden.
In dem pag. 314 erwähnten Falle WestphaTs (590) war der rechte Nemu oado-
motorius durch gummöse Neuritis völlig in einen derben und unregelmässigen graarÖtUicki
Körper umgewandelt. ' •
Dizon (591) fand bei einem Falle von linksseitiger Parese des Oculomotorios neben
multiplen syphilitischen Geschwulstbildungen in verschiedenen basalen Himnerven nod d«
Dura eine syphilitische Geschwulst im linken Oculomotorius. Dieselbe bestand ans maa
röthlich gummösen Masse.
Im Falle Bigg's (592) bestand doppelseitige Ophthalmoplegie mit Ptosis. Nebei
basilarer gummöser Meningitis in der Gegend des Infundibulum und der Fossa Sylvü, zeigte
sich ein selbständiger gummöser Tumor im Oculomotoriusstämme.
In der Beobachtung Power's (593) waren beide Oculomotorii, besonders aber der
rechte, stark geschwollen; daneben wurde ein Gumma der Dura über der rechten Gehiin-
hemisphäre, syphilitische Neubildungen in der Umgebung der Arteria fossae Sylvü, do'
Optici und des linken Nervus olfactorius gefunden.
Ormerod (594) sah in beiden Oculomotoriis eine symmetrische, spindelförmige An-
schwellung, weich, von röthlich-grauer Farbe. Daneben bestanden noch YerftnderaogeD der
Arteria basilaris. Die Beweglichkeit des linken Auges nach oben war ganz verloren. Es
bestand hier Ptosis, und das Auge war ebenso wie das rechte nach abwärts gerichtet
Endhch zeigten sich in der Beobachtung Eahler's (595) ebenfalls die beiden Oculo-
motoriusstämme in ihrem Ursprungstheile grau, verdickt und waren härtlich snzaf&hleD.
Es bestand khnisch eine leichte doppelseitige Ptosis und Lähmung derRecti intemL
Sonst wurde noch syph. Arteriitis der Basis, multiple Wurzelneuritis und Trflbong mit Ver-
dickung der inneren Hirnhaut beobachtet.
Bei allen diesen Fällen sehen wir zwar auch andere Partien des Gehirns
luetisch erkrankt, wiewohl doch die im Oculomotoriusstämme gefundenen
Veränderungen sich als selbständige Perineuritis und interstitielle Neuritis
darstellten und zuweilen in einer Weise, dass der ganze Stamm des Nerven
in einen gummösen Tumor umgewandelt zu sein schien.
Die Ftoais bei der cerebralen Sypbilia.
321
§ 122. ß) Ivompressionsneuritis und Druckatrophie durch Exos-
tosen, oder gummöse Neubildungen an der BasiSj welche ent-
weder direkt den Stamm des Nervus oculomo torius bedrängt,
oder durch Fernwirkung die Leitung in demselben unterbrochen
hatten*
So war im Falle Letiddt's (596) der linke Oculomotorius ämxh eine die linke Hälfte
d0fi CMaaniD*« eionebmende Gummagescbwulat beeinträchtigt worden. Daneben bestand
basale gumtnüse Meniogitis. Das linke Auge zeigte PtosiSp Läbmung des Rectutj inferior
und superior. Die Unke Pupille war weiter als die rechte und roaktioosloa.
Auch in Heubner's Falle (599) waren die beiden Ocalomotorii, liesionders liaks, durch
eine gammdse Gesell wnlst am Cbiasma ausgebuchtet und gedrückt, jedoch nicht entartet
gefunden worden.
Bei der Beobachtung Piok's (597) mit totaler Lfthmung des linkes Oculomo torius
war dieser Nerv durch eine gummöse Geschwulst im linken Pedunculus cerebri gediückt^
und waren durch dieselbe die linksseitigen Oculomotonua wurzeln zerstört worden.
Doergens (600) beschreibt einen Fall, bei welchem durch einen grossen Gummi-
knoten an der Basis des rechten Grosshirnschenkels der rechte Oculomofcortua durch die
Geschwulst beeinträchtigt worden war.
Im Falle Sieraerling's (598) fanden sich Gummata im linken Linsonkern und
Thalamus opticusr von dem letzteren iu den Hiroschenkel hinein sich fortsetzend. Der
linke Nervus oculomotorius zeigte sich durch diese Geschwulst schwer geschädigt, die
Fasern desselben waren hochgradig atrophirt. Es bestand linkerseits Parese des Oculo-
motorius in allen seinen Zweigen mit Einschiusa der interioren Augenmnskulatur und des
Levator palpehrae sup., rechts waren die Augenhewegungeu frei; es bestatid aber
reflektorische Lichtstane der Pupillen,
Während in diesen Fällen der Oculomotorius einem direkt auf ihn ein-
wirkenden Drucke gummöser Neubildungen erlegen war, finden wir in den
folgenden Beobachtungen seine Leitung zufolge Fernwirkung gummöser
Turnoren beeinträchtigt.
So waren im Falle Fower's (601) die basalen HirDnerren eämmtlich gesund, es
bestand aber eine Lahmung des linken Oculomotorius durch Ferndruck, indem syphilitische
Neubildungeu in beiden GrossliirDhemisphären eine multiple Nervenlähmung der linken Seite
und zwar des 1., *2,, 3., 4., &., 6., 7., 8. und 12 Hirnnerven bewirkt hatten.
Tn einer Beobachtung Duchek's (602) fand sich ein syphilitischer Tumor in der
linken Varolsbrücke, welcher in seiner nächsten Umgebung die Eirnsubstanz erweicht hatt e
£s bestand links Ptosis. Der linke Oculomotorius war durch die Geschwulst, und die
sekundäre Eiweichung der Umgebung desselben, in Mitleidenschaft gezogen.
Wagner (603) veröffenthchte einen Fall mit Lähmung des linken Oculomotorius,
in welchem ein zwischen Turkensiittel und der Spitze des Felsenbeins gelegenes Gumma
den linken Oculomotorius beeinträchtigt hatte.
§ 123. y) Direkte Läsion des Oculomotoriusstammes an der Basis
cranii in Folge von Einschnürung durch anliegende sklerotische
Arterien (Arteriae cerebri posteriores, Arteriae cerebellares
süperiores), sowie durch Thrombose kleiner zuführender ar-
terieller Gefässe zum Nervenstamme,
Hughlings Jackson (604) berichtet über einen Fall von Lähmung beider
Oculomotorii als frühestem Symptom hei Gehirosyphilis. Die Sektion zeigte eine
ausgedehnte syphilitische Erkrankung der Hirnarterien. Beide Arteriae cerebri posterioren,
822 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
beide Arteriae cerebellares and beide Oculomotorii waren allesammt durch eine Maue,
welche die Arterien verdickte, aneinander geheftet.
Heubner (599) sah eine ausgedehnte syphilitische ArterienerkrankuDg, welche oia-
bar vom Ramus communicans sinister post. ausging. Links Oculomotorinslfthmaii;,
syphilitische Geschwulst des linken Nervus oculomotorius und Verwachsung desselben bü
dem Ramus communicans.
Ob die beiden folgenden Fälle hierher gehören bleibt dahingestellt, weil die mik»-
skopische Untersuchung fehlt. Es bestand nämlich in dem Falle Greiff's (606) naä
Ablenkung des rechten Auges nach oben und aussen, dann trat rechts, später auch links,
Ptosis auf. Bei der Sektion wurden die beiden Optici etwas schmal geffuideo, der lisb
hatte graue Flecken, die übrigen Gehimnerven zeigten bald rechts, bald links auagedebiie,
oder auch fleckige graue Degeneration. In den Arterien des Gehirns und BOckea-
marks fand sich die von Heubner beschriebene luetische Endarteritis.
V. Graefe (607) berichtet über ein einjähriges Kind. Rechts war der Nervus optiai
vom Ghiasma bis zum Bulbus ein Drittel dünner als links. Der Oculomotorius war t«U-
ständig intakt. Links dagegen war der Nervus oculomotorius um die Hälfte dfinntf als
rechts und in seinem Verlaufe nicht regelmässig. Es wechselten dickere, opak weiss ms-
sehende Stellen mit dazwischen liegenden halsförmigen Verdünnungen ab, innerhalb weldici
der Nerv zugleich etwas durchscheinender als im Normalzustande aussah. Solche Ver-
dickungen bestanden 3—4 bis zur Fissura orbitalis superior. Auf einem Durehsciimtte
ergab sich, dass dieselben von der Nervenscheide ausgingen, und dass die Nervenelemorte
selbst undeutlich und körnig waren. Im linken Corpus striatum und in der rechten Hemi-
sphäre fand sich je ein Erweichungsherd.
Man könnte nun annehmen, dass die fleckweise Degeneration des
Oculomotorius in diesen beiden Fällen durch Obliteration kleiner artieller
Zweige aus der Pia, welche den Nerven ernähren, bedingt worden sein möchte.
Andererseits ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass hier stellenweise
eine rein primäre Degeneration im Nerven Platz gegriffen habe. Den-
selben Zweifeln, ob eine mikroskopisch im Oculomotorius gefundene, fleckweise
Degeneration als primärer Schwund der Nervenfasern analog der metasjphi
litischen Opticusatrophie nach Tabes, oder bedingt durch die Alteration
der Gefässchen des Nerven selbst anzusehen sei, begegnen mir in dem folgen-
den, von uns untersuchten Falle.
Ein 36jähriger Patient wurde am 13. August 1897 von heftigen Eopfischmerzen iid4
Schwind elgefUhl befallen, und liess sich derselbe von seinem Bureau nach Hanae fahren.
Bei der Ankunft vor seiner Wohnung wurde er bewusstlos im Wagen aufgefunden und diber
sofort nach einem Krankenhause gebracht. Nach mehreren Standen kam er wieder za siek.
Gegen Abend konnte er allein nach Hause gehen. Sein Hausarzt konstatirte am folgendei
Tage eine dentliche linksseitigePtosis und eine gewisse Starre des Gesichtsausdmckes,
sowie eine etwas undeutliche Sprache. Beim Herausstrecken der Zunge zeigte sich eine
leichte Abweichung nach links. Die Gaumenmuskulatur schien etwas trftge sich zu bewegen
Die Pupillen waren relativ eng und starr , die Patellarreflexe eher gesteigert Der Gang
schien etwas unsicher. Roraberg bestand nicht.
Vor 12 Jahren hatte er sich luetisch inficirt (Ulcus darum) und war in Berlin nü
QuecksilberiDJektionen behandelt worden. 1—2 Jahre später traten Sekundärerscheinanges
auf. 1891 und 1892 will er leichte Schwindelanfälie auf der Strasse gehabt haben, die
aber nur einen Augenblick ohne Bewusstseinsverlust gedauert hätten. In den letzten Jahreo
wurde er öfters von starken Kopfschmerzen geplagt. Dabei veränderte sich sein Wesefl;
er wurde stiller. Potus wurde negirt, er hatte sich aber häafig geistig fiberangestrengt
Bei seiner Aufnahme im alten allgemeinen Erankenhause am 17. August bestand PtoBis
Die rtosis bei der cerebralen Syphilis. ^SS
linken Augee^ Sehacbürfe links "/n (Emraetropie), n?cbts ■> (— 3*5 Myopie), Di© Accom- P
odation war beiderseits normal j die Pupillen beide gleicli weit, von normaler Reaktion.
Bf ÄugeBbintergtiind und die brechenden Medien zeigten Dichta besonderes, jedenfalls keitid
ef^sserkrankungen. Die Augenbewegungen waren norraiilp bis auf die iinkseeitige Ptosis
ad nystflgmuBartige Zuckungen 4ler Bulbi in den Endötellungon. Ks wurde ferner ein©
Parese des rechten Mundfacialis gefunden, die Zunge wich uaeh rechts ab; der Druck der
rachten Hand war schwächer «Is auf der linken Seite* Der Patella rrefiex konnte rechts
sisliwftcher als auf der Unken Seite hervorgerufen werden« Die Sprache war undeutlich
nticl langsam. Unter Traitement mixte und Bettruhe erholte sich Falient.
Am 22. August fiel derselbe, al» er gegen die tirztlicbe Anordnung aufgestanden war,
plötzlich bewusstlos nieder. Etwa zvrm Stunden später waren die Pupillen ungleich, die
rechte weiter aU die linke, beide erweitert und reaktionsloa. Patient hörte wohl auf Anruf,
vermochte jedoch weder die Augen zu öffnen, noch zu sprechen , sondern deu tete
nur mit seiner rechten Hand auf seinen Mund und seine Wange zunx Zeichen, dasa er
nicht mehr sprechen könne. Dabei war die rechte Naaülahialfalt© stärker verstrichen
als vorher. Patient wurde nun ziemlich schnell ganz unhesiunlich^ die Herzaktion war
beBchJennigt (lb'8 in der Minute, JJ8,5"); die Athmung wurde zuerst unregelmäasig, setzt©
9cbliess)ich ganz aus, während das Herz noch weiter schlug; das Gesicht wurde cyaDOliBch
Es erfolgte der Exitus.
Sektion (Oberarzt Hr. Dr. E n g e l R e i m e r s) : Das Schädeldach zeigte frische Oateo-
phytenbildnng längs des Sulcus longitudinalls, ausserdem geringe Verdickung im Stirntheit;
die Diploe daselbst kompakt » an den tlhrigen Schädelmapsen sehr blutreich. Die Nfibte
pÄmmtlich offen. Die Dura mater war mit dem Schädeldache nirgends verwachsen und
zeigte (iberall eine glatte Oberfläche. Im Lätigsblutleiter dunkles fitlssiges Blut.
Nachdem die Dura über der linken Hemisphäre erdfTnet war, fliesst nnter derselben
reichlich dunkles flüssiges Blut aus. Femer liegt zwischen ihr und der Pia, die ganze
linke Hemisphäre bedeck end^ eine etwa fingerdicke Schicht weichen dunkelen Cmors, Die
Innenfläche der Dura erscheint in toto zottig und schliesst zwisichen den Zotten und Paeudo-
naembranen theils grössere klumpige Gerinnsel, theils kepillSre Blutungen» frischeren und
älteren Datums ein Die grossen Gerinnsel haften an der Dura fest und lassen sich nicbt
abspQlen. Pachymentngitis interna baemonhagica. Ceber der rechten Hemisphäre ist die
Dura glatt und zeigt nichts besonderes. Die Pia mater links leicht blutig suffundirt; rechts
treten deutlich strichförmige, weipslicbe Trübungen längs der Gefäsae hervor (Leptomeningitia
chronica), die Arachuoidea ist diffus getrübt
Die linke Hemisphäre zeigt eine flache und muldenförmige Vertiefung, besonders
über der Gegend der Centralwindungen. Die Windungen der rechten Hemisphäre sind ein-
fach platt gedrückt und durch den Druck des linksseitigen Hämatoms gegen die innere
Schädelfläche angedrängt. Nachdem das Gehirn herausgenommen, zeigt sich auch die Dura
der Basis in der vorderen und mittleren Schädelgrube in erheblichem, die der hinteren in
geringerem Grade von der Pachymeningitis baemorrbagica ergriffen , d, h* mit rostfarbenen,
an vielen Stellen grösseren, ältere und frische Blutungen einschlie spenden Pseudomembranen
bedeckt. Die Vena Galeni, die Sinus transversi, der Sinus cavernosus, die Arteria
meningea media sind frei.
An der Basis des Gehirns findet sich zunijchat eine Verdicknng des Piagewebes,
eine intensive milchige Ti Übung der Arachnoidea um daa Cbiasma herum und an den
Sylvi'schen Gruben; ferner sind ziemlich ausgedehnte fitheromatöse Plaques arj der rechten
Wand der Arteria basilaris, aowie an der rechten Carotis vorhanden. Das Lumen der
Arterien ist iin den n t her oma tosen Stellen Übrigens nur unerheblich verändert, und die
übrigen Gefässe sind überall zart.
Der linke Oculomotorius erscheint in toio sehr deutlich abgeplattet und zeigt
etwa ^» cm nach seinem Austritt in seinem Verlauf zwei, einige Millimeter von einander
entfernte, etwa ötecknadelkopfgrosse filtere Blutungen.
WiMirand-Sftenger, Ntturolo^e dcui Aagcs. I, Bd. II. Abtbaiinng. 22
I
331
Die Ptosis bei dor cerebralen Syphilis.
Das Tuber cinereum wölbt sich hRlbkugelis nach unt-en vor, imd es flJMsl wnim-
selben beim Abschneidea des lofundibulum reichlich Cerehrospinalfidssigkeit atia. Bäa
Zerlegen dea üebirna fanden sich keine Herde, wohl aber Anämie der weissen Sv^ttau.
Die Seiten Ventrikel waren erweitert und enthielten eine ziemliche Menge serTtiirt^,
klarer Flüssigkeit, Die Ventrikel wandung war leicht verdickt, das Ependym am vordetci
Schenkel des Fomix granuUrt- Der dritte Ventrikel sehr Btork erweitert (dem vorgpringcii-
den Tuber cinereum ent8|irGchend), der vierte Ventrikel erweitert» das Ependym stark gnm*
lirt. CalaniuB scriptorius flach gedrlickt, Btnae acusticae deutlich« In den grasaeo Gsoilin,
dem FonB, der Medulla oblongata keine apoplektiscben Herde.
Ausser emer leichten Atberomatose der Aorta, sowie der Aortenklappen bot ik
übrige Sektion nichts Bemerkenawerthes dar.
Von Herrn Dr. Hahn wurde dieser Fall in der deutsch, medizinLgctieii
Wochenschrift 1895 Nr. 6 unter dem Titel; Ein Fall von Haematoma diiiie
matris auf luetischer Basis pablizirt.
Herr Oberarsst Dr. Engel Rei-
mers hatte die Güte, uns den Oculo-
motortus und das Chiasma zur mikm-
skopi sehen Untersuchung zu überUssoL
Dieselben wurden in MüUer'scher
Flüssigkeit gehärtet und nach ver-
schiedenen Metlioden gefärbt.
Mikroskopische UntersachaBg:
Die Untersuchung des Chtasmaa setgte äf
Pia an einer Längsseite ganz erhehlirh ver-
breitert; die Verdickung war am betridii-
liebsten über der Mitte des Chiosmafi oad
nahm gleich massig nach den Seiten bis »k
Dieselbebestand aus mehreren Lagen fasengflü
Bindegewebes, in welchen in einigen Prip*n-
ten eine deutliche Zunahme der zelligeo Ele-
mente zu entdecken war. Ferner wurde ein
aufFalleuder Heichthum an Gefässen kousta*
tirt, von denen einige deutlich Terdicktt
Wandungen zeigten.
An einer Stelle im Chiaama fand sid
ein peripherischer Saun», welcher an Weigert-
Präparaten sehr bell erschien in Folg« 6it
Uuterganga von Nervengewebe. Dies«, o^*
benchriebene Veränderung der Pia war jeden
falls als eine cbronisch-entziind liehe tu h&
trachten f die jedoch nirgends gerade doeia
gummösen Charakter darbot. Im Ocalorno-
tOfitiBitamm zeigte sich auf allen Präparaten eine ausgesprochene Degeneration in mehrein
Bündeln (s, Fig. 70). Zwei am Rand gelegene enthielten nur nocb eine sehr gering« Aan^l
markb altiger Nervenfasern; in vier l>eQacbbarten Bündeln ist die FaserdegeneratioD gtrinpf-
Während die Hüllen des Oculomotorius nicht verändert erscheinen» ist im Ocolooiotiona»'
stamme selbst eine so auäserordentliche Fllllung und Zunahme der (iefäase Torhaii^esi,^
dass man geradezu von einer tele&ngiek tatischen Veränderung des Nerven sprechen köontl
Die tJntersuchung etwas grösserer Basalgefä'^se ergab in manchen ganz erhcblieli
Veränderungen, An einzelnen Stellen bestand eine so hochgradige Wucherang der IdühiI
Fig. 70.
QuiTschnUt durch den Oculomotorius unmitt^d-
l>»r tiach Heijiem Ausritt aus dem Peiluneuliis.
NebfMiaa reebt» ein vehiudertest (leHuJä. lii der
oberen Partie des Nervca<[ucrHebnittH jalilreieb^
tlejtjpnerirte Nervenbündel,
Die Ptosis bei der cerebr&len SyphiJiö, 325
las daä Lumen sehr bedeutend reduzirt ersclüen. An anderen Stellen war eine kleinzellige
Dfiltration und Verdickung der Ad^entitia zu koustatiren.
Dass es sich im vorliegenden Falle um lüctisclie Folgezustände imrt
Teräederungen handelt, dürfte aus dem anatomischen wie klinischen Befunde
lit Sicherheit hervorgeli^n* Denn wenn auch die Veränderungen in den
leniogen, im Ocnlomotorius und den Gefässen gerade nichts für Syphilis
jsohit Specitisches an sich trugen, so ist doch eine derartige Endarteriitis
bbliterans hei einem 36jährigen, sicher luetisch gewesenen Menschen, eiri
Vorkommen, das hei weitem ara häufigsten eben bei Syphilis konstatirt zu
werden pflegt.
Nehmen wir nun noch die klinische Beohachtung dazu, m handelt es
sich kurü resümirt um einen 36jährigen Mann, der sich im 24, Jahr infizirt
und in den folgenden 2 Jahren Sekundärerscheinungen hatte. 7 Jahre später
traten hie und da Schwindelaniälle auf* 1 Jahr später fiel Patient hewusstlos
um. Es wurden Ptosis, langsame Sprache und verändertes Wesen konstatirt.
Nach vorübergehender Besserung stürmte er bewusstlos zusammen und starb.
Als Todesursache wurde ein Hämatom der Dura mater gefunden.
Wenn auch letzteres hei Hinisyphilis ausserordentlich selten vorkommt,
so ist der Verlauf der Krankheit um so charakteristischer: das Alter, der
prodromate Kopfschmerz, der Schwindel, die Veränderung des Wesens, die
Anfälle von Iknvusstlosigkeit, die veränderte Sprache und die Ptosis.
I>as Interessanteste war nun in unserem Falle die durch die mikro-
skopische Untersuchung erwiesene partielle Degeneration im Oculo-
m o t o r i u s s t a m m e .
Es drängt sich hierbei nun die Frage in den Vordergrund, ob es sich
bei dieser Beobachtung um eine primäre Kerndegeneration mit sekundären
Veränderungen im Oculomotoriusstamme, oder um eine primäre periphere
Degeneration der Nervenfasern handelt, als deren gewöhnlichste Ursache bei
der Lues, wie wir im folgenden Abschnitte sehen werden, die Kompression
durch eine basale gummöse Meningitis angesehen wird.
In vorliegendem Falle aiier zeigte das Mikroskop die HüJlen des Ocn-
lomotorius nicht verdickt, und es konnte spezieil von einer gummösen Infil-
tration hier nicht die Rede sein. Dagegen bestand eine so auffallende (iefäss-
Veränderung, welche theils in ausserordentlich jiraller Füllung derselben, theils
in Gefässneubildung, und endlich in Alterati(m der WandnuL'en ihren Ausdruck
fand, dass es nahe liegt, bierin die Ursache der parencliyiiiatiisen Degeneration
im Nerven, die nirgends einen entzündlichen Charakter zeigte, zu suchen.
Es würde sich dann um eine in Folge von (iefassalterationen bedingte
Nekrobiüse der Nervenfasern handeln. P^ndlich dürfte eine andere Erklärung
nicht ausser Acht gelassen werden, dass nämlich die Möglichkeit einer
parasyphilitischen Degeneration vorliegen möchte, eines ähnlichen Vorgangs,
wie bei den Degenerationen der Tabes dorsalis. Sind doch in jüngster Zeit
eine ganze Reihe von Tahesfällen publizirt worden, bei denen sich neben
2r
326 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
tabischen Degenerationen oft syphilitische Veränderungen vorfanden, so von
Oppenheim, Dinkler, Eisenlohr u. A.
Wenn wir auch bei dem Mangel der Untersuchung der Ocalomotonur
kemregion die vorhandene Ptosis nicht mit absoluter Sicherheit auf
die gefundene periphere Affektion allein beziehen können, so liegt dodi
ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für deren ursächlichen Zusammen-
hang mit den erwähnten Veränderungen im Oculomotoriusstamme vor.
Dem mikroskopischen Befunde bei diesem Falle ähnelt am meisten ein
Befund Siemerlings (674), bei welchem die Funktion des Oculomotorius intakt
gefunden wurde. Die mikroskopische Untersuchung der Nervenstamme üess
an einer Stelle eine reichliche Gefässwucherung erkennen, und im Kenen
konnte bis in die Endzweige im Muskel eine Anzahl atrophischer Nerrenfasern
nachgewiesen werden. In vielen anderen Fasern zeigte sich auf dem Quer-
schnitte das Mark ohne konzentrische Schichtung, und die Achsencylinder
verhältnissmäsig sehr klein.
d) Die Ptosis bei der basalen gummösen Meningitis.
§ 124. Das Symptomenbild der diffusen basalen gummösen Menin-
gitis ist uns am besten von Oppenheim (608) geschildert worden.
Die betreffenden Personen erkranken mit Allgemeinerscheinungen, nnter
denen der Kopfschmerz obenan steht. Hierzu gesellt sich häufig Erbrechen
und Schwindelgefühl, und nicht selten treten Ohnmachts- und Krampfanfalle
auf. Eine Abnahme der Intelligenz, eine massige Demenz und Gedächt-
nisschwäche ist die Regel. Intercurrent stellen sich Störungen des Bewnsst-
seins ein: eine tiefe, oft mehrere Stunden oder Tage anhaltende Benommen-
heit. Gleichzeitig mit der Entwickelung dieser allgemeinen Cerebralerschein-
ungen, meistens erst im Gefolge derselben, treten Lähmungserscheinungen von
Seiten der Gehirnnerven auf, von denen der Opticus und Oculomotorius ganz
besonders bevorzugt erscheinen. Bei der Obduktion eines solchen Gehirns
findet man die Basis, und hier wiederum vornehmlich den interpeduncularen
Raum, die Gegend des ('hiasmas, wie mit einem starr gewordenen Fluidum, etwa
wie Paraffin oder Celloidin, ausgegossen; in alle Furchen und Einsenkungen
hat sich dieses zellenreiche, üppig vascularisirte Granulationsgewebe gedrängt,
dessen Gefässe theilweise thrombosirt oder obliterirt sind, und das an einzelnen
Stellen verkäst ist, an anderen wieder eine fibröse Umwandlung erfahren
hat. Die Ursprünge der Gehirnnen en sind durch diese Masse völlig verdeckt
oder wie mit einem Schleier überzogen. Bei genauer Betrachtung sind die
selben, vor allem die Optici und Oculomotorii, nicht allein von dieser in frischen
Fällen sulzig gallertigen, in älteren mehr schwieligen Neubildung umschlossen,
eingeschnürt und durch Druck zur Atrophie gebracht, sondern auch seihst
verändert, gleichmässig oder kolbig und knollig verdickt und erscheinen aaf
dem Durchschnitt mehr oder weniger glasig grau oder speckig gelb. Es
kommt jedoch auch vor, dass die von der Geschwulst umklammerten Hirn-
nerven makroskopisch normal erscheinen.
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis, 327
Das Epineurium der Nerven wird bei dieser Perineuritis gummosa zu-
nächst befallen, und längs der von diesem ausgehenden Bindegewebssepten
kriecht der gummöse Prozess von allen Seiten in den Nerven hinein. Während
dabei die Nervenfasern unter dem Drucke dieser zellig infiltrirten, gefässreichen
Bindegewebssepta atrophiren, ist der Nerv in Folge der eingebetteten Neubildungs-
bestandtheile in toto geschwollen und oft um das 4— 5 fache seines Volumens
vergrössert. Doch mag die Schwellung auch zum Tbeil auf Rechnung einer
serösen Imbibition zu bringen sein. Aehnlich, aber gewöhnlich doch nur in
geringerem Grade, wird die Gebimsubstanz selbst in der Nachbarschaft der
Pia ins Bereich der Erkrankung gezogen. Dabei kann neben dieser diffusen
Meningitis eine umschriebene Gummabildung, z. B. an der Konvexität oder
an einzelnen Gehimnerven, bestehen, oder das übrige Gehirn zeigt sich intakt,
und es bestehen ein oder mehrere Erweichungsherde.
Die basilare gummöse Meningitis ist die häufigste Form des syphilitischen
Gehimleidens. Wenn sie aber trotzdem, wie die pathologischen Anatomen von
Fach behaupten, nur äusserst selten in der eben beschriebenen Form auf
dena Sektionstische zur Beobachtung kommt, so liegt diesem Umstände die
Thatsache zu Grunde, dass die Patienten entweder geheilt werden, oder dass
die pathologischen Produkte durch die Behandlung eine Umwandlung erfahren
haben, und darum mehr die alten schwielig gewordenen Formen bei der
Sektion zu Tage treten. Wir haben post mortem nur einen, sich genau
jener von Oppenheim gegebenen Schilderung anschliessenden, relativ frischen
Fall von basilarer gummöser Meningitis zu beobachten Gelegenheit gehabt , den
vrir bei den Erkrankungen des Sehnerven genauer beschreiben werden, denn
der Oculomotorius war in diesem Falle unberührt geblieben.
Bei dem Lieblingssitze der Krankheit in der tiefen Nische zwischen dem
Chiasma, den Pedunculis und den austretenden Stämmen des Oculomotorius ist
es nicht zu verwundern, dass der Letztere meist auf beiden Seiten bei
dieser Krankheit ergriffen wird.
Bei der grossen Zahl beschriebener Fälle dürfte es wohl genügen, nur
einzelne Beobachtungen als typische Beispiele für die Angriffsform des gum-r
mösen Prozesses hier anzuführen.
§ 125. Die seltenste und gewissermassen den Beginn des Leidens vom Epinenrium
ans darstellende Form hat Baum garten (609) beschrieben, in welchem Falle beide Oculo-
motorii mit tranbig-knotigen, gelblichen Geschwalstcheo dicht besetzt waren, angeblich ohne
Fonktionsstörnng , was in hohem Grade merkwürdig erscheint, weil das freie Ende des
rechten Nerven vollständig in der Neubildung aufgegangen war. Das Neurilemm, die Septai
mid das Perineurium waren in kleinzelliger Wucherung begriffen, auch die Nervensubstanz
selbst zum Theil in vom Rande nach der Mitte zu fortschreitender Richtung in granulations-
artiges Gewebe umgewandelt.
In der folgenden Beobachtung Virchow's (610) sehen wir die gummöse Meningitis
saf den Nerven übergreifen und daselbst als Perineuritis und Neuritis interstitialis gummosa
in dem letzteren weiter wandern. Die rechte Pupille war weiter als die linke. Es bestand
rechts Ptosis, später auch links. Bei der Sektion fand man eine basale gummöse
Meningitis an der Unterfläche des Vorderlappens, vor allem aber in der Gegend des Chiasma
and der Sella turcica, die Hauptgeschwulst in der Gegend des rechten Sinus cavernosus.
328 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Die beiden Oculomotorii zeigten sich in eine hellgraue, derbe, gallertige, durchacheineBie
Masse eingebettet. An Stelle des rechten Oculomotorius fand sich eine dicke gallertige
etwas röthliche, schwielige Masse, während links der Nerv kurz Yor seinem I^ntritt in &
Geschwulst aufgetrieben und von einem röthlich durchschimmernden Gewebe durehdnmget
war. Die stärkste Entwickelung bestand zwischen beiden Ocnlomotoriis nnd erstreckte aick
▼on da auf die mittlere und vordere Partie des Pens.
Von dem ursprünglichen Angriffspunkt des gummösen Prozesses am Xerren
kann sich dann die gummöse Neuritis als eine mehr selbständige Krankheit
mehr oder weniger weit innerhalb der Scheide desselben fortpflanzen, ihn
auftreiben und zu Erweichungen und Blutungen in demselben fahren.
Meist ist die gummöse Neuritis mit einer starken Gefassneubildimg
und Wucherung im Nerven verbunden. So berichtet Siemerling (578) über
folgenden Fall:
Bei einer 38jäbrigen Frau waren rechterseits die Augenbeweguogen nach allen Rick-
tungen hin erheblich beschränkt; es bestand massige Ptosis und Ophtbalmoplegia
interior. Links ausgesprochene Beweglichkeitsbeschränkung im Sinne des Rectns iotenos
und Rectus inferior. Der Raum zwischen den Himschenkeln war aosgeffillt mit Mner
frischen gummösen Wucherung, welche auf die Oculomotorii übergegangen war und dieselbeo
weithin in gummöse Geschwülste umgewandelt hatte. Eine abnorme Gefässwochenmg zog
sich bis zu den Oculorootoriuskernen hinauf und wucherte in die^ hinein.
Je nachdem nun die den Nervus oculomotorius umlagernde gummöse Neu-
bildung den Stamm des Nerven mehr oder weniger bedrängt und ihn drückt
wird auch die Leitung in diesem Nerven mehr oder weniger stark behindert
werden.
Dass aber trotz umlagernder Geschwulstmassen die Leitung im Nerven völlig
frei bleiben kann, zeigt die Beobachtung IX von Uhthoff (1. c), bei welcher der reckte
Nervus oculomotorius von einer basalen grauweisslichen Geschwulstmasse omlagertf die
Nervensubstanz selbst aber im Wesentlichen intakt geblieben war. Funktionell zeigte sich
hier nur eine leichte Parese in allen äusseren Zweigen des rechten Oculomotorios. während
der Sphincter pupillae und die Accommodation intakt geblieben waren.
Umgekehrt fand sich in dem Falle Naunyn's (611), in welchem gamroöse Schwarten
und Verwachsungen über dem rechten Scheitellappen und am linken Stimlappen gefondeo
wurden nnd eine linksseitige Oculomotoriusparese bestanden hatte, der linke Oculomotorios
in gummöse Schwarten eingebettet, geröthet und atrophisch.
e) Die Alteration des Wurzelgebietes vom Nervus oculomotorius.
§ 126. Das Wurzelgebiet des Nervus oculomotorius wird meist durch
gummöse Neubildungen oder Erweichungen imPedunculus resp. von der Brücken-
hälfte aus geschädigt. Im letzteren Falle ist auch meistens das Kemgebiet
indirekt in Mitleidenschaft gezogen.
Entweder sitzt nun ein Gumma basal im Grosshimstiel, zerstört das
Wurzelgebiet und drückt noch auf den ausgetretenen Oculomotoriusstamm, wie
in der Beobachtung Finde isen's (612) mit kompleter Oculomotoriuslähmung,
im Falle Dörgen's (600) und in der Beobachtung Herxheimer's (619)
ebenfalls mit kompleter rechtsseitiger Oculomotoriuslähmung, oder der gum-
möse Prozess schädigt nur das Wurzelgebiet des Oculomotorius im Imiern
p,
Grosshimsclienkels, wie in dem von Pick (597) bescliriebenen Falle, in
welchem die linksseitige Ociilomotoriuslähmunf* dadurch hervorgerufen worden
war, dass gummöse Massen im linken Peduiicuhis cerebri die Wurzelfasern des
Oculomotürins alter Irt hatten.
In den folgenden Fallen hatte eine Erweichung des Pedunculus in Folge
letiscber Gefässerkranknng die Ocalomotoriuswurzeln in Mitleidenschaft ge-
igen.
So war im Falle Alexander*» (613) eine rechtsöeitige Oculomotoriuslähmung mit
•terer BetheiliguDg des Sphincter pupillae uod der Accomtnodation durch einen Erweich*
gsherd im rechten Peduncnlus, welcher sich nach hinten bis zu der Brücke erstreckte,
rvorejerufen worden.
Im Falle B ri stowe's (614) bestand rechtes totale Augenmnakellähmung mit Ausnahme
des Ohltquus superior, Ea fand aich eine syphilitische Endarteriitis der rechten Artcda
cerebri posterior mit Erweichung des rechten Himschenkek*
Auch in der Beohaehiung H ughltng B-Jackson's (604) war eine rechtsseitige
Oculomotonuspareae vorhanden mit Ausnahme dar Pupille, Es fand sich eine Erweichung
des rechten Hirnschetikd».
In Leyden's Fall (615j mit linköseitiger totaler OculomotoriüslÜbmung griflf ein
ÜrweichuDgsherd dicht oberhalb der oberen Ponsgrenze in die Partie über, welche von den
Fasern des Oculomotoriüs durchbogen wird.
Auch von der Brückenhälfte aus diu'ch Fernwirkung auf das Wurzel-
nnd Kerngehiet des Oculomotoriüs erhalten wir Lähmiingserscheinungen
dieses Nerven, wie z, B. im Falle Duncan's (616).
Hier &&ss ein hohnengrosaea Gumma^ von der Pia ausgebend^ am Uraprung des
rechten Trigerainus in der rechten Ponshälfte, Funktiüneli bestand rechts nurPtosia»
In der Beobachtung BnHet's (617) war links der Rectas internus, rechts der Abdneens
gelähmt. Es fanden sich links im obersten Theile der Brücke nfaaening drei liDsengrosse
Tumoren, nicht in die Tiefe reichend, Kechts zog ein Syphilora von l*/i cm Durchmeaser
durch die ganze Länge des Pons^ 8 mm vom Ventrikelboden aich haltend. Der Abducens-
kern blieb verschont.
Ducbek (602) beobachtete eine isolirte linksseitige Ptosis. Es fand sich eine
gummöse Geschwulst in der Brücke mit Erweichung der Umgebung.
In den beiden folgenden Fällen bestanden lediglich Erweichungsherde
in der Brücke.
So wurde im Falle Oppenheim's (024) rechteraeita eine mäaaige, aber deutliche
Parese des Oculomotoriüs in seinen äusseren Zweigen mit leichter Ptosis beobachtet.
£a fand steh am PonSt den hinteren Vierhügeln entsprechend, ein etwa FQnfpfonnigstÜck
^osaer, gegen die Umgebung deutlich abgegrenzter Herd von gelhlicber Farbe und körniger
Schnittfläche.
In Ziinm er man o's Falle (618) mit linksseitiger Llhmung dea Nervus oculomotoriüs
he stand eine syphilitische Erkrankung der linken Ponshälfte.
Der Güte des Herrn Dr. Engel-Reimera verdanken wir folgenden Fall » dessen
mikroakopbche Untersuchung wir ausführen konnten.
Ein 51jähriger Arbeiter P. F. G. kam am 9. Mai 1894 mit einer frischen Roseola
auf der syphilitischen Abtheilung des alten allgemeinen Erankenhausea an. Am Präputium
waren die Nachbleibsel eines verheilten Ulcus durum in Form einer flachen Induration
nachweisbar. Am 9. Juni wurde Patient geheilt enltassen.
Am 23. September 1894 bekam G. plötzlich einen Schwindelanfall, weshalb er sich
am folgenden Tag im Krankenbause wieder aufnehmen liess. Er kam zu Fuss ins Hospital
ddO Die Ptosis bei der cerebraleo Syphilis.
zitterte aber stark und klagte über heftige Kopfschmerzen. Am Nenrensysieiii war mm
nichts zu konstatiren. Auffallend erschien die hochgradige Enge der Pupülen, welche aber
gut reagirten. Die Untersuchung des Augenhintergrundes ergab eine Rflthiiog beüer
Papillen ; sonst nichts. Patient hatte wieder manifeste luetische Erscheinungen in Fom
eines pustulösen Syphilides.
Am 1. Oktober konnte er plötzlich den rechten Arm nicht bewegen und nicht ordeu-
lieh schreiben. Er liess den Urin unter sich.
Die Untersuchung des Nervensystems (Dr. Barg um) ergab eine deatliche reckte-
seitige flemiparese; die grobe Kraft des rechten Armes war stark herabgesetzt; ebenso die
Orientirungsvermögen. Es bestand eine Parese des rechten Beines mit analoger Störmig
der Orientirung. Der rechte Mundwinkel hing herab, und die rechte Nasolabialfalte war
verstrichen. Zunge und Uvula wichen nach rechts ab. Die Augenbeweguogen wareo frei
bis auf eine rechtsseitige Ptosis.
Die Sprache war undeutlich, das Sensorium erschien getrttbt, die Patellarrefleze
waren besonders lebhaft; Bauch- und Plantarrefleze rechts herabgesetzt.
Er konnte weder stehen, noch allein gehen. Untei*stQtzt schleifte er den recbtei
Fuss nach.
Am rechten Bein waren leichte Hypästhesien vorhanden.
Am 3. Oktober trat eine entschiedene Verschlechterung ein. Patient war verwiirt
und schwatzte unverständliches Zeug vor sich hin. Die Hemiparese hatte zugenommen. An
der rechten gerötheten Papille war der Rand verwaschen. Beide Pupillen waren gleick
reagirten etwas träge, die rechtsseitige Ptosis war unverändert.
Am folgenden Tage war 6. klarer, die Sprache deutlicher; er liess aber den Stokl
unter sich.
Am 26. Oktober trat Fieber auf, das nach drei Tagen bis 39,8 stieg. Es stellte wk
Singultus ein, worauf am 30. Oktober der Exitus eintrat.
Bei der Sektion fanden sich lobulär -pneumonische Herde im rechten UnterUppea,
femer Atherom der Aortenklappen. An Leber, Milz und den fibrigen Abdominalorganen
fand sich nichts besonderes.
Die Schädelcalotto war nicht verändert. Die Dura leicht abziehbar. Ueber der
linken Hemisphäre war die Pia stark getrübt und verdickt, sie konnte aber leicht und gUtt
vom Hirn abgezogen werden. An der Gehirnbasis zeigten die Häute kein Zeichen toi
Entzündung, dagegen waren die basalen Gefässe äusserlich schon verändert und bildeten
harte, gelblich schimmernde Stränge. Nach Aufschneiden der Arteria basilaris und verte-
bralis sinistra rollte sich die Intima nach innen um und erschien stark verdickt Das
Lumen selbst war nicht beeinträchtigt und enthielt nirgends Thromben.
In der Arteria vei-tebralis dextra fanden sich keine Veränderungen.
Die Gehirnsubstanz war feucht und stark bluthaltig. Die HirnYentrikel erschienen
etwas erweitert. Nirgends fand sich eine Uerderkrankung, ausser im Pons. Daselbst war
links genau bis zur Raphe reichend ein fast kirschgrosser Erweichungsherd Torhanden.
Der Himstamm wurde in Müller'scher Fltlssigkeit gehärtet. Die nebenstehende
Abbildung (Fig. 71) wurde nach einer Photographie des in Gelloidin befindlichen Präparates
angefertigt. Aus derselben ist makroskopisch ersichtlich, dass '/s der oberflächlichen und
tiefen Querfaserschicht mit den dazwischenliegenden Pyramidenbahnen linkerseits so affizirt
ist, dass die Zeichnung total verwischt erscheint.
In der Schleife, im Hauben feld, im hinteren Längsbündel und in der Kemregion des
Quintus, sowie in seinen Wurzelfasern sind keinerlei Veränderungen wahrzunehmen.
Der Herd nimmt den linken oberen Theil des Pons ein und erstreckt sich nach oben
bis zur Höhe des Trochleariskernes, nach unten bis oberhalb der Kernregion 4les Facialis
und Abducens. Dass der Erweichungsherd nicht alt, sondern erst neueren DstoniB war.
ist daraus ersichtlich, dass die linke Ponsseite eine Volumzunahme zeigte, was naek
Wer nicke daraus zu erklären ist, dass durch die Eollabirung der yerschlossenen Arianen
Die rtosie bei der cerebralen Syphilis.
Kig. 71,
FrtiiUalsebiiiÜ durch den Poiia. In der liiikeu Briickeu-
hiilfU' tiu Krweichungsherd hei cew*braler Syphilk»
die LyinphiÄume sich erweitert und mit reichlicher Cerebrospmalflüssigkeit gefüllt haben.
Hiediircb trwl <?iue Quellurig des der Nekrobiose anheimgofallenen Gewebes ein. Bei der
Weiger tfärbung fiel das brüchige Gewebe aus; bei der Karmiofärbung iiahra die erweichte
Pjirtie einen ganz verwaschenen Ton an. in welchem die NervertfaHorn gequollen, die Glia
odemaiös und verbreitert erst-hien, dazwischen fanden sich Fettkörnchenzellen und zer-
fallenes Nervengewebe, An der
'f renze der nekrobiotischen Partie
WMren die Blut;^efösse erweitert
An einzelnen kleineren war deut-
lich eine kleinzellige Intiltration
der Wand nachweisbar. Dagegen
waren an den grösseren Gefäsaen
keine emlo- oder per* arte rii ti-
sche Entzdndungs Vorgänge vor-
handen.
Wenn mm auch dieser
EnÄeichuDgsherd sicher uul'
die Veränderungen in der
linken A. verlebralis zurück-
zuführen und als thromboti-
scher anzusprechen ist, so
fanden sich in hijher gelegenen
Partien in derOciilomotorius-
Kemregion Veränderungen,
die nicht nekrohiotischer.
sondern cirkutnskript entzündlicher Natur waren. Auf der einen Seite des
Wurzelfusergebietes des Öculomotorius war ungefähr in der Mitte zwischen
dem grosszellig-lateralen Kern und der Austrittsstelle des Ocwlomotüriys im
oberen Drittel des rothen Haubenkernes eine cirkumskripte Encephalitis, Die
kleinen Gelasse waren erweitert; es bestanden Rundxelleninfiltrationen gerade
an einer Stelle, wo die Ocnlomotoriiiswiirzelfasern durchtraten. Dieselben
zeigten zum Thei! fettigen Zerfall, zum Theil waren sie atiophisch, und zum
Theil untergegangen. Die Ganglienzellen des Öculomotorius waren beiderseits
nicht verändert.
Endlich sei noch hinzugefügt, dass sich in diesem Falle eine richtige
Entzündung des centralen Hohlengraus um den Aquäductus Sylvii vorfand.
Die Wandungen desselben waren unregelmässig zerklüftet. Diese zerklüfteten
Partien waren reichlich zellig intiltrirt.
f) Die Alteration des Keriif^ebiets des Oeuloiiiotoriu»«
45 127. Wir hatten bereits in S ^2 auf Seite 109 besprochen, inwiefern
i)wohl die einzelnen Kerne der Augenmuskeln, als auch die Spezialkerne des
:!ulomntorius einzeln nnd in verschiedener Kombination durch Gefäss-
rkrankung afficirt werden können, und wie es komme, dass gerade die
ae des Öculomotorius besonders zu derartigen Erkrankungen disponirt
332 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
seien. Bezüglich der dort erwähnten Verhältnisse ist nun noch wegen i
Blutversorgung des Oculomotoriusgebietes folgendes nachzuholen:
Das Kern- und Wurzelgebiet des Oculomotorius wird von der Arterit
basilaris aus mit Blut versorgt. Dieselbe theilt sich am Yorderende d»
Pons in die beiden Arteriae cerebri posteriores profundae. Dieselben kreoza
an der Basis den Hirnschenkel und verschwinden dann in der Tiefe der Hemi-
sphären, um in der Rinde der oberen Fläche der Hinterhauptslappen, sovie
auch in der Rinde der Innenfläche des Hinterhaupts- und SchläfenlappeDS zu
endigen. Unterwegs entsenden sie nach vom in der Richtung zu den Ai.
carotides intemae je einen Ramus communicans posterior. An der Stelle der
Bifurkation der Arteria basilaris, am vorderen Rande der Brücke, gehen mm
in der Richtung nach vom und entsprechend der Substantia perforata posterior
einige kleinere Arterien ab, welche die Emährung des grössten Theiles der
Himschenkel und des hinteren Abschnittes der Thalami optici besorgen.
Die erste von diesen Arterien, die Arter ia peduncularis interna, versorgt
den inneren Abschnitt des Himschenkelfusses, hauptsächlich die Austrittsstelle
der Wurzelfasem des Nervus oculomotorius; die zweite, Arteria nuclei
oculomotorii, ernährt sämmtliche Kerne dieses Nervenpaares im ganzen
Verlaufe der Haube und des hinteren Abschnittes des Bodens des HI. Ven-
trikels. Die dritte, Arteria optica interna et posterior, geht weit
nach vom und speist den hinteren Abschnitt des Thalamus opticus, das Pnl-
vinar. Das vierte Gefäss endlich, die Arteria pedunculo gemina, fuhrt
Blut zu den vorderen Vierhügeln und bildet im Gegensatz zu allen übrigen Ge-
fässen dieser Gruppe keine Endarterien, sondern geht vielfach anastomotische
Verbindungen mit den Gefässen der benachbarten Arterien ein. [Rosso-
li mo (625).]
Eine Erkrankung der Basilararterie, zumal an ihrer Bifurkationsstelle,
wird daher sehr leicht Ernährungsstörungen im Gebiete der Oculomotorius-
kernregion zur Folge haben können, wie wahrscheinlich in der folgenden B^
obachtung Chiari's (626).
ßei einem 15 monatlichen Mädchen mit Lues hereditaria war links eine Erweitenug
der Pupille und rechts eine Ptosis zu konstatiren. Es wurde eine hochgradige Endaitenitii
luetica mit theilweiser Thrombose der Arteria basilaris beobachtet.
Aus dem vorerwähnten Ursprung der Arteria peduncularis interna und
der Arteria nuclei oculomotorii ist es auch erklärlich, warum Erweichungs-
herde im Pedunculus und in der Brücke so häufig von nuklearen Augen-
muskellähmungen begleitet werden. Sektionsbefunde von isolirter Erkrankoog
des Kemgebietes vom Oculomotorius durch Endarteriitis luetica liegen aber
trotzdem nicht vor, wiewohl wir gerade nicht selten nach Lues Augenmuskel*
Störungen mit dem Typus der Nuclearlähmungen beobachten. Diese ^
scheinung erklärt sich wohl aus dem Grunde, dass die Aetiologie solcher
Augenmuskelstörungen frühzeitig erkannt und letztere bei zweckentsprechender
Behandlung frühzeitig auch geheilt werden, wie in der folgenden Beobachtmig
von Schwarz (627).
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis. 333
Die Krkrankung begsnn mit einer Lähmung der exterioren Augenmuskeln und ergriff
iliesslich die äussere ßulbusmuökulatur derartig ♦ daas nach einiger Zeit beide Augäpfel
ttllkominen nobewegUeh wHreii. J)l& Bintierinmökeln des Auges bliebtjn aber stets frei.
' Pupillen waren verengt, resgirten itber stets gut auf Licht und Accommodation. Letztere
irde hiiütig geprüft und stets tftr gut befundf^u. Eine beginnende Chorioretinitis syphili-
Hess auL'b die Opbtbsilmoplegie als i^ypbilitiHcb aunehmen Die unter eii>ezif]ecber
ftndlung allmählich erful^^ende erhebliche Besserung der Lähmung bekräftigte dieao
miiibme.
Diesen Heilerfolg bei vorausgegangenen Augenmuskelaffektionen nach
&m Typus der Xuclearläbmungen erklären wir uns dadurch, dass die an-
Inglieh durch die Endarteriitis hochgradig verengten Geßsslumina und die
dadurch gesetzten Ernährungsstörungen der Kernregion, durch allmähliches Frei-
werden der (lefässlumina nacli erfolgi*eicher Behandhing wieder eine aus-
giebige Ernährung ihrer betreffenden Bezirke gestatten. Dadurch wird es
ermöglicht, dass die vorher geschädigt gewesene Funktion jener Centren sich
voll, resp. bis zu einem gewissen Grade der früheren Leistungsfähigkeit wieder
erholen kann.
S 128. Nicht allein aber durch die Erkrankung der Arterien mit den un-
ausbleiblichen Ernährungsstörungen des Augen muskelkemgehietes werden die
Oculomotoriuscentren bei der Syphilis in Mitleidenschaft gezogen, sondern es
können auch klinisch durcli direktes Hineinwuchern gummöser Massen in
diesen Bezirk die gleichen Erscheinungen bewirkt werden.
So erwähnt Siemerliag (628) einen Befund, in welchem bei einer basalen gnm-
m58eti Meningitis lilngs der Wurzeln des Oculomotorius die gummösen Massen bis in die
Kernregion hinauf gewuchert waren, begleitet von verdickte?« Gef&ssen. Die (Tanglienzellen
waren dadurch zum Theile und namentlich auf der einen Seite zerstört worden.
Bei einem anderen Falle Sietnerli ng*8 (629) hatte eine Gtimmageachwulst im Hirn>
schenke! den Nervus oculomotorius schwer geschadigt und zugleich die Kernregion des
Oculomotorius in Mitleideusehaft gezogen Daselbst hatten nämlich die Ganglienzellen an
Zahl bedeutend abgenommen und waren in ihrer Ge«tolt verändert, im Ganzen kleiner,
Ton klumpigem Aussehen, ohne deutlichen Kern.
Dass auch ein primärer Schwund der Augenmuskelkeme während
des virulenten Stadiums der Syphilis erfolgen kann, beweist uns ein mikro-
skopischer Befund Oppenheim's. Bekanntlich bat Hutchinson (630)
auf diese Folgezustände der Syphilis zuerst die Aufmerksamkeit hingelenkt.
Der von ihm citirte Fall, bei welchem Gowers die Sektion und mikroskop-
ische Untersuchung vorgenommen hat, steht aber hinsichtlich der Lues als ätio-
logischen Moments für primäre Kemdegeneration auf schwachen Füssen, und
es muss derselbe nach dem sonstigen anatomischen und klinischen Befunde
als Tabes angesehen werden.
Da der Fall Oppenheim 's (631) als der einzige betrachtet werden
muss, den wir von primärem Kernschwund während der Periode der
konstitutionellen Syphilis in der Litteratur aufzufinden vermochten, so geben
wir die Krankengeschichte desselben in Folgendem etwas ausführlicher wieder.
Die 3! jährige Kranke war atclier Bjphilitiscli tnlizirt und bot zur Zeit der Aufnahme
m die Nervenklinik (Mai 1885) noch die Zeichen einer abgelaufenen Keratitis parenchyma-
toaa, sowie einer IridoehorioiditiB äypbilitiea, die nach ihrer Schilderung im Jahre 1881 in
SB4 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Blüthe gestanden hatte. Im Februar 1885 stellten sich Schmerzen in den Beinen eii,
sowie ein SchwächegefQhl in denselben. Die Kranke, welche auch das WestphaVsch»
Zeichen bot, wurde «geschmiert*^ und nach kurzer Zeit geheilt entlassen.
Im Mai kamen dieselben Beschwerden mit grosser Heftigkeit wieder, daza ktmei
reissende Schmerzen im Arm, krampfhafte Hustenanfälle und Schlingbes^werden. Daba
wurde beiderseitige Ptosis, fast vollständige Lähmung des rechten Ocalomotoiin,
eine Parese des linken in einzelnen Zweigen, beiderseitige Lichtstarre (NB. iritisdie SynaelMi'i
konstatiit. Es fand sich ferner eine Lähmung des Gaumensegels, HustenanfUle mit dbn
Charakter der Larynxkrisen, Brechanfälle, Lähmung des rechten Stimmbandes, Pame dei
rechten Cucullaris und Stemocleidomastoideus, Beschleunigung der Pulsschlige, SetuAili»
tätsstörungen, Harnbeschwerden und das Romberg*sche Zeichen. Unter Schmierknr cot-
schiedene Besserung. Im September 1885 war die Beweglichkeit der Bulbi eine fast nonaale
geworden, die Lichtreaktion der Pupille war links wieder nachweisbar, und die andern
Erscheinungen hatten sich alle gebessert oder verloren. Im Januar 1886 abermalige Ter
Schummerung. Neben der Wiederkehr der früheren krankhaften Symptome war jetzt der
linke Oculomotorius völlig gelähmt, der Rectus internus des rechten Auges war schwacb.
Eine neue Inunktionskur hatte keinen Erfolg. Statt des Westpbarscheo Zeicheos wir
aber jetzt eine Steigerung des Kniephänomens nachweisbar, ebenso Fassclonus and im
Ganzen spastische Parese der Unterextremitäten. Tod an Carcinoma uteri.
Im Gehirn fand sich bei makroskopischer Besichtigung ein Erweichnngsherd im linkeo
Corpus striatum.
Wir übergehen den übrigen Sektionsbefund, der sich als Pachymeningitis interna
chronica et Arachnitis gummosa am Rückenmarke manifestirte.
An der Medulla oblongata zeigte sich der hintere Vaguskem und der Glossophairn-
geuskern betroffen. Die Alteration, welche sich durch Schwund, Verkleinerung nod
Schrumpfung der Ganglienzellen, sowie durch Verdichtung des Grandgewebes kondgab.
war rechts stärker ausgeprägt als links.
In den Abducenskernen erkannte man schon boi schwacher Vergrösserong den Unter-
gang eines grossen Theils der Ganglienzellen. Desgleichen bestand eine namentlich nach
oben hin deutlicher werdende Atrophie der Oculomotoriuskerne. Beim Vergleich mit dem
normalen fällt es sofort auf, dass der Kern im Ganzen einen geringeren Umfang besitzt
und vor allem ärmer an wohlausgebildeten Ganglienzellen ist. Die Entartung ist keines-
wegs eine vollständige, überall sind noch zahlreiche Zellen zu erkennen, aber sie sind klein,
fortsatznrm, zum Theil gänzlich verkrüppelt. Trotz dieser nucleären Atrophie fäßi
die Wurzeln des Oculomotorius im ganzen gesund, nur hie und da erscheint einmal eis
Faserbündel auffällig dünn und lässt die Struktur und Färbung nervöser Fasern nicht mehr
erkennen. Auch der Stamm des rechten Oculomotorius, der in seinem peripherischen Ver-
laufe untersucht wurde, bietet die Zeichen einer deutlichen Degeneration.
Die Hirnai-terien zeigten auf dem Querschnitte starke Wucherung der Intima,
Dieser mikroskopische Befund von primärer Degeneration bei
Syphilis im Kerngebiet des Oculomotorius und getrennt davon im Stamm des
Oculomotorius erinnert bezüglich des letzteren an die auf pag. 322 erwähnten
Fälle Greiffs und v. Graefe's, sowie an unseren Fall, bei welchem die
Kernregion leider nicht untersucht werden konnte (pag. 323).
Dass im metasyphilitischen Stadium bei der Tabes und Paralyse relativ
häufig ein primärer Kernschwund in den Äugenmuskelcentren gefunden wird,
haben wir in pag. 153 § 69 weitläufig dargestellt.
Bb Ptosifl bei der cerebralen Syphilis. 335
Die Ptosis bei Alteratioit des suprnnudeiirert Gebietes des Ociiloimitoriiis.
S 129. Wie M ona k o w hervorhebt tragen die siipramicleären Äijgenmusktil-
imuiigen meist den Charakter der associirten Lahmimgen. Ausgehend von der
latsache, dass, wie wir in § 50 dargethan haben, manche klinischen Beobach-
igen ond pathologischen Befunde dafür sprechen dürften, dem Levator ein
>rticales Rindenfeld zuzuerkennen, müssen wir weiterhin eine suhcorticale
Bahn des Levator zu seinem Kern supponiren. Welchen Verlauf diese Bahn
nimmt, wissen wir nicht. Vielleicht dürfte aber die klinische Beobachtung
einer leichten Ptosis bei reiner syphilitischer Hirnarterienerkrankimg auf
eine Läsion dieser supranucleären Bahn zu beziehen sein. Henbner (694)
erwähnt bei der Symptomatologie der luetischen Hirnarterienerkrankung
speziell, dass, ausser einer Hemiparese mit bekanntem Typus, Lähmungen
von Gehimnerven nicht vorkämen. „Nur in drei Fällen sei einer geringen
Pto sis und in einem dieser Fälle des Doppeltsehens Erwähnung gethan." Für
die in Rede stehende supranucleäre Lokali sation scheint uns nur der 3. Fall
verwerthbar zu sein, in welchem es sich um eine Erweichung im Gebiete des
Thalamus opticus bandelt.
Im Grossen und Ganzen ist es a priori einleuchtend, dass das hei der Syphilis
so häufige Symptom der Ptosis eigentlich selten supranuclearer Natur sein kann,
da bei der Lues die klinischen Erscheinungen vornehm lieh von der Lokalisa-
tion abhängig sind Aus den vorhergehenden Abschnitten geht aber zur Genüge
hervor, dass die Himsyphilis mit Vorliebe die Basis cerebri befallt und durch
meningitische Veränderungen zu peripheren Affektionen der Himnerven führt.
Weiterhin wird die Hirnrinde in Form der diffusen Meningoencephaiitis
und die Innensubstanz des Gehirns in Folge von luetischen Veränderungen der
Gehimgetasse und von syphilitischen Tumoren betroffen, die bekanntlich
meistens multipel auftreten und klinisch zu auffallentJen Remissionen Ver*
anlassung geben.
Ueber das Vorkommen einer syphilitischen Encephalitis bei intaktem
Gefässapparat existiren, wie auch Oppenheim hervorhebt, zu wenig Unter-
suchnngen, um darüber sichere Angaben zu machen. Er weist jedoch auf
die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens hin und erwähnt der Fälle von
Charcot und Gombault, in denen es sich um disseminirte Entzündungs-
herde im Centrabrgane gehandelt habe.
Einen einschlägigen, hiicbst hemerkenswerthen und uns wegen des Vor-
kommens einer Ptosis liier interessirenden Fall von akuter Hirn-
erw^eichung bei Lues beobachtete Oppenheim (706). Wir haben diesen
Fall im Abschnitte pag. 329 zusammen mit dem Zim mermann'schen
Fall mitgetheilt, da es sich um AUeration des Oculomotorius-Wurzelgebietes
handelt.
Ob sich bei letzterem ebenfalls eine reine Encephalitis ohne Gefäss-
alteration gefunden hat, können wir nicht entscheiden, da uns die Original-
arbeit nicht zugänglich ist.
(
336 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Jedenfalls wollten wir in diesem Abschnitte darauf hinweisen, dass mn
bei einer durch eine supranucleäre Alteration bedingten Ptosis die alledünp
höchst selten vorkommende syphilitische Encephalitis ohne Betheilignng des
Getassapparates in den Kreis der diagnostischen Erwägungen ziehen mott.
h) Alteration iles corticalen Gebietes des Oculomotorios.
§ 130. In Koelli ker's (697) klassischem Werke der Gewebelehre findet
sich die Bemerkung, dass weder beim Oculomotorius noch bei einem der
beiden anderen Augenmuskelnerven die zu denselben in Beziehung stehende
Gegend der Hirnrinde genauer bekannt sei. Auffallend wäre, dass bei geiriieen
Erkrankungen derselben (des Gyrus angularis) eine Lähmung des Leiator
palpebrae alleine beobachtet werde, was zu beweisen scheine, dass nicht
alle Elemente des dritten Nerven von derselben Gegend beherrscht würden.
Koelliker citirt hiebei Oberst ein er (698), der in seinem bekannten Buche
der so fraglichen Verbindung des Cortex mit dem Oculomotoriuskemgebiete
näher tritt. Es mögen hier die Ansichten Obersteiners wörtliche Wieder-
gabe finden, da sie zugleich die Berechtigung, der corticalen Ptosis ein besonderes
Kapitel zu widmen, einwurfsfrei darlegen. „Die Verbindung der Grosshin-
rinde mit dem Oculomotoriuskeme dürfen wir wahrscheinlich in Fasern
suchen, welche aus dem Hirnschenkelfuss dorsalwärts gegen die Baphe riehen,
sich dort spitzwinklig kreuzen und am dorsalen Rande des Lateralkemes,
besonders aber im Inneren der Kerne bereits ein feines Nervennetz bilden,
aus welchem weiterhin die Endfäserchen in die Kerne selbst eintreten. Ans
welcher Gegend der Grosshirnrinde aber diese Bündel durch den Stabkranz
zum Oculomotoriuskeme ziehen, ist bis jetzt noch nicht festzustellen gewesen.
Das Gleiche gilt für die Beziehungen der beiden anderen Augenmuskeberren
zur Grosshirnrinde. Da bei corticalen (namentlich syphilitischen) Erkrankungen
als einziges Symptom von Seiten der Augenmuskelnerven Ptosis vorkommen
kann, so scheinen die für den Levator palpebrae bestimmten cerebralen
Bahnen sich auf ihrem Wege zu der Hirnrinde von denen für die anderen
Auf^enmuskeln zu trennen. Das Rindencentrum für den Levator palpebrae
hat man im Gyrus angularis gesucht, da cirkumskripte Erkrankungen dieser
Rindeiipartie mitunter mit Lähmung des contralateralen Augenlides ange-
troffen werden/'
Wir selbst haben im Kapitel „die corticale Ptosis" (§ 50 pag. 96), nach
einem üeberblick über die in der Litteratur niedergelegten Beobachtungen.
uns mit aller Reserve über die corticale Lokalisation der Levatorlähmung
ausgesprochen und betont, dass in der Litteratur vielfach Herdläsionen post
mortem im Gyrus supramarginalis und speziell im angularis konstatirt worden
seien, ohne im Leben das Symptom der Ptosis dargeboten zu haben. Dies
hatte schon früher Char cot undPitres nachgewiesen, und auch Monakow
scheint sich denselben in seiner neuerdings erschienenen Gehirnpathok)gie
anzuschliessen.
Die Ptosis bei der cerebralen 8ypbilis. 887
l>a mm in den let/len Jahren von Cliaiiffard und 8urmond
^deriim Mittheilungen gemacht worden sind, welche die früher mitgetheilten
sichten von Grasset und Landouzy (s. § 50) sttitzen, so müssen
wir gestehen, dass die Frage noch nicht spruchreif ist, und dass weitere
klinische und pathologisch-anatomische Untersuchungen über vorliegenden Gegen-
stand angestellt iverden müssen. Hiezu eignet sicli in hohem Grade das Studium
■ der difiusen syphilitischen Meningitis und Meningoencephalitis der Konvexität,
P^enn aueh der Umstand für die Deutung der klinischen Symptome reL^ht
erschwerend ist und sehr in Betracht gezogen werden muss, dass die luetische
Konvexitätsmeningitis sehr häufig mit einem analogen basalen Prozesse, oder
mit einer hietischen Arterienerkrankung komhinirt auftritt. Endlich finden
sich nicht selten isolirte Gumraata neben der diffusen Meningitis, wodurch
in zweifelhaften Fällen der Charakter der Hirnhautveränderung festgestellt
werden konnte.
So beobaclitete Dowse (640) bei einem linksseitig Gelähmten eine
LiBolirte rechtsseitige FHosis. Es konnte kein anderer Grund als ein Gumma
' rechts im oberen Drittel beider Centratwindungen eruirt werden.
Günther {641} sah bei einer rechtsseitigen Ptosis einen gummösen
Tumor im linken Schläfenlappen mit ausgedehnter Erweichung, welclie die
benachbarten Partien der motorischen Region, nämlich das Facio-lingualgebie t
in seinen Wirkungskreis hineingezogen hatte. (Ueber das anatomische Ver-
halten des Oculomotorius sind keine Angaben vorhanden.)
Fr i edel Pick (705) beobachtete einen sehr beraerkenswerthen Fall von
zahlreichen Gummen in der Medulla ablongata neben einer syphilitischen
Meningitis und Endarteriitis obliterans an den Rückenmarksgefässen und in
der Art. basilaris bei einer 35jährigen Frau, hei der nach Kopf-, Gesichts-
schmerzen und Parästhesien plötzlich eine linksseitige Ptosis aufgetreten
war. Hieraufstellten sich eine totale linksseitige Üculomotorius-Abducenslähmung
und noch andere schwere Läsionen ein, die an dieser Stelle der Erwähnung
nicht bedürfen.
Nach Oppenheim verläuft die luetische diffuse Meningoencephalitis
entweder akut oder chronisch. Dabei können Herdsjnmptome gänzlich fehlen,
oder vor den stark hen^ortretenden Allgemeinsymptomen in den Hinter-
grund treten: wie Kopfschmerz, Schwindel, unsicherer Gang, bald grosse Reiz-
barkeit, bald Apathie und Demenz.
Sehr häufig treten Krämpfe theils partieller, theils allgemeiner Natur,
nnd andere motorische Reizsymptome in die Erscheinung, wie choreiforme
Zuckungen und Tremor.
Von Lähmungserscheinungen im eigentlichen Sinne des Wortes ist nur
selten die Rede, meist betreffen sie die Zunge, was sich in der Schwerfällig-
keit der Sprache am häutigsten kiindgiebt.
Oppenheim (l c, pag. 96) hebt das Vorkommen von Ptosis und Pupillen-
differenz bei dieser Erkrankungsform speziell hervor, was uns zu der Annahme
verleitet, dass auch er eine cortical bedingte Ptosis anerkennt.
338 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Als Paradigma für eine chronisch verlaufende diffuise Meningoena-
phalitis luetica, bei der sich auch Ptosis einstellte, fuhrt Oppenheim folgende
Beobachtung Griesinger's an:
Bei einem 38jfihrigen Manne, der sich vor sechs Wochen luetisch infizirt hatte, tnt
nach Heilung von Hantansschlägen stilles, stupides Wesen, Schlafsucht, KopfschiiMn,
Schwindel und Gehstörung ein. Hierauf stellte sich eine in ihrer Intensitit wecluefaide
linksseitige Hemiplegie ein. Dann entwickelte sich eine rasch zuuehmende Demenz. Ter
dem Tode waren Ptosis, Augenmuskellähmung, Muskelzittem, Sehschwache und Kootrekt»
der Nackenmuskeln aufgetreten. Bei der Obduktion erwies sich die Dura mater als Domal
die Pia und Arachnoidea waren im ganzen Umfang, speziell an der Konvexität verwaeki«.
Die Arachnoidea war sehr verdickt. Beim Abziehen der Pia ging Rindeosabstanz mii
Speziell sei noch erwähnt, dass die Wandungen der Basalarterien rigide waren.
Eine akut aufgetretene syphilitische Meningoencephalitis habeu wir
im Kapitel VI in § 50 mitgetheilt; in diesem Falle wurde von uns khoisch
eine linksseitige Ptosis beobachtet, die wir hinsichtlich des patbolc^sch
anatomischen Befundes als cortical anzusehen geneigt sind.
Einen hierher gehörigen Fall beobachtete Obermeier (704).
Ein Feldwebel, der im 27. Jahre einen akuten Gelenkrheumatismus durchgemtckt
hatte, bekam im 33. Jahre zum ersten Mal einen hochgradigen Erregungszastand , dca
nach V'sstOndiger Dauer eine IVstftgige Bewusstlosigkeit folgte. In der Folge traten aack
völligem Wohlbefinden in verschiedenen Zwischenräumen psychische Störungen (Hallociitt-
tionen, Delirien) und schliesslich epileptische Ejrampf anfalle auf. Bei letzteren wnrdci
folgende Herdsymptome beobachtet : Streckung und Steifwerden des linken Armes, Drehng
des Kopfes nach links, des linken Mundwinkels manchmal schief nach abwärts. VorBbtr
gehende linksseitige Ptosis. Ständige Erweiterung der linken Pupille.
Die Anfälle häuften sich; Patient litt sehr an heftigen, oft Wochen lang dauemdn
Stimkopfschroerzen. Nach einer Gesaromtdauer der Krankheit von sechs Jahren starb
der Patient.
Die Behandlung bestand in innerlicher Daireichung von Bromkali, Zink, Atropin. Di«M
Mittel, ebenso wie das einige Male verordnete Jodkali, waren erfolglos.
Da Patient hereditär belastet war und weder Potus noch Lues in den Antecedeatieo
nachgewiesen werden konnte, nahm man eine genuine Epilepsie an.
Die Sektion ergab eine chronische syphilitische Pachymeningitis interna, syphilitifldw
Leptomeningitis mit Betheiligung der üirnrinde.
Uns interessirt hier ganz besonders, dass die harte Hirnhaut über der
konvexen Fläche der rechten Hemisphäre im Bereiche der oberen Fläche und
der seitlichen Partien des Stirnlappens und des angrenzenden vorderen und
lateralen Theiles des Scheitellappens stark verdickt, von sehniger Beschaffen-
heit, und mit den weichen Häuten innig verwachsen war. Erst gegen den
hinteren Theil des Scheitellappens nahm die Duraverdickung ab.
Die Hirngefässe an der Basis waren nicht verändert.
Wir haben diesen Fall eingehender wegen des klinischen Interesses und
des alleinigen Vorkommens einer Ptosis mitgetheilt, die auch in diesem
Falle wohl cortical bedingt sein mochte.
t) Fehlen der FtiuktioiLSstöniiig des Ociiloinotürius iiitni vi tarn bei ausge-
sproeiieiien unuiotEiiächeu Veräiideruugeii iiiKst iiiurtem.
§ 131. Eine Erklänmg für diesen merkwürdigen Befund lägst sich zur
Zeit noch nicht geben. Vielleicht waren doch in der letzten Zeit Lahmungs-
ersclieinuiigen von Seiten des Oculoraotorius aufgetreten, die der Beobachtung
entgangen oder in die Krankengeschichte einzutragen vergessen worden waren.
Unter den hierher gehörigen Fällen von Baumgarten, siehe pag. 327, Siemer-
ling, jjag. 326, und Ormerod Fall 28 pag, 343 haben wir an den ange-
führten Stellen das Nöthige gesagt.
Die topische Diagnostik des Sitzes der funktionellen Störungen
des Oculomotorius bei der Syphilis.
Was nun die topische Diagnostik des Sitzes der funktionellen Störungen
des Oculomotorius bei der Syphilis anbelangt, so müssen wir zunächst der
Frage näher treten, ob uns die Form der einzelnen Funktions-
störungen des Oculomotorius für sich allein überhaupt schon
befähigt eine annähernd sichere Diagnose auf den Sitz der
Affektion stellen zu können. Wir werden hierbei das Vorkommen
der Ptosis zunächst in das Bereich unserer Betrachtungen ziehen,
A. Die isultri bleibende Ptasis.
L Bei orbitaler Syphilis.
§ 1 32, Fälle mit Sektionshefund von isolirt bleibender Ptosis bei
orbitaler Syphilis resp, bei gummöser Periostitis der Fissura orbitalis superior
und des Sinus cavernosus wurden bis jetzt noch nicht veröffentlicht.
Wohl aber liegt eine Beobaehtang HitachmftQii'B (623) mit 8ektionsbefutid voiv
wo ein basaler gummöser Herd zugleich auch in die Fissara orbitaUs superior gedrungeE
war. Es begtaiiil recbteraeita Ptosis und LähmoBg des Äbducen^, des Trigemtnus, des
Olfactorius tind des Facialis. Das GüDglioti Gasseri, sowie die durch die Orbitaltissur aus-
trete ndeo Nerven waren von den gummösen Exaudatmassen straff um scheid et* Im recbten
Oculomotünus stellenweise Schwund der Nervenfasern. Die Dura mater in der Gegend
de» Gaoglion Gasseri sowie am Türkeosattel zeigte starke Verdickungen mit steilenweiser
dichter Infiltration,
Auch hatten wir bereits auf \mg. 318 einen Fall von de Luca mit da-
hingehürigem K^ankheitssit^e angeführt, hei welchem nach einer erfolgreichen
anti luetischen Kur alle Lähmungserächeinungen schwanden, bis auf eine zu-
rückbleibende F*tosis.
IL Die isolirt bleibende Ptosis — hei basalem Sitz der Affektion.
§ läS. Fall 1. Oppenheim (6S2): Anamoestisch vorlibergehetades Doppeltsehen»
L, Pupille > R. Reakiton etwas träge. L, Ptosis, welche in der Folgezeit etwas
wechselt; Bewegltchkeit der ßulbi sonst gut, Spüter verlor sich die Ptosis, es trat aber
Wilhrtnd-SAetiger, Keurologi« dea Auge». L Bd. U. Abtiieilang. 23
340 Die Ptosis bei der cerebralen Sypbilis.
links eine Parese des Rectus inferior auf. Bei der Sektion zeigte sich der linke Oeolft-
motorius geschwollen und von der gummösen Neubildung (basale gummöse Meningitis ii
der Gegend des Chiasma) durcbwachsen.
Fall 2. Oppenheim (633) (bezüglich des Befundes am rechten Auge): L. Popflk
^ R. Die linke reaktionslos auf Licht. Beidei-seits Ptosis, links etwas stärker. 6«»-
mOse basilare Meningitis am Gbiasma, die Oculomotorii werden von der Neubildnng qb-
schlossen. Beide Oculomotorii besonders der linke sind erkrankt. Mikroskopisch sieht mti
in den Randpartien dieser Nerven wenig normale Fasern. Das Zwischengewebe ist kier
stark verbreitert und sehr reich an Kernen und Gefässen.
Fall 3. Virchow (634) (bezüglich des Befundes am linken Auge). Die redite
Pupille > als die linke, die rechte reagirt nicbt auf Licht. Rechts Ptosis. SpAter lodi
links Ptosis. Die beiden Oculomotorii in eine hellgraue, durchscheinende Masse eiiu^
bettet. An Stelle des rechten Oculomotorius findet sich eine dicke gallertige, etwas röth-
liehe schwielige Masse, während der linke Nerv kurz vor seinem Eintritt in die GesdumJst
aufgetrieben und von einem röthlich durchschimmernden Gewebe dorchdrongen ist.
Fall 4. Virchow (635). Vorübergehende linksseitige Ptosis. Meningitis basOaris
gummosa. Sitz der grössten Neubildung in der linken Schädelgrube.
Fall 5. Koppen (636). Linke Pupille weit. Rechts Ptosis. Die Pia war besonder!
an der Basis der Medulla oblongata, des Poos und des Chiasma stark verdickt.
Fall 6. Wagner (637). Rechts Ptosis. Gummöse basale Meningitis. Bechter
Oculomotorius schmäler, weicher, wohl in Folge von Druck der gummösen Wacfaenmg an
der Basis in der Gegend der Sella turcica. Der Nerv hing jedoch mit der Substanz der
Geschwulst nicht zusammen.
Fall 7. Unsere Beobachtung pag. 322. Links Ptosis, fleckweise Degeneration im
Oculomotorius nahe an seinem Austritt aus dem Hirnschenkel.
III. Die isolirt bleibende Ptosis bei syphilitischen Herden im
Wurzelgebiet des Oculomotorius.
§ 134. Fall 8. Cassirer (638). Links Ptosis, rechts Hemiplegie. AugenbewegongeD
frei, vorübergehend Doppeltsehen. Pupille R. ^ L. Rechts starr auf Licht, die linke
reagirt Im linken Pedunculus ein gummöser Herd. Derselbe ragt oben gerade bis an die
lateralsten Oculomotoriuswurzel fasern heran. Diese, «von denen man annimmt, dass sie des
M. levator innerviren**, mögen vorübergehend direkt oder indirekt geschädigt gewesen seiii
und dadurch die Parese des linken Levator palpebrae superior. verursacht haben.
Fall 9. Brintowe (614). Links leichte Ptosis, isolirt. Rechts totale Ocalo-
motoriuslähmung (Lähmung sämmtlicher Augenmuskeln mit Ausnahme desObliqaus superior).
Syphilitische Endarteriitis der rechten Arteria cerebri posterior mit Erweichung des recbteo
Uirnschenkels. Linksseitige Hemiplegie.
Fall 9a. Siehe unsere Beobachtung pag. 329.
IV. Die isolirt bleibende Ptosis bei syphilitischen Herden im
Wurzel- und Kerngebiet. (?)
§ 135. Fall 10. Duchek (602). Links isolirte Ptosis. Geschwulst in der
Bi-ücke mit Erweichung der Umgebung.
Fall 11. Duncan (616). Rechts isolirte Ptosis. Bohnengrosses Gumma von
der Pia ausgehend am Ursprung des Trigeminus aus der rechten Ponshälfte.
Fall 12. Chvostek (639). Links Ptosis isolirt Syphilitische Endarteriitis im
Pons und Gyrus uncinatus. Rechts alte encephalitische Herde, links Hemiplegie.
V. Isolirt bleibende Ptosis bei syphilitischen Affektionen des
Kerngebiets des Oculomotorius*
§ 136. Es existirt zur Zeit kein sicherer anatomischer Befund.
zuiolge von oypl
§ 137, Fall 13 Dowse (640). R. Ptosie isdirt Kleines willnussgrosseB Gumma
chts im oberen Dritttil beider Ctsritralwindangon, linkösoitige Hemiplegie, Es konnte kein
[iderc^r Grund für die Ptosis gefunden werden.
Fall 14. Günther (641). Recbts Ptosis. Gummöser Tamor im linken Schläfen-
läppen mit ausgedehnter Erweichung der Umgebung^ wi^lche die benachbarten Partien der
motorischen Region, nämlich des Facio-liDguulgebiefs. in »tinen Wirkungskreis hineinge2ügen
hat. (Ueber das aDatomische V'orhalten iles Oculomoiüriu» Binii keine Angaben vorhanden.)
Fall 14a. Siehe unser© Beobachtung pag. 101 unten.
VIL Isoli rte Ptosis bei Gebirnsypbilis, welche sich ans dem
Sektionsbefunfle nicht genügend erklärt.
§ 13a Fall 15. Bristowe ffi42). Rechts Ptosis. Die Arachnoidea trllbe. Dio
Arteria cerebral, media an ihrer Theiluugsstelle verstopft. Rechts mittlerer Hirnhippen
erweicht. Die graue Substanz einiger Hirnwindungen byperämisch. Im linken Corpus
sfriatum eine kleine Höhle (vielleicht euprünuelellre Affektion der Levatorbabu|.
Fall ICl Lancereaux f643). Rechts Ptosis. Partielle Erweichung und Ver-
h&rtting des Gehirns. Meningealexsudat. Arterienerkrankung. Erweichung dea rechten
SehhQgels (eventuell gleiche Lokalisation Mie im Fall 15)
Fall 17. Chiari (626). Rechts Ptosis, links Erweiterung der Pupille, Lues here-
ditaria, Verdickung der Hirnhäute, verschiedene kleine Erweichungsberde im Grosshirn,
Ofst«. Erkrankung der Hirnarterien, theilweise Thrombose der Arteria vertebralis und
bftsilaris. Vielleicht bestand hier eine Aifektion des WurÄel- und Kerngehiets des Oculo-
motorius wegen Ibeilweiser Thrombose der Basilarftrterie.
Wii' haben bis dahin 17 Fälle von isolirter Ptosis zufolge von Er-
krankungen säramtlicher Abschnitte im Verlaufe des Oculomotoriiis von der
Rinde bis in die Orbita zusammengestellt Und wenn auch die Beweiskraft
nicht aller Fälle über jeden Zweifel erhaben ist, zumal da die Sektions-
bescbreibungen oft recht ungenau sind, und die mikroskopischen Untersuch-
ungen in manchen Fällen fehlen, so kann man jedenfalls mit Sicherheit aus
diesen Ergebnissen doch den Schluss ziehen, dass eine isolirt vorkommende
Ptosis keineswegs fasciculärer, nucleärer oder corticaler Natur sein müsse,
sondern dass sie bei Erkrankung aller Abschnitte iui Verlaufe des Nervus
oculomotorius gefunden werden kann.
B. üie Ptosis mit Lähmung der gletehseitigen Pupille«
I. Basaler Sitz der Affektion. , >
% 139. Fall 19. Siemerling (648). Beide Pupillen über mittelweit und starr. Zweimal
liess sich rechts eine Ptosis konstatiren. Kongenitale Lues. Die beiden Oculomotürii,
namentlich der linke, ragten verdickt uns dem interpedunculären, mit gummösen Wuche-
rungen angefüllten Räume hervor. Beide sind bei ihrem Austritt von einer ausserordent-
lich dicken, mit Rundzfllen intiUrirten Scheid© umgehen. In die Nervensuhstanz selbst ist
das Hineindringen der Rundzellen nur ein geringes und sind dadurch nur verbültfllsatn aasig
wenig Nervenfasern zu Grunde gegangen. . .
Fall 20, Oppenheim (61^3) siehe Fall 2 fbeziJgHch des Befundes am linken Augey»:
Fall 21, Virchow (034) siehe Fall 3 (beztiglich des Befundes am rechten Auge)^'.
2S*
3S42 Die Ptosb bei der cerebralen Syphilis.
II. Vielleicht nuclearer Sitz der Affektion.
Fall 22. Engel (649). R. Pupille > L. Rechte Ptosis. Syphilitische Erknnkiu^
der basalen Himarterien (Arteria basilaris, meningea media u. s. w.). Gumma im Fornix,
das die beiden Seitenventrikel und die Thalami optici links mehr als rechtis einnahm.
C. Ptosis mit Lähmung der M. recti intern!«
^ Basaler Sitz der Affektion.
§ 140. Fall 23. Kahler (597). Beiderseits Ptosis und L&hmung der Recti intenu.
Die Ojulomotorii in ihrem Ursprungstheil grau verdickt, hArtlich anzufühlen.
D. Ptosis mit Lähmung des Rectus superior und der Pupille.
Sitz der Affektion fraglich.
§ 141. Fall 24. Graessmann (650). Beiderseits Ptosis seit einem Jahr. Libmoig
beider Recti superiores. Zur Zeit der Untersuchung links Ptosis. Die rechte PopiUe
reagirt gar nicht, die linke träge. Encephalitis multiplex inveterata. Ependymitis graanlosi
lg!« Ptosis mit Lähmung des Rectus superior, des Rectus inferior und der
Pupille.
Basaler Sitz der Affektion.
§ 142. Fall 25. Leudet (651). Links Ptosis. Lfihmung des Rectos inferior und
superior. Linke Pupille weit und reaktionslos. Basale gummöse Meningitis. L. Ocvlo-
motorius im Niveau der linken Chiasmahftlfte durch eine Geschwulst heeintr&chtigt, welcli«
mit den Meningen und der Substanz des Nerven zusammenhängt.
F. Ptosis mit Lähmung des Rectus superior, des Rectus inferior, des
Rectus internus und der Pupille,
Sitz der Affektion basal.
§ 148. Fall 26. Buttersack (652). Rechts Ptosis und Mydriasis. Lfthmnng
des Rectus superior, inferior und internus. Links später völlige Paralyse des Ocalomotonoa.
Die N. N. oculomotorii stellen knollig verdickte Stränge dar. Der linke Ocnlomotorios ist
fast um das vierfache verdickt. Der etwas schlankere rechte Oculomotorius xeigt einige
Verwachsungen mit der Arteria communicans dextra und dem auf dem Tractns aofliegeo-
den Bindegewebe.
G. Ptosis mit Lähmung des Rectus superior und Obliquus Inferior.
Basaler Sitz der Affektion.
§ 144. Fall 27. Thomson (653). Beiderseits leichte Ptosis. Die Aages-
lider können aber gehoben werden. Lähmung der Bulbusheber. Gununöse Neiibüdoi|
zwischen den Himschenkeln gerade an der Austrittsstelle der Oculomotorii. Auf der einei
Seite eine starke, auf der anderen eine partielle Degeneration des Octdomotorioasiainmes.
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
843
Fall 28* Ormerod (654). Links Ptosis. Der Rectus euperior und obliquua
if prior gelähmt* Das Aage ganz nach abwärts goriclitet. Auch das recht© Auge nach
ibwärts geriebtet. tJeide Ocnlomotorii spindelförmig angeschwollen , weich, ri>thlich-graa,
eginDend einige Linien über dem oberflächlichen L'rsprung der Nerven und sich beinahe
'i< Zoll hinerstreckend. Mikroskopisch ist das Gewebe durchsetzt mit zahbreichen Blut-
efäasen, der ganze Querschnitt des Nervenstanimes atrophiächf wenige Fasern sind an
einigen Stellen erhiilt-en. Eine auffüllige KracbeiTJung, wt^nn nmn bedenkt, dass nur die
Bewegung der Bulbi nach oben bin gehemmt war.
Ptosis mit Lähmung der Pupille auf IJelit, des Reetus 8up©rlor, inferior,
internus tind obliriuus iuferior.
Sitz der Affektion basal,
§ 145, Fall 29. Uhthoff (655). Die Beweglichkeit beider Augen nach oben und
nuten so gut wie aufgehoben. Der Rectua internus des rechten Auges ebenfalls stark
beeinträclitigt. Der Rectus superior, inferior, obliquus inferior und internus gelähmt. Die
Beweglichkeit beider Augen nach rechts ermöglicht, aber beschränkt. Rechts mittlere
PtosiSf links erhebliche Ptosis. Die Pupillenreaktion auf Licht fehlt beiderseits^
leichte PupillendiflFerenz, sehr müssige AccommodiitionBparese. Gummöse sulzige Einlagerung
swiBchen die Himschenkeb beide Oculomot^riussiämme beeinträchtigend. Die neugebildete
Gewebaraasse dringt von der Medianseite her etwas in die beiden austretenden Oculomo-
tDriusstAmme ein und zwar zwischen die einzelnen grJisaeren NervenfaserbündeL Die Kern-
parüen der Oeulomotorii selbst scheinen im Wesentlichen gut erhalten.
I. Ptosis mit Lähmung aller übrigen A^ste lies Oeutoiiiotorius mit Aus-
nahme der Pupillen und Accommodation.
L Sitz der Äffektion basal.
§ 146, Fall SO. Uhthoff (656). Recht« Parese des Nervus oculomotorias in allen
Zweigen mit Ausnahme des Sphineter pupillae und der Accommodation. Deutliche Ptosis.
Pupillen ziemlich eng^ Reaktion erhalten, Arachtiitiü chronica circumscripta regionis oeulo-
motorii dextri. An der Basis tindet sich die Pia in der Gegend der rechten Fossa Sylvii
stark verdickt und in eine derbe Masse umgewandelt, die den rechten Oculomot<onuä
einschliesst-
n. Sitz der Affektion im Wurzel- und Kerngebiet.
Fall ^1. Oppenheim (657). Rechts massige aber deutliche Parese des Oculo-
motorius in seinen äusseren Zweigen mit leichter Ptosis. Am Gehirn findet sich am Pona,
den hinteren VterhQgeln entsprechend, ein etwa FünfpfeunigsiÜck grosser, gegen die Um*
gebung abgegrenzter Herd von gelblicher färbe und körniger Schnittfläche.
IIL Sitz der Affektion im Wurzelgebiet.
Fall 32. Hu ghlings- Jackeon (658). Rechts Oculomotoriusparese mit Ausnahme
der Pupillen. Erweichung des rechten Hirnschenkels, ebenso des linken.
Fall 33. Alexander (613). Rechts Oculomotoriusparese — mit späterer Betheili-
gnng des Sphineter Pupillae und der Accommodation. Linksseitige Eörperliihmnng.
Erweichungsherd im rechten Pedunculus cerebri» nach hinten nicht ganz bis zur Brücke
reichend. .Syphilitische Arterienerk rankung.
i
344 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
K. Ptosis mit Lfihmung aller iibrigen Aeste des Oculoraotorias.
I. Basaler Sitz der Affektion.
§ 147. Fall 34. Naunyn (659). Links OculoniotoriaspareBe. Linker OcalomoUriu
in gummöse Schwarten eingebettet, atrophisch and geröthet.
Fall 35. Rosenthal (660). Links Parese des Ocalomotoriiis. An der Basis ^
Gehirnes der linke Nervus oculomotorius atrophirt und erweicht; bei der münroskopiaeheD
Untersuchung nur wenige intakte Nervenfasern darbietend.
Fall 36. Wagner (637). Links Lähmung des Oculomotorias. Gamma zwischen
Tiirkensattel und der Spitze des Felsenbeinis. Oculomotorius durch die Geschwulst be-
einträchtigt.
Fall 37. Westphal (661). Rechts komplete Ocalorootoriaslähmung. Der rechte
Nervus oculomotorius ganz umgewandelt in einen derben gleicfamässigen Körper, welcher
in seinem vorderen Theile eine leicht grauröthliche Beschaffenheit zeigt. Ld seinem Ver-
laufe durch den Sinus cavernosus hat alsdann der Ocnlomotorius noch eine sehr geringe
Konsistenz und leicht gelbliche Farbe.
Fall 38. Charles Mills (662). Rechts Lähmung des Oculomotorias mit Parae
des linken Beines. Die rechte Carotis interna ist von einer dichten gammOsen Masse
umgeben, in die auch der Nervus opticus und Oculomotorius eingebettet ist.
Fall 39. Dixon (663). Links Parese des Oculomotorias. Syphilitische Geschwulst
im linken Oculomotorius. Dieselbe bestand aus einer röthlicfaen Zellgewebsmasse.
Fall 40 Biggs (664). Beiderseits totale Ophthalmoplegie mit Ptosis. GammSser
Tumor im Oculomotoriusstamme. Basilare gummöse Meningitis.
Fall 41. Raymond (665). Rechts Oculomotoriuslähmung mit Ptosis. Neuritis
interstitialis des rechten Oculomotoriusstammes an seinem Ursprung mit absteigeoder
Degeneration aller Fasern.
Fall 42. V. Graefe (666). Rechts komplete Lähmung des Oculomotorias. Links
später ebenfalls. Gummöse Geschwulst der mittleren Scbädelgrube , später auch in die
linke übergreifend, welche direkt die Oculomotorii und andere Hirnnerven bedrängte.
Fall 43. V. Graefe (667). Links komplete Oculomotoriuslähmung; erst kurz vor
dem Tode entstanden. Gummöse basilare Meningitis in der Gegend der Sella tarcica. Der
rechte Oculomotorius, von normalem Aussehen, ist nur eine kurze Strecke seines Verlaufs
an der Geschwulstmasse adhärent. Der linke verschwindet ganz in der Masse.
Fall 44. V. Graefe (607). Links komplete Oculomotoriuslähmung. Lues coufi
Der linke Oculomotorius dünner als der rechte. Atrophie des Oculomotoria-Hstammes
(siehe pag. 322).
Fall 4t5. Gajkiewic£ (668). Beide Oculomotorii gelähmt Dieselben adhänren
derartig an den verdickten Meningen, dass es unmöglich ist, sie zu trennen. Laos congenita,
basilare gummöse Meningitis.
Fall 46. Hughlings-Jackson (604). Beide Oculomotorii gelähmt als Fr&h-
Symptom. Beide Arteriae cerebrales posterior, und beide Arteriae cerebelli, sowie beide Oculo-
motorii aneinandergeheftet durch eine gummöse Masse, welche die Arterien verdickte.
Fall 47. Ueubner (669). Links Oculomotoriuslähmung. Syphilitische Geschwulst
des linken Nervus oculomotorius. Verwachsung desselben mit dem Kam. communicans
posterior sinister.
Fall 48. V. Ziemsse n (670). Links komplete Oculomotoriuslähmung. Rechts theil-
weise oculomotorische Parese. Um den linken Oculomotorias ist die Pia verdickt und am
Nerven angeheftet, dieser injizirt, glänzend, zum Theil verdickt and erweicht, zum Theil
atrophirt. Der rechte Oculomotorius ist nur an seinem Urspnmg verdickt
Die Ptosis l>ei der cerubralen Syphilis.
345
n. Sitz der Aflektion basal und im Wurzelgebiet.
Fall 49. Butter&ack (652). Rechts totale Oculomotonualäbmung. Die Ptosis war
erste Symptom. Liuks Augenbewegungen frei. Leptoinetiingitia chronica cerobro-
silaris et spinalis. Perineuritis et Neuritis nodoEa an beiden Oculomotorii.
Fall 49a. Doergens (600). Rechts komplete oculomotorische Lähmung. Basale
tnö^e Meningitis. Der rechte Oculomotorius durch einen an der Basis des rechten
ebirn sc henkeis sitzenden Gurnmiknoten heeiutrflcbtigt und mit anderen recht streit igen
ItmDerven in der guiumösen Masse eingebettet.
III* Sitz der Affektion: basal, Wurzel- und Kerngebiet.
Fall 50. Siemerling (59ä). Unks Parese des Oculomotorius in allen Zweigen.
Rechte Pupille lichtetarr. Gumma im linken Hirnschenkel. Der linke OculomotQriuij durch
diese Geschwulst schwer geschÄdigt. Auch der linke Oculomotoriuskern ist in hetrÄchtlicber
Welse betbeiligt. Die Ganglienzellen haben an Ztthl bedeutend abgenommen und sind in
ihrer Gestalt verändert. Die Fasern des rechten Oculomoteriuä »ind in ihrem intramedul-
lai'en Verlaufe schmälert im Kern sind einige Zellen atrophisch Die ausgetretenen Oculo-
motorii sind beide degenerirt. Der linke ist fast ganz in reichlich kernföhrendes Biude-
gewebe umgewandelt. Nervenfasern sind nur noch weuige vorbanden, und auch diese
bereits verändert.
Die geringfügigen Vera nderuo gen des rechten Oculomotoriusatammes bestehen in
Yermehrung des Bindegewebes und der Kerne. Es finden sieb neben gnt erhaltenen
üürvenfasem eine Menge atrophischer
IV* Sitz der Affektion im Wurzelgebiet.
Fall 5 L Pick (671), Links komplete Oculomotoriuslähmung. Linker Oculomotorius
durch die gummöse Geschwulst des linken Pedunculus cevebri beeinträchtigt und durch sie
die linksseitigen Ocnlomotoriuswurxeln 2erst5rt.
Fall 52. Zimmermann (618). Links Liihmung des Nervna oculomotorius, rechts
Hemiplegie. Syphilitische Erkrankung der linken Ponsbälfte.
Fall 5S- Findeisen (612). Rechts komplete Oculomotoriuslähmung. Gumma im
rechten Birnschenkel , welches den rechten Oculomotorius beeinträchtigt bat. Gefäss-
erkrankung. Syphilitische Infiltration der Hirnhilute.
Fall 54. Leyden (632), Linker Oculomotorius total gelihmt, rechtseitige Hemi-
plegie. Dicht oberhalb der oberen Fonsgrenze greift der Erweichungsherd deutlich auch
in die Partie über, welche von den Fasern des Oculomotorius durchzogen wird.
L. Ftosis und allgemeiue Beweglielikeitsbesehränkun^ der EulbL
I. Sitz der Affektion basal.
§ 148. Fall 55. S. K o hn (672). Links Lähmung des Le vator, des Obliquus superior,
R«ctua superior» inferior, intemius und externus. Spbincter Pupillae unvollständig gelühmt.
Lähmung des Orbicularis palpebr. Rechtsseitige Hemianopsie. Im linken Oculomotorius, an
der Basis^ eine spindelfilrmige Auftreibung, Eutzöndliches Infiltrat der harten Hirnhaut
und der durchtretenden Hirnnerven.
Fall 56, Wagner ^603). Rechte Ptosis. Spüter rechter Bulbus starr und unbe-
weglich, prominirend. Dura an der Basis verdickt und in eine Schwarte verwandelt, welche
den Oculomotorius und den Trigeminus umfasst und ebenao die weiche Hirnhaut ergriffen
hatte. Der rechte Oculomotorius schmal er.
346 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
n. Sitz der Affektion basal, sowie im Wurzel- und Kerngebiet
Fall 57. Siemerling (628). Rechts Augenbeweg^Dgen nach allen Ridttupi
erheblich beschränkt, massige Ptosis. Ophthalinoplegia interior. Links aosgesprodme
BeweglichkeitsbeschränkuDg des Auges im Sinne des Rectas internus und inüerior. Kein«
Ptosis. Der Raum zwischen den Himschenkeln ausgefüllt mit einer frischen gnmiBtea
Wucherung, welche auf die Oculomotorii übergegangen war. Oef&sswaehemng bis nach
den Oculomotoriuskemen hinauf. Die beiden peripheren Oculomotorinsstftxnme nnd nanMot-
lieh der rechte zeigten starke Veränderungen. Der rechte ist bis auf geringe Reste erhaHen
gebliebener Nervenfasern in eine Geschwulstmasse umgewandelt. Nicht so erheblich ist die
Wucherung und Degeneration in dem linken Oculomotorius.
Fall 88. Illberg (673). Links massige Ptosis.* Bewegung der Bulbi nach anssra
unmöglich; sehr beschränkt nach oben und innen. Nach unten frei. Tumor cerebri linb
hinter den Vierhügeln. Meningitis basilaris im Trigonum interpednnculare mit sekundlrer
Läsion der Oculomotorii.
M. Keinerlei Funktionsstörung des Oculomotorius bei yorhandenei
syphilitischen Veränderungen.
I. Sitz der Affektion basal.
§ 149. Fall 58. Baum garten (609). Angeblich keine Funktionsstörung des Oculo-
motorius. Beide Oculomotorii sind mit traubig knotigen gelblichen Greschwftlstchen didit
besetzt. Links geht das freie Ende des Nerven sogar vollständig in der Neabildoflg aol
Neurilemm, die Septa und das Perineurium in kleinzelliger Wucherung begriffen; auch die
Nervensubstanz selbst zum Theil vom Rande nach der Mitte zu in fortschreitender Rich-
tung in Granulationsgewebe verwandelt,
Fall 59. Siemerling (674). Links Hemiparese, rechts Parese des Beins, rechts-
seitige Hemianopsie, Pupille L. ]> R. Links Reaktion auf Licht erhalten, rechts xefl. stair.
Auf Konvergenz die Reaktion beiderseits erhalten. Ophthalmoskopischer Befand normal.
Die beiden Oculomotorii, ca. 1 cm hinter dem Austritt aus dem Hirnschenkel/ lassen eine
reichliche Gefässwucherung erkennen; in der Umgebung einzelner hat eine EeminfiltntioD
stattgefunden. Der Nerv bietet nicht das gleichmässige Aussehen der grossen breiten
Nervenfasern, wie es dem Oculomotorius als rein motorischem Nerven eigen ist, sondern es
finden sich in grösserer Zahl bereits kleine atrophische Nervenfasern; in vielen anderen der
grossen Fasern ist das Mark ohne konzentrische Schichtung, und der Achsencylinder ver-
hältnissmässig sehr klein. Im weiteren Verlauf nimmt die Gefässwucherung im Nerven ab.
aber bis in die Endverzweigungen im Muskel lässt sich eine Anzahl atrophischer Nerren-
fasern nachweisen.
Siehe auch Fall 28 Ormerod pag. 343.
N. Isolirte AfTektion der Pupille.
Sitz der Affektion basal.
§ 150. Fall 60. Übt ho ff (676). Linke Pupille erweitert, starr auf Licht, spiter
Pupillen wieder frei, Augenbewegungen sonst gut. Der linke Oculomotorius glatt, buid-
artig, grau weiss. Einbettung der Oculomotorii sowie anderer Gehimnerven. in eine binde-
gewebige eiterige Masse. (Mikroskopische Untersuchung fehlt.)
Fall 61. Koppen (636). Linke Pupille weit, rechts Ptosis. Die Pia war besondera
an der Basis der Medulla oblongata, des Pons und des Ghiasma verdickt.
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis. 347
Fall ^2. Siemerling (598). Rechts Angenbeweguogen frei, Papille lichtstarr'.
Links komplete Ocnlomotoriasläbmang. Die geringfagigen Verändeningen des rechten
Oculomotorinsstammes bestanden in Vermehrang des Bindegewebes und der Kerne. Es
fanden sich neben gut erhaltenen Nervenfasern eine Menge atrophischer.
0. LShmang des Mus. rectas internus (isolirt).
Sitz der Affektion: Wurzel- und Kerngebiet.
§ 151. Fall63. Ballet (677). Links der M. rectns internus gelähmt. Rechts Abducens,
links Facialis. Hemiparese links. Links im oberen Theile der Brückenfasem drei linsen-
groBse Tumoren, nicht in die Tiefe reichend. Rechts Syphilom von 1,5 cm Durchmesser
durch die ganze Länge des Pens 7—8 mm vom Yentrikelboden sich haltend. Abducens-
kern verschont.
§ 102. Behufs besseren Ueberblicks über die so wichtige Symptomenreihe
dieser Fälle luetischer Affektionen des Oculomotorius mit Sektionsbefund
haben wir in der folgenden Tabelle XVIII noch einmal dieselben übersichtlich
nach den gleichen Symptomen und nach den gleichen Angriffspunkten der
Affektionen geordnet zusammengestellt. Dabei tritt uns zunächst die auf-
fallende Thatsache entgegen, dass wir trotz ausgesprochener anatomischer
Läsion einer oder beider Oculomotorius stamme, dennoch bei einer relativ
grossen Anzahl von Fällen nur einer Funktionsstörung einzelner vom Oculo-
motorius versorgter Muskeln, und hier vor allem einer i so lirten Ptosis, begegnen.
Femer berührt uns die ausgesprochene Ophthalmoplegia exterior in deiti
Falle Nr. 30 befremdend, oder, wie in den Fällen Nr. 60, 61 und 62, eine
isolirte Lähmung der Pupille, als eine inkomplete Ophthalmoplegia interior
bei basalem Sitze der Affektion. Waren wir doch gewohnt, diese Lähmungs-
formen seit den Arbeiten Hutchinson 's und Mauthner's als klinischen
Typus einer Nuclearlähmung anzusehen.
Als dritte auffallige Erscheinung wäre noch hier die isolirte Blicklähmung
in den Fällen 27, 28 und 29 anzuführen, mit der Thatsache, dass auch nach
basalen Herden durch symmetrische Lähmung einzelner Nervenäste asso-
ciirte Augenmuskellähmungen entstehen können.
Da die hier angeführten Fälle als die schwereren angesehen werden
müssen, eben weil sie zur Sektion gekommen sind, so entnehmen wir ferner
fiieser Tabelle die Thatsache, dass bei den schweren Fällen cerebraler Lues
Hiit Oculomotoriusbetheiligung fast durchgängig auch der Levator
des einen oder beider Augen in Mitleidenschaft gezogen wird.
Unter 16 Fällen von i s ol i rt e r P to s i s bei cerebraler Lues mit Sektions-
liefand sehen wir 7 mal dieselbe nach basalen und 2 mal nach orbitalen
^ffektionen zurückbleiben. Der Einwand, dass etwa neben der basalen,
^ine Affektion des Kerngebietes bestanden habe, welcher das Auftreten
^er isolirten Levatorlähmung zur Last zu legen sei, wird durch eine
"iriaikroskopische Untersuchung Oppenheim's (oben Fall 2) widerlegt, bei
"%velcher das Kern- und Wurzelgebiet des Oculomotorius vollkommen normal
iK^f<^<l^Q worden war.
348
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Tabelle XVIII. üebersicht über die Fälle mit Lähmung de
gleichen vom Nervus oculomotorius versorgten Muskeln bi
ungleichem Angriffspunkte der Krankheit.
Angabe der gleich-
Sitz der Erkrankung
zeitig an demselben
Nerv, oculomotorius
Wurzel-
gebiet
Wurzel-
Korn.
gelähmten Maskeln
orbital
basal
und Kern-
gebiet
gebiet
cortic
Ptosis (isolirt)
FalldeLuca
einseitig Fall
einseitig
einseitig
_
Fall 13,
j
pag. 319
5, 6, 7; vor-
übergehend
1,4
Fall 8, 9
Fall G.
pag. 329
Fall 10,
11, 12
14t
Hitsch-
doppelseitig
mann pg.319
Fall 2, 3
1 Ptosis
[Rectus internus
—
doppelseitig
Fall 23
—
—
—
Ptosis
Rectus superior
Rectus inferior
Rectus internus
Obliquus inferior
—
einseitig Fall
30
einseitig
Fall32,33
einseitig
Fall 31
—
(Ptosis
[Rectus superior
lObliquus inferior
—
doppelseitig
Fall 27, 28
—
—
—
J Ptosis
\ Pupille
Fall 20, 21
—
Fall 19 wech-
—
17 (•?)
Fall 22 (?)
-
selnd
1 Ptosis
{ Pupille
1 Rectus superior
—
—
—
Fall 24 (?)
—
—
Ptosis 1
Pupille
] Rectus superior
iRectus inferior
—
einseitig Fall
—
—
—
1
25
Ptosis
Pupille
Rectus superior
Rectus inferior
Rectus internus
i
einseitig Fall
26
—
—
—
—
Ptosis
1
Pupille 1
Rectus superior '
Rectus inferior l|
Rectus internus i.
Obliquus inferior 1:
Obliquus superior i' —
l|
Ptosis ,
doppelseitig
Fall 29
—
—
—
Pupille i'
Accommodation i'
einseitig Fall
84.35.36,37,
1
1
38,39,41,43
Die Ptosis bei der t-erebralen Syphilis.
349
Angabe der gleich-
seitig au demselben
Sitz der Erkrankung
Nerv, ocalomotonus
j^el ihm teil MuBkeln
orbital
basal
Wurzel^
gi^biet
uud Kem-
gebiet ,
Kern-
gebiet
coi-tteal
IR^tua anperior
IRectus inferior
Rectus intemna
1 Obliques inTerior
1 Papille usnlirt)
Eectus internus
(idolirt)
—
49,50,44,47,48
doppelseitig
Fall 40, 42,
45, 46
einseitig Fall
60, 61. 62
einseitig
49,50,51,
52, ö3, 54
50
OS
—
—
Aus diesen angeführten That Sachen ist man wohl zur Formulirung des
Siit/es berechtigt, dass wenigstens bei der cerebralen Lues der
isolirt (d. h. ohne andere Augenmuskelstörungen) gefundenen
Ptosis keinerlei Bedeutung für die topische Diagnostik des
Sitzes der Affektion im Verlaufe der oculomotorischen Bahnen
zugesprochen werden darf.
Dieses auftallige Hervortreten der isolirten Ptosis bei basal-syphi-
litischen Krankheitsherden hebt auch hier wieder die grosse diagnostische
Bedeutung hervor, welche wir der genauen Kenntniss des patbologisch-ana-
tomischen Befundes zuerkennen müssen, durch welchen die Augenmuskel-
lähnmngen bei den einzelnen Grundkrankheiten bewirkt zu werden pflegten.
Denn während wir z. B. bei der Tabes eine isolirte Ptosis rückhaltlos
auf einen degenerativen Prozess im Levatorkerne zuriick führen werden, weist
uns das gleiche klinische Symptom bei der cerebralen Lues zum mindesten
niciit selten auf einen basalen Angrifl*sipunkt der Affektion liin, der in diesem
Falle dann meist neuritischer Natur äu sein pflegt.
Treten zugleich mit einer isolirten Ptosis noch Lähmungserschei-
nungen von anderen Gehirnnerven auf, so werden wij' aus der Gemeinschaft
der Symptome schon von selbst auf den basalen Ursprung der isolirten Ptosis
hingeleitet, wie bei dem folgenden Falle unserer Beobachtung,
L. 0,, ein 26jäbriger Hafeuarbeiter, erkrankte vor vier Wachen mit Kopfschmerzen
auf der rechten Seite, wonach Gesicbtasehnierzen in allen Aesten des Trigeminua hervor-
traten. Seit acht Tagen besteht zeitweise Doppel tsebett, hesonders beim Sehen nach der
linken Seite. Scbon gleich anfangs konnte Patient den Kiefer nicht mehr anseinander-
hringen und seit ein paar Tagen die rechte Gesichtshälfte nicht mehr bewegen. Wenn das
rechte Ange verdeckt war, bestand kein Schwindel Erbrechen war nicht vorhanden, der Stuhl-
gang in Ordnung; auch klagte er nicht über Herzklopfen. Der Puls war normal. Die
Mutter des Fatienten starb an einer Kopf krankheit mit Krbrechen. Status pruesens: Hechts
350 Die Ptosis bei der tserebralen Syphilis.
Lagophtbalmns. Das rechte Lid etwas ödematös, die rechte Gesichtabälfle akti? ooWwfg.
lieh, auch bei MitbeweguDgen. Der Geruch, der Geschmack und das G«h5r sind mkti
herabgesetzt.
Die Sehschärfe beträgt rechts */i8, links ".it, die Papillen sind blass. Rechts besteht
reflektorische Pupillenstarre, manchmal auch paradoxe Reaktion. Die Seosibilitii kt
ganzen rechten Gesichtshälfte auch auf der Conjunctiva nnd Cornea herabgesetzt Am
rechten Bulbus keine charakteristische Lähmung zu eruiren. Leichte Ptosis des reckta
Oberlids.
Das Gesichtsfeld des linken Auges für Weiss nnd Farben verhält sich normal. Digegci
besteht auf dem rechten Auge nach unten aussen für Weiss ein sektorenfSrmiger Defekt
welcher für Farben sich nach unten hin noch vergrGssert Im weiteren Verlaufe trat die
Ptosis auf dem rechten Auge immer stärker hervor. Das Epithel der rechten HorBkaat
stiess sich ab (Eerat. nenroparalit.), die Conjunctiva Sclerae und aach etwas das reckte
Oberlid wurden ödematös. Die galvanische und faradische Reaktion der rechten Geiicbti-
muskulatur herabgesetzt. Auch das Gaumensegel der rechten Seite hob sich nicht so kod
wie links. Nach einer Schmierkur bedeutende Besserung aller Erscheinangen.
Da bei diesem Falle neben der rechtsseitigen Ptosis noch Störungen
vom I., IL, V., Vn. und VIII. Gehirnnerven der gleichen Seite vorlagen,
werden wir wohl nicht fehl gehen, die Ptosis in diesem Falle von einer gum-
mösen Neuritis des IIL Nerven herzuleiten, als Theilerscheinung einer basalen
gummösen Meningitis.
S 153. Tritt die isolirte Ptosis zugleich und altemirend mit einer
Hemiparese auf, so sitzt der Herd entweder, wie in der Beobachtung Duo heks
(Kall Nr. 10), in der Brücke oder im Pedunculus wie in der Beobachtung
Cassirer^s (638) (Fall Nr. 8).
Einen interessanten hierher gehörigen Fall mit doppelseitiger Ptosis erziUt
W. C. Kr au SS (700): Eine 23jahrige vor vier Jahren infizirte Frau klagte seit einem Jalin
über Occipitalkopfschmerz und Erbrechen ; es trat völlige Erblindung ein, dabei entwickelte
sich eine doppelseitige Ptosis. Sämmtliche Extremitäten zeigten leichte Parese mit
starker Erhöhung der Sehnonreflexe. Exitus. Verweigerung der Sektion.
Stellt sich dabei noch ein Gesichtsfelddefekt mit Sehstörang und opthalmo-
skopischen Erscheinungen von Neuritis auf, wie in dem Falle von Jacobs (679i
mit rechtsseitiger Hemiplegie, linksseitiger Ptosis, Strabismus convergens
(Abducenzlähmung), Herabsetzung des Sehvermögens links, beiderseits Neu-
ritis optica, so darf man die isolirte Ptosis in derartigen Fällen von einer
basalen gummösen Meningitis herleiten, die von der Basis in den Himschenkel
eingedrungen sein mochte. Auch wir sind in der Lage, eine derartige Be-
obachtung hier anzuführen.
Eine 32jährige luetische Puella von der Abtheilung des Herrn Dr. £n gel -Reimers
klagte nach einer Reihe schwerer Difttfehler über heftige Kopfschmerzen und SehstdroDgeD.
Dabei zeigte sich auf dem rechten Auge eine Ptosis wiihrend die BnlbasbewegnngeD frei-
blieben. Die Pupillen waren beide auf Licht starr und reagirten nur schwach auf KonFergenz
und Accommodation. Ophthalmoskopisch bestand links eine ziemlich starke Neariti». und
die Gesichtsfelduntersuchung Hess eine rechtsseitige homonyme inkomplete Hemiaoopsie
erkennen. Dabei bestanden auf der linken KOrperhälfte leichte SensibilitfitsstOningen und
leichte Bewegungsstörungen im Fuss. Nach forcirter Schmierkur. gingen die Erscheinimg^
bis auf die Hemianopsie zurück.
Auch in diesem Falle war die isolirte rechtsseitge Ptosis sicher
auf eine basale gummöse Meningitis zurückzuführen, die sich gerade angeschickt
I
hatte, den rechten Pedunculus zu insultiren. Einen analogen Fall erzählt
Rudnienr (709).
Eio 30 jähriger hietischer Mann bekam reclitsseitige HemipBrese, liaksseitige Ptosis
und rechtsseitige Hemianopsie Die linke Pupille stark ervreitert, abbolufc reaktionsJos, recht«
hernianopiscbe Pnpillenreaktion. Sämmtliche Muskeln, welche vom linken Nervus oculo-
IOtorius versorgt werden, waren gel ahm L
Wegen der Differential-Diagnose zwischen cerebrospinaler Syphilis und
iftbes in Hinsicht auf die isolirte Ptosis verweisen wir auf das in S 61
^g, 138 Gesagte.
L S 154. Femer geht aus derTabelle XVIII hervor, dass wir hinsichtlich der
Ipischen Diagnostik des Angriffspunktes der Krankheit in den Oeulomotorius*
ahnen bei basalen Herden, wie ja zu erw^arten war, sehr viel häufiger auf
die Ptosis als TheÜserscheinung einer kompleten Lähmung des dritten
I Ner\'en stossen, als hei solchen im Kern- und Wurzelgebiet,
Nach Uhthoff ist die doppelseitige ÜculomotoriuslähDiung hei keiner
Krankheit so häufig wie bei der Syphilis. Er glaubt (1. c. pag. 267), dass
eine doppelseitige komplete Oculomotoriuslähmung hei Syphilis, auch wenn
zur Zeit der Beobachtung anderweitige Gehirnerscheinungen fehlen, fast immer
auf basale Prozesse (direkte gummöse Degeneration der Oculomotoriusstämme,
syphilitische Wucherung zwischen den Nerven im interpedunculären Kaum) zu-
rückzuführen sei. Diejenigen Fälle von doppelseitiger k o m p le t e r Oculomoto-
riosaffektion, welche ohne andere Funktionsstörung aus dem Bereiche der Him-
uerven, wohl aber mit sonstigen cerebralen Erscheinungen, als Kopfschmerz,
Schwindel etc. einhergingen, seien aber im Allgemeinen eine grosse Seltenheit.
Aus der Litteratur vermochten wir nur dahingehörige Beobachtungen von
Mauthner (693) ohne Sektionsbefund, Biggs (Fall 40), Thomsen (Fall 27).
Orraerod (Fall 28) und Uhthoff (Fall 29) zusammenzustellen. Nach
Zai»pert (576) hatte ein fünfjähriges Kind im Alter von 2 Monaten Zeichen
von Lues hereditaria dargeboten. Die Mutter des Kindes hatte xweimal abortirt
und 2 Kinder im Alter von 3 Wochen verloren. Links bestand vollständige
isolirte Oculomotoriuslälunung, von keinerlei anderen Krankheitsymptomen
begleitet. Heilung imch Darreichung von Quecksilber.
Dineur {702) besclireibt eine komplete Oculomotoriuslähmung nebst
Lähmung der Chorda tympani hei Syphilis. Es trat Heilung ein. Nach der Auf-
stellung dieses letzt erwälmten Autors (I, c. pag. 272) zeigte sich unter 22 Fällen
einseitiger Oculomotoriuslähmung acht mal derselbe i s o 1 i r t betroffen
d. h* ohne sonstige Affektion anderer basaler Hirnnerven. Neuerdings hat
Doch Dalichow^ (680) einen derartigen Fall von isolirter kompleter Oculomo-
toriuslähmung nach Syphilis ,,als eine sehr seltene Erscheinung" beschrieben.
Am häutigsten finden wir bei der Syphilis entweder complete Üculomo-»
toriuslähmung im Vereine mit Lähmungen anderer Gehimnerven, oder sehen
nur einzelne Aeste des Oculomotorius paretisch oder paralytisch. Bei den
meisten derartigen Fällen waren wir ja versucht nach der Gruppirung der
einzelnen Lähmungserscheinungen dieselben für Nuclearlähmungen anzusehen.
352
Die Ptosis bei der cerebralen S%T*hilis,
Ganz besonders galt dies von der Oplithalmoplegia interior und der OplithÄl-
moplegia exterior. So sagt Maiithner in seiner Lehre von den Augea-
muskellähmiingen pag, 381 wörtlich: j,l)ic progressive Lähmung der Aageu-
musMatur hat in den meisten Fällen eine nucleare Ursache. Diese letztere
ist direkt zu diagnostiziren, wenn Sphincter und Accommodation von der
Lähmung nicht ergriffen sind. Die Ophthalmople^ia exterior muss ia
jedem Falle nuclearer Natur sein/' Die^ier Satz kann gegenöber den
Fällen, welche auf der Tabelle XVIII unter der Rubrik ,, basal*' verzeichnet
stehen, und namenUich hezüghch des Falls Nr. 30 {pag. 343) nicht mehr auf-
recht erhalten werden.
S 155. Wir sind zur Zeit noch nicht im Stunde aus der Gruppimng der
Lähmungserscheinungen der Augenmuskulatur allein die Diagnose auf Xudear-
lahmung mit Sicherheit stel-
len zu können. Wirmüsseo
dämm nach anderen Modub*
ten Umschau halten^ welche
wir zur Sicherung der I*ia-
gnose einer Xuclearlähmuns:
heranziehen dürften. D^rea
giebt es nun zwei Gruppen:
eine positive mit Erschei-
nungen, welche zur Srnipto-
matologie der Angennuiskeil-
störungen gehören und bei
Krankheiten auftreten, in
deren (iefolge sich nachge-
wiesener massen fast immer
nur Kornlähmungen ent-
wickeln z, R. bei Tabes, und
eine negative mit Krank-
heitserscheinungen vonSeiten
anderer Gehimnerven re«p.
gekreuzte Körperlähmung.
welche auf einen basalen Sitz
der Erkrankung hinweisen.
Für eine Nuclearläh-
niung spricht, ohne gerade dafür zwingend zu sein, das anfängliche Verschont-
bleiben der interioren Augenmuskeln, das allmähliche Nacheinanderhefallen-
werden einzelner vom Oculomotorius versorgter Muskeln, die Doppelseitigkeit
der Symptome, das Fehlen anderer Cerebralerscheinungen ausser Somnoleni
oder Bulhärsymptomen, das Vorhandensein von Zucker im Urin^), der pro-
1) So Wricbtet Guibert (692) über einen Fall von Pollen ceph all tis superior mft
Kopfschmerzen, Lähmung aömmthcher Augennerven , der Bewegungsnerven dea GüsiditB,
der Zunge, des Schluckens u. s. w. Es war Zucker im Urin.. Nach Queck&ilberbdiaDdhaf
trat völlige HeihiDg ein.
Fig. 72
Ä, Seil. Links in ikr Heilung bej^flVne Ophthalmo»
pk'gia exterior mit PtoEsis bei c^rebmler Lue^,
Die Ptosis bei der cerebralen SypbiHs,
353
gressive mit Remissioneji einhergehende Verlauf, die schnelle Erschöpfbarkeit
und Ermüdbarkeit der bald völlig gelähmten, bald nach Ruhe für einige
Minuten wieder fnuktionsflthigen Muskeln, der Uel>ergang einer anfiinglich
vorhanden gewesenen Lähmung z. 11. einer Ptosis in einen Spasmus des Levator
bei intendirten Bewegungen,
So h&tUn wir Gelegeubeit eijie luetiauh gewesene 46jäbrige Frau, die auch dem
Alkoliolgenoöse gefröbot balte, zu beobachten. Seit *,4 Juliren klagte dieselbe über heftige
Kopfsehmerzen uod Angstzustätuie, über Schwere im linken Oberlid und Dojipöltaehen.
Kines Morgens war auf dem linken Auge eine komplete Ptosis aufgetreten, und zeigte sich
bei der Cntersnchung eine Lähmung des Trochtearis und aller Aeste des OculometoriuB;
nur die Accommodation war auf dem linken Auge frei geblieben. Mehrere Monate nach einer
kräftigen Schmierkur uud fortgesetztem Jotlkaligebrauch trat eine hochgradige Besserung
der Atigenmaskelstöning auf. Die Ptosis des linken Auges war sehr zurückgegangen
(siebe Fig, 72), die Stellung der Bulhi
beim ßlick gerade aus fast normal. Die
Beweglichkeit des Bulbus nach unten noch
etwas bescbrSnkt. Blickt nun Patientin
möglichst weit nach unten hin, dann winl
das früher völlig gelähmt gewt'sen© linke
Oberlid (siehe Fig, 73) ohne Theilnahme des
Frontalis nach oben gezurrt, so da«s ein
breiter SkleraUtreifen zwischen dem Oberlid
and dem Cornealrande nun sichtbar wird.
Hier springt uilenhar, wie bei
den erworbenen Mitbewegungen des
plotischen Überlides beim Kauen, der
Innervationsvorgang im Bereiche der
erkrankten Oculomotoriuszeilen auf
benachbarte Bahnen über (vergleiche
pag. 62 § 38 lind die Fälle von
Aibrand, Schanz und Marina
k:. 69 und 70),
Lieber die Beziehungen der
cosurie und des Diabetes mellitus
2ur Syphilis findet sich in der interes-
gan ten A rbe i t M a n c h o T s ( 740)
feine von L e u d e t (741) herrührende
Beobachtung mit Sektions bet und, bei welehtir es gich neben einer leichten
basalen Meningitis nm Erwf^idiung am Buden des IV. Ventrikels mit Ver-
änderungen des Plex. chorioid. bandelte. Klinisch waren: linksseitige
S^tosis^ Lähmung des Internus, des Rectus superior, Erweiterung und Starr-
leit der linken Pu|iille ausser anderen uns hier nicht interessireoden Erschein
lODgen beobachtet worden.
Femer beschrieb Feinberg (742) einen mit Glycosurie einhergehenden
•'all von luetischer Bulbärijaralyse mit Parese des rechten oberen Augenlides
i.mi späterem Hinzutreten anderer Lähmnngserscheinungen von Seiten des
iculomotorius.
¥i'^. 73 verlad Fi^', 72.
S. Srh» GfheilJe 0(phthalrotijii*gia exlerjor mit
Ptr>8i8 ufnl cerebrahr Lues. Kninipf des L*^viitor
beim Vt'rsyt'hf die BUfkchene zu nritjen. Wähnend
di^r HeiliiDi? aufgelrctm.
3^4 Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis.
Nach Mänchot beruht ein Fall Ozenne's (743), der plotzüch nii
Schielen, Kopfschmerz, Schwindel, Uebelkeit erkrankte und eine reditsseitip
leichte Ptosis nebst Abweichung des rechten Bulbus nach aussen mitScIiwef-
beweglichkeit der rechten Pupille darbot, auf Gehimsyphilis.
Als ein weiteres klinisches Merkmal für eine bestehende KuclearUkhmong
wäre vielleicht auch noch femer die gleichzeitig mit der Ptosis auftretende
Lähmung des sog. Augenfacialis aufzufassen. Mendel hat, wie bekannt,
(vergleiche § 53 pag. 114) die Hypothese aufgestellt, dass der Augenfacialis ans
dem Levatorkerne entspringe.
Wir haben in § 53 uns mit dieser Frage beschäftigt und sind aof
Gnmd unserer Beobachtungen und der neuesten Erfahrungen zu dem Schhiäse
gekommen, dass die Oculomotoriuskeme mit den vom oberen Facialis ver-
sorgten Muskeln nichts zu thun hätten. Es ist eben die Frage der Kendokat
sation des Augenfacialis zur Zeit als noch nicht gelöst zu betrachten.
Immerhin ist aber das klinische Zusammentreffen von Leyatorlähmung
mit einer solchen des oberen Facialis sehr bemerkenswerth und fahren wir
daher folgende eigene Beobachtung hier an, die wir der Güte des Herrn Dr.
Engel-Reimers zu verdanken haben.
Ein 27 Jahre alter Kaufmann zog sich im Jahre 1890 einen harten Sdunker za.
Nach einigen mit Inunktiooskuren behandelten Recidiven trat im Jahre 1896 Flimmeni md
Pnpillenerweiterung auf dem linken Auge auf. Nach dreimonatlichem Bestehen Htauu
durch Schmierknr. Im Jahre 1897 stellte sich wieder Flimmern am linken Ange, Ptapilltt-
er Weiterung und Doppeltsehen ein. Dabei bestand eine LeistendrOsengeschwnlst. Aiifibi|-
lieh war das ganze linke Auge starr, die Pupille weit, die Accommodation gelähmt imdiv
der Levator verschont. Bei der Aufnahme im hiesigen Erankenhause zeigte sich links der
Levator gelähmt, sowie eine Parese des linken Ajigenfacialls; im linkei
pare tischen Frontalis traten zeitweilig klonische Zuckungen auf.
Die Bewegung des linken Bulbus nach aussen völlig normal. Es bestand abo üi
diesem Falle lediglich auf dem linken Auge eine Lähmung des Ocolomotorias io alkn
Zweigen, eine Parese des Levator und eine Lähmung des Trochlearis, sowie der Angttiste
des Facialis. Der ophthalmoskopische Befund war normal.
Bemerkenswerth ist noch in diesem Falle, dass Patient 12 mal eine intensive Sdunier-
kur durchgemacht hatte, die beiden letzten im hiesigen Krankenhanse, ebne irgendwelchen
Erfolg. Erst nach der zweiten Zittmannkur gingen die Lähmungen der Augenmnskeb
zurück , so dass jetzt nur noch eine leichte Erweiterung der linken Papille und aar eine
ganze geringe Insufficienz des linken Internus zu erkennen ist.
Während in diesem Falle das gemeinsame Auftreten von Levator- und
Augenfacialisparese auf eine Kernläsion hindeutet, sprach das sonst sehr gute
Allgemeinbefinden und der Mangel an Kopfschmerzen gegen eine basale Affek*
tion. Zu verwundem ist nur, dass so viele Schmierkuren nicht den gering-
sten Erfolg aufwiesen und schliesslich sich durch eine Zittmann'sche Kur
die so schwer geschädigte Funktion wieder hergestellt hatte.
Im Allgemeinen kann man wohl auch sagen , dass gummöse Affektionen
an der Basis stürmischere f^rscheinungen machen und rascher an Ausdehnung
gewinnen. Jedenfalls dürfte man hier doch bei dem Gros der Fälle auf eine
Iteihe von Symptomen stossen, welche der basilaren gummösen Meningitis
eigenthümlich sind. So wird man in der folgenden BeobachtungRosenthalä
Die Ptosis bei der cerebralen Sjpliili^. SÖfj
l) trotz der Äflektion des Facialis und Trigeminus lediglich wegen der
ügsamen Aufeinauderfülge der Symptome die Affektion doch für eine
lucleäre halten.
Eilt 2f) jähriges mäuiiüches Individuum hatte sich vor V t Jahren sTphilitlsch infidrt.
L Anfange des zweiteu Jahrea Dach der Ansteckung trat recbteraeita eineLähmung derAecoin-
iation und der Pujiille, spfitL^r links Parese des Abducens, and dann rechts auch LllhmuDg
Reetus internus und Reetus inferior auf. Um die Mitte des vierten Jahres war links
»BIS hiozugetreten, ebenso Parese des FaciHlis. Rechts war eine AbatumpfuDg einiger
keste des Trigeniiatis vorhanden.
Es liegt nahe, ein gleichzeitiges Vorkommen von reflektorischer Licht-
irre neben Lahnrnngen der Bülbiismoskulatur als Hinweis auf eine
luclearlälimung hervorzuheben. Unsere Kenntnisse bezüglich der reflektorischen
Lichtstarre sind aber noch zu mangelhaft und zu tlieoretischer Natur» um
dieselbe hier in den Kreis topisch -diagnostischer Erwägungen hineinziehen
zu können.
tj 156. Als negativ für eine Nuclearlähniung, also auf einen anderen
Angriftspunkt der Krankheit auf die octilomotorischen Bahnen hinweisende
Erscheinungen sind hier folgende anzuführen:
L Halbseitige oder doppelseitige Korperparese als Hinweis auf eine
Mitaft'ektion der HirnschenkeL So lag bei 6 von 15 Fällen doppelseitiger
Oculomotoriuslähmung in der Statistik Uhthoffs, ebenso wie in den folgenden
Fällen: Collins (683), Chvostek (684), Goldscheider (685), Zimmermann
(686), Älthaus (687), Jacobs (688) halbseitige und in 2 Fällen doppelseitige
Ociilomotorinslähmung vor, wobei die Affektion nicht nur auf das Wurzel-
gebiet des HL Nerven in seinem Verlaufe durch den Hirnschenkel, sondern
auch auf seinen Austritt aus demselben au der Basis hinweist. Auf pag, 135
seiner Arbeit zählt Uhthoff 12 Fälle von Oculomotoriuslähmung mit gekreuzter
Körperlähmung auf. Es können aber wie im Falle IX. Uhthoff h c. pag. 46
gelegentlich bei einseitiger Oculomotoriuslähmung mit gekreuzter Korperlähmung
2wei verschieden lokalisirte Krankheitsherde in Betracht kommen: eine basale
Affektion des Oculomotorius und ein Herd im Thalamus, welcher in die innere
Kapsel hineinragt.
2. Mitergriffensein des Opticus, entweder eines oder beider Nervenstämme
mit entsprechenden Gesichtsfelddefekten *), oder temporale Hemianopsie (siehe
Fall XXIV Uhthoff L c.) als Symptom des Mitergriffenseins vom Chiasma,
oder homonyme Hemianopsie als Zeichen einer Tractusläsion. Daneben kann
noch 3. ein positiver Augenspiegelbefund (Neuritis und Atrophie) bestätigend
mit wirken. So haben wir einen 34jährigen Arbeiter in Behandlung, der 1893
Lues acfiuirirt hatte. Im Frühjalu* 1898 trat Kopfschmerz, Schwindel und
Schielen auf dem linken Auge auf. Dabei zeitweise Benommenheit. Zur Zeit :
Beide Pupillen ruittelweit, die linke reagirt träger auf Ijcht als die rechte.
Beiderseits Neuritis optica. Linksseitige inkomplete homonyme Hemianopsie;
1) Nach der Zusanmienstellung Uhthoff 's waren die Optici resp. Chiasma und
Tractus im Ganzen fast in der Hälfte der Fäüe von cerebraler Lues mitergritfen.
Wi]braiid-S&eQgDr, Neurologj» des Augea. 1. Bd. H. Abth^ilmig. 24
i
356 Die Ptosis bei der cerebralen ^Syphilis.
der obere Quadrant ist ausgefallen. Auf Schmierkur Besserung. Eine aiter-
nirend mit der Seite der Oculomotoriuslähmung auftretende homonyme
Hemianopsie spricht dann unbedingt für einen basalen Sitz, eine nidit
gleichseitige Hemianopsie wie in unserem Falle (pag. 350) nicht dag^en (siehe
auch eine Beobachtung Schöler's [682]). Zu bedenken bleibt dabei, d&ss
immerhin noch durch einen intracerebralen, nebenherlaufenden Herd die
Hemianopsie bedingt worden sein möchte, wie im Falle XIH Uhthoffs (Lc).
Es erübrigt nun auch anzuführen, dass wir bei der Gehimsyphilis aach
einer doppelseitigen Ptosis als Initialsymptom begegnen.
So entstand in dem Falle Bristowe's (689) bei einem 46jfthrigen Manne unter
HiDterkopfschroerzen erst doppelseitige Ptosis, dann allmählich fast vollständige Lihmniig
der Augenmuskeln. Beiderseits Mydriasis und Reaktionslosigkeit der Papillen, SensibilitltB-
störungen im Bereiche beider Trigemini, epileptische Anfälle und Dyspnoe.
Auch Grande (690) und Uughling- Jackson (Fall 46) erwähnen je einen FiU,
in welchem bei Gehimsyphilis eine einseitige resp. doppelseitige isolirte Ptosis das Initill*
Symptom bildete.
§ 157. In den Fällen von Oppenheim (Nr. 1) und Virchow (Nr. 21)
sehen wir vorübergehende Ptosis bei basilarer gummöser Meningitis auf-
treten. Auch bei dem bekannten Falle von Hutchinson (691) mit Ophthal-
moplegia exterior hatten die cerebralen Erscheinungen mit vorübergehen-
der Ptosis begonnen. Da sich das gallertige Gewebe der frischen gummösen
basilaren Meningitis mit der Zeit in fibröses Bindegewebe umwandelt, zieht
es sich zusammen und kann dann entweder den Nerven entlasten, dass dieser
wieder von dem seither auf ihn wirkenden Drucke völlig befreit wird, oder
es wird derselbe noch mehr zusammengeschnürt und zur völligen Atrophie
gebracht. So kann sich also eine Lähmung spontan zurückbilden, oder durch
frühzeitige spezifische Behandlung zurückgebracht werden, sofern nur die
Achsencylinder in den einzelnen Nervenfasern noch erhalten geblieben waren.
Auch bei den durch Gefässerkrankung bedingten absoluten Augenmuskel*
lähmungen kann eine völlige Restitution wieder zu Stande kommen. Wenn
nämlich durch entzündliche Verengerung der Gefässe die Ernährung der Gan-
glienzellen so reduzirt worden war, dass die Existenz derselben zwar im
höchsten Grade bedroht, ihr Leben aber, bei absolutem oder fast absolutem
Fehlen der Funktion, noch nicht völlig erloschen schien. Denn dass bei einer
derartig in der Ernährung gestörten Zellengruppe die Funktion nach den
geringsten Anstrengungen schon völlig erlahmen muss, liegt auf der Hand.
Bei längerer Dauer mangelhafter Nahrungszufuhr, oder bei vöUiger
Unterbrechung derselben durch Obliteration der Gefässe, muss dann die
betreffende Zellengruppe der Degeneration verfallen; andererseits wird aber
die zeitig eingeleitete antiluetische Behandlung das Lumen der Gefässe durch
Resorption der entzündlichen Massen immer mehr öffnen und dadurch die
Funktion der von den Zellen versorgten Muskeln entweder voll, oder doch
bis zu einem gewissen Grade wieder herstellen.
Die Ptosis bei der cerebralen Syphilis. 357
§ 158. Bezüglich der Bedeutung der Ptosis uiäd der Augenmuskel-
ihmungen für die Differentialdiagnose zwischen cerebraler Lues und der
Chronischen progressiven aher isolirt bleibendeiiOphthalmoplegie
itten wir bereits auf pag, 122 und in § 68 pag, 149 aufmerksam gemacht,
?emer ist der Bedeutung der Ptosis und der Augenmuskelläbmuugen für die
Difterentialdiagnose zwischen Tabes und Lues cerebrospinalis in § 64
pag. 143, § 69 pag. 149 und S 61 P^g. 138- ErwälinuTig geschehen.
Auch wurde der Bedeutung der Ptosis für die Diflerentialdiagnose zwischen
cerebrosp inaler Lues und multipler Sklerose § 75 pag, 196 gedacht.
Was nun die Diflerentialdiagnose zwischen den syphilitischen und solchen
Prozessen betriftl, die wir in § 79 behandelt haben, so kommen hiebei ver-
schiedene Momente in Betracht. Die Ptosis bei der chronischen und subchronischen
Ophthalmoplegie kombinirt mit Bulbärkern- und Vorderhornerkrankung beruht
auf einem parenchymatös degenerativen Prozess, der, wie wir ausgeführt,
die f^culomotoriuskerne in analoger Weise wie die Nervenkerne des Mittelhirus,
des Pons, der Medulla oblongata und der Vorderhörner im Rückenmark in
wechselnder Intensität und Ausdehnung aft'izirt. Wie aus der Tabelle ersicht-
lich ist, beruht die Ptosis hei der Syphilis beinahe niemals (Fall 22 pag. 342)
auf einer reinen Kernerkrankung.
Klinisch sind die beiden Krankheitsgruppen meistentheils nicht schwer
zu trennen.
Bei der cerebralen wie spinalen Lues ist die schwankende Lokalisation
und Ausbreitung des Prozesses charakteristisch. Hierin tritt nun keine grosse
BiflFerenz zu Tage, da wir auch bei den in Rede stehenden Vorderhornaflek-
tionen ein atypisches, sprunghaftes Auftreten beobachten, von bald chronischem,
bald subchronischem Charakter. Ebenso beobachten wir bei letzteren in
gleicher Weise wie bei der Lues, dass die Motilitätsstörungen sich oft in
Form der Paraparese präsentiren, so in Fall 21, 22, 23, 24, 26, 27, 29, 30, 32,
33, 34, 37, 38, 40. Der markante Unterschied besteht aber darin, dass die
spinalen Lähmungen bei der Lues meist einen spastischen Charakter haben,
abgesehen von solchen Fällen, in denen in Folge von syphilitischer Erkrankung
oder Kompression der vorderen Wurzeln eine atrophische Lähmung der ein-
zelnen Muskeln eingetreten ist
Bei den Vorderhornaftektionen hat dagegen die Lähmung stets einen
schlaffen Charakter, bei der auch niemals die spontanen Zuckungen auftreten, die
nach unserer Erfahrung mit Vorliebe des Nachts die Patienten mit spinaler Lues
belästigen. Ferner spielen bei letzterer Erkrankung Parästhesien, Schmerzen,
Rückensteifigkeit eine Rolle im klinischen Bilde. Alle diese Symptome ein-
schliesslich der objektiv nachweisbaren Sensibilitätsstörungen werden bei
den mit Bulbarparalyse und Vorderhorn-Afl'ektionen einhergehenden Oph-
thalmoplegien vermisst. Dagegen finden sich in der Regel bei letzteren
qualitative Veränderungen der elektrischen Erregbarkeit und eine Herabsetzung
oder Fehlen der Sehnenreflexe. Bei der Lues ist bekann tl ich die elektrische
24*
4
358 Die Ptosis bei der cerebralen SyphÜis.
Erregbarkeit meistens intakt (ausgenommen in den oben genannten Fallen!,
und die Sehnenreflexe in der Regel gesteigert.
Treten in einem zweifelhaften Krankheitsfall heftige Kopfschmerzen,
besonders des Nachts und Himsymptome, wie apoplectiforme Anfalle, Aphasie,
eine Neuritis oder Atrophie des Nervus opticus auf, so dürften dieselben zu
Gunsten einer Lues zu verwerthen sein ; wenn auch wir bei Fall 4 uid 40
im obengenannten Kapitel Opticusatrophie hatten auftreten sehen.
Sehr viel schwieriger gestaltet sich unter Umständen die Differentialdiagnose
der Ptosis bei der Syphilis und den Nuclearlähmungen in Folge subaknter
und akuter Krankheitszustände. Wir verweisen auf die betreffenden früheren
Kapitel und heben hervor, dass vor allenDingen die ätiologischen Momente
(Infektionen, Intoxikationen [Alkohol, Blei etc.]) ausschlaggebend sind, nnd
dass das Krankheitsbild bei diesen Aflfektionen ein schärferes Grepräge nnd
einen bestimmteren Lokalton durch die vornehmliche Entwickelung des patho-
logischen Prozesses im centralen Höhlengrau, speziell das Aqoäduct Sylvii hat.
6. Ptosis bei den Gehimhämorrhagien.
§ 159. In den früheren Kapiteln über die akut- encephalitischen Prozesse
auf Grundlage von Infektionen und Intoxikationen war schon von multiplen
Blutungen in die Hirnsubstanz die Rede. Speziell bei der Poliencephalitis
haemorrhagica superior Wer nicke zeigte sich das gesanunte Höhlengrau
d. h. die Wände des III. Ventrikels, die graue Substanz des Aquaeductus
Sylvii und des Bodens des IV. Ventrikels durchsetzt von vielfachen kleinen
Hämorrhagien. Im vorliegenden Kapitel sehen wir von diesen Blutungen,
sowie von solchen ab, die nach Schädelverletzungen und nach Sinusthrombose
eintreten, wir betrachten vielmehr die sog. spontanen Hirnblutungen, zufolge
deren eine Ptosis sich einzustellen pflegt.
Unter spontanen Hirnblutungen verstehen wir nach Monakow Hämor-
rhagien, welche durch eine Berstung degenerativ veränderter Arterien zu
Stande kommen, nachdem meist allmählich einwirkende Noxen Veränderungen
der Gefässe bewirkt haben. Durch sklerotische Prozesse erfährt die Arterien-
wand verschiedenartige Ausbuchtungen, wonach sie minder widerstandsfähig
und brüchig wird und bei gewöhnlichem Blutdruck schon reissen kann. Die
häufigste Gefässveränderung besteht bekanntlich in dem Auftreten der sog.
Miliaraneurysmen, deren Kenntniss wir den schon in den sechsziger Jahren
gemachten Studien von Charcot und Bouchard verdanken. Diese für das
Zustandekommen der spontanen Himhämorrhagie so äusserst wichtigen miliaren
Aneurysmen finden sich nur an den kleineren Himarterien und beruhen auf
einer Degeneration der Muscularis (Roth, Arndt, Löwenthal). Die Wand
des Aneurysmas besteht grösstentheils aus der Adventitia und Elastica.
Speziell sei hervorgehoben, dass das Auftreten der Miliaraneurysmen ohne
jede atheromatöse Erkrankung der basalen Hirnarterien und
deren Verzweigungen konstatirt worden ist Beide Prozesse könnoi
jsammen vorkommen, sind aber ihrem Wesen nach unabhängig von einander,
ms neuerdings speziell von Roth im Gegensatz 2u Zenker u. A, festgestellt
'worden ist
Die 80 häufigen Hirnblutungen bei der Schrumpfniere, bei Intoxikationen,
(Blei, Alkohol) und Infektionen (Syphilis, Pocken, Pyamie) beruhen auf derartigen
Gefiissalterationen, nicht auf Miliaraneurysmen,
Relativ seltener bersten Hirnge fasse in Folge von Endarteriitis oder
hyaliner Degeneration,
Aetiologisch am bedeutsamsten für das Zustandekommen der Hirnblutung
ist bekanntlich das Alter (vom 50. Jahre an), die Erblichkeit (Gicht, Habitus
apoplecticus) und die Arteriosklerose.
§ 160» Die V^erschiedenheit der Lokalisation der Hirnblutungen liegt in
der Gerässanordnung und der dadurch bedingten Bhitversorgung abgegrenzter
Bezirke. So sind bekanntlich die grossen basalen Ganglien und die innere
Kapsel ein Lieblingssitz der Himhämorrhagien. Dieselben Averden von Zweigen
der Arteria fossae Sylvii versorgt. Zum Corpus striatum gehen die Ärteriae
lenticuto-striatae, zum Thalamus opticus die Arteriae lenticulo-
opticae.
Der hintere Abschnitt der Capsula interna wird theils von der Arteria
chorioidea, theils von der Arteria cerebri posterior versorgt. Von
letzterer gehen kurze Seitenzweige nach dem Pedunculiis cerebri, der hinteren
Partie des Thalamus opticus, nach der vorderen Vierhügelplatte nebst dem
Hau he nabschnitt.
Die Arteria cerebri posterior, die somit gleichzeitig Augen-
muskelcentren, wie Sehcentren mit Blut versorgt (durch die Arteria occipibilis),
interessirt. uns hier am meisten, da die in ihrem Bezirke vorkommenden
Hämorrhagien , nicht selten das in Kede stehende Symptom der Ptosis im
Gefolge haben.
S 16L Bei einer Hämorrhagie in der Hirnschenkelgegend ist im
Allgemeinen, wie auch Nothnagel hervorhebt, der klinische Symptomen-
komplex ein ziemlich gleichmilssiger und zwar ans dem Grunde, weil diese
Gegend einen relativ einfachen Bau hat. Es kommt bekanntlich zu dem von
Charcot zuerst so genannten Syndrome de Weber d. h. zu einer typi-
schen Hemiplegie mit gekreuzter Oculomotoriuslähmung. Da aber bei Hirn-
schenkelbämorrhagien der Oculomotorius zuweilen ganz verschont bleibt, so
ist es vor allem nöthig, auf die Gefassvertheihmg in den verschiedenen Ab-
schnitten dieser w^ichtigen Gehirnpartie einzugehen.
Wie wir vorher schon erwähnt hatten, wird der Pedunculus cerebri
von Zweigen aus der A r t e r i a cerebri posterior versorgt. Genauere Unter-
suchungen über die Gefässanordnung wurden von Rossolim o (625) angestellt,
und haben wir in § 127 dessen Eintheihing reproduzirt. Speziell mit der
arteriellen Cirkulation des Hirnschenkels haben sich Alezais und Leon
dWstros (7091 beschäftigt. Dieselben theilen die Hirnschenkelgefässe
in fünf topographische Gruppen ein;
QGO Die Ptosis bei den Gehirnhftinorrhagien.
1. Die Arteriae pedunculares internae. Dieselben entspringen
2iim grössten Theile direkt aus der Arteria cerebri posterior, versorgen den
inneren Theil des Himschenkels und überschreiten nicht die Substantia nigm
2. Die Arteriae pedunculares anteriores externae versorgen
ebenfalls den Himschenkelfuss; nur ganz ausnahmsweise erstrecken »e sich
durch die Substantia nigra in die Haube.
3. Die wenig zahlreichen Furchenarterien.
4. Die spärlichen Arteriae pedunculares superiores und
5. die Vierhügelarterieu.
§ 162. Eine weitere wichtige Rolle beim Zustandekommen von Hämor-
rhagien in dieser Gegend spielen diejenigen Arterien, die den Himschenkel
in ihrem Verlaufe kreuzen oder berühren ; hier sind in erster Linie die Arteriae
opticae zu nennen. Die Arteria optica interna anterior entspringt
nach den Angaben Duret's (708) aus der Arteria cömmunicans posterior,
oder selbst aus der Arteria cerebri anterior; zwischen Tuber ein. und Corp.
mamill. dringt sie ein und verzweigt sich in dem vorderen Theile des dritten
•Ventrikels über dem Infundibulum.
Die Arteria optica interna posterior entspringt j^benfalls aus der
Arteria cömmunicans posterior, dringt hinter dem Corpus mamiUare
ein und steigt senkrecht in die Höhe in den Thalamus opticus und verzweigt
sich in demselben in der Nähe der Ventrikelwand. Nach den Untersuchungen
von d'Astros und Alezais kommt diese letzte Arterie sehr oft aus der Arteria
cerebri posterior etwas oberhalb der Arteria nuclei oculomotorii, durch-
•dringt den inneren Theil des Himschenkels und endigt im Thalamus.
2 — 3 Arteriae opticae externae posterior, entspringen aus der
Commimicans posterior, beschreiben einen Bogen um die Hirnschenkel, dringen
zwischen Corp. genic. ext. und int. ein, kreuzen in schräger Richtung die
Pedunculi cerebri und verlieren sich im Thalamus.
Die Arteriae nucleoli oculomotorii haben Alezais und d'Astros
{709) zum Gegenstande einer eigenen Untersuchung gemacht. Bei der Wichtig-
keit, die hier vorliegenden Verhältnisse genau zu kennen, und bei der Spär-
lichkeit der bis jetzt vorhandenen Untersuchungen seien die Ergebnisse dieser
Autoren im Auszuge hier mitgetheilt.
Entgegen der Ansicht Duret's entspringt diese Arterie nicht ans der
Arteria basilaris, sondern aus der Arteria cerebri posterior und versorgt
mit einigen Zweigchen die austretenden Oculomotoriusbündel. Im Innern
steigt die Arterie neben der Medianlinie empor, im Allgemeinen sich in der
Richtung der Oculomotoriuswurzelfasern haltend, und zwar theilt sie sich
fächerartig in 6 — 7 Zweige, von denen die vorderen einen horizontalen, die
mittleren einen vertikalen, und die hinteren einen schrägen Verlauf nehmen.
§ 163. In sehr anschaulicher Weise hat Shimamura (285) die Blat-
versorgung der Hirnschenkelgegend und insbesondere des Oculomotorins-
kernes dargestellt, und speziell auf die reichliche Anastomosenbildung in
dieser Gegend hingewiesen: Die Gegend an der Basis des Gehirns in der
• Die Ptosis bei den Gehimhämorrhagien.
861
<Jmbe vor dem Trigonum intercrurale, ebenso die mediale Wand der beiden
Himschenkel wird von mehreren Gefässästen versorgt, welche jederseits
aus der Arteria cerebri posterior in der Nähe ihrer Abgangsstelle
ans der Arteria basilaris nach vorne entspringen. Indem sich noch
dieselben, besonders aber die bedeutend voluminösere mittlere, wieder in viele
Aeste theilen, drängt sich in dem hinteren Winkel jener Grube eine grosse
Anzahl feiner Gefässästchen zusammen, die durch Anastomosen mit einander
verbunden, senkrecht in die Gehimsubstanz eindringen. Die etwas vor und
seitlich von diesem hinteren Winkel gelegene Partie der rautenförmigen Grube
wird von Aesten versorgt, die aus der Arteria communicans posterior
Fig. 74.
Schema der Gefässversorgung des HimschenkelB und des Ocumolotoriuskem- und Wurzelgebiets.
d donales Gefftsigebiet
/ ]ateralefl ,,
m medianes ,,
1 Fasern aus dem Stimhim und der Brücke;
2 motorische Leitungsbahn der Himnerven \ -p. 'a v, u
3 motorische Leitungsbahn der Extremitäten / n'^nuaenoann ;
4 Fasern aus Schläfen- und Occipitalhim.
kommen und nach der medialen Wand des Himschenkels ungefähr zur Aus-
trittssteile des Nervus oculomotorius in ziemlich senkrechtem Verlaufe hin-
streben. Indem nun die in dem hinteren Winkel der Rautengrube gelegenen
zahlreichen Gefässäste mit den eben genannten von der Arteria communicans
posterior kommenden viele Anastomosen eingehen, entsteht hier in der Tiefe
jener Grube ein plexusartiges System von lauter feinen Gefassen.
Der laterale Theil des Himschenkels wird nach demselben Autor von
Anastomosen aus der Arteria communicans posterior, der Arteria
cerebri posterior und der Carotis mit Blut versorgt.
Die mediane Gefässanordnung (Fig. 74m) hat nach Shimamura
keine Kommunikation mit dem Gefässgebiet, welches die
362 Die Ptosis bei den Gehirnliftmorrbagien.
laterale Partie des Hirnschenkelfusses und der Hirnschenkel-
haube versorgt; ebenso gelang es nicht, eine Verbindung der
beiden an der Medianlinie gelegenen Gefässgebiete mit Sicher-
heit nachzuweisen. Da nun auch zwischen der dorsalen und
medialen Partie keine Gefässverbindung existirt, so stellt das
neben der Medianlinie gelegeneGefässgebiet ein isolirtes, selbst-
ständiges Ganze vor, das im Sinne Cohnheim's als Endarterie
aufzufassen ist, und in dessen Endverzweigungen die Ocalomo-
toriuskerne sich befinden.
Aus diesem Schema, das wir zum Theil dem Oppen heimischen Lehr-
buch, zum Theil der Shim am ur ansehen Abbildung entnommen haben, wird
es nun leicht sein, sich die Folgezustände von Hämorrhagien in dieser Gegend
klar zu machen.
Im Folgenden wollen wir nun nach diesen Gefassgebieten die in der
Litteratur von uns aufgefundenen Fälle einer Betrachtung unterziehen.
§ 164. Der litterarisch berühmteste Fall ist im Jahre 18(>3 tob
Hermann Weber (710) veröflfentlicht worden.
Ein 52jähriger, an einem Aortenfehler leidender Mann fiel plötzlich in einem AiiM
von Schwindel und Schwäche nach der rechten Seite hin um, ohne das BewnsstBein n
verlieren. Es trat eine rechtsseitige Hemiplegie, Anarthrie und linksseitige Ocalomotorios-
lähmung ein. Es hestand eine linksseitige Ptosis, femer Strabism. eztem. sin. Die linke
Pupille war weiter als die rechte und zog sich weniger auf Licht zusammen. Der Trodüeuis
und Abducens waren nicht alterirt. Die rechtsseitig gelähmten Extremitäten waren um 1.5*
wärmer, als die der anderen Seite. Die Sensibilität war im Gesicht und an den Extremi-
täten rechts viel stumpfer als links.
Nach zwei Monaten trat der Exitus ein. Die Sektion ergab in der inneren Hälfte der
unteren Partie des linken Himschenkels einen 15 mm langen und 6,3 mm breiten schwanen,
trockenen Blutklumpen. Von der Oberfläche des Pedunculus war der Herd nor dorch eine
sehr dünne Nervensubstanz getrennt. Er begrenzte sich unten unmittelbar durch den Pons.
Die beiden Oculomotorii erschienen äusserlich gleich. Der linke Oculomotorins enthielt
wenig gesunde Elemente, dagegen reichlich Körnchenzellen. Die Arteria basilaris war
ein wenig rigide und zeigte mehrere atheromatöse Plaques, ebenso wie die Carotis int. and
die A. cerebr. post sin.
In diesem klassischen Falle, der Charcot, wie erwähnt, Veranlassung
gab, die mit der Hemiplegie gekreuzte Oculomotoriuslähmung das Syndrome
de Weber zu nennen, lag das umschriebene Blutgerinnsel im TOiiiin genau
beschriebenen medianen Gefässgebiet und zwar zum grösseren Theil im Hirn-
schenkelfuss. Demnach waren wohl sämmtliche Oculomotoriuswurzelfasem,
femer der Theil der Substäntia nigra und Nr. 1, 2, 3 im Schema betroffen
worden.
Eine ganz ähnliche Lage muss wohl der hämorrhagische Herd im rechten
Himschenkel in dem Falle von Leteinturier (711) gehabt haben, da die
klinischen Symptome selir viel Analogien aufweisen.
Es bandelte sich um eine 62jäbrige Frau mit linksseitiger Hemiplegie, HemianlsiheM
und vollständiger Läbmung des rechten Oculomotorins. Während bei der Aufnahme eine
Herabsetzung der Temperatur der gelähmten Seite um 0,4 ® bestand, war am vierten Tage
eine um dieselbe Gradenzahl erhöhte Wärme zu konstatiren.
Dw Ptoäts bei den liebirüliämon^hagieD. 88S
Ein weiterer hierher gehöriger Fall ist von Bennet (712) beschrieben
:>rden.
Ein 28 jähriger Patient verlor plütdicli unter Schwindetan fällen daa Bewusateein^
ichd<^m er drei Wochen vorher iio Kopfschmerzen gelitten hatte. HiernMf stell t^e sich
de linksseitige Hemiplegie ein, zu der ein© Gefühlsal) stumpf ung im linken Bein hinzu-
it* Das rechte Auge konnte nur schwer geöffnet werden. Die Sektion erga?* ausser
nein Exsudat an der Gebirnh^sis, einen hämorrhagischen Herd von dem Umfange einer
rbs€ im rechten Himschenkel, umgeben von kleineren kapillären Blutungen und einer
reichten Zone in der Ausdehnung von 6 — 7 mm.
§ 165. Oberhalb der Substantia nigra, also in der Haube, kommen
imorrhagien vor, in Folge von Ruptur von Gefässzweigen der medianen
rterie.
Einen Beleg hiefür bietet der Rickards'sche (713) Fall dar:
Bei einem 64jilhrigen ehemnligen Potator trat eines Tagea eine rechtsseitige leichte
Hosis und Onsicherheit beim Gehen aut. Am folgenden Tage war sein Gang wtnrk
schwankend; es entwickelte sich unter Benommenheit eine doppelseitige Ptosis. Hierauf
trat eine deurJiulie Parese der linken Gesichts- und der linken Kürperhttifte auf motorischem
und sensiblem Gebiet ein Ausser einer doppelseitigen Ptosis war keine Augen-
öl u s k e 1 1 ti h m u n g 2 u k o u 8 1 a t i r e n. Unter zunehmendem Bopor trat am Ib. Tage der
Kxitus ein.
Die Sektion ergab eine Hämorrhagie in die medianen und oberen Partien heider
Himschenkel, welche rechts beträchtlichere Zerstörungen als links verursacht hatte.
Sehr bemerkenswerth ist der Umstand, dass die Augenmuskeliähmnng
sich ledigb'ch auf beide Levatoren beschrankt hatte.
Ji 166. Von welch' bedeutenden klinischen Symptomen selbst kleine
Hämorrhagien in den Hirnschenkeln gefolgt sind, beweist ein sehr instruktiver
Fall Leubes (714).
Eine 50jJlhrige Frau bekam unter Kopfscbm erzen, häufigem Erbrecben eine deutliche
lioksseitige Hemiparese mit Abstumpfung des Gefühls und Erhöhung der linkseeitigen
Reflexe. Die Pupillen waren eng uod starr. Es bestand eine rechtsseitige Ptosis. Kopf-
schmerz, Erbrechen und Somnolenz nahmen zu. Die linken Extremitäten wurden völlig
gelähmt und anästbetisch. Die rechte Pupille erweiterte sich, und die Ptosis wurde
kamplet.
Die Sektion ergab vier getrennte hämonhagische kleine Herde.
Der erste Herd nahm gerade die Mittellinie ein.
Der zweite Herd war von grüsster Bedeutung in Folge seines Sitzes im
Kerngebiet des Oculomotorius, wodurch auch einzelne Fasern (speziell die
äussersten oben und lateralwärts gelegenen) gelähmt wurden. Dieselben
müssen für die rechtsseitige Ptosis in Anspruch genommen werden.
Der dritte Herd tangirte nach innen die Schleife und erstreckte sich
nach unten zu im Strahlungsgebiet der Haube bis in die Bindearme, Dieser
Herd ist das anatomische Substrat für die linksseitige Hemianästhesie; zu-
gleich werden aber auch durch denselben, zusammen mit dem vierten kleinen
Herd die Pyramidenfasem betroffen, was die linksseitige Hemiplegie erklärte.
In diesem Le übersehen Falle gehörten die Hämorrhagien zwei getrennten
Gefässgebieten an, nämlich dem der Ärteria nuclei oculomotorii und dem
der Arteriae peduncnlares anteriores, exteriores und superiores.
364 -Die Ptosis bei den Gehirnhämorrliagien.
Etwas tiefer als der Herd I befand sich ebenfalls in der Medianlüue
ungefähr im Centrum eine linsengrosse Hämorrhagie in einem Falle tob
JBouchard (715), bei dem es sich ausserdem um eine Pachjmeniiigitis
haemorrhagica gehandelt hatte. Eine Ptosis war hier nicht aufgetreten. Ke
rechte Pupille war verengert, die linke erweitert; die übrigen Erscheimmgen
kommen wahrscheinlich auf Rechnung der Pachymeningitis haemorrhagica^
während die Pupillensymptome wohl als indirekte Herderscheinung aufzufassen
sein dürften.
§ 167. Dass Himschenkelblutungen vorkommen, bei welchen der Ocnlo-
motorius ganz frei bleibt, dürfte schon aus der Gefassyersorgimg
a priori anzunehmen sein; denn der Oculomotorius wird vom Kern bis zum
Austritt lediglich vom medianen Gefassnetz versoi^. In der That existirai
einige klinische Beobachtungen, die unsere Annahme stützen.
So der bekannte AndraPsche (716) Fall aus dem Jahre 1840.
Bei einer seit vier Jahren rechtsseitig gelähmten 60 jährigen Fraa fanden sich ansser
einer Ahstumpfung des Gefühls aaf der rechten Seite keine Störungen seitens der Hin-
nerven, speziell nicht des Oculomotorius. Bei der Sektion zeigte sich im mittleren llieil dtt
linken Pedunculus cerehri eine alte, kirschgrosse, etwas oblonge Cyste mit derber Wasd
und serösem Inhalt.
Es ist nicht anzunehmen, dass einem so feinen Beobachter wie Andral
Störungen von Seiten des lU. Gehimnerven und gar etwa eine Ptosis ent-
gangen sein sollten, zumal da von ihm speziell erwähnt worden war, dass die
anfänglich bestandene Facialislähmung bald wieder verschwunden sei.
Neueren Datums ist der Darier'sche Fall (717), bei dem ebenialk
der Oculomotorius freiblieb.
Ein 4()jähnger, an syphilitischer Epilepsie leidender Mann, hatte eine linksseitig
Hemiplegie mit Kontrakturen und Steigerung der Reflexe. Die Sektion ergab einen fiisdiet
Blutherd im rechten Pedunculus, und einen Tuberkel an der InnenflAche der rechten Hemi-
sphäre unter dem Paracentralläppchen, der die motorischen Rindenregionen komprimirt hatte.
Wenn auch die Hemiplegie, da sie schon längere Zeit bestand, wohl
auf letztere Affektion zu beziehen sein dürfte, so ist bei der frischen Hirn-
Schenkelblutung das Freisein des Oculomotorius bemerkenswerth.
Yerwerthbarer für den in Rede stehenden Gegenstand ist eine Beobach-
tung von Roscioli (718), weil der Sitz der Blutung pathologisch-anatomisch
genauer festgestellt ist.
Ein 69jähriger Geisteskranker bekam einen apoplektischen Anfall mit nachbleibender
Hemiparese und Kontraktur der rechtsseitigen Extremitäten. Nach zwei Tagen eraenter
Anfall : Verschlimmerung der recht^sseitigen Lähmung. Die Pupillen waren eng und reigiitm
nicht. Die Augenbewegungen waren ungestört. Es war ein aaffUliger Temperatnr
unterschied zwischen gelähmter und nichtgelähmter Seite zu konstatiren. Die Sektioi
ergab eine kapilläre Hämorrhagie von 10 mm Länge und 4 mm Tiefe im lateralen Theil
des linken Himscbenkelfusses, etwa 1 cm von seinem Austritt ans der BrQcke beginnend.
Der zweite Fall, den Roscioli mittheilt, und bei welchem trotz Kapillar-
apoplexien in den medianen Abschnitt des linken Pedunculus cerebri es nicht
zu einer Oculomotoriusaffektion gekommen war, erscheint zu komplizirt und
klinisch unsicher (Patient war tief benommen und sehr unruhig), um ver-
werthet werden zu können.
Die Ptosis bei den Gehirn hämorrbagien. 365
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass von Ceni (719) in der Haube
linken Hirnscbenkels ein alter hämorrliagischer Herd gefunden worden war^
ler den rotben Kern vollkommen^ die laterale Schleife zum Theil, die mediale
Schleife fast ganz zerstört hatte. Da die AfiFektion vor 40 Jahren eingetreten
war, so ist dieser FalJ nur pathologisch-anatomisch, nicht klinisch zu ver-
werthen.
In den letztgenannten Fällen handelte es sich um HäraoiThagien solcher
Arterien j die zum iJefitssgebiet der Arteria peduncularis externa
gehören.
S 168. Indirekt werden die Hirnschenkel von Hämorrhagien betroffen
durch Berstung benacbharter Gefässe» die sich nicht im Pedunculus ver-
breiten, sondern vorbeiziehen. Wie aus den anatomischen Vorbemerkungen
hervorgeht sind dies in erster Linie die Arteriae opticae.
Bevor wir hierauf eingehen, sei noch eines höchst bemerkenswerthen
Falles von Jacob (720) gedacht Es handelte sich um ein Aneurjsma
in der Vierhügelregion, das geborsten war und in Folge eines reichlichen Blut-
ergusses den linken Thalamus opticus inkl Pulvinar, einen grossen Theil der
inneren Kapsel, die Innenglieder des Linsenkerns, den vorderen linken Zwei-
hügel^ das Corpus geniculatum mediale und theilweise auch das Corpus genicu-
latum laterale vernichtet hatte. Vor allem interessirt uns aber, dass von der
Kernregion des Oculomotorius links alles, rechts der vordere Abschnitt bis
unter die Mitte des rechten vorderen Zweibügels, ferner das gesammte Hauben-
gebiet der linken Seite bis an das vordere Briickenende (rother Kern, Schleifen-
gebiet u. s. w.) zerstört war- Aus der Krankengeschichte heben wir hervor,
dass links eine totale Oculomotoriuslähmung (interiore und exteriore) vor-
handen war* Am rechten Auge war der Rectus superior vollkommen, der
Rectus interior und Levator palpebrae weniger gelähmt. Es bestand also
links eine komplete, rechts eine unvollständige Ptosis,
Was die Hämorrhagien betrifft, die in Folge von Ruptur der Arteria
optica externa eintreten, so sind dieselben auf Grund des in der Litteratur
niedergelegten Materials als sehr selten zu bezeichnen. Meist ist der Sitz
auf den Thalamus beschränkt und tangirt den Pedunculus cerebri nicht. In
einigen Fällen ist letzterer erst in sekundärer Weise dadurch ergriffen, dass
sich das Blut aus höher gelegenen Stellen wie im Fall Jacob nach abwärts
ins Hauben- und Hirnschenkelfussgebiet Bahn bricht, oder auch indem sich
die Hämorrhagie in den HL Ventrikel hinein ergiesst und durch den Aquä-
dukt in den IV. Ventrikel fliesst, wobei hämorrhagische Infarcirungen der
begrenzenden Hirnabschiiitte vorkommen können.
Erstere Art der Ausbreitung (Durchbruch vom Thalamus in den Hirn-
Schenkel) ist aus einem von W^ er nicke (721) (Lehrb. d. Gehirnkrankheiten
Bd. 2 pag. 85) genau niikroskopisch untersuchten Falle ersichtlich.
Es bandelte sich um einen 4r>jä1iiigen Manu, der mit ecbwerem Ineiilt pl5tzlich ao
einer linkssc^itigen Hemiplegie mit Augenstörungcn (oline Ptosis) erkrankt war und nach
füaf Monaten an einer Pneumonie starb. Es fanii sich als Ueberbleibael einer Apoplexie
366 Die Ptosis bei den QehirnhftmorrhagieD.
eine solide bindegewebige Narbe (massenbaft Hämatoidinkörner enthaltend), die quer Mk
den Tbalamns nacb binten und innen durchging und die Hey nert'scben Bflndel ducb-
brechend bis an die Rapbe heranreichte. Die Kemregion des OcnlomotoriiiB , das bislBi
Längsbündel und die Wnrzelbündel des III. Nerven waren rechts zerstOrL Links war ov
der mediale Theil der Kernregion erhalten. Die Verändemngen erstreckten sich dord 4a
rechten Himscbenkel bis in die rechte ßrQckenbälfte.
Letztere Verbreitungsweise (Durchbruch in den Ventrikel) sehen wir in
einem von Schütz (739) (Prag. med. Wochenschr. obs. 98 Dnfour Nr. 37,
1881) beschriebenen Falle, bei dem sich post mortem eine Blutung Ton
unregelmässiger Gestalt fand, welche die obere Hälfte des IV. Ventrikels
einnahm und sich besonders nach links hin erstreckte. In vivo bestand
Lähmung der rechten Extremitäten, des linken Abducens, des linken Facialis
und theilweise beider Oculomotorii mit Miosis.
Beide Verbreitungsarten finden wir in der Beobachtung Ton Charcot
et Bouchard (723). Bei der Autopsie fand man bei der linksseitig Gelähm-
ten (mit linksseitiger Hemianästhesie) im rechten Thalamus einen haselnuss-
grossen Bluterguss, welcher sich bis in die rechte Haubengegend fortsetzte.
Diese Hämorrhagie hatte die Oberfläche des Thalamus opticus zerstört, was
zur Folge hatte, dass das Blut sich in den Seiten- und III. Ventrikel ergoss.
Bei dem Prevost'schen Fall (724) war ebenfalls das Blut vom Thalanros
aus in die Hirnschenkel bis zur Brücke vorgedrungen ; zugleich war der Herd
in den rechten Seitenventrikel durchgebrochen. Klinisch war ausser einer
linksseitigen Hemiplegie mit beträchtlicher Herabsetzung der Sensibilität eise
linksseitige Facialisparese, linksseitige Pupillenerweiterung und Nystagmus
beider Augen beobachtet worden. Ptosis oder eine andere Augenmuskel-
lähmung fand sich nicht.
§ 169. Bei den Hämorrhagien durch Ruptur der Arteria optici
posterior inferior soll nach d'Astros (725) eine Hemiplegia altemans
entstehen und zwar so, dass auf dem der Körperlähmung entgegengesetzten
Auge eine Ophthaimoplegia interna sich finde. Für dieses hypothetische
Syndrome haben wir in der Litteratur keinen durch die Sektion verifizirten
Fall finden können.
§ 170. Aber auch durch Berstung entfernter verlaufender Arterien
kann der Oculomotorius in Mitleidenschaft gezogen werden , wobei
eine Ptosis sofort in die Augen fällt. So sah Dickinson (726) bei
einem Falle von linksseitiger Hemiplegie eine linksseitige Oculo-
motoriuslähmung. Bei der Autopsie fand sich ein Bluterguss im Arachnoidal-
räum über der rechten Hemisphäre, und an der Basis ein Gerinnsel, welches
den linken Oculomotorius komprimirt hatte. Die Hämorrhagie war aus
einem Zweige der Arteria fossae Sylvii (s. cerebri media) erfolgt.
Ein gleiches Schicksal betraf den rechten Oculomotorius in einem von
Fi edler (727) beschriebenen Falle, ebenfalls von basaler Blutung, die in Folge
von Ruptur eines kirschkemgrossen Aneurysmas der linken Carotis interna
eingetreten war. Es handelte sich um ein 22jährige8 Individuum, das plötz-
Die Ptosis bei den Gehirnhämonhagien. 367
r lieh mit Kopfschmerz, Erbrech eD, linksseitiger Oculomotoriuslähmung, Krämpfen
L und Bewusstlosigkeit erkrankt war.
Bei diesem Falle sei darauf hingewiesen, dass doppelseitige Hemiplegie
^ bei Blutungen aus der Arteria interpeduncularis vorkommen, wobei in der
I Regel eine doppelseitige Uculomotoriuslähmung beobachtet wird (Faquet).
. S l'*'!' Iti seltenen Fallen kann eine Kompression des intracerebral
I Terlaufenden Oculomotorius tlurcli einen in der Nachbarschaft gelegenen Blnt-
• herd statthaben. So in einer von Sachs (728) rnitgetheilten Beobachtung,
Ein 6\ sjähriger Knabe erkrankte mit KoDviilsionen, rechtsseitiger Hemiplegie, Blind-
i heit, Sprachstörung, Pupillitis, Anilsthesie der rechten Hornhaur. liDkaaeitiger Ptosis
I iiDd AbdncenslübninTig. Bei der Sektion fand maa eine hiimorrhagische Cyste im linken
Teraporo-sphenoidallappea, welcher den linken Hirnschenkel koraprimirt hatte; derselbe
war dadurch «trop bisch geworden.
Bei Ponsblutungen ist einige Male eine Betheilignng des Oculo-
motorius mit Ptosis beobachtet worden, jedoch meist in solchen Fällen, in
: welchen die blutige Zertrünmiening sieh bis in die Grosshirnschenkelgegend
ausgedehnt hatte. So sah Ormerod (730) eine vollkommene Bewegungs-
losigkeit des linken und eine inkomplete Lähmung des rechten Auges bei
einer Ponsblutung, die sich nach oben bis zu den hinteren Vierhügeln und
\ nach unten bis ins verlängerte Mark erstreckt hatte.
Bei der Epikrise eines in Heihing übergegangenen Falles von apoplek-
tischer Bulbärparalyse; bei dem eine deutliche rechtsseitige Ptosis konstatirt
worden war, macht Strümpell (731) höchst interessante Bemerkungen, welche
für das Zustandekommen der Ptosis folgende Erklärung enthalten: „Die
Krankengeschichte zeigt in ausgesprochener Weise ein zuerst ziemlich kom-
plizirtes Kranklieitsbüd» welches bereits nach wenigen Tagen sich auf die fast
isolirt fortbestehende Schlingläbmung reduzirte. Hierbei muss uns aufFallen,
dass ein Herd, welcher bei der aliein andauernden Schlinglähmung offenbar
nur eine kleine Ausdehnung gehabt haben konnte, derartig ausgebreitete Initial-
erscheinungen verursacht haben soll, dass sie sich bis hinauf zum Oculo-
motoriusgebiet klinisch geltend machen konnten. Diese Einengung der anfangs
ausgebreiteten Symptome auf eine so isolirte Erscheinung, welche noch dazu
einer schliesslicben Heilung fähig war, lässt sich nicht leicht aus den gewöhn-
lich herangezogenen Wirkungen der Kompression, der reaktiven Entzündung
u. dgl. erklären* Wahrscheinlicher kommt mir daher die Annahme vor, dass
es sich gleich anfangs um eine ausgebreitete, aber anatomisch leichte Störung
in einem grösseren (iebiete der Ohlongata und Brücke bis in die Vierhügeh
region hinauf gehandelt habe. An einer Stelle dieses Gebietes ist es in Folge
der anzunehmenden Cirkulationsstörungcn zur Hämorrhagie gekommen, welche
die länger andauernde, schliesslich aber auch heilbare Schlingliihmung bewirkt
hat, während alle anderen von der initialen und primären Affektion
abhängigen Erscheinungen sich in viel kürzerer Zeit ausgleichen konnten.**'
Strümpell verweist auf einen weiteren von ihm beobachteten Fall, dessen
klinischer Verlauf zu einer ähnlichen Betrachtung Anlass geben muss.
368 Die Ptosis bei den Gehimhämorrhagien.
Ein 25jähriger Handarbeiter brach unterwegs plötzlich zasanimen ohne BewuMtwai
Verlust. Als er sich wieder erholt hatte, senkten sich seine oberen Augenlider immer vot«
herab, so dass er dieselben bald gar nicht mehr heben konnte. Anfang Mai 1876 mtk
im Spital starke beiderseitige Ptosis notirt, die Bewegungen des rechten Bolbas nonml;
das linke Auge kann nicht nach innen, und nur in beschränkter Weise nach oben biwegt
werden. Ende Mai 1876 zunehmende Schwäche der Arme. Beiderseits Atrophie des IXeltoidm.
Triceps und beginnende Abmagerung des linken Daumenballens. 10. Juni balhftre StömD^a.
12. Juli undeutliche Sprache, 15. Juli Anfall von grosser Dyspnoe. Patient kann gar liekt
husten. Fibrilläre Zuckungen in der Zunge, Atrophie der Oberlippen und der Danmenbtlki.
16. Juli plötalicber Exitus.
Bei der Sektion fand sich im Gehirn und Rückenmark makroskopisch am findui
Präparate nichts Abnormes. Dagegen fand Geheimerath Wagner am unteren Ende im
Oculomotoriuskemes mehrere kleine, doch schon mit blossem Auge erkennbare Hftmorrhagia.
Strümpell hebt hervor wie interessant und selten eine apoplektisch
eingetretene Oculomotoriuslähmung als Anfangserkrankung einer progres-
siven Muskelatrophie sei und meint, dass der Ausgangspunkt beider Affek-
tionen in Gefässveränderungen gelegen habe, die zuerst zu den Hämorrliagieii
in der Oculomotoriuskerngegend und später zu den Yorauszusetzenden Ver-
änderungen in der grauen Substanz der Vorderhömer und in den Kernen der
Oblongata geführt hätten.
Endlich sei noch eines Falles gedacht, der im Kapitel über die korükile
Ptosis (§ 50 pag. 96) nicht erwähnt worden ist, weil es unsicber bleibt, ob min
die begleitende Ptosis als eine kortikale oder supranucleäre bezeichnen muss.
Jedenfalls kann er hier seinen Platz finden, da eine Hirnblutung den klim-
schen Symptomen zu Grunde lag.
Wernicke (729) citirt diesen höchst bemerkenswerthen, von Andral
herrührenden, Fall von doppelseitiger Hemiplegie mit hochgradiger doppel-
seitiger Ptosis und Parese des Orbic. palpebrar. (s. § 53 pag. 114). Die
Blutung war symmetrisch und musste ihren Sitz, wie Wernicke henrorhebt,
entweder im unteren Scheitelläppchen selbst, oder in einer demselben benach-
barten Gehimpartie gehabt haben.
Dieses Kapitel würde ein falsches Bild von der Häufigkeit der in Rede
stehenden Affektionen geben, falls nur die Fälle mit Sektionsbefund Berück-
sichtigung fänden. Schon der zuerst erwähnte, geheilte Strümpell'sche FaU
von apoplektischer Bulbärparalyse zeigt, dass die Prognose nicht immer letal
zu stellen ist. Da nun unser Werk die klinische Symptomatik allem Anderen
voranstellt, so seien auch einige charakteristische Fälle hier angeführt, bei
denen man auf Grund autoptischer Erfahrungen die Diagnose einer Herd-
affektion im Mittelhirn stellen durfte.
So diagnostizirte Wernicke (732) eine Stichverletzung des linken Him-
schenkels an der Stelle, wo der Tractus opticus ihm anliegt.
Ein 24jähriger Arbeiter hatte mittelst eines langen Messers vor siebeo Jahren einen
Stich in die linke Schläfengegend erhalten. Wernicke konstatirte eine Lähronog des
rechten Ainns und des rechten Mundfacialis, femer geringe Ptosis des linken Oberlids
und eine rechtsseitige Hemianopsie mit bemianopischer Papillenreaktion.
Eine Blutung in die Oculomotoriuskernregion nahm Mann (733)
bei einem 56jährigen Feldarbeiter an, der eines Nachts mit heftigen Kopf-
Die Ptosis bei den liehirnhliüorrhagien. 90'
I schmerzen erwachte und dann bald bewnsstlos wurde. Gegen Morgen bemerkte
f man eine linksseitige Ptosis und eine doppelseitige Internusparese. Schon
I nach 14 Tagen war bedeutende Bessening bei dem Pütienten eingetreten,
I der schon vor rier Jahren eine Apoplexie durchgemacht batte,
I Einen analogen Fall beobachtete Allen Sturge (734), nämlich eine
jbl&ch einem apoplektischen Anfall eingetretene exteriore doppelseitige Ophthal-
Pinoplegie, die nach sieben Wochen vollständig heilte.
Joseph Co Hins (735) hat ebenfalls eine Blutung in die ponto-bulbäre
! Region bei einem 39jährigen Manne angenommen, welcher sich früher luetisch
infizirt hatte. Wegen der Unsicherheit der Diagnose verzichten wir auf
k Wiedergabe des klinisch interessanten Falles.
I Eine Blutung in den IIL Ventrikel diagnostizirte Donath (736) bei
I einer älteren Frau, die nach vorausgegangener Bewusstlosigkeit eine doppel-
I seitige Ophthalmoplegia exterior und interior, ferner eine mit Gefühllosigkeit
I verbundene F*araplegie der unteren Extremitäten acquirirt hatte. Patientin
I war nierenleidend.
I Auf ähnliche Ursache sucht Fischl (737) einen von ihm beobachteten
' Fall von plötzlicher Lähmung des linken Abducens, des Augenfacialis und
beider Levatores palpebrae superiores zurückzuführen. Die Ptosis war zuerst
links und später rechts aufgetreten. Nach einigen Wochen war fast komplete
Heilung vorlianden.
Schliesslich sei noch eines Falles von cerebraler Kinderlähmung mit
doppelseitiger Oculomotoriuslähmung gedacht, bei dem Menz (738) im linken
Himschenkel einen Herd angenommen hatte, welcher über die Mittellinie hinüber-
greifend auch den rechten fJculomotorius lädirt haben sollte. Bei einem
lOmonatlichen Kinde war plötzlich eine rechtsseitige Hemiplegie aufgetreten.
Bei der Untersuchung im Alter von sechs Jahren wurde Wachsthuras-
bemmung der paretischen Glieder, die in beständiger choreiformer Bewegung
waren, konstatirt. Die Augen standen in Divergenzstellung, der linke
Bulbus war beinahe völlig unbeweglich. Er konnte nur noch von aussen
bis zur Mittellinie bewegt werden. Links bestand Ptosis und Pupillenstarre,
Rechts war nur der Rectus superior und inferior gelähmt.
5^ 172. Behufs einer besseren Uehersicht über die Fälle von Oehirn-
blntungen in ihrer Beziehung zur Ptosis führen wir dieselben nach Gruppen
geordnet noch einmal hier an:
L Blutung an der Basis*
a) Aneurysma der Carotis — Fall Fiedler (linksseitige Ptosis)
s. pag. 366.
b) basale (Arteria fossae Sylvii) und Hemisphärenblutung — Fall
Dickinson (hnksseitige Ptosis) s. pag. 366.
c) Blutung aus der Ärteria peduncalaris ^ Paquet {doppelseitige
Ptosis) s. pag- 367»
2* Blutung in den Pedunculus cerebri
a) einsaitig
370 Die Ptosis bei den (jehimhftmorriiagien.
a) Blutung, direkte Fall Weber (linksseitige Ptosis) s. pag. Kl
^ ^ ;; Leteinturier (rechtsseitige Ptosii)
s. pag. 362.
Blutung, direkte — Fall Bennet (rechtsseitige Ptosis) s.pag.363.
„ „ — ^ An dral- (keine Ptosis) s. pag. 3&4.
^ r> — ^Darier (keine Ptosis) s. pag. 364.
— y, ßoscioli (keine Ptosis) s. pag. 364.
— ^ Menz (doppelseitige Ptosis) 8. pag. 368.
ß) Druck auf den einen Himschenkel durch eine hämonhagisclie
Cyste im Schläfenlappen — Fall Sachs (linksseitige Ptosis)
s. pag. 367.
y) Stichverletzung des Hirnschenkels — Fall Wernicke (links-
seitige Ptosis) s. pag. 368.
b) Doppelseitige Blutung — Fall Rickards (doppelseitige Ptosis)
s. pag. 363.
3. Blutung in die Hirnschenkelhaube
Fall Leube (rechtsseitige Ptosis) s. pag. 363.
„ Bouchard (fehlende Ptosis) s. pag. 364.
„ Ceni (fehlende Ptosis) s. pag. 365.
4. Blutung in die Oculomotoriuskernregion.
Fall Leube (rechtsseitige Ptosis) s. pag. 363.
,, Mann (linksseitige Ptosis) s. pag. 368.
„ Allen Sturge (doppelseitige Ptosis) s. pag. 369.
^ Strümpell (bei progressiver Muskelatrophie) (doppelseitige
Ptosis) s. pag. 367.
5. Blutung in den Thalamus, Zerstörung von Haube und
Kernregion des Oculomotorius.
Fall Jacob (doppelseitige Ptosis) s. pag. 365.
„ Wernicke (keine Ptosis) s. pag. 365.
6. Blutung in den Thalamus, Durchbruch
a) in den Ventrikel:
Fall Schütz (doppelseitige Ptosis) s. pag. 366.
b) in Haube und Ventrikel:
Fall Charcot und Bouchard (keine Ptosis) s. pag. 366.
„ Prevost (keine Ptosis) s. pag. 366.
7. Blutung in den HL Ventrikel.
Fall Donath (doppelseitige Ptosis) s. pag. 369.
j, Fischl (doppelseitige Ptotis) s. pag. 369.
8. Ponsblutung.
— Fall Ormerod (doppelseitige Ptosis) s. pag. 367.
9. Apoplektische Bulbärparalyse.
— Fall Strümpell (rechtsseitige Ptosis) s. pag. 367.
10. Blutung in beide Scheitelläppchen.
— Fall An dral (doppelseitige Ptosis) s. pag. 368.
Die Ptosis .bei den GehirDhämorrhagieD. 371
i5 173. Wir entnehmen aus dieser üebersicht, dass unter 28 klinisch
▼erwerthbaren Fällen von Hirnblutungen 21 mal Ptosis notirt ist; also in
75®/o. Einseitig kam dieselbe in 13, doppelseitig in 8 Fällen vor.
Recht bemerkenswerth ist das isolirte Vorkommen einer ein- oder
doppelseitigen Ptosis ohne weitere Alteration eines anderen Augen-
muskels wie im Fall Bennet, Rickards und Strümpell.
Weiterhin ist von besonderem Interesse der Fall Leube's und zwar
in Beziehung auf die Kernlokalisation im Oculomotorius, da die Ptosis
durch den im Oculomotoriuskemgebiet belegenen Herd II bedingt w^urde.
Dass die vorher aufgeführten 28 klinisch verwerthbaren Fälle von Him-
hämorrhagien im Vergleich zur Häufigkeit von Hirnblutungen überhaupt
eine auffallend geringe Anzahl repräsentiren, dürfte wohl folgendermassen
zu erklären sein:
Bei den so häufig vorkommenden Linsenkernblutungen erstreckt sich die
Hämorrhagie nicht selten bis in die Hirnschenkel hinein, weil durch die
Faseranordnung in dieser Gegend die Ausdehnung des Herdes häufig eine
sehr grosse ist. Meist sind dies aber mit starkem Insult einhergehende,
rasch letal verlaufende Apoplexien, welche klinisch für unser Interesse nicht
zu verwerthen sind. Es bleiben daher die Fälle übrig, in welchen es sich
um kleinere cirkumskripte Blutungen handelt, die im Bereich oder in der
Nähe des Oculomotorius aufgetreten sind, also im Mittelhirn und speziell
in der Hirnschenkelgegend. In dem Anastomosenreichthum der Gefässe in
diesen Regionen, auf welchen Shimamura besonders aufmerksam gemacht
hat, liegt wohl der Grund des relativ so seltenen Vorkommens von grösseren
Blutungen.
Aus unserer Zusammenstellung ergiebt sich, dass cirkumskripte Blu-
tungen am häufigsten im Hirnschenkel vorkommen. In zweiter Linie ist
die Oculomotoriuskernregion, in dritter Linie die Hirnschenkel-
haube zu nennen. Wenn auch der Pons in Bezug auf die Häufigkeit der Hämor-
rhagien überhaupt vielleicht vor den Himschenkeln rangirt, so kommt er doch
bezüglich des Vorkommens der Ptosis erst nach den erwähnten Hirnprovinzen.
55 1 74. Dass diflferentialdiagnostisch der Ptosis eine ganz ausserordentliche
Bedeutung bei einer Hämorrhagie zukommt, geht eigentlich ohne weiteres aus
dem ganzen Kapitel hervor. Bildet sie doch als markantes Symptom einer vor-
handenen OeulomotoriusaflFektion das Merkzeichen für eine im Mittelhim sich
abspielende Störung. Die Wichtigkeit der Ptosis tritt aber, worauf bisher
nicht genug hingewiesen worden ist, besonders aus ihrem isolirten Vor-
kommen hervor. Im Falle Bennet hätte man ohne die vorhandene Ptosis
viel eher eine Hämorrhagie in dem hinteren Abschnitt der inneren Kapsel
erwartet. Die rechtsseitige Ptosis bei einer linksseitigen Hemiplegie wies als
Syndrome de Weber auf den Hirnschenkel hin.
Ganz besonders lehrreich ist auch der Fall Rickards, in welchem eben-
falls die isolirte doppelseitige Ptosis auf die Hirnschenkelgegend hindeutet,
Wilbrand-8a«ng«r, K«iirologie <!•• AngM. I. Bd. II. Abtheiluog. 25
372 Die Ptosis bei den Gehirnhämorrbagien.
wenn auch zugegeben werden muss, dass die richtige Diagnose eines sokhto
Falles in vivo wegen der Möglichkeit einer supranukleären und kortikalen
Ptosis recht schwierig ist; war doch im Fall Andral die kortikale Ptosis
gleichfalls doppelseitig aufgetreten.
7. Die Ptosis bei der Gehirnerweichung.
Eine Gehirnerweichung ist entweder die Folge einer traumatisch
bedingten Zertrümmerung von Gehirnsubstanz, oder durch mangelhafte arterielle
Blutzufuhr hervorgerufen, die entweder durch Embolie, Thrombose oder
Endart er iitis obliterans verursacht worden war.
S 175. Die erabolische Himerweichung kommt in jedem Alter und bei
beiden Geschlechtern vor und zwar überwiegend in Folge von endokarditiscben
Prozessen. Da nun die Endokarditis meistens beim Gelenkrheumatismus und
im Anschluss an akute Infektionskrankheiten (Scharlach etc.) entsteht, so ist
das Auftreten der Embolien im Kindes- und mittleren Alter ohne weiteres
einleuchtend.
Die Embolie bevorzugt die linke Himhälfte und hier speziell die Ärt«ria
fossae Sylvii, weil dieselbe die gerade Fortsetzung der Carotis bildet.
Die klinischen Folgen der Embolie der Arteria fossae Sylvii sind je
nach dem Ort und dem Grade der Verstopfung ausserordentlich verschieden.
Sitzt der Embolus am Anfang dieser Arterie, so tritt meist unter Bewusst-
seinsverlust eine komplete Hemiplegie mit Dysarthrie oder Aphasie und Deviation
conjugee nach dem Herde hin ein. Anders sind die klinischen Symptome bei
Verstopfung von kleineren Zweigen der Sylvischen Arterie. Obwohl hier nicht
nälier darauf eingegangen werden kann, so sei doch hervorgehoben, dass man
in den Lehr- und Handbüchern, z. B. in dem von Monakow nirgends angegeben
findet, dass bei Embolie der Arteria fossae Sylvii der Oculomotorius
affizirt erscheinen kann. Und doch hat Huguenin (744) einen Fall von
Embolie der Arteria fossae Sylvii i)ublizirt, der während des Lebens eine
doppelseitige, unvollkommene Ptosis, abgesehen von einer linksseitigen Hemi-
parese, dargeboten hatte.
Drodza (745) hat zwei Fälle von Embolie der Arteria fossae Sylvii be-
obachtet, in denen eine einseitige Ptosis gefunden wurde. Aus den Sektions-
protokollen und Untersuchungen geht jedoch nicht hervor, ob es sich um
eine kortikale, supranucleäre oder anders lokalisirte Ptosis gehandelt habe.
Bei der sehr viel selteneren Embolie der Arteria cerebralis posterior
werden nach Monakow der hintere und innere Thalamusabschnitt, die beiden
Corpora geniculata, der laterale Theil des Pedunqulus und die medialen
Hinterliaupts- und Schläfenwindungen von der Cirkulation abgesperrt, was
als wichtigstes Symptom eine homonyme bilaterale Hemianopsie zur
Folge hat. Da. wie erwähnt, der Peduncukis von der Erweichung mitbetroffen
sein kann, so ist eine Betheiligung des Oeulomotorius bei den klinischen
Die Ptosis bei der Gehirnerweichung. 373
Aeusserungen der in Rede stehenden embolischen Erweichung sehr wahrschein-
lich, wenn auch vielleicht nur als indirektes Herdsymptom.
Kahler und Pick (746) haben einen sehr interessanten Fall publi-
zirt, bei dem embolische Erweichungsherde post mortem gefunden wurden.
Der eine hatte seinen Sitz im rechten Linsenkern und der andere, früher
entstandene, in der rechten Ponshälfte und im Himschenkelfuss. Letzterer
interessirt uns wegen der partiellen Ausfallserscheinungen von selten des
rechten Oculomotorius.
Es bestand rechts eine inkomplete Ptosis; eine völlige Internuslähmong , die Auf-
ond Abwärtsbewegung des rechten Bulbus war beschränkt; die Binnenmuskalatur, Abducens
nnd Trocblearis waren freigeblieben.
Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass der Oculomotoriuskern normal war,
dass dagegen im Pedunculus cerebri der Erweicbungsherd die innere Hälfte der am meisten
nach hinten und innen aus dem Kein austretenden Wurzelfasem unterbrochen hatte, woraus
die beiden Autoren den Schluss zogen, dass diese Wurzelfasem vorzüglich dem Rectus
intemus angehörten.
Von Peltzer (747) wurde eine Embolie der Arteria basilaris durch ein
septisches Gerinnsel beobachtet, welche symmetrisch belegene Erweichungsherde
im Thalamus opticus und in den Vierhügeln bedingt hatte.
Die klinischen Symptome bestanden darin, dass der 60 jährige Manu plötzlich
unter den Erscheinungen eines Schlaganfalls vollständig erblindete. Es bestand bei mas-
siger Miosis eine aufgehobene Pupillenreaktion. Der ophthalmoscopische Befund war negativ.
Bemerkenswerth ist, dass Patient nicht im Stande war nach einer Richtung hin zu blicken,
da die Augen konstant hin und her oscillirten.
Die Litteraturausbeute der mit Oculomotoriusläsion einhergehenden
embolischen Erweichungen, bei denen ein Sektionsbefund erhoben werden
konnte, ist wie ersichtlich, recht gering. Von A 1 1 e n S t a rr (748), von Bouveret
und Cur tili et (749) wurden einige Beobachtungen publizirt, bei denen diese
Autoren auf Grund vorhandenen Herzfehlers die Diagnose auf embolische
Prozesse in den die Oculomotoriusregion versorgenden Gefässen gestellt hatten ;
jedoch fehlt der beweisende Sektionsbefund.
Dass Embolien in die Arteria cerebralis posterior selten sind, geht schon
aus der Ueberlegung hervor, dass aus der (>arotis, wegen der Enge der
Communicans posterior, Gerinnsel grosseren Kalibers gar nicht in die Arteria
cerebralis posterior gelangen. Es wäre dies nur bei ganz kleinen Pfropfen möglich.
Bei den ebenfalls seltenen Embolien der Basilararterie kommen häufig
Krämpfe, Deviation conjugee der Augen und Augenmuskelstörungen vor; wenn
der untere Theil der Basilaris verstopft ist, treten bulbäre Symptome in die
Erscheinung.
Ein etwas unsicherer Fall von embolischer Himerweichung mit Ptosis
wurde von d'Astros (750) beschrieben.
Dieser Autor sah einen 26jährigen Mann, der seit 10 Tagen mit rechtsseitiger Hemi-
plegie (inkl. Facialis) und dysarthrischen Störungen erkrankt war. Es trat leichter Strahis-
muB divergens, linksseitige Ptosis, Parese des linken Internus, linksseitige Miosis
and Papillenstarre auf. An der Herzspitze war ein systolisches Geräusch nachweishar. Nach
dreimonath'cher Krankheit Exitus. Die Sektion ergab komplete Thrombose der Arteria
25*
371 Die Ptosis bei der Gehirnerweichuiig.
cerebelli superior sinistra ein wenig nach ihrem Abgang aus der Baaflaris mi
zwar da, wo sie um die Himschenkel herumgeht. Ferner fund sich eine Thrombose der
linken Arteria cerebralis anterior. Uns interessirt hauptsächlich die Erweichan^
des linken Himschenkels ; dieselbe erstreckte sich vom Uimschenkelfuss durch die
Substantla nigra in die Haube. Im Pens fanden sich geringe VerftnderangeD. Ausserdem
waren Erweichungen der ganzen linken Balkenwindung und beinahe der ganzen linka
Kleinhirnhemisphäre vorhanden.
d'Astros gesteht selbst zu, dass die Sektion keine sichere Quelle der
Embolien ergeben habe. Vielleicht wäre dieselbe in einer Anomalie der
Aortenklappen zu suchen, die ihrerseits die Bildung von Gerinnseln begün-
stigt hätte.
§ 176. Die häufigste Ursache der Encephalomalacie ist in der T hrombose
derHirnarterien gegeben, die entweder auf einer Arteriosklerose der Gehira-
gefässe, oder auf Schädigung der Blutelemente (Chlorose, Leukämie, Gravidität,
Infektionskrankheiten ) beruht. Ersteres Moment legt nahe, dass diese Art der
Hirnerweichung eine echte Alterskrankheit darstellt, die absolut viel häufiger
vorkommt, als die so häufig diagnostizirte Gehimhämorrhagie. Von 60 Fällen
von Encephalomalacie beobachtete Labor de keinen unter 60 Jahren. Wem
auch bekannt ist, dass die Arterienthrombose, im Gegensatze zur Embolie, sidi
in Folge der schichtweisen Anlagerung des Gerinnsels an die Gefasswand
durch langsameren Beginn auszeichnet, so sei doch hervorgehoben, dass es auch
Fälle von Thrombose mit stürmischem, raschem Beginne giebt. So in dem
folgenden uns wegen der Ptosis interessirenden Falle:
May er (751) beobachtete auf der Abtheilung von B ernutz eine 67jfihrige Fraa.
die plötzlich eine rechtsseitige Hemiplegie und linksseitige Ptosis acqairirt hatte. Die
rechtsseitigen gelähmten Extremitäten waren ziemlich stark ödematös. Der Mundfacialis
war ebenfalls paretisch. Die Zunge wich nach rechts ab. Ausser der Ptosis links
bestand ^Strabismus diverg. o. s. Mydriasis und Unbeweglichkeit der Papile. Nadi Tier
Wochen Exitus. Bei der Sektion fand sich im linken Pedunculus cerebri, entsprechend der
Einilochtung des Oculomotorius und unterhalb der Substantia nigra, wo die SchnittfUfbe
etwas körnig und die Konsistenz etwas vermindert erdchien, ein Erweichungsherd. Bei
der mikroskopischen Untersuchung fanden sich zahlreiche Körnchen kugeln. Dieser kleine
Erweich ungsherd sass gerade au der Austrittsstelle des Oculomotorius aus dem HimschenkeL
Kon (752) publizirte einen Fall von akuter apoplektiformer Bulbär-
paralyse mit rechtsseitiger Ptosis und Erweiterung der rechten Pupille:
bei welchem sich bei der Autopsie ein Thrombus in der Arteria basilaris
fand, der sich in beide Vertebralarterien 1 — P/j« cm weit fortsetzte.
Schrader (753) beobachtete auf der Hitzig'schen Klinik in Halle eine Fraa, die
mehrfach psychisch gestört gewesen war Am 22. März 1880 bekam sie plötzlich eiaei
heftigen Schwindelanfall. Ohne Bewusstseinsverlust trat eine rechtsseitige typische Hemi-
parese mit Sensibilitätsstörung auf der ganzen Körperhälfto auf; zugleich zeigte sich am
linken Auge Ptosis, Mydriasis und Pupillenstan*e. Wfihrend der ganzen Dauer derHemi-
pareso bestanden erhebliche Temperaturdifferenzen zwischen beiden Körperh&lften. Am
7. November wurde Opticusatrophie rechteraeits konstatirt. Die linksseitige Oculomotoniu-
pareso die ausgedehnter gewesen war, hatte sich, bis auf die Ptosis und Mjdriaw»
wieder zurückgebildet. 29. April 1881 Tod durch Pneumonie.
Aus dem Sektionsbericht interessirt uns besonders ein graubräonlicher Erweichuigf-
herd im linken Hirnschenkcl . der fast durch die ganze Höhe des Pedunculus hindsreli
Die Ptosis bei der Gebirnerweichang. 375
jedenfalls bis dicht an die Basis des HirDschenkelfusses reicbte, su dass nur noch etwa
eine 1 mm starke intakte Substanz nach dieser Richtung übrig blieb.
Die Gefässe an der Basis zeigten atheromatöse Veränderungen. Der
Hauptstamm der linken Arteria fossae Sylvii war durch einen alten
Thrombus verstopft.
Eine langsame, Jahre lang dauernde Entwickelung mit plötzlichem, oft
apoplektiformem Beginne sehen wir in den folgenden Beobachtungen, denen
wir den Rossolimo'schen Fall (754) voranstellen.
Ein 48jähriger niemals luetisch iniizirter Diener litt in seinem 25. Jahre an linksseitiger
Migräne, die schliesslich mit Krampfanfällen und Bewusstseinsverlust auftrat. (Patient
hatte viel Alkohol getrunken.) In den letzten Jahren litt er nur an linksseitigen Kopf-
schmerzen; hie und da mit Erbrechen. Am 6. Januar 1895 bekam er unter sehr heftigen
Kopfsehmerzen einen Schwindelan fall mit Bewusstseinsverlust. Als er wieder zu sich kam,
sali er doppelt. Die Untersuchung ergab Lähmung des Rectus interior und Rectus superior,
Parese des Obliquus inferior und des Levator palpebrae auf der linken Seite. Rechts
bestand Abducensparese und geringe Schwäche des Rectus superior und Obliquus inferior.
Ferner fand sich Reaktionslosigkeit beider Pupillen mit Pupillendifferenz und Herabsetzung
der Accommodation beiderseits. Endlich wurde noch eine rechtsseitige Hemianopsie
diagnostizirt.
Die Ptosis ging wieder nach einigen Tagen zurück; dauernd ^lieb eine Lähmung
des M. rectus inferior, Parese des Rectus superior sinister, Obliquus inferior sinister und
miTerfinderter Zustand der Accommodation und der Papillen.
Bei der Sektion fanden sich mehrere Erweichungsherde. Uns interessirt die Encephalo-
malscie, die sowohl die Hemianopsie, wie die Augenmuskellähmungen bewirkt hatte. Die-
selbe zerfiel in drei Theile: 1. einen Herd im Pulvinar, 2. einen langen Herd längs dem
ganzen Oculomotoriuskerne und 3. einen kleinen Herd im Bereich der intrapedunkulären
Bfindel des linken Nervus ocnlomotorius.
Nach Rossolimo unterliegt es keinem Zweifel, dass diese drei Bestand-
theile des Gesammtherdes als Folge der Verstopfung dreier Aestchen der
Cerebralis posterior anzusehen sind: Der Arteria peduncularis interior, Arteria
nuclei oculomotorii und Arteria optica interior posterior. Die Arteria
pedunculo gemina blieb frei, da sie keine Endarterie ist und zahlreiche
Anastomosen hat.
Kahler und Pick (755) berichten von einer 58jährigen Taglöhnerin, die seit drei
Jahren an Stirn- und Hinterhauptskopfschmerz gelitten hatte. Dieselbe bekam, nachdem
sie einen Monat vorher eine vorübergehende Schwäche der linksseitigen Extremität inkl.
Facialis gehabt hatte, ganz plötzlich einen apoplektiformen Anfall ohne Bewusstseinsverlust.
Man konstatirte eine komplete linksseitige Lähmung inkl. des Facialis und eine unvoll-
ständige Oculomotoriuslähmung rechts; das rechte Oberlid, der Rectus superior, inferior
und Obliquus inferior waren komplet gelähmt; der Rectus internus paretisch. Die Pupille
war normal. Die linksseitigen Sehnenreflexe gesteigert. Es bestanden links Kontrakturen
Tod durch Lungengangrän.
Die Basilararterie war rigide. Die linkeV ertebralis geschlängelt. Die
linke Arteria cerebralis posterior war in einen starren Kanal umgewandelt,
die rechte Arteria cerebralis posterior durch mehrere Gerinnsel verstopft. Der
rechte Himschenkel erschien geschwollen, fluktuirend und gelblich verfärbt. Die Erweichung
betraf speziell den Himschenkelfuss. Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich
rechts vom Aquaeductus Sylvii zwei kleine Erweichungsherde. Ein dritter befand sich in
der Mitte zwischen Aquaeductus Sylvii und Basis cerebri. An einer Stelle waren die
376 Die Ptosis bei der Gehirn erweichuDg.
Oculomotorius wurzelfasern und zwar derselben Seite und zum grösseren Theil nu &
hinteren äusseren Wurzelbündel betroffen.
Gubler (756) beobachtete bei einem 60jähiigen Musiker, der V« J«hr vorher mm
linksseitige rasch wieder vorübergegangene Hemiplegie hatte, dass ohne Be w ussteeing? erim
plötzlich eine motorische Lähmung der linksseitigen Extremitäten mit etwas SenaibQitiU-
abstumpfung eingetreten war. Der ganze linke Facialis (Lagophthalmus) vrar mitgeltiunt
und die Zunge wich nach links ab. Rechts bestand vollständige Ptosis und Tiäbmimg
aller Oculomotoriuszweige. Strabism. diverg. Pupille erweitert und unbeweglich. Diplopie.
Bei der Autopsie fand sich der rechte Oculomotoiius halb so dick wie der linke. Der
rechte Hirnschenkel war abgeplattet, erweicht und fluktnirend. Auf den
Durchschnitt zeigte er sich in einen Brei vei-wandelt. Der anliegende Theil des 8ehhfi|seli
war noch mitergriffen. Im Schläfen- und Hinterhauptslappen fand sich je ein haaebo»
grosser £rweichungsherd. Die Arterien an der Basis waren atheromatiis.
Eine für die Arterienthrombose charakteristische allmähliche Ent-
Wickelung der Gehirnerscheinungen sehen wir in den folgenden, uns wegen
der dabei beobachteten Ptosis wichtigen Fällen.
Oyon (757) sah eine 78jäbrige Frau mit linksseitiger Hemiparese, die am folgendci
Tage vollständig wurde, und als neue Erscheinung eine rechtsseitige OcuIomotoriuaUbniBBg
ohne Befallensoin der Biunenmuskeln darhot; ja die rechte Pupille war sogar enger als
die linke.
Bei der Autopsie fand sich im rechten Hirnschenkel ein haselnussgrosser rother
Erweich ungshcrd von unregchnässiger Gestalt, der den Thalamus berührte. Der NerTOb
oculomotorius erwies sich hei der mikroskopischen Untersuchung nur als partiell
erkrankt ; die medialen Wiirzolfasem waren unverändert geblieben, was das Intaktsein der
Binnenmuskeln erklären dürfte.
Luton (758) beobachtete eine inkomplete Lähmung der linken Seite mit etwu
Gefühlsverminderung bei einem Patienten, der ein halbes Jahr vorher eine vorübergehende
linksseitige Hemiplegie durchgomacht hatte Mundwinkel und Zunge wichen nach liab
ah. Das linke Auge konnte nicht geschlossen werden, während das rechte nicht
geöffnet werden konnte. Der rechte Bulbus war ausser nach aussen und aosseo
unten nach jeder Richtung hin unbeweglich. Die rechte Pupille war erweitert und oobe
weglich. Ks bestand Doppeltsehen. Nach fünf Monaten Exitus.
Bei der Sektion erschien der rechte Oculomotorius atrophisch und um die
Hälfte dünner als der linke.
Der rechte Hirnschenkel war in Folge einer Erweichung abgeplattet und nicht m
rund wie der linke. Der schlecht begrenzte Erweichungsherd nahm die ganze H5he und
Dicke des Peduncuhis ein und griif sogar über in die benachbarte Partie des Thaiamos
opticus.
In der Hemisphäre fanden sich noch zwei kleine Erweichungsherde. Ausserdem vir
etwas Hydrops der Ventrikel und Atherom der basalen Gefässe vorhanden.
Marotte (759) berichtet von einer 38jäbrigen Frau, dass dieselbe mit Kopfschmen
und Schwindel erkrankt sei und hierauf eine rechtsseitige motorische und sensible Extremi-
tätenlähmung inkl. Facialis mit linksseitiger Oculomotoriusparalyse acquirirt habe
Die Sektion der nach acht Tagen gestorbenen Frau ergab eine Erweichung des linken
Pedunculus cerebri, die nach vorne bis in den Thalamus, nach hinten bis in den Pons
reichte. Der Stamm des Nerven war durch den gleichzeitig geschwelltei
Hirnschenkel komprimirt.
Sachs (760) konstatirte post mortem eine Erweichung des rechten HimscheBkels
und Atrophie des rechten Oculomotorius bei einer 57jährigen Frau, die eine linksseitige
Hemiplegie mit Ataxie, gesteigerten Patellarreflex und rechtsseitige Oculomotonnslfthmoog
in vivo dargeboten hatte.
Die Ptosis bei der Gehirnerweichung. 377
Fiedler (761) beobachtete einen 28jährigen Mann mit akuter Insnffieienz und
Albuminurie, bei welchem zuerst Lähmung des rechten und dann des linken Oculomotorius
aufgetreten war. Die Autopsie ergab ausser einer frischen Blutung zwischen Dura und
Pia an der Basis einen haselnussgrossen, graurothen Erweichungsherd an Stelle der Vier-
hfigel, welcher nach unten bis etwa 2 mm unter das Niveau des Aquaeductus Sylvii reichte.
Als Ursache der Oculomotoriuslähmung nahm Fiedler eine doppelseitige Erweichung der
Ocalomotoriuskerne an.
§ 177. Wie wir eingangs dieses Kapitels schon erwähnt hatten, ist eine
der in Betracht kommenden häufigen Ursachen der durch Arterienverstopfung
bedingten Hirnerweichung die Endarteriitis obliterans auf syphilitischer Basis.
Diese ungemein wichtige Gefässveränderung kommt meistens bei der erworbenen
Lues vor und tritt mit Vorliebe zwischen dem 30. und 40. Jahre auf.
Neumann (762), Kahler (763), Jolly (764), Pick (765), Brasch (766),
Saenger (699), Lydston (767), Mendel (768), Juschtzenko (769),
Mingazzini (770) u. A. haben indessen auch in der Frühperiode der Syphilis
Hinarterienerkrankungen auftreten sehen und dieselben beschrieben. Auf die
differential-diagnostischen Momente zwischen Hämorrhagie, Emboli e, Throm-
bose und Endarteriitis obliterans werden wir noch am Schlüsse zu sprechen
kommen.
Im Kapitel „Ptosis bei Syphilis" wurden die Erweichungen in
Folge von luetischer Gefässerkrankung besprochen und die einschlägigen Fälle
von Alexander (613), Bristowe (614), Hughlings -Jackson (604),
Leyden (615), Oppenheim (624), Zimmermann (618) referirt. Wir sehen
daher hier von einer Wiederholung des Gesagten ab und weisen nur als besonders
bemerkenswerth auf unsere Beobachtung (Fall Gregersen pag. 330) hin,
in welcher wir ausser der Erweichung in der rechten Ponshälfte, eine cirkum-
skript entzündliche Aflfektion in der Gegend desrothen Kerns konstatiren konnten.
Dieselbe hatte die Oculomotoriuswurzeln ergriffen und war somit die Ursache
der Lähmung dieses Nerven.
S 178. Was mm das Vorkommen der Ptosis bei denjenigen Hirn-
erweichungen betrifft, welche mit Augenmuskellähmungen einhergehen, so er-
gibt sich dasselbe unmittelbar aus der kurzen Zusammenstellung der von uns
angeführten Fälle:
1. Huguenin (pag. 372) doppelseitige inkomplete Ptosis (isolirt);
2. Drodza (pag. 372) einseitige Ptosis (isolirt);
3. Drodza (pag. 372) einseitige Ptosis (isolirt);
4. Kahler und Pick (pag. 373) rechtsseitig inkomplete Ptosis und Internus-
lähmung.
5. d'Astros (pag. 373) linksseitige Ptosis, Pupillenstarre und Miosis.
6. Mayor (pag. 374) linksseitige Ptosis, Mydriasis.
7. Ron (pag. 374) rechtsseitige Ptosis, Pupillenerweiterung.
8. Schrader (pag. 374) linksseitige Ptosis, Mydriasis.
9. Rossolimo (pag. 375) linksseitige Ptosis, doppelseitige Augenmuskel-
läbmungen.
378 Die Ptosis bei der Gehirnerweichung.
10. Kall 1er und Pick (pag. 375) rechtsseitige Ptosis und andere Aq|^
muskellähmimgeD.
11. Gubler (pag. 376) rechtsseitige Ptosis und andere Angenmnsk^
lähraungen.
12. Oyon (pag. 376) rechtsseitige Ptosis und andere
lähmungen.
13. Luton (pag. 376) rechtsseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
14. Marotte (pag. 376) linksseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
15. Sachs (pag. 376) rechtsseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
16. Alexander (pag. 329) rechtsseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
17. Bristowe (pag. 329) rechtsseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
18. Hughlings- Jackson (pag. 329) rechtsseitige Ptosis und andere
Aupenmuskellähmungen.
19. Leyden (pag. 329) linksseitige Ptosis und andere Augenmuskel-
lähmungen.
20. Oppenheim (pag. 329) rechtsseitige, leichte Ptosis.
21. Zimmermann (pag. 329) linksseitige Ptosis.
22. Unser Fall Gregersen (pag. 329) isolirte, rechtsseitige Ptosis.
23. Fall Peltzer (pag. 373) keine Ptosis.
24. Fiedler (pag. 377) doppelseitige Ptosis.
Den Fall Allen Starr und Bouveret et Curtillet haben wir zur
Statistik nicht verwerthet. Demnach fand sich unter 24 Fällen 23mal eine
Ptosis. 6 mal kam dieselbe isoHrt vor, 12 mal rechtsseitig, 7 mal links-
seitig. In 2 Fällen war die Seite nicht angegeben. Es fand sich 2 mal ein
doppelseitiges Auftreten einer Levatorlähmung (Huguenin, Fiedler). Aus
diesem Resume ist wiederum ersichtlich, welch' bevorzugte Stellimg unter
den Augenmuskellähmungen die Ptosis auch bei den Hirn-Erweichungen
einnimmt, und welch hohe differentialdiagnostische Bedeutung derselben da-
her beizumessen ist. Wir brauchen darum nicht noch einmal hervorzuheben,
warum bei einer Hemiplegie die auf der entgegengesetzten Seite aufgetretene
Ptosis sofort auf die Hirnschenkelgegend, als den Sitz der Läsien hinweist
(siehe pag. 359). Häutiger noch, als bei den Hämorrhagien finden wir hier nämlich
ein isolirtes Vorkommen derselben.
S 179. Was nun die Art der Ptosis anbetrifft, so haben nvir es in der
überwiegenden Mehrzahl der P'älle mit einer fascikulären Ptosis in Folge
von Pedunculuserweichungen zu thun, die klinisch als das bekannte Syndrome
de Weber in die Erscheinung treten. Bei einigen Fällen und zumal bei solchen,
bei welchen die Erweichung sich bis in die Hirnschenkelhaube und zwar bis
Die Ptosis bei der Gehirnerweichung. 379
nach dem Thalamus erstreckt hatte (Luton, Marotte, Gubler), war viel-
leicht eine nucleäre und supranucleäre Ptosis zu statuiren.
Sicher nucleär war die Ptosis mitbedingt in dem ausgezeichnet unter-
suchten Falle von Rossolimo. Hier hatte ein länglicher Erweichungsherd
den ganzen Oculomotoriuskem zerstört, gleich wie in der Beobachtung von
Fiedler.
Einen Fall von kortikaler und rein peripherer Ptosis haben
wir in der uns zugänglichen Litteratur nicht auffinden können. Hervorheben
möchten wir noch, dass eine rein peripher bedingte Ptosis bei Erweich-
ungen wohl nur so zu Stande kommen kann, dass die durch die frische Er-
weichung im unteren Theile des Schläfenlappens bedingte Volumszunahme des-
selben (W ernicke) einen Druck auf den benachbarten Oculomotoriusstamm
ausgeübt haben möchte, ähnlich wie man es bei Abscessen im Schläfenlappen
sieht. Wir werden darauf später noch genauer zurückkommen. Dass ein
Erweichungsherd im Himschenkel auch den peripheren Oculomotorius durch
Kompression affiziren kann, sehen wir im Falle Marotte (pag. 376).
§ 180. Was nun die Diflferentialdiagnose zwischen Hämorrhagie,
'Emboli e oder Thrombose betrifft, so ist dieselbe durchaus nicht immer
mit Sicherheit zu stellen.
Die Plötzlichkeit des Eintritts kommt, wie aus den Krankengeschichten
zur Genüge hervorgeht, bei allen drei Affektionen vor. Bekanntlich liegt in
der Zeit des Auftretens ein Unterscheidungsmoment, wenn auch von etwas
vager Bedeutung, indem die Embolie, wie schon erwähnt, im jugendlichen, die
Hämorrhagie im vorgerückteren (nach dem 40. Jahr), die Thrombose im höheren
Alter (ausser wenn Lues vorliegt) aufzutreten pflegt.
Bei einem vorhandenen Herzfehler ist natürlich eine Embolie das nahe-
liegendste; jedoch kommen bei Vitium cordis auch Miliaraneurysmen der
Himgefasse vor, die ihrerseits wieder zur Hirnhämorrhagie Veranlassung
geben. Andererseits kann es sich bei atheromatöser Herzerkrankung auch
um Thrombose in den Himgefässen handeln.
Bei vorhandener Nierenaffektion mit linksseitiger Herzhypertrophie ist
die Hirnhämorrhagie bei weitem wahrscheinlicher, die sich auch durch ein
längeres und tieferes Koma auszeichnet, als die Encephalomalacie ; während
wiederholte apoplektische Attacken auf letztere hindeuten, bei der auch häufig
ein beim Insult auftretender Bewusstseinsverlust vermisst wird.
Arterienthrombose kann unter Umständen wegen der mit ihr verbundenen
allgemeinen cerebralen Störungen einerseits mit einem Hirntumor, anderer-
seits mit Neurasthenie und Hysterie verwechselt werden. Bei der Encephalo-
malacie fehlen die Zeichen des gesteigerten Hirndrucks (die Stauungspapille
etc.), welcher meist bei Tumoren vorhanden ist, und die den Neurastheni-
schen eigene scharfe Selbstbeobachtung, femer die für die Hysterie so
prägnanten Stigmata.
HinsiditHch der difl'erentialdiagnostischen Bedeutung der Ptosis dürfte
das Vorhandensein derselben bei einer gekreuzten Hemiplegie zu Gunsten
3S0 Die Ptosis beim Gehirnabscess.
einer bestehenden Hämorrhagie oder Thrombose und zu Ungunsten einer Embob
sprechen, da die Embolien in die Arteria basilaris und Arteria cerebnüs
posterior ungemein selten auftreten, und die wenigen bei Embolie beobachtetfli
mit Ptosis einhergehenden Fälle (Huguenin, Drodza, Kahler imj
Pick und d'Astros) recht schwer in Bezug auf die Lev atorlähmung
zu deuten sind.
8. Die Ptosis beim Gehirnabscess.
§ 181. In den letzten beiden Decennien ist in der Lehre des Himabscesses
nach zwei Richtungen hin ein grosser Fortschritt zu verzeichnen. Einmal hat man
die nichteiterige Encephalitis von der eiterigen jetzt schärfer getrennt, anderer-
seits ist durch die moderne oft so erfolgreiche Behandlung des Himabscesses
letzterer selbst der Gegenstand erneuter Untersuchungen geworden. Es sei
hier nur auf die bekannten, vorzüglichen Monographien Macewen's imd
Körner's hingewiesen.
Bekanntlich ist der Hirnabscess meistens die Folge des Eindringens pyo"
gener Mikroorganismen ins Gehirn, die entweder von Verletzungen oder Ton
otitischen Prozessen mit Caries des Felsenbeins herstammen. Viel seltener
entsteht die purulente Encephalitis aus der Erkrankung anderer Scbädel-
knochen: aus tuberkulösen, syphilitischen Prozessen, oder eiterig zerfaUenden
Tumoren der knöchernen Bestandtheile des Kopfes.
Indem wir noch kurz auf die infektiösen Erkrankungen der Nase und
ihrer Nebenhöhlen, auf die Orbitalphlegmonen, den Karbunkel und das
Gesichtserysipel als ev. Quelle eines Himabscesses hinweisen, gedenken wir
auch noch der entfernter liegenden Eiterungen in den Lungen (putride Bron-
chitis), in den Extremitäten (Phlegmonen), der Pyämie und der akuten In-
fektionskrankheiten (Scarlatina, Angina) als ursächlichen Moments und lassen
es dahingestellt, ob es einen primären Hirnabscess giebt.
Was nun den Sitz der Hirnabscesse betrifft, so ist derselbe von der m
Grunde liegenden Ursache abhängig. Die traumatischen Hirnabscesse befinden
sich meist, jedoch nicht immer in der Nähe der Verletzung. Die otitischen sitzen
meist im Schläfenlappen oder im Kleinhirn. Sehr selten finden sie sich im
Pons, in der Med. oblong, und im Pedunculus cerebri.
Während nun die Abscesse in anderen Gehimregionen für die Lerator-
lähmung wenig von Bedeutung sind, ist ihr Sitz im Schläfenlappen für das Zu-
standekommen von Ptosis ganz besonders hervorzuheben, und es verleimt
sich, den in der Litteratur vorhandenen Fällen nach dieser Richtung hin
etwas näher zu treten. So beobachtete
1. Kretschmann (771) einen etwa 30 jährigen Mann, welcher an chronischem recktB-
seiti^em Ohrcnausfluss litt. Vuier Fieber und Deliiien entwickelten sich Schmerzen in
rechten Ohr und in der betreffenden Kopfhälfte, dabei wurde Pulsverlangsaroung (54), beider-
seitige Stauungspapille, weite, träge reagirende Pupillen und eine rechtsseitige Ptosis
Die Ptusis beim Gehirnabscess. «%1
Iconstäiirt. Die Operation ergab, dass es sich um einen Abscess im rechten 8i*hläfenlappen
handelte. Derselbe wurde geöffnet, und es trat allmählich vollkommene Heilung ein.
2. Wegeier (772) sah bei einem 18jährigen Mädchen, welches seit Jahresfrist an
rechtsseitigen Ohrschmerzen, eiterigem Ausfluss aus dem rechten Geh örgange und später an
einer vor dem Tragus befindlichen Fistel gelitten hatte unter Stirnkopfschmerzen : Erbrechen
und Apathie eintreten. Der Puls war verlangsamt. Temperatur zwischen 36,5 und 37,5.
Rechts bestand eine Ptosis; Parese des Rectus sup. und Rect. inter. Die rechte Pupille
war erweitert und reaktionslos. Beiderseits bestand Neuritis opt., nach mehreren operativen
Eingriffen trat nach einigen Tagen der Exitus ein. Bei der Autopsie fand sich der rechte
Schläfen läppen in einen schmierigen, gelbröthlich sulzigen Brei verwandelt. Die Erweichung
erstreckte sich bis an die Corpora quadrigemina.
3. Greenfield (773) beobachtete einen 26jährigen Mann, der eine chronische links-
seitige Ohreiterung hatte. Derselbe wurde in den letzten 14 Tagen sehr matt, schwerfällig
und klagte Über Kopfschmerzen. Bei der Aufnahme hatte der abgemagerte Mann normale
Temperatur, einen Puls von 68 und war benommen. Die linke Pupille erschien erweitert.
Es bestand eine deutliche linksseitige Neuritis opt. und linksseitige Ptosis. In der
Schlafengegend wurde über dem Jochbogen eine Trepanation angelegt. Bei der Incision
entleerte sich stinkender Eiter aus dem Schläfenlappen. Der Patient wurde geheilt.
4. Macewen (774) machte eine Trepanation über dem Temporallappen, worauf sich
aus demselben 3 Unzen Eiter entleerten. Die Abscesssymptome bestanden in einer voll-
ständigen Lähmung des gleichseitigen Oculomotorius. Parese des gekreuzten
Facialis und der gekreuzten oberen Extremität, ohne Sensibilitätsstörung. Dieser Fall ging
in Heilung über, während der folgende, ebenfalls von Macewen i774) operirte 5. Fall mit
Ahscess im linken Schläfenlappen tödtlich endete. Aphasie, Lähmung des linken
Oculomotorius, des rechten Armes und der rechten Gesichtshälfte waren die in vivo
heobachteten Herdsymptome.
6. Watson Cheyne (775) trepanierte bei einem 26jährigen Manne über der
linken Schläfengegend, nachdem derselbe nach langer linksseitiger Ohreiterung plötzlich
mit Schmerzen in der Schläfe , Frost , Erbrechen , Delirien und Pulsverlangsamung
erkrankt war. Obwohl sich bei der Incision stinkender Eiter entteeii hatte, trat keine
Besserung, sondern Paraphasie, Paragraphie, rechtsseitige Hemianopsie, beginnende Stauungs-
papiUe, vorübergehende linksseitige Ptosis und rechtsseitige Parese der Extremi-
täten ein.
Beim Wiedereinführen eines Drainrohres wurde zufällig ein zweiter Abscess eröffnet,
worauf Heilung eintrat.
7. Wir beobachteten 1893 folgenden Fall (787). Ein 20jähriges an rechtsseitigem
Ohrenfluss leidendes Mädchen erkrankte mit schweren allgemeinen Cerebralsymptomen. Bei der
Untersuchung wurde eine rechtsseitige Ptosis incompleta, Neuritis opt., Erweiterung und
Reaktionslosigkeit der rechten Pupille konstatirt. Die Diagnose auf Abscess im rechten Schläfen-
lappen erwies sich in Folge der von Herrn Dr. Wiesinger gemachten Trepanation und
Entleerung des Abscesses als zutreffend. Das Mädchen verliess geheilt das Hospital, starb
jedoch nach V« Jahr an einem, wie die Sektion ergab, zweiten in der Nähe des ersten
befindlichen Abscesse, der in die Seitenventrikel durchgebrochen war.
8. Glynn (788) sah beiderseitige Neuritis opt, vorübergehende linksseitige
Ptosis, schwere Beweglichkeit des linken Auges mit Doppeltsehen, linksseitige Miosis,
Atrophia n. opt. in einem Falle, bei welchem die Autopsie einen cirkum Skripten Abscess im
Bereiche des vorderen Theils der ersten Schlaf enwin düng, nach innen und unten bis gegen
die Basis hin reichend, erkennen Hess.
9. Reinhard und Ludewig (789; berichten über eine seit Jahren bestehende doppel-
seitige Ohreiterung bei einem 12jährigen Knaben, die nach beiderseitiger Eröffnung des
Antrum mastoideum und Entfernung des daselbst befindlichen stinkenden Eiters sehr
wesentlich gebessert wurde. Darauf bekam er jedoch durch den Wurf eines Spielkameraden
B82 Die Ptosis beim GehirnabscesB.
mittelst eines Pantoffels eine Wunde über dem rechten Os parietale, welche gen&ht wnrdt
und per primam heilte.
Am 4. Tage nach diesem Trauma stieg die bisher stets normal gebliebene Tempentu
auf 40 ^ und es trat 2 Tage später der erste Schüttelfrost auf. Darauf entwickelten sich
unter pyämischcm Fieber Hirndrucksymptome : doppelseitige Stauungspapille und s«br
heftige Kopf- und Augenschmerzen, besonders an der rechten Seite. Ganz plötzlich trat
dann eine rechtsseitige Ptosis, Mydriasis und Lähmung des Hect. intern, auf. [Vr
Gang war taumelnd, das Sensorium frei. Obwohl ein subduraler Abscess hinter dtm
rechten Ohr eröffnet worden war, blieben die Lähmungserscheioungen des rechten Ocolomo-
torius dieselben. Später entwickelte sich rechts totale Blindheit und links Hemianopsie.
Nach etwa Vh Monaten trat der Exitus ein.
Bei der Sektion fand sich im rechten Schläfenlappen ein gänseeigrosser Abscess mit
grünem, dickem, flockigem Eiter. An der Basis des Gehirns, entsprechend der hintereii
Partie des Abscesses. war die Pia rauh und verdickt Am Chiasma n. opt. zeigte sich der
rechte Nerv auf dem Durchschnitt kleiner, platter und weniger blutreich als der lioke.
Ueber den Oculomotorius ist leider nichts bemerkt.
10. Moos (790) beobachtete bei einem 9jährigen Knaben, der nach den Masern eine
eiteiigo Otitis media bekam, eine cirkum^tkripte Meningitis über dem Felsenbein, und eioe
Abscessbildung im Stirn- und Schläfenlappen. Aus der Krankengeschichte bemerken wir.
dass das linke obere Augenlid gelähmt, und die linke Pupille viel grösser war a)s
die rechte. Die ganze linke Gesichtshälfte erschien schlaffer als die der rechten Seite.
Kurz vor dem Tode verschwand die Ptosis und Mydriasis.
Bei der Sektion erwiesen sich die Nerven an der Gehirnbasis nicht lädirt.
Unter den mitgetheilten 10 Fällen von Abscess im Schlaf enlappen sehen
wir die Ptosis isolirt auftreten in 5 Fällen (Kretschmann, Cireen-
.field, Watson Cheyne (vorübergehend),' Saenger-Wiesinger, Moos
(vorübergehend); wobei dieselbe in 2 Fällen vorübergehend sich eingestellt
hatte. Bei allen diesen Beobachtungen war die gleichseitige Pupille weiter
als auf der anderen Seite, ausser im Falle Kretschmann, bei welchem
die Pupillen auf beiden Seiten weit waren und träge reagirten.
In den übrigen 5 Fällen erschienen noch andere vom Oculomotorius
innervirte Muskeln mitgelähmt.
Im Falle Wege 1er, Rect. sup., Rect. int. und Mydriasis.
Im Falle (ilynn, Schwerbeweglichkeit des linken Auges und Myosis.
Im Falle Reinhard und Lud ewig, Mydriasis, Lähmung des Rect. int.
Im Falle Macewen vollständige Oculomotoriuslähmung.
Im Falle Macewen vollständige Oculomotoriuslähmung.
Diese Zusammenstellung liefert uns das ausserordentlich wichtige Resultat,
dass wir unter Umständen in dem Auftreten einer Ptosis von allen dia-
gnostischen Zweifeln betreffs des fraglichen Sitzes eines üirnabscesses befreit
werden und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Abscess auch in solchen Hirn-
gebieten diagnostiziren können, die sich, wie der rechte Schläfenlappen, nicht
durch direkte Herdsymptome manifestiren.
Auf Grund der mitgetheilten 10 Fälle möchten wir sowohl der Ansicht
WcM'nicke's (776), dass die Nervenstämme der Basis beim Hirnabscesse nie
betheiligt wären, wie der Meinung Koch's (777) entgegentreten, welcher
behauptet: «Das Kerngebiet des Oculomotorius und Abducens sei das
(jrenzgebiet für den Wirkungskreis des Temporal- und des Kleinhimabscesses.
Tafel 1.
CotyuncÜTalBJiflE
O». male
lleetuA int«jftitiH
N. opt i. d, N. d, Atigftpf.
BeetiLH exboriiue
Nerv, opt, Iteim, Eintritt
in die OrbitaLhcihlQ
K^ilbeiokurper
ProcesHaa cUnoid. aut,
C&Fotis tuteriiai
GlaudülA pituJtariA
Austritt dcfl Trigera. a,
d. Pons.
Austr.d. VfLii. VliLN.
halbmondfQrmig CnnSJo
AntrutD Bi&MtoiiL mit
Kuppelray m derP^ukGri-
höhle.
KleinhJmbfttnlipliariQ
Fig. 75.
SchräjTschnitt durch die 3 Sohäde]gruben , von oben gesehen. Vom Frontallappen nor nne
Orbitiilwindungen übrig. Auf der linken Seite sieht man die Verbindang des Antrums mii
Mittolohr, auf der rechton dns absteigende Hörn dw Seiten Ventrikels, sowie die Lage d» N
ocnlomotorius zwischen dein TeinporoMphenoidallappen und dem Processus clinoid. posier.
La«;o der Carotis zum Sinu.s c^vernosuH ist am Schema deutlicher als anf der I^oCngnipli
Nach Macewen, Atlas of Hei
hlg. 76,
ames MacLehose and Sone.
i
Die Ptosis beim Gehirnabscess. 383
Während jedoch ersterer sehr häufig auf den Oculomotorius einwirke und
dort nehen den l'entren für den Sphincter iridis vorzugsweise den nach vorne
gelegenen Kern für den M. levator palpebrae treffe, erreiche letzterer nur
selten noch den Oculomotoriuskern und schädige abgesehen von den höchst
empfindlichen Centren des Sphincters, vorzugsweise die hinteren Kerne einzelner
Augenmuskeln."
Nach unserer Ansicht handelt es sich gar nicht um eine nucleare,
sondern um eine periphere Affektion des Oculomotorius.
Im Hinblick auf die eingehenden Betrachtungen über die isolirte
Ptosis bei der cerebralen Syphilis (pag. 339), halten wir es aus Analogie-
gründen für überflüssig, nochmals zu betonen, dass auch bei peripheren Ocu-
lomotoriusaffektionen klinisch nur ein einziger Muskel gelähmt erscheinen
kann. Da nun im Schläfenlappen die Abscesse mit Vorliebe den unteren
Bezirk einnehmen, so liegt die Erklärung auf der Hand, dass der durch den
Abscess vergrösserte Schläfenlappen auch eine je nach der Grösse und dem
Sitze dieses Abscesses verschiedenartige Kompression auf den seitlich liegenden
Oculomotoriusstamm ausübt.
Macewen (778) ist ebenfalls unserer Ansicht und hebt als beweisend
hervor, dass Gefrierschnitte durch den Kopf die topographischen Beziehungen
des Oculomotorius zum Schläfenlappen veranschaulichen, auf Grund deren
bei entzündlicher Anschwellung dieser Hirnpartie ein Druck auf den erwähnten
Nerven zu Stande kommen kann (siehe Abbild. Fig. 75 u. 76 auf Taf. I/H.)
Körner (779) gelangt auf Grund seiner klinischen Erfahrungen auch
zur Annahme einer peripheren Oculomotoriusaffektion bei dem Schläfen-
lap}>enabscesse, obwohl er sich der Annahme der Neurologen und Ophthalmo-
logen bewusst sei, dass eine partielle Oculomotoriuslähmung nuclearer Natur
sein müsse.
Das Auftreten und Wiederverschwinden der Ptosis, wie im Falle
Watson Cheyne und Moos ist eine Erscheinung, die sich mit wechselnden
Druckverhältnissen sehr leicht in Einklang bringen lässt.
Dass ferner der im Volumen vergrösserte Schläfenlappen eine Komi)ression
auf benachbarte (iebilde ausüben kann, ersehen wir auch aus dem Falle
Sachs (pag. 376), bei dem es in Folge einer hämorrhagischen Cyste im
linken Temporo-sphenoidallappc^n zu einer Kompression des linken Hirnschenkels
gekommen war, ähnlich wie im Falle Marotte (pag. 376) in Folge einer
Erweichung.
Differentiell-diagnostisch interessante Gesichtspunkte ergeben sich, wenn
der Abscess in das Marklager des Schläfenlappens dringt, da sich dann auch
häufig Hemiparese der kontralateralen Seite einstellt; wie in den
beiden oben mitgetheilten Beobachtungen von Macewen und in dem dritten
von Watson Cheyne.
Wir begegnen hier dem von uns bei den Gehimhämorrhagien besprochenen
Syndrome de Weber wieder, das aber in den vorhegenden Fällen nicht auf
einen Herd im Himschenkel, sondern auf Drucksymptome von seiten des
384
Die Ptosis beim Qehimabseess.
Schläfenlappens auf den letzteren oder auf den Oculomotoriusstamm zu be-
ziehen ist. Auf diesen Punkt war unseres Erachtens zu wenig in des Denro-
logischen Lehr- und Handbüchern hingewiesen worden. Darum wollen vir
uns im Hinblicke auf die eine präcise Angabe fordernde Hirnchirurgie, an der
Hand des Macewen'schen Schemas (Fig. 77) etwas eingehender mit dieser
Erscheinung beschäftigen.
6\ a
Fig. 77.
Schematische Zeichnung, welche die Reihenfolge der Lähmungen veranschaulicht, die durch ein«
Abscess im Temporo-sphenoidallappen verursacht werden.
F, Rindenfeld des N. facialis.
A, .\fotorisches Rinden fold für die obere Extremität
L, Motorisches Rindenfeld für die untere Extremität.
111, Leitungsbahn des N. facialis.
2 2 2, I^itungsbahn für die obere Extremität.
3 3 3, Leitungsbahn für die untere Extremität.
Die gcnannU'U F^itungsbahnen verlaufen von der Hirnrinde durch J. C, Capsula interna und
C. C, Crus cerebri, nach der gegenüber liegenden Seite des Rückenmarks, S. C.
S 8., Sensible Bahn.
T O., Thalamus opticus.
N. L., Nucleus lentiformis.
N. C, Nucleus caudatus.
E. C, Capsula externa.
M. O., Medulla oblongata.
T. S.. Temporo-sphenoidallappen.
Ein Abscess im Schläfenlappeu ist meist dann zu diagnostiren, wenn
neben einer Ptosis und Mydriasis eine kontra laterale Lähmung
in der Weise auftritt, dass zuerst der Mundfacialis , dann der Arm und
schliesslich das Bein, oder auch dieses gar nicht, betroffen wird. Eine
derartige Symptomenfolge spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie auch
Macewen hervorhebt (778 pag. 155), für eine von unten nach oben sich
geltend machende Fernwirkung des Abscesses auf das Rindengebiet der
Die Ptosis beim Gebirnabscess. 385
CJentral Windungen. Wird aber zuerst das Bein, dann Arm, und schliesslich
der Facialis gelähmt, so dürfte es sich hier und namentlich dann, wenn zu-
gleich eine Störung der Sensibilität nachzuweisen ist, entweder um eine Fem-
wirkung auf die innere Kapsel resp. den Himschenkel oder, als ein direktes
Herdsymptom, um einen Abscess des Letzteren selbst handeln. Ein Abscess
im Grosshimschenkel ist aber eine so seltene Erscheinung, dass die erst
erwähnte Eventualität vor allem in das Bereich der Erwägungen gezogen
werden sollte.
In zweiter Linie wäre als häufiger Sitz der Gehirnabscesse und nament-
lich der von einer Otitis abhängigen das Cerebellum hier anzuführen.
Dieselben verlaufen sehr häufig latent, oder äussern sich nur durch allgemeine,
einem jeden Gehirnabscesse zukommende Erscheinungen.
In seltenen Fällen kommt es zu indirekten Herdsymptomen, unter denen
auch selten einmal eine Ptosis beobachtet wird, wie in dem Falle von
Ray er (780).
Eine 48jähnge Frau litt seit 8 Monaten an beständigem Kopfschmerz, Betäubung
und Schwindel. Die Sprache war erschwert; es bestand Ptosis und Verschluss der Augen
wie bei Photophobie. Die Pupillen waren erweitert und unbeweglich. Die Sektion ergab
in der rechten Kleinhimhemisphäre eine mit Eiter gefüllte Kohle.
Mader (781) beobachtete eine leichte Ptosis (?) bei einem eigrossen Abscess im
Centrnm der linken Kleinhimhemisphäre.
Moos und Steinbrügge (782) sahen gekreuzte Ptosis und Mydriasis bei einem
Kleinhimabscess, der bis zum Wurm ging.
Bei der in praxi am häufigsten vorkommenden Differentialdiagnose zwischen Abscess
im Schläfenlappen oder in dem Cerebellum dürfte eine vorhandene Ptosis doch mehr zu
Gnosten des Schläfenlappens sprechen.
Im Scheitellappen beobachtete von Pfungen (788) einen Gehirn- Abscess mit
Hydrocephalus , Abflachung der Brücke und Yerklebung der Fossa Sylvii. Die klinischen
Symptome bestanden in einer doppelseitigen Ptosis, beiderseitigen Trochlearislähmung,
linksseitiger Hemiplegie incl. Facialis- und Pupillendifferenz. (L. Pupille ^ r.)
Im linken Centrum ovale konstatirte Pitres (784) einen Abscess, der sich von
der Mitte der hinteren Centralwindung bis zu den Occipitalwiodungen erstreckte. Oben
erreichte er die graue Substanz, nach unten grenzte er an den Seiten Ventrikel. Der Pedun-
culns cerebri war intakt, dagegen der linke Oculomotorius etwas angeschwollen
and weich.
Bei der 22jährigen Frau war neben einer rechtsseitigen Hemiplegie ohne Aphasie,
eine Lähmung des linken Oculomotorius beobachtet worden.
Im Pons und der Medulla oblongata werden nur selten Abscesse
beobachtet. In der Litteratur fanden wir nur folgenden von d'Espine (785)
herrührenden Fall, der das uns hier interessirende Symptom dargeboten hat.
Ein 24jähriger Mann erkrankte nach einer Erhitzung mit den Erscheinungen einer
Lungentuberkulose und mit linksseitigem Kopfschmerz. Unter Schwindel und Erbrechen
trat nach 6 Tagen eine linksseitige Hemiparese ein mit Hemianästhesie , hierauf doppel-
seitige Abducens- und linksseitige Intern uslähmung. Weiterhin entwickelte sich eine links-
seitige leichte Ptosis, rechtsseitige Facialisparese , linksseitige Taubheit und doppel-
seitige Aufhebung des Geschmacks.
Bei der Sektion fand man einen Tuberkelbacillen enthaltenden Abscess, welcher
die rechte und vordere Hälfte der Brücke und besonders die obere und seitliche Partie
derselben einnahm.
386 Die Ptosis beim Gehirnabscess.
Zum Schluss möge noch eines von Thiel (786) beschriebenen Falles
von vollständiger Ophthalmoplegie bei einem an der Schädelbasis gelegen«
und eröflfneten Abscesse gedacht werden, bei welchem jedoch kein S^ktiom-
befund erhoben worden war.
Da wir auf die Differentialdiagnostik schon bei Besprechung der SchläfcD- j
lappenabscesse eingegangen sind, so verweisen wir in Bezug auf die oft ausser-
ordentlich schwierige Unterscheidung zwischen Himabscess, Sinasthrombose.
und namentlich der Meningitis auf die folgenden Kapitel.
9. Die Ptosis bei basalen Erkrankungen, i.
Die hier in Betracht kommenden Krankheiten erstrecken sich auf die
Alteration des Nervus oculomotorius :
a) bei basalen Tumoren inklusive Aneurysmen, Exostosen, GummikDoten
und solitären Tuberkeln ;
b) bei Entzündung der Gehirnhäute (Leptomeningitis) :
c) bei Schädelbasisfrakturen;
d) bei Sinusthrombose.
a) Die Ptosis bei basalen Tumoren wird in dem Kapitel über die
Ptosis bei den Tumoren überhaupt abgehandelt werden.
ß) Die Ptosis bei der Entzündung der Gehimhfiute.
Unter den chronischen Meningitiden hatten wir bereits die basale
gummöse Meningitis in dem Kapitel über die Ptosis bei der Syphilis
eingehender abgehandelt. Die Meningitis nach Schädelbasisfrakturen werden
wir in dem Kapitel über die Ptosis nach Traumen besprechen, den seltenen
Formen chronischer tuberkulöser Meningitis mit Levatorlähmung werden
wir in der Beschreibung der Ptosis bei der tuberkulösen Meningitis wieder
begegnen.
Die akuten Entzündungen der Gehirnhäute beziehen sich
a) auf die Meningitis cerebrospinalis epidemica. Das Vor-
kommen von Ptosis bei derselben ist bereits pag. 256 § 99 abgehandelt.
In dem Kapitel über die Ptosis bei der tuberkulösen Meningitis werden vir
noch einige Zusätze dazu zu machen haben;
ß) die Ptosis bei Meningitis tuberculosa;
y) die Ptosis bei der eiterigen Meningitis.
y) Die Ptosis bei der Meningitis tuberculosa.
Die tuberkulöse Meningitis ist fast immer sekundärer Natur und ab-
hängig von einem tuberkulösen Herde, der bis zum Ausbruch der Gehim-
affektion entweder latent, oder diagnostizirt im Organismus vorhanden gewesen
war. Werden aus dem primär tuberkulös afiizirten Organe (meist Lungen
Die Ptosis bei der taberkulösen MeniDgitis. 387
oder Lymphdrüsen) Tuberkelbacillen durch den Lymph- oder Blutstrom fort-
gespült, so äussern sich die Folgeerscheinungen am Gehirn in einer Aussaat
kleiner miliarer Tuberkel (Tuberculosis meningum), oder in einer Ent-
zündung der weichen Häute: Meningitis tuberculosa, wobei das Exsudat
nicht im direkten Verhältniss zur Anzahl der dabei zur Entwickelung ge-
kommenen Tuberkelbildung zu stehen braucht.
Das Exsudat umgiebt bei letzterer Aifektion die Nervenstämme an der
Basis und ruft Entzündungen und Blutungen in denselben hervor; oder es
entstehen Hämorrhagien, Erweichungen und encephalitische Prozesse im Wurzel-
iind Kemgebiet des Oculomotorius und stören die Funktion. Es können aber
auch die Tuberkelbacillen an irgend einen Ort der Himoberfläche gelangen,
woselbst sie zur Entwickelung einer cirkumskripten tuberkulösen
Meningitis Veranlassung geben; oder es entwickelt sich ein solitärer
Tuberkel, welcher nach Art der Tumoren seine deletäre Einwirkung ausübt.
Endlich gesellt sich zur Mannigfaltigkeit dieser Faktoren noch die
Steigerung des intrakraniellen Druckes durch den Hydrocephalus acutus,
welcher oft hohe Grade erreicht, und durch das Exsudat, welches die Nerven-
stämme an der Basis umspült.
§ 183. BezügUch der Häufigkeit des Vorkommens von Ptosis und Augen-
muskellähmungen bei der tuberkulösen Meningitis traten nach einer Zusammen-
stellung aus 54 Fällen mit Sektionsbefund (aus den 4 letzten Beobachtungs-
jahren im alten allgemeinen Krankenhause zu Hamburg) folgende Daten
zu Tage:
In 19 Fällen waren überhaupt Störungen an der Augenmuskulatur vor-
handen.
In 14 Fällen wurde Ptosis gefunden und zwar 8 mal einseitig, 6 mal
doppelseitig, darunter 10 mal Ptosis mit Störungen der Bulbusmuskulatur.
In 34 Fällen bestanden Veränderungen an den Pupillen, sei es bezüglich
der Weite derselben, sei es bezüglich der Reaktion auf Licht.
In 24 Fällen waren ophthalmoskopische Veränderungen zu konstatiren
und zwar in 14 Fällen ophthalmoskopisch nachweisbare Chorioidealtuberkel,
in 14 Fällen starke Röthung der Papillen bis Neuritis optica. In 4 Fällen
wurden Chorioidealtuberkel neben Neuritis optica resp. Hyperämie der Papillen
gefunden.
In 4 Fällen bestand starke Conjunctivitis.
In 1 Falle Lidschwellung.
Unter 67 Fällen der Seitz' sehen (801) Zusammenstellungen zeigten sich:
die Pupillen gleich in
ungleich ^
die Bulbusbewegungen normal ,,
Nystagmus
Intemuslähmung ^
Abducenslähmung
Wilbrand-Saenger, Neurologie des Auges. I. Bd. II. Abtheilung. 26
52 Beobachtungen
42
30
2
6
388 Die Ptosis bei der taberkulösen Meningitis.
Trochlearislähmung in
1 Beobachtungen
Oculomotoriuslähmung ^ . . 7 ^
unklare Augenmuskellähmungen ^ . . 14 ^
Lider normal ^ . . 13 ^
Orbicularisparese ^ . . 7
Ptosis ^ . . 18 ^
§ 184. Wie bei der tuberkulösen Meningitis die Lähmungen überiuapi
meist später und nur allmählich sich entwickeln und häufig auf einer leichteren
Stufe stehen bleiben, so sehen wir auch bei den paretischen Zuständen des
Oculomotorius oft ein Lid kaum merkbar tiefer stehen, als das andere, oder
es geht dasselbe beim Augenaufschlag etwas langsamer und weniger weit in
die Höhe, bis dann allmählich, von Tag zu Tag etwas stärker werdend, die
Ptosis deutlich zu Tage tritt. Daneben kann das Oberlid des anderen Auges
völlig normal bleiben. Wegen dieses leichten Grades der Parese, und weil
die psychische Störung durch Aufhebimg der Willensthätigkeit Lähmungen
vortäuscht, so ist die Erkennung der Paralysen oft beträchtlich erschwert
(Seitz), und häufig legen die Krankengeschichten davon Zeugniss ab, wie
das Urtheil in der Annahme oder Verwerfung einer Lähmung hin und her-
geschwankt hatte.
Daher stehen wir auch bezüglich des Vorkommens der doppelseitigen
Ptosis bei dieser Krankheit häufig vor der Frage, ob hier wirklich Ptosis,
oder jener lähmungsartige Zustand vorliege, den wir so häufig bei somno-
lenten, mit halbgeöffneten Augen daliegenden Patienten beobachten. Uns
schien in derartigen Fällen eine auffallende Schlaffheit der Lider für eine
Ptosis zu stimmen.
Am häufigsten ist die Ptosis mit anderen Lähmungen z. B. mit
Pupillenveränderungen, Augenmuskelkrämpfen und Lähmungen verknüpft.
Selten tritt dieselbe resp. die Oculomotoriuslähmung hier plötzlich
auf, wie in einer von Seitz (1. c. Fall 40) beschriebenen Beobachtung.
Hier hatte sich eine komplete rechtsseitige Oculoinotoriaslähmang alsEin-
leitung der Krankheit plötzlich während des besten Wohlbefindens des Pattenten ein-
gestellt. Die Ptosis war eine komplete und völlig schlaffe. Bei seiner Aufnahme ins
Krankenhaas war neben dieser vollständigen Oculomotoriaslähmang sonst gar keine Störung
des Nervenapparates bemerkbar. Bei der acht Tage darauf erfolgenden Sektion zeigte neh
der rechte Pedunculus cerebri aussen hämorrhagisch verfärbt und auf der Schnittflicke
grösstentheils , besonders an der Peripherie von dicht neben einander liegenden kapiUlren
Extravasaten durchsetzt und erweicht. Der rechte Nerv, oculomotorius war von aaflEnlleod
brüchiger, der linke von normaler Konsistenz.
In diesem Falle begann also die Krankheit überhaupt mit Oculomotoriuslihmang.
lu dem von Dalichow (1. c. pag. 351) beschriebeoen Falle entwickelte sich die komplete
einseitige Oculomotoriuslähmung aus einer Ptosis, welche anfänglich das alleinige Symptom
gebildet hatte.
Die komplete Levatorlähmung kommt bei der tuberkulösen Meningitis
meist als Theilerscheinung einer kompleten Oculomotoriuslähmung vor; als
isolirt für sich allein bestehendes Symptom ist sie selten. Meist beobachten
wir leichte oder mittlere Grade von Levatorparese bei dieser Krankheit. Hie
and da ist auch einmal von einem vorübergehenden Krampf des Levator
die Rede.
§ 18Ö. Wenn wir auch im Allgememen die Ptosis und anderweitige
Läbmungszustände der Augenmuskeln meist dann bei der tuberkulösen Meningitis
beobachten, wenn, wie dies ja meistens der Fall zu sem pHegt, die Entzündung
an ihrem Lieblingssitze in den Maschen des Piagewebes zwischen t'hiasma,
Pons und dem Anfangstheile der Fossa Sylvii sich etablirt hat, so sehen wir
doch ebentso oft den Nervus oculomotorius durch Blutungen, Erweich-
nngen und encephalitische Prozesse im Bereiche seines Wurzel-
und Kerngebietes bedrängt und lädirt.
An der Basis sind ähnlich wie bei der basalen gummösen Meningitis
die Nennen, vor allem das Chiasma und die Oculomotorii, mit einer sulzig-
gallertigen, von Tuberkeln durchsetzten Masse eingehüllt, welch© weniger
durch Druck den Ner\^cn alterirt. ak durch Blutungen nach Thrombosen der
kleinen von der l*ia stammenden Ernährungsgefässe , durch hochgradige
Kapillarektasien und durch das Hineinkriechen der Entzündung in den Ocu-
lomotoriusstamm. Auch tritt zu einem vorhandenen Sulitärtuberkel zuweilen
eine tuberkulöse Meningitis akut hinzu und fügt dann zu den Erscheinungen
des Hirntnmors die Sj^mptome der tuberkulösen Meningitis.
So deraoDstrirte Mendel (795) das Gehirn eines 5 jährigen Knaben, welcher zuerst
die Erscheinungen einer linksseitigen Oculomotorius- und einer rechtsseitigen
Füciaiis- und Extreniitäfcenlähmung dargeboten hatte* Später trat noch eine rechtsaeitigo
Parese des Nervus oculomotorius auf: Ophthalmoskopisch bestanden keine Ver-
inderungen. Die Autopsie zeigte einen Tuberkel mit seiner Spitze gegen den Pons, mit
seiner breiten Umndlage nach vorn gegen den Thalamus opticng gerichtet. Zerstört er-
schienen die Haube des linken Hirnschenkels, der rothe Haubenkem, die Bindearme; wenig
▼erletzt die Region der Schleife. Als Ursache der rechten Oculomotoriuslähmung zeigte
sich eine circumscripte tuberkulöse Meningitis in dem intrapedunkulären Räume.
In der Beobachtung von Sftchs (796) bekam ein dreijühnges Kind doppelseitige
Ptosis und Lähmung nOer Bewegungsmuskeln des Bulhus. Es traten Konvulsionen,
tuainelnder Gang und Erblindung auf. Die Sektion zeigte einen solitären Tuberkel m der
rechten Kleinhirnbülfte und den Corpora quadrigemina, sowie eine tuberkulöse Menrngitis.
Bei makroskopischer Untersuchung lassen die Hirnnervenstämine in
weitaus den meisten Fällen nichts Abnormes erkennen, als dass sie mehr
weniger stark von den Entzündungsprodukten umhüllt sind und leicht bei der
Herausnahme des (lehirns übreissen ; andere zeigen wieder Verfiirbung, Ab-
machung, Schwellung, Injektion, Belag, eiterige Infiltration der Scheide und
Blutextra vasate an und in dem Nennen (Seitz).
So war im Falle 27 der Beobachtungen von Seitz der rechte Oculomotorius nahe
der Eintritt« teile in die Orbitalfissur in der Länge von einem Centimeter stark injicirt., etwas
weiter nach vorn leicht geseh wollen, von Jeicht gelblicher Farbe, Der rechte Ocnlomo-
torias, wie Abducens an einzelnen Stellen mit einem weichen, weisagelben, äusserst zarten
BeUge bedeckt.
Kahler (794> beobachtete bei einer 36 jjihrigen Ft au eine vollstlndige Oculo-
motoriuslähmung« welche eine der ersten Erscheinungen war. Danebon bestand gering©
Nackensteifiirkeit, Fieber von H8 **. Kopfschmerzen, normaler Augenspiegelbefönd. Später
trat Lähmung dea Unken N. facialis hinzu, und zeigte die Patientin beim Aufsitzen eine
26^
ä
390 Die Ptosis bei der tuberkulösen Meningitis.
Röthung des Gesichts und eine Erweiterung der Pupille ad mazimiim links, welche K^
scheinungen sich sofort verloren, sobald sie wieder in die horizontale Lage gebracht wnrii.
Die Diagnose war auf cirkumskripte basilare Meningitis tuberculosa gestellt worden. D«
rechte Oculomotorius zeigt« sich gräulich verfärbt; an seinem centralen Ende fandfli
sich perivaskuläre und selbständige Herde kleinzelliger Infiltration, die Spaltrftame des Pen-
und Endoneuriums waren mit Exsudat gefüllt, und in ihrer Umgebung H&morrhagieii vai
kleinzellige Infiltration vorhanden. Am peripheren Theile des Nerven waren die NerrmfiMn
degenerirt.
Bei einem Falle von Takacs (805) mit Lähmung des linken Facialis nnd Ocnk-
motori US zeigte sich bei der Autopsie der Oculomotorius tief rot h, erweicht Es besttad
eine tuberkulöse Meningitis der linken Hemisphäre, und wurden Blutungen in den Pobl
Thalamus opticus und den rechten Gyrus uncinatus gefunden.
Blutungen, nicht allein in die Gehirnsubstanz, sondern auch in des
Oculomotoriusstamm, scheinen bei der tuberkulösen Meningitis über-
haupt nicht selten zu sein. Unter 67 Krankengeschichten fand J. Seitz
(I.e.) im Ganzen lömal Blutungen verzeichnet: als ekchymotische Hyperämie,
kapilläre Hämorrhagie, Sugillation, Apoplexie, vereinzelt, oder, wie am häufig-
sten mehrfach, gleichzeitig mit oder ohne begleitende Entzündung und Exsudat
mit oder ohne Tuberkel, in Eweichungsherde und Himtuberkel hinein, oder
frei ergossen.
Ihre Lokalität hatten diese Blutungen an allen möglichen Stellen, ein-
mal in der Dura, dann in und unter der Pia, an der Hirnrinde, dem Ventrikel-
ependym, den Plexus chorioidei, den Ventrikelwänden, in der Gross- und
Kleinhimsubstanz, auf den Vierhügeln, in der Retina, dem Pedunculus cerebri
in dem Abducens und dem Oculomotorius. Von ganz besonderem Interesse
sind hierbei die Lähmungen des Oculomotorius, lediglich bedingt durch
eine einzige völlig isolirte Blutung in den peripheren Nerven seiner Totalität
nach, lieber einen derartigen von Sa enger (800) beobachteten Fall wollen
wir hier, als über den Typus einer isolirten Blutung in einen Nenrenstamm.
etwas genauer berichten.
Bei einem 31 Jabre alten Arbeiter trat unter Fiebererscbeinungen eine komplete
linksseitige Oculomotoriuslähmung auf, zu der sich dann Somnolenz hinzogeseUta.
Bei der Sektion fand sich eine tuberkulöse Basilar- nebst KonvexitätBmeniiigttis, Hydro-
cephalus acutus, Himödem und Blutung in den Stamm des linken Oculo-
motorius. Derselbe war von seinem Austritt aus dem G^hirnschenkel bis za seineB
Eintritt in die Fissura orbitalis superior purpurroth gefärbt, mit weisalicher feiner Sprenkdimgi
und dabei gegen den rechten, glänzend weissen Oculomotorius merklich Todicki
Dabei ist die Extravasirung in den am meisten nach vorn gelegenen Abschnitten des peii*
pheren Oculomotorius am stärksten, je näber dem Himschenkel, desto schwächer wird die
selbe. Nirgends ist der ganze, an zwei Stellen keulenförmig angeschwollene Neryenqaer
schnitt in gleich starker Weise von der Blutung eingenommen. In diesen kenlenlÖnnigaB
Anschwellungen , die dem Nerven querschnitt die Figur einer 8 geben, finden sich je zwei
grössere Extravasate; an der Grenze dieser gegen den verschmälerten andern Pol des
Nerven hin und in der dazu gehörigen Halbscheibe je ein kleiner hämorrhagischer Herd.
Fast immer beginnt derselbe erst in einiger Entfernung vom Rande, sich bald mehr, btld
weniger diesem nähernd; der Raum zwischen den 4 Extra vasatcentren ist entweder eben-
falls Sitz von Blutung, oder nur hyperämisch und blutig imbibirt. Sfimmtiicke GefiiMe
sind höcbstgradig erweitert und in ausgetretenem Blut eingebettet. Da die Nerrea-
fasern des Oculomotorius mit zu denjenigen gehören, welche die dickste MarkmaBee
Die Ptosis bei der tuberkulösen Meningitb, 391
Bitzen« ©beoBo wie ihre Mürkscheide von gi'osaer Festigkeit ist, so gelang es denn auch
^endä der Gewalt des extravasirenden Blutes, ditse zu zerreissen und jene zu zer-
Immem. Hierin ist wohl allein die Ursache zu suchen,, dasa keine Apoplexie zu Stunde
sondern nur der stärkste Grad von Infarkt resultirte. Im Pedunculus war keine Spur
^on BlutuDg vorhanden; dieselbe hörte bereits einige Millimeter vor dem Himschenkel im
culomotoriiii* völlig auf, so dass die Hftniorrhagie in der That nur den penpberischen
Tlieil des Nerven bis nahe vor seinem Eintritt In die Augenhöhle betraf. Der Stamm des
Oculomotorius war dabei keineswegs im Zustande der Neuritis.
Die Blutung kam dadurch zu Stande, dass die beiden grösseren zu-
führenden Arterienzweigehen des Oculoinotoriusstanimes frei geblieben waren,
dagegen eine Verengerimg und Thrombosining der abführenden Venenzweig-
chen durch Unilagerung der tuberkulösen Massen stattgefunden hatte. Die
Blutung stellte sich demnach hier nicht shocartig rasch, sondern in stetig
zunehmender Stase ein. Wären es Theile von Venennetzen eines flachen
Organs, dem diese aufliegen, gewesen, so hätte ein Ausgleich durch
die intakten Theile des Systems geschehen können, oder es wäre an Ort und
Stelle, oder ganz in der Nähe zu umschriebener Blutung gekommen. Hier
aber, wo gerade und einfach verlaufende Venen aus einem cyli ndrischen
Organ, dessen ganzes Blut abzufüliren sie bestimmt sind, hervordringen,
musst« eine Stauung sich auch rückwärts auf das ganze Organ erstrecken.
In dem Falle Nr. 53 von Seitz (1. c. pag. 212) mit linksseitiger OculomotoriuB-
l&bmune: zeijat« die Sektion am vordt^ren Rande des Pons» gerade hinter dem linken Oculo-
motorius eine leicbte ekchymosirte Stelle der Pifl. Audi der hintere Teil des Unken
Oculomotoriusstammes selbst zeigte noch die purpunotbe Färbung durch starke Ekcby-
inosirnng seines Neurilemms, Um den Oculomotorius lief eine mit einem starren Pfropfe
gefüllte, etwa stark liniendicke, einem dünnen Bindfaden gleichende tbromboairte Vene der
Pia, welche sich nach innen vom Oculemotoriua gegen die Substantia perforata herum-
schlang.
Bei einem anderen Falle Saenger's (1. c.) wurden hei Meningitia tuberculosa Blutungen
in das Wurzel gehi et des Neryns oculomotorius gefunden und kleinste HämorrhagieUf
welche auch an die Ganglienzellen dieses Nerven grenzten.
Bezüglich der topischen Begründung der Augenmuskelstörungen bei der
tuberkulösen Meningitis ist nach von Pfungen (793) nicht zu vergessen^
dass die Aftektion durch den (ieiiirnschlitz hindurch direkt die Nervenkerne
erreichen kann. Die dieser Kategorie angehörenden Fälle seien aber am
schwersten zu deuten, weil die Läsion an diesen Stellen fast nie eine herd-
artige wäre, sondern sich dittus über einen Raum dichtgedrängter Centren
verbreite, und der Wechsel der Symptome ein genaueres Studium erschwere.
Auch wir haben eine Reihe von Fällen mikroskopisch untersucht und
die Angaben von Seitz und Saenger vollauf bestätigt gefunden. Aus der
Zahl unserer Fälle heben wir folgenden um deswillen hier hervor, weil bei
einem und demselben Individuum im Stamm, im Wurzel- und Kerngebiete
des Oculomotorius sich Blutungen, neuritische und encephalitische Prozesse
an der gleichen Seite vorgefunden hatten.
Eine 26jahrige Frau W. A. P. klagte über Kopf achmerzen, Erbrechen und Fieber.
Bas SensoriaTn war frei. Aiininglicli zeigten sich die Pupillen gleich weit, von prompter
Reaktion; später wurde die linke ilber mittelweit und reaktionslos. Die Lumbalpunktion
392 Die Ptosis bei der tuberkulösen Meningitis.
ergab einen Druck von 130. Ophthalmoskopisch waren Chorioidealtaberkel zu erkomei
Schon gleich anfangs wurde über Schwere im linken Oberlid Klage geführt, allmSUkk
wurde linkerseits die Ptosis komplet, und es trat eine Lähmung des linken Ocil»-
motorius und Trochlearis hinzu. Während dieser Zeit waren die rechten Angemnoskcli
sämmtlich intakt. Die Kranke verfiel nun allmählich in einen somnolenten Zostand, wobei
sich beiderseits Lagophthalmus entwickelte. Das rechte Auge zeigte dabei, fortwiknii
hin- und hergehend, rotatorische Bewegungen; das linke war nach aussen abgewichen ui
blieb starr. Die linke Pupille war absolut gelähmt, die rechte reagirte deutlich aber trigt.
Die elektrische Untersuchung ergab eine Herabsetzung in beiden mittleren FadalisiiUB
Puls über 140. Keine Nackensteifigkeit. Exitus.
Die Sektion Hess eine ausgedehnte Basilarmeningitis mit reichlichem, salzigem Exsudat
in der Gegend des Chiasma erkennen. Die Pia war an der Basis über dem Stinü^pea
getrübt und nach dem Chiasma zu etwas verdickt. Das Chiasma selbst war in eine dicke,
sul zigschwartige Exsudatmasse eingehüllt, von welcher Stränge nach den Stimlappeo, mi
membranöse Züge nach den Schläfelappen und dem Pens hinüberzogen , welche die An-
trittsstelle der beiden Oculomotorii vollständig bedeckten. Das Gebiet der Himsdieiikel
und der Lamina perforata poster., sowie die oberen Zweidrittel des Pons und die Artm
basilaris waren von Pseudomembranen bedeckt.
Die mikroskopische Untersuchung des in Müll er' scher Flüssigkeit
gehärteten und mittelst verschiedener Methoden (Eosin-Hänoiatoxylin; Gieson,
Weigert, Karbolfuchsin) gefärbten Himstammes ergab bei schwacher Yer-
grösserung das Bild der Meningoencephalitis tuberculosa. So war an der uns
speziell interessierenden Interpedunculargegend eine ausserordentlich gefäss-
reiche entzündliche Verdickung der Pia vorhanden, und zwar in ungleich-
massiger knotiger Anordnung. In der Nähe der Gefässe waren deutliche
Tuberkelknötchen nachweisbar.
Bei stärkerer Vergrösserung konnte man eine starke zellige Infiltration
der Adventitia der stark erweiterten Gefässe, bei unveränderter Media und
Intima konstatiren. Letztere erschien jedoch in einzelnen Gefassen ebenfalls
in solchem Maasse kleinzellig infiltrirt, dass ihre Konturen nicht mehr zn
erkennen waren. In der Umgebung der Gefässe fanden sich zahlreiche Blut-
ungen. Die Tuberkel w-aren von ungleicher Grösse und boten ein verschiedenes
Aussehen dar. Einige hatten kein helleres Centrum ; andere zeigten
schon den Beginn einer Coagulationsnekrose. Riesenzellen waren nur ganz
vereinzelt nachzuweisen.
Da das Präparat in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet war, so war
der Nachweis der Tuberkelbacillen recht mühsam. Mit gütiger Unter-
stützung des Herrn Dr. Justi konstatirten wir in den mit Fuchsin-Karbol-
säurelösung gefärbten Schnitten mehrere Tuberkelbacillen in der Nähe eines
kleinen Piagefässes.
Was nun das Verhalten des Oculomotorius betriflft, so konnten vir
denselben nur an einem kleinen Stück studiren und zwar da, wo er aus dem
Hirnschenkelfuss heraustritt. Auf beiden Seiten war derselbe, wie dies ja
zufolge der pathologischen Veränderungen in seinem Stamme bei der tuber-
kulösen Meningitis so häufig der Fall ist, bei der Herausnahme des Gehirns
leider abgerissen.
All diesem kleinen centralen Stück des Oculoniotorius sah man jedoch
lie tuberkulöse iBfiltration direkt in die Scheide dieses Nerven übergreifen.
"Xietztere erschien leicht verdickt und zellig infiltrirt. Diese Entzündung
drang nicht weiter in die Nenenfasern hinein. Zwischen den Nei-venbündeln
verliefen sehr prall gefüllte Gefässe. An einer Stelle des Nerven sah man
eine langgestreckte beträchtliche Blutung, welche anscheinend einem in der
IKichtung des Nerven verlaulenden Gefässe entstammte; denn in und an den
rWanduugen desselben fand man zahlreiche rothe Blutkörperchen angehäuft^
■reiche sich in der Längsrichtxmg, als mit dem Rxtravasat im Zusammen-
paiig stehend^ verfolgen liessen. Die Form der Blutung legte den Gedanken
kahe, dass dieselbe in die spalt form igen Lymphhahnen des Nerven stattge-
hnden hatte,
[ Dass diese grosse Blutung im OculomotoriusstÄmme nicht als ein Kunst-
produkt anzusehen war, geht aus der Thatsache hervor, dass auch in dem
Gewebe der Grosshimstiele zahlreiche Blutungen gefunden wurden.
So war auf derselben Seite der Oculomotoriuswürzelbündel kurz vor
dem Austritt ans dem Hirnschenkelfuss eine ebenfalls längs den Fasern ver-
laufende Blutung vorhanden, deren Quelle in einem grösseren, in der Nähe
gelegenen, prall gelullten Gefässe zu suchen war.
Die Oculomotoriusfascikel waren durch diese Hämorrhagie nicht zer-
Btört, sondera nur etwas auseinandergedrängt Nur ein ganz lateral gelegenes
Wurzelbündel war lädirt und zwar wie es schien durch eine ältere Blutung;
denn an der betreffenden Stelle w^aren gelbliche Pigmentbröckel und ein
Gebilde vorhanden, welclies mit einem Hämatoidinkrjstalle Aehnlichkeit
besass.
An der symmetrisch gegenüberliegenden Seite des Pedunculus cerebri
war die tuberkulöse Intiltration an der Austrittsstelle des Oculomotorius in
den Hirnschenkelfuss hineingedrimgen.
Ein Wurzelbündel dieses Nerven zeigte sich in einer Weise kleinzellig
infiltrirt, dass die Nervenfasern nicht mehr verfolgt werden konnten. Die
Gefässe waren ausserordentlich erweitert, die Wandungen ganz verdickt und
infiltrirtj so dass stellenweise das Lumen verschwunden war und an seiner
Stelle nur ein Rundzelienhaufen gefunden wurde. Weiter dorsalwärts zeigten
sich, ebenso wie auf der anderen Seite, zw^ischen den parallel bogenförmig
verlaufenden Wurzelbündeln längliche Blutungen von verschiedener Grösse.
Was nun das Oculomotoriuskerngebiet anbelangt, so war dasselbe in toto
leider nicht mehr erli alten geblieben, da der Vierhügel bis unterhalb des
centralen Endes des Aquaeductus Sylvii davon abgerissen war.
Der median gelegene Keniahschnitt war aber an den mikroskopischen
Präparaten noch vorhanden. In demselben zeigten sich denn auch die Ka-
pillaren ganz ausserordentlich gelullt. Die Ganglienzellen erschienen aber
unverändert, ihr Kern war bei den meisten deutlich sichtbar, rund und nicht
getrübt. Die Fortsätze erschienen nicht geschrumpft. Einzelne waren da-
gegen ausserordentlich stark pigmentirt. Auch in dieser Kernregion, sowae
394 Die Ptosis bei der taberkulösen Meningitis.
in der Meynert 'sehen und Forel'schen Haubenkreuzang fanden sich Ter-
schiedene Blutungen und kleinzellige Herde.
Es erschien demgemäss der periphere, der fascikuläre, sowie der nadäi«
Theil des Oculomotorius bei diesem Falle von tuberkulöser Meningoenceph»-
litis alterirt.
Abgesehen von den entzündlichen und hämorrhagisch-encephalitiscboi
Prozessen, wie man sie ja gewöhnlich bei der in Rede stehenden Affektion
findet, zeigte auch hier der Oculomotoriusstamm eine grössere Blutung guz
ähnlich dem von Sa enger (p. 800) ausführlicher beschriebenen FaDe.
Nur war bei letzterem die Scheide des Oculomotorius dünn, zart und ohne
Spur von tuberkulöser Entzündung. Femer fand sich in diesem Falle im
Pedunculus sonst nirgends eine Blutung; sie war lediglich auf den Oculomo-
toriusstamm beschränkt.
Auch A. Hoc he (806) führt in seiner interessanten Arbeit zur Lehre
von der Tuberkulose des Centralnervensystems an, dass sich in den Serven-
wurzeb, deren Peri- und Endoneurium meist entzündet und zellig verdickt
sei, kleine Hämorrhagien fänden, welche ;, immer von einem erkrankten GefSase
ausgehend, unregelmässige Plaques von wechselnder Grösse bildeten, und duidi
welche die etwsts auseinandergedrängten Nervenfasern unverändert hinduich-
zutreten pflegten^.
Huguenin (807) dagegen hebt in seiner monographischen Bearbeitung
der Meningitis tuberculosa hervor, dass er entgegen den Angaben einzelner
Forscher in und an den Himnerven keine Blutextravasate beobachtet habe.
Ob die Augenmuskelsymptome des folgenden von uns beobachteteD
Falles von tuberkulöser Meningitis als Folge einer nuclearen Erkrankung, oder
als zufällig kongenital vorhanden gewesene Erscheinung aufgefasst werden
müssen, bleibt einstweilen dahingestellt.
Ein 19 jähriger Arbeiter von der AbtheUung des Herrn Professor Lenhartz, mit
häufigem Wechsel krankhafter Erscheinangen von Seiten der Pupillen, zeigte eine mittlere
Ptosis des linken Auges; die Lidspalte konnte jedoch noch völlig geschlossen werden. Bein
Blick nach links wurde aber das linke Oberlid und namentlich die nasale Partie deeseÜMB
krampfhaft durch Eontraktion des linken Frontalis in die Höhe gezogen, wahrend das Ober-
lid des rechten Auges herabsank und das linke Auge nach unten innen abgelenkt wurde.
Wegen des hohen Nasenrückens des Patienten wurden in dieser Augenstellung offenbar Doppel-
bilder nicht erkannt (Derselbe lag an tuberculöses Meningitis zu Bette.) Lieas mai
den Patienten weit nach rechts sehen, so trat das analoge Phänomen auf, indem nun daa
rechte Oberlid durch den rechten Frontalis in die Höhe gezogen wurde, während das linke
Oberlid herabsank und der linke Bulbus in der Bewegung nach rechts hin offenbar znrftck-
blieb. Einige Tage später war auch links eine leichte Ptosis vorhanden. Die linke lid-
spalte war enger als die rechte. Bei der Bewegung nach rechts blieb das linke Avge
ziemlich weit zurück, dagegen war bei der Bewegung des Bulbus nach links aussen keine
Bewegungsstörung aufzufinden. Einige Zeit später war das eingangs beschriebene Phinonea
mit Erhebung der Augenbraue und des Oberlides noch rorhanden, nur mit dem Unteradiiede^
dass heute das linke Auge zurückbleibt und beim Sehen nach links hin die Ablenkung dei
rechten Auges nach innen nicht mehr so ergiebig ist. Später wurde Patient somnolent, die
Augen schweiften fortwährend umher, wobei sich eine Einschränkung der Bewegmugsftkig-
keit des linken Auges nach jeder Richtung hin bemerkbar machte. Ophthalmoskopisch
fange Hyperämie der Papillen, die Dacbher in lejcMe Nearitis überging. Die Sektian
lieflB dicke sulzige Auflagerungen durchsetzt mit Tuberkeln nn der Gebirnbasis namentlich
aro Chiaama, Pous und in der Fossn Sylvii erkennen. In der Medullu war makroskopiacb
aichta Abnormes zu erkennen.
Wir hatten hier also einen ähnlichen Zustand, wie wir ihn in § 34
pag. 56 beschrieben haben. Ein eventneller Mangel an Doppelbildern hätte
hier entscheiden können, ob dieser Zustand an{?eboren oder durch einen
krankhaften Prozess in der Kemregion hervorgernfen war. Bei der Bettlage
des Patienten und den Störungen seines Sensoriums war aber die Entscheidung
dieser Frage schliesslich unmöglich geworden.
§ 186. Theoretisch nicht unmöglich wäre auch eine Ptosis kortikalen
Ursprungs bei der tuberkulöaen Meningitis, weil eine Aeussening dieser
Krankheit an der Konvexität des Gehirns nicht ausgeschlossen ist. Es braucht
dabei das über dem supponirten kortikalen Levatorcentrum gelegene Exsudat
nicht einmal von einer besonderen Mächtigkeit 2U sein, sondern könnte auf
dem Wege von tTefässveränderungen zu lähmungsartigen Zuständen im Levator
in analoger Weise Veranlassung geben, wie in dem Falle
Matthe8(791), in welchem die Hypoglossuslühniuni; nur auf die Über dem kortikalen
Hjpogloasuafelde stärker entwickelte Tuberkuluse zurfkkgefübrt werden konnte: oder
wie bei Ballet (7^2), welcher ein Präparat von tuberkulöser Meningitis mit strenger
BesübrÄnkung des Prozesses auf den Lobu!ua paracentralis vorsteUte* Das tuberkulöse
Fla^jue sass in diesem Falle wie eine Haube auf dem oberen Tbeile der hinteren Ctiutral-
windung auf, bei völliger IntÄktheit der Nacbbarschaft. Der Kranke hatte 6 Wochen vor
dem Tode eine crurale Monoplegie mit 2 Anfüllen von partieller Epilepsie, und nach einer
dritten Attake aucb noch eine Lähmung des Armes davongetragen. Einen analogen Fall
beachreibt auch Seitz (L c. Fall 52), in welchem die ganz langsam entwickelte Piaver-
indemng bloss eine umschriebene Stelle an der Konvexität befallen und bloss dieser Stelle
entsprechend Zeiistörung der Himsubatanz veranlasst hatte. Am 127, Krank heitstage erfolgte
hier der Tod nach Fieber, FröstelD, Kopfweb« Schwindel und Pupillenerweiterung als den
einzigen wichtigen Erscheinungen.
Analog wie in diesem Falle kann auch der Oculomotorius durch
chronische lokale tuberkulöse Meningitis an der Basis bedroht
werden, wie in jener bekannten, meist unter den Fällen der periodisch reci-
divirenden Oculomotoriuslähmung erwähnten Beobachtung von Weiss (798),
Bei einem SOjIhngen weiblichen Individuum entwickelte sich zugleich mit einer
Tuberkulose der Lungen eine periodisch auftretende totale linksseitige Oculomotoriua-
lähmang. Der Äugenspiegelbefund war angeblich negativ. Die Autopsie zeigte den Unken
Nervus oculomotorius platt und graulich. In seiner Wurzel beim Austritt aus dem Gehirn-
Schenkel fanden sich zahh-eiche graue, mohnkorngrosse Granulationen, welche einen reich-
lichen Gehalt von Tuberkel badllen darboten. Die vom linken Oculomotorius versorgten
Mookeln waren fettig degenerirt.
Bei einem ähnlichen Falle von Robb (799) trat bei einer 25jährigen weibhchon
Kranken eine links^itige Lähmung des Oculomotorius auf. Bei der Sektion zeigten sich
Tuberkeln der Gehirnhönte an der Stelle de« Austritts des genannten Nerven am Pedun-
cnltis. Dasä auch gelegentlich einmal Ptosis oder Augenmuhkellöhmungen von einer orbitalen
(
396 Die Ptosis Kei der taberkolOsen Meningitis.
Tuberkulose herrühren können» zeigt ein Fall von Mal herb (803). Bei einer 60jihngB
Frau trat neben Gehirnsymptomen rechts ein Ezophthalmas auf. Bei der Exenteratio oililM
konnte man in der Sklera und im orbitalen Bindegewebe Tuberkel erkennen.
Wir hatten gesehen, dass die Funktion des Oculomotorius und m
specie des Levator palpebrae bei der tuberkulösen Meningitis in seinen
kortikalen und nuclearen Ursprüngen, sowie in seinem fascikulären und
basalen Laufe oft an mehreren Stellen zugleich affizirt wird. Wegen
dieses häufig gleichzeitigen Angriffes der Läsion gegen Kern, Wurzeln und
Stamm des Oculomotorius bietet die genauere Lokalisation der einzeben Herde
oft unübersteigliche Schwierigkeiten, welche noch dadurch häufig Termehrt
werden, dass zuweilen Reizungen auf der einen mit Lähmungszuständen aof
der andern Seite einhergehen.
So erzählt Ramey (804) einen Fall von doppelseitiger Lähmung
des Oculomotorius mit Ausnahme derLevatores palpebrae bei
tuberkulöser Meningitis. Dieselbe wurde auf eine umschriebene Arachnitis in
der Substantia perforata post. zurückgeführt, welche beide Nerven komprimirt
hatte. Die Sektion zeigte aber auch noch einen mandelkemgrossen Tuberkel
in der Haube des linken Himschenkels und gleichzeitige Zerstörung des Unken
Thalamus opticus. Von anderweitigen Symptomen bestanden noch eine rechts-
seitige Facialisparese neben Parese des Arms und Beins, und vorübergehende
Hemianästhesie. Hier wurde also die Affektion des einen Oculomotorius anf
eine Affektion im Wiu-zelgebiet, die des anderen auf den Stamm bezogen,
wiewohl beide Nerven durch eine basale Arachnitis bedrängt worden waren.
§ 187. Die diagnostische Bedeutung der Ptosis bei der tuberkdosen
Meningitis tritt gegenüber dem direkten Nachweis von Tuberkelbacillen in d»
Cerebrospinalflüssigkeit nach der Lumbalpunktion und dem Nachweise von
Chorioidealtuberkeln vermittelst des Augenspiegels im allgemeinen in den
Hintergnmd. Ein gewisser Werth kann ihr nur daim zugesprochen werden,
wenn bei vorhandener tuberkulöser Erkrankung anderer Organe plötzUch eine
Ptosis sich entwickelt, oder wenn ein Kind über allgemeine Beschwerden
Klage führt und eine Levatorlähmung auftritt. Ausserdem kommen differential-
diagnostisch bei Kindern Konvulsionen (Helminthiasis, Dentition etc.), femer
Hämorrhagien und akute Infektionskrankheiten wie Pneumonie, Scharlach
und Lifluenza in Betracht; bei Erwachsenen Typhus, Hirntumor und basale
purulente Meningits. Wenn acquirirte und hereditäre Syphilis ausgeschlossen
werden kann, so giebt die Ptosis bei der relativen Seltenheit des Vorkonunens
von epidemischer Cerebrospinalmeningitis zu begründetem Verdachte auf be-
ginnende tuberkulöse Meningitis Veranlassung. Auch tritt die epidemische
Cerebrospinalmeningitis meist viel stürmischer, unter hohem Fieber, mit Br-
brechen und mächtiger Herpeseruption auf (vergl. auch § 99 pag. 256).
§ 188. Nach den Angaben Leichtenstem's (527) sollen bei der
Meningitis cerebrospinalis epidemica überhaupt nur äusserst selten Erschein-
ungen von Seiten des Oculomotorius, häufiger noch vom Abducens zu kon-
statiren sein. Dagegen sind, wie H. Schlesinger (808) bemerkt, auch bei dieser
r
Die Ptoais bei der tuberkulüs^n MeDiogiÜB,
3^7
Meningitisform Augenmuskelläbmungen als Initialsjaiptom und späterhin
Facialisparalyse beobacbtet worden. In einem Falle ging der Oculomotorius-
lähmnng ein mehrere Stimden währender Ble|>härospasmiis voraus.
Auch Anhauch (809) sah frühzeitiges Auftreten von Ptosis und Oculo-
motoriuslähmung bei der Meningitis cerebrospiiiaUs epidemica, und G. Singer
(810) berichtet über drei Beobachtungen, von denen eine unter Ptosis und
Augenrauskellähmungen verlief.
Nach einer Zusammenstelhmg von 25 Fallen von Meningitis cerebro-
spinalis epidemica aus dem alten
allgemeinen Krankenhause zu Harn-
buri^ seit den letzten 8 Jahren
zeigten :
17 Fülle Veränderungen an
den Pupillen,
9 Fälle Störungen der Au j^en-
muskulatur mit Ptosis,
3 Fälle Ptosis,
5 Fälle Neuritis optica,
2 Fälle C^jnjunctivitis.
Zum Schlüsse geben wir hier
noch die Beschreibung eines Falles
von geheilter Meningitis cerebro-
spinalis mit Ptosis und totaler
Oculomotoriuslähmung aus unserer
eigenen Beobachtung, auf
welchen wir pag. 257 hingewiesen
hatten*
Am 26. März 1897 wurde der
32jähr, Arbeiter F* 0. in das alte
allgemeine Krankenhaus^ Abth. des
Herrn Dr. Jol lasse aufgenommen,
nachdem er längere Zeit schon an Kopfschmerzen gelitten hatte. Dieselben hatten
sich in der letzten Zeit zur Unerträglichkeit gest-eigert, so dass er am
26, in. seine Arbeit einstellen und sich ins Krankenliaus aufnehmen
lassen musste. Seit jenem Tage konnte er das rechte Auge nicht mehr
öffnen. Die nähere Untersuchung ergab rechterseits eine komplete schlaffe
Ptosis, siehe Fig. 78, Pupillenlähmung, paralytische Mydriasis, Accom-
modationslähmung , kurz eine Lähmung des rechten Oculomotorius in
allen seinen Aesten, und eine solche des Trochlearis, Der Ahducens blieb
frei. Es wurden gekreuzte Doppelbilder konstatirt. Der Augenspiegelbefund
war frei. Der Nacken exquisit steif, bei gelingen Bewegungsversuchen enorm
schmerzhaft. Der Leib war eingezogen. Die Temperatur zeigte sich nicht
erhöht, nur an einem Tage über 39, Die Lumbalpunktion ergab einen Druck
von 330 mm, mikroskopisch gut erhaltene rothe Blutkörperchen, anscheinend
Fig> ?8.
F, G. Rechts kompb'tc Ptosis mich Meningitis
cerebrospinalis.
398 Die Ptosis bei der taberknlOsen Meningitis.
wenige Leukocyten; Culturen negativ. Am 29. lü. an der Nase und Ober-
lippe deutlicher Herpes. Seit dem 4. IV. beginnende Besserung, Xachlassa
der Kopfschmerzen, aber noch lebhafte Schmerzen über dem rechten Auge.
17. IV. Schmierkur, zeitweise noch heftige neuralgische Schmerzen über der
rechten Kopfhälfte. Am 18. Mai geheilt entlassen. Die Augenmuskelstönmgeo
sind jedoch genau dieselben geblieben.
y) Die Ptosis bei der eiterigen Meningitis«
§ 189. Die nicht tuberkulöse, eiterige Meningitis hat für unseren Gegen-
stand geringere Bedeutung, da die Prädilektionsstelle derselben dieKonTexitat
des Gehirns darstellt. Jedoch ist dies durchaus nicht immer der Fall,
namentlich nicht bei der durch Traumen und der so häufig in Folge Ton
otitischen Prozessen bedingten purulenten Leptomeningitis. Im erst^en
Falle ist der Ort des Traumas massgebend, worauf wir im Kapitel Ptods
nach Traumen noch zu sprechen kommen, im letzteren findet sich nach
Körner (924) „die Eiterinfiltration der Pia, wenn die Erkrankung dnrck
Kontakt mit kranken Knochen und ulcerirter Dura entsteht, snmächst an der
Stelle dieses Kontaktes. Beginnt die Eiterung an der Unterflache des
Schläfenlappens entsprechend dem Dache der Pauken- und Warzenhöhle, so
verbreitet sie sich meist zuerst an der Basis der betreffenden Hemisphäre,
geht aber auch auf die Konvexität, auf die Basis der anderen Himhalfte
und auf das Kleinhirn über. Sehr selten wird vorzugsweise die Konvexität
der Hemisphäre ergriffen*^. Daher finden sich in der Symptomatologie dieser
oti tischen Hirnhautentzündung, ausser den gewöhnlichen allgemein meningi-
tischen Symptomen, basale Lähmungserscheinungen von seiten der Augennerreo.
speziell des Oculomotorius, als: Pupillendifferenz, Miosis, Mydriasis,
Ptosis oder Lähmung eines oder des anderen Augenmuskels. Hierbei mass
noch hervorgehoben werden, dass nicht selten Sinusthrombose und intracere-
brale sowie extradurale Abscesse das verbindende Glied zwischen Ohren-
affektion und Meningitis darstellen.
Wenn auch, wie zu Anfang bemerkt, die eiterige Meningitis die
Konvexität bevorzugt, so muss dennoch darauf hingewiesen werden, dasß
sie namentlich als nicht seltene Komplikation der Pneumonie und
Septikämie auch die Hirnbasis und die MeduUa spinalis befallt.
Genauere Untersuchungen betreffs des klinischen wie anatomischen Verhaltens
der Hirnnerven haben wir in der Litteratur bei dieser Affektion nicht auf-
finden können. Es möge daher die etwas ausführlichere Darstellung des
folgenden Falles von Pneumokokkenmeningitis gerechtfertigt sein, dessen
mikroskopische Untersuchung Herr Oberarzt Dr. Jo Ilasse uns gütigst über-
lassen hat.
Ein 58 jähriger rbeii r A. kam am 28. November 1898 in schwer somnolentem Za-
stande zur Aufnahme ins Krankenhaus.
Nach Angabe seiner Tochter war der Patient in der Nacht vom 21.. 22. Norember
gestürzt und hatte nachher über Schmerzen in der rechten Seite geklagt. Am 2b, stelKaa
I
Die Ptoslfi bei der ettrigeii Meolngiti;». 3&B
unter Frösteln und allgemeinem Unbehageu Atliembesch werden ein. Seit dem 27.
Kellte er besiunung.^los gewesen setn und nicht mehr gegessen haben.
Vor 20 Jahren hatte er LungenentÄÜndutig. Reichliches Potatoriuiti wurde zugestanden,
at. praeB. : Der über 40^ fiebernd© Patient reagirte nicht auf Anrufen, wohl aher auf
Kdelatieber wenn auch »chwach* Die Renpiration war laut Rchnarrhend, stöhnend. Beide
ktigen waren halb geschlossen; die oberen Lider hingen schlaff herab und Üesaen noch
[ien 2 mm breiten Spalt offen. Di© Pupillen waren beide gleich, raittelweit und reagirten
ras träge. Die Zunge war belegt und trocken. Es heataud ausgesprodiene Nackenstarre.
Untersuchung der Brustorgane ergab das Vorhandensein einer rechtaseitigen Unter-
I p p e n p n e u ni 0 u i e. Das Herz war nicht vergrössert ; der Puls klein, weich und frequent,
Abdomen erschien etwas kahnförmig eingezogen* Die Milz war etwas %^ergrössert.
Lbdominal- und C rem aste ixe flexe fehlten, während alle übrigen Reflexe vorhanden waren.
Lm folgenden Tage trat tiefes Coma ein. Beiderseits reagitten die Pupillen nicht mehr.
Die rechte P*upille war weiter, als die etwas übermittel weite Linke. Es bestand ein deut-
licher Strabismus divergeos. Der Augen hintergiotnd war normal Die oberen Lider
hingen beiderseits auffallend BcLlaff herab, ohne dasa jedoch dieselben ge-
scbloeseti waren; ea bestand also auch ein leichter Grad von Lagopbthalmus,
Die Nackenstarre war ausgesprochen; der Puls wurde kleiner und unregelmässigj und
am Nachmittag trat der Exitus tethalis ein. Die Sektion ergab ein dicke^i! fibrinös eiteriges
Exsudat zwischen den weichen Hirnliäuten, sowohl an der Konvexität, wie au der Basi»
des Gebims, sowie längB des ganzen Rückenmarka. Die CercbrospinalHüssigkeit war
irübe, doch wenig vermehrt. Die Hirnventrikel waren etwas erweitert. In den Wandungen
der Seiteuventrikel befanden sich sehr zahlreielie punkt- bis stecknadelkopfgrosse frische
HÄmorrbagien. Im übrigen ergab die Autopsie eine fibrinöse Pneumonie des rechten Mittel-
und Unterlappens im Stadium der roten Hepatisation mit frischer rechtsseitiger hbrinüser
Pleuritis.
In der Cerehrospinalflüssigkeit fanden sich zahlreiche Diplokokken, die nicht intra-
cellnlar gelagert waren, und verhältuisämässig wenig Leukocyten. Der eine Oculomotoriua
wurde theils frisch. t.heils nach 24Biilndiger Einwirkung einer Osmiumlösung untersucht.
Es fand sich eine gan^e Anzahl degenerirter Nervenfasern.
Das Gehirn wurde in Müllor'scher Flüssigkeit gehättet und vom Cbiasma an nach
fibwftrt^ bis in den Pens in Serienschnitte zerlegt, bei welchen auch in grösserer Ausdehn-
ung der Oculomotoriusstamm getroffen wurde. Mit ganz besonderer Sorgfalt wurden
die Schnitte durch die Himschenkelgegend angefertigt und nach verschiedenen Methoden
gefärbt [Hümatoxylin-Eosin, Gieson, Lithioncarmin, Weigert, Oamiumsäure; Methylenblau
für die ßakterienfärbung).
Um letztere vorweg zu nehmen, so konstatirten wir zahlreiche zu zweien angeord-
nete, laneettfiirmige Kokken, die eine deutliche Kapsel hatten. Diese Eigenschaften sowie
die weitere von Herrn Dr. ßiel vorgenommene kulturelle Untersuchung ergab mit Sicher-
heit, dass wir es hier mit dem Franker sehen Diplococcus pneumoniae zu thun hatten.
Bei der mikroskopischen Betrachtung des umfänglichen entzündlichen Exsudate in
der Pia und Ärachnoidea zwischen den Hirnschenkeln fiel vor allem die ausserordentliche
starke Erweiterung und pralle Füllung der Gefäsae in die Augen. Manche waren nicht
nur in reichliche Exsudatjiellen eingebettet, sondern in ihren Wandungen selbst von Rund*
wellen infiltrirt. In den Gefässen nahmen die Leukocyten meistens eine Bandätellung ein»
während in der Mitte die rothen Blutkörperchen gelagert waren, was in den Hämatoxjlin-
Eosin Präparaten besonders schön zu Tage trat.
Was nun den Oculomotorius betraf, ao konnte die Kernregion in toto leider nicht
iiiit«raucbt werden, da dieselbe bei der Vorbereitung zur Härtung ladirt wurde. Nur
einzelne Ganglienzellen der medianen Kerngruppe waren übrig geblieben; dieselben eracbienen
nicht verändert. Im rothen Kern war beiderseits eine kapilläre Hyper^lmie zu kon-
statiren. Im HinischeDkelfuss fanden sich kleine entzündliche Herde und zwar meist
400 Die Ptosis bei der eitrigen Meningitis.
in der Umgebung der Rindengefässe, in deren Pialscbeiden an manchen Stellen bald grUiu,
bald kleinere Zellenanhäufungen lagen, neben denen sich einige spärliche BlutexInriMki
fanden. An einzelnen Stellen war die periphere Randschicht des HirnschenkelfiBMs ■
Form eines schmalen Streifens mit Rundzellen infiltrirt.
Das Verhalten der Oculomotorius fasern konnte in Bezog aaf ihre Integiitit
recht gut in dem Weigert- und in einem Osmiumpräparat studirt werden.
Während die Oculomotoriuswurzelbündel beim Durchtritt durch das HaobeogebKi,
die Substantia nigra und den Himschenkelfnss dunkelgefftrbte , gleichmftssig kontmirti
Fasemmassen darstellten, deren Zeichnung parallel verlaufende, ziemlich gleich dicke liniei
erkennen liess, erschien die Färbung der Markscheiden in vereinzelten Bttndeln um m
blasser, heller und ungleichmässiger, je mehr die Fasern sich der Aostrittsstelle nihertcB.
Zugleich verbreiterten sich einzelne Bündel der Quere nach und zeigten nnregelmissige, nick
mehr parallele Abstände, theils in Folge von Degeneration, theils dnrch Qaellang der
Fasern oder der Zwischensubstanz.
Am in- und extensivsten war die Alteration am centralen Ende des Ocalomotonm-
Stammes gerade da, wo er aus dem Himschenkel heraustritt. Besonders schön sah ma
am Hämatoxylin-Eosiupräparat, wie auf beiden Seiten der Ocnlomotoriasstamm von dv
mächtigen Entzündung bedrängt wurde : Die Exsudatzellen infiltrirten stellenweise das Peri-
neurium und verbreiteten sich in unregelmässiger Weise zwischen die Nervenfaseni liogt
der bindegewebigen Septen, deren prall gefüllte Gefässe an manchen Stellen von dnea
Wall von Rundzellen umgeben waren.
Bei weitem der überwiegende Theil der Nervenfasern erschien wahrscheinlidi ia
Folge der Festigkeit |der Markscheiden nicht wesentlich verändert In einzelnen Fasen
waren Markscheiden sowohl wie Achsencylinder gequollen, in anderen erschienen nur die
Markscheiden bald bauchig aufgetrieben , bald spindelförmig verdünnt und gaben der be-
treffenden Stelle ein rareficirtes Aus<«ehen. An ganz wenigen kleinen Stellen konnte oaa
einen totalen Untergang von Fasern konstatiren, indem die Markscheiden und AchsenejUoder
kömig zerfallen waren.
Sehr geringfügig erwiesen sich weiter peripherwärts die Verändemngen im Ocalo-
motoriusstamm. Ausser einer kleinen Hämorrhagie und einzelnen degenerirten Fasen
war nichts weiter zu konstatiren, als eine kleinzellige Infiltration der Perinenralscheide md
deren Ausläufer in die Septen. Die Weigertfärbung ergab eine im grossen ond ganzeo
gleichmässig dunkle Färbung des ganzen Stammes.
Einen ähnlichen Fall von Pneumokokkenmeningitis veröffentlichte neuerdings
Dreyer-Dufer (925).
Es handelte sich um eine 26jährige Patientin, die unter Fieber und Kopfscfameneo
erkrankt war. Bei derselben wurde eine unvollständige Lähmung des Oculomotorius (Beet
inf., sup. und intern.), eine völlige Paralyse des Trochlearis und Abducens, eine Neuralgie
im Quintus und ophthalmoskopisch eine beiderseitige venöse Stauung beobachtet.
Die Autopsie ergab eine basale eiterige Meningitis. Die genannten Himnerven warn
in das eiterige Exsudat eingehüllt. Die bakteriologische Untersuchung erwies den PneuoMh
kokkus als Eitererreger.
Schliesslich sei noch eines sehr interessanten von Dr. v. Hof mann (926) mitge-
theilten operirten Falles von Meningitis gedacht, bei dem eine Ptosis beobachtet wurde.
Nach einer vorausgegangenen Nackenfurunkulose traten heftige Eopfechmerzen,
namentlich über dem linken Auge, Verlangsamung des Pulses und der Respiration ein;
wozu sich später leichte Temperaturerhöhung und völlige Erblindung des linken Auges
hinzugesellte. Zu dieser Zeit wurde linksseitige Ptosis, massiger Exophthalmus, Ub-
beweglichkeit des Bulbus, Mydriasis und hochgradige Stauungspapille bei völliger ErUind-
ung des linken Auges konstatirt. Allmählich wurde letzteres nach innen und unten dis*
locirt. Dr. v. Hoff mann vermuthete eine Eiterung in der Orbita und schritt zur Opert-
tion. Nach Abtrennung des oberen Augenlides fand sich jedoch dort kein Eiter; wohl aber
Die Ptosis bei Sinasthrombose. 401
lerhalb der Scheiden der Sehnerven, welche ampullenartig erweitert waren. Der Intra-
pnalranm wurde freigelegt, drainirt und die Augenmuskeln (Rect. sup. let.) wieder ein-
n&ht. Nach 14 Tagen schloss sich die Wunde, und es trat Heilung ein bis auf die
iksseitige Amaurose und die Ptosis, die unverändert blieben.
c) Ptosis bei SchSdelbasisfracturen
ird in dem Abschnitt 10 ^über die Ptosis nacb Traumen^ abgehandelt
3rden«
d) Die Ptosis bei Sinusthrombose.
§ 190. Das Krankheitsbild der Sinusthrombose ist oft recht schwer, ja
anchmal ganz unmöglich erkennbar, weil nicht selten die durch die Sinusver-
opf ung bedingten Symptome sehr wenig prägnant sind. Andererseits treten häufig
e der Thrombose zu Grunde liegenden Affektionen so beträchtlich in den Vorder-
lind, dass sie den klinischen Gesammteindruck bedingen. Handelt es sich
n eine infektiöse Sinusthrombose, so ist die Unterscheidung einer solchen
m einer Pyämie mit Cerebralerscheinungen , oder einer Meningitis äusserst
;hwierig. Ebenso ist die marantische Sinusthrombose Erwachsener von letzt-
»nannter Erkrankung oft gar nicht zu unterscheiden, da bei beiden die
eichen Symptome (Nackenstarre, Somnolenz, Kopfschmerz etc.) vorhanden
iin können. Um so wichtiger erscheint daher die bis jetzt noch recht
shwierige Aufgabe, für die Thrombose der verschiedenen Sinus eine sichere
irmptomatologie zu schaffen.
Am bekanntesten ist das von Griesinger zuerst beschriebene Symp-
>m des Oedems in den Weichtheilen der Regio mastoidea bei Thrombose
Q Sinus transversus. Gerhardt machte bei letzterer auf ungleiche Füllung
3r Vv. jugulares ext. aufmerksam.
Ganz unsicher sind die Zeichen der Thrombose im Sinus petrosus.
Bei Verstopfung im Sinus longitudinalis entstehen Erweiterungen der
autvenen an der seitlichen Partie des Vorderkopfes, Schwellung der Haut um
ie Augenbrauen, an der Stirn, am Scheitel und am Hinterhaupte. Hie
ad da wird heftiges Nasenbluten beobachtet. Die übrigen Hirnerscheinungen
iben keinen lokalen Charakter, sondern kommen bei der Thrombose jedes
inus vor: wie Krämpfe, Sopor oder Coma und Delirien.
Am prägnantesten sind die Symptome bei der Thrombose des Sinus
ivemosus, auf welche deshalb in ausführlicherer Weise eingegangen werden
Jl, da hier die verschiedensten Erscheinungen am Auge beobachtet werden,
iter denen die Ptosis eine bedeutsame Rolle spielt.
Was die Aetiologie bei der Verstopfung des Sin. cavern. betrifft, so
indelt es sich beinahe nie um eine marantische, sondern fast stets um eine
ifektiöse Sinusthrombose. Bei Betrachtung des von Macewen entworfenen
Themas der intra- und extrakraniellen venösen Anastomosen (Fig. 79)
achtet ein , wie z. B. ein Gesichtserysipel , welches eine Phlebitis der
Fig. 79.
Schema der intra- und extracraniellen venösen Anastomosen nach Macewen: «Die infektiJ
eiterigen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks*, übersetzt von Rndloff, Wk/M
J. F. Bergmann 1898.
Difi Ptosis bei der Sinusthrombose.
4m
il. ant, oder der OrbitaJvenen verursacht hat siehe Fig. 80, eine Throm-
386 des Sin. cavernos. hervorrufen kann» Dasselbe bewirken infektiöse Ent-
cündungen der Miiiid-Nasenhöhle , an den Kiefern durch Vermittelung der
V^enen des Plexns pteryguideus.
Lloyd (927) beobachtet eine Thrombose des Sinus cavernosus bei einer
rScbädelbasisfraktur, die zu einer Meningitis geführt hatte.
Hulke (928) beobachtete dieselbe Folgeerscheinung nach einem Schlag
Jtuf den Kopf ohne Schädelfraktur,
sj 191. Was nun die Symptomatologie der Thrombose des Sinus cavernosus
[betrifft, so macht Macewen (929) darauf aufmerksam, dass in mehr als
Fig, 80,
Die AnastOTDOsen des Shiuß ravprnomi mÜ .extraCfaDiellen Venen nneh Maceweti. ,Die iofektiös-
eiterig(»ii Erkmiikuijgea dea GehirnB imd Bücken mar kn , überbeut voti R u d 1 o f f. Wletbadeo.
J. F: BrrgniaDn.*
/ Sians cavemt^Di. // Vena fiiriialiB. IJl TniDPiis teniporo-iniixiUnri», S Venne oosaleB. 9, 20
Voiwe augularefl. 2 Veuae opiithalmicae infi?n«r. 4 Venae ophlhalmicAe su|>eriores. 6 Vena
frontalis, 15 Vena «phetinfjAhitiiia.
der Hälfte der Fälle sich dieselbe durch den Sinus circularis Ridley
Inndurch bis in den Sinus der anderen Seite »fortsetzt. Es werden also die
Erscheinungen, welche im Anfange auf einer Seite sich abspielen, im späteren
Stadium auf beiden Seiten auftreten.
Bevor wir nun die einzelnen Symptome besprechen, wollen wir die in
der Litteratur niedergelegten Fälle, bei denen eine Ptosis beobachtet wurde,
in Kürze referiren.
Couplflnd (980) beobachtete eine 43jÄlinge Patientin, die mit Kopföchmerz ond
Abnahme «les linksseitigen Hörveiwögens erkrankt war. Darauf stellte sieb Diplopie»
StrabiBnuiS und Ptosis ein. Bei der AufDabnie im Krankenhause bestand recbta voU-
stAndlge Ptosia and ünbeweglichkeit des Bulbus, links pÄrtielle Ptosis und noch geringe
WilbrKa4>8 aenger« Neurologie dos Aai^os. 1. Bd. U. AhikeÜtmg. 27
404 Die Ptosis bei der SiDusthrombose.
Beweglichkeit des Auges nach inneD. Beide Pupillen waren weit und starr. Der Aof»
hintergrund erschien normal. Die C onjunktiva war injizirt und völlig nnempfindlidL EbcH»
war die Sensibilität im Gesicht und an den unteren Eztremitftten herabgesetzt. Die PafteUir-
reflexe fehlten. Es trat Coma, und nach 2 Tagen der Exitus ein. Die Sektion «gab:
eiterige Thrombophlebitis beider Sinus cavemosi , ebenso des Sinas transrersos nnd öra-
laris, und frische Meningitis an der Basis. Es lag weder eine Knochenerkrankimg, nodi
eine Erkrankung des inneren Ohres vor.
Bland in (931) berichtete über einen jungen, kräftigen Menschen, der sich heftig
am Kopfe verletzt hatte, ohne das Bewusstsein zu verlieren. In der rechten Parietalgegad
hatte er eine unregelmässig geformte Wunde acquirirt, die am folgenden Tage heftig schmenii.
Nach etwa 8 Tagen traten Schüttelfröste und Fieber mit äusserst heftigen Kopf-
schmerzen auf. Das rechte Auge war geschwollen, schmerzhaft und ragte aus der Ang»
höhle hervor. Der Patient konnte die Lider nicht bewegen. Die linke PnpiUe war atazr.
Die übrigen Augenmuskeln konnten bewegt werden.
Bei der Autopsie fand man ein Gemisch von Eiter und Blut in dem Sinns etTer-
nosus und im Sinus longitudinali», Eiter in den Diplo6venen des Schläfenbeins, AradmiÜB
und Leptomeningitis.
Macewen (929). Ein 66 jähriger Mann hatte 9 Monate nach einer angeblichen Er-
kältung andauernd Schmerzen in der linken Eopfbälfte, die oberhalb der linken Augen-
braue auftraten, über die entsprechende Stimhälfte ausstrahlten and für nearalgisch ge-
halten wurden. Gleichzeitig hatte Patient ein Gefühl, als ob die linke Nasenseite verstopft
sei. Bei der Untersuchung fanden sich die Lider des linken Auges beträchtlich geschwoUei.
Es bestand leichter Exophthalmus und eine vollständige Ophthalmoplegia ext. Recbis
waren ähnliche Erscheinungen von geringerer Intensität vorhanden. Die Schwellung der
Augenlider, die nicht mehr geöffnet werden konnten, nahm zu. Nach 14 Tagen trat der
Exitus ein.
Die Autopsie ergab einen Abscess in der linken Augenhöhle, Thrombose des Sinis
cavernosus, Leptomeningitis und einen Tumor, welcher eine der grössten, in den Sinns
cavernosus sich entleerenden Venen umschloss.
Macewen (933). Eine 20jährige Patientin wurde wegen ausgedehnter Thrombose
des Sinus sigmoideus und cavernosus, wegen Meningitis und Fremdkörperpneumonie der
rechten Lunge nach rechtsseitiger eiteriger Otitis media aufgenommen.
Aus dem Status interessii-t uns ein rechtsseitiger Exophthalmus nnd eine rechts-
seitige Ptosis, Strabismus convergens mit einer geringen Abweichung des Augapfels
nach oben. Die Pupille war erweitert und starr. Das linke Auge war normal. Becfati
hatte die Papilla optica ein leicht getrübtes Aussehen, links bestand leichte Hjperämi«.
Knapp (934) beobachtete einen 30jährigen Mann, der mit rechtsseitigem heftigeo
Kopfschmerz, Nasenbluten, Erbrechen und Schüttelfrost erkrankt war. Bei seiner Anfnahne
im Krankenhause wurde eine rechtsseitige Ptosis konstatirt. Die rechte Pupille war
sehr dilatirt und reagirie nicht auf Licht. Der rechte Bulbus konnte nicht bewegt werden.
Die Sehschärfe war herabgesetzt ; die Conjunktiva geschwollen und gerOthet. Die linke
Pupille reagirte auch nicht auf Licht. Femer war der linke Bulbus nicht sp bewegheh,
wie im normalen Zustand. Die rechte Gesichtsseite schien gelähmt. Greruch nnd Greschmsek
waren sehr herabgesetzt.
Bei der Autopsie fanden sich die Sinus cavernosi mit weichen Gerinnseln gefUlt
Die Pia war blutig injizirt und stark infiltrirt.
Lloyd (935) veröffentlichte einen Fall von Proptosis durch Thrombose des Sinus
cavernosus, bei dem sich ein Aneurysma der Carotis interna und der Arteria basilaris
fand in Folge von Periarteriitis suppurativa.
H. Weber (936) berichtete von einem 25jährigen Manne, der ein Gesichtseryaipel
hatte , dass derselbe 9 Tage nachher mit Kopfschmerzen und Fieber erkrankte. In den
folgenden Tagen traten meningitische Symptome auf. Die linke Seite erschien gelihmt,
Die Ptosis bei der Sinusthrombose» ^^^^" 405
reebte Auge geschlossen. Die Pupillen wai-en zuerst verengt, erweiteren skli dann
Qd reagirteR träge.
Bei der Sektion enthielt der rechte Sinns cavernos. einen grau-rothenp wandständigen
hronibus,
Coupland (9S7) beobachtet« bei einem *^ljä]irigen Manne am ersten Tage der
Eraakenb au sauf nähme einen Puls von 48, Respiration 80 und Temperatur 37,1. Er war
chtsseitig gelähmt; die Sensibilität des rechten Armes und der rechten Gesichthälfto war
stumpft* Die Reflexe in der rechten unteren Extremität erschienen verringert. Es
bestand eine rechtsseitige Ptosis. Die rechte Pupille war verengert und reagirte träge
aof Licht: die linke erweitert und unbeweglich. Di© Zunge wich nach rechts ab. Bei der
Sektion fand sich eine Thrombose des Sinus cavernosus, des Sinus lateral, und der Vena
fo»9. Sylvii; ferner zahlreiche punktförmige Blutungen in beiden Hemisphären. Im linken
Thalmus opt. war eine hnse)nu8sgros«e Erweichung vorhanden ; ferner war der linke Him-
schenkfl erweicht, und von zahlreichen Blutungen durchsetzt.
Schule (9^8) beobachtete ein Gesichtseryarpel, das die Wurzel der Nase und beide
Lider einnahm und zwar so, dass die oberen Lider so geschwollen waren, daas der 42 jähr.
Patient dieselben kaum mit den Fingern erheben konnte. Im Gehirn fanden sich ver-
Bchiodene encephalomalacische Herde, in welchen mikroskopisch ein Mikroorganismus
ttachgewiesen werden konnte.
Eine Thrombose des Sinns cavernosns kann auch in Folge von infektiösen
Prozessen in der Nasenhöhle eintreten, wie im folgenden von Riissel (939)
beobacliteten Falle,
Ein 34 jähriger Mann litt seit längerer Zeit an heftigem Schnupfen mit reichlichem
AnsflasB aus der Nase, Plützlich bekam er heftige Schmerzen in der linken Scliläfengegend
and Erbrechen. Später stellte sich Schüttelfrost ein und Rüssel konstatirte einige Tage
nach der Aufnahme im Krankenhause: vollständige linksseitige Ptosis. Der linke Bulbus
war absolut unbeweglich, die Bindehaut injizirt, die Pupille leicht dilatirt und die Horn-
haut nnemptindlich.
Bei der Autopsie fand man die Stnus ethmoid. und aphenoidal. mit jauchiger, fötider
Flüssigkeit gefüllt. Der linke Sinus cavernosus, der Sinus circularis und die Vena ophthalm«
siii. waren infolge eines Thrombus ohliterirt.
Von diesen 10 mit Ptosis einhergegangenen Fällen von Thrombose des
Sinns cavernosus müssen 3 besonders betracbtet werden, da die Ptosis hier
eine Pseudoptosis war, die also keine Nervenläsion darstellte, sondern durch
das Oedem des oberen Lides bedingt wurde. So war im Falle Bland in das
rechte Auge so geschwollen, ditss der Patient wahrscheinlich deshalb die Lider
nicht bewegen konnte. Dasselbe tritft bei dem Falle Lloyd und 8cbüle zu. Nach
Macewen muss man im allgemeinen auf 2 Symptoraengrirpiien achten, die
in der Regel vorhanden sind; die eine beruht auf dem Verschluss des Sinus,
die andere auf Lähmungserscheiniingen, w^elche durch Druck auf die Nerven
in der Umgehungdes Sinus hervorgerufen werden. Zur ersteren Gnippe gehört der
Exophthalmus, siehe Fig, 81, das Oedem der Lider, Oedem der entsprechenden
Seite der Nasenwurzel und Chemosis, während die andere Gruppe, zu welcher die
Ptosis, die Pupillen die Sensibilitäisstörungen , die vollkommene Unbew^eg-
lichkeit des Bulbus und die Sehstöningen (Papillitis) gehören auf eine Altera-
tion der im Sinus cavernosus verlaufenden Nerven hinweist, deren Lage aus
der Fig. 69 pag; 316 ersichtlich ist
27*
«6
Die Ptosis bei der SmyRthromboae.
In Jen beiden von Macewen verofientlichten Fällen sehen wir Exoplh
thalmiis, Schwelhmg der Lider und echte Levator Iah mung. Auf !et2t^r%
kann auch daraus geschlossen werden, dass ausserdem eine vollständige Ophtbl-
moplegia ext. vorhanden war, ebenso wie in dem Knapp' sehen Falle, bei dem
sicher auf beiden Seiten der OculomotoriuSj Abducens und Trochlearis affizirt waren
ausser noch anderen Hirnnerven. Im Falle C o u p 1 a n d und K u s s e 1 war auss^^r-
dem noch der Tr ige minus alterirt und, zwar so, dass im letzteren Falle dit
Cornea^ im ersteren Falle die Konjunctiva und ein Theil des Gesichts uTi»'m*
pfindlich waren.
Im 2. von Coupland berichteten Falle w^ar auch eine rei'htet^itur
Hemiplegie aufgetreten. Letztere dürfte wohl auf einer Hämorrhagie in da
Hirnsubstanz beruhen, die sich
Fig, 81.
W* W, Exopbtlmlfini^ uoil Liclfklfm bei Smas-
tliromljose.
Thrombose des Sinus cavei
ebenso häutig findet^ wrie ein hasi
meningi tischer Prozess. Wa^
die spezielle Lokalisation betrifft
so ist die Hemiplegie wahrscheinlid
auf die Blutungen und Erweichung
im linken Hirnschenkel zu beziehen
Sehr auftauend erscheint^, dass hier
eine gleichseitige, also rechtsseitige
Ptosis vorlag. Dieselbe ist somit
nicht auf die Hirnschenkelatfektiün
zurückzuführen, sondern wahrschein-
lich auf die Thrombose im Sinus
cavernosus.
10. Die Ptosis nach Traumen.
Die Einwirkungen von Tr
men auf die Augenmuskeln
haupt und in specie auf den Levati
lassen sich am zweckmässigsten in
folgende SHaupt-Gmppen theile
L
U
Traumen, welclie direkt die Sehne des Levator oder diesen seil
mit seinem orbitalen Nervenaste verletzen.
Liisianen der Umgehung des Lerator palpebrae und deren Folgt»-
jEiistaiide, woduridi die Leistungsfähigkeit dieses sonst nicht direkt
betroffenen Mnskels heeinträclitigt wird.
IIL Liisionen der Nervenleitung des Levator im Oeulomotonnsstamn
In seinem Wurzel-, Kern* und eortiealen Ursprungsgobiele.
I
EfklÄrung der Figur 82.
1 Haut des oberen Aiigeiilidea ; 2,2 Miisc. orbicoL piilpebr. ; 3 Fasern palppbr, stip, ;
-4 Rand de$ 8tlrnbeiDe ; 5 Tursus superior^ M':heiLiatiäch ÄbjLtegrtmzt, Muse. levAtor palpebr. super.;
6a dpsseti lfnupts«hne, welc^he sich ?.wjsfhen Taröuö yotl Muse orbii-utttri» ausbreitet; 6 6 der
glatte M, jHilpi^bralis gup. : 6 c vereitiii^er Eur Coojunctiva KirlieDder FiiscIeD -Zipfel de^ M. Icvii^tr
palpebTae und de> Muac. rt-t*tus siipenor; 7 ^1. rectu** soppr ; 8,8 Tenou^sche Fasde ; 9 S^hne
des M» rectus superior, dureh den Teuori'schen Kaum ?Jidiend ; 10 Abgrenzung des iuneren Orbitiil-
fettps ; 11 g€gpo den »upravajj^iaalen Kaum 12; 13 Muse rt'Ctus inferior; 13 a sein Fiisuieu^iplel
mm uuttTeu Augenlid: 14 Qüersthuitt den Muse, obliq. infer ; 15 Haut des unteren Augenlids;
16 Tarf^us infer. Äeh<*miitisdi nbgegrenjct ; 17 FBstia paljKjbr. infer. ; 18, 18 PtTiorbiiii; 19, 20
Fomix Conjuort. a Sehnerv; i» Gltuikörper ; rLinsfe; d Hornbaut Vertikaler Diirelj!>chnitt durch
den Augapfel und die Orbjia in der Rii.htung der tJrbitaJaclist? bei geschloüsener LidspaJte nach
Schwftlbe.
geschlossen gehalten und dadurch die Miiskelsiibstanz desselben mehr nach
Torn gebracht worden war (siehe Fij.^ 82) , oder dass ein stumpfer oder
schneidender Gegenstand zwischen Orbitaldach und Muskel gegen den letzteren
geführt wurde, resp. dass ein Projektil denselben zersclimettert liatte. An
406 Die Ptosis nach Traomen.
dem pag. 416 zu erwähnenden Falle Reich (841) sehen wir, dass penetrirend»
Orbitalverletzungen, welche ihren Weg durch das Unterlid nehmen, den LeTat«
meist gar nicht direkt gefährden, weil derselbe dem Dache der Orbiti
zunächst und damit am entferntesten von der Einstichöffnung gelegen ist
Man könnte sich auch eine Quetschung des Levator dadurch hervorgebracht
denken, dass ein von vom gegen das Auge geführter Stoss den Bulbus plöt^
lieh in die Augenhöhle zurückdrängen würde, und der so komprimirte Orbital-
inhalt wieder den Levator gegen das Orbitaldach presste, oder auch dass
durch die Formveränderung des elastischen Schädels das Orbitalfett unter
Einwirkung das Traumas komprimirt werde, und dadurch die Muskeb und
Nervenäste eine Quetschung erfahren. Ganz in dem gleichen Sinne könnte
auch ein in die Orbitalhöhle gedrungenes Projektil eine Quetschung des
Levators resp. seiner orbitalen Nervenstämmchen zur Folge haben.
Die durch direkte Einwirkung einer stumpfen Gewalt auf das Oberlid
etwa durch einen Faustschlag auf das Auge, hervorgerufene Ptosis ist zum
Theil die Folge einer Quetschung der kleinen Oculomotoriusästchen in der
Muskelsubstanz des Levator selbst, zum Theil beruht sie, und zwar nach
penetrirenden Wunden, auf direkter Durchtrennung des Muskels resp. seines
Ansatzes am Tarsus des Oberlides und der im Muskel verlaufenden Xerven-
zweige. Meist wird dabei die Ptosis noch verstärkt durch das in das lockere
epitarsale Gewebe ergossene Blut, wodurch die Schwere des alsdann beutelförmig
aufgetriebenen Lides noch vermehrt wird.
Bei einer durch Einwirkung stumpfer Gewalt auf das Auge bewirkten
Ptosis ohne Blutung ins Gewebe, und namentlich ohne Erscheinungen einer
Basalfraktur oder anderweitiger cerebraler Symptome, vielleicht nur bedingt
durch einen leichten Stoss oder z. B. durch einen angeschlagenen Schneeball,
hat man jedoch immer zu bedenken, dass durch den das Trauma begleitenden
psychischen Shock, namentlich bei nervösen Individuen, eine Ptosis rein-
funktionell nervöser Natur (Ptosis liysterica) erzeugt worden sein könnte, welche,
entweder für sich allein bestehend, die einzige Folge dieses Traumas dar-
stellen, oder doch die Wirkungen der in der That vorhandenen organischen
Läsion nach Intensität und Dauer der Erscheinungen noch vermehren möcht«.
Die direkten, das Lid und den Levator durchsetzenden Verletzungen
sind nur selten die Folge der Einwirkung von Waffen.
So berichtet Straub (829) über 2 Fälle von Verletzung der linken Augenhöhl«
durch Bajonnetstich. Im ersten Falle war das Bajonnet unter spitzem Winkel latenü in
die Fissura orbitalis superior eingedrungen. Es bestand vollkommene exteriore und inte>
riore Ophthalmoplegie, sowie Blindheit infolge Zerreissung der Bewegangsnerven des Angea
und des Sehnervs.
Im zweiten Falle war eine retrobulbäre Blutung aufgetreten, zugleich war vorüber-
gehende Anämie der Netzhaut, Blindheit, Verletzung der Sehnerven, der Arieria Ophthal-
mica, des Nervus abducens und Oculomotrius festzustellen.
Selwyn (915) beobachtete bei einem 4jährigen Knaben eine 3*/* Zoll tiefe Wunde
dicht unter dem oberen Augenhöhlenrande der rechten Seite infolge eines Messerstiches.
Nach dem Herausziehen folgte etwas Gehirnmasse nach. Bei geringen Zufällen and
exspektativer Behandlung heilte die Wunde binnen 6 Wochen. Aber noch 17 Jahre dartof
Hcan.
Die Ptosis nach Traumen. 409
ar der rechte Bulbus ganz blind und daa obere Lid gelähmt. Die übrigen Sinnea-
ne und das Allgemeinbefinden waren gut, doch behielt der Jüngling ein schwacheB Ge-
chtniss und blieb unfUbig zu geistiger Thätigkett.
Viciano {826) erzählt einen Fall» bei welchem durch einen Degenstosa nur eine
etrirende Wunde der Augenhöhle linkerseits an der Grenze des inneren Drittels und der
ei äoöseren Drittel des Oberlides entstanden war. Es fand sich eine Ptosis, sowie
e Diplopie im Sinne des Rectus superior,
Ln diesem Falle hatte also oftenbar die Degenspitze den Baucli des
icht über einander liegenden Levator und Rectus superiur resp, den gemein-
men Fascienzipfel durchstossen.
Was die Hiebwunden anbetrifft, so berichtet Ribes(916) über einen
ihr interessanten Fall.
Ein junger Mnnn erhielt eine Hiebwunde am Kopfe, welche sich schräg von der
oberen Partie der linken Schliifengrube Über die Nasenwurzel hinweg zur rechten Foasa
^canina erstreckte. Die Haut, die SchiHfenzweige des N. facialis, der M, auricul. ant., ein
[Theil des Schl&fenmuskels, des Orbicul. pftlpebr., des M, corrngator supercilior, der Stim-
des N. sapraorbitalis und die betroffene] e Arterie waren getrennt und hingen auf die
"Wange herab. Dui-ch die entstandene Oeffnung konnte man zugleich die Bewegungen des
Bulbus und des Gehirns sehen. Gehirn und Bulbus schienen gesund. Der M, levator
palpebrae war aber in seiner Mitte durchschnitten, sodass sich das äussere am
Lide sitzende Knde niit in dem herabgescblagenen Lappen befand. Nach 6 Wochen Heilung,
aber daa Äuge blieb bliud und das obere Lid nnbe weglieh.
Auch beim Säbel- und Rapier fechten tritt dann und wann einmal eine
Augen Verletzung auf, wie in einigen noch später zu erwähnenden Fällen.
Häutiger werden die Verletzungen des Levator bedingt durch einen Stoss
mit einem Stock oder Regenschirm, oder durch das Hom eines Ochsen oder
einer Kuh.
Bei einem Falle Viciano'a (826) nach einem Stoss mit einem Regenschinne gegen
das rechte Auge fand sich eine Ptosis, sowie eine Narbe des Oberlides, ausserdem eine
solche der Scleralbindehnut mit Äbreissung der Insertion des Rectus internus,
Garrard und Snell (827) beobachteten nach einer Stichverletzung des oberen
Lides durch eine Steckspitze totale Oculomotoriust&hmung und t? eh nerven at top hie.
In diesem letzteren Fall war oö'enbar der Stamm des Oculoniotorius zu-
gleich Ulli dem SehneiTen durch die Stockspitze diirchtrennt worden.
Eitrene Beobachtung: Ein 22 jfthnger Mann, R E. wurde ins Krankenhaus wegen
Blutsturz nach Ulcus ventriculi gebracht. Als Nebenbefund fand sich eine Ptosis, welche
deit seinem 5. Lebensjabre bestehen soll. Ein Mann habe ihm damals mit einem Stock
ins Auge gestossen. Das Unke Oberlid bedeckt Zweidrittel der Pupille. Der linke Fron-
talis in leichter Contmctionsstellung.
Kern pn er (834) berichtet von einem 25jährigen Fleischer, welcher von eiaem
scheu gewordenen Ochsen mit dem konvexen oberen Theile des Horns gegen den oberen
inneren Orbitalrand und den inneren Augenwinkel des rechten Auges gestossen worden
war. Als einziges Eesiduum blieb nach Heilung der Wunde und Rückgang der Lidschwell-
ting eine Ptosis zurück.
Aetiologisch interessant ist folgende Beobachtung Cooper's (917)*
Die Tochter eine« Kutschers hatte einen sehr stjarken Wolfsbund gelieb kost und
dieser hatte nach ihr gescbnnppt. Der Eckzahn des Hundes war durch das linke Oberlid
nahe dem inneren Winkel eingedrungen, hatte die Integumente nach aussen gedreht, so-
dass daa Zellgewebe in der Tiefe blosslag^ der M. levator palpeb. war vollständig, aber
«nregehnässig getrennt, wobei der untere Tbeil vom Augenlid herabhing. Einige Zeit
ä
410 -Die Ptosis nach Traaroen.
nachher fand Gooper eine komplete Ptosis des oberen Lides. Am oberen ineni
Homhaatrande eine Wnnde mit Iris verfall.
Auch durch einen Fall gegen einen spitzen Gegenstand kann eine
traumatische Ptosis bedingt werden. Aetiologisch dürfte in dieser Hinsidit
folgende Beobachtung von Zimmermann (811) Interesse bieten.
Ein 37 jähriger Mann fiel zu Boden und stiess sich seinen ledernen Mützensdum
durch das obere Lid in die Orbita. Es traten Ptosis, Beweglichkeitsbesehränkung naek
aussen, oben und nach unten auf; die Pupille wurde weit. 3 Tage nach der Veiletmg
war die Papille getrübt, und es bestand eine weissliche NetzhauttrQbung, wie bei der EmboÜi
der Arteria central, retinae. Nur wenige GefAsse waren sichtbar. Ks worden Netikiii>
blutungen konstatirt. Es entwickelte sich ein Exophthalmus; Ptosis und L&hnmng dv
Rectus super., sowie gleichzeitige Amaurose blieben bestehen.
Hier hatte offenbar die spitze und scharfe Ecke des Mützenschirms
den Levator und Rectus superior durchschnitten und mit Zerreissung des
Nervus opticus kurz hinter dem Bulbus Blindheit erzeugt.
Im Falle Johnson's (832) wurde bei einem 14jährigen Knaben mit einer Wimde
am oberen Lide, mit Ptosis und Exophthalmus, das Stück eines Astes ans der Augenhökk
entfernt.
Auch die Schussverletzungen liefern einen grossen Bruchtheil aller
Fälle von Ptosis nach direkter Durchtrennung des Levator palpebrae. Sehr
häufig nimmt nämlich bei Selbstmördern, zufolge unzweckmässiger Führung des
Laufes, die Kugel ihren Weg durch eine oder beide Orbitae. So erzahlt
Gottberg (812) folgende Fälle:
Ein 24jähriger Mann schoss sich mit einem Revolver 5 cm nach aussen vom link«
Lid Winkel in der Höhe des oberen Orbitalrandes in die Schlafe. Die Kugel drang durch
beide Augenhöhlen und trat im äusseren Theile des rechten oberen Lides wieder ans.
Ein anderer 28 jähriger Mann schoss sich 3,5 cm nach aussen vom rechten Orlntil-
rand in die Schläfe. Es bestand Ptosis des rechten oberen Lides, der Bulbus war oAck
aussen und unten abgelenkt, die Pupillen ad maximum erweitert.
In Scheidemann's Beobachtung (830) draug die Kugel durch die rechte Oriite
und den v^orderen Abschnitt des linken Frontallappens. Rechts Ptosis, Bewe^cUutt
nach allen Seiten fast aufgehoben bis auf die Adduktion.
In einem anderen Falle desselben Autors ging der Schnss durch die rechte Scidifi.
£s trat Erblindung auf. Es bestand Ptosis und der Bulbus war nach aussen rotirt
Eigene Beobachtung: R. 6. 17 Jahre alt, einer neuropathisch schwer belaiteteB
Familie entstammender Kellner, schoss sich mit einem Revolver in die rechte Schläfe 5 ea
oberhalb des rechten Ohres. Patient wurde bewusstlos; die Augenlider waren stari^ gt-
schwollen und blutunterlaufen. Nach Ablauf der Schwellung und Sugillation wurde reckli
totale Ptosis, absolute Accoromodations- und Pupillenlähmung konstatirt. Die Funktion des
m. rectus extern us war normal, die des internus sehr schwach. Sonst L&hmnng aller B«l-
busmuskeln. Opbth. Befund, Gesichtsfeld, Farbensinn normal. Sehschärfe rechts = *«.
links normal.
Es kann aber aucli eine Schussverletzung zu Zersplitterung des Orbital-
daches führen, wobei der unter demselben gelegene Bauch des Musculus Levator
der Verletzung durch Knochenfragmente ausgesetzt wird, wie im Falle
Koch's (831).
Revolverschuss in die rechte Schläfengegend. Der rechte Bulbus stark Yoigedriagt
und unbeweglich, das Sehvermögen erloschen. Nach Abtrennung des ganxen oberen AugiB-
w.
}
Die Ptosis nach Tmumen. ^^^^H 411
toUenrandes zeigte »ich das Orbitaldacb m viele Splitter zertrümmert, die eutferut
werden mussten.
Währemi derartige Verletzungt^n des Levators reepekt. seiner orbitalen
ervenäste kaum zu diagnostischen Bedenken Veranlassung geben, und abge-
sehen von den intraocularen Erscheinungen, meist nur von rein chirurgischem
Interesse sind, verhalt sicli die Sache schon anders bei der folgenden Gruppe
traumatischer Lähmungen des Oberlides.
IL liäsianen der Umgebung des Levators iiutl üire Folgezustliude, weleiie
die Leistutifsfliliigkeit dieses sonst nicht direkt betruffeiien Muskels be-
eiiiträchtigfeii.
Die dahingehörigen Einwirkungen auf den Levator theilen sich wieder
in folgende 2 Gruppen:
R) die Vermehrung der Lidschwere durch unter die Haut desselben
ergossenes Blut.
§ 193, So können Kontusionen der Stimhaut durch das vor der Fascia
arsoorbitalis in das episcierale Gewebe hinein sich senkende Blut eine solche
|l* Schwere des Überlides erzeugen, dass die durch Kontraktion des FrontaliSj
f noch verstärkte Wirkung des normal gebliebenen Tonus des Levator nicht
ausreicht, auch nur um ein kleines das beuteiförmig aufgetriebene Oberlid
^ zu heben.
Die Stirnhaut ist mit der Aponeurose des ÄL frontalis sehr fest ver-
wachsen, dagegen die Hinterfläche dieses Muskels mit dem Pericranium nur
durch lockeres Zellgewebe verbunden, letzteres aber steht mit dem subcutanen
Zellgewebe der Lidhaut in unmittelbarem Zusammenhang. Daher kommt es,
dass Kontusionen der Stirnkaut gewöhnlich nur einen genau umschriebenen
Bluterguss (eine s. g. Beule) dann zur Folge haben, wenn nur die zwischen
Haut und Muskel liegenden Geilisse zerrissen sind, dass aber auch in anderen
Fällen, wenn die Blutgefässe zwischen Muskel und Pericranium gesprengt
wurden, die Sugillation sich ausbreitet und durch die äussere Haut des
oberen Lides durchschimmert. Die Weiterverbreitung dieses Blutes bis zur
Conjunctiva des Bulbus wird durch die Fascia tarso orbitalis (siehe Fig. 82s}
gehindert. Zander und Geissler (1. c. pag. 408).
b) durch Erguss von Blut in die Orbitalhöhle und dadurch aus-
geübten Druck auf die Muskelsubstanz des Levators selbst, oder auf
den ihn versorgenden Nervenast.
§ 194. Das in die Orbitalhöhle ergossene Blut durchsickert das Fettgewebe
derselben und gerinnt. Hat nun eine grosse Menge Blutes die Muskeln und
Nerven umhüllt und in seine geronnene Masse eingeschlossen, so wird schon
durch diesen Umstand allein der Bulbusbewegung und Levatorfunktion ein
mechanisches Hinderniss bereitet. Verstärkt wird dasselbe noch durch die Streck-
412 Die Ptosis nach Traumen.
I
ung der Muskeln beim gleichzeitig vorhandenenExophthalmus, ein Zug, welcher ji
auch wegen des Fascienzipfels (Fig. 82 6 c) auf den Levator mit übergeht Ferner
werden durch das geronnene Blut die Nervenäste gedrückt , und dies um n
mehr, je dünner sie sind. Ein weiteres, den intraorbitalen Druck vermehreiida
Moment beruht in der gleichzeitig vorhandenen mehr oder weniger stul
ausgeprägten Stauung im orbitalen Venengebiete und in der Dmckvermehnag
durch die Pulswellen, welche von der Carotis intern, aus durch die Arterii
ophthalmica in die Augenhöhle hineingetrieben werden.
Die Blutung in die Orbita aber kann wieder zweierlei Ursache haben,
indem sie a) die Folge lediglich einer Zerreissung der Orbitalgefasse (nuk
penetrirenden Wunden oder auch ohne solche) darstellt; ß) oder von einer
Blutung aus einem Riss der Orbitalwand herzuleiten ist.
§ 195. Dass ein in die Orbita gestossenes Instrument neben eventueller
Schädigung der Muskeln und Nerven auch eine Reihe von Orbitalgefassen zer-
reissen wird, liegt auf der Hand. Eine dadurch bedingte Orbitalblutung kum
aber, selbst wenn der Stichkanal fern vom Verlauf des Levator geblieben war,
dennoch durch Kompression diesen Muskel vorübergehend lähmen, wie in
in den folgenden Beobachtungen.
Valentini (918) erzählt folgenden Fall:
Ein Soldat hatte infolge einer Verletzung der Orhita mit einer Degenspitse sofoit
das Sehvermögen verloren. Eine Stunde später waren die Lider stark geschweDt, üi
Gonjunktiva hlutig suifundirt. Einige Linien vom Homhantrande sah man eine feine Stick-
wunde in der Bindehaut, durch welche man zwischen Sclera und Bindehaut ^■s " tief vmA
der inneren Orhitalwand hin eindringen konnte. Der unverletzt gebliebene Bnlbns wir
erheblich aus der Augenhöhle hervorgedrängt und vollkommen unbeweglich. . Papille atair
und reaktionslos. Die ophth. Untersuchung ergab die brechenden Medien dorchaiekfig,
die Arterien der Netzhaut dOnn, blutleer, die Venen geschwollen, schwarzen Striii|a
gleichend, die Papilla nervi optici, wie bei der Neuritis optica, stark geröthet and geschwellt,
ausserdem Netzhauthämorrhagien. Während der Heilung begann zuerst der M. rNtn
nternus, dann beide obliqui, dann die M. recti inferior, und snper. und endlich der IL
rectus extemus sich zu kontrabiren, so dass nach 6 Wochen die Beweglichkeit des Ang^ifeb
wieder hergestellt war. Nachdem sich der M. obliquus inferior wieder bewegte, fing aack
die Pupille wieder an sich zu kontrabiren. Erst 14 Tage später wurde auch der Levttor
wieder thätig, das Auge blieb aber blind.
Hübsch (919) sah einen türkischen Rekruten, der sich beim Laden des Gewehitt
das Bajonnet 2"' unterhalb des rechten unteren Lides eingestossen hatte. Schwellong des
Lids, Protrusio bulbi. Die eingeführte Sonde gelangte hinter den Bnlbas in die OiMal-
höhle. Im Verlaufe einer Woche heilte die äussere Wunde, aber die Lähmung der Aoga-
muskeln und des Lidhebers blieb bestehen. Später stellte sich dann die Beweglichkeit
des Lidhebers wieder her. Das Auge blieb blind. Die am Boden der Orbita hingieitenie
Bajonnetspitze hatte den Opticus getrennt und die andern Muskeln resp. deren Nerreniiti
lädirt mit Ausnahme des Levator.
G all US (814) beobachtete einen Studenten, welcher beim Fechten einen Stoas mit
dem Rapier durch die Maske bekommen hatte. Die Eingangsstelle in die ConjonktiTS bdhi
war innen oben. Es entwickelte sich Amaurose , totale Oculomotorioslähmang oad Ex-
ophthalmus auf der Seite der Verletzung. Die Papille blasste ab bei stets normaler GeftM*
füllung, und es war nach Verlauf von 3 Wochen deutliche Atrophie der Sehnerren tot
banden. Die Wunde war aseptisch geheilt, und die Ocalomotoriaslähmung hatte mk
langsam aber yoUständig wieder zurückgebildet.
Bie Ptosis bei Traumen. ^^^HV 41B
D*Oeiich (815) sah nach einer oWrflüchlicben Verwundung des Lids eine Lähmung
des Abducens und des Oculomotorius eintreten, welche sich nur ganz allmählich im Ver-
laufe 700 2 Monaten wieder verior*
Lawson (835) erzälilt, dass hei einem Kinde ein Holzstäck in die Orhita einge-
drangen sei» welches totale Erblindung des betreffenden Auges und LÄhmung sämmtlicher
ßulbusrauskeln verursacht hatte. Letztere schwand nach der Extraktion des Fremdkörpers.
PJayne (920). Eio lljiihriger Knabe erhielt einen Scbrotscbusa ins Gesicht. Ein
Schrotkom hatte das obere Lid im Niveau der Deckfalto gerade Über dem oberen Thrllnen-
pnnkt durchbohrt. Nach 4 Tagen kenntatirte man, dass das Auge stark nach aussen abgelenkt
war und dasö ea nur bis zur Mittellinie nach einwärts bewegt werden konnte. Nachdem
»ich die Schwellung des oberen Lides verloren ♦ sah man, dass dasselbe gelähmt und die
Papille etwas weiter war, als die des gesunden Auges. Das Doppel tsehen war bedeutend»
Binnen 5 Wochen hatte sich die Geradeste 11 ung des Auges wieder eingestellt, und die
Ptosis des oberen Lides war geschwunden.
Vessely (828) berichtet» dass beim Säbelfechten eine Verletzung der rechten Augen-
höhle mit dem Säbel stattgefunden hatte. Derselbe sei vom oberen Augenhöblenrand durch
dfts Lid eiagedrungen. Die rechte Stirnhälfte war leicht unempfindlich. Die Bewegungen
des Auges fehlten; die Netzbaut war grau-bläulich, d\e Papille weiss, ihre Rflnder ver-
schwommen ^ die Arterien in der Form von dQnnen Streifen, die Venen bedeutend ver-
sehmülert sichtbar. Später soll f^tch die Beweglichkeit des Auges wieder hergestellt haben.
8nell und Gar rar d (827) beobachteten einen 7j&hrigen Knaben, der sich beim
Fallen mit einem Stock das linke Oberlid gerade tiber dem Orbitalrand verletzt hatte. Es
folgte vollkommene Oculomotonuslähmung, welche langsam, aber v&llig wieder verschwand,
und später Abblassung der Papille mit Herabsetzung der Sehschärfe.
5i 196. Die reinen Orbitaiblutungen, also die weder durch eine Fraktur
der Orbitalwände j noch durch eine penetrierende Wunde erzeugten Hämor-
I rhagien, kunimen dadurch zu Stande, dass bei einer gewaltsamen Form-
I Veränderung des elastischen Schädels die mit dem Trauma verbundene
yuetscliong des Orbitalfettes auch zu Zerreissungen der Ürbitalgetasse führt,
selbst wenn das Orbitaldach unverselirt geblieben und etwa nur die hinteren
Schädelgruben gebrochen sind. Ebenso ist es feststehend, dass grössere Blut-
ergüsse sich aus einem Spaltraume durch Oefiisslücher und Lücken in der
Fascie in die Gewebe hinein arbeiten können. Bergmann (836).
Auch ist zu berücksichtigen , djiss durch ein Trauma ein bis dahin
latent gewesenes Aneurysma der Arteria ophthalmica zum Bersten gebracht
werden kann, wie in der folgenden Beobachtung von Ritter (837)»
Derselbe demeustrirte das Präparat von eiucr au e urys in a tische n uod geborstenen
Arteria ophtbalmica. Dasselbe stammte von einem 77jjihngen Maune, welcher an einer
rasch total gewordenen Augenmuskelläli mutig des linken Aiige& erkrankt war. Das Coa*
galmn aaaa theils in der Augeü-p theilä in der 8chädelhü]ile.
§ 197. Die direkten oder indirekten Frakturen der Orbitalwände sind
entweder Theilerscbeinungen einer Schädelbasisfraktur im allgemeinen, oder
sie sind, bei isolirtem Vorkommen, meist die Folge eines Traumas gegen den
oberen Orbitalrand, selbst wenn keine oder eine kaum nennenswerthe äussere
Wunde sichtbar ist Während nun für die Frakturen der Schädelbasis im
allgemeinen Blutungen aus Xase, Ohr und Mund massgebend sind, müssen
wir bei der lUagnose der Orbitalblutungen zufolge einer Fraktur des Orbital-
daches folgende Erscheinungen berücküichtigen. Alle Orbitalfrakluren ergiessen
414 Die Ptosis Dach Traumen.
I
ihr Blut in die Orbita, weil mit ihnen auch immer die Periorbita, das Periwt
der Augenhöhle, zerrissen ist. Nur die feinen, dicht zusammenliegendea
Fissuren bluten nicht oder nur wenig, oder setzen nur eine kleine Bhitiog
zwischen Periost und Knochen. Meist tritt bei Orbitalblntung wegen Bam-
vermehrung des Orbitalinhaltes ein Exophthalmus auf, wiewohl das FeUa
desselben nicht gegen eine Orbitalfraktur und namentlich nicht gegen eise
Orbitalfissur spricht. Das Blut kann, sofern die Periorbita nicht mit zerreiat,
zwischen ihr und dem Knochen liegen bleiben.
So berichtet Potemski (838) über folgenden Fall. Derselbe beobachtete mm
Bruch des Scheitelbeins, der sich auf daa Dach der Orbita fortgesetzt nod betriekÜite
Exophthalmus zur Folge hatte. Die Sektion ergab , dass das Periost der AngeBbSkli
nicht wie bei den bisher veröffentlichten Fällen mit eingerissen, sondern durch dieBfateg
nach Art eines Hämatoms abgelöst und vorgedrängt war.
Fletsch er (839) erzählt von einem Schmied, welcher nach einem Schlag auf dv
rechte Stirnbein vollständige rechtsseitige Oculomotoriuslähmung acqoirirt hatte. Di-
neben bestand Stimkopfschmerz , melancholische Verstimmung u. s. w. Ein halbes Jikr
später wurde am rechten Stirnbeine trepanirt, wonach ein Riss im Orbitaldache aichttir
wurde; die Dura war mit gelblicher Flüssigkeit bedeckt, die entleert wurde. Nachte
Operation schwanden die erwähnten Erscheinungen, nur die rechte Papille blieb noch water
als die linke.
Das in die Orbita ergossene Blut sickert durch^s Orbitalfett nach vorne
und erscheint dann als Ekchymose im unteren Theile der Konjunktiva. Da
aber die die Orbita nach vom abschliessende Fascia orbitalis nicht absolut
undurchgängig ist, so erscheint das Blut neben der Bindehaut auch in den
Lidern und namentlich im Unterlide zunächst dem Orbitalrande.
Als Beispiel möge folgende Beobachtung von Silex (816) gelten: Stoss mit to
Gegend des rechten Thränenbeins gegen eine emporstehende, stumpfe £iseiistange. Reckti
Ptosis, Ophthalmoplegia interior und exterior. Amaurose. Ophthal. Bef. anfangs DOfsai,
später Atrophie des rechten Opticus. Nach einigen Tagen traten am Unterlid SogillttioiMi
auf. Nach 2 Monaten waren alle Lähmungserscheinungen mit Ausnahme deijenigen dv
Sphincter Pupillae und des Opticus geschwunden.
Silex macht dabei noch auf ein ophtalmoskopisches Symptom für vor-
handene Orbitalblutungen aufmerksam, das von Werthe sein möchte, wenn
Exophthalmus und Suffusion der Conjunctiva und der Augenlider fehlen.
Dasselbe besteht in einer zarten graugrünlichen Verfärbung der PapUk.
Nach Trauma bekäme man dasselbe nicht gerade oft zu sehen, wohl aber
beobachte man diese Verfärbung recht häufig in Kliniken, in welchen Re-
sektionen des Opticus ausgeführt würden, wonach diese blutige Unterlaufiuig
als Ausdruck der durch die Resektion gesetzten Orbitalblutung bisweilen noch
nach Wochen sich dokumentire.
Der Bluterguss in die Lider gewinnt seine diagnostische Bedeutung nnr
dann, wenn er durch eine Orbitalfraktur und durch keine andere Ursache
erzeugt wird. Will man aus der Lidsuffusion etwas schliessen, so dürfen
aus den anfangs erwähnten Gründen weder das Auge, noch die Stirn, noch
die umgebenden Gesichtspartien Sitz des Angriflfs sein. Soll nun eine
Suffusion der Bindehaut und Lider als Zeichen einer Fraktur des Orbital-
Die Ptosis DÄch Traumet). 415
daches gelten , so ist es iinerlässlich , dass sie nicht gleich oder bald,
sondern erst einige Stunden, selbst Tage nach der Verletzung auftrete. Immer
gehe, wenn das siiffiindii'te Blut aus dem Orbitalfett vordringt, die Blut unter-
lauf iing der Conjunctiva buibi der der Lider voraus. Die Eccbymosirung
betrefle meist zuerst den inneren Augenwinkel und weiter das untere Lid,
weil das Blut sich in den tiefsten Tlieil der Orbita hinabsenkt und dann erst
am Boden der Augenhöhle sich weiter ausbreitet, Bergmann (L c.)*
lieber dem Levator gelegene Blutungen können durch die Lücken der
Fascia palpebro-orbitalis (Fig. 82) in dem Oberlide auftreten. Die letztere
zieht bekanntlich von dem Orbitalrande zur oberen Kante des Tarsus bin
und ist vor demselben aufs Innigste mit dem Fascienzipfel des Levator pal-
pebrae und Rectus superior verbunden (Fig. 82). Dadurch wird eine Tasche
gebildet, deren vorderer lioden an dem Uebergange dieses Fascienzipfels in
des Septum f)rbitale am oI)eren Bande des Tarsus liegt. Ergüsse, welche aus
dem Innern des Auges hervordringen, werden demnach, wenn sie ausserhalb
der Fascie des Levator liegen, stets zwischen dem Orbitalrand und dem
Augenlid nach aussen hin sichtbar werden. Aehnliehe Erscheinungen geben
Blutungen zwischen dem Periost und dem knöchernen Orbitaldach.
Neben den vorhin erwähnten Beobachtungen berichtet
Baquis (833) über eiDeo Fall von subperiostftlem Hiiuiatom um oberen Rande der
Orbita. Bei dem 11 jährigen Patienten zeigte sich nach Sturz aus 5 Meter Hübe zuuiichst
am rechten Scheitelbeine, der Stelle des Aufschlags, eine Schwellung , die sich über die
Schläfe nach den Lidern hin ausbreitete ^ sich aber schon in den ersten 4 Tagen schnell
verringerte. Mit schwindender Lidscb wellung ergab sich dann folgender Symptomenkomplex:
Ecchymose im Sulcus orbito-palpebralia, von der Mitte des Oberlides sich lang-
sam nach den Lidwinkeln und dem Unterlid ausbreiteJid, massiger Kxopbthfllmws» ausge*
aprochene Verdrängung des Bulbus «och unten, ohne dsss ein Tumor fühlbar gewesen wäre,
keine Blutunterlaufang der Conjuuctiva bulbi, Augenbewegungen frei. Augenhintergrund
nonnalj durch eine das Orbitaldacb streifende zwei Centimeter tief eingestossene Canüle,
konnte 1.5 Cubikcentimeter flüssiges, verändertes Blut asphiit und die bis dahin zögernde
Heilung eingeleitet werden.
Das in die Orbita ergossene Blut kann nun* wie eingangs erwähnt, durch
direkten Druck auf die Muskeln oder deren Nenen zn Ptosis und zu Be-
weglichkeitsstönmgen der Bulbusmusknlatur führen. Tritt dabei eine voll-
ständige Lähmung aller exterioren Augenmuskeln auf bei Freibleiben von
Iris und Acoommodation , so darf man wohl mit Sicherheit annehmen, dass
das ausgetretene Blut lediglich nur die Muskeln bedranj^t aber die Nerven-
äste freigelassen hat, denn auf andere Weise könnte man sich sonst das
Freibleiben von Iris und Accomraodation nicht erklären.
So berichtet Helfrich (817) über folgenden Falb Nach einem Schlag mit einem
Schirm auf das untere Lid war LöbmnnjR sömintlicher äusserer Augenmuskeln dieses, spater
aach des anderen Auges aufgetreten. Ciliasmuskel und Ins blieben jedoch unversehrt.
Nach 2 Monaten trat Heilung ein. Nur eine leichte Paralyse des rechten Abducens blieb
bestehen.
Callan (818) sah einen Menscljeu. welcber gegen die linke Augengegend einen Stoss
erhalten hatte. Das rechte Auge wurde blind zugleich mit Ptosis und den Erscheinungen
einer Opbthalmoplegia exterior. Ophthalmoskopisch entwickelte sieh ausgesprochene Seh-
ne rven atroph ie.
416 Die Ptosis nach Traumen.
Femer kann man die vorhandenen Lähmungen lediglich auf Bedrängnis
der Muskeln durch Blutung beziehen, wenn nach einem Stoss oder einer Yo^
letzung sämmtliche Muskeln mit Ausnahme des Levator gelähmt erscheiwi,
wie im Falle Reich (841).
Ein 9 jähriges Mädchen wurde, während es mit anderen Kindern spielte, mit eiMB
kleinen eisernen Sähel unterhalb des linken Unterlids verwundet Wie tief der SiM ii
die Augenhöhle eindrang, konnte nicht festgestellt werden. Nachdem die durch BlntergHi
hervorgerufene starke Schwellung des Lides vergangen war, zeigte sich ein geringer Exofk-
thalmus, eine Lähmung aller vom Nervus oculomotorius versorgter Muskeln, des Mtn«
abducens und des Obliquus superior. Der Levator palpebrae war nicht gelähmt Jkt
Augengrund normal. Nach 8 Tagen war nur noch eine paretische Schwäche in den i
Oculomotorius versorgten Muskeln nachzuweisen.
Für die Diagnose einer Orbitalfraktur spricht auch, sofern keine pene-
trirende Orbitalwunde vorliegt, die Erblindung des Auges. Dieselbe kum
in derartigen Fällen nur die Folge einer den Canalis opticus durchsetzenden
Fraktur sein, wodurch der Nerv gequetscht und zerrissen wird, während Orbital-
blutungen nicht ausreichen möchten, auf den mit einer dicken Scheide um-
gebenen, im Zwischenscheidenkanal von Lymphe umspülten Sehnerven euioi
derartigen Druck auszuüben, dass Amaurose entstehen möchte. Können wir.
was gleich anfangs schwer halten möchte, die Diagnose auf Druck der Angoh
muskeln durch eine Blutung bei Orbitalfraktur stellen, dann dürfte sich andi
nach Ausweis der vorhin angeführten Fälle die Prognose günstig gestalten.
Meist werden jedoch durch Orbitalblutungen Muskeln und Nerven zu-
gleich gedrückt werden, ohne dass wir in den meisten Fällen zu entscheiden
im Stande wären, welche Lähmung rein muskulär und welche neurotischer
Natur sein möchte. In dieser Hinsicht scheint folgender Fall H irsch berg's (822l
gewisse Anhaltspunkte zu geben.
Ein Stück Holz wurde mit grosser Gewalt gegen die linke Kopfhftifte eines Mensdua
geschleudert. Patient bheb 7 Stunden lang bewusstlos. Vier Wochen später wurde noek
linksseitige Ptosis konstatirt; das Sehvermögen derselben Seite war erloschen. Aoek
die Sehschärfe des rechten Auges, welche früher gut gewesen sein soll, war auf ".;«red«'
zirt. Der Augapfel konnte nach keiner Richtung weiter als 1 — 2 mm gedreht werden. Die
Hornhaut war klar, aber vollkommen unempfindlich. Die Pupille weit und starr. Spitv
trat zwar neuroparaly tische Keratitis auf, der Musculus rectns eztemus und iutemns fiuiktio-
nirten wieder gut, auch die Amblyopie des rechten Auges ging allmfthlich wieder zvikL
In diesem Falle weist die Keratitis neuroparalytica und die absolute Starre der Pupflle
mit Sicherheit auf die Bedrängnis einzelner orbitaler Nervenäste dnreh die Blntong bii.
während die isolirte Erholung des Rectus extemus und internus es wahi-scheinlich micfati,
dass diese Muskeln selbst durch die Blutung vorübergehend in ihrer Thfttigkeit gdienuBt
gewesen sein möchten.
Auch folgende Beobachtung von Voss ins (819) dürfte hier Erwähnung finden.
Ein Soldat erhielt einen Stoss mit dem stumpfen Ende einer Lanze gegen die linkt
Gesichtshälfte in der Höhe des unteren Orbitalrandes, als dessen Folge äusserlich nnr eine
oberflächliche lineare Hautwunde sichtbar war, ohne dass die Lanze tiefer in die Weichtbeüe
des Lides und der Orbita eingedrungen wäre, und ohne Protrusion des Augapfels bei
dauernd normalem Augenspiegelbefnnd. Es bestand vollständige linksseitige Ophthalmoplegie
mit beiderseitiger Amblyopie massigen Grades. Im Verlaufe der Behandlung fast völlige
Rückbildung der Ophthalmoplegie bis auf einen geringen Grad von Mydriasis, Accommo-
dations- und Rectus superior Parese. Rückkehr des Sehvermögens zur Norm.
iDie Ptosis nach Traumen. 417
Man könnte sich vorstellen, dass in diesem Falle bei den zurückgeblie-
benen Lähmungen sowohl der Rectus superior als auch sein Nervenast, sowie
diejenigen für die Accommodation und Irisbewegungen durch den Druck der
Qrbitalblutung dauernd geschädigt worden seien, während in Fällen, bei welchen
die Lähmungen der Augenmuskulatur nach einer anzunehmenden Orbital-
firaktur rasch und völlig zurückgingen, wohl nur ein Druck auf die Muskeln
selbst stattgefunden haben möchte, analog den vorhin erwähnten Fällen von
Orbitalblutungen mit vorübergehenden Augenmuskellähmungen nach perforiren-
den Wunden.
Die Lähmungen einzelner von einem Nerven, z. B. vom Oculomotorius
▼ersoi^er Muskeln sprechen, wenn die Erscheinungen einer Orbitalfraktur
sonst vorhanden sind, gleichfalls mehr für eine Druckwirkung auf die Muskeln
selbst, als für eine Lähmung der Nerven, zumal gegen eine solche der Basis,
weil wir im letzteren Falle wohl eher Lähmungserscheinungen aller vom Nerven
versorgter Muskeln zu erwarten hätten (wiewohl dies ebenfalls nach den Er-
fahrungen bei der basalen Lues nicht ganz sicher steht). So dürften wohl
die durch Zangenextraktion hervorgerufenen Lähmungen des Levator und
Rectus superior auf eine orbitale Blutung zurückgeführt werden, zumal die
beiden Muskeln dort dicht über einander liegen. Derartige Fälle beschrieb
Berger (825). Nadaud (843) erwähnt ebenfalls zwei derartige Fälle. Die
Lahmung war einseitig und verschwand in wenigen Tagen.
m. Traumatische Ptosis nach Lasion des Oculomotoriusstammes resp.
seines nudearen und corticalen Ursprungsgebietes.
§ 198. Lähmungen einzelner Gehimnerven werden durch eine Fraktur der
Basis dann hervorgebracht, wenn die Bruchlinie das Loch oder den Kanal trifft,
durch welchen der betreffende Nerv die Schädelhöhle verlässt. Entweder wird
der Nerv dabei mit zerrissen, oder er wird durch ein abgesprengtes Fragment
durchtrennt, gedrückt oder gequetscht. Dieselben Lähmungen können aber
auch ohne Fraktur zu Stande kommen, sei es, dass der Nerv allein am Rande
seines Trajekts abreisst, oder sein centraler Ursprung im Gehirn eine Verletzung
erfährt, oder endlich ein Extravasat innerhalb der Schädelhöhle, oder des
knöchernen Kanals, den er durchläuft, ihn drückt. Bergmann (1. c. pag. 239).
Wir haben uns hier zu verbreiten:
a) über die Läsionen des Nervus oculomotorius nach Trau-
men und Aneurysmen im Sinus cavernosus,
b) über die Zerreissung des Oculomtoriusstammes an der
Schädelbasis, und die Druckatrophie an dieser Stelle
durch Blutung und eiterige Meningitis,
c) über Ptosis zu Folge traumatischer Nuclearlähmung und
d) über corticale Ptosis nach Trauma,
418 Die Ptosis nach TranmeD.
a) Die traumatische Läsion des Oculomotorius im Sinns
cavernosus.
§ 199. Meist nach einer durch Sturz, Schlag oder Quetschung entstandaa
Schädelbasisfraktur, oder bei Selbstmördern nach Schussverletzungen in da
Mund, oder durch Stich mit einem Bajonnet oder einer Heugabel in die OriwU
bemerkt man sehr bald nach dem Unfälle, oder nach Verlauf einiger Tige,
Wochen oder Monate nach demselben eine Vortreibung eines oder beider
Augen, zuweilen mit variköser Erweiterung der Blutgefässe der Lider imd
der Konjunktiva. Die Lider sind meist geschwollen, und man fühlt nidii
selten, namentlich an der medianen Partie des Oberlids, eine deutlich pol-
sirende, kompressibele Geschwulst (pulsirender Exophthalmus). Beim
Anlegen des Stethoskops hört man ein blasendes Geräusch, das auch sab-
jektiv von dem Patienten aufs Störendste vernommen wird. Die Sehkraft des
Auges ist häufig erloschen oder doch stark abgeschwächt. Bei einzelnen be
steht ophthalmoskopisch eine leichte venöse Hyperämie, bei anderen wieder
eine vollentwickelte Neuritis optica, welche später in Atrophie der Sehnerro
übergeht. Von Seiten der Augenmuskulatur wird komplete Ophthalmoplegie
mit Ptosis in allen Abstufungen bis zum völligen Intaktbleiben der Augen-
muskulatur beobachtet, bisweilen tritt, wie in dem Falle Nieden (844) noch
eine Anästhesie der Stirn-, Wangen-, Schläfen- und Lippenhaut zu den anderen
Lähmungen hinzu. Die Kompression der Carotis communis lässt alle oder
einen grossen Theil der Symptome, namentlich das Brausen und Rauschen
im Kopfe verschwinden. Häufig bestehen Schmerzen in der Augenhöhle. In
der grössten Mehrzahl aller Fälle bezieht sich dieser Zustand auf eine Z^
reissung der Carotis interna im Sinus cavernosus. Die Ruptur dieser Gefisse
kann spontan erfolgen, oder durch ein Trauma verursacht sein. Fälle erstem
Art beschrieben Rampoldi (845), Higgens (846), Peschel (847), Kipp (848),
Angelucci (849), Knaggs (850), de Vincentiis (851) und Wilder (8o2i:
bis zum Jahre 1881 findet sich die Litteratur darüber vollzählig bei Sattler
in Graefe-Sämisch, Band VI. Die spontane Ruptur betriflFt entweder eine
bereits aneurysmatisch erweiterte oder eine zwar nicht erweiterte, wohl aber
in ihren Häuten mehr oder weniger erkrankte Arterie.
Ueber einen derartigen Fall mit Sektionsbefund berichten Rosen stein und Chei-
zinsky (853). Bei einem 30 jährigen, sonst gesunden Manne war plötzlich morgens böa
Erwachen eine Ophthal moplegia dextra entstanden, nachdem derselbe am Abend Toiher eil
grosses Quantum Wein getrunken hatte. Die Sehschärfe war rechts *®/ioof die Papille hbn,
die Retinalgefässe eng; es bestand Ptosis und absolute ünbeweglichkeit des Bollm,
Mydriasis und Lähmung der Accommodation. Das linke Auge war normal. Dabei heftige
Kopfschmerzen mit Erbrechen bei völligem Bewusstsein. Dieser Zustand währte ohne jec-
liche Veränderung acht Tage lang, dann traten plötzlich klonische Krämpfe mit tödtlicben
Ausgang ein. Bei der Autopsie wurde im rechten Sinus cavernosus ein wallnosgrooei
Aneurysma der Carotis interna gefunden. Die aneurysmatische Geschwulst war mit im
Wandungen des Sinus cavernosus eng verwachsen: der vollständig verOdete Sinus stM^
weder mit der Vena opbthalmica, noch mit dem Sinus petrosus in Yerbindang. An dtf
äusseren Wand der aneurysmatischen Erweiterung fand sich eine 4 mm grosse Odhof
Die Ptosis »ach Tidumen. 419
\as), aua dem ^m Blutcoagulum bervorrai^e. Die sich hier befindet] den Ali gen-
as kein erveii waren zeratürt Die ^;au£e Obei*fläche de»* (jebirns unter der harten
Himfaimt war mit einer dünnen Schichte gerounenen Blutes bedeckt.
Ob der \^on James Adams (854) berichtete Fall ein© Comumnikation der Carotis
uitema mit dem Sinus cavernosus darstellt, oder ein nicht geplatztes Aneurysma der
Carotis ioterna, ist ans dem Sektionsjbefuude nicht recht verständlich. Ein &6 jähriger
Paüent kam in Ijehandlung wegen eines völligen Verschlusses des rechten Auges, welcher
theile von Paralj^se de» Levator, theils von Lidüflem mit obertläc hl icher Exulceratian ab-
liüngig war. Rechts bestand kaum noch qualitative Lichtempfindung. Der Augapfel war
YQlUg unbeweglich , die Dbertläche des Bulbus ganz unemptindlich. Es entwickelte sich
Keratjtiö neuroparalytica. Auch die rechte Supraorbitalgegend, sowie die rtjchtß Naaen-
seite und Nasenschleimhaut waren vj^llig gefühlloa. i^artielle Anaesthesie fand sich
ausserdem noch in der rechten Submaxillargegend. Sechs Wachen zuvor hatte Patient an
Schwindel und Kopfschmerz gelitten, welcher auf eine thalergrosse Stelle der rechten
Tempora Igegend bescbriinkt war. Nachdem diese Symptome einige Tagen hestandeu batten,
entwickelte sich rasch Ptosis und Lähmung des IIL, IV, V. und VI, Gehirnnerven.
Nach einigen Wochen bildet© sich ein Orbitalabsceas , welcher erüffnet werden rausste,
and aus dem sich Eiter entleerte. Nach der Heilung trat jedtjch keine Besserung der
Symptome ein, Patient starb vielmehr 4 Wochen später unter den Erscheinungen von
Anaaarka, Bronchitis und hochgradiger Albuminurie. Bei der Sektion fand sich im rechten
8inas cavernosuH eine weiche, etwa wallnussgrosse Geschwulst, welche bei genauer ünter-
vachung sich als ein mit fibrinösem Gerinnsel ausgefüllter aneurysm atischer Sack zeigte»
JLü der ßasalart4?rie waren mehrere fleckig degenerirte Stellen vorhanden.
Im Falle Baron (855) süss die aneurysmatische Geschwulst an der Durthtritta^
stelle der Carotis interna durch den Sinus cavernosus und schien hier rupturirt zu sein.
Im Gen drin 's Falle (856) war der Sinus cavernosus der linken Seite durch ein
entfärbtes Gerinnsel erfüllt und ausgedehnt. Dif Carotis war eingehüilt in dieses Gerinnsel,
welches auch wie ein Mantel die Arteria opbthalmica bis dahin umschloss, wo sie den
Nervus opticus überkreuzt.
Von Walker (857) wird noch ein im Verlaufe der Schwangerschaft aufgetretener
I Fall von Dempsey aus dem Jahre lö86 erwähnt» welcher zur Sektion gelangte. Hier
i war die Carotis entsprechend ihrer Lage im Sinus cavernosus in ein Spindel förmiges Aneti-
I ryema verwandelt; zugleich aber zeigte die Arieiia ophthalmica ein sacktörmiges Aneu-
I rystna von der Giöase einer Mandarine.
§ 200, Viel häutiger als sitojitan wird der pulsirende Exophthalmus ab
! Folge eines Traumas beobachtet. Dasselbe kann sowohl indirekt als direkt zu
I einer Zerreissung der Carotis im Sinus cavernosus Veranlassung geben.
Die indirekte Wirkung der verletzenden Gewalt beruht auf der Ent-
fitehuug einer Schädeibasisfraktur, welche den Körper des Ketll>eiiis, oder
[ die Spitze der Felsenbeinpyramide ^ oder beide zugleich betrifft, die Wand
des Sinus cavernosus durchsetzt und damit die t'arotis sinislra im Inneren
desselben zerreisst; oder darauf, dass ein scharfer Knochensplitter, in den
, Sinus cavernosus eindringend, die Wand der Carotis perforirt. Aus der
erschöpfend von Sattler ((iraef e -Sa e misch VI p. 77U) zusammgestellten
I zahlreichen Litteratur heben wir nur die Fälle mit Sektionsbetund hervor,
i Nelaton (858). Ein 17 jähriges Müdchen war vor 7 Monaten vom Wagen gestürzt und
wurde von einem herabrollenden Wein fasse am Kopfe getretfen. Sie verlor das Bewusst^
»ein liicht, es traten Blutungen aus dem Mund, der Na8e und beiden Obren auf. Heftiger
jioksaeitiger Kopfschmerz und Delirium durcb 8 Tagts. Ahsfess im linken Obre und linke
Fasciaiiflparalyse« Bald darauf Biudehaut^ch wellung, Protrusion dea Bulbus und blasendes
Wtthrftiid-8A<*tig«r, Ifeurologie d«$ Auge«. L Bd iL ALUifiliiiig. 28
420 Die Ptosis nach Traumen.
Geräusch. Der Augapfel vom Lide ganz hedeckt. Warde dies gehoben, so
sich das Auge allseitig beweglich und die Sehkraft intakt. Im oberen inneren Theile im
Orbita eine pulsirende Geschwulst, welche auf Fingerdruck nachgab. Carotisanterbbini.
Tod unter Erscheinungen der Pyämie.
Sektion: Die Dura zeigte sich über dem Sinus cavernosus der linken Seite istikt
der letzere jedoch sehr beträchtlich ausgedehnt. Auch der Sinus petrosns snperior ds-
selben Seite war dilatirt. Die Sinus der rechten Seite erschienen jedoch unverftoM.
Eine konsolidirte Fraktur lief durch den Körper des Keilbeins unmittelbar oberhalb dean
Verbindung mit der Pars basilaris des Hinterhauptbeins und durch den vorderen IM
der Pars petrosa beider Schläfenbeine. Die Sattellehne, sowie die Processus clinoUa
postici waren rauh und stachelig durch knöcherne Stalaktiten. An der Stelle der Früiv
waren die Bruchenden, namentlich nach links zu, ein wenig auseinander gewichen and m
6—7 mm langer Antheil von der Spitze der linken Felsenbeinpyramide erschieo tob
abrigen Knochen abgetrennt und endete scharf zugespitzt. Dieser Splüter war es obt
Zweifel , welcher . durch die Wand des Sinns carvemosus in die Carotis interna eills^
drungen war und dieser ein rundes 2 mm Durchmesser haltendes Loch in dem ioflserei
unteren Theile ihrer Wand beigebracht hatte.
Bloss ig (859) beobachtete folgenden Fall. Ein Mann stflrzte in der Trunkenheit Aber
eine Treppe und schlug mit der Schläfe gegen eine Stufe. £r blieb 24 Stunden bewusstlot.
Unmittelbar nach der Wiederkehr des Bewusstseins fand man eine Vortreibnng mmt
linken Bulbus und eine Erblindung des gleichen Auges. Das obere Lid konnte nickt
gehoben werden. Die subconjunktivalen Venen waren stark gefüllt und geschlio^;
der Bulbus unbeweglich, die Pupillen weit und starr. Ophthalmoskopisch zeigte sich boc^
gradige Stiiuungspapille. Pulsation war nicht wahrzunehmen. Ueber der ganzen liokai
Schädeldecke ein besonders mit dem Pulse isochrones Geräusch. Später Polsation ffthlinr.
Unterbindung der Carotis. Oculomotoriusparalyse fast vollständig zurückgegangen, A^
ducenslähmung noch fortbestehend. Tod 35 Tage nach der Operation an starkem Nasai-
bluten. Sektion: Grosse Breite und starke Füllung des Sinus transversos. An der
pars petrosa des linken Schläfenbeins eine Fissur, die von der Spitze derselben am CanAÜs
opticus beginnend, in der Richtung des Längsdurchmessers des Felsenbeine in einer Abs-
dehnung von 3 cm nach aussen und hinten verlief. Die Fissur Hess die Scalpellklii^«
1 — 2 mm tief mit Leichtigkeit eindringen. Die Spitze des linken Processus clinoideos pot-
ücus war abgesprengt. Das Lumen der Carotis interna an der inneren Oeffnnng dei
knöchernen Canals betrug mehr als das doppelte ihres Lumens an der Eintrittsstelle ii
den Schädel. Die Gefässwand war beti'ächtlich verdickt und das Lumen durch ein üem-
lieh festes Blutgerinnsel ausgefüllt. Leider war die Arterie bei ihrer Aussch&lung ans de«
Canalis caroticus mehrfach gefenstert worden, sodass die Frage, ob eine KommonikatiaB
zwischen dem Sinus cavernosus und der Carotis interna bestanden habe, nicht mehr
strikte zu entscheiden war. Die Vena ophtal. sup. war sehr erweitert und geschlingeÜ
Der Opticus war normal ; von dem Zustande der übrigen Gehirnnerven war nichts erwilmt
Hirsch fei d (860) berichtet über folgenden Fall: Ein 72 jähriges Weib Bei aaf das
Pflaster, indem sie mit den Beinen zwischen eine Gabeldeichsel gerieth. Grosse Wände
an der Nasenwurzel und starke Blutung. Die Wunde heilte bald, aber nach Ende einei
Monats verlor die Patientin plötzlich die Fähigkeit das obere Lid zu hebea,
das Auge zu bewegen, und wurde an Lid, Nasenflügel und Stirn yoUkommen anistke-
tisch. Himsymptome fehlten und das Sehen war] nicht gestört Das Auge massig pro-
tundirt. Tod nach 2 Monaten. Sektion: Das Hirn und seine Häute waren normal. Die
Dura mater, welche den Sinus cavernosus deckte, erschien ganz leicht emporgehoben durch
ein weiches Blutcoagulum, welches die Farbe von Weinhefe und ungefähr die GrOsse eioer
Mandel hatte und die Bewegungsnerven des Auges, sowie den L Ast dee Trigeminis
während seines Durchtrittes durch den Sinus umhüllten. Nach Entfernung dieses CoagnloBt
fand man eine kleine kreisförmige Oeffnung in der Carotis interna, welche wie mit
Bie Ptosis nach Traumen. 421
leisen geschUgeii achien und vod einem etitfürbteti Gerinnsel erfüllt war. Die Koücfaen
isnen intakt gewesen zu Bein.
Dass wir nicht hiioti^n^r Zerreissungen der Carotis im Sinns cavernosus
lei der Häufigkeit der Scliädelbasisfnikturen begegnen, beruht nach Berg-
Dann (t. e, pag. 381) auf folgenden Griindeu. Der Sinus cavernosus gestattet
,ler Schlagader, weldie er umbülltj nicht mir die Abänderung ihres Luraen»,
- jandern auch eine gewisse Verschiebharkeit. Selbstverfitämllich reicht bei
tehr hefleutender Gewalteinwirkiing dieser Schutz nicht aus. Wo im Moment
-^^lirer Entstehoog die Fissur weit aufklafft y zerreisst sie jedoch das üetass.
5o zumeist in Fällen gewaltiger tVnnpression beider Seitenflächen des Schädels.
Bei der Sektion eines Bniiern im Dorpater Studtliospital, welcher von einem um-
llürzerxleu Batim© niedergeworfen und getödtet worden war, fiuvden sicli beide Carotiden
m der breiten Fissur, die quer durcb die Basis lief, zerrissen. In der Nase und im Ohr war
BLcit; lu einer KTösseren* inrracranielien Blutansammhiug war es aber nicht gekommen,
offenbar weil der Tod zu raäch erfolgtt.^
Durch Nase und Mund ergoss sieb bei einem Patienten des Guy' s Hespitales (Med.
'^mes 1867, Vol. I. p. 444 >, der unter ein atarkes Fhös perathen war, das Blut ström weise.
"Dtr Tod erfolgte erst nach 2^ -j Stunden. Ein Spalt im Felsenbein hatte die Carotis durch*
'trtmit. Ebenfio in einer Mittheilung Bryant's 1861).
B. Beck(Ö62) theilt aus der Praxis seines Vaters folgenden Fall mit. Viele Wochen
^ nach einer gewalt sauren Kin Wirkung auf das Schädeldacih stellten $iich bei dem anschemend
f^heiltcn Patienten plötzlich die Efscheinaugen des Hirndracks ein, denen derselbe ranch
^*rl«g* Ein Splittt*r des frakturtrten Keilbeins hatte die Carotis interna angespiesst und
^ w^r dadurch üisathe einer Bkitang geworden.
^ Auch Wecker (B63) und Nunneley (864 fanden den Nervus oculo-
Hiotorius bei pulsirendem ExophtbaJmus gelahmt.
Aber auch in Fällen , in weichen die klinischen Erscheinungen feblen,
HS denen wir einen Brnch der Schädelbasis zu diagnosticiren bereclitigt sind,
nn eine Fraktur der dünnen Knochenlamellen, welche den Canalis caroticus
XI einem ijrossen Theile seiner Peripherie umscbliesen und welche an seiner
lieren Miinduug mit scharfen Spitzen und Kanten enrligen, schon bei geringer
islokation eines spitzigen und schar trandigen Fragments, eine Anritzung
er Perforation der Wand der C'arotis innerhalb dieses Kanals zur Folge
,ben, [Sattl er (L c.)J, wodurch dann sekundär wieder der Oculomotorius in
Älitleidenscbaft gezogt^n wird.
§ 201. Für die direkten Verletzungen der Carotis und der Nerven
im Sinus cavernosus besteben verschiedene Modalitäten. So kann das verletzende
^Insimment, in die Orbita eindiingend, der Wand der Augenhöhle folgen, den
Vleinen Keilbeinflügel abtrennen, den Sinus eröffnen und die Carotis zerreissen,
^ie in dem Falle von
Bower (8fv>), Ein 4ß jähriger Mann war kurz vor seiner ünterbringnng in das
frankenhans durch eine ccipiOBo HäTuorrbagic aus der Naae und linken Augenhöhle zu
4^tTiDde gegangen, als Folge eines Stosses, der ihm mittelst eines Eegenschinnea in einem
Streite versetzt worden war. Bei der Autopsie fand man das hintere Drittel des Orbital-
dAches frakturirt. Der Brnch erstreckte sich nach dem kleinen Keübeinflügel , welcher
vollständig vom Übrigen Knochen abgetrennt war, Dk« Hirnhäute, an welchen die gebrochene
Pmrtie des Orbitaldacbs allein noch* haftete , waren ebenso wie das Uetürn intakt. Die
28*
422 Die Ptosis Dach Traumen.
mediale Wand der Augenhöhle zeigte sich ebenfalls gebrochen und dorchbohrt, 4ec64>
nerv und die Arteria ophthalmica waren durchtrennt, den Sinus caTernosus fand bni •>
öffnet, und die Carotis in demselben entzweigeiissen.
Direkt hat raan die Carotis verletzt gefunden durch einen Dolchsüi,
der, vom Schädeldach eindringend, den ganzen rechten vorderen Himlm»
passirte und die Carotis interna, sowie ihre Aeste trennte, B e ck (866), (aii
auch Berlin Graefe-Saemisch VI pag. 599 und 600 und die dort anp-
führten Fälle von direkter Orbitalverletzung). Das verletzende InstmiMl
kann auch von der Orbita der einen Seite eindringen und in schräger Bidi-
ung durch die Nase und Keilbeinhöhle nach dem Sinus cavemosns ita
entgegengesetzten Seite seinen Weg nehmen , wie in dem folgenden Fifc
Nelaton's (867).
Ein stud. jur. hekam einen Stoss mit der eisernen Zwinge am anteren Ende «m
Regenschirmes gegen das linke Auge, wodurch das linke Unterlid zerrissen wurde. Nad
6 Tagen war die Wunde vernarbt, das linke Auge vollkommen normal, das rechte ihr
etwas prominent. Daselbst Ptosis und Diplegie; die Pupille stark erweitert, die ob«-
fiächlichen Venen des Lides ausgedehnt. AccommodationslSbmung. Paralyse des Ocb}*>
motorius, pulsirender Exophthalmus. Tod mehrere Monate nach dem Unfall durch Nasei*
bluten. Bei der Sektion fand man den Sinus cavernosus erweitert, und bei EröffoDg des-
selben sah man den Oculomotorius im Bereiche der Sinnswand abgeplattet uod »af
sein Neurilemm reducirt, welches nur gelben Detritus einschloss. An der Spitze der Orfati
bestand eine Comminutivfraktur, welche bis auf einen kleinen beweglichen Splitter conaoli-
diii; war. Die Carotis war innerhalb des Sinus fast vollständig entzweigerissen, sodiss die
beiden 6 mm von einander abstehenden Oeffnungen nur mehr durch einen schmalen Smifti
der Arterienwand zusammenhingen. Die mit dem Sinus in weiter Communikation stehode
Vena ophthalmica, der Sehnerv, der Nervus abducens und Trochlearis, sowie der Binai
ophthalmicus des Trigeminus erschienen nicht verändert.
G u i b e r t (868) sah bei einem jungen Manne , der in eine Heugabel gefallen vir.
eine ausgedehnte Zen-eissung der Hornhaut und Sclera des rechten Auges, sowie TölÜfe
Ophthalmoplegie des linken. Er litt an linksseitigen Kopfschmerzen und anfallsweise u
Nasenbluten, wodurch auch der Tod herbeigeführt wurde. Die Sektion ergab ein AneoiT&ai
der linken Carotis interna in einer Ausdehnung von den vorderen zu den hinteren Processas
clinoidci, entsprechend dem Sinus cavernosus, sowie in der linken KeilbeinhöUe eiM
Oeffnung, an die sich eine Fissur von der Länge von 3 mm anschloss und die mit Bht-
coagula gefüllt war.
Straub (874) berichtet über 2 Fälle von Verletzung der linken Augenhöhle dock
Bajon netstich. Im ersten Falle war das Bajonnet unter spitzem Winkel lateral in dieFissm
orbitalis superior eingedrungen. Es bestand vollkommene exteriore und interiore Oj^itkil-
moplegie sowie Blindheit in Folge Lähmung der Bewegungsnerven und der Sebnerren. !■
zweiten Falle war eine retrobulbäre Blutung aufgetreten, zugleich war vorQbergehend k^tak
der Netzhaut, Blindheit, Verletzung des Sehnerven, der Arteria ophthalmica, des Nernn ak-
ducens und des Oculomotorius festzustellen.
Eine direkte Verletzung der Carotiswand durch einen Schuss kann von derOriritia«
erfolgen, wie in dem Falle Longmore's (869), in welchem eine Kugel von der Orfaita M
ins Felsenbein gedrungen und dort stecken gehlieben war, weiterhin aber zur Airodrnag
der Carotis und tödtlicher Blutung führte.
Derartige Schussverletzungen erfolgen meist vom Munde aus. Leber-
Schi aefke (870) berichten über einen derartigen Fall.
Ein 33 jähriger Mann hatte mittelst Schrotschusses in den Mund einen SelbstaMH-
versuch gemacht und war die nächsten 14 Tage besinnungslos geblieben. Nach Wiederkekr
Bie Ptosis nncfa Traumen.
423
r
EL
t
5 Bewusstaeins zeigte sich reclitsseitigoHcniiplegi*?, dit* sich iangaam liesserte^ und Taublieit der
efilsse daseibat, Chemosis der unteren Hiilfte der Conjunktiva, faat vollständige Unbeweg-
bkeit des Augapfels, das obere Lid nur wetiig zu heben, Amaurose durch Sebnerven-
itrophie. Geßisse des Augönhintergrundes normal. Pulairender Exophthalmus. Unter-
ündung der CÄrotis. 3 Monate nach derselben Tod an Phlegmone des medlaatinalen Biode-
^webes. Sektion: Dura maler durchscheinend, massig gespannt, ihre riefässo wenig ge-
fHilt, Pia etwas ödematjls, mäsälge venöse Ffilluog. An der unteren Fläche der linken
Hemisphäre mehrere Krweichungsherde , die Rinde betretfend. Auch an der Konvexität
derselben mehrere Erweichungaherde sowohl in der Rinde , als in der Marksubstanz. Der
Unke Opticus grau. Der linke Sinus cavernosus bedeutend weiter als der rechte, seine
Wiiudung-, sowie die ihn durchziehenden Batkchen betrüchtlich vordickt. Die aämmtlichen
Venen der Orhita nebst der Vena supraorb. und frontal, enorm erweitert» zum Tbeil un-
regelmässig ausgebucbtet; die Wandung der Ophthalmica war so verdickt^ dass sie einer
arteriellen ähnlich sab. Die Pars cavernosa der Carotis interna sin. war aneurysmatisch
enveitert (etwa bobnengross) und stand durch 3 für eine mittlere Sonde leicht durchgängige
Carotis
ffi/pophysis
Fig. 83.
^I^nlöis^'hnitt dt's Siuufi eavornosus, /// N. oculoinotoriiis. /F N, trorhleans. VI N, abduceiis,
F^% r*, V^ die drei A^stp des N. trigcniinus (nuch M t- r k e 1 , Topogr, Anatomie pag. 71)»
Oeffnungen an ihrer äusseren und vorderen Seite mit dem Sinus cavernosus in Verbindung.
Die Arteria ophthalmica zeigte keine Veränderungen.
Analoge Fälle mit Ptosis beschreiben Holmes (871) und Power (872J;
Daboisson (873) mit Diplopie.
Einen mteresaanten hierher gehtVngen Fall erzählt Hauptmann (875). Ein 43]ähriger
Arbeiter wurde am 8. Febnmr 1897 von einem Pferde gegen die linke Wange mit dem Huf
^schlagen. Es folgte ^ .* Stunde Bewusstlosigkeit und etwas Nasenbluten. Dio äussere
Verletzung war gering und heilte rasch. Bald nach der Heilung stellte sich eine Labmung
linken Trigeminus mit Keratitis neuroparalytica ein. Am 1. Mai Imks Abducens-
t&hmuDg, am 20. Mai totale Oculomolorius- und Abducenslähmung links. Am 23. Juni
Imksseitige Facialislühmung aümmtlicher Aeste.
Als Ursache der Lähmungen nahm Hauptmann in diesem Falle eine
Schadelbasisfraktur an, welche ihren Verhiuf vom Türkensattel durch den Sinus
^cavernosus und das Felsenbein genommen haben sollte, so dass eben noch der
**ascialis hätte mitgeschädigt werden können. Das Auftreten der Lähmung der
einzelnen Nerven in Etappen, glaubt der Verfasser durch die Annahme erklären
424
Die Ptosis Dacb Traumen.
ZU können, däss der zweite Ast des Trigeminus direkt durch das Trai»
geschädigt worden sei, während die übrigen Erscheinungen auf eine reichlicii
Callusbildung an der Frakturstelle zurückzuführen wären, wodurch eine allmä-
liehe Kompression und Funktionsunfähigkeit der betreflfenden Xenen yenir-
sacht würde.
Wie aus den angeführten Krankengeschichten mit Sektionsbefund herrif'
geht, erfolgt die Läsion des Oculomotorius sowie der übrigen den Sims
cavernosus (siehe Fig. 83) durchziehenden Nerven beim Aneurysma der Carotis
Fig. 84.
Verlauf der basalen Nervenstämme nach Merkel.
dadurch, dass die theils an der lateralen Wand des Sinus verlaufenden, theik
der Carotis interna sich unmittelbar anlegenden Nerven über den Sack des
Aneurysmas gespannt, oder in die verdickte Wand desselben eingebettet werden
b) Ueber Zerreissung des Oculomotorius an der Schädelbasis
und seine (refährdung an dieser Stelle durch Blutung und
eiterige Meningitis.
Ausser im Sinus cavernosus wird der Oculomotorius bei TrauiDeB
gefährdet :
Die Ptosis nach Traumen. 425
a) durch Quetschungen und Kontinuitätstrerinungen des Nervenstammes
an der Basis, sowie durch das Eindringen von Knocliensplittern in |
denselben bei indirekten Frakturen:
ß] durch direkte Durch trenmmg zugleich mit direkter Fraktur des
Orbitaldachs oder des harten Gaumens. — 1
/) durch intracranielle Blutungen, welche den Nervenstamm umhüllen
und durch Druck steine Leitung aufheben.
d) durch entzündliche Exsudate und eiterige Meningitis. j
§202. a) Wie aus Fig. 84 ersichtlich, kommen die an so verschiedenen Stellen ,
ler Gehirnbasis entspringenden Nerven in ihrem weiteren Verlaufe nach
rorn sich näher, um sich in der Gegend, in welcher die 8ella turcica und
rramis ossis temporalis zusammentreffen, in die Dura einzusenken.
Der Nervus oculomotorius li egt bei seinen Eintritt in die Dura |
Kiembch in gleicher HTihe mit dem Processus clinoideus posterior. Sein j
[Verlauf in dieser Haut bringt ihn nun unter den kleinen Keilbeinflügel. Da '
iie Richtung dieses Verlaufs mehr nach abwärts geht, so macht der Oculo-
lomotorius längs des Felsenbeins eine Biegung^ die ihm bei Frakturen der
Schädelbasis gefährliclx werden kann. Danel>en theilt sich der freie Hand
des Tentoriums und zerfällt in 2 Schenkel, welche durch kräftige, in die
Substanz der harten Hirnhaut eingefügte Faserzüge, gebildet werden. Der hintere
inserirt sich an der seitlichen Ecke der Sattellehne, am Processus clinoi-
deus posterior, der andere geht am Tiirkensattel vorbei und gelangt zum
Processus clinoideus anterior. Beide Schenkel k önnen d urch Zug
ihre Insertionspunkte dann absprengen, wenn der Schade] bei einem Falle oder
Schlage in seiner Form verändert wird, denn das Tentorium wird dadurch ent-
weder bis zur Abspr engung des Proc. clinoideus anterior und posterior gespannt,
oder es bricht dabei die besonders in ihrem vorderen Theile fest mit dem
Wespenbeinkürper verbundene Felsenbeinspitze ab. (Merkel. Top. Anatomie
pag. 63), Da der Nervus abducens dem Felsenbeine dicht anliegt, so darf
man bei gemeinschaftlicher und kompleter Lähmung des Abducens
und Oculomotorius der gleichen Seite, bei sonst für eine Basalfraktur
sprechenden Symptomen, wohl .an eine Fraktur denken, welche das Felsenbein
durchsetzt, den Processus clinoideus abgesprenfrt und beide Nerven gequetscht
oder zerrissen haben möchte. So erzählt Badal (876) folgenden Fall:
Ein Mann wurde zwischen ErtJe und eiuen Balken eingeklemmt und zeigte eine voU-
Btändige Lähmung d^s 0 c u 1 ß m o t o r i u a und Abducens. Die UnteraucbuDg des erkrunkten
Obres zeigte Zerreissung d<?ä TrommelMsi, sowie eine Spaltung im Knocben
S c li i e s s ' G e ni u ä e u s (92 1 ) berichtet über folgenden Fall : Kin 19 jührlger Mensch
war mit einer groBsen spitzen Schliere, wie sie zum Schafscheeren gehröuchlich ist, zuerst
auf die linke 8cbeitelbeingegend geschkgeu, dann nach innen und unten vom linken Auge
geBtossen worileu. Beide Wunden hatten stark geblutet. Zuerst rechts Ptosis, unvoLl-
ständigd Paralyse skmmtlicher Augeumuftkeln mit Auanühnie des Trochlearis, welcher
paretisch war. Rechts absolute Amauroi>€'. Rechte Papille später weiss. Die anfanglich
maximal erweiterte r e t* h t u Pupille ]i atte nach und uach diejenige Griiss« gewonnen ,
die sie bei Oculomot-oriusparalyse zu haben pflegt.
426 Die Ptosis nach Traumen.
Gegen die Annahme, dass diese Lähmungen durch ein direktes ßn-
dringen der spitzen Scheere in den Grund der linken Orbita hervorgernfet
worden seien, spricht der Umstand, dass die linke Conjunctiva ganz mtaki
war, auch alle Reiz- und Schwellungserscheinungen fehlten.
Schiess glaubt an eine totale Durchreissung des Opticus in der
Gegend des Sinus cavernosus und zwar entstanden durch eine Fraktur oder
Infraktion des Processus clinoideus anterior, wobei dann eine Zerrung ds
Abducens und des Oculomotorius, vielleicht ebenfalls mit Zerreissung und
Quetschung des Trochlearis, mit untergelaufen sei. Daneben wurde, wegen
der maximal erweiterten Pupille: Reizung der Sympathicus-Fasem desGaif-
lions ciliare vermuthet.
Oliver (922) sah einen 38jährigen Mann, der bei der Kuppelung von Waggon
schwere Kopfwunden davongetragen hatte; Gehirnerschütternng und Basisfraktur hatte eue
Reihe von Augenstörnngen zurückbehalten; Ptosis, Orbicularisparese, LagophthalmoL
Beide Recti externi mehr oder weniger paretisch, Doppeltsehen, ophthalm. venöselHyperimM.
Eine isolirte Lälimung aller vom Oculomotorius versorgter Aeste nadi
Trauma spricht im allgemeinen, sofern die Lähmung von Dauer ist. fir
eine Läsion des Nervenstammes an der Basis durch Quetschung oder Zerreiss-
ung, zumal wenn noch daneben Erscheinungen von Schädelbasisfraktur vor-
handen sind, wie in dem folgenden Falle von Schmiedicke (877):
In einem Falle von Fissur der vorderen oberen PyramidenAäche war eine linksseltigf
Oculomotoriuslähmung aufgetreten mit Scbwindelgefühl und Verlast des BiediTer
mögens. —
ß) Direkte Durchtrennung des Oculomotorius zugleich mit direkter
Fraktur des Orbitaldaches.
§ 203. Im Falle Harlow (878) war zugleich mit der Fraktur des Orbitaldachs und
Durchbohrung des Stirnlappens durch eine Eisenstange der Oculomotorias darchschnittea.
Auch Selwyn (879) fand neben einer direkten Orbitaldachfraktur den Ocolomotonos
zerrissen .
In von Limbeck's Falle (880) mit Schussverletzung des Kopfes vom harten GaunMi
ans, und zwar links von der Mittellinie, waren folgende Erscheinungen nach Ablauf ein«
Jahres nach dem Selbstmordversuch noch vorhanden; Lähmung des linken Oculomoto-
rius, rechtsseitige homonyme Hemianopsie, rechtsseitige spastische Hemiplegie, Aphasie
mit verbaler Alexie.
y) Durch Blutungen, welche den Nervenstamm umgeben und
durch Druck seine Leitung aufheben.
S 204. Die Folge der Basaltraktur sind Blutungen in das Gewebe, durch
welche dasselbe anschwillt und so durch Druck den Stamm des Oculomotorius
in seiner Leitung behindern kann. Dabei wird aber der Oculomotorius
gewiss nur sehr selten isolirt, sondern meist in Gesellschaft von anderen
Basalnerven durch eine Blutung gedrückt werden. Die spontane Heilung nach
Ablauf einiger Wochen nach dem Unfälle lässt mit Sicherheit wohl auf eine
Die Ptosis nach Traumen. 427
Alteration des Nervenstammes durch basale Blutung schliessen, wenn eine
Orbitalblutung ausgeschlossen ist, und wenn der ganze Nervenstamm dabei
gelähmt erschien, resp. wenn die Lähmung einseitig war. Hierher gehören
nach Y. Bergmann (1 c. 398) die Mittheilungen vonBrodie (881), Denon-
villiers und Gosselin (882), Hallopeau (883) und Malgaigne (884),
bei welchen in Folge schwerer Kopfverletzungen mit längere oder kürzere
Zeit anhaltenden Cerebralsymptomen , oder Erscheinungen, die mit Wahr-
scheinlichkeit auf eine Basisfraktur deuteten, die Lähmung des Oculomo-
torius beobachtet wurde. In den Sektionsprotokollen ist erwähnt, dass
längs der Basis Blutaustretungen bestanden hätten, mit und ohne gleich-
zeitige Quetschung des Stirn- und mittleren Lappens.
Auch Panas (923) erwähnt 2 Fälle von isolirter Oculomotoriuslähmang nach Traama,
bei welchen die Lähmung sich später wieder völlig verloren hatte.
Eine Kombination von Oculomotorius- und Trochlearisparalyse nach
Schädeltrauma beobachtete So ein (885); die Lähmung minderte sich, bestand
aber noch nach 3 Wochen.
V. Ziemssen (886). Einem Mann wurde durch eine Maschine der Schädel compri-
mirt. Es erfolgte eine Lähmung des III., VI. und YII. Nerven links, etwas später eines
Theils des III. und VI. rechts. Nach 8 Monaten waren alle Lähmungen verschwunden.
Leitner (1003) berichtet über einen Fall, in dem der 32 jährige Patient am üinter-
haapte durch ein herunterfallendes Beil einen stumpfen Schlag erlitten hatte. Nach 11 Tagen
fanden sich am rechten Auge: Ptosis, Exophthalmus, ringförmiger Abscess der Cornea
totale Ophthalmoplegie und Parese des Y. und YII. Nerven. —
P i c h 1 e r (1004) fand bei einer Schädelbasisfi'aktur linksseitige Facialis- und
Trigeminuslähmung, Ptosis, fast vollständige Unbeweglichkeit des Bulbus und Taubheit.
Rechts war die Beweglichkeit des Bulbus nach oben, unten und medial eingeschränkt, diePupil-
larreaktion fehlte und das Auge war erblindet.
Bruns (887) beschreibt einen Fall von Schädelbasisfraktur, in welchem rechts der
Facialis, der Opticus und Abducens leicht gelähmt waren ; links bestand Ptosis, Mydriasis,
Lfthmong des Nervus trigeminus, Trochlearis, Abducens. (Keratitis neuroparalytica).
Im Britisch med. Journal 1872, Yol. I, p. 610 wird nach v. Bergmann eines Wirthes
erwähnt, welcher so gefallen war, dass er sich die rechte Stirnhälfte zerschlagen, und hier
den Knochen gebrochen hatte. Seitdem verlor er die Herrschaft über sämmtliche Be-
wegungen des betreffenden Auges.
Auch Schwarze (888) gedenkt einer Basisfraktur, bei welcher aUe Augenmuskeln
gelähmt waren.
Helfrich (889) sah eine 68jährige Frau, welche gewaltsam gegen eine Bank ge-
aehlendert worden war, und über der linken Augenbraue eine bis auf den £j30chen dringende
Bisswunde hatte. Sie war bewusstlos und litt, als sie wieder zu sich kam an Uebelkeiten,
Kopfschmerz und Schwindel. Es bestanden sehr ausgedehnte Sugillationen in der Umgeb-
mg beider Augen. In den ersten Tagen sah die Kranke auf dem linken Auge gar
nidits, später bedeutende Herabsetzung der Sehschärfe. An dem anderen Auge Oculo-
motoriuslähmung. Die anfängliche Ptosis gab sich, ebenso stellte sich die
Tnnktion im rechten Rectus superior wieder her. Die anderen Muskeln blieben gelähmt
und die Papille erweitert. Nach eingezogenen Erkundigungen bestand nach 3 Jahren der Zustand
3iocli fort
Dass hier bei basaler Lähmung des Oculomotorius die Funktion des
JLeyator und Rectus superior sich wieder herstellte, darf nicht Wunder nehmen
^B^enüber den Erscheinungen partieller Oculomotoriuslähmungen bei der cere-
428 Die Ptosis nach Traumen.
bralen Syphilis (s. pag. 348). Vielleicht gehört aber dieser, sowie eine Reik
der anderen erwähnten B'älle nur theilweise in diese Gruppe, insofern ja einzelne
Lähmungen orbitaler oder nucleärer Natur neben einzelnen BasallähmuDgai
aufgetreten sein könnten. Aehnlich mag es sich mit dem Falle Hirsck-
berg's (890) verhalten haben.
Einem Arbeiter hatte eine Dampfkreissäge ein Stück Holz mit grosser Gewalt ge^i
die linke Kopfhälfte geschleudert, wonach derselbe 7 Stunden lang bewusstloa blieb. Vis
Wochen später wurde linkerseits Ptosis konstatirt; der Augapfel konnte nach ktäas
Richtung weiter als 1—2 mm gedreht werden. S = 0. Hornhaut vollkommen ooempiBi-
lieh, Pupille weit und starr, diffuse bläuliche Trübung im Glaskörper. Auch redn
die Sehschärfe vermindert. Später besserte sich die Beweglichkeit, so dass der Mosenl«
rectus externus und internus gut funktionirten , aber es stellte sich eine neoropan-
lytische Keratitis der linken Seite ein; die Amblyopie des rechten Auges ging allmiUidi
zurück.
Wir selbst beobachteten folgenden Fall von Schädelbasisfraktur mit kwn-
pleter Oculomotorius — und später — eingetretener Facialislähmung (siehe
Fig. 85 pag. 429).
Am 18. Juni 1898 stürzte der 80 jährige Arbeiter 6. in einen Schiffsraum. £r vir
7 Stunden lang bewusstlos und hatte aus der Nase Blut verloren. Als er am selbigen l^t
untersucht wurde, war das Bewusstsein wieder zurückgekehrt. Die rechte Stirn ooi
Schläfen gegen d erschien schwappend verdickt. An der Haargrenzo befanden sich leickta
Hautabschürfungen. Die Lider des rechten Auges waren geschwollen und blutunterlaofen.
Das rechte Oberlid konnte nicht aktiv gehoben werden. Die rechte Popillt
war fast maximal weit und reagirte nicht auf Licht und Accommodation. Die Bewegan^
des rechten Auges nach innen, oben, unten waren aufgehoben. Der Augenhintergmod ond
die Sehschärfe waren normal; ebenso dio übrigen Sinne ausser dem Geruch, der von jeher
herabgesetzt gewesen sein soll. Die Temperatur betrug 37; Puls 60.
Mehrfach war Erbrechen aufgetreten. Am 4. Juli konstatirte man noch eine komplete
(exteriore und interiorc) Oculomotoriuslähmung. (Die Accommodation war total gelihmLi
Abducens und Trochlearis waren normal innei-virt. Im Gesicht bestanden keine SensibiUtits-
störungen. Auffallend war ein rechtsseitiger Blepharospasmus tonicus , während im rechtes
Mundfacialis eine geringe Schwäche zu konstatiren war. Der übrige Nervenbefund bot
ganz normale Verhältnisse dar.
Am 16. Juli war unter starken, seit 3 Tagen anhaltenden Schmerzen in der ginzee
rechten Kopfseite eine totale Facialislähmung eingetreten. Der Kopf war hinter dem rechtes
Ohr sehr druckempfindlich. Patient hörte Klingen und Glockenläuten im rechten Ohr. Das
Gehör war aber beiderseits gleich. Der Geschmack war nicht verändert. Die elektrische
Untersuchung ergab keine qualitativen Veränderungen.
Nach nicht langer Zeit war eine bedeutende Besserung der Gesichtslähmung n
konstatiren.
Beraerkenswerth ist im vorliegenden Falle der Eintritt einer Fascialis-
lähmung nach dem Unfall, besonders in Rücksicht auf die so späte Ent-
wickelung der Lähmungserscheinungen. Aus den beigefügten Beispielen geht
zur Genüge hervor, dass bei Schädelbasisbrüchen der Facialis oft zusammen
mit anderen Hirnnerven, so besonders den Abducentes, gelähmt wird. Aus
der Z ie ms sen' sehen Beobachtung ist ersichtlich, dass die Lähmungen sich
nicht gleichzeitig einstellen, sondern auch nach einander auftreten können. In
unserem Falle wurde am 4. Juli im mittleren und unteren Facialis erst eine
Schwäche konstatirt, die nach 12 Tagen zur kompleten Lähmung fuhrt«. Es
Die Ptosis nach Trautnen.
429
mnss jedoch hervorgehoben werden, dass im Hinblick auf den zeitlichen
Zwischenraum die Möglich keit eines anderen ätiolugischen Moments für die
Facialishihniung in Erwa*i:ung y.n ziehen ist. Was nun die Erklärung der Er-
scheinungen in Bezug auf den Oculomotorius betrifft, so handelte es sich
wahrscheinlich um eine durch Blutung an der Basis bedingte Läsion des ganzen
Stammes. Der anfänglich bei der Ptosis beobachtete Blepharospasmus dürfte wohl
weniger als ein der Lähmung voraufgegangener Reizungszustand im Facialis-
^stamme, sondern als ein willkürlicher Schtuss der Lider anzusehen sein, um
Doppelbilder zu vermeiden. Als die periphere Facialisliihmung zur völligen Aus-
bildung gelangt war, kam die Kombination einer Ptosis mit Lagophthalmus
(s. Fig, 85) sehr charakteristisch ___^^__^_^__
snim Ausdruck, Der Spalt war be-
dingt durch Tieferstehen des ge-
lähmten unteren Lides und durch
beginnende Rückbildung der Ptosis.
Was die Schmerzen betrifft, so dürften
diesel ben nach B e r n h a r d t wohl
dadurch zu erklären sein, dass der
Gesichtsnerv durch seine mannig-
fachen Verbindungen mit deniQuintuSj
Yagus, Auricularis magnus sicher
auch sensible Fasern mit sich führt.
Unser Fall spricht in Beziehung auf
die Deutung der Schmerzen gegen
die Ansicht Lannoi's, der dieselbe
stets auf eine Entzündung der
ScUeimhaut des Mittelohrs zurück-
führt. Ferner beweist unser Fall,
dass Schmerzen auch bei solchen
F'acialislähmuugen , die elektrodia-
gnostisch als leichte aufzufassen
sind, vorkommen können.
Auf eine Blutung an der Unter-
fiäche des Pedunculus cerebri nach Schädelbasisfraktur lassen folgende Fälle
schliessen, bei welchen das Syndrome de Weber (vergl, § 161 pag. 359)
beobachtet wurde.
Manquet und Grasset (891) beobachteten einen Mann, welcher aus
dem Wagen gestürzt und bewusstlos liegen geblieben war. Es fand sich rechter-
seits eine Lähmung des Oculomotorius, links Hemiplegie mit Ausnahme
des (jesichts, Amnesie und Aphasie, Blasen- und Mastdarmlähmung. Die
Störungen gingen grösstentheils zurück, doch bestand noch neun Monate nach
dem Unialle eine Lähmung des rechten Oculomotorius und eine Herabsetzung der
Sehschärfe beider Augen, vornehmlich des rechten. Linkes Gesichtsfeld weiter
als das rechte.
Fi^^ 85,
A. G. Htt'hts tniumalischo Ociilomototorius^ und
Farial) Bläh mungf Pto^iti und Lfigophtbmlmus.
i
430 Die Ptosis nach Traameo.
Dib erder (892) sah bei einer Läsion der Stimgegend erst spät am
zweiten Tage subkonjunktivale Eccchymosen auftreten bei länger dauernder
Bewusstlosigkeit. Es wurde Lähmung des Oculomotorius der einen und
Hemiplegie der entgegengesetzten Körperseite, daneben gleichzeitig Amaurose
konstatirt. Die Lähmung des Körpers schwand während des sechswöchent-
lichen Hospitalaufenthaltes, die Leiden am Auge blieben.
Ob der folgende Fall hierhergehört, ist zweifelhaft.
Debove (893) beobachtete einen Menschen, welcher einen Hufschlag
über dem rechten Auge erhalten hatte. Es trat doppelseitige Tollständige
Oculomotoriuslähmung auf, nur der Lidheber wirkte. Später Hautanästhesie
der Stirn, conc. Gesichtsfeldeinschränkung, schmerzhafte unvollständige Mono-
plegie der rechten Schulter und des rechten Arms.
d) Traumatische Ptosis bedingt durch entzündliche Exsudate nnd
eiterige Meningitis.
§ 205. Hinsichtlich der Schilderung dieses Zustandes schliessen wir uns eng
den Darlegungen von Bergmann's in seiner ausgezeichneten Arbeit über
die Kopfverletzungen an.
Die Leptomeningitis nach einem Schädeltrauma tritt entweder als pri-
märe Störung bei infizirter Wunde auf, oder auch sekundär im Anschluss an
andere, ihr bereits vorausgegangene Folgen des Wundprozesses.
Die primäre entwickelt sich bloss bei den perforirenden Verletzungen
des Schädels, meist nach Hiebwunden und komplizirten Frakturen durch
direkte Infektion der Hirnhäute.
Die sekundäre entsteht unter verschiedenen Verhältnissen. Erstens
wird sie hervorgerufen durch den Zerfall fortgesetzter Venenthromben, welche
über die Sinus der Dura hinaus in die Venen der weichen Hirnhaut reichen;
zweitens schliesst sich die Meningitis an die Periostitis und Ostitis der Schädel-
knochen an. Entweder sind es auch hier fortschreitende Thrombosen, die
sich von den diplöetischen Venen ins Schädelinnere begeben, oder der Weg
ist ein mehr direkter, indem die Entzündungsprodukte, welche dem Knochen
aussen an- und aufliegen, ihn in der Richtung nach innen gegen die Dura
durchdringen. Ein dritter Weg von aussen nach innen ist das Fortkriechen
längs der Nervenstämme an der Himbasis. Er ist durchaus analog der Menin-
gitis nach Eiterungen in der Paukenhöhle, wo die Verbreitung derselben längs
des Facialis im Canalis Fallopiae nach vorherigem Durchbruch der Wand des
Canalis bis an die Pia erfolgt ist. Ebenso hat man im Gefolge von Pan-
ophthalmitis die Meningitis durch Verbreitung längs des Opticus entstehen
sehen. So erzählt z. B. Ramm (894) folgenden Fall:
Ein 52 jähriger Mann sties» sich ein Holzstückchen ins rechte Auge. Dan Holz-
stQckchen wurde augenblicklich entfernt. Nach einiger Zeit konsnltirte er Ramm. Es
fand sich Chemosis, harter Bulbus, heftiger Schmerz. Enucleation unter autiseptischen
Cautelen. Am nächsten Tage Frösteln und Temperatursteigerung. 2 Tage darauf Tod.
Die Ptosis nach Tramueii. 431
Es fand eich eiterige Meningitia an der Basis und der CoQvesität des Gehima, kein Fremd-
körper im Auge.
Ferner ruft ein traumatischer Himabscess, Avelclier ursprünglich nicht
in der Rinde, sondern tiefer in der Markmasse sass, die Meningitis horvor,
wenn er sich der Hirnobei-tiäche nähert und an die Basis stösst.
Auch finden wir die sekundäre Meningitis nach Eiterungen der AVeieh-
theile, die bis an den Knochen dringen, sei es dass sie in der Kopfschwarte,
oder auf den Schleimhäuten der Stirnhöhlen, des Caw tympani etc. ihren
Anfang nehmen; ferner nach der akuten wie chronischen Cranitis, nach Sinus-
thrombose, Hirna bscessen und Knochennekrosen.
Die Leptomeningitis nach Trauma kaim sich ebensowohl an der Con-
vexität wie an der Basis entwickeln und hier dem i!>iamm des Oculomotorius,
dort dem supponirten Cent r um des Levator geliihrlich werden.
Die Meningitis basÜaris traumatica schliesst sich vorzugsweise an die
Fissuren der Basis an. So erzählt Johnson (895) folgenden Fall;
Bei einem 49jöbrigen Manne wurde ein 2 Zoll langea und ^4 Zoll breites Hok-
stückcheu au3 der Äugenliühle entfernt. Der Mann starb an Erysipel und eiterii^er Menin-
gitjs. Die Sektion ergab eine Frnctur deö Orbitaldaches , foitgepflanzt nach dem Keilbein
und den Siebbein Zellen; ebenso war der rechte Stiralappen von dem Fremdkörper durch-
bohrt worden.
Will man nun aus einer Ptosis, Pupillenerweiterung* Hypog^lossusparese
lind Lähmung des Öchlundrettexes etc. auf Verbreitung der Meningitis längs
der Basis schliessen, so muss vorher festgesteIH sein, dass die betreifenden
Nennen nicht schon von dem traumatischen Insult selbst angegrift'en und ver-
letzt worden waren. — Wenn auch die Meningitis sich meist kurze Zeit nach
dem Trauma entwickelt, so gibt es doch Fälle, bei welchen unmittelbar nach
der Kopfverletzung Hirnsymptorae fehlen, vielmehr sich die Patienten einige
Zeit wohl fühlen und dann erst erkranken.
So berichtet Roberts (896) über folgenden Fall: Durch Hulschlag links Wunde
in der Siipraorbitalgegeod. Heilung der Wunde. Ungefähr ein Monat später: linkes Auge
zurückgesunken, Neuritis optica, Ptosis, psychische Störung, Incontinentia urinae.
Delirien. Die Trepanation an der Stelle der Verletzung zeigte eine Fraktur des Orbital-
daches mit Eindringen von Splittern in die Dura. 2 Tage darauf hohes Fieber, dann Comn
und Tod durch Lept om en ingitis, wie die Sektion ergab.
Rivington (897) erzählt folgenden Fall: Verletzung über dein üusaeren Ende der
linken Augenbraue dureh einen Sehlag mit einem Zinngefüsse. Am 15. Tage nach der
Verletzung trat plützlich ein epliptifornier Aufall auf, später rechtsaeitige Hemiplegie,
anfangs linksseitige, später rechtsseitige Convulsioncn , Augen nach links gewendet, An-
aesthesie der rechten Gesichtshälfte und Conjunktiva, linksseitige Ptosis. Die Trepa-
nation in der Wunde führte zur Kutfernung von Knochenstfickcben der Tabula externa
und interna» Die Sektion ergab die Dura normal, eiteriges Serum zwischen dieser und der
Pia, letztere sowie das Gehirn links hyperämisch.
c) Die Ptosis zni'olge traumatischer N uclearllihmunp,
§ 206, Die klinische Diagnose dieser Lähmun[]:sfonn leidet an dem schon bei
der Ptosis zufolge cerebraler Syphilis (pag, 307) erwähnten Umstände, dass
432 Die Ptosis nach TraomexL
wir zur Zeit klinisch noch keinen absolut sicheren Anhaltspunkt für die
Diagnose einer Nuclearlähmung überhaupt besitzen. Wir werden daher nach
Schädeltraumen, welche eine Basalfraktur ausschliessen lassen, eine Nuclear-
lähmung bei denjenigen Fällen von Ptosis resp. Oculomotoriuslähmung
vermuthen dürfen, deren Symptomatologie diejenigen Lähmungsgruppen nm-
fasst, welche man seither als Nuclearlähmungen anzusprechen gewohnt war.
Hinsichtlich der Entstehungsweise der Nuclearlähmungen nach Schädel-
trauma folgen wir zunächst wieder den Darlegungen von Bergmannes in
seiner schon so oft herangezogenen grundlegenden Arbeit über Kopfverletzungen.
Die Gestaltveränderung, welche die elastische Schädelkapsel im Moment
der Gewalteinwirkung erfährt, erklärt die Vielheit, sowie die Lage der
Quetschungsherde des Gehirns. Unter der von aussen zusammengeschlagenen
Schädelstelle erfährt nämlich auch das Gehirn eine Quetschung, von welcher
zuerst die es durchtränkende Flüssigkeit, Blut und Lymphe betroffen werden,
da diesen der Abfluss nach anderen Theilen des sie bergenden Kanalsystems
freisteht, während die inkompressible Nervenmasse so leicht nicht ausweichen
kann. Wie aus einem nassen Schwämme wird der Liquor cerebrospinalis
ausgepresst und von der Konvexität zur Basis gedrängt, wenn, wie gewöhnlich,
das Schädelgewölbe den Stoss erdulden musste. War die brechende Gewalt
eine breit angreifende, so wird die Auspressung und Verschiebung auch die
gefüllten Ventrikel treffen und durch Verdrängung ihres Inhaltes den Strom
zu nicht gedrückten Gebieten mehren. Die Sammelstellen des verdrängten
Liquor hegen immer den einwirkenden Gewalten gegenüber. Es buchtet sich
an dem elastischen Sphäroid die der getroffenen gegenüberUegende Fläche
aus, sodass dem Conus des Eindrucks auf der anderen Seite ein Conus der
Erhebung entspricht. Diese ausgebuchtete Stelle wirkt auf das daran liegende
Gehirn wie ein Schröpf köpf, indem es überall den Druck erniedrigt, sodass
hierher nicht bloss das verschobene Gehirn in toto ausweichen, sondern auch
aus all seinen Quellen, Bächen und Strömen der Liquor cerebrospinalis zu-
fliessen, ja geradezu nachstürzen muss. Seine hochgehende Flut sprengt das
Bett, d. h. zerreisst das dünn ihn einscheidende Gewebe und mit ihm die
Blutgefässe, längs welcher ja die Kanäle und Behälter dieser Flüssigkeit
liegen.
Dieselbe Bluterfüllung aller Röhren und Becken des Liquor cerebralis
an der Basis folgt den Schlägen auf die Scheitelgegend. Da gerade hier die
grössten subarachnoidalen Sinus liegen, so fällt die Anhäufung der Extravasate
um die Brücke und die Pedunculi besonders auf.
Von besonderer Tragweite ist die Aft'ektion der Ventrikel, des Aquae-
ductus Sylvii und des Centralkanals vom Rückenmark bei Angriffen g^en
den Vorderkopf. Ist die Richtung der Gewalt hierbei von vom und oben
nach hinten und unten, so muss jedesmal der Lihalt der beiden Seiten-
ventrikel gewaltsam ausgetrieben werden. Er sucht seinen natürlichen Aus-
gang zum Aquaeductus Sylvii (siehe Fig. 86). Da aber im IV. Ventrikel und dem
Centralkanal die ausströmende Flüssigkeit keinen Raum findet, denn die Seiten-
Die Ptosis nach TraumeD.
433
-Ventrikel haben um das fünf- oder sechsfache mehr Inhalt, so werdcB die
ÜVandungon der genannten Reservoirs insultirt, die Struranng prallt hier an,
zerreisst die zarten Einfassungen und lässt aus den zert^prengten (le fassen
das Blut sich in die Xervensubstanz ergiessen. So findet man die Einschei-
dnng der betretlenden Lacunen wie austapezirt mit kleineren und grosseren
Extravasaten, Da nun am Boden des III. Ventrikels und im centralen
Höhlengrau um den Aquaeductus Sylvii die Kerne der Augenmuskeln liegen,
so ist nicht zu verwundern, dass wir als Folge der Schädeltraumen auch
Nuclearlähmungen begegnen.
Fig, 86.
8a«ritt«lichDitt durch den hinU^ren Ahwhaitt und das Innere vIp* Gehirns, der ^diis WftÄserpoliter*
veranschatilicht. 3 Dritter Ventrikf»L 4 Vjert<*r Ventrik*^. F, M. Foramen Magentliff. ü, C
Corpua caUoanni, C Cerebellütn fQuaiii nach Key und Rftaiu* in MactMven, (J, F. Bergmana
in Wietbiideo.)
So iftli Hfl ab (898) beiderseits eine Ophthalmoplegie exterior nach Sturz auf den Eopf,
Demgegenüber bekam ein Patient Barbaschew'a (899l nach einem Sturz eine Oph -
ihahnoplogia interior.
Auch Mauthner (824) berichtet über eine einseitige Oculomotorimlähmung nach
Sturz auf den Kopf. Die Pupille untl Äcconjmodation waren intakt geblieben.
Jolly (900) erzühlt von einem Kranken, welcher in einem epileptnchen Anfalle die
Treppe henmtergefaOen war und sich eia© Lähmung des Lcvator und Rectas internus^
welche später wieder beute, lugezogen hatte. Nachher traten Gefühls- und Bewegunga-
störungen derselben Seite auf.
Dresse 1*8 Patient (901) bekam einen Schlag auf den Kepf. Es wurden rechts
8Jlramtliche Augenmuskeln gelähmt, ansgenommen die inneren und der Rectus internus.
Die Menge des Urins war vermehit. Am stärksten betroffen waren der Rectus inferior
und TrocMearis, weniger stark der Levator, Rectus aup. und ObJiq inferior.
434 Die Ptosis nach Traumen.
South am (902) berichtet von einem V^ jährigen Knaben mit einer Fraktur inte
rechten Parietal- und Occipitalgegend. Es bestand eine rechtsseitige Ptosis, sowie m
conjugirte Deviation nach rechts.
Eojewnikoff (903) sah Lähmung beider Oculomotorii bei einem 42 jährigen Mane,
der aus einer Höhe von 3 Meter auf den Hinterkopf gefalJen war.
Eissen (904) beobachtete bei einem 22jährigen Manne auf dem linken Auge «mi
Reizzustand der inneren Augenmuskeln, partielle Lähmung des Rectus saperior, ToUittBigi
Lähmung aller sonst vom Oculomotorius versorgter Muskeln und des Troekletria. Ak
3 jähriger Knabe war der Kranke auf den Kopf gefallen, seitdem hatte sich an den Zu-
stande nichts geändert. Das Auge divergirte und glitt bei Mitbewegungen mit dem ladm
unter das Oberlid.
Als alleinige und mehr als ein Jahr anhaltende, dann aber schwindende Stftmg
nach einer Kopfverletzung wird in 2 Fällen von Prescott-He we tt (905) die Llhno^g
blos einzelner Fasern des Oculomotorius erwähnt. Bei voller Beweglichkeit des Balba
war das obere Lid gelähmt und die betreffende Pupille starr nnd erweitert.
Ob die beiden folgenden Fälle hierher gehören, ist zweifelhaft^ da nack
dem, was wir bei der Syphilis cerebralis (pag. 348) von basalen Einzellih-
mungen der Aeste des Oculomotorius erfahren haben, eine basale Affektioo
des Oculomotoriusstammes irgend welcher Art hier nicht in Abrede gestelk
werden kann.
So beobachten Wann ehr oucq und Kelsch (906) in einem Falle von Basisfrik*
tur eine linksseitige Ptosis und Mydriasis, während Simon (907) ansfOhrlich mm
interessanten Fall von Depressionsfraktur des linken Stirnbeines mit Stönmg des Sekrer-
mögens auf dem entsprechenden Auge mit Ptosis und Mydriasis beschreibt.
Die Störung des Sehvermögens spricht in diesem Falle für eine Fraktur
des Orbitaldaches.
Auch wir sind in der Lage, einige eigene Beobachtungen anzuführen,
in welchen von Seiten des Oculomotorius nur isolirte Ptosis vor-
lag. Wenn bei einzelnen sicher auch eine Schädelbasisfraktur konstatirt
wurde, so müssen wir im Auge behalten, dass die Ptosis vielleicht nuclearen
Ursprungs, die Abducenslähmung aber daneben wie z. B. im folgenden Falle
vielleicht basaler Natur gewesen ist.
Eigene Beobachtung 19. IV. 97. J. Seh. 29 Jahre alt. Hufschlag in's Geackt,
am Nasenbein eine Hautabschürfung. Das Nasenbein selbst beweglich. Beide Aogenlider
stark geschwollen, sugillirt, können kaum aktiv von einander entfernt werden. Conjmiktiva
bis zum Cornealrand blutig ödematös. Am äusseren Augenwinkel eine ca. 3S ^
lange Quetschwunde Über das Jochbein nach abwärts verlaufend, in der oberen Hälfte bis
auf den Knochen reichend und oberflächlich noch auf die obere Partie des Oberlides Aber
gebend. Links: Ptosis und Abducenslähmung.
Am 11. VIII. 97. Die Ptosis zurückgegangen, die Aducensl ahm nng bestehtfori
Eigene Beobachtung: M. M., 3 Jahre alt. Sturz aus dem 1. Stockwerk nü
Strassenpflaster. 10 Minuten lang bewusstlos. An der linken Stimhälfte eine 3 cm lange,
klaffende Hautwunde. Blutung aus dem linken Ohr und der linken Nase. Linke Aogen-
lider blutunterlaufen. Pupillen gleich weit. Reaktion vorhanden. Erbrechen. Liokes
Auge: Ptosis. Ausser der Ptosis völlige Heilung.
Eigene Beobachtung: H. K. 58 Jahre alt. Zur Zeit Paralysis agitana, Ib
seinem 8. Lebensjahre stürzte er mit dem Pferde, er wurde bewasstlos und das rechte
Oberlid soll seitdem herabgesunken sein. Zur Zeit ist alles normal nur hängt das reckte
Oberlid herab und kann aktiv nicht bewegt werden. Eine Narbe ist nicht zu bemerken.
Sie Ptoäiu nach Traumeii. 436
Krauker (S^OS) endlich hatte Dach elDem Trauma das volktäDdige
Büd eines Panilrtikers gebuten* Es fand sich eine hämorrhagische Fach ymenin-
mxtiB, Pia Verdickung, ßlutberde. Alk AugeumuskeJnetven waren grau und atrophisch.
■ Von einer direkten Verletzung der Kemregion berichtet Eisen -
Blir (909):
^m Nach einer vSchuss Verletzung dea Kopfes traten zunäch&t tremorartige Bewegiioga-
Hkrangen am linken Ann und FnpilJendiifereuz auf, dann eine Bes^hiünkung der Bulbui»'
^^wegnngen besonders in der Eichtung nach oben und unten, und zuletzt rechtsseitige
Stauungspftpille mit Ptosis dea rechten Augenlids. Ein Projectil war durch das rechte
Stirnbein gegangen, dann am vorderen Fornixschenkel vorbei, am Boden des III. Ventrikels
entlang in den rechten vorderen Yierhtigel, wo dasselbe sich eingekapselt: fand. Zerstört waren
die tiefen Marklager des rechten vorderen Tierhßgels und ein T heil dea Oculorootorius-
ferns, Hydrocephalus des IIL Ventrikels und der Seitenveotrikel-
[ Ein Füll von Ptosis und Pupillenweite nach einem Trauma wurde von Leiarink
tlO) beschrieben. Ea fanden sich in der Hemisphäre mehrere Erweichungsherde. —
^ Üas ZustaDdekonimen dieser Ei-weichungsherde nach Schädel träumen
erklärt sich nach von Bergmann (h c. pag- 421) durch die Beeinträchtigung
der Cirkulation am Ort und im Umfange der liindenkontusionen. Die zer-
trümmerte Hirnstelle verhält sich nicht anders, wie ein Konglomerat punk-
tirter Hamorrhagien, welches in rothe und dann in gelbe Erweichung übergeht
Zuweilen wolmt ihr eine Tendenz zum Fortschritt inne, welche bekanntticii
durch die um den Herd sich ausbreitende fettige Entartung bedingt wird.
(vergL auch pag. 437).
Bezüglich der Diagnose der traumatischen Nuclearlähmungen dürfte
Folgendes hier anzuführen sein, P. Simon (914) hat 15 Fälle von trauma-
tischen Nuclearlähmungen (allerdings ohne Sektionsbefund) zusammengestellt
und resumirt, dass eine Diagnose auf Xuclearläbmung nach Schädeltraumen
nur dann gestellt werden könne, wenn man alle begleitenden Nebenumstände
berücksichtige. Zunächst müsse eine orbitale Lähmung ausgeschlossen
werden, sodann dürfe keine Fraktur an der Basis Cranii vorliegen.
Wenn die Augenmuskeln dabei mit betroffen sein sollten, so würden es fast
immer mehrere sein, da sie an der Schädelbasis ganz dicht nebeneinander
durch den Sinus cavernosus zögen. Wenn ein Bluterguss an der Gehirnbasis
in Folge von Fraktur entstünde, welcher die Äugennerven bis zur Funktions-
iinfähigkeit komprimire, so müsse er schon so bedeutend sein, dass er lebens-
gefahrliche Symptome verursache, neben denen die Erscheinungen der Augen-
muskellähmungen ganz in den Hintergrund treten würden^). Augenmuskel-
läkmungen, die in Folge einer Basisfraktur entstanden seien, hätten immer
eine schlechte Prognose, denn wenn der Nerv erst einmal zerrissen sei, so
würde er immer funktionsuntüchtig bleiben. Man könne daher von der An-
nahme einer basalen Lähmung absehen, wenn alte Anzeichen einer Basisfraktur
fehlen, weuD nur ein Nerv gelähmt sei, und wenn die Lähmung in Heilung
übergehe.
1) Ganz so strikte dürfte gegenüber den angeführten iu'aBkengeschicIiteii dioser letztere
8ftts nicht aufgefaBst werden können.
WilbrAud-Saeiigtsr Kcurologie dea Awges. h Bd, U. AbtheUung. 29
i
436 Die Ptosis nach Traumen.
Mit Sicherheit könne man den Sitz einer Augenmuskellähmung in der
Gegend der Nervenkerne annehmen, wenn sich zu dem übrigen Symptomtt-
komplexe ein Diabetes hinzugeselle. Femer spreche für eine nucleare Lahmnog
das Auftreten einer Lähmung derselben Nerven auf beiden Seiten, denn nir-
gends lägen die Fasern eines Nervenpaares so dicht zusammen als ihre Kerne*).
Wenn nun Lähmung in beiden Nerven gleichzeitig einträte, ohne dass die
Symptome einer heftigen Blutung im Gehirn vorlägen, so könne man mit Be-
stimmtheit die Lähmungsursache in die Nervenkerne verlegen.
Wenn man auch diese diagnostischen Sätze im Grossen und Ganzen
gelten lassen kann, so muss man doch gerade bei den Augenmoskel-
lähmungen nach Schädeltraumen mit dem Klassifiziren sehr vorsichtig sein,
denn wir können nie wissen, ob hier neben der basalen Schädigung der
Nervenstämme durch Frakturen mit ihren Konsequenzen nicht auch nodi
Nuclearlähmungen nebenherlaufen. Ausserdem ist die Diagnose einer Scbädel-
basisfraktur oft in hohem Grade schwierig und darum anch schwer aw-
zuschliessen.
§ 207. Forensisch von allergrösster Bedeutung sind hierbei die trau-
matischen Spätapoplexien, über welche Bollinger (1005) berichtet hat.
Es handelt sich dabei um Patienten, welche ein schweres Trauma erlitten
hatten, dessen unmittelbare Folgen aber meist sehr geringfügig waren, denn
die Kranken hatten sehr bald nach dem Unfälle ihre gewohnten Be-
schäftigungen wieder aufnehmen können. Nach Ablauf einer grösseren Reihe
von Tagen, oder nach Wochen, traten dann rasch sich steigernde sehr be
denkliche Gehimsymptome auf, nach welchen dann bei den zur Sektion
gekommenen Fällen eine Apoplexie der Wandungen des IV. Ventrikels den
Exitus latalis herbeigeführt hatte. Anderweitige Todesursachen, nameDtlich
Veränderungen, welche etwa auf eine septische Infektion, von der Verletzung
der Kopftheile ausgehend, deuten könnten, waren nicht nachzuweisen.
So erlitt, um ein Beispiel anzuführen, ein 26 jähriger Maler am 27. Juni
ein schweres Trauma, bedingt durch einen Schlag vermittelst eines sogen.
Todschlägers, auf das linke Sei ten wand bein. Es war nur eine unbedeutende
Verletzung der äusseren Weichtheile vorhanden. Die unmittelbaren Folgen
dieses Traumas waren sehr gering und Patient konnte nach einigen Tagen
seinem Berufe als Anstreicher wieder nachgehen. Erst 20 Tage nach der
Verletzung traten bedenkliche Symptome, namentlich Kopfschmerzen auf.
welche den Patienten veranlassten, ärztliche Hülfe in Anspruch zu nehmen.
Während der nächsten Tage entwickelten sich allmählich stärkere Symptom«,
zuletzt grössere Soranolenz und Benommenheit des Sensoriums. 32 Tage nadi
der Verletzung tödtlicher Ausgang. Neben einer offenbar tödtlichen Apoplexie
in der Wand des IV. Ventrikels fanden sich kapilläre Blutungen in der
Medulla oblongata, ferner eine frische intermeningeale Apoplexie über der
1) Auch dieser Satz entepricht nicht ganz den Krfahrangen. Wir erinnern nur an die
doppelseitige Zerreissimg des Abducens bei Schädelbasisfrakturen.
Die Ptosis nach Traumen.
437
iken Heniisphäre und eine unbedeiitentle Fissur der iimeren Tafel des linken
Parietalbeiiis. Die mikroskopische üntersuchunf^ der Wandpartien des
I rV. Ventrikels ergab die Zeichen einer längere Zeit bestehenden nekrotischen
Erweichung, reichliche Fettkörnchenzellen und starke AnfiilUin^^ der Lymph-
scheiden mit Fett. Die Gefässe selbst waren im Uebrigen unverändert; keine
Spur von Atheromatose in den Hirnarterien.
In Folge der äusseren Gewalteinwirkung hatte die CerebrospinaSflüssig-
keit in der Wandung des Aquaeductus Sylvii und des IV. Ventrikels auf dem
Wege des mechanischen In.sults Läsionen erzeugt, die zur Erweichung und
Nekrose der Gehirnsubstanz dabei zu (iefässalteration und schliesslich in
Folge der Letzteren, sowie der veränderten Druckverhältnisse und Wider-
stände zur traumatischen Spätapoplexie führen, ähnlich wie in der
Unigebiing vfui Enveichungsherden oder vtm sonstwie in ihrer Ernähning ge-
störten Hirnahschnitteu, z. B. in der Randzone von Neuidldungen, accidentelle
Blutungen häutig sich vor linden. Es können sich eben nach vielen Erfahrungen
G eh irna bscesse und Erweichungen öfters erst längere Zeit nach erlittenen
Trauma entwickeln. So erwähnt Förster (1006) eines Falles, in welchem
ein 12 jähriger Knabe aus beträchtlicher Höhe auf den Kopf gestürzt war.
Nach vorübergegangener Gehirnerschütterung trat Genesung ein. Geraume
Zeit später entwickelte sich Schielen, Schwerhörigkeif, unsicherer Gang, später
Lähmung des Gesichts, der oberen und unteren Extremitäten, endlich tödt-
liche Pneumonie. Die Sektion ergab, dass der hintere Theil der Brücke
nebst den anliegenden Seitentheilen des kleinen Gehirns und dem vorderen
Theile der Medulla oblongata in eine sehr weiche Masse verw^andelt war, die
sich als gelbe Erweichung der genannten Theile erwies.
In manchen Fällen setzt der degenerative Prozess schon sehr bald nach
Einwirkung des Traumas ein, und führt aui" dem Wege der progressiven^
gelben y herdförmigen Erweichung am Boden des IV. Ventrikels nach vielen
Wochen zum tödtlichen Ausgang; in anderen Fällen w*irkt der traumatische,
durcli den Ventrikelinhalt vermittelte und fortgepflanzte Insult auf die laterale
Wand einer Seitenkannner, und ist die Lokalisation der Spät apoplexie
dann offenbar abhängig von der Richtung, in welcher die W^irkung der äusseren
Gewalt sich auf den Schädelinlialt fortpflanzte.
d) lieber die kortikale Ptosis nach Traumen.
§ 208. Schliesslich muss nocb hervorgehoben werden, dass auch in An-
betracht dessen, was vorhin bezüglich der traumatischen Rindenerweichungen
gesagt worden ist, das siipptmirte kortikale Levatorcentrum direkt
durch ein Trauma lädirt werden kann.
So bescbi-eibt W i 11 i ams (Öll) eine Depres&ionsfraktur des liükeQ SclieitelbeioB mit uu-
gekretizter , also huksseitiger Ptosis. Nach 4 Monaten, währf-ud welcher Zeit Patient
an Schwindel und Kopfschmerzen gelitten hatt«, stellte sicli eine linksseitige Parese mit
CoDvulsionen in den gelähmten Gliedein ein. Zwei Monate darauf wurde Patient trepa-
n i r t, bald darauf schwanden alle Erscheinungen.
SO»
Die Ptosis nach Tmiinieu
43S
CasteUaita (913) sah zufolge einer komplizierten Schädebplitterfraktur 4tr
Froßtoparietali?egcud links Ptosis und Spracheturnng auftreten.
Neben Parese der linken Eörperhälfte konstiitirte Du 11 es (912} in einem Fiflt ini
Basiabruch die gleichseiti ge Lähmung des Oculomotorius. Die Komplikation mit deiBio»
plegie machte es fraglich, ob die Lähmung des Nerven einer Läsion seinea StamoMt, «At
einer centraten Alfeklion, etwa seiner kortikalen Centren zuzuschreiben war,
W. H. Bnnting (1007) bfobaelitete bei einem 12jährigen Knaben mit koropUfiil«
Schädelfraktur direkt im Anschluas an eine operative Aufrichtung eined deprimirtea linwiii-
Splitters eine unilaterale Ptosis, die er auf eine bei diesem Eingriff geseUte Vedetiiiii
des korticalen Centrums fOr Hebung des'^oberen Augenlids zurückfahrt. Eine Kernliaia
schien ausgeschlotiseD. Der
Adsgl eich der Ptosis* dcc lid ■
10-12 Wochen ToHiog,
nach H/s Meinung
dadurch, das» das CeDtnuB ki
anderen Hirnhälft«« vikariireDd m-
gotreten sein soll. Das LtTlli^
centrum liege nach B/a Mdoiiig m
hinteren Schenkel der lLStini«tBinif
und reiche wahi-scheiDÜdi ia im
I. Stirn Windung hinüber, als» fvi
und oberhalb der von de Bodo md
unterhalb der von Ferrier aif^
noßimenen Lage^ und sei roo 4/M
Rindencent rum für die tkifm
Augenmuskeln getrennt, aodaai «i
isulirtes Befallen werden oder Ti
schontbleiben vorkomme.
^ 209. Mit einer
luntisclien Ptosis dürfen
Fälle von Enopbtbalmiis tna-
inaticus nicht verwechselt »rer-
den, bei welchen der Bulbuj
in die Orbita zurückgesonkei)
ist und das seiner Stütze mekr
beraubte Überlid darum tiefer
steht« wie in dem folgendeo
von uns beobachteten FaÜe (i
Fig. 87).
Am 29. VI IL 189H stürzte der 48 jährige Hsfeuarbeiter H, C. vom Deck 5—« MMm
tief in den Schiffsraum, verlor die Besinnung und will 8 Tage lang ohne BewusstSMn g^Um
haben und bis zum 29. XL 1898 von eiaera anderen Arzte behandelt worden adn Aa
29. XI L 1898 stellte «r sieh uns zum ersten Male vor mit Klagen über SchmerEea Im Koifh
und an verschiedenen Körperstellen ^ über Schwindel und Vergesslichkeit» Abnahme ^
Oedächtnisse», Bchleehten Schlaf etc.
Status praesens. Ueher dem linken Auge eine oberilächl ich e alte Haatnarh«, Alf
der linken Kante des NasenrUiken« eme etwa 3 cm lange Narbe, die gut verschieblte^ iit
Vom linken äusseren Orbital winkel zieht über die Wange nach unten eine frische, druck-
empfindliche adhäreute Narbe. Eine oberüflchliche Narbe unter dein linken Knie. All«
Narben Bollen von jenem Uuftll herrtthren. Ks besteht links Enophthalmns, Da« llab
Fig. 87.
H. C. Linkft Eoophthiilmufl traunialii'UB. ziifolge dessen
Tieffltfind dl?* tiokcii tUterlids.
Die Ptosis uacb Trauraeo. 439
Auge liegt mehrere Millimeter gegen das rechte zarQck. Die linke Augenbraue steht etwas
tiefer, die linke Lidspalte ist enger und die Deckfalte des linken Auges breiter als die des
rechten.
Die Sehschärfe ist links ^/•» rechts nonnah Die Pupillen sind beide gleich weit, vou
nonnaler Reaktion. Erscheinungen von Seiten des Sympatbicus bestehen nicht. Bei Per-
kussion Schmerz über der linken Augenbraue.
Wie wir später sehen werden, giebt es einen traumatischen Enophthalmtis,
welcher ans einer Läsion des iSympathicus hergeleitet werden mnss. Bei Be-
obachtungen aber analog der nnserigen mit voUiätiindigem Fehlen jeglichen
Symptoms einer Sympathicusaffektion , muss das Zurücksinken des Bulbus
aus einer Erweiter iing der Orhita infolge Auseinander weichens der Frakturen,
oder durch Splitterfrakturen erkliirt werden, wie in der folgenden Beobachtung
von Fuchs (940):. Ein Förster wurde von einem Hirsch angegrififen und
trug neben anderen Verletzungen auch eine solche der linken Augengegend
davon. Am oberen linken Lide fand sich eine 2,5 cm lange Hautnarbe. Es
bestanden Doppelbilder im Sinne des Muse, obliquus infer. Die Pupille des
linken Auges kleiner als die des rechten. Enophthalmus, sowie Parästhesie
der Wange, des Unterlids, der Nase und Lippe auf der linken Seite,
Es wurde in diesem Falle eine Fraktur des Orbitalbodens angenommen.
Durch dieselbe war eine Vergrösserung der Orbita gegeben, welche zu einer
theilweisen Verlagerung des Orbital fettes führte und im Zusammenhange
damit das Zurückweichen des Bulbus unter dem atmosphärischen Druck zur
Folge haben musste.
In einem analogen Falle von G. Cohn (941) wurde der Enophthalmus
auf eine entzLindliche Affektion der periostalen Bekleidung der Orbita zurück-
geführt, wodurch das retrobulbäre Fettgew^ebe in Narbengew^ebe umgewandelt
worden sei, welches den Eulbus retrahirt haben solle.
Auch Low (942) nimmt in seinem durch Hufschlag entstandenen, und
von Blindheit und Störungen der Augenmuskeln gefolgten Enophthalmus als
Ursache eine narbige Schrumpfung des retrobulbären Fettgewebes nach einer
Orbital fraktur an.
Bei den von G e s s u e r (943) beschriebenen Fällen wnirde der Enophthal-
mus ebenfalls aus einem mechanischen Zurücksinken des Bulbus in den durch
narbige Schrumpfung des retrobulbären Fettzellgewebes an Ausdehnung ge-
winnenden Orbitalraum erklärt, wobei ein gewisser Druck der sich über den
Bulbus spannenden und diesen bedeckenden Lider als Hill^ursaclie in Betracht
zu ziehen sei.
Neulen (1008) unterscheidet nach der Entsteh ungmirsache 2 Gruppen
von Enophthalmus trauraaticus:
L den durch die Fraktur der Orbita entstandenen, und
2. den durch Nervenschädigung erklärbaren Enophthalmus.
Bei der ersten Gruppe dränge die erweiternde Gewalt einen Theil des
Orbitalgewebes aus der Orbitaihöhle hinaus und den Bulbus gleichzeitig nach
hinten, w^o derselbe stehen bleibe, da keine Kraft vorbanden sei, ihn wieder
i
440 Die Ptosis nach Traumen.
nach vorne zu treiben. Oft würde er dann nach hinten durch adharentt
Narbenstränge befestigt. Auch er führt hierfür eine Beobachtung an, bei
welcher ein Patient einen Hufschlag gegen das linke Auge bekommen hatU.
Derselbe w^ar zwei Tage lang bewusstlos. Erst nach 6 Tagen nahm die starke
Schwellung des Oberlides ab. Am inneren Winkel fand sich eine dnict
empfindliche Narbe und am Infraorbitalrande eine tiefe Depression. Das
linke Auge stand 6 mm tiefer, als der rechte. Das Sehvermögen war voll-
ständig erloschen. Neulen glaubt, dass eine Orbitalfraktur und eine narbig
Verwachsung des Bulbus mit dem Orbitalrande vorliege.
11. Die Ptosis bei Gehirntumoren.
§ 210. Bei den Himgeschwülsten begegnet die diagnostische Verwerthnng
einer Ptosis deshalb so grossen Schwierigkeiten, weil es zur Zeit noch unmö^cb
ist, aus den klinischen Erscheinungen den Nachweis zu führen, in wie weit
die vorhandene Schädigung des Oculomotorius direkt oder indirekt durch den
Tumor bedingt worden sein möchte. So führt Oppenheim als Beispiel für die
durch eine Gehirngeschwulst verursachte kompressive Einwirkung auf eni-
legeneTheile des Gehirns ganz speziell die Affektion des Oculomotorius
der gekreuzten Seite an. Im Allgemeinen ist jedoch die Femwirkung keine
so beträchtliche; vielmelir handelt es sich, wie Bruns charakteristisch sich
ausdrückt, um Nachbarschaftssymptome des Tumors.
Hierzu gesellt sich als weitere Schwierigkeit die Verwerthung der
jeder intrakraniellen Neubildung zukommenden Allgemeinsymptome. Sind
wir doch gegenwärtig über das Wesen und die Wirkung des den letzteren
zu Grunde liegenden erhöhten Himdrucks durchaus noch nicht im klaren.
So haben uns die Erfahrungen der letzten Jahre im hiesigen allgemeinen
Krankenhause belehrt, wie ausserordentlich unsicher und wechselnd die All-
gemeinerscheinungen bei Hirntumoren sind. In einer Reihe von betracht-
lichen Neubildungen im Gehirn, bei denen sich post mortem die Zeichen des
stark erhöhten Hirndrucks fanden, wurde in vivo bei einigen die Stauungs-
papille, bei anderen Pulsverlangsamung und Kopfschmerz vermisst. Ebenso
bekannt ist das Fehlen der Hirnsymptome, namentlich bei ganz allmählicher
nicht zerstörender, sondern nur verschiebender Einwirkung einer Geschwulst
auf das Hirngewebe. Sehr begreiflich erscheint daher die Mahnung so kom-
petenter Autoren, wie Obernier und Nothnagel (949), bei der Lokalisirong
von Hirngeschwülsten sich der grössten Vorsicht zu befleissigen.
Andererseits dürfen wir uns durch die Erfahrungen früherer Autoren
nicht beirren lassen, die Herd- und Nachbarschaftssymptome der Hirn-
tumoren eingehend zu studiren, zumal da manche Erfolge der modernen
Hirnchirurgie zeigen, dass auch auf diesem Gebiete die Möglichkeit eines
Fortschrittes in lokalistischer Beziehung wohl gegeben ist.
In den meisten Lehr- und Handbüchern wird der Oculomotorius bei
der Symptomatologie der Hirntumoren ziemlich kurz abgethan. So weist
Die Ptosis bei GehirntumoreD.
441
z. B. Gowers (950) nur darauf hin, dass eine isolirte oder doppel-
seitige Oculomotoriuslähmung bei Tumoren des Himschenkels
oder der in der Nähe desselben gelegenen Hirnpartie vorkomme. Beide
Ocul oTOoiorii könnten durch eine zwischen den Schenkeln gelegene Gesehwulst
lädirt werden.
Dass indessen in Wirklichkeit die Verhältnisse bedeutend vielf^estaltiger,
komplizirter und interessanter sind^ wird aus der nachfolgenden Betrachtung
vorhandener charakteristischer Fälle aus der Litteratur heiTorgeben.
$ 211. Orbitale
Lokalisation.
L Kepinski |951) be-
obaciitete eine T^Filimung sümint-
lieber AMgenmuskelri rait Aiia-
D&bme des Rect. sup. und intern.
Doppelseitige Ptosis; Protrusion,
linksseitige StauungspapiUe;
H^ype rast h 681 e im 1. und 2. Quin-
tu6«öt und leichte Facialiäpiirese.
Die Sektion ergab einen Tumor
aa der Scbädelbasia mit Durcb-
bruch in die Augen- und Sebädel-
h^ible. Derselbe ging von der
Ba&ia li^a linken Process. pteiy-
goid. dicbt unter dem Foranieu
rotimduni huh untl erstreckte steh
nacb oben und vom. Er durch-
brach die anssere untere Augen*
höhlenwand und verbreitete sich
in der Orbita , von wo er dann
durch die Fi^^sura orbital ib Hup.
in die Schüdeliiuhle perforirte.
Die Neubildung war e^n mit allen
in die Orbita hin'eingchenden
NerA'en verwachsenes Rundzellen-
aarkom.
Clark (95:3 1 beobachtete
verschiedene H^ydatidencysten im
Gehirn» Kine fand sich an der
Beitenwand der linken Augenhöhle, so dass der Sehnerv und die Augenmuskelnerven
komprimirt wurden, was Unbeweglichkeit des linken Bulbus* Herabsetzung des Sehver-
mögens und einen nasalen öesichtafelddofekt zur Folge hatte.
Bar ab asheff (954) verötlentlicbte 2 Fälle von Kthinococeus der Augenhöhle: in
dem einen Fall handelte es sich um ein 12 jahriges Mildchen, das rechtsseitig erblindet war
(Atropbia n. opt.) und eine Ptosis, Exophthalmus und Verdrängung des Auges nach
aussen und unten dargeboten liatte.
Ca 11 an (952) sab bei einem an Influenza erkrankten und gestorbenen Alkoholiker
einen vor tibergebenden Exopbtbalmu.s und Opbthalmciplegia exterior. Die Atopsie ergab
einen Hdyrocephalua externus und internus. Eine seröse Ansammlung zwischen dtii beiden
Hirnhäuten auf der Sella turcica hatte durch Druck die Ophthnlmoplegie erzeugt, den Ex-
ophthalmus und die seröse Infiltration des Orbitalgewebes.
Fig. 8b.
IQ jähriger Jun^e mit einem von der medinlen Fläche der
Orlnlfl }iu»>ifegt)Qureneu Spindeltellensarkoni. SdiwelluUji? und
lividt" Verfärbung de» Oberlidci diirdi Bluti^tauun^.
Die Ptosis bei Gehirntumoreii.
4^
Aus (lern Kapitel 5 ^ 116 reproduziren wir die Figur 65 (iidtt
Figur 88), um die ErscheiBimgeii zu zeigen, die sich ausser lieb bö
einem orbitalen Tumor geltend machen. In demselben Kapitel hatten ws
pag. 312 darauf hingewiesen, dass man bei Lues mit OrhitaJsymptomen issi
Trereinzelten Augenmuskellnbmungen von selten des Oculomotorios Tor «Ikn
an einen basalen Herd denken müsse, welcher später seine Auslaufer durdk
die Fissura orbitalis in die Augenhohle hinein geschickt haben könne, hu-
selbe Raisonneinent gilt für die Tumoren im Allgemeinen. Wir wollen la
dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass in dem von uns beobachtetes
Falle H, M. Fig^ir 89 es sich niöglicherweise gar nicht um Lues, sondern nn
einen andersartigen Tumor 'gehandelt haben kann, da eine Sektion nidst
vorliegt, der Erfolg der Jodme«Ukaüoii
allein aber nicht beweisend ist.
§ 212. Basale Lokalisatioa
Der vorhergehende Fall bildet einen
rebergang zur vorliegenden Gruppe. Die-
selbe bietet ein ganz besonderes Inter^sie
dar, weil bei den basalen Tumoren oft
sehr frühzeitig Herderscheinungen in Folp
des Drucks auf die Gehirnnerven auftreten
können, welchem dieselben wegen der
knöchernen Unterlage nicht auszuweichen
vermögen.
Dass die Nervenstämme jedoch häufii
eine ganz ausserordentliche Widerstand»-
fithigkeit gegen die bald komprimirenden,
bald dehnenden und zerrenden Wirkungea
der Tumoren darbieten, haben wir ent
kürzlich bei einem Falle erlebt, bei welcbesi
der Quintus um einen eigrossen, in der
Entwickelung gegen denPons hin begriffewii
Tumor sich herumgeschlungen hatte and
dabei gedehnt und stark zerfasert erschien, ohne in vivo entsprech^idi
Symptome dargeboten zu haben. Der hnke Ahducens war dagegen m
gewöhnlich in Folge des Tumorendrucks durch fettige Degeneration verdanut
und von grauer Farbe. Auch machten wir bei diesem Falle zugleich die m
oft betonte Erfahrung, dass die Wirkung der Tumoren an der Basis auf die
daselbst befindlichen Nerven eine durchaus regellose und ungleichmässige ist
indem bald der eine, bahl der andere erkrankt, ohne dass die Autopsie uns
irgend welche Erklärung für dieses elektive Verhalten zu geben vernnichtf
Abgesehen von den verwickelten Druckverhaltnissen in der Schädelkaf»H
spielt gewiss die Art des Wachsthums sowohl, wie die Natur der Neubildaflg
heim Zustandekommen dieser Erscheinung eine grosse Rolle.
IL M,
Fig 89.
Link« Tumor orbitÄC et bwrlos
\
Die Ptosis bei Gehirntumoren. ^HHV 443
Vom diagnostischen Gesichtspuiikte ans betraclitet, dürfte jedoch die
Reihenfolge, in welcher die basalen Hirnnerven vom Tumor
ergriffen werden, in praxi den am meisten ins Gewicht fallenden Faktor
darstellen. Darum ist auch den klinischen Symptomen von Seiten des Ocu-
lomatorins eine so grosse Bedeutung beizulegen, weil derselbe in relativ
langem Verlaufe an der Seiten wand des IVocessiis clinoideus posterior die
Hypophysengegend und die mittlere Schiidelgrube passirt, um dann in der
Dura unter der Wand der vorderen Schädelgrube die Fissura orbitalis zu
erreichen. Bei den in dieser Gegend häutig auftretenden oder zur Wirkung
kommenden Tumoren wird daher dieser Nerv auch meistens mit affizirt,
was sich oft und früh in einer Ptosis zu oflenbaren ptlegt.
So beobachtete Türck (955) einen S4jälir. Patienten, welcher 4 Monate vor seinem
Tode einen heftigen Schmerz in der rechten Supraorhitalgegend empfunden hatte, worauf
Am folgenden Tage das rechte obere Augenlid herabsank. Bei seiner Aufnahme
wurde eine fast vollkomniene Lfihmung des rechten Ociilomotorins, Neuralgie Im 1. ABt
des rechten Quintua und eine rechtsseitige Amblyopie konstalirt. Bei der Section fand
»ich ein Tuberkel auf der Dura, der den rechten Rani, ophtha! m. n. quinti und die rechte
Hälfte des Chi asm a komprimirt und den i-echten N. oculomotorius voUätändig infil-
trirt hatte.
Dreachfeld (956) veröffentlichte einen Fall von Lähmnng sfim int lieber Augea-
mnskelnf Exophthalmus, AniLsthesie im Bereiche des Trigeminus, nenroparalyt. Keratitis,
Amaurose nnd linksseitige temporale Hemianopsie, Die Sektion ergab einen an der rechten
HirBbasia sitzenden weichen carcinomatösen Tumor, welcher der Dura aufsass und bia
%um Foramen opticum reichte. Die betreffende Gehirnnerven waren in die tieschwulst
auusBe aingebetiet.
A. Rosenthal (957) beobachtete bei einem ähnlichen Falle linksseitige Ptosis;
Imkaseitrige Mioais; Bewegungsbeschränkung des linken Auges nach oben, unten und
namentlich nach innen; eine beiderseitige Stauungspapille, Neuralgie und Anästhesie des
Trigeminus mit Keratitia neuroparalytica Die Autopsie zeigte eine bohnengrosae Geschwulst
an dem Ursprünge des linken Quintus, welche das Ganglion Gasseri durchsetzt nnd einen
Druck auf den Sinus cavernosus und den linksseitigen Ocnlomotorias ausgeübt hatte.
Nettleship (958l constatirte eine Hnksaeitige Oculomotoriuslähmung
bei einem 30 jährigen Manne, welcher auf dem einen Auge erblindet war und auf dem
anderen Auge eine Hemianopsie erkennen liess. Die 7 Jahre nach der ersten Untersuch-
UDg ausgeführte Sektion ergab einen Tumor, der vom Keilbein ausgebend, den linken
N. oculomotorius, den Opticus, das Chiasnia , den linken Tractus^ sowie den Hirn-
schenkel und Föns comprimirt hatte.
Dinkler |959j sah bei einem 53 Jahrigen Manne durch ein vom Sinus cavernosus
dexter ausgehendes Sarkom Degenen\tion des II. bis XII. Hirn neigen rechts und des
Qnintns links. Hechts bestand ausserdem Exopthalmus und Neuritis optica. Eine Ptosis
wurde nicht beobachtet
Eine der ältesten bierhergehörigen Beobachtungen verdanken wir
Bell (960).
Ein Hufschmied hatte bei Waterloo eine Verwundung am linken Schlflfenbein und
Jocfahein, und 5 Jahre später an derselben Steile den Hufschlag eines Pferdes erhalten.
Die ersten Erscheinungen bestanden in Kopfschmerz. Schwindel, dann roonateiangen heftigen
Schmerzen in der linken Stirn und Backe. Darauf tiat linkei-seits Ptosis ♦ Starrheit des
Bulbus, Dilatation und ünbeweglichkeit der Pupille^ Anästhesie und Neuralgie der linken
GesichtshÄlfte, Keratit. neuroparalytica mit destruktiver Entzündung de* Auges, Lähmung
4M
Oli Plodis bei GebirntuTnoren^
I
dc>r linksseitigeD Eaumuskelu uiiil Verluat des Sebvermdgena der liolcen Seite m, E»
Facialialiibmuug war vorüber gehfind Aufgetreten.
Die Sektion ergub an der linken Seite der Sellti turcica Adlifisioiien IÜt«r«o tttam
zwischen Dura und den weichen Hinjhäuten. Nach ihrer Lf^suDg kam eine Ge«cb»ik
zum Vorschein, welche vorwärts hi« zur oberen KeilbeinspalteT seit wärt« bis zmn Fonsua
der Art. nioningea und rückwärts bis zum Proceasus clinoid, pos^terior reiebt^ iJieaiQt
nabm den ganzen Smiis cai^emosu» ein. Der N. o culo m o to r iu s^ trochlearia, tripotOfti
abdueens waren von der Geschwulst «ingeechlosaen und bis^ zu ihrem Austritt itti dca
Gehirn atrophisch. Der Opticus verlief oberhalb derselben und batto eine gratie FtrW
Im Anschliiss an diesen Fall müge behoinlers liervurgehoben wt-rdes.
daes bei Tumoren im Türkensattel anfangs S^^mptome von seilen der Aü?:»?tt-
nuiskeln und des QtiiDtns ml4i
einstellen, zu denen meist S^b-
Störungen in Form einer TmdBs-
Hejinano])sie hinzuzutreten jiHegen.
Diese Kombination kommt
bei intracerebralen Herdf^n
nicht vor.
80 sah Williams iM2\ d<»pp«i-
seitige Ophtbalmoplegie und neurt^pvir
ly tische Keratitis in einem Falle, t»i
dem die Sektion einen Tumof im Keil-
bein körp er ersfab.
Stedniann Bull (961 ( (^
öbachfete eine 72jahHgo Fnm mit fc<-
ginnender doppelseitiger Ploöis oad
botnon^mer linksseitiger Uemiaoopsie
Die Sektion ergab ein haaeltmasgroflHC
kleinzelliges 8arkoRi des recbteii IViet
opt. und eine Blutung im linkra T(
porullappiin.
Juler und Harris (963) h^
ohuchteten eine pl5t2]jcbe Amaurose
oh i] e ophthulinoskopiächen Befund, woni
»ich Exophthalmus sowie Tölüg» 0^
thfllmoplegie dea rechten und linkta
Auges anschlo-^isen ; (2 Jahre nach Eot-
f er u u ng e i ne ä B r US tk re b^e^} D ie Sektii«
ergab ein metaatattsches Carcinom in
Keilbeinkörpers.
Wir sölhat beobachteten im vorigen Jahre folgenden Fall hm einem Alteren H«na
(siehe Fig. 90) bei welchem wegen Carcinom eine Kieferresektion gemacht worden war.
Bei der ersteu Untersuchung konstatirten wir eme rechtsseitige t^^tale scblif*
Ptosis. Der rechte Bulbus war absolut unbeweglich und stand nach ansäen gmtfat^
Bei Blinzelbewegungeo und mit dem Fioger gehobenem Oberlid konnte man konauttna,
dass sich der Bulbus lediglich durch die Kontraktion des unteren Lides etwas bev?gte<
Die Funktion des M. frontalis und Orhicularis oculi war durchaus normal.
Der Comealretlex fehlte auf der rechten Seite. Die tactile Empfindung war m ftll^B
8 Aefiien dea rechten tjuiutus herabgesetzt, ebenso die Schmerz- und Würmeempfint^nnf
wibrend das Kültegefühl besser erbalten war. Der motorische Quintus erschien aidit
affizirt
■" I
Fig. 90
H. P. Basaler um! orbitaler Tumor di-r rechten
Seite mit Ptosiü und ExophthaloiUb.
Die FtosJa bei Gehirntumoren. ^^^^^ 445
Die rechte Papille war über mittel weit nod reagirte gar nichl'.
Der Augenhintergruod war beiderseits normal; dabei war rechts die Sehschärfe bis
Lichtschein herabgesetzt, während sie Imks normal war. Das Gesichtsfeld des linken
Luges hatte im oberen äusseren Sector eine kleine Einschränkung.
Das Geinjchsver mögen war beiderseits vorhanden, links jedoch behauptete Patient
ser unterscheiden zu können.
Der Geschmack war auf der vorderen rechten Seite der Zunge für Süss aufgehoben,
Bitter, Sauer und Salzig herabgesetzt gegen links. Hinten auf der Zunge keine Stör-
Qg des Geschmacks. Das Gehör war rechts deutlich, gegen links herabgesetzt.
Die Zungenbewegnngen waren frei.
Die Intelligenz des wegen eines operativ bedingten Gaumendefektea schwer verstäud-
chen Mannes war vorzüglich.
Aus dem übrigen Status ist benierkenswerth , dass der Gang des Patienten tappend
war. Das linke Beiu schleppte etwas nach. Die Sehnenreflexe warten leicht ausll>sbar;
PatellaiTeflexe gesteigert ; Hautreflexe waren sämmtlich vorhanden. Die rohe Kraft war in
der linksseitigen Extremität gegen rechts herabgesetzt.
Dynamom. links 50, rechts 8(}.
Die Sensibilität war intakt. Der linke Mundwinkel hing etwas herab. Der oWre
FacialiB war ganz intakt.
Nicht liiDge nach der Untersuchung war Patient gestorben. Leider
konnten wir die Sektion nicht ausführen. Wir sind aber infolge der persön-
lichen Mittheihmg de.s Herrn Prof. ^Miugazzini in Kom (1028) in der Lage,
folgenden nach vielen Hiebtungen hin anabgen Fall mit Sektionsbefund liier
anführen zu können.
Ein 30 jähriger Manu, bei dein weder Lues, not-h Alkohol misslirauch nachweisbar war,
bekam heftiges linksseitige» Naseubluten} dann Ohrensausen nnil linkn lokali^irten Kopf-
schmerz. Hierauf stellte sich Doppeltsehen, eine linksseitige Ptosis und Abduceobpareäe
«in. Bei der einige Monate später vorgenommenen Untersuchung fand sich links eine voU-
etfindige innere und äussere Ophthalmoplegie. Die linke Pupille war erweitert und die Seh-
schärfe vermindert. Es bestantl ferner eine Parese der linksseitigen Kaumnskeln;
Verminilerung dcH Geruchs auf der linken Seite und eine leiehte Pitreae der rechts-
seitigen Glieder. Zu diesen Symptomen gesellte sich späterhin eine Deviation der Zunge
nach links; Starrheit heider Pupillen; ta etile, thermische und algiscbt? Hypei-
äathesie in der linken G eBichts hälfte und eine Ahhlassung dei linken Papille.
In den letzten Monaten des Lehens fand mau daher liei dem Patienten eine hallt-
seit ige Lähmnng der genannten Himnerven.
Die Sektion ergab ein Fibroaarkom, das, vom Antnim Highmori ausgehend, die
Muscheln, dann den linken Theil des Ketlheins und der 8ella turcica infiltrii-t und die
Tendenz hatte, sich auf den Clivns zu erstrecken.
Wahrend Nothnagel (964} besonders herv^orhebt, dass Aneurysmen
öfters längere Zeit, gelegentlich bis zur Huptur hin ohne jede Symptome
bestehen können, rühmt Wernicke (965) gerade den Aneurj&men speziell
dem der Carotis in Sinus caveiTiosus nach, dass sich bei denselben die
mechanische Wirkungsweise eines Tumors in besonderer Reinheit zeige, wofür
er als Beispiel folgende Beobachtung Hutchinson 's mittheilt.
Eine 4Üjährige blasse und magere Fran litt seit 11 Jahren an Kapfschmerzen, die
tm letzten Jahre zunahmen und von einem kloptendcn Gefühl in der linken Schläfengegend
begleitet waren. Seit dieser Zeit hatte sich auf der linken Seite eine lollstöndige Oculo-
motorius- und Äbducenalähmung eingestellt. Der Trocblearia hlieh frei, ebenso der Fa-
cinlia« Die Sehscharfe und der Augenhintergrund waren unverändert. Mit dem Henohr
446 Die Ptosis bei Gehirntamorexu
hörte man ein Geräusch, woraus tl. auf ein Aneurysma schloss. Nach 10 Jahrea itaA
die Patientin. Vorher war auch der linke Trochlearis gelähmt. Die Sektion ergib m
Aneurysma von der Form und Grösse eines Tanbeneies. Dasselbe nahm die Üab
mittlere Sohädelgrube ein und kommunizirte durch eine Oeffnung mit der Garo^ intoi
deren Durchgängigkeit nicht beeinträchtigt war. Der Aneurysmasack rahte auf dem Gn-
glion G asser i und Hess den benachbarten Opticus intakt. Die motorischen Aageanenm
waren über ihn gespannt und verloren sich in seiner Wand. Der Sinus caveraosii
war obliterirt.
Ruschemberger (966) beobachtete eine frische Rnptar eines tanbeneigroaMs
Aneurysmas der Basilararterie , welches den Pons gerade in der Mittellinie kompnniit
hatte. Die Anamnese des 47 jährigen Mannes hatte ergeben, dass derselbe seit weiugstoas
zwei Jahren linksseitig gelähmt war mit Zittern der rechten Hand. B^i der Anfiialmie iM
Krankenhaus bestand eine linksseitige Hemiplegie (motorisch und sensibel), linksseitige
Pto sis , erschwerte Sprache (die Zunge wich nach links ab), erschwertes Schlingen und mifrei-
willige Entleerungen.
§ 213. Symptome von selten der an der Basis befindlichen Nerren
spez. des Oculomotorius können aber auch indirekt durch Tumoren in der
Himsubstanz veranlasst werden.
So sah Bruns (967) eine Ptosis bei folgendem Falle auftreten.
Eine 40 jährige Frau erkrankte von Oktober 1897 an unter den Erscheinungen eiser
allgemeinen Benommenheit und Schlafsucht bei erhaltener Intelligenz. Im NoYember tnt
eine leichte rechtsseitige Hemiplegie, Paraphasie, dann eine deutliche Aphasie ein Am
21. Dezember linksseitige Stauungspapille, die am 30./ 12. auch rechts deatlich wurde.
An diesem Datum wurden: eine linksseitige Ptosis, Schwäche der Heber und Senker
des linken Auges, beiderseitige Abducenslähmung und Hyperästhesie im linken N. sapn-
orbitalis konstatirt. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Allgemeinsymptome: wie
Kopfschmerz, Erbrechen gering waren, und dass eine deutliche perkutorische Empfindüd-
keit am linken Stirnbein nachweisbar war. Die Sektion ergab ein Randzellensarkom in
linken Stimhirn.
Bruns hatte die Diagnose eines linksseitigen Stimhimtumors mit folgen-
der Begründung gestellt : Wegen der motorischen Aphasie, der perkutorischen
Empfindlichkeit der seitlichen Stimgegend und den Allgemeinerbcheinungen
musste es sich um einen Tumor in der linken Hemisphäre handeln. Die
leichte rechtsseitige Hemiplegie vrurde als Nachbarschaftssymptom durch Drück
auf die Centralwindungen bezw. ihrem Stabkranz erklärt. Gesichert wurde
die Diagnose erst, als zu der erst links aufgetretenen Stauungspapille sich die
Zeichen einer Hirnnervenerkrankung: linksseitige Abducens-Oculomotoriuslähm-
ung zugleich mit Hyperästhesie im linken Supraorbitalis hinzu gesellt hatte.
Bruns lokalisirte folgendermassen: „es handelt sich um einen Tumor des linken
Stirnhirns, der besonders nach der Basis zu gewachsen ist und hier die
zwischen Stirnhirn und Basis cranii in der Augenhöhle verlaufenden Nerren
komprimirt hat^.' Aus dem anatomischen Befund interessirt uns, dass der
Tumor besonders nach unten und aussen zu gewachsen war und die orbitalen
Theile des Stirnhims stark nach unten gedrückt hatte, wodurch die unter
dieser Partie liegenden Nerven und Gefässe komprimirt worden waren.
Wir haben diesen höchst lehrreichen Fall ausführlicher mitgetheilt, weil
aus demselben ersichtlich ist, wie auch Bruns hervorhebt, dass das Ein-
treten basaler Hirnnervenlähmung für die Lokal -Diagnose der Stimhirn-
Die Ptosis bei Gehirntumoren. 447
imoren geradezu ausschlaggebend sein kann. Also auch hier sehen wir
iederum die Wichtigkeit einer ev. vorhandenen Ptosis und Ocuioraotorius*
imung. Zugleich müssen wir ganz besonders hervorhelien, dass wir auch
dieser Himregion einem Syndrome de Weber begegnen können,
h, einer alternirenden Hemiplegie in der Weise, dass bei einer Oculomo-
>riuslähmung eine gekreuzte Extremitätenlähmung beobachtet wird, Diflerential-
iagnostisch muss ein Tumor im liirnschenkel , der klasisschen Stelle des Syn-
trome de Weber, und nach unseren Erfahrungen im 8chläfenlapx)en (s, Ptosis
Bi Äbscess) berücksichtigt werden. Der Verlauf, die Aufeinanderfolge der
Symptome, die Kombination mit anderen Hirnnervenlähmunj^en von Seiten des
LbdncenSj Quintas und Opticus wird die richtige Lokaüsation ermöglichen, zumal
renn man erwägt, dass Läsionen der an der Basis der vorderen und mittleren
'Scbädelgrube zwischen Stirnhirn und Knochen verlaufenden Nerven spez. des
Ocnlomotorius, Abducens und 1. Ast des Quintus bei Stimhimtumoren
einerseits durch direkte Kompression von Seiten der Geschwulst, andererseits
durch indirekten Dnick in Folge von Stammgen im Sinus cavernosus der
betrefienden Seite entstanden sein können.
Fried reich {1000) bencbt^te von einem 40jähriget] Theologen^ der seit 3 Jahren
an heftigem linkss. Eopfaciimerz gelitten hatte, zn dem sich unter Parflstheöien eine redits8€itigo
tota^1e Hemiplegie und Anästbeeie hinzugeaeUtei], dasB sich nach Auftreten von Convulsionen
in den Extremitäten auf dem linken Auge eine Ptosia und Erweiterung der linken Pupille
©ingestePt habe. 10 Tage darauf trat der Exitus ein.
Bei der Sektion fand Mch vom hinteren Lappen der Grossbirnheniisphäre
und zwar in der Höbe der Decke dea Seitenventrikels beginnend bis herab zur Kortikal-
suhstanz der Himbaeia, ferner bia zur Mitte des vorderen Lappens und seitlich noch bis
in den Thalarana opticus reichend, ein grossea Neoplasma von röthlicber, graugelber
Färbung, welches aich &ekr derb anfühlte» Die Ventrikel waren ziemlich erweitert
Bei der Epicrise hebt Fried reich hervor, dass die in den letzten
Tagen hinzugetretene Lähmung einzehier Zweige des Oculomotorius (Ptosis,
Erw'eitening der Pupille) ohne Zweifel durch direkte Einwirkung der Neubild-
ung bedingt worden sei; da die Geschwulst bis fast unmittelbar an der
Hirnbasis sich entwickelt hatte und durch Druck auf genannten
Nerven die Funktion desselben zum T h e i 1 beeinträchtigen
konnte, wenn aucb die Sektion keine sichtliche, auf eine Kompression zurück-
führbare Veränderung an diesem Nervenst^mm ergab.
Gleich an dieser Stelle sei der bemerkenswerthe Fall Ducamp's (968)
eingereiht, bei dera das Syndrome de Weber bei einem Tumor des
Schläfenlappens beobachtet worden ist.
Ein 17 jähriges Mädchen erkrankte mit Kopfschmerz, Erbrechen, Obstipation und
leichten Fieherbewegnngen. Es entwickelte eich allmählich eine Ünkseitige Hetnipnrese mit
HemianästbeBie ohne Betbeilignng dea Gesichts. Am rechten Äuge trat zanächst leichte
Ptosis und Doppeltsehen (Parese des Rectua lateralis), ferner Erweiterung der rechten
Pupille, Stauungspapille und scblicsaUcb LlUimung aller vom rechten Oculomotorius und
Trochlearia versorgter Muskeln auf.
Die Sektion ergab in der hinteren Partie des rechten Schläfenlappens und vorderen
Theile dea rechten Occipitallappens einen Echinococcussack.
Die Ptosis bei Gehirntuniorei]»
Der Autor hebt die bemerkenswerthe Thatsache hervor, dass in dieeea
Falle der Symptomenkomplex der Hirnschenkelläsion durch eine den Hiiih
Schenkel gar nicht direkt komprimirende Neubildung hervorgerufen vorfsD
sein könne.
Nach unserer Ansicht dürfte dieser Syniptomenkomplex eine ähnlicbe
Erklärung beanspruchen, wie der analoge bei Abscessen, Blutungen und Erweich-
ungen im Schläfenlappen, bei denen die Oculomotoriusaf fektion nicbi
nuklear oder l'ascikulär, soDd^m
rein peripher basal bedingt i^t,
(Siehe die Abbildung von Mä-
cewen pag. 382 Fig. 76.)
Ebenso dürfte der früher
auf pag. 99 erwähnte Fall ton
(üiuther (2t>4) die Möghchkeit
einer basalen Ptosis nahe legeiL
Solche Fälle sind bei der meiit
mangelnden genauen pathologiscb-
anatomischen Untersuchung aller
Abschnitte des Oculomotorius gar
nicht mit Sicherheit zu rubrizirea.
S 214. Was nun die Ge-
schwülste der Hypophysis
betriflft, so kommt es bei gen&a
medianem Sitze des Tumors zd
bi temporaler Hemianopsie, dann
meist zu einseitiger und schliess-
lich doppelseitiger Amaurose mit
< Jpticusatrophie. Wächst der
Tumor ^ so werden die AiigeiK
muskelnerven und dann die Trige-
mini affizirt, Bruns bebt henor,
da^s häufig zuerst eine Ptosis
auftrete, Oppenheim (969) be-
tont, dass einige Male die ein-
seitige Ptosis das einzige Symp-
tom auf diesem Gebiete war und weist noch besonders auf eine Be-
merkung Sanedly's hin. welcher hervorhob, dass trotz Läsion des OcqIo-
motoriusstammes nur Ophthalmoplegie int- und Ptosis bestand. Stern-
berg (970) sagt in seiner kürzlich erschienenen Monographie: ^Lähmungon
und Paresen sind im Bereiche der vom N, oculomotorius versorgten Muskeln
häufig: Ptosis. Parese der Intemi, reine Konvergenzparese (Uhthoff),
isohrte Lähmung des Obliquus inf, (Hare) n. St w. Wichtig ist, dass diese
Störungen wieder zurückgehen können, (Mosler, Schlesinger). Die Lähm-
M.N.
Flg. 91.
Akromegalie, Tumor *ler Hypopby§ie. RechU
leiclite Ptosis.
Die Ptosis bei Gehirntumoreti* ^^^^^ 4^
US erfolgt durch direkten Druck der Hypophysen-
geschwillst auf den Stamm an den Pediinciilis cerebri oder auf die Oculomotorius-
keme indem die Geschwulst in den IIL Ventrikel hineinwächst {Uhthoff.)
Seltener wohl wird der Oculomotorius in seinem Verlaufe durch die Schädel-
höhle, seitlich von der Hypophysis, geschädigt. Der Stamm der Nerven
kann verdickt sein. Unter der Voraussetzungj dass in solchen Fällen, ähnlich
wie bei den Hautnerven, Degenerationen der Nerv^enfasern vorhanden sind,
muss man die Möglichkeit einräumen, dass die Bewegungsstörungen unter
Umständen auch von einer primären Oculomotoriuserkrankung abhängen
können. Nachgewiesen ist ein solcher Fall bisher nicht.
Wir selbst beobachten gegenwärtig einen exquisiten Fall von Akrome-
galie. wie aus der nebenstehenden Figur 91, bei der wir eine vorübergehende
rechtsseitige Ptosis konstatiren konnten, ohne weiteres ersichtlich ist.
Die 83j&lirige Tbchlersfrau ist seit 9 Jahren krank: VergrösseruDg der Hände, FQsse,
des Gesichts, der Nase, dea Kinas. Sehötörungt und zwar stellte nlch zuerst Doppeltsehen
und dann Abnahme des Sehvermögens ein, Mattigkeit, MinflÜligkeit und Vürstimmung. Bei
der üntersnehung wurden die typische äussere Körperform der Akromegatie konstatirt; ferner
eine bitemporale Hemianopsie mit beginnender Opticusatropbie. Die Bewegungen der
Bulbi waren beschränkt. Es war keine eigentliche Lähmung von Augenmuskeln vorhan-
den. Dagegen beistand eine rechtsseitige Hemiparese (incL Mundfaciahs). Dynamom. rechts 35,
links 5^^. Am 10. I. 99 wurde eine inkomplete, linksseitige Ptosis konstatirt, die am 8. III.
wieder verschwunden war.
In diesem Falte möchten wii* die Ptosis als Theilerscheinung des Syndrome
de Weber betrachten, welches dem Druck des Hypophysistumors auf den
linken Pedunculus cerebri seine Entstehung verdankt. Hierbei sei bemerkt,
dass die Hemiparese ebenfalls in Bezug auf ihre Intensität ein wechselndes
Verhalten zeigte.
§ 215, Die Geschwülste der Grosshirnschenkel kommen ausser
als Gummata und Tuberkel recht selten vor und erstrecken sich oft auf
beide Seiten.
{Da wir die syphilitischen Geschwülste dieser Gegend in dem früheren
Kapitel betrachtet haben, so sei hier nur der Fälle mit andersartigen
Tumoren gedacht.)
Ro beobachtete Rosenthal (971) eine 39JÄhrige Frau, die aeit 2 Jahren mit Kopf-
schmerz, Schwindel, Abnahme des Sehvermögeoa und Parese der rechtsseitigen Extremi-
täten erkrankt war. Die Untersuchung ergab eine l i n k s s e i t i g e t o fc a 1 e 0 c a 1 o m o t o r i u a-
lähmung und rechtsseitige Heraiparese mit Hemianästhesie. (Syndrome de Weber). Kurz
vor dem Exitn» ergriff die Lähmung auch den rechten Oculomotorius, Bei der
Autopäie fand sich zwischen beiden Hirnschenkeln eine über erbsengrosse Geschwulst. Die
nnerste Partie des rechten Peduncnhis cerebri mit dem angrenzenden Theil der Haube war
erweicht. Im inneren Theile des linken Hirnschenkels befand sich eine erbseugrosse Cyste»
welche die durchziehenden Oculomotorina würze! fasern zerstört hatten. Vom vordem Theile
der Lamina perforat, posterior ging, den rechten Oculomotorius einschliessend, ein üher
bohnengrüsses , die Corpora mammiliaria und den Hiutertheil der Tuben substituirendes
Gliosarkom aus.
450 Die Ptosis bei Gehirntumoren.
Ein ganz ähnliches Verhalten finden wir in dem Freund' sehen Falk
(972) aus der Klinik von Frerichs, bei dem sich ein haselnossgrosser
Tumor zwischen den Hirnschenkeln und dem Sehhügel gefunden hatte.
In dem Falle von Sutton (973) gesellte sich zu einer linksseitigen Ptosinplfiii-
lich unter Bewusstseinsverlust eine rechtsseitige Hemiplegie. Die Sektion ergab im Unka
Himschenkel ein Gliom, dass auch einen schmalen Theil des rechten mitalBzirt hatte.
Wir sehen hieraus, dass wiederum der Levator palpebrae sup. eine
bevorzugte Stellung in der partiellen Lähmung des OculomotoriTis einmmiDt
Ausser dem Levator palpebr. oc. dextr. war der Rect sup. int. und die PnpOk
in dem Falle Putawski's (974) gelähmt, bei dem sich im weiteren Verlauf eine Uhmiiig
der linken oberen Extremität entwickelte. Die Sektion ergab einen waUnussgrosaen Tobnkel
im rechten Himschenkel.
Einen ähnlichen Fall von unvollständiger Oculomotoriaslähmang mit Ptosis
und gekreuzter Extremitätenlähmung publizirte Beck (975). Es handelte sich um «ii
Rundzellensarkom im linken Pedunculus cerebri.
Eine gekreuzte komplete Lähmung des linken Oculomotorius mit Ptosis und der
Extremitäten beobachtete Mohr (976) bei einem 22jährigen Menschen, dessen Aatop«e
einen wallnussgrossen Tuberke] im h'nken Hirnschenkel ergab.
Während im Sutton'schen und Putawski 'sehen Falle die Oculomo-
toriuslähmung, welche bei Geschwülsten meist partieller Natur ist und häufig
als erstes Zeichen in Form der Ptosis auftritt, der gekreuzten Kö^pe^
lähmung vorausging, hat man in anderen Fällen einen umgekehrten Verlauf
beobachtet, so in dem schon erwähnten Freu nd-Fr er ichs sehen FaUe, bei
dem eine allmählich entstandene rechtsseitige Parese der Extremitäten einer
linksseitigen Ptosis vorausgegangen war. Greift ein Tumor vom Hirn-
schenkelfuss durch die Substantia nigra in die Schleife, so kann eine gekreuzte
Sensibilitätsstörung und Ataxie die Folge sein (Kraft-Ebings Fall).
Zitterbewegungen der rechten Hand, Schwäche und Schmerz im rechten Fnss, später
linksseitige Ptosis, zu der sich schliesslich auch eine rechtsseitige Ptosis gesellt«.
Rechtsseitige Hemiparese (incl. Facial.) und Hemianästhesie beobachtete Fleisch mann (977|
bei einem kastaniengrossen Tumor im linken Sehhügel und einer Erweichung des linken
Pedunculus cerebri.
Intentionszittem im rechten Arm, Schwäche im rechten Bein und linksseitige Oddo-
motoriuslähroung mit Ptosis sah Mendel (978) in einem FaUe, bei dem sich 14 Tage
vor dem Tode auch Lähmung des rechten Oculomotorius eingestellt hatte. Die Sektion
ergab einen Tuberkel im linken Hirnschenkel; derselbe nahm vorzugsweise den mittlem
Theil der Haube ein und reichte bis zum Corp. subthalamicum. Die zuletst aufgetretene
rechtsseitige Oculomotori uslähmuog fand ihre Erklärung in einer cirkmnskiipten tnber
kulösen Meningitis im Trigonum intercrurale.
Hierbei möchten Tsir nicht unervräbnt lassen, dass die Franzosen einen
zur Oculomotoriuslähmung auftretenden gekreuzten Tremor Syndrome de
Benedict nennen. Dies ist also von dem Syndrome de Weber zu
unterscheiden, welches bisher als Charakteristikum der Himschenkelaffekticm
galt und bekanntlich in Lähmung des Oculomotorius auf Seite der
Läsion und der Extremitäten, des Facialis und des Hypoglosus auf der
gekreuzten Seite besteht.
vi 216. Sehr wichtig und interessant wegen ihrer mannigfachen Angen-
muskelstörungen sind die Tumoren der Vierhügel, die durchaus nicht
Die Ptosis bei den Gehirntumoren. 451
alten sind und häufig zu doppelseitigen Lähmungen gleichnauiiger Augen-
luskeln führen.
So beobachtete Steffen (979) bei einem 3 jühngen Knabeii eine doppelseitige Ptosis
freier Bewegung der Augäpfel. Bei der Sektion war die Form der Vierhfigol nicht
liehr zu erkennen ; dieselben stellten eine randliche, zerklflftete, gelbliche Masse dar^ welche
eh als Tuberkel erwies.
Bei einem äbnlichen Falle von Tuberkel der Vierhügel beobachtete Bruns (980) die
lählicbe tlntwickelimg einer ausgedehnten Augeumuskellähmung erst aus ein* dann
oppelseitiger Ptosis.
Oppenheim (L c. p. 120) erklärt die bei den Vierhügelgeschwülsten
Bobacbteten Augenmuskellähmungen als nukleare. Da die Kerne der
beiden Oculomotorii unmittelbar aneinandergrenzen , so werde es in der
Regel zu doppelseitigen Lähmungen gleichnamiger Muskeln kommen, während
die unregelmässige Ausbreitung der Neubildung nur selten die Bedingungen
für eine absolute Gleicbmässigkeit dieser Lähmungen schaffe. Obwohl Bruns
den obigen Beitrag geHefert hat, so hebt er doch hervor, dass nicht selten
derLevator palpebrae sup, verschont bleibe, gerade so wie bei anderen
nuklearen Augenmuskellähmungen. Indess haben ausser den oben erwähnten
2 Autoren Nothnagel (981), Christ (982), Shaw und B arber (983),
lUberg (984) bei Vierhügeltumoren Ptosis beobachtet
§ 217. Bekanntlich machen die Geschwülste an der Glandula
pinealis (meistens Psammome) ähnliche Erscheinungen wie die Vierhügel-
tumoren. Es sei nur erwähnt, dass sie mit ein* und doppelseitiger Trochlearis-
lähmung beginnen können. Nie den (985).
§ 218, Ein m der Oculomotoriuskernregion befindlicher Tumor
macht meist doppelseitige Ptosis wie aus dem Falle Goldziehers (986)
hervorgeht-
Der betreffende Patient bot ausser der eben erwftbnten doppelseitigen Ptosis eine
Libmung aämmtUcber Zweige des Otiulomotnrius mit Ausnahme derjenigen der Pupille und
Accommodation dar: femer Parese des Abducens. Die Sektion ergab eine tuberkulöse Ge-
schwulst in der Ocnlomotoriuskeniregion.
Eine ähnliche Lokaltsation nahm ein Tuberkelknoten ein, der sich jedoch basalwirto
noch auf beide Hirnschenkeln erstreckt hatte, in einem von Bouveret und Chapotot
(987) publizirten Falle, bei dem in vivo doppelseitige Ophthal moplegia exterior, ferner doppel-
seitige Neuritis opt. und vollständige linksseitige und fast vollständige rechtsseitige Hemi-
plegie beobachtet worden war.
Erwilhnt möge noch v. Hoeslin's (9^8) Fall von jahrelangem Kopfscbmerz mit
Ptosis werden, bei welchem nach dem unter Konvulsionen eingetretenen Tode ein welsch-
sussgrosses Gliosarkom in der Rautengrube gefunden wurde.
§ 219. Was die Ponstumoren betrifl^t, so werden gemäss der Lage
der Kerne vorzusgweise der 5.-— 7. Hirnnerv ausser den Extremitäten von
Lähmungserscheinungen befallen und zwar bekanntlich in dem G übler' sehen
Typus der alternirenden Lähmung (Facialis der einen, Extremitäten
der anderen Seite).
Eine andere Form der alternirenden Ponshemiplegie besteht in der
Lähmung des Abducens der einen und der Extremitäten auf der
Wilbnnd'Sft enger, Neurologi« des Auge». I. IM. IL AMheUung. 80
452 Die Ptosis bei den Gehimtamoren.
entgegengesetzten Seite. Hierbei macht sich eine Blicklähmimg
nach der Seite des Tumors geltend, und zwar meistens so, dass der
Rectus intern, nur bei der seitlichen associirten BUckwendung versagt, bei
der Konvergenzbewegung jedoch normal funktionirt. Wenn der Brückentmnor
nach vorne seine Femwirkung geltend macht, oder in das Gebiet der Pedun-
culi cerebri oder Vierhügel übergreift, so kann auch der Oculomotorius
mitaflfizirt werden.
So beobachtete Wem icke (989) eine doppelseitige iokomplete Ptosis, linksseitig«
Facialislähmong ; linksseitige ßlicklähmang; Affektion des rechten Trigeminas, Mondklemnw
und Schlingbeschwerden bei einem Tumor im Pens.
Kidd (990) sah eine rechtsseitige Ptosis; Paralyse beider Abducentes und doppel-
seitige Neuritis optica bei einem Tumor »in der rechten Hälfte des Pens.
Bei einem Myxogliom des Pons konstatirte H.^Beck (991) in vivo eine rechtsseitige
Ptosis mit Miosis; rechtsseitige Abducenslähmung und linksseitige Hemianästhesie mh
Anästhesie der linken Hoiiihaut.
Ausserdem sahen Duchek (992), Petrina und Crohn (993) einseitige Ptosis bei
Ponsgesch Wülsten.
Wiederum sehen wir hier als häufigste Form der partiellen Oculo-
motoriuslähmung die Ptosis und zwar fast stets auf der dem Sitze des
Tumors entsprechenden Seite. Ausserdem kommen Pupillarstörungen vor.
§ 220. Bei den so häufigen Kleinhirntumoren findet, wie Bruns
(1. c. pag. 135) hervorhebt, eine Druckwirkung in der Richtung auf die
Vierhügel statt. Daher komme es, dass sich dem Krankheitsbilde des
Gerebellar-Tumors Augenmuskellähmungen zugesellten , die einen sogen,
nuklearen Charakter trügen, indem sie stets eine ganze Anzahl von Augen-
muskeln auf beiden Seiten, wenn auch nicht in voller Symmetrie ergriffen.
Bruns macht auch noch darauf aufmerksam, dass es sich bei dem bei
Kleinhimtumoren oft beobachteten Nystagmus in Wirklichkeit um paretische
Zustände der Augenmuskeln handele.
Peabo dy (994) sah doppelseitige P tosis und Strabismus bei einem Randzeliensarkom
in der weissen Substanz des Gerebellum, wie wir schon auf Seite 100 mitgetheilt haben.
Goxwell (995) beobachtete leichte Ptosis und Nystagmus ausser einer Staaangs-
papUle bei einer gefässreichen Geschwulst in der hinteren Partie der rechten Kleinhirn-
hemisphäre.
Bruns* (996) berichtete von doppelseitigen Augenmuskellähmungen in Form der sog.
Ophthalmoplegia exterior nuclearis, neben cerebellarer Ataxie, Kopfsehmerz, E^
brechen und Stauungspapille bei einem Sarkom des ünterwurms.
§ 221. Bei der bisher noch unerklärten Symptomenlosigkeit, mit der oft
die Tumoren der Medulla oblongata verlaufen, ist es auch wegen der
räumlichen Entfernung nicht zu verwundem, dass Erscheinungen von Seiten
des Oculomotorius nicht vorkommen. Und doch beobachtete Uhthoff (997)
eine starke Beeinträchtigung der Augenbewegungen nach oben und unten,
femer eine totale Abducenslähmung bei einem haselnussgrossen Tuberkel in
dem verlängerten Mark.
J^ 222. Nachdem wir so die einzelnen Himregionen, bei denen eine Greschwolst
als direktes oder als Nachbarschaftssymptom eine Ptosis ausgelöst hatte,
Die Ptosis bei den Gehirntumoren. 453
Btrüchtet haben, sei noch einiger Fälle von Hirntumoren gedacht, bei welchen
ine vielleicht durch Fernwirkung bedingte Ptosis beobachtet wurde. ;
So sah Bull t99S) eine recLteseitige Pta&i«, Lähmung beider Recti interni, der linken '
Pupille und rechtsseitige Neiiroretinitia bei einem GJiosarcom der Mitte des linken Stirn- \
lappens« wobei das corp- callosnm miter^ifFen war. '
K j ri 1 z 6 w (270) beobachtete geringe Ptosis, träge Reaktion der Pupillen, Sehschwache,
Schielen und »taktische Bewegungen bei einem Tumor des Thalamus opticus.
Dieser Fall, wie derjenige von rye-Smith (261) wurde schon auf
Seite 99 und 100 erwähnt, da die Mögiiehkeit einer Einwirkung auf das
kortikale Levatorcentrum nicht auszuKchliessen ist. Im letzteren Falle liegt
zwar die Wahrscheinlichkeit einer supramikleären oder nuklearen Ptosis näher,
da der Tumor sich vom Thalamus nach deju Hirnsehenkel zu entwickelt hat.
Bei einem Tumor (Carcioom) im linken 0 c c i p i t a 1 1 a p p e n
beschrieb Soetlin (1001) eine einseitige Ptosis, rechtsseitige Fftcialisparese, Stauungs-
papille und Pauophthalniie.
In diesen letzten Fällen müssen wir bei der Unbekanntschaft der Ver-
bindung des supponirten Levatorcentruras mit der Kernregion es zweifelhaft
hiSsen, ob es sich hier um eine direkte Läsion dieser Bahn, also um eine
snpranukleäre Ptosis handelt, oder ob die Levatorlähmung entweder
als eine durch Fernwirkung verursachte kortikale, supranukleäre,
nukleare^ oder, was auch sehr wohl möglich erscheint, als eine basale
Lähmung zu betracliten ist. Es ist eben in der Symptomatologie der Ptosis
bei den Hirngeschwülsten ebenso, wie bei anderen Affektionen die verschieden-
fachste Lokalisationsmögüchkeit gegeben, ein Umstand, der das Studium des
in Rede stehenden Symptoms so ausserordentlich interessant und stets aufs
Neue anregend gestaltet.
^ 223. Zum Schlüsse können wir ausser dem auf p. 97 erwähnten
Landouzy 'sehen Fall noch drei neue Beobachtungen von kortikaler Ptosis
hei einem Hirntumor anführen. Die eine rührt von Bruns (1002) her. Auf
die beiden anderen von Prof, A. Gianelli (1027) wurden wir von Herrn
Prof. Mingazzini in Rom in dankenswerther Weise aufmerksam gemacht.
Bruns fasst die Krankbeitssyraptorae seines wichtigen Falles folgender-
massen zusammen:
Beginn der Erkrankung im Oktober 1896 mit psychischer Abgeeichlngenheit und leichten
Schwindelan fällen; im November 1896 Fall von der Treppe auf die rechte Seite. Im Februar
1897 beginnende Neuritis optica und rudimentilre rechtsseitige Hemianopsie, grosse psychische
Erregbarkeit. Dann allmöhliche Ausbildung folgender Krankheitserscheinungen :
L Störungen der Sensibiüt&t der rechten Körperhälfte, besonders des rechten Armes,
die zunächst nur den stereognoätiscben Sinn und das Lagegt^fühl, zuletzt auch Tast-
und Scbmerigefübl belrafen. Dadurch Ungeschicklichkeit der Bewegungen, speziell in der
rechten Hand; Unsicherheit beim Festhalten von Gegenständen mit der rechten Hand bei
geschlossenen Augen ; nicht selten überhaupt UnfrLhigkeit den rechten Arm zu gehrauchen,
wobei es oft den Eindruck macht . als ob der Patient sich überhaupt gar keine richtige
Vorstellung von den zu Willensakten des rechten Annes nöthigen Muskelbewegnngen
niachen könnte. Ana diesem Grunde wird zuletzt such nur mit der linken Hand gegessen,
imd nur die linke Hand zum Grusse gereicht Eigentliche Lähmungserscheinungen im
80*
454 Die Ptosis bei den Gehirntamoren.
rechten Arme kommen nur zuletzt und ganz rudimentlKr zu Stande — die
ungen werden etwas steifer, und es besteht leichte Kontraktur. Das rechte Bfliiaip
Ungeschicklichkeit, zuletzt ist auch hier das Schmerzgeftthl herabgesetzt; etiai4rii
am Arme zeigt sich hier Parese; das Bein wird nachgeschleift, ab und tu ._
auch Achillesklonus. Zuletzt cerebellares Schwanken beim Grehen. Den GefttUttapBp^
im rechten Arme gingen heftige neuralgische Schmerzen vorher.
2. Rechts Hemianopsie; im November 1897 komplet.
3. Sprachstörungen, etwas wechselnder und meist nicht sehr intensiTer Axt
Erschwerung des Wortverstfindnisses, besonders für komplizirtere Anftrige bei
taner Sprache und erhaltenem Nachsprechen; optische Aphasie nar selten und
gebildet; später erschwertes Wortfinden und Paraphasie bei vermehrter ErMkvaH|li
Sprach Verständnisses. Lesen und Schi-eiben sehr wechselnd, firsteres hanpAsiiUidk M
die Hemianopsie beeinträchtigt; bis zum Schlüsse keine eigentliche Alezie, nlttil
paraphasisch gelesen. Schreiben von Anfang an sehr erschwert, zuletzt nnmOgtidk Üi
im Ganzen eine sensorische Aphasie.
4. Von Allgemeinerscheinungen zuerst nur Schwindel und Staawigspapille,
zunehmenden Kopfschmerzen erst von Januar 1898 an deatlich, dann besonden in
köpfe. Letztere manchmal anfallsweise sehr verstärkt mit Benommenheit; pn
dabei auch ein paar Mal Erbrechen. Oefters in diesen Anfällen Steigerang der
zu vollständiger, aber rasch vorübergehender Erblindung. Einmal (6. DC. 1897)
sich an einen solchen Anfall auch eine rechtsseitige Ptosis an, die nadi 12
wieder verschwunden ist. Niemals perkutorische Empfindlichkeit am Schädel ptckgtii—
doch ist darauf in der letzten Woche nicht gepr&ft. Ab and zu aoch apeplectiliNni li-
fälle mit Einknicken der Beine ; nie Krämpfe. Zuletzt Benommenheit. Tod an T iiapaiia
Krankbeitsdauer 19 Monate.
In der interessanten Epicrise kommt Bruns auf die DifferentialdiagBOK
zu sprechen und hebt hervor, dass für ihn die rechtsseitij^e mit dem Tsmt
gekreuzte, vorübergehende Ptosis wesentlich mitbestimmend gewesen sei.
einen Tumor im linken Scheitellappen anzunehmen und nicht n
Occipitallappen, da seit Landouzy häufig wieder bei Parietalhimaffektiooci
und auch bei Tumoren dieser Gegend eine Levatorlähmung gefiinda
worden sei. Er sei sich allerdings dabei wohl bewusst, dass die Lehre rm
der Lokalisation von Centren für die Augenbewegungen im ScheiteHappa
noch auf recht schwachen Füssen stehe; immerhin könne man gegen
die klinische Thatsache nicht an^'. Oppenheim 's Ansicht, dass bei
Tumoren für die contralaterale Ptosis auch ein Druck auf den gekrenxten
Oculomotorius an der Basis cranii in Betracht käme, weist Bruns mit der
Begründung zurück, dass sein Tumor doch zu weit davon entfernt gelegen
wäre; viel eher hätte die Möglichkeit eines Drucks auf den gleichseitigen
Vierhügel ins Auge gefasst werden können.
Für uns ist es jedenfalls sehr bemerkenswerth, dass ein so kompetenter
Forscher wie Bruns sich zur Annahme einer kortikalen Ptosis nicht
ablehnend verhält, und dass dieses Symptom eine wesentliche Stütze seiner richtig
gestellten, genauen Lokaldiagnose eines Tumors im linken Scheitella{q[>eii
gewesen war.
Im ersten P'alle von Gianelli handelte es sich um einen 45jährigen
Mann, welcher mit Kopfschmerzen erkrankt war. Daraufstellten sich Motilitäts-
störungen in der rechten Körperhälfte, eine bilaterale rechtsseitige homimTme
Die Ptosis bei den Gehirntamoren. 455
Hemianopsie und ein epileptiformer Anfall ein. Bei der Untersuchung kon-
statirte man ausser einer rechtsseitigen Hemiparese inklusive Mundfacialis eine
rechtsseitige Ptosis; ferner doppelseitige Stauungspapille und Erblindung.
Patient war psychisch gestört und bot die Erscheinungen einer verlangsamten
Sinnesleitung dar. Die Dauer des Leidens betrug 11 Monate.
Bei der Autopsie war die Dura mater gespannt und adhärent an der
Oberfläche der linken Seite des Gehirns, entsprechend dem Lobulus parietalis.
Der Lobulus parietalis sup., der Gyrus angularis und die untere Uebergangs-
falte zum Occipitallappen waren in eine röthlichgelbe Substanz von weicher
Konsistenz verwandelt und an der Dura nur auf der oberen Seite adhärent.
Auf einem Horizontalschnitt durch die Hemisphäre zeigte sich, dass die Neu-
bildung in den linken Parietalwindungen bis in das Centrum ovale sich er-
streckt und die Grösse eines Hühnereies erreicht hatte.
Der zweite G i an eil i 'sehe Patient, welcher ein Potator war und sich
luetisch infizirt hatte, erkrankte ebenfalls mit Kopfschmerzen und zwar auf
der rechten Seite. Es stellten sich Herabsetzung der Sehschärfe, Erbrechen
und klonische Zuckungen in den oberen Extremitäten ein.
Bei der objektiven Untersuchung war der obere Facialis an beiden
Seiten normal. Im unteren linksseitigen Facialisgebiet stellte sich sehr
rasch Ermüdung ein. Die ausgestreckte Zunge wich etwas nach links ab.
Die Kraft der oberen Extremitäten war hauptsächlich links herabgesetzt.
Die Sinnesorgane mit Ausnahme des Sehvermögens waren, ebenso wie die
Sensibilität, normal. Es war nur eine Verminderung der Perzeptionsfähigkeit
von Reizen zu konstatiren, was auf eine psychische Störung zurückzuführen war.
Im Verlaufe der Krankheit fiel das rechte obere Augenlid herab, zuerst
vorübergehend, in der Folge permanent. Nach 8 Monaten trat der Exitus
ein. Die Sektion ergab, dass die Dura normal gespannt und an der Gehim-
snbstanz im Bereich des linken Lobus parietalis adhärent war. Entsprechend
dem Gyrus angularis sah man eine röthliche, weiche, elastische Masse von
dem ungefähren Umfang eines Markstückes (5 Centesimi). Auf einem Horizontal-
schnitte zeigte sich, dass das Neoplasma die Rinde zerstört hatte und ungefähr
1 cm tief in die weisse Substanz eingedrungen war.
Li der Epikrise hebt G i a n e 1 1 i hervor, wie trotz der Ein würf e'^C h a r c o t 's ,
Pitres' und Nothnagel's gegen die Grasset-Landouzy 'sehen An-
schauungen von der Lokalisation der kortikalen Ptosis und trotz derdeBono-
schen Thierexperimente (siehe S. 100) auf Grund neuer Beobachtungen (von
Chauffard^ Surmont, Lemoine, Herter) die Existenz eines kortikalen
Levatorcentrums im Gyrus angularis wieder wahrscheinlicher geworden sei«
Auf seinen ersten Fall legt Gianelli weniger Werth als auf den zweiten,
weil im letzteren die Aflfektion kleiner und umschriebener gewesen sei, und die
Ptosis sich erst allmählicli entwickelt habe. Das Nichtvorhandensein einer Ptosis,
trotz ParietalaflFektion, erklärte Gianelli nach Wernicke's zuerst auf-
gestellter Ansicht damit, dass der Levator palpebr. sup. unter dem Einfluss
beider Hemisphären stehe, und dass dieser beiderseitige Einfluss Anlass zu
456 Die Ptosis bei der multiplen Neuritis.
bemerkenswerthen individuellen Differenzen geben könne, was auch aus der
verschiedenen Fähigkeit der willkürlichen einseitigen Innervation henor-
gehen dürfte.
12. Die Ptosis bei der multiplen Neuritis.
§ 224. Die Ursachen dieser Krankheit, die wir hier in Hamburg vegen
des reichlichen Alkoholgenusses der arbeitenden Bevölkerung recht häufi?
beobachten, sind mannigfache und zum Theil noch unaufgeklärte. Bekannt
ist die wichtige KoUe, welche die Infektionen und Intoxikationen beim Zu-
standekommen der Polyneuritis spielen. Unter den letztgenannten ist in aller-
erster Linie der Alkoholismus zu nennen; in zweiter und dritter Reihe
kommen erst die Infektionskrankheiten und die übrigen Intoxikationen.
Wir haben schon in einem früheren Kapitel (S. 263) die Ptosis bei
Vergiftungen abgehandelt und sind bei dem vielfachen Mangel an Sektionen
und an brauchbaren pathologisch anatomischen Untersuchungen lediglich nach
den klinischen Gesichtspunkten vorgegangen. Als wichtiges Ergebniss posto-
lirten wir, dass bei den meisten chronischen Intoxikationen mit akutem Auf-
treten schwerer Cerebralerscheinungen ganz besonders die äussere Bulbus-
muskulatur und in zweiter Linie der Levator betheiligt sei, während die
Pupillenbewegung meist frei bleibe; bei den akuten Vergiftungen hingegen
trete als Symptomentrias vom Auge vornehmlich die Accommodationslähmung
mit Mydriasis und Ptosis hervor.
Eine ganz besondere Stellung nehmen nun diejenigen Erscheinungen
vom Auge ein, die ebenfalls auf toxischer Grundlage entstehend (Alkoholis-
mus), Theilerscheinungen einer Polyneuritis sind. Das ist auch der Grund,
weshalb wir diese alkoholische Affektion erst im vorliegenden Kapitel be-
sprechen.
Wenn auch bei Durchsicht der in der Litteratur niedergelegten Fälle
hauptsächlich der Abducens, und zwar häufig kombinirt mit dem Facialis,
affizirt erscheint, so finden sich doch auch Fälle mit Alteration des Oculomotorius.
Wiewohl hier wiederum die Pupillenfasern mit Vorliebe ergriffen sind, so
ist doch aus den folgenden Fällen ersichtlich, dass auch die Ptosis bei der
Polyneuritis alcoholica vorkommt.
So berichtet Thomsen (1036) von einem 24jährigen, starken Potator, dass nadi
einer Anstrengung resp. Erkältung Schwäche und Steifigkeit der Glieder sich eingestellt bittet.
Er wurde bettlägerig und bekam nach etwa drei Wochen ein Deliriom. Patient war ao
den unteren Extremitäten völlig gelähmt; an beiden oberen bestand exquisite Radiaüs-
lähmung. Der Nerv, cruralis, die Mm. recti und die Oberarmmuskeln waren divck-
empfindlich. Patient klagte beständig über Schmerzen. In den ExtremitAtenmnakeln inr
Entartungsreaktion nachweisbar. Sämmtliche Reflexe fehlten. Die Pulsfrequenz stieg von
92 innerhalb acht Tagen auf 124 — 130. Kurz, es waren die zweifellosen Erscheinimgai
einer Polyneuritis vorhanden, zu denen sich von Seiten der Augen Nystagmus mit beider-
seitiger Abducensparese und Ptosis, sowie eine linksseitige leichte Neuritis opt hinzu*
gesellte. Hinzuzufügen wäre noch, dass die Temperatur 36^ — 87® betrag, dass Pitieat
BycHiBch alieBirt war, und dass der Tod an Pnearnonie erfulgte. Die Sektion ergab
leneration der peripberen Nerven. Das Mark war in Kugeln und Haufen zerfftUen, der
ency linder geschwunden. Vom Oculomotorius ist ausdrücklich erwähnt, dass die
Aeste zum M. lavator palpebr. stark degeuerirt waren« Dieser Befund ist um so
bemerke n awerther , da bei der Untersuchung Rückenmark und öebirn intakt befunden
wurden.
Thoinsen hebt bei der Epikrise hervor, dass Njütagmus und Pupillon-
stöningen, die oft ganz plötzlidi auftreten, bei Potatoren neuerdings häufig
gefunden worden sein. In 2i> Fällen habe er 5 mal Nystagmus^ 2 mal minimale,
2 mal träge Piipillarreaktion , 2 mal Ptosis, 4 mal Abducenslähmung und
2 mal Nenritis opt, gefimden.
Einen ebenfalls post mortem untersuchten hierhergehörigen Fall publizirten
Liinz und Mammrowski (1037).
Ein 38jähnger^ in hohem Grade trunksilcbtiger Mann wurde im Moskauer Kranken-
haiiae mit folgendem Status aufgenommen: Abnahme des GedÄchtnisses und der Intelligenz»
Hulincinationen des Gesichts und Gehörs. Doppelseitige v5lhge Peroneuslähmung, Herah-
setzting der Sensibilität an den Unterschenkeln und Füssen. Schmerzhaft igkett bei Druck
auf Nervenstilmme und Muskeln, die theila völlige, theila partielle Entartungsreaktion
zeigten. Doppelseitige Radialisläbmung mit quaUtativen Veründerungen der elektrrächen
Srregbarkeit und Sensibilität'jstorung. FUnf Tage nacih der Aufnahme gesellten sich zu
diesen Lähmungserscheinungen eine doppelseitige Ahducensparese und Lähmung dar inneren
Äeäte der Oculomotorii hinzu.
Die Untersuchung ergab ausgeprägte und ausgebreitete Veränderungen an den
peripheren Nerven. Stellenweise hatte der neuritiache Prozesa einen aegmentftren Charakter.
Am Gehirn, Rückenmark und den Rückenmarkswdrzeln fehlt« jegliche patbologiache Ver-
ändern Dg«
Wir haben diesen Fall hier mitgetheilt, obwohl er keine Levatorläh-
miing darbot, weil, wie in dem vorhergehenden, eine pathologisch anatomische
Untersuchung vorlag.
Ebenfalls auf alkohoHscher Grundlage scheint der folgende von Marina
(1038) beobachtete Fall zu sein, bei dem es bemerkenswerth erscheint, das«
die mikroskopische Untersuchung der betreÖenden Nerven und Nervencentren
ein negatives Resultat ergeben hat. Uebrigens ist es bekannt, dass in den
ganz akut verlaufenden Polyneuritisfällen trotz ausgesprochener Lähmungen
der Befund am Nervensystem bei der mikroskopischen Untersuchung sehr
unbedeutend, ja ganz negativ ausfallen kann. Es liegen hier wohl toxische
Einwirkungen ohne strukturelle Verändeningen vor»
Bei einem 61jährigen Manne trat zuerst Löhmung der exterioren Oculomotorius-
Aste der linlcen Seite mit Ptosis auf, dann auch der interioren und des rechten Abducens.
Einen Tag darauf entwickelte sich Lähmung des rechten Facialis. Im weiteren Verlaufe
stelUeu sich Parese und Ataxie der oberen Extremitäten und eine psychische Störung ein.
Patient wurde ikterisch ; eine Vergröasoriing der Leber war nacbweisljar j der 8opor vertiefte
«ich zum Koma, in welchem der Exitus eintrat
Der folgende von Rossoli mo (1039) mitgetheilte Fall ist zwar in ätio-
logischer Beziehung komplizirter Natur, er kann jedoch, wie aus der Kranken-
geschichte hervorgeht, hier angereiht werden.
Ein erwachsener Mann, früher Potator, der zuweilen an Rheumatismus litt und vor
5 Jahren sich luetisch infizirt hatte» erkrankte plötzlich anscheinend in Folge einer Erkältung
458 Die Ptosis bei der maltiplen Neuritis«
an einer akut entstandenen Parese der exterioren Aeste der N. N« oculomotorii mit doppel-
seitiger Ptosis und Lähmung der Trochleares. Am fünften Tage war eine dentlidM
SensibiÜtfttsstörung der Haut an der Stiro, fast des ganzen Rumpfes und aller ExtrenutiteB,
hauptsächlich der oberen, zu konstatiren. Nach einer energischen Inonktionskiir ▼»•
schwanden nach einer Woche die Augensymptome fast vollständig. Im weiteren Veriaafi
traten lancinirende Schmerzen, vollständige Pupillenstarre, Impotentia completa und RetentM
urinae ein.
Es traten bei diesem Falle allmählich Erscheinungen hervor, weide
einer Tabes sehr ähnlich sahen, und so wurde auch hier wieder die bekannte
auch von uns beobachtete Erscheinung bestätigt gefunden, dass eine alko-
holische Polyneuritis ganz dieselben klinischen Bilder produziren kann (Pseudo-
tabes alcoholica; Neurotabes peripherique-Dejerine), wie eine Tabes.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass neben einem tabiscben Prozesse
Neuritiden vorkommen. Wir haben schon auf S. 140 den interessanten Be-
fund Dejerines (365) mitgetheilt, welcher einen Tabiker betraf mit einer
peripheren Neuritis der zum Levator palpebr. sup. gehenden Nervenäste bei
einer doppelseitigen Ptosis. Dass in diesem Falle die Frage berechtigt er-
schien und offen bleiben musste, ob die Ptosis ganz rein peripherer Natur war,
da die Kernregion nicht untersucht wurde, geht ausser aus theoretischen
Erwägungen auch aus der wichtigen Beobachtung Marina 's (1040) hervor,
die wir deshalb an dieser Stelle mittheilen, pag. 200 Fall XXII.
Eine 38 jährige Sängerin hatte vor 18 Jahren ein Ulcus ohne Sekand&rerscheinongen.
Links bestand Lähmung des Oculomotorius mit Ptosis. Die rechte Pupille war mydriatisdi,
die linke miotisch, reflektorisch starr. Doppelseitige Abducensparese. Es war eine Tab«
mit Larynxkrisen. Der Tod erfolgte in Folge einer Apoplexie in die rechte JOeinhini'
hemisphäre.
Die mikroskopische Untersuchung ergab neben massiger Degeneration des Vagoa-,
Acusticus- und des Oculomotoriuskerues eine unzweifelhafte Neuritis dieser drei Nerven.
§ 225. In dem Kapitel über Intoxikationen S. 263 haben wir hervorgehoben,
dass noch nicht genügend pathologisch anatomische Untersuchungen vorliegen,
um mit Sicherheit zu entscheiden, ob die klinischen Symptome peripherer,
centraler oder kombinirter Natur sind. Hat man doch selbst bei der
Alkohollähmung neben neuritischen Prozessen centrale Veränderungen mit
Atrophie der Ganglienzellen in den Vorderhörnem und diffuse cirkumskript ent-
zündliche Vorgänge im Rückenmark sowohl, wie im Gehirn konstatirt. Auch
bei der Bleilähmung kann es, wie Oppenheim nachgewiesen hat, zu schwerer
Poliomyelitis ant. kommen, jedoch sprechen die meisten pathologisch ana-
tomischen Befunde dafür, dass die Blei-, sowie die Arseniklähmungen neu-
ritischer Natur sind. In diesen Fällen handelt es sich jedoch nicht um echte
allgemeine Polyneuritiden , sondern um Affektionen, die auf bestimmte
Nervengebiete beschränkt sind. Wir gehen daher in diesem Kapitel nicht
näher auf diese Fälle ein, sondern verweisen auf die Tabellen XV, X\l und
XVII pag. 280-291.
§ 226. Aehnliche Erwägungen gelten für die Lähmungen auf infektiöser
Grundlage, bei denen es sich ebenfalls bald um lokalisirte, bald um generalisirte
Formen handelt, die sich jedoch oft in fliessenden Uebergängen befinden.
Die Ptosis bei der multiplen Neuritis. 459
Ueber den Sitz und die Natur des pathoKigisch anatouiischea Prozesses
kann man sich bis jetzt durchaus noch nicht mit der Bestimmtheit
äassern, wie das in manchen modernen Lehrbüchern geschielit. Wenn auch
schon mehrere Untersuchungen vorliegen, die den neuritischen Charakter der
postinfektiösen Aiigenmuskellähmungen darthun (siehe S. 238 und 257), so
sind einerseits toxische, rasch vorübergehende Einwirkungen auf das Central*
organ, andererseits encephalitische (Influenza etc.) und degenerative centrale
Prozesse durchaus nicht ausgeschlossen. In vielen Fällen ist der AngriÖ's-
punkt des infektiösen Virus sowohl central Avie peripher.
So iu dt*m Falle von Wnrrentey (»iehe S. 240). bei dem es sich um eine Polyoeuritis
postdiplillieritica gehandelt hat^ und bei welchem sowohl in den Kernen, sowie in den
Wurzeln des IlL^ VL, X. and XII. Nervenpaares sich Veränderungen faoden*
In dem Fall von Paul Meyer (S. 244) bandelte es sieb ebenfalls um eine Foly-
neuntit» dipbth. mit positivem Befund in den peripheren Nerven, während &ich in Hasche's
Fall (S. 246) bei der mikroakopiüchen üoter&ucbung weder in den centralen noch pedpberen
Organen Veränderungen fanden.
Nach den neuesten mittelst der Marchi 'sehen Methode vorgenommenen
Uutersueliungen von Katz (1049) ständen bei der dipbtheri tischen Lähmung
obenan die Erkrankungen der Ganglienzellen, denen degenerative Zustände
in den von ihnen abhängigen Nervenfasern folgten,
Anch Murawjeff (10501 nimmt an, dass bei der Diphtherieintoxikation
die Ganglienzellen primär und die Nervenfasern sekundär erkranken.
Einen sehr interessanten Fall von multipler Neuritis nach emer vorausgegangenen
rheumatischen Endocarditis beobachtete Freund (1041).
Ein 18 jähriger ßäckergehilfe erkrankte plötzlich unter lunelimenden Schmerzen
und Kältegefühl in beiden Beinen, Druck auf der BruU und grosser Mattigkeit. Später
wurde er unter starkem Schweisaausbruch , \'^on eiueni Schütteltremor des rechten Beins
befallen. Darimf entstanden Hyperästhesien und Hyperalgesien der Haut; Parästbesien
l&ngs einzelner Nerven; Druckempfindlichkeit der Muskeln und Nerven&itämme; Steigerung
der mechaniacheti und reflektorischen Erregbarkeit der Muskeln. Motorisch© Störungen
zeigten sich in allgemeiner Muskelschw&cbe , in Fai^ese des Ocu 1 onio toriu S| Facialis
und Vagus, Die Reflexe anfängUch gesteigert, erloschen gänzlich. Dysurie. Pneumonie. Tod,
Bei der Sektion zeigten sich die Nerven der Hirnbasis, sowie des Rückenmarks in ihren
Scheiden injizirt. Der linke Trigeminus und Vagus grauröthlicb und auf dem Durchschnitt
wie zerfasert.
In dim beiden folgenden Fällen war die Aetiologie der Polyneuritis
unklar.
Dam mront' Mayer (1042) beobachtete einen 62 jährigen Mann, der seit acht Tagen
krank war und eine doppelseitige Ptosis hatte. Ausserdem bestand Unbeweglicbkeit
der divergirenden und leicht hervorstehenden Augen^ ferner leichte Miosis und bedeutende
Abscbwäcbttog der Sensibilit^lt der Cornea, Patient klagte über Parästbesien in den Fingern
and Schmerzen in Schultern und Armen bei Bewegungen. An den E,Ktri?mitäten wurden
nur tiefe Stiebe ©mpftmden. Die Temperatur betrug 3^*^, Es trat Velumparese und bald
der Exitus ein.
Die von P, Mayer vorgenammene Untersuchung ergab totale Degeneration des
JH., IV. und VL Augenmuskelnerven bis in die feinsten Verftsteluugen, Segmentirung mit
Myehnverlust der Nervenfasern, Degeneration der Muskelfasern des ObUq. inf. und der
Recti int. mit partieller Fettdegeneration. Ferner fanden sich im Plex. brach,, im ülnaris,
Medianns, Pbrenicus, Hypogloasus, Glossopharjngeua , Facialis, Vagus, Laryngeus Bop.
460 Die Ptosis bei der Landry'schen Paralyse.
degenerative Verändeningen. In den sensibelen Zweigen des Quintus waren nur Spnieo m
Degeneration nachweisbar. Das CeDtralnervensystem war bis auf eine Ependymitift ^
Bodens vom IV. Ventrikel normal.
Dejerine (1043) theilt die Geschiebte eines 57 jährigen Gftrtners mit. der ii
55. Jahre Typbus, aber nie Syphilis hatte. Derselbe war seit vier Monaten krank. Der
rechte Bulbus war unbeweglich, der linke beschränkt beweglich. Beiderseits bestaii
Ptosis, rechts stärker als links. Allgemeine Extremitätenschwäche, besonders des linket
Armes. Abschwächung der Patellarreflexe. Es scheint, dass diese Symptome das dritt»
Recidiv darstellten. Im Jahre 1881 hatte er zuerst linksseitige Ptosis, dann Lihmimg allrr
Muskeln des Gesichts und der Extremitäten. Nach sieben Monaten trat Heilung dn. 1b
Jahre 1883 Recidiv aller Symptome. Es wurde dabei Unbeweglichkeit der Bulbi, Lilmnig
der Zunge, des Pharynx; des Orbicularis oris, Atrophie en masse, Westpharscki
Phänomen, Dyspnoe und Orthopnoe konstatirt. Im Jahre 1886 Heilung.
§ 227. Im Anschluss an diese. Fälle möchten wir noch einen tod
Gibson und Turner (1044) beobachteten Fall von hämorrhagischer Neuritis
des Oculomotorius mittheilen.
Ein 11 Monate altes Mädchen kam wegen Brechdurchfall und einer seit weoiga
Tagen bestehenden rechtsseitigen Ptosis zur Aufnahme. Schon seit drei Wodm
soll Patientm häufig einen heftigen Schrei ausgestossen haben. Es bestand Lähmung der
vom rechten Oculomotorius versorgten Muskeln mit erweiteiter, nicht reagierender Papille.
Bei der fünf Tage nach der Aufnahme vorgenommenen Autopsie fand sidi «w
ausgedehnte Hämorrhagie in der Gegend der linken Fossa sylvii, nach vorne und oben tif
die Stimwindungen übergreifend. Die Untersuchung des rechten N. oculomotorius ernk
eine intensive hämorrhagische Neuritis desselben von seinem Austritt aus dem Himschenkel
bis zum Eintritt in die Orbita. Die Kemregion waren normal.
13. Die Ptosis bei der Landry'schen Paralyse.
§ 228. Bei der Landry'schen Paralyse sind bis jetzt nur in wenigen
Fällen Augenmuskellähinungen beobachtet worden. Bei denselben war der
Abducens häufiger als der Oculomotorius affizirt.
Eine Ptosis beobachtete J. Hoffmann (1045) in folgendem Falle.
Eine 86jährige Frau empfand zwei Tage, nachdem sie angestrengt gearbeitet hatte,
eine auffallende Müdigkeit in den Beinen. In der folgenden Nacht stellte sich auch Scbwicke
n den Armen ein. Drei Tage darauf fiel ihr das Kauen schwer; die Stimme nahm la
Deutlichkeit ab. Einige Tage später traten Schluckbeschwerden dazu, gleichzeitig wir m
mangelhaftes Heben des rechten Oberlides sehr auffallend; zugleich klagte Paüeotn
über einen drückenden Schmerz in der Schläfengegend und Thränen des rechten Anges.
14 Tage später konstatirte man hochgradige Lähmung der unteren, Parese der oberen Ex-
tremitäten bei vollkommen schlaffer, nicht atrophischer Muskulatur; keine AnomalieB to
Sensibilität in ihren verschiedenen Qualitäten. Während die Plantarreflexe erhalten bliebcD.
waren die Patellarreflexe erloschen. Es bestand doppelseitige komplete Facialislihming
und Lähmung der Eiefermuskeln. Das Schlucken war erschwert, die Artikulation onroa,
die Bewegungen der Zunge erschienen nicht ganz frei, während diejenigen des GamiMh
segeis gut waren. Die Augen wurden frei bewegt. Die Funktion des rechtes
Levator palp. sup. erschien leicht beeinträchtigt. Puls 82. Anaaer gering-
fügigem rechtsseitigen Ohrensausen war nichts weiter bemerkenswerth. Tod in Folge ▼<»
Asphyxie.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich sowohl im Bereich der MedoDi
obl., als auch im Rückenmark eine ausgesprochene Infiltration der Gefiteswinde der Pia
Die Ptosis bei lier Landry 'sehen Paralyse. 4(j1
||nd Arat'hnoidea; auch einzeln© Getose der NerveDsubstanz 8t?lbst mit grosä^kürnigen
eilen. Ausserdem in den Corpor. reatiformia^ den Pjmmiden vereinzelte kolosöftl ge-
jBollene Achse ncyl in der zuto Theil mit Viikuolen, In der Medulla oblongata sowohl, wie an
ZÄhlreichen Stellen der grauen Substanz des üals- und tJrusfiheils fanden sieh kleinere
Hdmorrhagien. In einzelnen Fasern des rechten Facialis partiell dunkle Färbung des Marks.
Es handelte sich also um eine Bulbo- und Myelomenmgitia.
Pearce ßailej uji d James E w i n g ( l Ü4H) lierichten von einer 36 jöhrigen Haus-
frau, die mit Schwindel, Erbrechen, Ohnmacht und Verdunkelung des Gesichts erkrankt
^ar. 4 Tage darauf verlor »ie pUHzlich die Kraft in den Beinen, Tags darauf Lähmung
des linken und Parese des rechten Arms. 5 Tage später waren beinahe alle Extremitäten
gelähmt Die Zehen konnten ein wenig gebeugt und der rechte Arm etwus gehoben werden.
Links bestand massige Ptosis» Die H^tut- und Sehnenretlexe fehlten. Die gelähmten
Mnsketn reagirten auf starke faradische Strt>me. Die Senaibilitüt war in allen Qualitäten
ungestört. Blase und Mastdarm funktionirten normal. Nach 4 Tagen Dyspnoe, Dysphagie,
Aphonie. Kxitus.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich : Erweiterungen der Blutgefässe
der grauen Säulen, perivaskuläre Leukocytenanhäufungen, kapilläre Blutungen, gelegent-
liche Thromliosirung von Arteriolen mit vielkernigen Leukocyten; diffuse kleinzellige In-
filtration der grauen Substanz, besonders der Vorderhörner. Im Hnlsmark griff die Intiltration
auf die weisse Substanz über. Mitteist Niasl's Methode liessen sich tiefgreifende Ver-
änderungen in der mikroskopischen Struktur der Vorderhornganglienzelleu nachweisen. In
den grauen Kernen der Medulla und der BrGcke waren ähnliche Veränderungen zu finden,
wie im Rückenmark. Der Enlzündungsprozess griff auch hier auf die weisse Substanz über.
In den grossen Basalganglien, in der Hirnrinde der motorischen Sphäre und des Kleinhirns
fanden sich mehr oder weniger aasgeprägte Veränderungen an den Ganglienzellen und an
den Ge^Uften.
Goebel (1047) beobachtete bei einem Tapezier 4 Wochen nach einer Erkältung eine
schlaffe Paraparese ohne Sensibilitätsstömngen. Der Tod erfolgte 17 Tage später bei freiem
SeQSorium, nachdem unter dem Auftreten von Augenmuskel-, Kau- und Schluck-
läkmungen von sehr starker Ausdehnung eine Abstumpfung des Gefühls sich bemerklmr
gemacht hatte.
Verfasser künstatirie mit Hilfe der Marchiunterüucbung Verfinderungen (Degeneration
des intranukleären Fasernetzes) in der Gegend oberhalb der Pyramidenkreuzung bis zum
Oculomotoriuskemgebieto.
Welcher Art die Ptosis bei der L an dry 'sehen Paralyse ist, dürfte
deshalb nicht leicht zu bestimmen sein, weil wir über den diese Krankheit
bedingenden Prozess durcliaus noch nicht im Klaren sind. Es hat den An-
schein, als ob die Landry'sclie Paralyse gar keine einheitliche Krankheit,
sondern nur ein klinischer Sjmptomenkomplex wäre, dem verschiedenartige
Vorgänge und Veränderungen im Körper zu Grunde liegen können. Während
der Entdecker der Krankheit Landry, sowohl wieWestphal, einen nega-
tiven Befund erhoben, konstatirten Eisenlohr und Schnitze Verände-
mngen im Rückenmark, Dejerine, Goetz, Nauwerck-liarth, Ross,
K lumpke nenritische Verändemngenj und Krewer kombinirte myelitische
und neuri tische Prozesse bei der L an dry 'sehen Paralyse.
Wir selbst haben in einem Fall von L, P. keine, in einem anderen Falle
nur neuritische Veränderungen gefunden. Zur Erklärung des negativen Be-
fundes dürfte wohl anzunehmen sein, dass das Gift die motorischen Leitungs-
bahnen gelähmt hatte, ohne anatomische Veränderungen zu hinterlassen.
462 Die Ptosis bei der Polymyositis.
In den drei von uns referirten Fällen dürfte die Ptosis wahrscheinlich
wohl als eine nucleäre oder fascikuläre zu betrachten sein, da in denselben patho-
logisch-anatomische Veränderungen meist entzündlicher Natur im Central-
organe gefunden worden sind. In Betreff der geringfügigen Marchiverände
Hingen im GoebeTschen Falle zur Erklärung der schweren Lähmungssymptome
halten wir uns zur Zeit noch sehr reservirt und möchten vor zu weit-
gehenden Schlussfolgerungen warnen.
14* Die Ptosis bei der Polymyositis.
§ 229. Die Polymyositis acuta und chronica ist eine Erkrankung, die
wir erst seit 1887 durch die grundlegenden Arbeiten Wagners, ünverrichts
und Hepps genauer kennen gelernt haben. Die Aehnlichkeit mit den bei
der Trichinose auftretenden Symptomen hatte He pp veranlasst, die Krankheit
Pseudotrichinosis zu nennen. Unter Umständen ist die Differentialdiagnose
schwierig, da bei beiden Krankheiten die ausserordentliche Schmerzhaftigkeit
und Schwellung der Muskeln das pathognomonische Symptom darstellt, und
bei beiden Augenmuskelstörungen speziell auch eine Ptosis vorkommen
kann. Bei der Trichinose wird die Augen-, Kau- und Kehlkopfmuskolatur
meist frühzeitiger ergriffen, und es tritt dabei die so charakteristische
Schwellung des Gesichts und der Lider auf. Es handelt sich daher bei der
Trichinosis meistens um eine durch das Oedem des Oberlids bedingte Pseudo-
ptosis, während die bei der Polymyositis allerdings selten vorkommende
Levatorlähmung durch einen primär myositischen Prozess im Heber des Ober-
lides verursacht wird.
In dem folgenden von Strümpell (1048) untersuchten Falle wurde eine
Ptosis beobachtet.
Bei einem TOjäbrigen Gärtner, der mit Ausnahme einer zweimaligen Elrkrankiing an
Gesichtsrose, früher gesund war, traten vor 5 Wochen Erbrechen, Eopfschmerzen und all-
gemeiue Mattigkeit, 8 Tage später heftige Schmerzen in den Armen und Beinen und knn
darauf Anschwellungen an denselben auf. Es bestand Fieber und Oedem des Gesichts.
Quälende Schmerzen beim Kauen, Sprechen und Schlucken. Die Mundschleimhaut war ent-
zündet, und Patient litt an heftigem Speichelfluss. Die Patellarreflexe waren schwach; die
Extremitäten unbeweglich ; die Bulbusbewe^ungen beiderseits besonders nach unten zu b^
schränkt. Es bestand eine Ptosis des rechten oberen Augenlides. Die Seosibilit&t war
frei, das Schlucken sehr erschwert. Es trat unter Bronchopneumonie der Tod ein. Bei
der Untersuchung erschienen die Muskeln blasser und von gelblicher Fai'be, zeigten starke
feinkörnige Trübung , häufigen Verlust der Querstreifung und Neigung in Längsfibrillen xo
zerfallen. Es fanden sich femer hyalin aussehende und wachsig degenerirte Fasern vor;
ferner zwischen den Muskelfasern viele weite und stark gefüllte Blutkapillaren. Im Levator
palpebr. und Rectus intern, fanden sich dieselben Veränderungen. In Schnittpräptraten
sah Strümpell in vielen quergetroffenen Fasein Vacuolenbildnng und Vermehrung der
Muskelkerne ; femer zahlreiche Herde echter interstitieller Myositis (Bindegeweheneubildug
und Rundzellenanhäufung). Am Rückenmark waren normale Verhältnisse vorhanden.
Bei der hysterischen Ptosis unterscheiden wir wiederum zwei Formen:
a) die schlaffe hysterische Ptosis und
ß) die sog. Ptosis p s e u d o p a r a 1 y t i c a , welche eigentlich mit einer
Levatorlähmung nichts zu thun hat, sondern von einem Krämpfe der Palpe-
bralportion des Muscuhis orbicukris abhängig ist. Aus Zweckmässigkeits-
gründen wird dieselbe jedoch hier und nicht in dem Kapitel über den Orbi-
culariskrampf abgehandelt werden,
a) Die schlaffe hysterische Ptosis und die Simulation der
schlaffen Ptosis.
§ 230. Die schlaflfe hysterische Ptosis ist die seltenere Form. Sie tritt
in der Mehrzahl der Fälle doppelseitig auf und unterscheidet sich in
ihrem Aussehen nicht von der paralytischen Ptosis zufolge organischer
Läsionen.
Einen Fall einseitiger schlaffer hysterischer Ptosis beschreibt
Schmidt-Rimpler (947),
Ein 1 6 jfiiirigea Mftdchen kam zu demselben mit emer nicht spastischenPtoaiB
des linken Auges. Sie war bereits 6 Wocben lang ohne Erfolg von anderer Seite l>efaande1t
worden. Schmidt-Rimpler sagte ihr, man könne durch Druck auf bestimmte Punkte
ein sofortiges Heben des Lidea bewirken. Es hob sich denn auch bei Druck auf den IJuken
N, supraorbitalis das Lid in vollkommener Weise. Während des Gesprächs mit der Patientin
wurde dann, von ihr unbeachtet, der Finger losgelassen, und das Auge blieb offen.
Auch wir sind in der Lage eine eigene Beobachtung einer schlatfen ein*
seitigen hysterischen Ptosis hier anfiihren zu können.
Bei dem 20 jährigen Mädchen (Figur 92) hatte die Ptosis einen schlaffen und an
Intensität zuweilen wechselnden Charakter. Es handelte sich um ein hereditär belastetes
Individuum, das an Clavus hystericus und Ziiitern im ganzen Körper litt. Das Auge zeigte
eine Bindehautaffektion, die jedoch so geringfügig war, dass, als davon abhängig, die Ptosis
nicbt aufgefasst werden konnte. Die Pt<»sia ^'ar plötzlich aufgetreten und verlor sich ebenso
rasch wieder auf psychische Behandlung hin.
Die schlaffe hysterische Ptosis kann sich ganz plötzlich ent-
wickeln, wie in dem folgenden von Kempner (945) beschriebenen Falle:
Ein 16 jahriger Glaserlehrling stellte sich am 31. VIIL 91 wegen Ahnahme seines
Sehvermögens vor. Es bestand auf dem rechten Ange eine hochgradige Myopie bei einer
sehr reduzirten Sehschärfe (Finger auf 6 Fuss); das Gesichtsfeld zeigte sich stark konzentrisch
verengt. Auf dem linken Auge war dasselbe frei, es wurde aber mühBam mit — 4,50 D.
eine Sehschärfe von ** ai» erreicht. Ophthalmoskopisch konnte man auf dem Auge der
m
Die hysterische Ptosis.
Btarkeri Myopip ein Staphyloma posticum uod atrophische Veränderungen u
konstatiren; linkeiJ^eits war der Augensptegelljefund normaL Die Lider und die PnpüUt
verhältoisöe zeigten nichts Pathologisches. Die Diagnose %vurde linkorseit:* auf Amblyopie
ohne Befund gea teilt. Nach einer Schmierkixr aiink rechts die SehscbJUfe tiif KoD,
links auf das Erkennen xon Fingern in 2 Funa Entfernung. Da^ti geaelUe sich is
6. Oktoher 91 ganz plötzlich, während Patient auf der Strasse sich befand, eine Pto»i)
auf beiden Ängen. Die Augenlider seitin nach Angahe des Patient«oiii!
einmal am gefallen. Anderweitige Lähmiingsersclieyiungen vom Oc ulomotonu*
waren dahei nicht zu Tage getreten. Aeiisserlicli nnd ophthalmoskopisch trat keine V«-
änderung an den Außen eia, aai h blieb die Weite und Reaktion der Pupillen auf Lidit «ft
verändert normal. Nur war aa
15. Oktober 1891 aneb die M^
schärfe des linken Augea af
quantitative Lichten:pfindiii^
herabgesunken.
Hinsichtlich d er f o r^
b e g t e U e n d e n Ptosis ist
noch hervorzuheben, das^
wenn Patient das rückte
t>bere Lid mit der Hand i&
die Edhe hob, sich dano
auch sofort daslinkeAai^
von selbst öffnete, wihr«*»^
bei Hochheben des linkfa
rjherlides das rechte nickt
mit in die Höhe ging.
Patient kam, da die Behand-
lung nicht anschlagen wollt*, ii
eine Blindenschule, am da» Kor^
tl echten zu erlernen* Hpiter tut
er wieder aus und gab sick in
die Behandlung eines Sekif«t&
der ihn denn auch mit einer Sdit
rasch geheilt haben soll^ en^tm
nachher K e m p n e r nichts mekr
von Ptosis und Amblyopif h|kJ
ihm entdecken konnte. ^^|
In der folgenden hoch- ^
interessanten Beohacbtuig
Hitzig's (946) entwickelte
sich die schlaffe Ptosis gleichfalls auf beiden Augen, aber, im (iegensatze in
der Beobachtung Kempner's, ganz allmählich.
Ein 36 jähriger Pole wurde , weil er tn selbstmörderischer Absicht in die üastotf
gegangen war» in die Hallenser psvchiatrische Klinik aufgenommen, nachdem er früW
als Soldat schon längere Zeit an Conjunctivitis nnd Doppeitsehen gelitten hotte.
Im August 1895 verletzte er sich mit einer Sense das linke Bein und wurde dnni
den .^.nblick seines voll Blut gelaufenen Stiefels so erschtittert^ dass er sich zu Bette Itf«
miiftste. Nachdem die Wunde per priniam geheilt war, sagte seine Frau zu ihm: ,J«J«
Wunde rauss doch eitern, wenn das nicht eitert, dann kannst du noch lange warten, diu
ki'iegst du es noch in die Knochen anders wohin." Der Kranke glaubte die», blich deikaft
zu Bett und bekam nach einer Woche eine Augenentzündung. Die Augen wurden rotk ,«
M. B. 20 Jahrf alu
Viii, 92.
Itpchts fw'hlßffe hysteriselie Prn]^toÄi!*.
Die hysterische Ptogis. 4S&
te nud BchniH in denselben*, und er konnte die Lider nicht richtig aufmachen s wenn
sie aüch nicht ganz heruntergefallen waren. Die Conjunctiva sei vom Ärzte geätzt worden.
IHes half aber nicht«;, es trat vielmehr nath drei Wochen Doppeltseheii und nach ferneren
EWfi Wochen vollkommene Ptosis ein, so dass er gar nicht mehr aehen konnte. Während
dieser Zeit hutten sich die Äugäpfel gan^ nach unten und innen gedreht. So blieb es den
ganzen Winter 1895 96 und auch den Sommer 1JH96. Dann machte er aus Kammer Über
fteiDen Zustand ©inen Selbstmordversuch.
Bei seiner Aufnahme bestand eine beiderseitige vollkommen schlaffe Ptosis ; die Lider
xeigt'Sn keinerlei B'ältelung, es standen die Augeabrauen nicht tiefer aln normal, und es
I iiessen sich die herabgeeuhkenen Lider widerstandslos Leben, Setbat bei starker Kon-
traktion des Frontalis gelang es dem Patienten nicht, die Lidspalte zu clffnen. Beide Äugen
waren sehr stark nach innen und unten rotirt und ans dieser Stellung nach keiner
Richtung bin abzulenken, vielmehr drehte Patient den Kopf, wenn er etwas fixiren sollte.
Die Pupillen waren stark kontrahirt; passend vorgehaltene Gegenstände erkannte er zeitweilig,
I xa anderen Zeiten schien er völlig amaurotisch zu sein. Die ophthulmoskopiscbe Unter-
' sachung war unmöglich. Wflhrend der eingeleiteten Narkose begannen die Äugen schon
' nach wenigen Zügen Chloroform nach allen Hichtungen hin sich zu bewegen ^ die Pupillen
' erweiterten sich vorübergehend über die Norm und reagirten deutlich auf Licht. Nach dem
Lfrwachea öffnete der Patient die Lider spontan, fixirte und erkannte vorgehaltene Gegen-
r^ÜItide richtig» Durchstechen der Haut mit Nadeln wurde an dem linken Bein und dem
1 rechten Arme nicht empfunden; die SchmerÄempfindnng wiir am gnnxen Köx-per herab-
' geaetzt* Durch Snggestion wurde die 8ehstörung gebcilt. Nun traten (jehorstdrnngen auf,
I dann setzte links Strabismus con^'ergens ein, hierauf verschwand dieser wieder, und es wurde
' hochgradige beiderseitige Gesichtsfeldeinschränkung konstatirt. Darauf folgte ein heftiger
Konvergenzkrampf, und nach TauchhÄdern, welche er nicht ertragen zu kennen behauptete»
entwickelt sich wieder doppelseitige Proptosis mit Strabismus convergens. Bei abermahger
G^chtafeld aufnähme wurde jetzt hochstgi'adige konzentrische Verengerung konstatirt, die
dann ebenfalls später mit den Übrigen Augenbeschwerden durch geeignete Suggestion völlig
gehohen wurde.
Auch in dem von tms beobachteten Falle, dessen Abbildung wir in
U|g»^93 und 94 wiedergeben, entwickelte sich die Ptosis allmählich; auch hier
F «eigten sich ebenfalls ganz erhebliche Stöningen der Elulbusbewegungen, während
die Sehschärfe nur wenig alterirt erschien.
I Eigene Beobachtung. 25. August 1897. Ein 16 Jahre altes Dienstmädchen hatte
I mit dem fünften Lebensjahre Typhus, seit ibrem 9. Lebensjahre Bleichsucht. Vor 2 Jahren
war sie ungefähr ein halbes Jahr lang an Conjunctivitis erkrankt. Seit 4 Wochen klagt
Patientin Über Stiebe und Schraerzen im linken Auge (Conjanctivitis catarrhalisl Dabei soll
sich das linke Augenlid immer mehr gesenkt haben, bis es etwa seit 14 T*igen vüllig ge-
schlosssen blieb. Ais die Ptosis des linken Auges vollkommen war» begann au<;h auf dem
rechten Auge eine Ptosis sich auszubilden, was ihr Veranlassung gab, in der Klinik Heilung
EU suchen.
Status praesens: In der Entwickelung zurückgebliebenes, leicht erregbares junges
Mftdchen. Patientin schläft sehr schlecht und leidet viel an ^unerklärhcben'^ Angstzuständeu.
Sie trfiumt oft im wachen Zustande 10 Minuten lang vor sich hin, ohne nachher davon
etwas zu wissen. Seit 1895 leidet sie an Sclireikn'impfen angeblich mit Bewusstseinsverlust.
Die Krämpfe führt sie auf einen gi^ossen Schreck zurtlck ; sie sollte nämlich in der Schule
w^gßn irngezogenbeit eineu Strafplatz erhalten.
Patientin hat einen eigenthümlich deprimirten Gesichtsausdruck, Das linke Ober-
lid hängt schlaff über dem linken Auge herab; die rechte Lidspalte ist fast ganz
geschlossen, und nur das Oberlid hier durch Kontraktion des rechten Frontalis gehoben.
LOftet man das linke Augenlid, so sieht man den Bulbus eine Stellang nach innen oben
1
466
Die hysterisclie Ptosis,
fMthnIt«!], oBtie Ü&88 Patientin durch Zurt^den zu bewegen wäre, diese StelJiing dttBuJbi»
SB Indern, Lässt man das linke Lid wieder heruntersinken und lieisst das Middiai 1
dem rechten Auge einen iiegenntiind ^xiren, so kann mon liunli das dünne sdiliUI»
Oberlid die Bewegungen! des Bulbus t^rkeiineit, dte dann vi»l3ig normal und denen de« 1
Auges asaociirt sind Beim Aufheben ilea rechten Oberiidea steht der Bulbus in
Stellung. Zu anderen Zeiten ist Pfltfentin nicht im Stande, bei gewaltsam geöffnetem linkif
Auge den Bulbus zu bewegen, sodass man den Eindruck empfängt, als best&tid« hier «i»
komplete Ophtbalmoplegiii exterior, während sie bei geöffnetem, rechtem Auge dem Fii|ir
so weit folgt, als die Lids]äa!tö klittTt. Oeffnet man beide Äugen gewaltsam» so Mm
beide Bulbi unbeweglich nach oben in leichter Kenveigenzstellung, und ist PalientiB mnt
mögend einem vorgebiltiis
Finger mit dem Bulbus ul fblfon»
Dabei sind die Pupülea ütä
kontmhirt und von sehr trter
Reaktion auf Licht Wew
Patientin aufgefordert wirii|twi4i
Augen aufzumachen . kontimbirt
sie stark beide Frontale« nod
bringt dadurch eine leichte Hftof
des Lides zu Stande. F^ |^
wiihribch ist dies auf den recto
Auge aHein der Fall, daher kioi
sie sich auc^h noch ohne Hilf»
auf der Strasse hewegea.
Das Gesichtsfeld dcaredl«
Auges war bei der LTnieraackosf
vom 25. Vm. 97 allseitig bi» *af
den 30. Grad konzentnieh Tie^
engt; kleine farbige Olijditt
wurden hier nicht erkannt Dil
Gesichtsfeld des linken A«^
zeigte eine allseitige EiiiMblÜ-
ung bis auf den 40. Gmd; nf
dem 20. Grad fielen die Gmtia
von Roth und Blau raMnoMt.
Im Laufe der weiterecn fieokc^
tung entwickelte sich auf der
linken Augen- und Seb1if«QJiA8t
ein Erythem (siehe Fig. 94). Im
Köi-per bestehen zahlreich« h? pl^
üsthetiöcbe Zonen. Der BM^m-
und Conjunctivalreflex fehlt ü«
übrigen Reflexe sind erhalten; die Extremitäten aktiv und passiv »rei beweglich; dif poW
Kraft normaL
Am 15. IX, 97 wurden durch Heftpflasterstreifen die Augenlider an di*i Sto
geklebt. Nachdem Patientin dies fi Minuten lang ausgebatten hatte, konnte sie iQcb ntA
Abnahme derselben die Augen offen halten, wobei die nöthige Suggestion angewandt wtiHr
Am 17, IX. musaten Patientin abermals wieder die Lider festgeklebt werden, ««fl
die Ptosis zuiUck gekehrt war. Durch Suggestion wurde nun die Piosia dauernd |«Wt
Mastkur. Patientin geheilt entlassen.
g 231. Wie aus den angeführten Fällen hervorgeht, tritt die scUiff*
hysterische Ptosis meist bei solchen Individuen auf, die auch noch scliw«rt
Fl- ^U.
P. M, Schlaffe liv^r.n.,3i. itsi^: links komplet, RiHhts*
anBclieinpud irikotiipln ur^^cn Koiitruklion des rcehlpii
Frcmtalip und Hphung der Augoubraue.
Die hysterische Ptosis,
m
ädere hysterische Erscheinungen von Seiten des Auges , A\ie Krämpfe und
iniungsartige Zustände der Bulbusmiiskulatur^ hysterische Amhlyüpie und
laurose, hochgradige (lesichtsfeldeinschränkung und spastische Miusis dar-
bieten. Wt^nn nun daher auch die allgemeine Ursache dieser PtOhisrijrm in
dem hysterischen Zustande des Nervensystems begründet ist, so scheiden sich
doch diejenigen ursächhchen Momente, wch-he den unmittelbaren Austoss zum
Auftreten dieser Ptosis geben, nach unseren klinischen Erfahrungen in zwei
Richtungen, indem bei der einen Gruppe die Ptosis ganz allmählich zur
konipleten Form sich aushildet,
während hei der anderen * i ruppe
dies schlaffe Herahfallen der
Augenlider p 1 u i z 1 i c h einzu-
treten priegt. Da SS nun das Vor-
stellungsleben der Patienten
ganjE besonders hei der Ent-
stehung dieses Zustand es be-
theiligt sein dürfte, beweist die
Zugänglich keit dieser Krank*
heitsforni für die Siiggestions-
theraiüe.
Es unterhegt keinem
Zweifel, dass bei Hysterischen
jedwede Form des dauernden
Lidschhisses unter Beeintlussung
des Vorstellungslebens der
Patienten durch ]>lützlich ein-
wirkende oder durch andauemde
krankhafte Empfindungen: wie
durch das Unbehagen bei einer
CJonjunctivitis, durch die Furcht
geblendet zu werden, durch das
bei Nervösen so häutige Gefühl
Fig. 94.
P. M. Schlafl'e hysteriiicbe Pt<teis. Link» Erythem der
Lider und der Haut der Schläfe.
von Schmerz im Augeninneren,
erzeugt werden kann, und dass das üftenhalten der Lid spalte bei über-
haupt nicht willensstarken Individuen gegenüber dem Bedürfniss, das Auge
zu schliessen, immer geringer wird, bis dann endlich die Ptosis manifest bleibt.
In gleicher oder äbnhcher Weise möchte auch die von (iowers (948) als
^Morgenptosis^ beschriebene Form von Lidlähmung ihre Erklärung finden.
Nach diesem Autor hatten schon an und für sich viele Menschen nach der völligen
Erschlaffung des Levators während des Schlafes eine gewisse Schwierigkeit,
beim Erwachen die Augen zu Öffnen. Bei schwächlichen Frauen wäre dieser
Zustand zuweilen erhöht, so dass es ihnen nach dem Erwachen oft unmöglich
sei, die Augen während der ersten 20 — 30 Minuten zu öffnen. Nachher mache
dies ihnen aber gar keine Mühe mehr.
WHbraüd-SAe£lg«r, Neurologie do* Äuge«, I. ßd, II. Abtheiliing. gl
468 Die hysterische Ptosis.
Bezüglich der Suggestibilität derartiger Kranker gewährt jener FjB
Hitzig's (946) eine klare Einsicht in den Mechanismus des Zustandekomm»s
der hysterischen Ptosis. Die Ehefrau des betreffenden Patienten hatte um
bereits darauf vorbereitet, dass er es noch „anderswohin" bekommen würde;
er blieb deshalb auch zu Bette in Erwartung der Dinge, die da komnien
würden. Nun hatte er früher wiederholt an Augenentzündung gelitten, seine
Aufmerksamkeit war daher auf die Augen gerichtet, und so bekam er dem
richtig alsbald Augenschmerzen. Ob es nöthig war, dass dieselben ärztlicher-
seits, und zwar angeblich schon vom ersten Tage an, mit dem Höllenstein-
stift bebandelt wurden, mag dahingestellt bleiben. In der Hitzig 'sehen
KUnik hatte der Kranke oft genug über Augenschmerzen geklagt, ohne dass
gleichzeitig irgendwelche Veränderungen an der Conjunetiva wahrnehmbar
gewesen wären. Jedenfalls diente jene vorerwähnte Behandlungsmethode noch
weiter dazu, den Kranken in der Ueberzeugung zu bestärken, dass er sich
durch die Verletzung seines Beins ein Augenleiden zugezogen habe.
Wenn uns auch diese Beobachtung H i t z i g ' s einen EinbUck in
den Mechanismus des Zustandekommens der hysterischen Ptosis gewährt, so
können wir von der Beobachtung Kempner's nicht das gleiche sagen. Für
die Erklärung derartiger Fälle plötzlich und anscheinend unmotivirt auf-
getretener hysterischer Levatorlähmung ist wohl die Annahme gerechtfertigt,
dass die Zwangsvorstellung : sein Auge nicht mehr öffnen zu können, aus dem
eigenen Vorstellungsleben des impressionablen Patienten heraus, also ohne
Suggestiv Wirkung von Seiten einer zweiten Person, sich entwickelt haben
möchte, und zwar in einer Weise, dass diejenige Ideen Verbindung, wekhe
zu dieser Zwangsvorstellung ursprünglich geführt hatt^, nachträglich in dem
Gedächtnisse des Patienten nicht mehr haften geblieben war. Ist es dodi
leicht verständlich, dass der Schreck über die thatsächlich eingetretene Ptosis
und die besorgnisserregenden Vorstellungen, die sich an dieses neue Faktum
knüpfen, ganz und gar diejenigen Ideenassociationen aus dem Gedächtniss
verdrängen können, welche autosuggestiv die eigentlichen Urheber de« Un-
vermögens, den Levator nicht mehr kontrahiren zu können, gewesen waren.
Dass dann aber nachträglich auch die anamnestischen Fragen hinsichtlich
der Entstehungursache der plötzlichen Ptosis negativ ausfallen müssen, liegt
auf der Hand.
Wenn nun Kempner erwähnt, dass sobald sein Patient das recht«
obere Lid mit dem Finger in die Höhe gehoben, sich dann auch sofort das
Hnke Auge von selbst geöffnet habe, so erscheint uns dies nicht wimderbar,
weil wir gewohnt sind stets beiderseitig den Levator zu innerviren und
zu erschlaffen. An dem Umstände aber, dass dies Phänomen in umgekehrter
Richtung unterblieb, dürfte vielleicht die schlechte Sehschärfe des rechten
Auges und die Thatsache die Schuld tragen, dass das rechte Auge so gut
wie gar nicht bis daliin zum Sehen gebraucht worden war.
vi 232. Wenn die vorhin gegebene Erklärung der Ursache der schlaffai
doppelseitigen hysterischen Ptosis richtig ist, dann sollte man folgerichtig
Die hysterlBcUe Pti^ais.
409
V
varten, dieselbe müsse auch nach jeder Richtung hin demjenigen Zustande
»n Ptosis entsprechen, welchen wir physiologisch beim Schhif beobachten. Und
i der That tritt Schmidt-Iliiupler (947) auch ttir diese Anschauung ein, wenn
sagt: ^meines Erachtens handelt es sich aber doch nicht um eine eigentliche
iiähmung, sondern um ein einfaches^ oft willkürliches p]rschlaffen des Levator
palpebrae". Auch K iinn glaubt die Charakteristik der hysterischen Ptosis einfach
so rormuliren zu können, dass das betreffende Auge so aussieht, als ob die Lider
leiclit, wie zum Schlafe geschlossen wären. Auf der anderen Seite erscheint es aber
Hitzig ganz sicher, dass die hysterische Ptosis unter durchaus ähnlichen
Umständen, wie die übrigen motorischen Innervationsstörungen der Kopfnerven,
nämlicli in der Regel auf Grund
eines Reizzustundea (Ptosig psendo-
paralytica), aber in seltenen
Fällen doch als Zeichen
einer Lähmung zu Stande
kommen könne. Wir bezweifeln
nicht, dass beide Autoren Recht
haben, und dass nach beiden
Richtungen hin Fälle zur Be-
obachtung gelangen werden, zur
Zeit ist aber noch die Kasuistik
für die Losung dieser Frage zu
wenig ergiebig, und es bleibt uns
nichts übrig als hier von Fall zu
Fall die Entscheidung zu treffen.
Hinsichtlich unserer Beobacli-
tung möchten wir uns der Ansicht
Ton Hitzig anschliessen, da
einige Erscheinungen bei dem-
Mlben hervortraten, welche wir
sonst nur bei
Levatorlähmung
nach einer organischen Lasion
Fig. 95.
F. G. Rechts komplet« Ptosis nach ^leningitis
eerebrospinali«.
zu beobachten gewohnt waren.
Betrachten wir nämlich Fig. 93» so sehen wir zunächst das linke Auge schlaff
gelähmt, während das rechte Oberlid durch Innervation des rechten Frontalis
leicht gehoben ist. Diese Ersclieinung widerspricht jedenfalls der Annahme,
dass die schlafte hysterische l*tosis sich genau wie das Herablüingen der
Lider im Schlafe prasentiren müsse, da doch während des Schlafes nicht
allein der Levator, sondern auch der Frontahs erschlafl't m sein pHegt. Nun
kann aber kein Mensch, oder vielleicht nur ganz vereinzelt jemand lediglich
einseitig seinen Frontatis innerviren, sondern diese Fähigkeit tritt oft
dann spontan hen^or und entwickelt sich unwillkürlich, wie Mautbner
(vergK p. 70 dieses Buches) an sich selbst beobachtet hat, wenn eine wirkliche
Lähmung, oder eine durch Schwere des Lides erzeugte einseitige Ptosis vorliegt.
47D
Bk l^riNiiiche Ptosis.
§ 233, Durch die Betmchtuiig dieser Verhältnisse werden wir
ZTi^lt^ich auf die BeHprechiing der Sirauhttion einer schlaffen Pu>sj^
geführt.
Wir vermögen doppelseitig den Levator entweder völlig zu erschi i "
oder nur insoweit, dass nach geringer Uebung jeder Grad der inkompletd)
Ptosis und zwar doppelseitig vorgetäuscht werden kann, ohne dass dalrt
die Lider in jenen, dem Rosenbacirst^hen Phänomen (siehe >; 33 pag. 55)
konfonnen zitternden Znstand zu gerathen hraticlien. Ausserdem köniwa
Individuen, und namentlich soldte mit schlafter und reichlicher Haut da
Oberlides, trotz stärkster Kontraktian heider Frontales, eine schlaffe VXmis
l)eibelialten (vergl. Fig, 95 p;ig, W),
ebenfalls olme dass jene Roseth
hach'schen Zucknngen hervontütrettn
brauelien* Bei Individuen mit einef
kurzen Lidhaut und willkürlich er-
schlafften Levatoren werden Wigco
der kräftigen Zugwirknng des Froo-
talis die Lider alsdann aber um m
weniges gehoben werden und dalvi
sehr gut jenen Zustand vortäusdiEß
können^ welchen wir in Figur 96 b«
dopijeheitiger Ptosis durch orp-
nisclie LÜsion dargestellt finden.
Will aber ein Individuum mit
kurzer Lidhaut unter starker Froo-
taliswirkmig, eine komplete I" '
8 i m u ! j r e n d , beide Lider gesci -
halten^ so gelingt ihm dies jedoch nur
unter gleichzeitiger Innen*ation der
Palpebralportion des Orbicularis, wolw
die sonst üblichen Kontra ktionsfaltec
der Haut dann nicht hervorzutretei
brauchen, wegen der angeboreotn
Kürze der Lidhaut. Es wird im
tregentheil die Haut des Oberlides durch den entgegenwirkenden Zog
nach oben und unten hin mehr geglättet und dadurch wieder der Simu-
lation der schlaffen Ptosis dem Aussehen nach Vorschub geleistet werdeiL
Dagegen wird aber der Simulant nicht lange den gleichzeitig und thU
gegenwirkenden Zug zweier Antagonisten aushalten können, und würde
sich die Simulation durch Auftreten von Zuckungen sehr bald bemerkbar
machen. Würde aber ein, eine schlaffe Ptosis oder Proptosis simulireoda
Individuum bei schlaff herabhängenden Ltdern aufgefordert nach üben m
sehen, so würde hei der gewohnten Mitbewegung zwischen Oberlid und den
Hebern des Bulbus (vergleich § 28 pag. 37) die Ptosis entweder sofort »of-
Fig, 9Q.
K, M. J »opjx'l seit ige Ptosis mit Oculomotorius-
und Trochleiuislabmun^ bei Tnbe%. Paik^nt
beutet den Kopf tiHch rückwÄrts» um die
Pupille iiiitt»rb:dh des j^'el:<biiil»'u Oherlidi in
di*' Lidspalte xu tmiigeu.
m
Die hysterisch© Ptosis.
471
tiriren, oder wenn sich ein Mensch vorher darauf eingeübt haben sollte, dieser
Mitbewegiing entgegen zu arbeiten, so würde doch durch den Widerstreit
er Kräfte der jetzt in Aktion tretendeTi ralpebnilportion des Orbicularis
iurch deren Innervation am Oberlid ja nur da^ Lid der Mitbewegiing des
lulbus entgegenwirken kann) das letztere ebenfalls in zuckende Bewegungen
Irerfalien,
S 234. Eine einseitige Hebung des Lides nun durch einseitige
Frontaliskontrakti on b e i s i ni u 1 i r t e r doppelseitiger s c h 1 a f f e r Ptosis
ist jedoch lür gesunde Menschen, die nicht besonders darauf eingeübt sind
und anatomischer sowie physiologischer Kenntnisse entbehren ^ ein Ding der
Unmöglichkeit. Denn im Bestreben, die eine Augenbraue nur allein zu
beben, wird unwillkürlich der Orbicularis des anderen Auges stark koutrahirt,
um die zwangsweise Mitbewegung des Frontalis dieser Seite überwinden und
die Ptosis beibehalten zu krmnen. Dabei treten aber auf dem Auge der
seither sciilaff gehaltenen Ptosis Kontraktionsfalten am Oberlid auf (unter
Voraussetzung genügender Länge der Lidhaut), und giebt sich damit die
Simulation zu erkennen. Wie sehr wir aber gewohnt sind, beide Frontales
immer gleichzeitig zu innervirenj selbst wo zur Hebung nur eines Ober*
lides die einseitige Kontraktion dieses Muskels nur nothwendig wäre, ist leicht
ans Figur 95 zu entnehmen. Hier linden wir bei einer einseitigen kompleten
Oculomotoriuslähmung nach Meningitis cerebrospinalis beide Musculi fron-
tales kontrahirt, wiewohl doch nur die des rechten Auges nothwendig ge-
wesen wäre.
Es dürften darum wohl w^enig Menschen zu finden sein,
welche den Zustand einer doppelseitigen Ptosis mit einseitiger
Frontaliskontraktur in einer Weise nachahmen könnten, wie wir ihn
bei Menschen mit paralytischer Ptosis alltäglich beobachten (vergleich Figur 33
pag. 74) und wie er auch bei unserem Falte von schlaffer hysterischer Ptosis
(siehe Figur 93) sehr auffällig hervortritt,
§ 235. Ferner ist noch hervorzuheben, dass die Simulation einer
einseitigen schlaffen Levatorlähmung wohl keinem Menschen gehngt.
Denn wenn der Levator naturgeraäss, wie im Schlafe, erschlafft wird, so voll-
zieht sich dieser Vorgang stets doppelseitig, wie dies schon aus der S 25
pag, 31 von uns gefundenen Thatsache des vorhandenen Blinzelretlexes auf
dem Auge der Seite mit kompleter Facialislähmung hervorgeht. Hier sehen
wir nämlich sjnchroniscb mit dem Blinzelretlex auf dem gesunden Auge ein
kurzes Zucken des Oberlides auftreten, was nur auf eine momentane Er-
schlaffung des Levator bezogen werden kann, weil in diesem Falle ja der
Orbicularis zufolge der Facialislabmung völlig ausser Aktion gesetzt war.
Sollte es aber trotzdem durch Uebung einem Menschen gelingen eine ein-
seitige Erschlaffung des Levator wirklich zu Stande zu bringen, dann würde
ein derartiger Zustand von simulirter einseitiger Levatorlähmung
leicht bei dem Befehle gleichzeitig die Blickebene zu heben festzustellen sein*
I
472 Die hysterische Ptoeis.
Denn bei der präformirten Mitbewegung zwischen dem Levator nnd den
Hebern des Bulbus würde sich nun entweder das anscheinend ptotische Lid
heben, oder es würden doch, wenn die Ptosis beibehalten werden soll, leb-
hafte Zuckungen an diesem Lide zu bemerken sein, indem die Palpebnl-
portion des Orbicularis alsdann in Widerstreit mit den Hebern des Bnlbns
gerathen würde. Beides ist aber bei Ptosis nach Lähmung nicht der FilL
Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass wenigstens bei dem von uns
geschilderten Falle von schlafifer hysterischer Ptosis doch ein lähmungs-
artiger Zustand des Levator vorhanden gewesen sein muss und nicht wie
Kunn und Schmidt-Rimpler meinen, lediglich eine Erschlaffung der
Oberlider wie im Schlafe.
Wenn nun Nonne und Beselin in ihrer Arbeit (1009) anfuhroi
„dass die nicht selten überaus grosse Schwierigkeit einer differentiellen
Diagnose zwischen Lähmung und Krampf der Augenmuskeln dort wegfalle,
wo eine Ciliarneuralgie und ein nachweisbarer Accommodationskrampf auf die
Natur der Ablenkung des Bulbus hinweisen, und dass es nur geringe Wahr-
scheinlichkeit für sich habe, wenn von den räumlich und dem Wesen nach so
nahe liegenden Gebieten des Oculomotorius das eine in dauerndem Zustande
der Parese, das andere im Spasmus sich befände, so ist mit Hitzig 1. c.
pag. 138 zu erwidern, dass es hier nicht darauf ankommt, ob auch wiri[lidi
die kortikalen Innervationsgebiete der exterioren Augenmuskeln, des Sphincter
pupillae und des Levator palpebrae räumlich so benachbart liegen, sondern
lediglich auf die klinischen Thatsachen, und diese beweisen eben, dass
in dem einen Innervationsbezirk des Oculomotorius, dem des Levator, sehr
wohl ein Minus motorischer Energie bestehen könne, während sich in anderen
Innervationsbezirken des gleichen Nerven ein Plus von motorischer Energie
bemerklich mache, und dass derartige Kombinationen von Reizzuständen und
Lähmungserscheinungen gerade ein Charakteristikum schwerer Fälle von
Hysterie seien.
§ 236. Die Diagnose der schlaflfen hysterischen Ptosis gründet sich
zunächst auf das Vorhandensein anderer hysterischer Symptome bei dem be-
treffenden Individuum, sowie auf die Beeinflussung derselben durch Suggestion.
Besteht Verdacht auf Simulation so wird man in Bezug auf das vorhin Ge-
sagte die einseitige oder doppelseitige Frontaliskontraktion genauer ante^
suchen müssen und auf die Stellung des Oberlides bei Hebung der Blickeb^ie
imd die Rosenbach 'sehen Zuckungen dabei, sowie auf das Verhaltender
Palpebralportion des Orbicularis Bedacht zu nehmen haben. Die Existenz
einer schlaffen hysterischen Ptosis ist bekanntlich von Charcot (1011) ge-
leugnet worden. Dieser Autor lenkte im Jahre 1891 die Aufmerksamkeit auf
das Vorkommen einer hysterischen Ptosis und legte dar, dass die scheinbare
Lähmung des Oberlides in Wirklichkeit eine Kontraktur sei, wie es durch
Tieferstehen der betreffenden Augenbraue und Verstrichensein der betreffenden
Stirnfalte sicher gestellt werde. Auch die Schüler Charcot's: Borel und
Gilles de la Tourette haben angenommen, dass die hysterische Ptods
Die hyöteriach© PtosiB. ^^^^^^r 473
tet5 durch einen Spasmii« des Orbicularis, niemals aber durch eine Lähmung
des Levators zu Stande komme. Charcot hatte als Unterschiedsmerk-
male dieser von ihm nur allein als hysterisch anerkannten Ptosis
pseodoparalytica von einer wirklichen paralytischen Ptosis, wie wir
sie z. li nach kompleten Oculomotoriusparalysen beohachten, folgendes
hervorgehoben: Bei einer paralytischen Ptosis stünde die Angenbraue
höher, bei der pseudoparalj tischen, der spastischen Ptosis
stünde sie tiefer. Bei der ersteren sei der freie Lidrand mehr oder minder
eine gerade Linie und der Musculus frontalis sei kontrahirt, bei der
letzteren sei der Lidrand gekrümmt und der Stimmuskel glatt. Hitzig
(1. c.) giebt auch als Zeichen einer scldaffen hysterischen Ptosis an, dass
der obere Rand des unteren Lides keine gerade, sondern eine leicht nach
unten konvexe Linie bilde, was gegen eine spastische Nachhilfe von Seiten
des Orhicularis spreche. Denn bei Kontraktion des letzterwähnten Muskels
werde das untere Lid etwas in die Höhe gezogen. Auch durch die Begleit-
erscheinungen Hesse sich leicht die simulirte von der wirklich vorhandenen
schlati'en hysterischen Ptosis dann unterscheiden, wenn, wie dies ja in der
Mehrzahl der bekannten Fälle konstatirt wurde , spastische Miosis und
Kontraktion oder Lähmungszustände der Bulbusmuskulatur namentlich ein-
seitig vorgefunden werde.
Vor allen Dingen muss aber in Betracht gezogen werden, dass eine
doppelseitige schlaffe Ptosis als Initialsymptom einer schweren cerebrospinalen
Krankheit auftreten kann. Daher darf nicht ausser Acht gelassen werden,
dass, zumal da wo die Suggestivtherapie uns im Stiche lässt und Simuhition
ausgeschlossen ist, der Verdacht auf ein organisches Grundleiden an Wahr-
scheinlichkeit gewinnen muss. Es wird dabei vor allen Dingen in Erinnerung
zu bringen sein, dass die multiple Sklerose sich häufig in das Gewand der
Hysterie zu hüllen pflegt.
So beobachtete Gasparini (1010) eine vollslfindige Ophthalmoplegia exterior bei
einem 24 jährigen Mädchen, welches in der Jugend an Migräne, seit 3 Monateii aber an be-
atfindigem Kopfweh gelitten hatte. Am liuken Auge trat zuerst Ptosis, dann Exophthalmus
und Diplopie auf, und der Bulbus konnte ausser ein wenig nach aussen sonst nach keiner
Richtung bewegt werden. Pupille und Accommodation waren normal Grün wurde auf
diesem Auge unf^icher erkannt, auf dem anderen dagegen war das Gesichtsfeld für Grün
grdASfir, als ftlr Roth. In einem Monat wnrde durch Elektricität und Jod mit Brom roll-
ständige Heilung erzielt. Das Verhalten der Farbeuempfindung und die relative Besserung
Hessen die Diagnose auf Hysterie stellen, trotzdem keine weiteren Symptomo dafür vorlagen^
Der Exophthalmus wurde durch die verringerte Spannunic aller Muskeln erklärt. In der-
artigen Fällen tbut man gut» mit der Diagnose Hysterie zurückzuhalten. Ob wirklich
Hysterie vorliegt, muss dann die weitere Beobachtung der Fälle lehren.
Auch Bissen (1024) beobachtete einen Fall, bei welchem die Erkrankung mit
starken Neuralgien einsetzte und nach und nach sich Defekte in den Leistungen der Äugenmuskoln
hin zugesellten; und zwar machte sich in dieser Beziehung zuerst der Rectns externus
geltend, dem sich allmählich die vom Oeulomotorius versorgten äusseren Augenmuskeln,
sowie der Muse, levator auschlossen. Die inneren Augenmuskeln, sowie der Augenhinter-
grand blieben intakt Das tJesichtsfeld zeigte konzentrische Einschränkung für Farben und
474 Die hysterische Ptosis.
leichte Ermüdbarkeit. Nach einiger Zeit verschwand die Konvergenz nnd Ptosis. Du
Ange stellte sich in starke Divergenzstellung. Durch Suggestion und Elektricität Heüiag.
Auch hier ist die Möglichkeit, wie schon der Autor selbst betont, einer
künftigen multiplen Sklerose nicht abzuweisen.
Femer ist noch zu berücksichtigen, dass hysterische Erscheinungen und
in specie eine hysterische Ptosis als Parallelverlauf neben einem organischen
Grundleiden sich entwickeln können; ferner dass ebenfalls nicht selten eine
Reihe hysterischer Erscheinungen in gewisser Abhängigkeit vom organischen
Grundleiden hervortritt und damit die Intensität der von der organischen
Läsion ursprünglich abhängigen Symptome noch steigern hilft.
So erzählt Pick (1020) von einer 35 jährigen Frau, welche während der BekonTal«v
cenz von einer Metritis einen apoplektiformen Anfall hekam. Es entstand Lfthmnng du
Rectos superior, infer. und der intemi (für die Gonvergenz), konjugirte Deviation nach liab
und heiderseits inkomplete Ptosis. Dahei doppelseitige Hemiparese mit nachfolgn-
der beiderseitiger Amaurose. Durch Suggestion Besserung derselben, und xvtr
beiderseits von Veo zu ^36. Demenz, Zungenzittem, Hyperästhesie des Geruchs- und Geschmacb-
sinnes. Normale Sensibilität, Abschwächung der Motilität am linken Arm und Bein. L&hniinif
des linken Facialis. Ophthalmoskopischer Befund beiderseits normal. Pupille später stair.
Sektion: Alte Thrombose der Arteria basilaris und der Cerebellaris infer. reclitB;
frisch entstandene Thrombose derselben Arterie links und der Profunda. Symmetrisekt
Erweichung des Cnneus und Praecuneus am Uebergang zwischen dem Gyrus fornicitiii
und uncinatus, der beiden unteren Occipito-Temporal Windungen und von einem Theil« des
Kleinhirns sowohl rechts als links. In den Occipitalwindungen war nur die Rinde mit da
angrenzenden weissen Substanz getroffen. Alte und frische Erweichungen am Thalimii
und am vorderen Theile des Corp. quadrigem. antic.
Gleichwie in diesem Falle nach der Annahme Picks die Bessemi^
in dem Sehen nach der Suggestion dem Umstände zu verdanken war, dass
die Funktionsstörung der Hysterie wegen bedeutender war, aJs sie nach der
anatomischen Läsion hätte sein sollen, so könnte auch ein analoger Zustand
die Ptosis verschlimmern oder auch erst hervorrufen.
Sehr bemerkenswerth bezüglich der Steigerung der durch Läsionen be-
dingten Lähmungserscheinungen durch Hinzutreten von Hysterie ist die folgende
Beobachtung von Pfalz (1025):
Einem Schlosser war bei unvorsichtigem Bflcken die Spitze einer Feile in der Nike
des inneren Lidwinkels durch das untere Lid hindurch in die rechte Augenhöhle gedraogo.
Am folgenden Tage war die Wunde bereits verklebt und es ergab sich bei der üotemc^
ung, dass das Auge in Mittelstellung und völlig unbeweglich stand; die Pupille vir
maximal weit und reaktionslos; das obere Lid hing schlaff herab, das Aoge vSllif
bedeckend. Nach 8 Tagen konnte die Verletzung als geheilt betrachtet werden Us nf
ihre Folgen, die Lähmung sfimmtlicher motorischer Nerven, welche sich auch biliiiea 14
Tagen durch elektrische Behandlung und Strjchnininjektionen in keiner Weise winderte.
Um die Frage zu entscheiden, in wie weit den Kranken die ünbeweglichkeit seines recktei
Auges bei künstlich offen gehaltener Lidspalte durch Doppelbilder geniren wflrde, rair
der freie Lidrand gegen den Stimwinkel durch Heftpflasterstreifen fixirt, deren LingeM
gewählt war, dass durch sie das Lid in halber Höhe gehalten wurde. Schon am nIdslB
Tage war die Pupille verengert und deutliche Reaktion voriianden, der Bulbus logii
zuckende, willkürliche Bewegungen, der Patient wurde durch Doppelbilder gar niebt gewt:
nach wenigen Tagen blieb das Lid von selbst in der gehobenen Stellung vi
stand nur wenig tiefer, als auf der gesunden Seite. Nach 8 Tagen nahm Patimi maft
Die hyaterische Ptosis. 475
:t wieder auf, die Bessenrng schritt täglich fort imil hei der Entlassung aus der Be-
obachtung war von der Verletzung nichts zurückgeblieben , hIs eine feine Narbe am
titerlide.
Pfalz glaubt in diesem Falle eine neue Stütze für die Anschauung
rb's zu linden, wonach es als wahrscheinlich anzusehen sei, dass die Heilung
ripherer Lähmungen mehr auf retlektorischem Wege diu*ch Reizung sensibler
erven durch den Strom, Massage, Bäder zu Stande kommen, als durch die
direkt die gelähmten Nerven erregenden Eigenschaften der Elektricität. Solange
im vorhegenden Falle die Lichtstrahlen durch die Ptosis vom Auge abge-
halten gewesen seienj hätte sich im Bilde der allgemeinen Lähmung nichts
geändert, sobald aber das Licht einen Tag lang das Auge getroffen habe
hätte sich sein Einfiuss stärker als Elektricität und Wille bewiesen und
vom Centrum aus die Lei tungs widerstände in den motorischen Nerven 8o rasch
überwunden, dass schon nach 24 Stunden auch der Einfluss des Willens auf
die Bulbomotoren nachweisbar gewesen wäre, ja die Lähmung von Sphincter
) pupillae und Levator palpebrae schon nach 48 Stunden zum grössten Theil
geheilt worden sei.
I Sei dem wie ihm wolle; der Suggestion ist jedenfalls eine be-
I deutende Heilwirkung in dieser Beobachtung zuzuschreiben. Jedoch dürfte
I in differentiabdiagnostischer Hinsicht bei diesem Falle folgendes zu er-
wähnen sein; Jedenfalls war ein retrobulbärer Bluterguss vorhanden, der
rein mechanisch eine Alteration oder funktionelle Beeinträchtigung, sei
es der Muskeln, sei es der Nerven im retrobulbären Bezirke bewirkt haben
' konnte. Zu dieser Motilitätsabschwächung trat wahrscheinlich eine hysterisch
bedingte Bewegungslosigkeit der willkürlich bewegten Augenmuskeln. Die
anfanglich vorhandene Reaktionslosigkeit der Pupille mochten wir als Folge
der Verletzung ansehen und nicht als eine reflektorisch bedingte oder gar
hysterische Pupillenstarre, da wir letzterer Annahme äusserst skeptisch gegen-
überstehen. Im übrigeii verweisen wir in Beziehung auf die Symptomatologie
I der traumatisch bedingten orbitalen Blutungen auf den Fall Reich und
Hirschberg pag. 416.
Wahrscheinlich um eine toxische Hysterie handelt es sich in dem von
Gerand und Remlinger (1051) publizirten Falk
Im Verlaufe eines fast fieberlosen Typhus abdominalis trat das Syndrome
. de Weber wahrscheinlich auf hysterischer Basis auf mit einer Ptosis, zu
der Strabismus extemus und Accommodationsparese traten. Die bei der
Hemiplegie bestehende Hemianästhesie verschwand nach einer typischen
hysterischen Krise. Darauf stellten sich Muskelzuckungen in den gelähmten
■ Gliedern ein, um ganz plötzlich wieder zu verschwinden. Nach l*neumonie
I und Pleuritis Exitus, Die Sektion bestätigte die Typhusdiagnose. Für den
Weber 'sehen Symptomenkomplex fehlte eine anatoraische Grundlage.
Die doppelseitige schlati'e Ptosis könnte, wie schon pag. 73 erwähnt,
bei der asthenisclien Bulbärparalyse (pag. 219), namentlich im Beginne
des Leidens, leicht zu Verwechselung mit schlaffer hysterischer Ptosis führen
(siehe Figur 97), zumal dabei auch Äugen muskelstörnngen eigenthümlicher an
476
Die hysterische Ptosis.
näM
i
die hysterischen erinnernder Art vürzukommen pflegen. Wir Yerw^wen ii^
dieser Hinsicht auf das in {5 90 pag. 221 Gesagte.
§ 237. AuffaüeiKl bleibt es, dass in der Litteratur fast nie xon ^vam
hysterischen Spasmus des Levator die Rede ist. Vielleicht ist diese Erscheiii]iii|
in der Thatsache begründet^ dass Hysterische häufig durch das gewöbnlidi«
Tageslicht schon geblendet werden und in Folge dessen mehr zum Schliesa-n
der Augen hinneigen. Ausserdem möchten aber auch die unangenelimeii
Sensationen, welche hei zu weitem Kluften der Lidspalte nach Levatork<
traktion durch zu schnelles Austrocknen der Conjunctiva hervorgebi
werden, mit dem Bediirfoissi
nach Lidschhiss resp. Vereni»-
rung der LiJspalt« der Ent-
wickehvng des Levatorkrampf«
einen zu kraftigen WiderstAöd
entgegensetzen, um denselb^Ä
aufkommen hissen zu können.
Goldscheider (1022) b«-
obachWt« bei einer HystemckM,
da^ia weun dieaelbe nach reditsBoltt
blickte, d^r linke Bulbus knuspfbAft
nach unten iouen gezogen wtu^
während das linke Augenlid sicli er
hob fvergL pag. 56 § M), Gold-
B c h e i d e r nimmt eüien Kramff
im oberen Auge&lide und in Rcetn
mför, ao. Der erstere wüd« IÖj
gewöbülicli durch Willenskruß öbet-
wunden und käme ntir inm Tor
schem, wenn das linke Aog« tiA
in einer Lage befände , wo es bmII
mehr fixire.
$! 238. Die Ausbeute m
der Litteratur bezüglich iix
schlaft'en hysterischen Plosö
ist eine sehr geringe. Ob di«
folgenden Fälle zu dieser Fornij oder zur Ptosis pseudopiiralytica gehören,
bleibt dahinge^stellt.
Im Jahre 1871 heilte Hodgea (1012) einen hysterischen Verschluss eines Aag«
darch die einmalige Anwendung der ElektricitäL Ein 16 jähriges Mädchen konnte iii
6 Wochen das rechte Auge nicht öffnen. Ob Lähmung oder Krampf vorlag , ist nicfct «^
eich tl ich.
Im Jahre 187*? kam nach Silver (1013) in einem Londoner Hospital ein FmD t«
hysterischer linksseitiger Ptosis auf einfache Weise zur Heilung. Man sagt« der Pafciintn^
wenn das rechte Auge gescblossen würde, werde däs linke geöffnet werden k^^nnen« tt^
das rechte Lid herab, und sofort wurde das hnke gehoben. Das rechte Auge
bunden gehalten, und in kurzem war das Leiden dauernd geheilt.
Schäfer (1014) betonte 1884, dass bei Kindern büuüg hysterische Ocnlom<
lähmungen vorkämen, besonders des Levator palpebrae superioris.
Fig. 97,
"VV. K. Leichte Vimla. hei Hst he bischer Uulhilrimralytte.
VerBUcb, die Augen imcli links lurHwsirl^ zu drchco.
Die hysterische Ptosis. 477
Fereol (1015) beschreibt eine reine Ptosis bei Hysterischen, die sich namentlich
ach Ermüdung steigerte.
De ßono (1016) theilt mehrere Fälle von hysterischer Ptosis mit, in denen die
eilung theils durch Wachsuggestion, theils in Hypnose glückte. In zwei Fällen von sehr
artnäckiser Ptosis macht© Angeln cci die GaillardVeche Naht, deren Wirkung hier
pls besonders mächtige Suggestion aufzufassen wäre.
In dem Falle Farinutid^s (1017) fand sich Lähmung der associirten BeweguDgen
ich Imks und einseitige Ptosi».
hl einer anderen Beobachtung von Parinaud (1018) zeigte ein 4Bjährjger Mann
IB Yo It komme ne Ptosis der linken Seite (Parese des linken Levator und des
>rbicnlariSj Strabismus convergeos links und konjugirte Lähmung nach links. Links
estand hysterische Hemiplegie, Hemianästhesie, konz, Gesicljtsfeldeinschränkuug monoku-
Polyopie, ÄJikro- und Makropsie. Die Pupillen verhftltnisse waren normal.
Kaymond undKoenig (lOlB) berichtou von oin<*m neuropathisch helaateten Manne
ait fast doppelseitiger hyatedscber Ptosis; Senkung der Bulbi , Ophthalnioplegia exterior
bei intendirten Bewegungen. Die automatischen Bewegungen waren möglich. Es bestand
Mikropäie und Megalopsie. Beiderseits konzentrische Gesichtsfeldetnschrlnkung. Unver*
mögen zu konvergiren. Die Pupillen waren weit, aber von nonnaler Reaktion.
Ob die Beobachtung Waren Tay 's (102S) überhaupt in dieses Kapitel gebort, ist
zweifelhaft. Derselbe beobachtete einen Fall von frischer doppelseitiger Ptosis mit Verlust
der Konvergeni und Schwäche der Recti intemi. Eine greifbare iTsache der Störung war
nicht zu ermitteln. Die Bewegungen des Auges waren gut, die Beschwerden beruhten aus-
schliesslich auf der Diplopie. Die Wiederherstellung erfolgte bald nach dem Gebrauch von
Eisen und Nux vomica.
ß) Die Ptosis spastica (pseudoparalytica).
g 239, Wie schon eingangs erwähnt, gehört die liesehreibuug der
Ptosis pseudoparalytica eigentlich in das Kapitel der Krampflbrmen des
Muscul. orbicularis palpebramm. Ihre Darstellung ist jedoch aus dem Grunde
hier eingereiht, weil ihre Erscheinungsfonn eine Ptosis vortäuscht, und weil
dieselbe ebenfalls sehr häutig auf dem Boden der Hysterie zu entstehen pflegt.
Gleichwie fast allen vom Facialis versorgten Muskeln eine partielle
Kontraktionsfähigkeit einzelner Fasergruppen eigenthümlich ist, und daneben
wieder bald diese bald jene Partie eines und desselben Muskeln je nach der
Art vorhandener Affekte und reÜektorischer Reize in einen mehr oder weniger
intensiven Kontrakt] onszustand gerathen kann, so treffen wir auch beim
Orbicularis auf clonische und tonische Spasmen einzelner Fasergruppen dieses
Muskels. Ganz besonders bevorzugt in dieser Hinsicht ist nun die Palpebral-
portion des Augenschliessrauskels, und von dieser wieder die epitarsale Partie
der Oberhder (siehe Figur 98).
Nachdem im Jahre 1877 Parinaud (1021) eine Ptosis pseudoparalytique
beschrieben hatte, lenkte Charcot (1011), wie auf pag. 472 erwähnt, die
Aufmerksamkeit auf diese Form der hysterischen Ptosis und betonte ganz
besonders, dass diese scheinbare Lähmung des Oberlides in Wirklichkeit eine
Kontraktur eines Theiles des SchÜessriiuskels der Lider sei, was durch das
Tieferstehen der betreffenden Augenbraue und das Verstrichensein der ent-
478
Die hysterische Ptosis.
sprechenden Stirnfalten sichergestellt werde. In der That steht bei eina
Reihe von Fällen die Augenbraue des spastischen Auges tiefer und ist weniger
stark gekrümmt, als die schön geschwungene des anderen Auges. Fenia
soll nach Char cot die Lidspalte nicht ganz geschlossen sein und eine leidite
S-förmige Gestalt haben, der freie Rand des Unterlides stehe mehr in grad»
Richtung und erscheine gegen den des anderen Auges gehoben. Auf der
Haut der Lider seien den Lidrändern parallel verlaufende Fältchen wahrzu-
nehmen. Nach Gowers (1026) wird dieser Spasmus verstärkt, wenn man
den Patienten nach oben bUcken lässt, und es tritt beim passiven Heben des
Lides ein Widerstand im Gegensatze zu der Ptosis paralytica auf; auch sei
ein deutliches Zittern und Zucken des Oberlides dabei bemerkbar.
^ Charcot berichtet, als Beispiel, über dn
ISjäbriges schwer belastetes Mfidchen, du an
einer rechtsseitigen Hemiparese und linkssdtigai
Ptosis erkrankt war. Später traten recUs
Hemianalgesie, hysterische Punkte, doppelsehigt
Gesichtsfeldeinschränknng, monokulfire Diplopie
und Anästhesie der Cornea hinza.
Wir sind in der Lage, die Abbildung
eines, dieser Charcot sehen Beschreibung
genau entsprechenden Falles eigener Be-
obachtung hier anzufügen (siehe Fig. 991
£. L., ein ISjäbriges, gesund aossehendei.
nervös belastetes Mädchen litt, wie ihr Binder,
an Enuresis nocturna. Ende Januar 1896 fiel
ohne angebliche Ursache das linke obere Augen-
lid herab. Doppeltsehen bestand zu jener Zeh
nicht, dagegen etwas Blendungsgefühl nod eine
geringe Scbmerzhaftigkeit des linken NasenbeiB&
Die linke Pupille war etwas weiter als die reckte:
die Reaktion derselben war beiderseits normal
Auf dem rechten oberen Augenlide waren feine,
mit dem Lidrande parallel verlaufende Filtdien
sichtbar. Durch Druck auf den Snpraorbitalis
konnte die Ptosis nicht beseitigt werden, wohl aber durch Anwendung der iDflneu-
elektricität. Nachdem einige Funken auf das linke obere Lid fibergeleitet worden wiiea,
hob sich dasselbe, nachdem es während Wochen durch den Spasmus tiefer gestanden hatie.
Am 16. August trat nun plötzlich unter Zucken dieselbe Affektion auf dem rechten
Auge auf. Hierbei war eine Deviation des rechten Auges nach aussen zu bemerken, ferner
eine vertikale Kalte in der Glabella, die dem kindlichen Aussehen des Mädchens etwas «efcr
Ernstes im Ausdruck verlieh. In letzterer Zeit hatte sie Schmerzen im rechten Auge, b
mehreren Sitzungen wurde diesmal die Ptosis, die denselben Chai-akter wie das erstemal
hatte, mit Hilfe der statischen Elektricität beseitigt. Von sonstigen hysterischen Stigmtti
hatte die Patientin konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung, linksseitige Heraianfisthesie
und Fehlen des Racbenreflexes.
Dieser Tiefstand der Augenbraue auf der Seite des spastischen Lid-
krampfes ist jedoch nicht als konstantes Symptom zu betrachten, sondern er
steht in direkter Abhängigkeit zur relativen Länge der Haut des Oberhdcs,
die ihrerseits wieder individuell verschieden veranlagt ist (vergL pag. 17 § 13).
Fig. 98 nach Gad.
Linkes Auge : Vorderansicht, a 6 c d c = epi-
tarsale Partie der Palpcbralportion des M.
orbicularis. /^ = peritarsale Partie.
Die hvBteiiscIie Ptosie.
4T9
le in Folge des Lidmuskel-
rampfs entstandenen und dem
[jidrande parallel gestellten
uitfaUeii verkiirzen nämlich
siehst die ganze disponibele
lauttläche des Oberlides und
üben dadurch einen Zug in der
Richtung nach unten auf die
Gegend der Augenbraue aus,
der um so intensiver hervor-
treten wird, je weniger aus-
giebig von Hause aus die Haut
der Deckfalte (Fig. 1 Seite 1)
angelegt ist Dieser Zug auf
die Haut der Augenbraue wird
nun auf die Gegend der höchsten
Wölbung der Augenbraue am
stärksten wnrken, weil dieselbe
meist über der vertikalen Mittel-
linie des Oberlides gelegen ist,
hier aber der Bogen der kon-
kav nach unten verlautenden
Muskel biindel durch die Kon-
traktion flacher wird, und da-
mit die Wirkung des Zuges am
intensivsten sich äussern nniss.
Diesem mechanischen >Iomente
ist sowohl der Tiefstand der
Augenbraue, als ihr gestreckter
Verlauf über dem Auge der
spastischen Ptosis zu ver-
danken. Letzterer Umstand
wird noch dadurch verstärkt,
dass bei einzelnen auch der M.
corrugator supercilii einer leich-
ten Kontraktur vertallt. Dass
dieser Tiefstand der Augenbraue
lediglich von der Länge der
Lidhaut abbiingt, alno kein
i u t e g r i re n d e 8 Sy m [> t o m
der spastischen Ptosis zu
sein braucht, sehen wir
sehr deutlich an Fjg:ur lOU mit
einer »ehr langen, ausgiebigen
E. L.
Fig. 99.
13 Juhte lüt. H^chtH : Ptosis spaät'ica.
Fig. 100.
A, C, Linkn FtOflis spastic««
480
Die hysterische Ptosis»
Lidhaut, wie aus der Lage der Dock falte des rochten Auges e7>idiüicb
fist. Hier ist diö Stellung der Augenhraue die gleiche, wie auf dm
I rechten Äuge ; wir sehen das linke Oberlid die Hälfte der Pupille bedecken
und die Haut der Deckfalte in eine Reihe parallel respekt* konzentrisch Ter-
laufender Wiilste verwandelt niid lang genug, um einerseits diese Fältelungen
211 gestatten, anderseits die Angenbraue in ihrer normalen Stellung tu bit^
lassen. Dadurch tritt jedoch die Einziehung der Haut dieses Lides rate
dem Orbitalrand deutlicher hervor.
Während die Deckfalte des recliten Auges bei diesem li^-sten&cbfü
Mädchen selir gruss war^ sehen wir auf dem linken Auge der gleichalterig«i
hysterischen Patientin Figur 99 die Deckfalte sehr viel kürzer, d. b< den Ab-
stand des Sulcus orbitopalpebralis sopetior
vom Lidrande um ein beträchtliches gr5$9er.
Auch unterscheidet sich der Fall Figur lOÖ
von dem Letzterwähnten, als Typus der
V h a r c o t ' sehen Beschreibung hinge^ellt^i.
dadurch, dass das Unterlid auf Seiten der
Ptosis pseudoparalytica völlig frei von Spas-
mus geblieben war, während an Figtir 1*9
änB Unterlid des rechten Auges etwas höher
steht, und der Lidrand desselben mehr ia
gerader Richtung verläuft.
Aus alledem geht hervor, dass bei im
Falle Figur 100 lediglich die epitarsale
Partie des Orbicularis am Oberlide in
tonischem Krampfzus lande verharrte.
Nimmt, wie in dem folgenden Fülle
Figur 101, mehr oder minder intensiv auch
die Orbitalportion des Orbicularis an demSpfts-
mus theil, dann wird die in diesem Falle gam
besonders stark gewölbte Augenbraue (siehe
das linke Auge Figur 101) in ihrer Gesammtheit mehr herunter gezogen, der An-
fangs theil der Augenbraue mehr der Nasenwurzel genähert, und der Bogen wm
ein geringes abgetlacht, weil in diesem Falle der die Augenbraue zugleich mehr
streckende Corrugator nicht mit innervirt war. Die Kontraktion auch der
orbitalen Partie des Orbicularis an diesem Auge verhinderte die Ansgleichuiig
der Deckfalte und bewirkt, durch die stärkere Herbeiziehung der Haut tob
der Stime her, die Erhaltung sowie den Tiefstand dieser Hautduplikatar
(vergleiche die Lage des Sulcus orbitopalpebralis des rechten mit der de»
linken Auges auf Figur 101). Das Unterlid des rechten Auges sieht man bei
diesem Falle deutlich in die Hiihe gezogen, den Lidrand mehr gerade, d«
hier sehr deutlichen Sulcus orbitopalpehraÜs inferior in flacherem Bogen 9k
auf dem linken Auge verlaufen und am äusseren wie inneren Lidwxnlcel die
Haut in zahlreiche kleine Fältchon gelegt.
B. C.
Fig. lOL
TraiiruntiHcht^ Hysterie.
B 1 ep ha rospiiam üs.
Hechtfi
>
Die hysterisch© Ptosis.
481
Es handelt sich hier um einen 40jilhrigen S&einann . der einen schweren Unfall
(Schadelbrtsisfraktur) vor einiger Zeit erlitten hatte. Seit jener Zeit waren hysterische Er-
scheinungen aaf|^etreten t das Geh^r der rechten Seite war ^egen Unka herabgesetzt, das
Gesichtsfeld konzentrisch verengt» die grobe Kraft der rechten Seite gegen links herabge-
setzt. Links bestand eine Facialispareäe. Die Pupillen und die Accommodation waren
normaL Bei genauer Besichtigung konnte man ein anlialtendes Fibriren im rechten Ober*
lide konstatiren.
Dieser Füll bildet den üebergang der spastischen Ptosis zum eigent-
lichen Blopharospasmus der Hysterischen, Dass voll entwickelter BlepharcH
gpasmus in den Zustand der Ptosis f>seadopara!jtica phitzlich überspringen
kann zeigt uns eine Beobachtung Zehen d p r's (1035) von hettigem Blepharo»
Spasmus bei einem Madchen, das
«lurch Jotlpinselung in der Gegend
des obersten Halswirbel geheilt schien.
Plötzlich verschwanden dieZuckungenj
und es trat ein Znstand ein, wie bei
paralytis(*her Ptosis, indem beider-
seits die oberen Lider lierabhiugeu.
Es bestand jedoch nicht Lähmung,
sondern tonischer Orbicuhiriskrampf.
Durch Kaltwasserkur trat Besserung
ein, —
Die Ptosis pseiidopara-
lytica tiitt im Gegensatze zur
schlaflen hysterischen Ptosis fast
immer nur einseitig auf. Bei doppel-
seitigem Vorkommen, w^ie itn Fall
Figur 102 ist dann fast imuier ein
Auge stärker affizirt als das andere.
Das nervöse, hereditär neuro-
pathisch belastete 11jährige Mädchen
T, hatte eine ganz leichte Conjunc-
tivitis, Im Anschluss an dieselbe
entstand eine hartnäckige spastische
Ptosis, rechterseits viel stärker als auf dem Unken Äuge. Auch hier sehen wir
Gleichstand beider Augenbrauen, nur der Bogen derselben auf dem rechten
Auge etw^as flacher als links.
Mit Vorliebe tritt die spastische Ptosis bei jugendlichen Individuen auf,
und wenn auch viele der damit behafteten Patienten nicht gerade hysterisch
genannt werden dürfen, so sind doch die meisten unter die Klasse nervöser,
hereditär neuropathisch Belasteter zu rechnen, bei welchen man im Verlaufe
des Lebens den Ausbnich der Hysterie erwarten darf.
Da Nervöse und Hysterische sehr leicht durch Licht gehlendet werden,
und selbst das gewöhnliche Tageslicht schon für viele einen unangenehmen
Reiz abgiebt, so ist es klar, dass durch die Lichtblendung ganz besonders
Fig. 102,
A. T* 11 jÄhrigea Mäüohen. Doppelseitige spastische
Ptosis), rechts stjirker üh Imki.
482 Die hysterische Ptosis.
häufig eine spastische Ptosis erzeugt werden wird. So war dies im FaDe 2
der von Nonne und Beselin beobachteten Fälle der Grund zum Anftretea
der Ptosis.
Bardol (1031) beobachtete folgoDden Fall, welcher io dieser Hinsicht von besonderen
Interesse ist. Bei einem neuropathisch nicht belasteten, aber selbst von früher Kindheit
auf nervösen 10 jährigen Mädchen konstatirte er, im Anschluss an eine heftige Angst, im
das Kind während eines Gewitters ausgestanden hatte, linjcsseitige Eontraktar der Gesickts*
muskeln, und zwar täuschte die Kontraktur des M. orbicularis palpebramm eine Ptosis tot;
plaqueweise Anästhesien am Körper , Photophobie und Cephalaea, sowie doppelseitige 6^
Sichtsfeldeinengung. Nach einem Monat trat, nachdem inzwischen Heilung eingetreten wv,
ein Recidiv auf.
Man kann sich leicht vorstellen, dass das Kind, um die Blitze während
des Gewitters nicht zu sehen, die Augen zugekniffen gehalten hatte, wonach
schliesslich, unterstützt durch die währenddessen ausgestandene psychisdie
Erregung, der Spasmus der Lider bestehen blieb. Wie bei diesem, so konnten
auch wir bei unseren Fällen die Beobachtung machen, dass die Ptosis pseudo-
paralytica sehr zu Recidiven neigt, auch wenn in der Zwischenzeit eine
vollständige Heilung erzielt worden war.
Da der gewöhnliche Lidschlag reflektorisch gewöhnlich durch auf die
sensiblen Trigeminusäste wirkende Reize ausgelöst wird und bei demselben
nur die Palpebralportion des Orbicularis in Thätigkeit tritt, so ist es nicht
zu verwundern, wenn bei nervös veranlagten Individuen stärkere und zumal
plötzlich einwirkende Trigeminusreize einen Spasmus der Palpebralportion zur
Folge haben.
Nonne und Beselin (1009) berichten von einem 24jährigen Patienten,
bei dem sich unter heftigen Schmerzen im linken Auge Doppeltsehen nnd
spastische Ptosis entwickelt hatte. Unter Rückfällen trat die Heilung ein.
Auch spielen bei der Entwickelung der pseudoparalytischen Ptosis
Traumen eine grosse Rolle. So erinnern wir uns eines 12jährigen Knaben
der beim Schneeschaufeln von seinem Bruder mit dem Stiefelabsatz an den
Supraorbitalrand getreten worden war und dadurch eine typische spastische
Ptosis acquirirt hatte.
Die spastische Ptosis kann ebenso, wie die schlaffe hysterische Ptoas
von hysterischer Amblyopie und Amaurose sowie von hysterischen Stö-
rungen der Bulbusmuskulatur begleitet werden, wie z. B. in der Abbildnng
Figur 99. Hier wich der rechte Augapfel nach aussen ab.
Pansier (1029) führt an, dass bei hysterischer Ophthalmoplegie mit
dem Fehlen der Willkürbewegungen gewöhnlich Ptosis pseudoparalytica ver-
bunden sei. Meist sind neben der Ptosis noch andere hysterische Stigmata
vorhanden.
Souques (1032) berichtet von einem 18jährigen Mädchen mit rechtsseitiger Hemi-
plegie und linksseitiger Ptosis. Letztere wurde als Spasmus gedeutet, da die AogenbrvM
links tiefer stand und vertikal verlaufende Fältchen am medialen Ende desselben xa be-
obachten waren.
Die Ptosis bei der recidlvtrenden OcalomotoritiBläfatnung. 483
Zuweilen gehen die Spasmen, wie bei dem vorhin erwähnten Falle von
fonne und Beselin, namentlich bei Erregimg und Ermüdung auf die
jrige Miiskuhitur des Gesichts, des Nackens u. s. w. üben
Wie die schlafle hysterische Ptosis, so ist auch die spastische Form
leicht durch Suggestion zu beseitigen. Interessant ist, dass es Borel (1030)
geglückt war, bei geeigneten Individuen durch Suggestion eine spastische
Ptosis zu erzeugen.
Strambridge (1033) erzielte in einem Falle von hysterischem Lid-
krampf die Heilung in ähnlicher Weise wie Mathewson (1034) durch ge-
waltsame Hebung des Lides mittelst Heftpflasters.
Bezüglich der Simulation der spastischen Ptosis ist zu erwähnen,
dass totaler Blepharospasmus d. h. die Kontraktur aller Fasern des Orbicularis
sehr leicht zu simuliren ist und darum auch sehr baufig simullrt wird; dass
l aber eine einseitige spastische Kontraktur lediglich der epitarsalen Partie
I der Palpebralportion nachgeahmt werden sollte, möchte sehr selten, und
> ausserdem auch von dem Simulanten schwer für die Dauer aufrecht zu er-
I halten sein.
b) Die Ptosis hei der recidivirenflen Oeutomatoriuslähmung.
§ 240. Es möchte befremdlich erscheinen, dass diese Krankheitsform
von uns der Gruppe der funktionell-nervüsen Störungen des Oculomotorius
eingereiht worden ist. Da aber eine Anzahl namhafter Autoren dieselbe für
eine besondere Form der Migräne hält: Cbarcot (1052): Migraine ophthal-
moplegique, Remak (1053), Vi ssering (1054), Massa longo (1055), und
Senator (1056), der eine periodische Form der Oculomotoriuslähmung als
hysterische oder als lieft exlähmung auf hysterischer Grundlage entstanden
aufgefasst wissen will, so erscheint es so lange aus praktischen Gründen
gerechtfertigt, diese rätbselhafte Krankheit bei den rein funktionell-nervösen
Zuständen des Oculomotorius zu beschreiben, bis mehr Licht in das
Wesen dieser F>scheinung gedrungen ist. Ausserdem werden aber auch
ganz verschiedene Krankheitszustände, bei welchen die Sektionsbefunde zu-
weilen keinerlei organische Veränderungen nachw^eisen lassen, von manchen
Autoren hierher gerecbnet, bloss weil sie klinisch den typischen Formen der
recidivirenden Oculomotoriuslähmung ähneln und anderswo nicht unter-
gebracht werden können. Wiewohl die Ptosis bei dieser Affektion
eine mehr untergeorduete Eolle spielt, während die umstände, unter
welchen sie klinisch hervortritt, allerdings von grossem Interesse sind,
so musste, analog der Bearbeitung früherer Kapitel, auch hier die Schilderung
des Krankbeitszustandes zunächst in erschöpiender Breite erfolgen, einer-
seits wegen unserer Unkenntniss von dem inneren Wesen der hier in Betracht
kommenden klinischen Bilder, anderseits weil gerade der Ptosis unter den
zahlreichen, aber böchstwahrscheinlich der recidivirenden Oculomotorius-
IbrADd-Sftenger, Neurologie ^«a Angca. L Bd., U. Abthcüunj;, 32
484 Die Ptosis bei der TecidiTirenden Ocnlomotoriuslfthniang.
lähmung nicht einzureihenden Krankheitszuständen von periodischer Lihmimg
des lU., sowie anderer Augenmuskehieryen eine nicht unwichtige Bedeutan^
zugesprochen werden muss.
§ 241. Möbius (1061) versteht unter recidivirender OculomotoriM-
lähmung diejenigen Fälle , in denen vom jugendlichen Lebensalter oder toh
Kindheit an auf den Oculomotorius beschränkte, mit Kopfschmerz und Er-
brechen einsetzende Lähmungen in mehr oder weniger gleich grossen Ab-
ständen wiederkehren.
Die reeidivirende Oculomotoriuslähmung befällt fast immer ein und
dasselbe Auge ; die Fälle von periodisch aufgetretenen alternirenden
Lähmungen, wie solche von Pflüger (1057), Ziehen (1058) und Dar-
quier (1059) beschrieben worden sind, gehören mit Ausnahme des letzteren
nicht hierher.
Bei den typischen Fällen zerfallt die Krankheit in drei Perioden: in die
des Schmerzes, in die der Lähmung und in die des Intervalls
zwischen je zwei Anfällen. Wir wollen zunächst die Krankengeschidite
eines typischen Falles hier anführen, um nachher nach eben erwähnter Ein-
theilung die krankhaften Erscheinungen zu besprechen und auf das Verhalten
der Ptosis bei denselben näher einzugehen.
Parinaad (1060) berichtete über eine 26 jahrige Frau, welche seit ihrem 6. oder 7.
Lebensjahre an neuralgischen Anfällen mit vorübergehender Muskellähmang gelitten hatte. Dieie
Anfälle kehrten jedes Jahr im Frühling wieder, und waren folgendernaasaen charakteriart:
Beim Erwachen Schmerz über der linken Augenbraue, der durch einige Stunden imukB,
und gegen Mittag verschwand. Dies wiederholte sich Tag für Tag durch 1 bis 2 Monit«;
bisweilen gesellte sich Uebelkeit und Erbrechen hinzu. Sobald die Schmerzen naehlievea
trat Ptosis uad Diplopie ein, welche gleichfalls 1 bis 2 Monate dauerte. Zwischen deo
einzelnen Erankheitsperioden lagen 7 bis 9 Monate, während welcher Zeit die PatieotiB
sich vollkommen wohl fühlte. Seit 11 Jahren hatten die Anfälle an Intensität verloren.
Später trat keine Ptosis, sondern nur Diplopie auf. Die Untersuchong der Angei
während eines Anfalles ergab eine Lähmung des linken Oculomotorius massigen Grades,
welche aber sowohl die exteriore, als auch die interiore Muskulatur betraf. Das Gesicktafeld
und der Augenhintergrund blieben normal.
Senator (1056) erzählt folgenden Fall: Eine 22 jährige Frau litt nach ihrer Angabe
seit ihrem 8. Lebensjahre an periodisch auftretenden Anfällen von rechtsseitigem, heftigem
Kopfschmerz, Frost, Müdigkeit und Erbrechen. Dieselben dauerten in der Regel 3—4 Tage
und wiederholten sich alle 4 Wochen. Die Ursache war unbekannt. Im 12. und 16. Lebeae-
jahre trat während der Dauer zweier derartiger Anfälle auch Doppeltsehen und Ptosis
des rechten Auges hinzu. Dieselbe Komplikation zeigte sich zum dritten Mal im 22. Jahre
und kam diesmal zur genaueren Beobachtung. Am 4. November 1886 worde neben rechts-
seitige m Kopfschmerz eine komplete Lähmung s am mtli eher Zweige des rechtend,
oculomotorius, einschliesslich der Iris- und Ciliarzweige, konstatirt Die Reaktion auf Licht
und Accommodation rechterseits war erloschen. Der Augenhintergrund zeigte nichts Abnormes-
Sonstige Störungen an den Augen oder von Seiten des Nervensystems fehlten vollstäodii:.
Nach 6tägigem Bestände war die Lähmung wieder völlig verschwunden nnd der Aogea-
befand ein gänzlich normaler. Die Patientin fühlte sich, wie auch nach den früheren An-
fällen, wieder vollkommen gesund.
Während einer weiteren längeren Beobachtung derselben wiederholten sich diese
Migräneanfälle in unregelmässigen Zwischenräumen mit 3, 6, 9 wöchentlichen Pausen; eise
Betheiligung des Nervus oculomotorius fand nicht wieder statt. — Die Angabe der PatientiB.
Die Periode des Schmerzes.
§ 242. Der Schmerz beginnt meist in den Schläfen und verbreitet
sieb von da auf Hinterbaupt und Stiin der betreffenden Seite und ist von
Nausea und allgemeinem Unbehagen begleitet. Nach Mob ins (1061)^ dem wir
die erste zusammenfassende Arbeit über die recidivirende Oculomotoriusläbmnng
verdanken, mll der Schmerz kein neuralgischer sein, da er weder in distinkten
Anfällen, noch längs eines Nerven auftrete. Es sei derselbe gleichraässige,
dumpfe (juälende Kopfschmerz, der die Migräne darstelle, tind an dem die
Tumorkranken litten. Der Kopfschmerz sei von Erbrechen begleitet, wie
der Schmerz bei Migräne und Hirntumor, während die heftigste Neuralgie
nicht zum Erbrechen zu führen pflege. Besonders charakteristisch sei^ dass
Schmerz und Erbrechen der Lähmung vorausgingen, und nacbliessen beziehungs-
weise aufiiörten, sobald die Lähmung voll entwickelt sei. Dies Alles scheLne
gänzlich unvereinbar zu sein mit einem peripherischen Sitze der
Lähmuagsursacbe. Eine Läsion, die den Oculomotoriusstamm treffe, müsse,
um scbmerzbaft zu sein, entweder gleichzeitig den L eventuell II. Trigeminus-
ast irritiren, oder mit einer örtlichen Reizung der Dura mater verbunden
sein. Dem gegenüber muss jedoch schon gleich hier hervorgehoben werden,
dass bei folgendenj unzweifelhaft hierher gehörigen Fällen, Störungen von
Seiten des L oder IL Trigeminusastes in der That gefunden
worden sind:
So bestand in der Beobachtung von Darkschewitsch (1062) taktile
und thermische Hypästhesie im L Trigeminusast;
Fürst (1063) fand parästhetische Stellen auf der linken Stimhälfte;
Mingazzini (1064) beobachtete in seinem zweiten Falle Parästhesie der
rechten Nasenhöhle und Analgesie.
Bei der Beobachtung Cantalamessa's (1065) war der Druck auf die
Äeste des Trigeminus schmerzhaft
Bei allen diesen Fällen traten die Störungen im Nervus Trigeminus auf
Seiten der Oculomotoriusläbmung auf.
Wenn diese Fälle mehr auf eine periphere Ursache des Schmerzes
hinweisen, so ist bei einer ganzen Reihe anderer Beobachtungen
dieser Schmerz als ein echter Migränescbmerz zu deuten, ein-
fach aus dem Grunde, weil jahrelang bestehende typische Migräneanfälle
schliesslich zu einer recidivirenden Oculomotoriusläbmung geführt hatten,
resp. bei einer anderen Gruppe von Beobachtungen Anfalle von Oculomotorius-
lähmung mit einfachen Migräneanfällen ohne begleitende Oculomotoriuslähmung
abgewechselt hatten.
82*
486 Die Ptosis bei der recidivirenden Ooalomotoriuslähmiiiig.
So berichtet Gharcot (1052\ dass seine Patientin vom 15. bis ?3. Leben^akn
wöchentlich zweimal an gewöhnlicher Migräne gelitten habe, and dass erst im 30. Jikn
ein Anfall gefolgt von einer Ocalomotorinsläbmong aufgetreten sei.
In der Beobachtung von Manz (1067) bestand seit frühester Kindheit Migrine. Im
14. Lebensjahre trat erst die Oculomotoriuslähmung nach einem solchen Anfalle auf.
Darquier (1059) berichtet von einer 65 jährigen Patientin, sie habe stets an Migrine-
anfallen gelitten. Seit 2 Jahren seien aber erst die Oculomotoriuslähmangen hinzugetreten
Borthen's (1068) 46 jähriger Patient litt 7—8 Jahre vor dem Auftreten der reci-
divirenden Oculomotoriuslähmung an Migräneanfällen.
Der Patient Strzeminsky's (1072) hatte seit früher Kindheit an Migräne gelitten;
im 38. Jahre erst war die Oculomotoriuslähmung dazu getreten.
Chabjbert (1069) erzählt von einem 58jährigen Manne, welcher seit seiner JiOndlieit
an Migräneanfällen gelitten , und bei welchem erst im 53. Jahre die Ocnlomotoriuslähmirag
sich an die Migräneanfälle angeschlossen habe.
Der 27 jährige Mann aus der Klientel SnelTs (1070) hatte seit 17 Jahren Migrii»-
anfälle. Erst seit 7 Jahren gesellte sich Oculomotoriuslähmung dazu.
Joachim (1071) erzählt von einer 27 jährigen Patientin, deren Mutter und GrosB-
mutter an Migräne gelitten hatten, und welche selbst seit ihrem 11. Lebensjahre mit Migrine
behaftet war, dass in ihrem 25. Lebensjahre zum ersten Male einem solchen Anfali« eine
Oculomotoriuslähmung gefolgt sei.
Bei den folgenden Beobachtungen wechselten die einfachen Migräne-
anfalle mit den Anfällen von recidivirender Oculomotorinslähmung ab.
So erzählt Senator (1056), eine 22jährige Frau habe seit dem 8. Jahre an Migrin«-
anfällen gelitten; im 12. Jahre habe sich zum ersten Male eine Oculomotorinslähmong in
dieselben angeschlossen, welche Anfälle sich wiederholt hätten. Später seien dann zwisdien
den Anfällen mit Oculomotoriuslähmung auch wieder einfache Migräneanfälle aufgetreten.
Strzeminsky (1072) berichtet von seinem Patienten, dass derselbe seit Kindheit
an Migräne gelitten habe. In seinem 37. Jahre sei einem solchen Anfalle znm ersten Male
Oculomotoriuslähmung gefolgt. In den Zwischenräumen zwischen den Anfällen von reci-
divirender Oculomotoriuslähmung seien dann auch wieder Anfälle einfacher Migräne wie
früher aufgetreten.
Snell (1070, Fall 11) erzählt von einem 18jährigen Mädchen, welches von zwei
Anfällen von recidivirender Oculomotoriuslähmung mit einer zweijährigen Pause heimge-
sucht worden sei. Zwischendurch waren aber Anfälle von Migräne ohne Aagenmuskel-
Störung aufgetreten.
Auch bei der Beobachtung Suckling's (1074) und Darkschewitsch's (1062) wir
nicht bei allen Anfällen der Oculomotorius mitbet heiligt
Zuweilen erscheinen dagegen wirkliche Migräneanfalle, »welche die Kranken
sehr wohl von den Schmerzen der Lähmungsattacke unterscheiden können,
wie in der Beobachtung Ballet's (1078) und Mingazzini's (1064, Fall II).
§ 243. Nach M ö bi u s (1. c.) Hesse sich der Schmerz bei der recidivirenden
Oculomotoriuslähmung leicht aus der Annahme einer Erkrankung der Kern-
region erklären. Nach aussen und oben von den Kemgruppen des Oculo-
motorius liege der Ursprung der absteigenden Trigeminuswurzel, deren Fasern
die Empfindlichkeit des Auges sowohl als auch der Dura mater vermittele.
Denke man sich nun, dass der als Lähmung sich darstellenden Erkrankunf
eine Schwellung der kranken Theile vorausgehe, etwa ein Oedem der Kem-
region des Nervus oculomotorius, so erstrecke sich zunächst die Reizung auf
die absteigende Trigeminuswurzel und rufe den Kopfschmerz bezw. das
Di© Ptoata bei der recidivireiKlen OcnlomotoriuBlftlimnng»
>flektorische Erbrechen hervor. Sobald aber das akute Stadium vorüber sej,
"werde die Schwellung nachlassen, damit würden die sensiblen Reizerschei-
nungen schwinden und nur die Ausfallssymptome, d. h. die Lähmung zurück-
bleiben.
Die Schmerzen bleiben fast immer auf derjenigen Hälfte
des Kopfes iukalisirt, auf welcher der Oculomotori us gelähmt
erschein! Gehen die Schmerzen auch auf die andere Kopfhälfte über, so
zeigen sie jedoch die stärkste Intensität immer an der Seite der Lähmung,
Die Dauer der Schmerzperiode ist nach Mingazzini's Zu-
sammenstellung (1064) sehr verschieden, sowohl im Verlaufe der Krankheit
bei dem gleichen Individuum, als auch im Vergleich der einzelnen Fälle mit
einander. Sie schwankt zwischen einem oder zwei Tagen [Senator (1056),
Suckling (1074), Darkschewitsch (1062)], zwei Wochen Möbius (1061)
und schliesslich 2 Monaten Parinaud (1060),
Im letzterwähnten Fallci war der ßchmerz beim Erwachen da und steigerte sich
einige Stunden, nahm dann ab und verschwand gegen Mittag, Diese Anfälle wiederholten
sich während 1—2 Monaten täglich und verbanden sich bisweilen mit gastmchen Stdmngen
and Erbrechen. Wenn die Schmerzen abnahmen» folgte Ptosis und Diplopie, Dies
wiederhülte sich ebenfalls 1—2 Monate, Die übi-igen 7—8 Monate bestand völliges Wohl-
befinden.
Bei den Beobachtungen von G üb 1er (1075) und Weiss (1076)
fehlte der Kopfschmerz. Ob aber diese Fälle überhaui>t hierher zu
zählen sind, bleibt sehr zweifelhaft. Dagegen berichtet auch Schmidt-
Rinipler (1121) von seinem zweiten Falle von recidivirender Oculomotorius-
liilimung über Fehlen des Kopfschmerzes.
Wie schon vorhin erwähnt, setzt in der grossen Mehrzahl aller Fälle
die Lähmung erst mit dem Kachlassen oder Autlioren des Schmerzes ein.
Nur im Falle SnelFs (1073) war das erste Zeichen ein Herabsinken des
linken Augenlids; tags darauf erst folgten die charakteristischen Erscheinungen
der Migräne, und zwar ein Schmerz vorzugsweise begrenzt auf die linke Seite
über der Augenbraue.
Bei dem von Möbius (L c) beobachteten Fall trat anscheinend der
Schmerz erst beim zweiten Anfalle auf.
Eine Beobachtung, welche bezüglich des Schmerzes ebenfalls atopisch
auftrat, indem die Lähmung anfangs vor dem Schmerzanfalle einsetzte, erzählen
Hinde und Moyer (1081).
Kin ITjähnges Mädeben aas gesander Familie erwachte eines Morgens nncli guter
Nachtruhe, ohne dass sie das linke Auge uffnen konnte; riss sie dasselbe auf^ datm sah sie
dns linke Auge nach aussen gerichtet ateben. Nach S— 4 Tagen war alles wieder normal
i3nd blieb ungefübr 2 Mouate so. Dann Ittt sie 2 Tage an beftigem, linksseitigem Kopf-
Bchmerz, Schwindel und Erbrecbeu. Alles, was sie £U sich nahm, gab sie wieder durch
Erbrechen von sich. Am dritten Morgen bemerkte sie wieder die Lähmungserscheinungen,
bei dt^ren Auftreten Schmerz, Schwindel und Erbrechen aehwanden. Diesmal war aucb der
linke Arm pnretiacb und die Artikulation erschwert. In ungefähr einer Woche war sie
wieder v(^llig hergestellt und blieb 3 Monate gesund. Dann hatte sie den dritten Au fall,
b«i welchem Arm und Artikulation weniger betroffen waren. Bei dem nach 4 Monaten
488 Die Ptosis bei der recidivirenden Ocalomotorioslftlimung.
eingetretenen 4. Anfalle bestand neben Kopfschmerzen, Erbrechen noch linksseitiges Okro-
sansen und Taubheit. Dann traten die Anfälle jährlich 1 — 2 mal auf. Die Intervalle wtrai
rein und frei. Die Anfälle hatten keine Beziehung zur Menstruation. In ihrem 20. Jike
hatte sie einen Anfall, in dem Schmerz und Erbrechen 3 Tage, und die folgende Lähmim;
über einen Monat dauerte. In den nächsten 6 Monaten hatte sie 4 Anfalle. Die TJihinimgtt.
erscheinungen hielten länger an, schwanden weniger vollständig, bis nach dem letzten AnfkUe
links Strabismus divergens, weite unbewegliche Pupille, Lähmung der AcconoLmodation imd
aller vom Oculomotorius versorgter Muskeln zurückblieb. Femer bestand Amblyopie, ohne
dass die ophthalmoskopische Untersuchung irgend welche Anomalien hätte nachweiMii
können. Das rechte Auge war emmetropisch und zeigte keinerlei Störungen. Ebenso war
die Artikulation, die Innervation der andern Himnerven, die Reflexerregbarkeit etc. etc.
intakt —
Borthen (1068) hatte bemerkt, dass wenn bei seinem Patienten die
Schmerzen bei einem Anfalle ein wenig milder waren, sie gewöhnlich bei dem
nächsten Anfalle um so heftiger auftraten und dann auch bisweilen von Er-
brechen begleitet wurden.
Das Erbrechen geht dem Kopfschmerz zuweilen voraus anstatt ihm
zu folgen, so in den Fällen von E. Clark (1079) und Darkschewitscb
(1062), auch kann dasselbe fehlen, wie in der Beobachtung von Manz (1080)
und dem Fall II von Schmidt- Rimpler (1121). Bei dem Falle Borthen's
(1068) begleitete das Erbrechen oft die Anfälle, war aber nicht immer mit
denselben verknüpft.
Die Periode der Lähmung.
§ 244. Fast durchgängig setzt die Periode der Lähmung dann ein,
wenn der Schmerzanfall nachlässt oder vorüber ist. So konnte der Patient
Borthen's (1068) während der Schmerzattacken sehr gut das Oberlid heben,
was nach Aufhören der Schmerzen nicht mehr möglich war.
Nur selten tritt die Oculomotoriuslähmung schon während der Schmen-
periode auf, so dass der Schmerz und die Lähmung eine Zeitlang nebeneinander
bestehen, wie in der zweiten Beobachtung von Mingazzini (1064).
Bei Charcot's Patientin (1052) begann in einem späteren Anfalle die
Lähmung zurückzugehen, während die Schmerzen zeitweise wiederkehrten
und eine Steigerung der Ptosis mit sich brachten.
Dass die Lähmung überhaupt ohne vorhergegangenen Schmerzanfall auf-
treten kann, hatten wir in dem Falle von Hin de und Moyer pag. 487 gezeigt.
In der Beobachtung von de Schweinitz (1094) trat überhaupt die
Lähmung erst nach dem schwersten Schmerzanfall auf.
Auch in dem zweiten Falle Schmidt-Rimpler's (1121) setzte die
recidivirende Oculomotoriuslähmung das erste Mal ohne Schmerzanfall ein.
Bei einzelnen trat dieselbe plötzlich auf. So war das 10jährige
Mädchen A. Hinde's und H. N. Moyer's (1081) morgens mit der Ptosis
erwacht. Auch bei der Patientin von Darkschewitscb (1062) zeigten sich
die Anfälle plötzlich des Nachts, um 2—3 Tage anzudauern. Bei dem zweiten
Die Ptosie bei der recidivit*eijden Oculomuf onus Lähmung, 489
Nile Schmidt-Rimpler^s (112]) erfolgte die Lähmung ebenlalls plöUlic-h
rährend der Nacht
Bei der Patientin von Mob ins (1061) war „abends das Ange noch
ilffen, am Morgen war es zu".
Bei Anderen entwickelte sich die Lähmung allraählich.
So bemerkte Borthen'a Patient (1068) ungefähr 7 — S Jalire naclL dem ersten Auf-
treten des wesentlich um das rechte Äuge lokalisirten Kopfweh», dass, wenn die Abnahme dea«
^beo in circa 24— SÖStuudeu eingetreten war, nach und nach am rechten Auge immer
die Lähmung eintrat. Das obere Augenlid üel henmtert der Kranke bekam BoppelbildoT
und konnte in der Niihe nicht mehr sehen. Die Lähmung dauerte S — 4 T&ge^ wonacii er
bis zum nächsten Anfalle wieder vollkommen gesund blieb.
Bei dem Patienten Chiarini's (1082] zeigte sich nach dem Schmerz an falle zuerst
eine Lähmung des Eectus internus, die sich allmählich auf die anderen Aeate des Oculomu*
torius erstreckte, bis 6 Tage darauf die Oculomotoriuslähmung komplet war.
Bei den meisten Fällen ist gleich anfangs oder wird wenigstens im Ver-
laufe weniger Tage die Lähmung des Oculomotorius eine komplete.
So berichtet« £. Brissaud (1083) Über einen 17jährigen Schüler, bei dem eine totale
und komplete rechtsseitige Ophthalmoplegie am Schlüsse eines hemikraniechen Anfalles
eingetreten war^ nachdem derselbe 6 Monate vorher schon einmal an dem gleichen Anfall
gelitten hatte
Auch der Patient Findeisen 's (1084) bekam nach kurzem, massigem Kopf-
schmerz eine totale Lähmung des Unken N. oculomotorius. Nach mehreren Tagen trat
Besserung ein und nach einigen Wochen konnte der Kranke mit geringer Parese der gelähmt
gewesenen Muskeln entlassen werden. Seitdem sind weitere vier Anfälle beobachtet worden.
Ebenso war in dem von Giebler (1085) mitgetheDten Falle auch gleich anfangs
komplete Oculomotorinsläbmung vorhandeu.
Auch in den Fällen vou Möbius (1061), Saundby (1093), v. Hasner (1092),
Karplua (1066, Fall I). Ormerod und Spicer (1099) und Thomson (1086) war die
Lähmung gleich eine vollständige.
Bei anderen ist die Oculomotoriuslähmung beim ersten
Anfall inkomplet und w^rd erst im folgenden total.
So trat nach Chiarini (1087) bei einem 55 jährigen Manne vor 6 Jahren der erste
Migräneanfall auf, wonach Paralyse des Rectus inferior ent^tandi welche heilte. Dann kam
der zweite Anfall, worauf vollständige Oculomotoriuslähmung sich entwickelte.
Bei dem Falle von E. N. Nason (1088) entwickelt« sieb die Oculomotorinslähmung
sttceessive, indem ein Muskel nacb dem anderen befallen wurde. Nachdem der Scbmerz-
anfdll 24 Stunden gedauert hatte, trat Lähmung des linken Oculomotorius auf» und zwar
zuerst Ptosis, dann LAhmung des Eectus superior und Obliq. Inf., dann Parese des
Rectas inferior und internus. Bio Pupille war mittelweit und reagirto nur schwach.
In ko mpl et blieb dieOcuIamotoriuslähmung bei folgenden Beobachtungen:
In dem Falle Saundby 's (1089) beschränkte sich die l>ähmung nur auf den Levator
und den Rectus internus der rechten Seito
Im Falle Bernhard (1090J war bloss der Eectus internus gelähmt.
Bei der Beobachtung von Kayser(lü91) bestand eine Lähmung aller äusseren Oculo*
motoriusäeto ohne den Levator, Die Irisbewegung und die Accommodation waren frei.
In Parinaud*s Falle (1060) waren alle vom Oculomotorius versorgten Muskeln bis
auf den Levator gelähmt.
In Borthen's Beobachtung (1068) blieb nur die Accommodation &ei; die Iris war
fast gelähmt.
490 Die Ptosis bei der recidivirenden Oculomotoriiislfthmiiiig.
In Balle t's Falle (1078) waren alle vom Oculomotorias versorgten Muskeb \
dem Obliquus inferior und der Accommodation gelähmt.
In der Beobachtung von Sciamanna (1100) warde bei einem der AnfUlle mir lik-
mang des Rectas superior nnd des Rectus intemas konstatirt.
Wiederum bei einzelnen Fällen sind einzelne Muskeln weniger stark
gelähmt, als andere ebenfalls vom N. oculomotorius versorgte.
So berichtet Fürst (1063) in seinem Falle über hochgradige linksseitige Ptosis,
unvollkommene Lfthmung des M. rectus internus, inferior und obliquas inferior. Die liib
Pupille war wenig weiter, als die rechte und reagirte schwächer auf Licht und KonvergeoL
Beim nftchstf olgenden Anfalle bestand eine nur geringe Ptosis. Von den äusseren, tob
Oculomotorius versorgten Muskeln, zeigte sich jetzt der Internus am meisten gelähmt,
weniger waren die Bewegungen nach oben und unten beschränkt; aber nach keiner Seite
hin war die Lähmung eine absolute. Die linke Pupille war etwas weiter als die rechte,
reagirte gut auf Konvergenz, aber schlecht auf Lichteinfall.
In dem Falle von N a s o n (1088) war vollständig gelähmt nur der M. rectoa snper.
und obliquus inferior.
Wie in diesem, so ist in den meisten anderen Fällen zu konstatiren,
dass bezüglich der Intensität der Anfälle die Lähmungen sowohl bei dem
gleichen Individiuum, als im Vergleich der Anfälle der einzelnen Patienten
unter einander, eine ziemliche Verschiedenheit aufweisen.
Auch hinsichtlich der Dauer der Lähmung zeigen sich grosse Ver-
schiedenheiten sowohl bei der Betrachtung der Gesammtheit der bekannten
Fälle, als im Verlaufe eines jeden Einzelfalles.
So entwickelte sich bei dem Falle von Möbius (1061) die Paralyse des Oculomo-
torius beim ersten Anfalle plötzlich, während in dem Jahre, in welchem dieser Autor den
Anfall beobachtete, die paralytischen Erscheinungen ihren Höbepunkt erst vom vierten Ta^
erreichten.
Der Zeitraum des Andauerns der Lähmung wechselt von 2 — 3 Tag^
v. Hasner (1092), Berthen (1068), Darkschewitsch (1062), bis 2-3
Wochen Remak (1053), Saundby (1093), ja selbst mehrere Monate Pari-
naud (1060). Bei dem Falle Sucklings (1074) blieb das Lid nur einen Tag
gesenkt.
Am schwersten verschwinden die Mydriasis und die Accommodations-
beschwerden. So sehen wir in den Fällen von Hasner (1092), Möbius (1061),
Strzeminski (1072), Manz (1080), Clark (1079) und Snell (1073) ein Fort-
bestehen der Ophthalmoplegia interior zwischen den Anfällen.
Bei Saundby (1089, Fall I) bestanden noch 8 Wochen nach Beginn des Anfallt
von der anfangs kompleten Oculomotoriuslähmung eine Lähmung des Rectus superior, mat
Parese des Rectus infer., des Sphincter iridis und des Muse, ciliaris, znletzt verschwaad
die Ptosis; in Saundby 's Falle II (1093) verlor sich zuletzt die Lähmung des M. rectos
superior.
In der Beobachtung Parinaud's (1060) war der Rectus inferior der letzte welcher
von den übrigen vom Oculomotorius versorgten Augenmuskeln wieder funktionstüchtig wurdt.
Bei einzelnen Fällen, wie in der Beobachtung von Nason (1088) schloss
die Lähmung plötzlich ab, während in dem Falle SnelTs (1073) die Rück-
bildung der Lähmung langsam vor sich ging. In dem Falle Findeisen's
(1084) besserte sich anfangs der Anfall rasch, es dauerte aber mehrere Woch«
Die Ptosis bei der recidivireQdeD OculomotoriuBlähmuDg» 491
is der Patient mit einer geringen Parese der gelähmt gewesenen Muskeln
tis der Behandlung entlassen werden konnte,
las Verhalten des Levator palpebrae superioris bei den
Anfallen von r e c i d i v i r e n d e r Oculomotoriuslähmung.
§ 245, Bezüglich der hier zu erwähnenden klinischen Erscheinungen muss in
Betracht gezogen werden, dass die Gruppirung und Schilderung der auf den
Levator bezüglichen Zustände sich meist auf Vorkommnisse bei einem
einzelnen Anfalle bezieht, während andere Anfälle wieder bei dem
gleichen Individuum eine andere Gruppirung der Lähmungserscheinungen von
Seiten der vom Oculomotorius versorgten Muskeln dargeboten hatten oder
haben konnten.
Keine Levatorlähmung wurde in der Beobachtung Parinaud^s
(1060) konstatirtj während alle anderen Oculomotoriusmuskeln gelähmt waren.
Im Falle Strzeminski's (1072) fehlte beim I. Anfalle nur die Levator-
lähmung, während beim IL der Oculomotorius schon total gelähmt war.
Auch bei dem ersten Falle Schmidt-Rimplers (1121) scheint bei
den ersten Anfällen keine Levatorlähmung vorhanden gewesen zu sein.
Bei der Beobachtung Kayser's (1091) blieb der Levator zugleich
mit dem Ciliarmuskel während des Anfalles von der Lähmung frei.
Einen interessanten Fall bezüglich des Stationärwerdens der Lähmung
der übrigen Oculomotoriusmuskeln bei schwankendem Verhalten des Levator
palpebrae super, erzählt de Schweinitz (1094),
Eine 30 jfihrige Patientin bekam mit 1 ^ s Jahren utitur Erbrechen und Krämpfen eine
Oculomotoriusiäbmung. In 6 Wochen Heilung, häutige Wiederkehr der Lähmung mit
heftigeu Neuralgien und folgender völliger Heilung der gelähmten Muskeln in der anfallsfi'ejen
Zeit bis zum 4. Lebensjabre, in welchem die Divergenz des rechten Auges
atatioDJir wurde, während die Ptosis allmählich wiederkam und ver*
ficbwand. Schliesslich mit 21 Jahren dauernde Ptosis nach heftigstem Schmerzaufall
der ganzen Serie; und gegenwärtig voUatändige, dauernde Oculomotoriuslühmuiig.
Ledighch einer Levator lahmimg begegnen wir in den folgenden Be-
obachtungen :
In dem Falle Darkficho witsch (1062) war bei etnem 33jabrigen Patienten vor
swan2ig Jahren rechts vorübergehend Ptosis aufgetreten. Vor 9 Jahren litt er an Typhus
und 4 Wochen darauf traten Kopfschmerz, Erbrechen, vorübergehende Ptosis und
Doppeltsehen auf. Später erkrankte der Patient monatlich 2 — 3 mal und zwar Nachts.
Die Dauer des Anfalls betrug 2 — B Tage. Schliesslich resultirte eine dauernde Lähmung
des ganzen rechten Oculomotoiius.
Einen ähnlichen FaU beschreibt Suckling (1074). Ein IBjähnger Jüngling kam
wegen linksseitiger Ptosis und Migräue ins HospitaL Ptosis hatte schon in der Kindheit
einen Anfall begleitet und war seitdem oft eingetreten. Vor 3 Jahren nach einem schweren
Anfalle war das linhe Auge ganz gescblosscn und der Bulbus nach aussen gewendet gewesen.
Nicht bei jedem Anfalle war das Auge betheiligt, im AUgemeiuen entsprach der Grad der
Ptosis der Schwere des Anfalls, Die Ptosis trat am Ende des Anfalls ein und verschwand
nach zweimal 24 Stunden wieder,
Charcot (1052) berichtet über ein 16 jähriges Mädchen, das seit seinem 6. Jahre
an Migräne gelitten hatt«. Anfangs waren die Anfälle unregelniässig, später alle 3 Monate
492
Die Ptosis bei der recidivirenden Oculomotorlus
aufgetreten. Die Anfälle waren charakterisirt durch Schmerzen in der Stimgegead
jedem derselben kam ein Herabsinken des Lides der betreffenden (rechten) Seit« zu
Nach dem V^erscliwindeii der Schmerzen trüt, währe Jid noch gastrische Beschwerden tn^
bestanden^ wieder eine normale Uebim^ und Beweglichkeit des JLides ein. Nach dem letitfi
Anfalle jedoch war bei dem Verechwitjden der Schmerzen die Wiedererhebung dea lü«
nicht erfolgt*
Vi 8 serin g (10-S4) erzählt von einem 40JÄhngen Weber, welcher seit seinem 9, LeW
jähre an heftigen rechtsseitigen Kopfschmerzen gelitten hatte» welche anfallsweia« itn
alle 4 Wochen aufgetreten waren. Dabei hing daa rechte Oberlid herab, nnd \mi% läa
waren etwtvB geschwollen. Bei einem heftigen Anfalle nach 5 Monaten trat Tollstiadi^
Oculomotoriuslähmung der gleichen Seite auf mit Ausnahme der Iris und AccommoditiniL
Anderson und Jack (1095) beobachteten eine 26jährige Frau, welche mä d«
Kindheit alle 6 Wochen an ]^igräne gelitten hatte. Schon früher sei bei schweren
das rechte obere Lid heruntergesunken, aber erst im Juni lb90 war nach einem
Anfalle die Augetilähmung Yollstlindig aufgetreten.
Die zweite Patientin von Karplus (1066) bekam schon im Alter von 6
eineit Anfall von Erbrechen und nachfolgender rechtsseitiger Plosisj welche nach ämfm
Tagen sich vollständig wieder zurückbildete.
Auch bei dem letzten Anfall» den Cantalamessa (1065) bei seiner Patientin bt«!^
achtete^ trat lediglich nur Ptosis auf.
In den Beobachtungen von Joachim (1071^ Fall II) nnd Jack (1096) wurde die
totale Oculomotoriuslähmung von Ptosis eingeleitet. So war bei Letzterem nach eiafs
Tage voll Schmerzen links Ptosis aufgetreten, Nach 3 Tagen war bis auf die Schjoert^tt
die Krankheit anscheinend vorüber. Nach 2 Wochen konnte die Fran das Lid wieder h^bta
nnd hatte nun erst das DoppeUßchen bemerkt.
In dem Falle von Snell (1073) eröffnete überhaupt die Ptosis den Aufall, ntthhm
trat erst der Schmerz auf, und dann entwickelte sich bald koniplet« Oeulomotoriuslihmng.
Bei Saundby's (1089) Beobachtung trat zur Ptosis nur noch Lähmung des Reetat
internus der gleichen Seite. Auch war hier die Levatorlähmung diejenige Stl^rung; w«kb
zuletzt vei-schwaud.
Interessant ist das Ziirückbilden der Oculomotoriuslähmung nach den
Anfällen, aber ein Fortbestehen der Ptosis iii den Intervallen.
So beobachteten Eicht er (1097) und Thomsen (1086) einen 37 jährigen
dessen Vater an Epilepsie gelitten hatte. Im Alter von 13 Jahren erfuhr Patient
Unfall mit Bewusstsein^verlust. Hierauf bekam er unter Kopfschmerz Anfälle von totalem
Techtsseitiger Oculomotoriuslähmung, die sich in kurzer Zeit zurückbildeteo« zuletzt aber
doch Ptosis hin t erlies Ben. Zuerst traten die Lähmungen jährlieh einmal auf, io dm
späteren Jahren gesellte sich eine zweite hinzu. Patient starb an einer Lungengani^iB-
Die Sektion zeigte den rechten Oculomotorius an der Stelle des Eintritts in die Diii
keulenförmig verdickt und grau, während der linke um die Hälfte dünner und weiss wir.
Ein Fihrochoodrom hatte die Fasern des rechten Oculomotorius auseinander getrieben, ab«
nicht zum Schwunde gebracht Sonst war alles normal. —
Auch in SnelTs Beobachtung (1070, Fall II) war die Oculomotoriuslähmung totil:
sie verschwand in der Pause zwischen den Anfällen nicht ganz, und In den letzten 2 Jahres
hatte sich dauernde Ptosis gebildet.
Analog verhielt es sich im zweiten Falle von Karplus (1066), bei welchem der Patieol
achon im Alter von 6 Monaten einen Anfall von Erbrechen mit nachfolgender reehtaMItiger
Ptosis gohabt hatte, welche nach einigen Tagen sich vollständig wieder zurQckbtldiie.
Seither bis zum 20. Jahre traten alle 2—4 Wochen solche Anfälle auf. Später bestaad
auch Ablenkung des Bulbus vmd Mydriasis zwischen den Anfällen fort. Hier eingab die
Obduktion einen balberbsengrossen Tumor im Oculomotorius unmittelbar an der Btira sitzecidt
Derselbe erwies sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Neurofibrom, weldiet 4«
i
}>b Ptoais bei der recidivirenden OcalDmotonusläkmung,
493
tilomotoriii3 vod allen Seiten umgrifT und die Fasem desselben auaeiDander drängte.
Demzufdge war der aus dem Tumor austretende Abschnitt dea Nervna ocalomotorioa
hochgradig, der io denselben eintretende sehwäcber degenerirt. Die Wurzelbündel dea
Oetilomotorius waren anf der rechten Seite weniger zahlreich und achmfiler; das EemgerÜBt
des Oculomotorius enthielt rechts weniger Fasern als links, jedoch waren die Ganglienzellen
des Kerns in jeder Hinsicht normal, auch nicht an Zahl vennindert.
In der Beobachtung von Haaner (1G92) und Hin de (1098) leitete das Verschwinden
der Ptosis den Beginn der Pauae zwischen den Anfällen ein. Dann erat ging auch die
Lfthmung der übrigen Augenmaskeln zurück. —
Ueber die Intensität der Ptosis finden wir folgende Angaben:
In den Fällen von Fürst (1063) und von Haan er (1092) bestand eine hoch-
gradige Levatorlähmung neben einer geringen L&bmung der Übrigen yom Oculomo-
torius versorgten Augenmuskeln.
Das Umgekehrte fand etatt in dem Fall von Ormerod und Heimes Spicer
(1099), bei welchen am Ende dea Anfalle le ich te Ptosis, aber vollstftndige Lähmung aller
übrigen vom Oculonnotorius versorgten Muskeln bestand.
In dem Falle Charcot's (1052) wurde bei jedem neuen Anfalle die Ptosis etörker.
Besondere Beachtung verdienen die Fälle mit doppelseitiger Ptosis.
So war in der Beobachtung von Anderson und Jack (1095) die recidivirende
Ocnlomiitoriuslähmußg rechts aufgetreten unter voUsfändiger Lähmung aller vom Oculomo-
torius veiaorgter Muskeln, aber das linke Oberlid war auch gesenkt Drückte man das
rechte Auge ganz zu^ so ging jenes in die Höhe, 5ffnete man da» rechte Auge weit, so
deckte das linke Oberlid einen T hell der Pupille. Der Aogenhintergrund war noi-maL In den
Pausen während der Anfälle ging die Luhmung langsam zurück^ aber an den ^, Kopf schmerz-
tagen** sank das Lid wieder herunter. —
Einen ehenfalla hierher gehörigen Faü veröffentlicht Chahbert (1069). Eil* 53jflhriger
Geistlicher erkrankte in seinem Knabenalter an Konvuleienen und seit der Fobertltszeit an
Migränean fällen mit Sehstörungen. Seine Schwestern wurden ebenfalls von MigräneHttacken
heimgesucht. In seinem 53. Lebensjahre häuften sich die Anfalle; daran scbloss sieb dann
Diplopie und Strabismuä divergens rechts. Bte beiderseitige Ptosis folgte ebenfalls
in Abständen, sie verschwand aber nach wenigen Tagen wieder. Ein Jahr später konnte
man dieselbe Erscheinung beobachten.
Hier waren wiederum tiiir die äusseren Augenmuskeln ergriflFen.
Die Periode der Pause zwischen den Lähmungsanfällen.
S 246. Die Fälle von recidivirender Oculomotoriuslähmung lassen sich
am besten in folgende zwei Gruppen eintheilen (Ballet 1078);
a] in rein periodische Lähmungen d. b. solche bei welchen
im Intervall zwischen den einzelnen Anfallen die
Lähmungen gänzlich verschwinden — ,,die rein perio-
dischen Lähmungen'* nach Senator (1056),
Als Beispiel für diese Gruppe möge folgende Beobachtung Senator^s
dienen ;
Eine 22jährige Fraa litt ihrer Angabe nach aeit ihrem 8. Lebensjahre an periodisch
auftretenden Anfallen von rechtsseitigem, heftigem Kopfacbnierz» Frost, Müdigkeit und
Erbrechen ; die&elhen dauerten in der Eegel 3 — 4 Tage und wiederholten sich alle 4 Wochen»
Ursache unbekannt. Im 12. und 16 Lebensjahre trat während der Dauer zweier derartiger
Anfälle auch Doppeltsehen und Ptosis des rechten Auges hinzu. Dieselbe Komplikation
zeigte sich 3 mal im 22. Jahre and kam diesmal zur genaueren IrzÜicben Beobachtung.
494 Die Ptosis bei der recidi vir enden OcolomotoriQslfthTnnng.
Am 4. Nov. 1886 warde neben rechtsseitigem Kopfschmerz eine komplete Lihmimg b&bbV
Hoher Zweige des rechten Nerv, oculomotorius, einschliesslich der Iris und Ciliinvfli^
konstatdrt Reaktion auf Licht and Accommodation rechterseits erloschen. Augenhintergnri
normaL Sonstige Störungen an den Augen oder von Seiten des NervensTstems fäSSm
vollständig. Nach 6t&gigera Bestände war die Lähmung wieder völlig verschwandes, tii
der Augenbefund ein gänzlich normaler. Patientin ftthlte sich, wie auch nach den frflkeni
Anfällen, wieder vollkommen gesund.
Während einer weiteren längeren Beobachtung der Patientin wiederholten tk^ im
Migräneanfälle in unregelmässigen Zwischenräumen mit 3, 6, 9 wöchentlichen Panses; «i
Betheiligung des Nerv, oculomotorius fand nicht wieder statt.
Die Angabe der Patientin, dass stets die Anfälle alle 4 Wochen kurz vor oder mit
der Menstruation eingetreten sein sollten, bestätigte sich also in letzterer Zeit nicht ni
macht einen Zusammenhang zwischen den Anfällen und der Menstmation onwahrscheiBliek
Dieser Beobachtung Senator's schliessen sich die folgenden Falle
von recidivirender Oculomotoriuslähmung an, allerdings unter dem Vorbehalt
dass eventuell bei weiterer Beobachtung der entsprechenden Patienten dodi
noch bleibende Lähmungszustände von Seiten des Oculomotorius hätten auf-
treten können.
Clark (1079), Klatschkin (1101), Snell (1070, Fall II), Vissering
(1054), Parinaud (1060), Fürst (1063), Cantalamessa (1065), Joachim
(1071, Fall I), Strzeminski (1072), Brissaud (1083), Giebler (1085),
Saundby (1089).—
Sektionsbefunde von diesen Fällen rein periodischer Oculomotoriuslähmnng
giebt es nicht. Der Fall G übler mit Sektionsbefund (1075), den einzebe
Autoren z. B. Mauthner hierher gezählt wissen wollen, gehört nicht zader
in Rede stehenden Krankheit. Streng genommen zeigt die recidiTiieDde
Oculomotoriuslähmung keine Periodicität, sondern tritt in Reeidiven mit unregel-
mässigen Intervallen auf, eine Thatsache weshalb Mingazzini (1064) die
Krankheit eben recidivirende Oculomotoriuslähmung genannt haben ¥rilL
ß) Die Gruppe der periodisch exacer birenden Fälle.
§ 247. Hier treten anfangs periodisch die Anfälle von Oculomotoriuslähmung
ebenfalls mit rein gesunden Intervallen auf, bis allmählich auch in den Pausen
Lähmungszustände vom Oculomotorius zurückbleiben, welche jedoch bei den
neuen Anfällen stärker werden und mehrere Muskeln ergreifen.
Hierhin gehören die Beobachtungen von Ballet (1078), Bernhardt
(1090), Berthen (1068), Charcot (1052), Darkschewitsch (1062),
Findeisen (1084), Jack (1096), Joachim (1071, Fall II), Hin de und Moyer
(1081), Karplus (1066 Fall II), Kayser (1091), Manz (1067 und 1080),
Mingazzini (1064, Fall b), Möbius (1061), Nason (1088), Remak (1053),
Rüssel (1102), de Scliweinitz (1094), Sciamanna (1100), Schmidt-
Rimpler (1121), Snell (1070, Fall I), Wadsworth (1103), Anderson und
Jack (1095).
Wir sehen, dass die grosse Mehrzahl aller Fälle in diese Gruppe gehört
Bei den folgenden ebenfalls hierhergehörigen Beobachtungen liegt je auch ein
Sektionsbet'und vor.
Die Ptosis bei der recidivirenden Ocutomotonualabmung. tfS
Thomsen-Richter (1086, 1TO7|, mit Sektionsbefund.
Ein jetzt Sijäbngeff sonst gesamler Patient, bekam im fünften Lebensjabre unter
tJebelkeit, Kopf- und Auge nschm erzen (ohne Kntzilndung) eine Oculomotoriuslilhmtiug des
rechten Auges, die seitdem ganz typisch ein- bis zweimal im Jahr (im Mai und im Oktober)
recidivirte und zwar unter denselbon Prodromen. Di© Lftbmung war eine komplete (völlige
Ptosis, Paralyse des Rectus aop- infen intern, obliq. inf., J'upiüenstiirre ond Accommodation)
und dauerte einige Wochen. In der anfallsfreien Zeit bestand eine Üculomotoriusparese
XEÜttleren ürailea. Seit dem 13. Lebensjahre litt Patient überdies in Folge eines Trauma
capitis an epileptischen Anfällen. Auffüllig war, dass erstens ilie Gculometonuäläbmung mit
peycbiach nervösen Symptomen einsetzte, zweitens dass ein inkompleter Anfall nach einem
starken psychischen Shock beobachtet wurde, nnd das» sich die Liihmung verstärkt fand
nach einem nächtlichen Angstaufall, und drittens, dass das Gestchtsfeli! heider Augen, aber
auf dem rechten Auge in beträchtlich büherera Grade ^ eine konzentrische Einschränkung
seilte, die, ganz proportional der Intensität der Lähmung, zugleich mit dieser zu- and
abnahm.
Nach der Angabe Richter*a, der diesen Patienten weiter beobachtete, war die Ocu-
lomot^oriusläbmung in der letzten Zeit ante mortem eine vollständige geworden.
Bei der Autopsie zeigte der rechte N. oculnmotorius bei seinem Eintritt in die Dura
«ine keulenförmige Gestalt und an der genannten Stelle eine mehr graue Färbung. Mikro-
skopisch bestand der Tumor aus einem Fihro Chondrom, welches die Kaserzüge des N. oculo-
motoriua auseinandergesprengt, aber nicht zum Schwund gebracht hatte.
Als ein zweiter hierhergehöriger Fall mit Sektionsbefund ist die Be-
obachtung II von Karplus (10*36) hier anzuführen.
Eine 43jährige Kranke wurde wegen Paralyse in die Klinik aufgenommen. Keine
hereditäre Belastung, keine Migräne in der Familie. Die Patientin bekam schon im Alter
von 6 Monaten einen Anfall von Erbrechen mit nachfolgender rechtsseitiger Ptosis, welche
nach einigen Tagen sieb vollständig zurückbildete. Seither bis zum 20. Jahre traten alle
2—4 Wochen solche Anfälle auf. Während derselben bestand heftiger rechtsseitiger Kopf-
schmerz. Im 18. Lebensjahre luetische Infektion. Mit dem 20. Lebensjahre blieb auch
zwischen den Anfällen eine Andeutung von Ptosis zurück, und begann Fat. zu schielen.
Die rechte Pupille wai- schon damals weit. Zur Zeit der Aufnahme verworren, Silbenstolpem,
Patellarrefiexe gesteigert, die rechte Pupille stan', die linke träge auf Licht reagirend, der
rechte Bulbus nach aussen abgelenkt, die Ptusis recht-s angedeutet Auf der Klinik wurden
zu wiederholten Malen in 3^-4 w((ebent1ichen Pausen Anfälle von kompleter Oculomotoriua-
paraljse, begleitet von heftigem Kopfschmerz und Erbrechen, heohachtet. Fundus noimal.
Patientin starb in epüepti formen Anfällen.
Die Obduktion ergab, dass unmittelbar an der Dura sitzend, im Oculomotorius ein
halherbsen grosser Tumor vorhanden war Der Tumor erwies sich bei der hiato logischen
üntersucbung als Neurofibrom, welches den Oculomotorius von allen Seiten umgriff, und
die Fasern desselben au sein anderdrängt«. Demzufolge war der aus dem Tumor austretende
Abschnitt des Nervus oculomotorius hochgradig, der in denselben eintretende schwächer
degenerirt. Die Wurzelbündel des Oculomotorius waren auf der rechten Seito weniger
zahlreich und schmäler. Das Kemgerüst des Oculomotorius enthielt rechts weniger Fasern
als links, jedoch waren die Ganglienzellen des Kerns in jeder Hinsicht normal, auch nicht
an Zahl vermindert. Kar plus meint, dass der Tumor wahrscheinlich angeboren war und
allmählich zu den Degenerationen geführt habe.
Atypisch verlief der Fall von Joachim (1071, Fall 11}. Bei der Kranken desselben
war die Oculomotoriuspai'ese anfangs periodisch, dann bestand in den Zwischenpausen
Lähmung, welche weniger intensiv als während der Anfälle war. Später war in den
Zwischenzeiten zwischen den Anfällen die Lähmung ganz geschwunden-
Als weiteres typisches hierhergehüriges Beispiel wollen wir noch die
Beobachtung von Hin de und Moyer {1081} hier anführen:
496 Die Ptosis "bei der recidivirenden Ocolomotorinaläbmiuig.
Bei einem 17 jährigen Mädchen waren bis zum 20. Jahre die Anf&Ue rein periodiM^
dann bekam sie einen Anfall, in welchem Schmerz und Erbrechen 3 Tage und die folgeaii
Lähmang über einen Monat dauerte. In den nächsten 6 Monaten hatte sie vier Anftüe, ii
Lähmungserscheinongen hielten länger an, schwanden weniger vollstftndig, bis naek im
letzten Anfall links Strabismus divergens, weite unbewegliche Pupille, Lfihmimg der Aocqboi-
dation und aller vom Oculomotorius versorgten Muskeln zurückblieb.
Bei den meisten Fällen dieser Gruppe ist leider nicht angegebeo,
welche Muskeln in den Intervallen gelähmt geblieben waren, bei den folgenden
sind genauere Angaben vorhanden: Im Falle Mob ins (1061) blieb im IntemB
Mydriasis und Accommodationsparese bestehen.
Saundby (1093): Ptosis undRectus sup.; im späteren Anfall Rectns
infer. und Muse, ciliaris.
Hasner (1092): Mydriasis, später ein geringer Grad von Oculomo-
toriusparese.
Manz (1067): Erweiterung der Pupille und Doppeltsehenbeim
Blick nach der Seite.
Bernhardt (1090): Rectus internus.
Findeisen (1084): Weite und Trägheit der Pupille. Diplopie
beim Blick nach oben.
Snell (1070): Die Lähmung verschwand in den Pausen nicht ganz. Ib
den letzten 2 Jahren hatte sich dauernd Ptosis entwickelt (Fall I).
Jack (1096): Früher keine Lähmung in den Pausen. Seit 4 — 5 Jahren
leidet sie dauernd an Erweiterung der Pupille, Aecommodations^
schwäche und Diplopie.
Berthen (1068): Träge Pupille und Accommodationsparese.
Schmidt-Rirapler (1121, IIFall):Doppelbilder nach innen und oben.
Rüssel (1102): Leichter Grad von Ptosis, Mydriasis und Lähmnng
der äusseren Augenmuskeln.
de Schweinitz (1094): Anfangs völlige Erholung, dann Ständigbleiben
der Divergenz, während die Ptosis noch ferner auftritt und zurückgeht; end-
lich im 20. Jahre bleibende Ptosis nach dem heftigsten Anfall. Jetzt völlip
Lähmung des Oculomotorius im Intervall.
Ballet (1122): Leichter Grad von Parese des Rectus internus zwischen
den beiden letzten Anfällen.
Mingazzini (1123): Rotation nach aussen und zeitweiliges Doppeltsehen.
Sciamanna (1124): Doppeltsehen und manchmal gewisse Schwierigkeit
nach oben zu sehen.
Dieser Zunahme der Schwere der Lähmung und der Fortdauer des
paralytischen Zustandes auch in den Pausen zwischen den Anfällen gegenüber
zeigen die beiden folgenden Beobachtungen ein gegentheiliges Verhalten.
In Senator 's Falle (1056) nämlich hatten im weiteren Verlaufe die
Lähmungsanfälle völlig aufgehört und kehrten nur einfache Migräneanfälle
zurück; und in der Beobachtung I von Schmidt-Rimpler (1121) wurde
folgendes beobachtet. Während früher in der Zwischenzeit immer leichtere
Lähmungserscheipungen zurückblieben, beispielsweise die linke Pupille weiter
Die Ptoaia bei der recidi vir enden Oculomotoriiialälinmng. 497
ir als die rechte, so ist jetzt (1896) ^nacli Aussage des Kranken^ alles
normal; es bestehen keine Doppelbilder, keine Beweglichkeitsbeschränkungj
keine Piipillenvergrössernng,
Die Länge der Pausen zwischen den Anfallen ist ebenso ver-
schieden, wie die Dauer der Anfälle selbst. Bei Senatoren Patient {1056)
waren die Zwischenräume zwischen den Anfällen unregelniässig mit 3, 6,9
wöchentlichen Pausen. Die Angabe, dass die Aufeinanderfolge der Anfälle nm
so rascher wäre, je kürzer und leichter die Letzteren verlaufen waren
[Charcot (1052)], hat ßich nicht bestätigt. Bei der Beobachtung Find-
eisen 's (1084) nahm die Dauer der Anfälle allmählich zu und die Länge
der Pausen nahm ab (erst 6, dann 4 Monate). Ehe noch der 4. Anfall ganz
abgelaufen war, begann der 5., der allerdings weniger stark war.
Bei dem Patienten von Remak (1053) wiederholten sich die Anfälle in
der letzten Zeit schliesslich viermal jährlich, während sie anfangs nur zweimal
während des Jahres sich gezeigt hatten. Ausserdem waren dieselben von
grösserer Heftigkeit, sie gingen aber auch um so rascher wieder vorüber.
In V» Graefe's Fall (1104) wurden in der letzten Zeit die Pausen zwischen
den einzelnen Anfällen immer länger. Auch in Bernhardts Beohachtimg
(1090, Fall 1} wurden mit der Zeit die Pausen zwischen den Anfällen länger.
Bei Hin de und Moyer (1081) waren die Pausen ganz unregelmässig, ebenso
in dem Falle Jack (1096). Ahlström (1105) will sogar in seinen Fällen
durch therapeutische Eingriffe Heilung erzielt haben. Hier wäre jedoch ein-
zuwenden, dass bei weiterer Beobachtung doch noch wieder Anfälle hätten
auftreten können,
Demgegenüber zeigten die Fälle von Hasner (1092) und Romano (1106)
in ihrer Wiederkehr eine gewisse Periodicität, indem sie sich an den Eintritt
der Menstruation anschlössen, während bei dem Falle von Parinaud und
Marie (1060) die Anfälle nach der Menstruation an Heftigkeit nachliessen.
Bei Anderen wechseln wieder, wie bei den Fällen von Senator, Strzeminski
und Snell, denen wir noch die Beobachtungen von Suckling (1074),
Manz (1080) und Fürst (1063) hinzufügen, reine Migräneanfälle ohne Lähmung
mit solchen begleitet von Lähmungszuständen des Oculomotorius ab. Bei dem
Letzteren hatten sich zwischen zwei Lähmungsanlallen häufigere Anfälle von
Erbrechen mit Augenschmerz an der Seite der früheren Lähmung eingestellt.
Anderweitige pathologische Zustände, welche die Anfälle
recidivirender Oculomotoriuslähmung nicht selten zu begleiten
pflegen.
§ 248, Wenn auch strenge genommen der Inhalt dieses Abschnittes mit
dem Vorkommen der Ptosis bei recidivirender Oculomotoriuslähmung nichts zu
tbun hat, so halten wir es doch sowohl der Vollständigkeit des klinischen
Bildes halbery als auch für die rechte Würdigung aller bei der Differential-
496 Die Ptosis bei der recidivirenden OcalomotoriuslAhinaiig.
diagnose in Betracht kommenden Momente für angebracht, uns auch darüber
genauer zu verbreiten.
Von anderen Augenmuskeln, welche oft gleichzeitig mit der vom Oca-
lomotorius versorgten Augenmuskulatur gelähmt erscheinen, ist zunächst der
Abducens zu erwähnen, wie in der Beobachtung Charcot's (1052).
In der Beobachtung Brissaud^s (1083) war neben dem Oculomotorios
noch der Abducens und Trochlearis gelähmt, also es bestand eine vollständige
Ophthalmoplegie; ebenso in dem Falle von Sciamanna (1100).
Bei Chabbert's Patient (1069) war die Ophthalmoplegie last toU-
ständig, insofern nur eine geringe Beweglichkeit der Bulbi nach oben und
unten möglich war.
Eine Paralyse des unteren Facialis während der Anfälle konnten
folgende Autoren konstatiren:
Cantalamessa (1065): Lähmung des unteren Facialis der gleichen Seite
wie des Oculomotorius, ebenso Mingazzini (1064, Fall b).
lieber die Betheiligung des Trigeminus an den Anfällen hatten wir
schon auf Seite 485 eine Reihe von Fällen angeführt. Zu diesen Beob-
achtungen von Darkschewitsch (1062), Karplus (1066, Fall I), Fürst
(1063), Mingazzini (1064), Cantalamessa (1065), sind noch die Falk
Klatschkin (1101) und Giebler (1085) hinzuzuzählen. Bei letzterem war
während der Anfälle der Bulbus auf Berührung schmerzhaft. In allen diesen
Fällen mit Ausnahme der Beobachtung Gieblers war es der I. Ast des
Trigeminus, welcher zu den Beschwerden Veranlassung gegeben hatte.
Vissering's Patient (1054) zeigte Hyperästhesie im I. und II. Trigeminns-
aste. Im Falle Hinde (1098) war auf der Seite der Oculomotoriuslähmnng
die Cornea völlig unempfindlich.
Bezüglich der Sehnerven ist folgendes zu erwähnen:
Bei den Fällen von Ormerod und Spicer (1099) sowie Rüssel (1102)
finden wir angegeben, dass der Opticus „etwas atrophisch" gewesen sei. In
der Beobachtung vonSaundby (1093) und von Sciamanna (1100) bestand
Verschleierung der Umgebung der Papille und bei dem letzteren Chorioiditis
in der Gegend der Fovea.
In den Fällen von Thomsen (1086), Giebler (1085), Hinde und
Moyer (1081) war die Sehschärfe des gelähmten Auges herabgesetzt Im
Falle Hin de 's (1098) Amaurose der Seite der Lähmung ohne nachweisbare
Veränderung. — Im Falle Romano (1106) bestand hemianopisches Flinuner-
skotom.
Bei Thomsen (1086) fand sich hochgradige konzentrische Gesichtsfeldein-
schränkung auf dem Auge der gelähmten Seite. Auf dem anderen Auge war
die Einschränkung weniger bedeutend. Bei Nason's Patienten (1088) bestand
oft'enbar Glaukom.
Von Seiten des Nervus acusticus werden Störungen berichtet tob
Hinde und Moyer (1081). Die Patientin dieser Autoren hatte während
des Anfalles Klingen und Taubheit des Ohres der Seite der Lähmung bemerkt:
dem Falle von Binde (1098) bestand nur Klingen im Ohr der Seite der
^motoriuslähmung.
In Vissering's Fall {1054} zeigte sich Schwerhörigkeit bei normalem
Ohrbefunde.
Einige Autoren beobachteten Sekret ionsanomalien während des Anfalles.
So berichtet Romano (1106) über auft'aMenden Schweissausbruch, Nason
(1088) und Ahlström {1105} über Yerniehrte Nasensekretion, Vissering
(1054), Binde und Moyer (1081) über Speichelfluss,
Wadsworth (llOS) constatirte einen Hautausschlag und M an z (1080)
Hyperämie der Bindebaut. Bei den Beobachtungen von Cantalemesaa(i065}^
Wadsworth (1103), Joachi m (1071) und Ballet (1078) trat Fieber während
der Anfälle auf.
In dem Falle Binde und Moyer (1081) waren die Anfälle links, es
trat dabei linksseitige Taubheit und Khngen im Ohr, Schwierigkeit beim
Sprechen und Schwäche im ünken Arm auf, ebenso im Falle von Cantala-
messa (1065). In der Beobachtung H inde ' s (1098) zeigten sich gleichseitige
Störungen im Geruch und Geschmack, in der Sensibilität und Motilität.
In den Fällen von Joachim (1071, Fall I), Tho rasen (1086), Giebler
(1085) und de Seh weinitz (1094) waren die Anfalle mit Krämpfen verbunden,
i5 249. Hinsichtlich der Aetiologie und des Wesens der reci-
divirenden Oculomotoriuslähmung wäre zunächst auf die nahe Ver-
wandtschaft derselben mit der einfachen Migräne hinzuweisen. Schon auf
pag. 486 hatten wir die Fälle von Manz, Senator, Chabbert, Darquier,
Snell, Charcot, Joachim, Strzeminski und Borthen erwähnt, bei
welchen Jahre und Jahrzehnte voraus das betreffende Individuum von wirk-
lichen Migräneanfällen heimgesucht worden war, bis allmählich die Oculo-
motoriuslähmung sich den Anfällen angeschlossen hatte.
Ferner hatten wir gezeigt, dass bei den Beobachtungen von Snell
Fall B), Senator, Strzeminski, Suckling und Darkschewitsch An-
fälle von Oculomotoriuslähmung mit reinen Migräneattacken alternirend auf-
getreten sind, und fügen nun noch hinzu, da^^s in den Beobachtungen von
Bernhardt (1090, Fall I), Joachim (1071, Fall II} und Chabbert (1069)
bei den betreffenden Familien die Migräne erblich gewesen war. Bei dem
Fall II von Schmidt-ttimpler (1121) und in der Beobachtung Chabbert's
trat auch Fliramerskotom und Hemianopsie bei den Anfällen auf.
Wenn nun diese Gruppe von Fällen thatsächlich in sehr naher Beziehung
zur Migräne zu stehen scheint, ein Umstand, aus welchem Charcot die
Berechtigung nahm, diese Fälle mit der Bezeichnung Migraine ophthal-
moplegique zu belegen, so muss jedoch demgegenüber wiederum hervor-
gehoben werden, dass in dem Falle Ballet's (1078) und Mingazzini's (1064,
Fall Ilj die Kranken sehr wohl die wirkliche Migräne von den schmerzhaften
Attacken mit Lähmung unterscheiden konnten.
Ausserdem lässt sich das Andauern der Lähmungszustände zwischen
den Anfällen, wie in den Beobachtungen von Manz, Snell, Joachim,
WilbrAbd^Sftenger, Neurologie d&i Augei. I. Bd. 11. Abtheümig, 33
500 Die Ptosis bei der recidivirenden Oculomotoriiisläluniiiig.
Borthen und Darkschewitsch, wieder nicht recht mit der Migräne
vereinigen. Nach Marina (1077) können diese Anfälle nicht als wahre
Migräneanfälle betrachtet werden, weil sie nicht jede Woche oder jeden Monatf
kurz mehrmals im Jahre, sondern meist nur 2 — 6 mal im Leben vorkommeii
und nicht einmal oder zweimal 24 Stunden, sondern tagelang andauern.
Es bestünde also zwischen der leichteren Form dieser Krankheit und der
Migräne ein sehr wichtiger Unterschied; und da es Anfälle gäbe, welche
8 Monate dauerten , so spräche die Länge dieser Zeit doch sehr gegen den
funktionell nervösen Ursprung eines solchen Leidens, das eben kein
hysterisches wäre.
Möbius (1061, pag. 103) sagt: „In der That leitet den Anfall der
Augenmuskellähmung ein echter Migräneanfall ein; darüber besteht kein
Zweifel, vielmehr streiten wir darum, ob dieser Migräneanfall ein Symptom
einer anderen Krankheit und den Migräneantallen bei Tabesparalyse und
Epilepsie gleichwerthig ist, oder ob es sich um die Krankheit Migräne in
beiden Fällen handelt. Bei der periodischen Oculomotoriuslähmung seien die
Verhältnisse sehr verschieden: Die Anfalle könnten nach Wochen, nach
Monaten, nach Jahren wiederkehren, sie könnten (ehe die Lähmung eintritt)
Tage, Wochen, Monate dauern, die Lähmung währe eben so lange oder länger,
sie verschwinde in der Zwischenzeit fast, oder sie bleibe in grösserer oder
geringerer Ausdehnung bestehen und wachse in den Anfallen nur an. Die
langen Zwischenzeiten kämen bei der Krankheit ;, Migräne^ sehr selten, bei dff
periodischen Oculomotoriuslähmung oft vor. Die lange Dauer des Migrine-
anfalles sei dort eine Ausnahme, hier die Regel. Hier könnten die Kranken
nicht nur eine Woche, sondern 3 bis 4 Wochen fast unausgesetzt an Kopf-
schmerz und Erbrechen leiden, bis endlich die Oculomotoriuslähmung einträte
und mit ihrem Eintritt jene Symptome plötzlich verschwänden. Letzteren
Umstand hält Möbius für sehr wichtig, denn er deute daranf hin, dass die
auf die Lähmung abzielenden Läsionen die Migränesymptome hervorriefen,
nicht diese jene. Nähme man an, dass der Migräneanfall zur Augenmuskel-
lähmung führe, wie er nach der Darstellung Mancher zu einer Blutung führen
könne, so könnte man auch erwarten, dass es bei schweren Migräneanfallen
nicht so selten zu einer Oculomotoriuslähmung komme. Nun sei aber davcm
nichts zu erfahren. Eine weitere Differenz liege darin, dass bei der perio-
dischen Oculomotoriuslähmung von den Migränesymptomen Kopfschmerz und
Erbrechen regelmässig vorhanden sei, alle anderen Zeichen der Krankheit
„Migräne" aber regelmässig fehlten. Sei jene die Krankheit Migräne phs
Oculomotoriuslähmung, warum fehle dann immer die Aura, besonders die
visuelle Aura, die doch sonst bei schwerer Migräne so häufig sei? Endlich
aber, und das sei für Möbius das durchschlagendste Argument, beruhe die
Krankheit Migräne auf gleichartiger Vererbung, die periodische Oculomotorins-
lähmung nicht oder doch nur sehr selten". Dass die Erblichkeit aber doch
eine Rolle spielt, geht aus der Beobachtung Bernhardt 's (1090, Fall I)
hervor, in welcher die Mutter des Patienten an Migräne gelitten hatte. Anch
Die Ptosis bei der recidivirenden Oculomotoriaßlöhmuni?» 501
ier Beobachtung Joachim 's (1071, Fall II) waren die Mutter und die
I G rossmutier der Patientin mit Migräne behaftet, und die Schwestern des
\ Patienten Chabbert's (1069) hatten ebenfalls über Migräne zu klagen,
I Nach Mingazzini (1064) unterscheidet sich die recidivirende Oculo-
I motoriüslähmung von der einfachen Migräne dadurch, dass die letztere fast
► immer in den besser situirten Gesellschaftsschichten vorkäme, dass sie selten
^ vor der Pubertät aufträte, und dass sie altmählich schwächer werde, bis sie schliess-
I lieh im Alter ganz verschwinde. Die recidivirende Oculomotorislähmung befalle
dagegen meistens Leute niederer Stände; sie fange meist in der Kindheit an,
zuweilen in frühester Kindheit und habe nicht die Neigung, sich mit dem Alter zu
bessern, sondern im Oegentheil, sie würde mit den Jahren immer schwerer
und hinter Hesse bleibende Spuren. Femer sei bei der einfachen Migräne
der Schmerz nicht immer einseitig, habe einen schleichenden Charakter und sei
weniger diflfus, als der bei der recidivirenden Oculomotoriuslähmung. Andererseits
sähe man bei der einfachen Migräne oft genug den Schmerz von der einen
Seite auf die andere überspringen, sei es nach einer Reihe von Anfällen, sei es
im Verlaufe derselben Attacke, was bei der recidivirenden Oculomotoriuslähraung
selten sei. Ferner kämen bei der einfachen Migräne keine Bewegungsst(irungeii
als Folge der Schraerzerscheinungen vor, während bei der recidivirenden Oculo-
inotoriuslähmung als Regel aufgestellt werden müsse, dass die Lähmungs-
periode auf die des Schmerzes folge. Auch überschreite die Dauer selbst des
kürzesten Anfalles bei der recidivirenden Oculoraotoriuslähmung immer die-
jenige des typischen Anfalles von gewöhnlicher Migräne. Ferner sei mit ver-
schwindenden Ausnahmen (Chabbert, Schmidt-Rimpler) niemals das
FLi m m er 8 k o t o m bei den Anfällen recidivirender Oculoraotoriuslähmung be-
obachtet worden, w^elches doch ein so häutiger Begleiter der gew^öhnlichen
Migräne sei.
! Nach der Ansicht von Senator (1056) wären jene Beobachtungen, bei
welchen die Lähmungen nach dem Anfalle verschwinden, auf funktionelle
Störungen zu beziehen, diejenigen aber, bei welchen nach dem Anlalle
Lähmungen zurückblieben, seien auf rein organische Erkrankungen zurückzu-
führen. Demgegenüber führt Mingazzini (1064) an, die Erfahrung habe
' gezeigt, dass die wirklich periodischen Lähmungen eigentlich nur das An-
fangsstadium der Krankheit bezeichneten, weil dieselben später in ^periodisch-
exacerbirende" Lähmungen übergingen^ wie z. B. bei der Beobachtung von
Dar ksche witsch (1062). Auch könne eine ^periodisch-exacerbirende" in
eine ^rein periodische Oculomotoriuslähmung" übergehen, wie im Falle Joa-
' ch im (1071). In Charcot's Falle (1052) endlich blieb zuerst die Oculomo-
toriuslähmung auch in den Pausen zwischen den Anfällen bestehen, während
nach der letzten Attacke die LäJimung absolut verschwand.
Oppenheim theilt die Meinung Senator 's; denn wie es Migräneanfäile
mit oder ohne Aphasien, Paresen, Hemianopsie u. s. w. gäbe, so habe man
hier Migräne mit oder ohne Lähmung des Oculomotorius, und es könnten
diese Formen sowohl leichterj wie schwerer Natur sein.
502 Die Ptosis bei der recidivirenden Ocnlomotoriaslfthmiuig.
Massalongo (1055) glaubt, dass in den meisten Fällen Entzündmug^
prozesse, oder Neubildungen an den Nerven oder den umgebenden Menii^ii
die Ursache seien. Der Grund für die Anfalle wäre in einem zeitweiligen
Ausbruch der entzündlichen Prozesse, oder in einer starken Hyperämie des
entzündeten Gewebes zu suchen, wodurch dann ein Druck auf den Nenrenast
hervorgebracht würde, und als Folge davon die Lähmung sich einstellte. Wem
nun diese Hyperämie typisch-periodisch wäre, wie die Menstruation, dam
würden nur periodische Anfälle auftreten, denn wenn der nun entzündliche
resp. hyperämische Anfall vorüber wäre, würde die Nervenfunktion wied«
aufleben. Es könne aber auch der Fall eintreten, dass ein Theil der Fasern,
welche gerade imter dem entzündlichen Drucke stünden , nicht mehr fähig
wären, sich zu erholen, resp. dass die entzündlichen Produkte anfingen einen
deletären Druck auszuüben, wodurch schliesslich die zwischen den einzelnen
Anfällen andauernden Lähmungen und ihr progressiver Charakter erklärt würden.
Marina (1077 pag. 244) meint, dass die Erkrankung in einer peripheren
Neuritis des Oculomotorius bestehe. Bezüglich der Lähmungsanfalle pradis-
ponire der einmal ergriffen gewesene Nerv als locus minoris resistentiae zu
Recidiven. Ausserdem könnten recidivirende Augenmuskellähmungen bei Tu-
moren, bei Tabes, bei Alkoholismus etc. vorkommen. Vielleicht liesse sich
auf diese Weise die Beobachtung Klatschkin's (1101) erklären, in weldier
bei einem 16jährigen Mädchen, das viele Jahre an Intermittens und Kopf-
schmerz gelitten hatte, eine linksseitige rein periodische Lähmung (Senator!
des N. oculomotorius, welche von Anästhesie des ersten Astes des linken
Trigeminus begleitet wurde, aufgetreten war. Die Oculomotoriuslähmung setzte
dreimal ein und fiel jedesmal mit sich wiederholenden Fieberanfallen zu-
sammen. Die Chininbehandlung führte allemal zur Heilung. Die Lähmung
musste als eine rein periphere (wahrscheinlich Neuritis malarica) aufgefasst
werden.
Alle die gegebenen Erklärungen für die recidivirende Oculomotorius-
lähmung befriedigen in keiner Weise. Sektionsbefunde von wirküch hierher
gehörigen Fällen liegen erst zwei vor und zwar für die auf Seite 492 ange-
führten Beobachtungen von Thomsen-Richter und von Kar plus. In
beiden wurde ein Neurofibrom resp. ein Neurochondrom im Oculomotorius-
stamm konstatirt. Vor allem fehlen uns langjährig fortgesetzte Beobachtungen
einschlägiger Fälle, welche in einer genauen Untersuchung auch des Wunel-
und Kerngebietes des Oculomotorius ihren Abschluss finden. Es ist darum
auch völlig unnütz bei der Unsicherheit der Diagnostik der Nuclearlähmungen,
sich in theoretischen Betrachtungen zu ergehen, ob die Symptome mehr ffir
eine Nuclearlähmung sprechen, wie eine solche von Möbius (1061) ange-
nommen wird, oder für eine basale Lähmung, für welche Mauthner (1107)
eingetreten war. Wir glauben vor der Hand mit Marina, dass dil reci-
divirende Ocul omo toriuslähmung nicht als eine Krankheit
sui generis aufzufassen ist, sondern als ein klinischerSjm-
ptomenkomplex, der aus noch unbekannten Gründen zufolge ver-
schiedener Ursachen, gerade den Nervus ociilomotorius befällt,
und dessen Aeusserungen im Allgemeinen eine gewisse lieber^
eiDstimmung zeigen.
In ätiulagiselier Hinsicht ist ebensowenig Sicheres zu berichten.
Mingaüzini (1064) hat die fast für jeden einzelnen Fall verschiedenen,
angeblichen ätiologischen Momente zusammenges teilt, ohne zu einem an-
nehmbaren Resultate zu gelangen, Tbatsache ist, dass die Krankheit last
immer im Kindes- oder Jünglingsalter beginnt Unter dem von Mingazzini
zusammengestellten Material^) ergab sich, dass bei 17 Fällen die Krankheit
vor dem 10. Jahre eingetreten war, ebenfalls bei 17 Fällen zwischen dem 10. und
20. Jahre: bei 8 Fällen zwischen dem 21. und 30. Lebensjahre, bei 2 Fällen
zwischen dem 3L und 40., bei 1 Fall zwischen dem 41. und 50., und bei 1 Fall
zwischen dem 61. und 70. Lebensjahre.
Auch bat Mingazzini gefunden^ dass die Krankheit sich ungefähr
gleich auf beide Geschlechter vertheilt im Verhältniss von 25 Männern zu 31
Frauen.
Hinsicbtlich des Verlaufes der Kranklieit lässt sich nur so viel sagen,
dass bei den meisten der Falle, welche hinge beobachtet wurden, schliesslich
eine mehr oder weniger komplete Ocnlomotoriuslähmung auch während der
Pausen auftrat: Bezüglich des Endausganges der Krankheit lässt sich eben-
sowenig sagen, dazu sind die beiden einzigen Fälle mit Sektionsbefuud von
Richter und Karpluts, welche einen Tumor im Oculomotoriusstamm aufweisen,
gegenüber den 60 — 70 Beobachtungen doch an Zahl zu gering, um massgebend
sein zu können. Dass Senator und Scbmidt-Rimpler je einen Fall
beobachtet haben, in deren Verlauf die Lähmungsanfälle ausblieben, hatten
wir bereits früher erwähnt.
§ 250. Die Diagnose der recidivireuden Oculomotoriuslähmung
ist im Allgemeinen nicht schwer, da ihre Erscheinungen ziemlich charakteri-
stisch sind. Vor allem gründet me sich auf die Periodicität der Anfälle,
wenigstens im Beginn des Leidens, auf das Befallenwerden nur einer und
zwar immer der gleichen Seite, auf den migräneartigen Charakter der Anfiille
und darauf, dass die Lähmung meist mit dem Aufhören des Kopfschmerzes
erst einsetzt. Ferner rnuss bei der Lähmung stets der Oculomotorius be-
tbeiligt sein, ob in der Gesammtlieit der von ihm versorgten Muskeln, ist
wenigstens im Beginne des Leidens nicht nöthig.
Bei den beiden hierhergehörigeu Fällen mit Sektionsbefund von Tb om sen-
il ich t er (1097) und Karplus (1066) mit einem Neuro- resp. Choudrotibrom
im Oculomotoriusstamnie bestand kouiptete Oculomotoriuslähmung. Sollte der
basale Sitz der Erkrankung durch weitere Sectionen bestätigt werden, so ist
ja leicht daraus ersichtlich, warum in der Mehrzahl aller Fälle eine kompleto
Oculomotoriuslähmung während der Anfälle beübachtet wurde; dass
aber bei dem basalen Sitze der Affektion eine komplete Oculomotoriuslähmung
Bei welchem wir jedoch nicht alle Fälle als hier h ergeh Drig betrachten.
504 Die Ptosis bei der recidivirenden Ocnlomotorioslllliinaiig.
nicht unter allen Umständen auftreten muss, hatten wir pag. 348 bei der
basalen Oculomotoriusaffektion zufolge cerebraler Lues eingehend nachgewiesen.
Ob die Fälle, bei welchen neben dem Oculomotorius noch andere Gehinh
nerven, wie z. B. der Trigeminus, der Facialis, der Abdncens und der
Trochlearis mehr oder weniger stark mit affizirt sind, überhaupt dem Kapitd
der recidivirenden Oculomotoriuslähmung eingereiht werden dürfen, und ob
dieselben nicht eine oder mehrere Gruppen für sich bilden, bleibt vorlaufig
noch den Erfahrungen der Zukunft überlassen. Ob die Fälle mit Alterairen
des Anfalles, wie in der Beobachtung von Darquier (1059), hierher gezähk
werden dürfen, kann ebenfalls zur Zeit noch nicht entschieden werden.
§ 251. Bezüglich der Differentialdiagnose ist folgendes m
erwähnen. Schon früher hatten wir hervorgehoben, dass wir die recidivirende
Oculomotoriuslähmung nicht für eine Krankheit sui generis, sondern for einen
Symptomenkomplex halten, welcher durch unter sich verschiedene Krankheits-
zustände bedingt werden könne, und es wird nun unsere Aufgabe sein, diese
Krankheitszustände bezüglich ihrer zur Verwechselung mit recidivirender Oculo-
motoriuslähmung führenden Erscheinungen hier Revue passiren zu lassen.
Da die beiden einzigen Fälle von recidivirender Oculomotoriuslähmung mit
Sektionsbefund auf Tumoren im Oculomotoriusstamme zurückzuführen waren,
werden Gehirntumoren und besonders solche an der Basis nicht selten zur
Verwechselung mit recidivirender Oculomotoriuslähmung Veranlassung geben
können.
So hatte der pag. 455 erwähnte zweite Patient Gianelli's Anlalle
von Kopfschmerzen mit Erbrechen und vorübergehender Lähmung des Levator.
welche dann allmählich stabil wurde. Wenn auch nachher die Kraft der
linken Extremitäten und das Sehvermögen herabgesetzt wurde , so hätten
doch namentlich im Beginn der Erkrankung Zweifel auftreten können, ob
hier nicht eine recidivirende Oculomotoriuslähmung statt eines Tumors, der
thatsächlich bei der Sektion im Gyrus angularis gefunden wurde, anzunehmen
gewesen sei.
Noch zweifelhafter war der folgende Fall von Türk (985), in welchem ein Sijilir.
Patient 4 Monate vor seinem Tode einen heftigen Schmerz in der rechten Sapraoihital-
gegend empfanden hatte, worauf am folgenden Tage das rechte ohere Augenlid herabsank.
Bei seiner Aufnahme ins Hospital wurde eine fast vollkommene Lähmung des rechten Ocn-
lomotorius, Neuralgie im I. Aste des rechten Trigeminus und eine rechtsseitige Ambljopie
konstatirt. Bei der Sektion fand sich ein Tuberkel auf der Dura, der den rechten Rim.
ophthalm. nervi quinti und die rechte Hälfte des Chiasma komprimirt und den rechten N.
oculomotorius vollständig infiltrirt hatte.
Dass ein Aneurysma an der Basis ähnliche Erscheinungen hervorrafeo kann, zeigt
uns ein Fall Fiedler's (761), bei welchem ein 22 jähr. Individium plötzlich mit Kopf-
schmerzen und Erbrechen erkrankte, eine Lähmung des linken Oculomotoiins sich ent-
wickelte, und unter allgemeinen tonischen Krämpfen mit BewassUosigkeit der Tod erfolgte.
Die Autopsie zeigte einen Bluterguss an der Basis des Gehirns, besonders links. &
fand sich ein kirschkemgrosses Aneurysma der linken Carotis interna centralwärts an der
Theilungsstelle in die Arteria fossae Sylvii und den Ramus commnnicans anterior, Rnptnr
der Wand des Aneurysma, an dessen äusserer Seite der Stanun des N. ocolomotoriiis Ug.
reicher, bflndartig plattgedrückt, graa verfirBt und mit dem Aneurysma verwachaeu schien.
Die plattgedrückte Stelle lag üDmiltelbar an dem Funkt, an welchem der Nerv durch die
Diii'a hin durch tritt.
Eauchfusfi (1109) heobachtete als anatomische Uraache einer Lähmung dea Jioken
Ocnlomotorms ein erhseogroasea embolisches Aneurysma an der Abgangsatelle der linken
Art^eria cerebri posterior und der linken Art. basilaris und zwar vor dem Abgange der Art.
communieans poaieiioT, welches auf den Verlauf de^ Oculoniotorius einen Druck ausübte.
Zeitweise auftretende Hyperämien konnten bei derartigen
Befunden Zustände hervorrufen, die einer periodischen Oculoniotoriuslalimung
sehr ähnlich waren.
Auch darf hier ein Fall Luzenberger's (1110) nicht unerwähnt
bleiben, wiewohl er nur den Trochlearis betrifft.
Ein 29jähng^er Mann erkrankte nach einem mohi-etündigen Marecli ohne Kopfbe-
deckung in der Sonne mit Kopfachm erzen » üehelkeit und Doppeltsehen. Alle 8 Tage wieder-
holten »ich die Anfälle. Vorbote des Anfalles war Pulsiren im Kopf. Während des An-
falls atürkere Füllung der rechten Temporalia und LÄhmung des Nerv, trochlearia. (
Für die Ursache der Anfälle hält Verfasser eine periodische Schwellung ,
des Sinus cavernosus; dieser habe einen Druck auf den I. Ast des '
Trigeniinus und den Nerv, trochlearis ausgeübt, '
Ferner stehen unter den krankhaften Zuständen, weJche eine periodische
Oculoraotoriuslähraung verursachen können, die Syphilis und die Tabes I
obenan.
So beobachtete Adams (1111) bei einem 32jährigen Zahnarzt am linken Auge erst
Parese des Rectus auperior, dann in einigen Tagen sich ausbildende kompleto Lähmung des
Oculomotonus (Fto!!»is und Dlvergenzslellung) [mit Ausnahme der die Iris und den Ciliar-
mnskel versorgenden Zweige. Nach einem Monat war morgens heim Erwachen die
Lähmung verschwunden; aber nach Ablauf von IQ Tagen kehrten die Symptome allmählich
wieder und erreichten in 24 Stunden wieder ihre Höhe. Nach weiteren 2 Monaten erfolgte
allmählich Besserung und volle Heilung, welche der Patient der Anwendung kalter Doucben
zuschrieb. Vor 10 Jahren hatte eine syphilitische Infektion stattgefunden. Während wir
in diesem Falle die migräneartigen Kopfschmerzen vermissen (wenigstens ist derselben in
der Krankengeschichte keine Erwähnung gethan) ähnelt die Beobachtung von Pe1> (364)
ganz ansaerordenttich dem Symptomenkomplexe, welchem wir bei der recidivirenden Oculomo-
toriuslähmung begegnen. Dieser Autor beobachtete innerhalb iweier Jahre hei einem
Kranken siebenmal recidivirende parti el La Ocul omo torinsläh m ung. Der erste
Anfall dauerte zwei Tage, der letzte noch nicht zurück gegangene schon zwei Monate. Es
war immer geringe Ptosis vorhanden, und das Auge stand nach unten aussen abgelenkt.
Di© nicht erweiterte Pupille reagirte träge. Sonst war alles normal, aber Fehlen der Pate 11 ar-
reflexe, lancinirende Schmerzen und Güiielgefühl wiesen auf beginnende Tabes hin.
de Bono (1118) beobachtete einen 40j&hrigen, vor G Jahren an Syphilis erkrankten
Kunsttischler. Es bestand leichte Ptosis rechts, Lähmung heider Interni und des
linken Inferior. Nach einem Monate verschwand die Ptosis rechts und trat linkerseits auf.
Nach sechs Tagen verschwand sie links und erschien wieder rechts* Ea bestanden fihriltäre
Zuckungen im linken Oberlid. Leichter horizontaler Nystagmus; die Pupilleni^aktion
erhalten. Die Funktion des Rectus inferior besserte sich durch eine anttiuetiache Behandlung.
Das Altemiren der Lähmung spricht eigenthch gegen recidivirende
Oculomotoriuslähmung. Es ist jedoch in dem Falle Darquier (1059), der
doch wohl zur recidivirenden Oculomotoriuslähmung gerechnet werden
ninss, ebenfalls vorhanden gewesen.
I
506 Die Ptosis bei der recidivirenden OculoniotoritiBlälimang.
Der Fall Ormerod's (1112) betraf ein ältliches Frauenzimmer. Ffir die Afl&iim
von Migräne war kein Grund vorbanden. Die Anfälle von Oculomoioriusl&hmunf ▼llut«
oft 2^-3 Monate. Der erst*^ Anfall wurde anBchnnend durcb den Shock hervorgenifen, i^i
Patientin vom Tode ibrer Schwester borte, der zweite durch den Schrecken beim A»Uid
eines Knaben mit tiesicbtsläbmuDg. Das Argy 11-Robertsu n' scbe Phänomen mx h,
aber die Kniereflexe fehlten nicht. Vielleicht ist dieser P^all auch als Hjat«ne sn d«ata
und die reflektorische Starre der Pupillen auf spastische Miosis za bezieben.
Howard (lllBj bericlitet, dass bei einem 54jäbri§ren Tabiker unt^r KopfsduBcnn
die Erscheinungen einer Lähmung des Nervus oculomotorius aafgetretMi vänt
und langsam wieder verschwunden seien. Fünf Monate später entwickelte sich reckte
Btrabiämus divergens und Ptosis; im weiteren Verlaufe Schwerfälligkeit im S|i>«cki»
Kau- und Scbluekbescbwerden. Endlicb stellte sich auf beiden Ohren Tantdieit da,
das Sehvermögen auf dem rechten Auge erlosch. Der Status praesens zeigt die FaptilcD'
bewegungen vi&llig aufgehoben, beide Augen völlig unbeweglich, Anästhesie beider Hjh^
häute, Ätrophia nervor. opticorum, Paresis glossolabialis und Fehlen des KniephisonNBL
Auch war in einigen Zweigen der Nervi trigemini das BertLhrungs- und TemperatnrgeHU
beeinträchtigt oder geschwundeu,
W&hrend in diesem Falle später der wahre Charakter des Leidens hervortrat bitte
d&eeelbe anfangs sehr wohl mit recidivirender Ocalomotoriuslähmung Ter wechselt wirdea
können,
Marina (1114) erzdhit folgende Beobachtung. Eine 40jährige Patientin, bei welckr
weder Verdacht auf Alküboliamus noch Lues vorbanden war, erkrankte zwei Tage nmck dir
Geburt ihres Kindes an Schmerzen in der rechten Gesicbtshälfte, Herunterhängen des obcfa
rechton Lides; in weiteren vier Tagen war der rechte Bulbus starr. Kein Zeicheo rm
Hysterie. Vollständige Lähmung des rechten Oculomotorius und Parese des reckta
Abducena. Fehlen des Patellarreflexes. Romberg. Gastrische Krisen.
Zwei Monate später deutliche Besseruiig der Oculomotoriusl&hnmng. Die redili
Pupille reagirte. Die Parese des Äbducens bestand fort. 5 Monate nach Beginn der Er
krankung konnte eine volletÄndige Heilung der Äugen iiiuskellälimung konstatirt werden.
4 Jahre später abermals Geburt eines Kindes. Wieder 2 Tage nachher stedMmit
Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte und Wadenkrünipfe. Daneben trat Ptosis wd
TJnbsweglichkeit des reehten Bulbus auf Nach 5 — 6 Tflgen waren die Lähmungen iinQi^-
gegangen, und jetzt bestehen nur noch die Schmerzen fort Alle Augenmuskeln normal, tivt
der Extemus rechts ißt insufficient. Die etwas miotischen Pupillen reagiren besser bei Kon-
vergenz als auf Licht. Keine Pate Harr eflexe. Homberg.
Nach einem Monat: Insufücienz beider Internt. Pupillenbewegnng aormah BeeUi
beginnende Yerfärbung des Opticus.
Die Lähmung auch anderer Augenmuskeln neben dem Oculomotorius, welche periodiiak
in diesem Falle aufgetreten war, spricht nicht gegen die Diagnose «recidivirende OcalooM-
toriueiähmuug^denn wir hatten auf pag. 489 zahlreiche Beobachtungen welche als recidivireodt
Oculomotoriuslähmung im speziellen Krank heitssinu gelten müssen, zusAmmengestellt, hm
welchen auch andere Augenmuskeln, insbesondere Facialis und Trigeminns gelAhmt mum.
Eine luetische PatienHu Jelly 's (1115) litt zum zweiten Male an voIlatAadi^
beiderseitiger Oculomotoriuslähmung» die man auf eine Erkrankung an derBarä
zurückführen möchtet ausserdem aber an Gefühls-, Muskel- und Ernäbrungssturangtn ci
anderen Körpertheilen, sowie an Verlust der Bebneureflexe. Die Erscheinungeo deuteten luf
Syringomyelie hin.
Üie Doppeiaeitigkeit der üculonaotoriusliihmung in diesem Falle
spräche nicht gegen eine recidivirende Oculoiiiotoriuslähmung im Siime unserö
KrankheitsbildeSj denn, wie wir auf pag. 41*3 gesehen haben, kommt doppel-
seitige Ptosis bei Fällen von recidivirender Oculomotoriuslähmung vor,
welche wie die Beobachtung von Anderson und Jack (1095) uod Ton
f
labbert (1095) unstreitig ziir recidivirenden Oculomotoriuslälimulig gezählt
rden müssen»
Auch durch eine chronische Meningitis können Zustände hervor^
gebracht werden^ welche der recidivirenden Oculomotoriuslähmung ausser-
ordentlich ähnlich sind.
So berichtet Weiss [^798) vergleiche auch pag. 395 dieses Banden] ttber folgenden Fall:
Eine 30jährige Magd wurde mit ziemlich weit vorgeschrittener Lungentuberkulose in's
Krankenhaus aufgenommen. 6 Tage darauf trat totale Oculoniotoriuslähmung linkerseits
&uf, ein Zustand, der nach Angabe der Kranken seit ihrer Kindheit alljährlich vorübergehend
mufgeireten &ein solL Nach 12tägigeni Bestände fand man die Lähmung zuillckgegangen.
Drei Wochen später abermals totale Lähmung, die nach 14 Tageia bis auf eine leichte Ptosis
'wieder gewichen war» Fünf Wochen nach Beginn des letzten Äufallee wieder complete Ocu-
lomotoriuslähmung, welche bis zu dem 3 Wochen darauf erfolgenden Tode der Lungen-
kranken konstant blieh Der Augenapiegelbefund war stets ebenso normal» wie die Funktion
der übrigen Himnerven. Die Autopsie ergab neben tuberkulöser Lungenphthise folgendes;
,Der linke Oculomotonus platt, gräulich; in seiner Wurzel beim Austritt aus dem Gross-
hirnschenkel zahlreiche mohnkorngrosse Granulationen, die eine leichte warzige Anschwellung
der Nerven Wurzel bedingten. Der rechte Oculomotorius, sowie alle anderen Himnerven
unverändert. Die vom linken Oculomotorius versorgten Muskeln fettig degenerirt. Die
frische mikroskopische Untersuchung der Granulationen ergab einen reichlichen Gehalt an
Tuberkelbacillen. Beim Durchschneiden durch den gehärteten Grosshirnschenkel zeigte sichf
dass die Granulationen nicht in die Tiefe griffen.
Weiss detttet den Fall dahin, „d^ss analog dem chronischen Lungenprozess
sich eine chronische Entzündung an der Wurzel des Nervus oculomotorius etablirt
habe, und dass dem von Zeit zu Zeit erfolgenden Aufschiessen neuer Tuberkel-
granulationen mit reichlicher Vaskularisiruug der Umgebung ein LÜhmungs-
anfall entsprochen haben mochte.^* Das Zurückgehen der Lähmung sollte
„durch Uebernahme der Leitung von Seiten der noch leitungsfähigen Oculo-
motoriusfasern*' solange bedingt worden sein, bis schliesslich, als die Geschwulst-
masse den ganzen Nervenquerschnitt durchsetzt hatte, die totale Lähmung
persistirte.
W ad8worth«1103)beobachtete eine periodisch exacerbirendeOculom otorius-
lähmung bei einem jungen Mädchen, welches im Alter von 3 Jahren von Skarlatina
befallen worden war, und seitdem an recbtsseittgem Kopfschmerz und an einer eiterigen
recbtsseitigen Otorrhoe htt. Beim Nachlass des Kopfschmerzes entleerte sich in der Regel
aus dem Ohre eine grosse Menge übelriechenden Fiters. Der Nerv, oculomotorius war
immer bei jedem Anfalle von Hemikranie vollständig gelähmt, und verschwand die
Lähmung nach Aufli**ren des Anfalles fast vollständig, Wadsworth nahm eine entzünd-
liche Veränderung der Dura an der Hirnbasis in der Gegend des rechten 14. oculomotorius
an, und zwar ina Hinblick auf die bestehende Ohrenerkrankung,
Ueber einen ähnlichen Fall berichtet Saundby (1Ü89): Ein 7 jähriger Knabe klagte
(81. August 18^4) seit S Tagen filier Uebelbefinden und Schmerzen über dem rechten Auge
und in der rechten Gesichtaaeite. Es bestanden Ptosis und Pnrese des rechten Rectus
internus. Der Knabe sah doppelt und hielt beim Gehen das rechte Auge zu. Der linke
Muudwifikel hing etwas tiefer. Sonst war das Kind ganz gesund. Gehör beiderseits gut
Der Schmerz hörte auf und nach 1 Woche bestand keine Augenläbmung mehr. Ein Jahr
Euvor war ein ähnlicher Anfall aufgetreten. Am 7, Nov. 1&83 hatte der Kranke über
Schmerzen über dem rechten Ohre und 4 Tage früher über Doppeitaehen geklagt. Es bestand
recht>8 etwas Ptosis, Austtuss aus dem linken Ohre und der linke Facialis war in den
unteren Zweigen etwas geschwächt.
508
Die Ptosia bei der recidivireDden OeulomatoriudlähmaDj^p
Ferner berichtet Coombs Knapp (1116) Ober folgenden Fall: Ein 41 jähr, frlko
geauiider Mann bekam im Anfange des Jührea 1892 heftige Schmerzen in der linken Sm
mit Erbreclien» ParästbeaieD und Üctüomotoriuslähniung. Nach 7 Wochen hörte der Schioffi
auf, und die Lähmung verschwand gans. Im Dezember bekam er wieder Schraenea oit
Oebelkeit und Erbrechen. Der Schmerz war unerträglich nnd besonders gegen Abend liefii|.
Bald üel das Auge za* Nach 2 — 3 Wochen hörte das Erbrechen auf nnd nahm der Srbai*ri
ab. Am 9. 11. 189B wurde Hnka vollständige Ocylomotoouslähmung, Hyperästhesie im
Gebiete des II. Trigeminuaaates, Parästhesien an der Stirn konstatirt. Der Kranke ir»r u
den abnorm fühlenden Stellen sehr empfindlich gegen Berührungen, ein kältet Luftzug rj«l
heftigen Schmerz hervor. Kr klagte über Empfindungen in der Nase und Ober W11Ö5-
eiterigcn AusÜnsa aus dem linken Nasenloche. Es bestand Lichtscheu.
Knapp behftiiiJelte den Kranken bis Ende April Jod vertrug er nicht Der Zostiiii
war büld besaer, bald schlechter, oft kehrte der Schmerz zurück. Die Lähmon^ mkm
langsam ab, sie war aber bei der EnthiBanng noch nicht geschwunden.
Auch im U, Falle vob Schmidt-liimpler (1121) bestaDd ein Mittel-
ohrkatarrh auf der Seite der Ocubmotoriuslähiiiiing.
Auch Massalongo (1055) nimmt eine intrakraiiielle Entzündung am
Nervenstamme oder den Meningen in der folgenden Beobachtung an:
Eine aus gesunder Familie stammende 30jflbrige Frau hatte als Kind Maiem bii4
Diphtherie durchgemacht !m Jahre 1Ö74 erkrankte sie an 8 Tage andanemden MigriM-
anfällen.
Im Jahre 1881 trat ein 30 Tage anhaltender solcher Änfull auf, «iann war ai« fm
bis zum Jahre 18S7. In der Zwischenzeit hatte sie im Jahre 1882 Endometritis, im Jahr« \^
Rheumatismus artic. Typhua und Phlebitis. Im Jahre 1890 acht Tage nach einem MigTio«^
anfalle: Lähmung des ganzen rechten Oculomotorius. Der Kt>pfschmen besserte
sich mit dem Eintritt der Lähmungen. Wahrend des AnfaUes Abschwüchnng der Sehscbirf«
rechtä,. am dreisai^sten Tage Amaurose. Die Eetinalvenen waren stxotzend mit Blut gefUfit
Die Arterien und die Papille kaum sichtbar.
Nachdem der Anfall vorflber war, wiederholte sich der Kopfschmerz, aber ohne Aogin-
muskeüähmung. Nach 20 Tagen verschwand die Amaurose und nach 70 Tagen veriorifl
Bich die Augenmuskellähmungen.
Diese intrakranielle Entzündung am Nervenstamm oder den Meningen soll sich VMk
Massalungo durch äussere Umstände verschlimmert und so die periodische Llkaonp*
form hervorgerufen haben.
Der pathologische Augenspiegelbefund in diesem Falle spricht nicht gegen den St»
ptomenkomplex des Krank heitsbegriif es: ^recidivirende Oculomotoriuslähmung*. Wir bahrt
auf pag. 489 gesehen, das» bei einer ziemlichen Anzahl notorisch hierhergehönger Fllli
von Seiten des Augenspiegels pathologische Befunde gemeldel wurden»
Ferner gehört wenigstens zum Theil der Fall G übler (1075) hierher, der anci wk
dadurch von Bedeutung ist^ dass man durch ihn auf die recidivirende OculomotoriaallldBlil
aufmerksam geworden war.
Dreimal, in Zwigchenräumen von mehreren Jahren, war der münnliche Patieot tt
Iiähmung des rechten Qeulomotorius erkrankt gewesen, die jedesmal im Verlaufe von emi|«a
Wochen von selbst wieder verschwand. Der vierte von Gnbler beobachtete Lllhniiiiiipna&il
betraf aämmtliche Aeste des Oculomotorius. Die übrigen HlrnnervoD waren gesund, ebüi*
die Beweglichkeit in den Extremitftten normal. Nachdem die Paralyse einige Tage gedaotft
hatte, trat Delirium ein mit Röthnng der rechten Geaichtshftifte» Verengerung der Papula mi
leichter Hebung des Lides, sowie Zunahme der Temperatur im linken Arm. DasCoM
wurde intensiver, die Zunge konnte nicht vorgestreckt werden, das Sehvermögeii adriü
abhanden gekommen zu sein. Am fünften Tage nach der Aufnahme ins Spital erfolgte Iff
Tod. An der Gehirnbaeis, besonders zwischen dem Circulus arter, Williaii fand mok •«
reichliches plastisches Exsudat mit Yerdickung der Pia mater. Der Nerv, ocnlomotoin
i
&r durchaus vom Ex&iidate umgeben, das nach mehreren Seiten AdbäeioDSfitränge auege-
Dbickt hatte. Lioks erstreckte sich dasselbe bia zum Cbiasma, recbts etwas weiter nach
^'^ome, J)m Ursprun^srinnen der Nerven an der Seite der Medulla waren mit einem Extra-
vasat auagefüllt, und fanden sich daselbst ausgedehnte VerwachsuiiKen ; irn Pens ein kleines
Blutcoagalum ; in den Seitenventrikeln viel Serum. Die Wände derselben ziemlich erweicht.
Wir hatten schon auf pag. 502 erwähnt, dass die Beobachtung Klatsch-
kin's {1101) wahrscheinUch als Neuritis malarica anfgefasst werden müsse.
Kin IßjähTiges Mädchen, das nämlich viele Jahr© an Intermittena und Kopfschmerzen
f^dlitten hatle, bekam eine linksseitige rein periodische Lähmung des Nerv, oculo-
xnotorius, welche von Anästhesie des ersten Astes dea linken Trigemi nun begleitet wurde.
Die Ocalomotoriualahmnng Irat dreimal auf und fiel jedesmal mit sich wiederholenden Fieber-
anfallen zusammen. Die Cbininbehandlung fübi-te alle Male zur Heilung.
Auch der auf pag. 460 erwähnte Fall Dej er ine's (1043) mit perio-
discher OcuJomotoriusHihinung bei ni ri 1 1 i p 1 e r Neuritis niuss hier noch
emmal angeführt werden.
Ein 57 jähr. Gärtner, der im 55, Jahre Tjpbus, aber nie Syphilis, gehabt hatte, war
seit 4 Monaten krank. Der rechte Bulbus war unbeweglich, der linke heachränkt beweglieh.
Beideraeits bestand Ptosis» rechts stärker als links. Allgemeine Extremitätenschwäche,
besonders des linken Arms. Abachwächung der Fatellarrefiexe. Ks scheintf dass diese
Symptome das dritte Reeidiv dargestellt hatten* Im -Jahre 1881 halte er zuerst
linksseitige Ptosis, dann Lähmung aller Muskeln des Qesidits und der Extrem itütem
Nach 7 Monaten trat Heilung ein. Im Jahre 1888 Reeidiv aller Symptome. Es wurde dabei
ünbeweglichkeit der Bulbi, Lähmung der Zunge, des Pharynx, des Orbicularis, Atrophie en
masse, WestphaFschea Phänomen, Dyapnoe und Orthopnoe konstatirt. Im Jahre 1886
Heilung. —
Auch die chronische isoli rt bleibende Ophthalmoplegie (siehe
pag. 117) könnte zur Ven^echselung mit der recidivirenden Oculomotorius-
läbniung ftihren,
So traten im Falle Birdsall (297) die Lähmungen einzelner Augenmtiakeln mit der
Ptosis iDtermittirend auf, um nach einigen Wochen stabil zu werden.
In Dafour's Beobachtung (290) entstand bei einem 51jährigen Manne vor 25
Jahren vorübergehende Ptosis, vor 18 Jahren linksseitige Ptosis, welche ebenfalls
wieder verschwand. Im 49. Jahre abermals linka Ptosis und zwei Monate später rechts.
Später wurden die iussereh BuIbuBmusketn und die Iris mitergritfen.
Bei einem 5 monatlichen Kinde trat nach Eliasberg (286) im Alter von 5 Monaten
zuerst Strabismus dea rechten Auges auf und verschwand wieder nach 14 Tagen, um nach
weiteren 14 Tilgen dauernd zu werden. Zwei Monate später gesellte sich Ptosis dazu.
Alles übrige war normal.
In einem Fßlle von Ormerod und Holmes Spicer (1099) war periodische Lähmung
beider Oculomotorii eingetreten im Verlaufe lang .anhaltender Kopfschmerzen mit schliess-
lichem Ausgange in beiderseitige komplete Ophthalmoplegia exterior. Oh der Fall jedoch
hierher gehört,, ist bei der fragmentarischen Wiedergabe desselben zweifelhaft.
Das Fehlen der Kopfscbmeraen bei den Anfällen, das meist doppelseitige
Auftreten der Äugenmuskellähmiingen und das so häufig beobachtete eigen-
thüniliche Schwanken der Intensität der Lähmungen im Laufe des Tages sind
Eigenthiiralichkeiten, welche mehr bei der chronischen progressiven isolirt
bleibenden Oplithatmoplegie gefunden werden, wiewohl auch im Falle Manz
(1080) von recidivirender Oculomotoriuslähmung die Pupillenreaktion und die
Accomniodation fast täglich Schwankungen zeigten, für die keine
510
Die Ptoek l»ei der recidivirenden Oculomotorioslähmung.
besondere Ursache aufgefunden werden konnte. Ausserdem ist die Im ün4l
die Accommorlation bei der isolirt bleibenden Ophthalmoplegie nur ausnakni«»!
weise gelähmt, während dies bei der recidivirenden Ocuioraotoriiislähmang fast
die Regel ist.
Auch das Kapitel der chronischen und subchronischen Oph-
thalmoplegie kombinirt mit Bul bärkern- und Vorder hörn-
erkranknugen (siehe pag. 203} liefert uns zwei der periodischen Ociiio-
motoriuslähmung ähnliche Falle, So erzählt Dufour (393) folgende BeoK
achtung (vergleiche pag, 2{)1):
Ein 51j&briger Mann hatte vor 25 Jahren eine vorübergebende doppel86ili|
PtoatB, Vor 18 Jahren abennak eine I itiksBeit ige Levatorläh muog, welchen
vorüberging. Eine Lähmung der linken Hulbusbeber trat vor 18 Monaten anf, ond ri
Monate später wnrden auch die rechten Bulbusheber befftllen. Seit 3 Monaten bestellt eiat
Lfthmung des linken Äbducens, dann kam eine Lähmung beider Trochlearea mit Aboib&f
daa Pupillenreflexes auf Licht btnzu, Ophrhalmoakopisch normal. Pateliarreflex ooraiL
Die als Forme fruste der asthenischen Bulbärparaljse (t
gleiche pag. 228), von Karplus als asthenische Oph t halmoplegi
bezeichneten Fälle periodischer Augenmuskel Iah umug verdienen ebenfalls ]
angeführt zu werden.
Kar plus (462) hericbtet, dass hei einer 24jjlhrigen Frati im 6. Jahre ohne iossete
VeranlaBfiung eine geringgradige recbt^äeitige Ptoais aufgetreten sei» welch© in ^
nächsten Tagen an Intenaität zugenommen habe« und welcher sich iu dem Laufe dtf
nlchaten Wochen auch linksseitige PtoaiB hinzugesellt hätte. Nach «Einern Jahre ging dii
beiderseitige Ptosis allmählich zurück. Seither traten alljöhrltch in6hrw5ebia!kliflk
dauernde Anfälle starker b eider e ei tiger Ptosis auf.
Während dieser Zeiten froh Remissionen, abends Exacerbationen der Parese. Spit«
Schwäche und auffallende Ermüdbarkeit iu den Ober- und Unterextremitdien. Dinof
Ophthalmoplegia exterior. BeiderseitB Ptosis mittleren Grades» Parese des Stirn- rai
Aagenfacialis, vorübergehende Kauöch wache.
Camnset (472) berichtete Über einen 55 Jahre alten KapitÄn, welcher vor :^5 Jahr*fl
von einer Diplopie befallen wurde, die nach 1—2 Monaten wieder veracli wunden vu.
5 Jahre apäter erschienen dieselben Symptome mit leichter doppelseitiger Ptosia oai
hielten ein Jahr lang an, 8 Jahre später trat wieder ein Anfall mit Doppelt^sehen quI
Ptosis auf^ komplizirt während zweier Monate mit Schlingbeschwerden und hochgradiger
allgemeiner Schwöehe. Nach 7 Monaten voll&tändige Heilung. Nach 9 Jahren ein neoer
Anfall mit beiderseitiger Ptosis, totaler Ophthalmoplegia exterior und nachfolgender alls^
meiner Schwäche, Bis zur vollen Ent Wickelung deraelben vergingen 4 Monate. Dii* llii
and die Accommodution waren stets frei gohlieben. Keine Sehstorungen beim naonoktdlna
Sehakte. Der ophthalmoskopische Befund heideraeits normaL
Duboys (412) (vergL pag. 210) beobachtete einen 30jährigen Katscber, der deir
lange an Gelenkrheumatismus gelitten und mit 24 Jahren heftige K opf scbmersco
mit Doppelt sehen nnd Ptossis der linken Seite bekommen hatte, welche Stömii^
einen Monat lang anhielten und in jedem Frühling wiederkehrten. Beim 6. Anfalle wnfit
beiderseits Ophthalmoplegia mixta cumpleta gefunden. Die weiten Papillen reagirtafl
ein wenig. Nach wenigen Tagen Lähmung des Schlundes und des rechten Armes- Ta4
durch Lähmung der Athemmuskeln, Bei der Sektion fand man nur eine leichte Bluiüber
f&llung der Meningen.
Weil in diesem, der Krankheit ^recidivirende Oculoraotoriuslähnmng* 1
ähnlichen Falle, sowie in dem später auf pag. 512 zu erwähnenden Falle too
Tentlrassik die tSektion, sowie die mikroskopische Untersuchung keinerlei
Anhaltspynkte für ein organisches, die Symptome bedijigendcs Gnindleiden
geboten hatte, so darf man auch die Annahme Senator's, dass die „rein
periodischen Fälle" von recidivirender Oculomotoriuslähmung funktioneil ner-
vöser Natur seien, noch nicht als widerlegt betrachten.
Femer gehören hierher einige Fälle sog. recidivirender Nuclear-
1 ä h m u n g.
So beobachtete Parenteau (1113) awei Fälle rückfälliger Augenmus kellähmuiig ohne
ligräne. Eine Frau hatte Anfälle vollatätidiger Ophtlialmoplegie seit ibrom 12. Jahrei und
mik 16 jähriger Knabe alle 3 Monate solche des Oculonioborius. Die Kranken befanden aich
vor den Anfällen nicht ganz wohl, aie hatten aber keine Migräne.
Wenn in diesen beiden Fällen der Migraneschmerz bei den Attacken
vermisst wurde, so muss betont werden, dass bei der ersten Beobachtung
Schmidt-Riiupler's {1121), die derselbe bestimmt zur Krankheit; reci-
divirende Oculomotoriuslähmung rechnet, ebenfalls keinerlei Zeichen einer
Migräne vorhanden gewesen, und dass den Lähmungsattacken keine Kopf-
schmerzen vorausgegangen waren.
PflQger (1057) beobachtete ein 22 jähriges Frauenzimmer, das zuerst im 18. Jahre
März 1*581) während einiger Wochen heftige Schmerzen in der Umgehung des linken Anges
nnd dann zwei Müoate lang AngenmuskelUibmung links und L&hmung der linken Gesichts-
h&lfte gehabt batte. Im Fehrunr 188-^ zweiter Anfall: Neuralgie und nachfolgende Lähmung
des rechten Oculomotorius, 8 Tage lang dauernd. Im Juli 188vi heftiger Anfall mit gleichen
Symptomen. Wgbrend der Besserung S Wochen Lang rechtsseitige FacialishLhmung. Ende
April 1885 neuer Aufall. Intensive Neuralgie Über dem rechten Au^e, dann Lühmung des
rechten Ocalomot oriua.
Pflüg er fand die Kranke im Juni nervös und b erabgekommen durch die heftigen
Schmerzen, welche sich über den ganzen Kopf erstreckten, am stärksten über den Augen und dem
Arcus Eygomaticus waren und gegen Abend, ohne je zu verschwinden, exacerbirten. Krhrecfaen
hatte nie bestanden; der Augenbintergrund war normal. Zunüchst Besserung. Dann im Juli
wieder rechtsseitige Lähmung der äusseren Oculomotoriuamuskeln ohne Betheilignng des
Sphinct. iridis und M. ciliaris. Wieder stärkere Schmerzen. Am 18. Juli lancinirende
Schmerzen vom linken Froc. mastoid, nach dem Nacken. Am 19. Lähmung des linken
Abdocens und des linken Facialis. Die Augenlähmnng ging stetig zurück» war am 23- Juli
auf den Eectus sup. bescbränktt Ende Juli ganz geheilt. Tom Beginne der linksseitigen
Abducens- und Facialislähmung an, hatten die Schmerzen nacligelassen und bestanden nur in
geringerem Grade in der linken Nackengegend. Die linksseitigen Lähmungen gingen lang*
ftftni zurück.
Id diesem wie in den folgenden Fällen traten die Lähmnngganfälle
alternirendj bald rechts bald links auf, ein Umstand, welcher bei der
recidivirenden Ociiloraotoriuslähmunt; im Allgemeinen nicht vorzukommen
pflegt, aber doch, wie erwähnt, im Falle Darquier (1059) beobachtet worden ist.
Ziehen (1058) beobachtete ebenfalls einen Fall von recidivirender, alterniren-
der Oculonaotoriualähmung.
Eine SSjfihrige Korbmachei-sfran war wegen Grössen- und Wahnideen in die Irren-
anstalt aufgenommen worden. Seit ftlnf Monaten klagte sie über Kongestionen und Kopf-
druck, Erscheinungen, die aich nach Biergenuas steigerten; das Gemchsvemiögen war za
gleicher Zeit verschwunden. Bei der Aufnahme des Status waren beide Pupillen sehr eng,
die linke Pupille apiirweise weiter als die rechte, die Reaktion prompt. Es bestand starke
sekundäre Innendeviation des linken Auges, schwache des rechten. Nach häufigem Zusammen*
512 Die Ptosis bei der recidivirendeD OculomotorinaUÜiminig.
zacken in der Nacht trat leichte Ptosis des linken Auges und Lfthmung des liaka
Mnsc. rectus intemas unter Migräne auf. Die Pnpillendifferenz war kaum nachweiikr.
die Reaktion erhalten. Fünf Tage später hatte sich eine linksseitige Lähmung der insMm
Augenmuskeln entwickelt, während die Accommodation und Pupillenreaktton nonial
geblieben waren. Weitere sieben Tage war der Nervus supraorbitalis links dmckeapiai-
lieber als rechts, und es bestand Druck im linken Auge. Nach ungef^Üir zwei Wochen wir
die Ophthalmoplegie gebessert, ebenso die Ptosis. Nach weiteren zwei Wocheo wir ae
geheilt. Dafür traten jetzt im anderen Auge Schmerzen und ConjunctiTitis aal Nad
drei Tagen hatte sich unter Migräneerscheinungen Ptosis und Ophthalmoplegia ezierior
rechterseits entwickelt; Pupillendifferenz nicht deutlich. Im Verlauf von 4 Woebeo wv
Heilung eingetreten. Kurz darauf hatte sich linksseitig derselbe Prozess unter Fieber iBi4
Appetitlosigkeit wiederholt. Vier Wochen später bestand die Erkrankung der linken Sdti
noch ziemlich unverändert fort.
Den Fall de Bono (1118) mit alternirender recidivirender
Oculomotoriuslähmung hatten wir schon auf Seite 505 bei der Loes
erwähnt. Den folgenden Fällen von alternirender recidivirender Oculomotoriiis-
lähmung resp. Ophthalmoplegie lag Tabes zu Grunde.
Woinow (875) berichtet über einen Fall, bei welchem anderthalb Wochen nad
Lähmung des Rectus internus am rechten Auge sich Paralyse des M. rectus internus mi
Obliq. sup. des linken Auges einstellte. Dann wurde fünf Tage später Paralyse des M.
rectus und Obliqu. des rechten Auges konstatirt. Nach vier Wochen waren alle Mnakeb
wieder normal, bis wieder zwei Wochen später Lähmung des Rectus superior beidefseits
auftrat.
Jendrassik (376) sah einen Tabiker, welcher bei der Auftiahme ins Hospitil
rechterseits eine weite Pupille, eine Ptosis, Strabismus divergens, Facialis- und sensiU«
Trigeminuslähmung zeigte. Der ganze Symptomenkomplez begann nach einem haOMS
Jahre sich zu bessern, und die vollständige Heilung vollzog sich in 8 — 10 Tagen.
Während dieser Zeit entstand aber die gleiche Lähmungsform auf der linken Seite
in gleichem Schritt mit der Besserung auf der rechten Seite. Ein halbes Jahr später wanderte
die ganze Lähmung wieder nach der rechten Seite zurück. Bei der Sektion war nichts
Auffallendes an der MeduUa oblongata zu erkennen. Auch die mikroskopische üntersnebimg
erwies keine Veränderung in den betreffenden Nerven kernen.
Bunzel- Feder (1179). 32 jähriger Postbeamter. Im Jahre 1875 rheumatisciie
Schmerzen. Im Jahre 1883 Rheumatismus art. acut, und Perikarditis. Im Jahre li^
Lähmung der Accommodation links. Am 3. 12. 1890 links Ptosis, Lähmung des linken
Trochlearis. Nach 6 Monaten verschwindet die Ptosis links und erscheint rechts, inden
sie in wenigen Tagen manchmal stärker, manchmal leichter eintritt. Die Trochlearislähmoag
besteht fort. Seit einem Jahre tägliche Anfälle von Tachykardie. Der Anfall fängt mit
stechenden Schmerzen an der Brust und am linken Arme und mit starker Pulsation an des
Halsarterien an und dauert einige Minuten bis eine halbe Stunde. Der Puls steigt dam
bis zu 160. Die Stärke des Anfalls kann durch tiefe Inspirationen vermindert werden und
auch aufhören. Fundus oculi noimal. Beiderseits besteht Miosis und Pupillenstarre. Die
Anfälle sind nach Mahlzeiten stärker.
Bernhardt (1120). Sljähriger Mann. Seit 9 Jahren krank. Keine Syphilis. Die
Krankheit begann mit Mydriasis und Lähmung der Accommodation links. Nach einen
Monate Parese des Levator palp. sup. links, Lähmung des Rectus inferior, interaiB
und superior. Nach fünf Jahren Lähmung des rechten Abducens. Nach einem Jahre HeilaBg
und Lähmung des linken Abducens. 9 Jahie, nachdem die Augenaffektion angefangen hatte,
Parästhesien und lancinirende Schmerzen in den Beinen. Normaler ophthalm. Befand;
Zuckungen in den unteren Facialiszweigen. Pupillenstarre, links zuerst, nach 5 Jahrea
rechts. Nach einem Jahr kehrte die Reaktion bei Konvergenz, nach einem zweiten Jahre
auch die Lichtreaktion wieder.
Die Ptosis bei der recidmrenden Oculomotoriuslähmung. 513
Auch einzelne Fälle hysterischer Augenmuskellähmutigen mit
ligräne resp. Neuralgien, wie die auf Seite 473 erwähnten Fälle von
rasparini (1010) und von Eissen (1024), welche jedoch auch als hegin-
lende multiple Sklerose gedeutet werden könnten, würden bezüglich
ier Differentialdiagnose von recidivirender Oculomotorinslähraung in Betracht
ziehen sein.
Cantalamessa (1065) erzählt folgenden Fall Ein 16 jähriges Mädcheo wurde im
Winter 1888 von beftigen Kopfschmerzen geplagt, welch© oft 4, 5 bis 10 Tiigo audfluerlen
. mid anfangs jeden Monat eintraten. Im Winter 1890 gesellte sich xu tlen Anfällen
r Erbrechen« Das Gehör, der Gernch und dos Gesicht, sowie der Augeuspielbefund waren
normal. Dagegen beitand rechts Mydriasiis, Btrabismas diyergens und Ptosis, aucb
wmde eine leichte Herabsetzung des Geschmacks an der vorderen und hinteren Hälfte
der Zunge beobachtet. Die Sensibilität war links herabgesetzt. Der Druck auf die Aeste
des Qulntus und auf verschiedene Stellen der Wirbelsäule sehr schmerzhaft.
Dieser Znstand hegleitet von unstillbarem Erbrechen dauerte ungefähr eine Woche,
d&na beruhigte sich die Kranke, Kopfachmeri, Erbrechen und die Oculomotoriuslähmung
Terachwand, dagegen war eine leichte konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung, namentlich auf
dem rechten Auge £U konstatiren. Der Anfall begann mit leichten Fieberbewegungen und
war auch von StÜru^ng der Athmungsorgane begleitet. Die relative Ruhe dauerte bis zum
28. Februar. An diesem Tage neuer heftiger Anfall, hei weichem ausser allen früher beob-
achteten Erscheinungen noch eine linksseitige Ptosis mit Strabismus divergens und
Trübung des Sehvermögens auf dieser Seite hinzutrat. Auf diesen Anfall folgte wieder
eine Periode relativen Wohlbefindens bis zum 27. März; an diesem Tflge neuer Anfall mit
gleichen Symptomen wie heim letzten, nur vermehrt um eine Paralyse des rechten Mund-
facialls.
Am 4. April neuer Anfall und dann Auftreten einer Ruhepause, welche bis zum 17.
April dauerte, und während welcher alle krank haften Sj mptome verschwun-
den waren.
An diesem Tage neuer Anfall von zweitägiger Dauer, während der vorhergehende
AnfaJl 4 Tage gedauert hatte
Bei diesem letzten Anfalle klagte die Kranke, nachdem die übrigen Erscheinungen
verBch wunden waren. Über eine schmerzhafte Zusfimmenziehung der Muskeln des rechten
Beins, Auch diese Kontraktur verschwand nach wenigen Tagen. Hierauf folgte eine lange
Zeit des Wohlbefindens, bis dann wieder rechts eine leichte Ptosis ohne Strabismus und
ohne Pupiüenläbmung auftrat. Die Ptosis verscbwand dann wieder, und es wurde die Kranke
aus der Beobachtung entlassen.
A. Hin de (1098) beschreibt folgenden Fall: Nachdem in 8 Wochen nur die Ptosis ab-
genommen hatte, begann zugleich mit einer Menstruation ein neuer Anfall, Die Kranke
©rwBcbte in der Nacht mit WUrggefühl und SchwiudeL Am Morgen Schmerz um das linke
Äage und in der linken Kopfhälfte, welcher rasch zunahm und sich mit Erbrechen verband.
Der Schmerz bestand aus einzelnen 8t5ssen and grosser Heftigkeit, die nach je 3 —5
Minuten wiederkehrten und 2 — B Minuten andauerten. Dia Empfindlichkeit der Haut der
oberen linken KörperbäUte, die Riech- und Schmeckfähigkeit links waren erloscben. Das
GobOr des linken Ohres war gut, nur Klingen bestand zeitweise. Schmerzen und Erbrechen
dauerten zunSchst in gleicher Weise fort.. Erst am nächsten Tage hörten die quälenden
8chmerzsti)sse und mit ihnen das Erbrechen auf, ein dumpfer Kopfschmerz blieb. Es hatte
sich über die gan^e linke Körperhälfte Hemiauästhesie ausgebreitet. Die linke Cornea war
ganz unempfindlich. Am 3. Tage war der Zustand unverändert, nur nahm der Schmerz ab.
Am 4. Tage Schwäche des linken Gliedes und angeblich Sprachbeschwerden. Am 5. Tage
Wohlbefinden j die Symptome sonst unverändert; Amaurose des linken Auges ohne nach-
weisbare Veränderungen. Die Kraoke nahm ihre Arbeit als Wäscherin wieder auf
514 Die Ptosis bei der recidivirenden Qcalomotorinslähinnng.
Die reichhaltige Zusammenstellung von Fällen mit sich wiederholende;
Lähmung des Oculomotorius zeigt, wie schwierig die Diiferentialdiagnose bei
der recidivirenden Oculomotoriuslähmung sich gestalten kann. Vor aDen
müssen diejenigen Krankheiten in Betracht gezogen und ausgeschlossen werden,
in deren Verlauf wiederholt' Oculomotoriuslähmungen vorkonunen können.
Wenn dieselben auch direkt aus den mitgetheilten Fällen sich ergeben, so
wollen wir sie dennoch der Uebersichtlichkeit halber nach der Gnind-
krankheit geordnet hier anführen:
1. Intrakranielle Tumoren:
a) im Oculomotoriusstamm, Türck p. 504,
b) im Cerebrum, Gianelli p. 455.
2. Aneurysmen der basalen Gefasse des Gehirns:
Fiedler p. 504, Rauchfuss p. 505.
3. Schwellung des Sinus cavernosus:
Luzenberger p. 505.
4. Syphilis des Gehirns:
Adams p. 505, de ßono p. 505.
5. Tabes:
Pel p. 505. Ormerod p. 506, Howard p. 506, Marina p.506
6. Syringomyelie:
Jolly p. 506.
7. Meningitis chron.:
a) Weiss p. 507, Massalongo p. 508, Gubler p. 508,
b) bei Ohrerkrankung Wadswort p. 507, Saundby p. oOT.
Schmidt-Rimpler p. 508.
c) bei Nasenleiden Coombs Knapp p. 508.
8. Multiple Neuritis:
Dejerine p. 509.
9. Chronisch isolirt bleibende Ophthalmoplegie:
Birdsall p. 509,
Dufour p. 509,
Eliasberg p. 509,
Ormerod und Holmes Spicer p. 509.
10. Die chronische und subchronische Ophthalmoplegie, kombinirt mit
Bulbärkem- und Vorderhomerkrankung:
Dufour p. 510.
11. Die asthenische Ophthalmoplegie:
Karplus p. 510, Camuset p. 510.
12. Multiple Sklerose I Gasparini p. 473, Bissen p. 473,
13. Hysterie J Cantalamessa p. 513.
L
Die Ptosis bei der recidirirenden Oculomoionuglälimuiig. 515
Bevor man also eine recidivirende Oculomotoriuslähmung als Krankheit
i generis diagnostizirt, müssen die vorstehenden Krankheiten ausgeschlossen
^erden. Bei der recidivirenden (leulomotorioslähmuug: nun dürfte es sich bei
sn bis jetzt bekannten Fällen um zwei Gruppen handeln:
Die eine umfasst die grössere Anzalil Ton Beobachtungen und dürfte
Hinblick auf den negativen Sektionsbefund und auf den innigen Zusammen-
ang dieser Fälle mit der Migräne vielleicht schliesslich doch wohl als eine
Unterabtheilung dieser Erkrankung anerkannt werden.
Die zweite Gruppe scheint neuritischer Natur zu sein (Neuritis malarica
[Klatschkin)) und könnte vielleicht eine Analogie in der recidivirenden Fa-
cialislähmung finden, die ja ebenfalls neuritischer Natur ist.
§ 252, Im folgenden fügen wir noch zwei eigene in dieses Kapitel gehörende
Beobachtungen zu den bereits erwähnten hinzu.
E. B. acht Jahre altes Mfidchon* Vater in Folg« emea Unfalls geatorben. die Mutter
8oU unterleibaletdend und mne Schwester bmstJeidend sein, eine Schwester ist an Drüsen, und
mehrere andere Geschwister sind an unbekannten Krankheiten zu Grunde gegangen. Patientin
will früher im Allgemeinen gesund gewesen sein, seit mehreren Jahren leidet sie jedoch
leitweilig an Schmerz an fällen von mehrtägiger Dauer über dem rechten Änge. Erbrechen
and Stl»rungen von Seiten der Augen waren nicht vorgekommen.
Vor 14 Tagen leichte katharrhalische Angina. Vor 8 Tagen traten die Kopfschmerzen
Aufiällig stark und ohne Cnterhrechung auf- Patientin war Nachts schlaflos. Die Schmerzen
zogen hinauf bis zum Scheitel , blieben aber immer halbseitig. Seit 8 Tagen wurden die
Schmerzattacken auch von Krbrechen begleitet. Seit derselben Zeit hftugt das rechte
Oberlid herunter und besteht Schielen mit Doppel t^ehen Sonst sind Klagen über Appetit-
losigkeit und allgemeine Mattigkeit vorhanden. Schwindel besteht nicht.
Bezüglich der Ursache des Leidens giebt die Mutter an, Patientin sei als kleines
Kind aus einer in voller Fahrt begriffenen Droschke auf die rechte Seite des Kopfes gefallen.
Bewosstlos sei sie danach nicht geworden, sondern nur „dÖsig"; auch war sie weder übel
nach dem Fall, noch hat sie gebrochen. Kopfschmerzen hat sie danach nicht gebäht
Erst ein halbes Jahr nach diesem ünfalU seien zum ersten Maie die Kopfschmerzeii über dem
rechten Auge aufgetreten.
Status praesens: (20. Sept. 1898): Anscheinend schwerkrankes Kindp grosse Hin-
fälligkeit, starke Pulsverlangsamung (54 Schläge pro Minute). Das rechte obere Augenlid
hängt fast ganz herab und läest nur eine geringe Spalte offen (siehe Figur lOS); das
Lid kann aber durch Kontraktion des Frontalis noch etwas gehoben werden. Die rechte
Pupille weiter als die linke. Die Reaktion auf Licht und Accommodation etwas träger als
links, aber ergiebig. Die Bewegungen des rechten Bulbus im Sinne aUer vom Oculomotorius
versorgter Muskeln stark behindert. Die Bewegungen des Rectus extern us und des Obliquus
superior normal. Von Seiten des linken Auges keinerlei Störungen. Der Augensptegelbefund
ist beiderseits normal. Das Seh vermögen des rechten Auges aber herabgesetzt. Der
Facialis beiderseits norniai, der Tr ige minus ebenso; vielleicht besteht eine geringe
Hyper&sfbeaie für Nadelstiche im rechten Stimast. Der Acusticua beiderseÜa normal.
Die Zunge belegt, wird gerade herauagestreckt und zittert nicht. Beim Beklopfen
des Kopfes ist eine markstückgrosse Stelle auf der Mitte des rechten Scheitels an der
Verbindungslinie beider Ohren über dem Scheitel massig empfindlich.
Die Sehnen- und Hautreflexe sämmtlich normal. Psyche nicht gestört. Normaler
Herzbefund.
Eeine Motilitätsstörungen in den Gliedern. Die rohe Kraft normal. Keine Ataxie.
Keine Sensibilitütsstörungen am Körper. Die Comealrefiexe vorhanden. Geruch beiderseits
gleich. Der Geschmack ist entschieden gestört.
Witbrand-Saenser. K«arolopo dei Attges. I. Bd. IL Abtfaelltuig. M
Die Ptasia bei der recidiTir^nden Oculomotoriaslahmaog, 517
Beiderseits ist der Eornigator innenrirt, reckts mehr als links. Die rechte Angeiu
stellt etwas tiefer nod ist horixotiteler als die Unke, Im oberen Lid sind ^ahlreidi^
el gestellte, horizoDtäl verlaufende F<eD, Da^ rechte untere Lid zeigt mit der
Konvexität nach dem inneren Lidwinkel hin zahlmche konyergirende Filtdien. Beim Blick
geradeaus und bei unbedecktem, linkem Auge klaffe die rechte Lidspalte um 2 mm. Bei
Zuhalten der linken Lider erweitert sich etwas die rechte Lidspalte. Bei gegen den Orbital*
rand gedrückter Ltdhaut (zur Ausschaltung der Frontaliswirkung) kann das Lid bis lur
HiÜfte der Pupille geb«>ben werden, noch besaer bei Frontalisinnervation isiebo Figur 104).
I>ie rechte Pupille ist doppelt soweit als die linke. Rechts Accommodütionsiähmung.
I>irekte Reaktion auf Licht rechts normal, konseosnelle Reaktion erhalten. Die Conver^
^enZ'Heaktion der Pupille ist * vorhanden. Die Bewegungen des Bulbus nach innen völlig
aufgehoben^ nach aussen absolut frei, nach oben innen völlig aufgehoben, gerade nach oben
l>eeinträchtigt, nach oben aussen frei, nacb unten innen, nach unten und UDten aussen
ir&Uig aufgehoben.
E26. September. Das rechte Oberlid wird bereits etwas besser gebobeD.
27. September. Die rechte Pupille ist weiter als die linke und reagirt bedeutend
träger als die linke auf Licht Heute Temperatursteigerung bis 38V7**.
29. September. Patientin hält das rechte Auge beute fast ebenso weit geüffnet, wie
dne linke. Die rechte Pupiile reagirt beute besser als die linke. Der rechte
Rectus internus ist im Stande heute das Auge bereits etwas nach links zu drehen,
Patientin kann beute mit dem rechten Auge alles leseo.
2. Oktober. Die Internus Wirkung tritt tÄglich deutlicher hervor.
12. Oktober, Rechts noch Spuren von Ptosis. Beim Blick geradeaus in die Ferae
nur noch geringe Divergenz. Die rechte Pupille noch weiter als die linke. Bei
direkter Prüfung der Lichtreaktion (am Fenster) reagirt die Pupille noch nicht,
dagegen reagirt sie prompt auf indirektem Wege. Die Bewegungen des rechten
Bulbus nach aussen prompt^ nach innen im Sinne des Internus sehr mangetliaft,
nach unten innen sehr geschwächt, ebenso nach oben innen und gerade nach
oben, Allgemeinbefinden gut.
28. Oktober. Kein© Ptosis, keine Störung der Bulbuamuskulatur, kein© Accommo-
dationslfthmung, Pupille gleich weit, TieOeicht die linke um eine Idtse enger als
die rechte. Sonst alles normal.
2. November (siehe Figur 105). Alles normal.
14* November wieder Kopfschmerzen in der Stirn, Kein Erbrechen. Die rechte
Pupille wieder ober mittelweit, Reaktion auf Licht vorhanden, jedoch Accommo-
dationslühmong.
Während der ganzen Beobachtungszeit ist der Uim ^ei gewesen,
D, O. 25jährige Frau. Die Eltern sind gesund, 4 Geschwister desgleichen. 4 Ge-
scb^ster sind an Diphtherie und akuten Exanthemen in der Kindheit gestorben ; keine
oeuropathische Belastung.
Patientin hatte früher Masern und Scharlach. Vor 13 Jahren angeblich Typhus,
^«r&hrend dieser Ejankheit wurde das linke Oberlid gelähmt, auch besteht jetzt Strabismus
divergena concomitans. Das linke Auge weicht für gewöhnlich nach aussen ab. Be7,Uglich
jenes angeblichen Typhus macht die Mutter der Patientin folgende Angaben. Während der
Krkrankung seien Fieber, Kopfschmerz, Durchfall und Delirien vorhanden gewesen. Die
Patientin sei damals in völligem Wolilbefinden eines Morgens, als sie aufstehen wollte,
l^ldtxlich mit Kopfschmerzen und Erbrechen erkrankt. Das Fieber htib© 8—14 Tage ange-
luilten, soll aber nicht stark gewesen sein (gemessen wurde Patientin nicht). Am 8. Krank*
heitatage bemerkte die Mutter das völlige Herabhängen des linken oberen Augenlides,
Z)^t Arzt habe gesagt, das Kind sei an Typhus erkrankt. Lähmungen, Krumpfe etc. seien
Ton der Mutter nicht bemerkt worden^ jedoch konnte PHtientin den Kopf nicht allein im
Bett aufrichten, derselbe liabe kraftlos nach hinten übergehängt. Nach 8 Wochen sei
Patientin aufgestanden und habe sieh rasch wieder erholt.
84*
£
516
Die Ptosis beim Schlaf.
S^it B .Jahren, also seit ihrem 22. Jahre und zwar nach der letsUm Gtbiirt kill,
Patientin an Kopfscliinerzcu und zeitweiligem Erbrechen. Die Kopfsi;hiiier26ik trelea i
weise in nnrogelniassigen Intervallen auf, dabei fällt das Oberlid des linken Äuget 1
Immer nach den Wocbenbetten sollen die AnfÖlle stärker aufgetreten sein. FatitsliB 1
drei Kinder. Eins ht un Lebensscbwäcbe gestorben. Für Luee keine Ajih<s|kQ]ikte.
Status praesens: Links Strabismus divergens, leichte Ptosis (sielie Figur 101]
Beim Blick nach innen, bleibt das linke Auge bedeutend zurück. Beim Blick luieb obei
bleibt das linke Auge etwas hinter dem rechten zurück, ebenso beim Blick liAch onttt.
Die linke Papille etwas weiter als die rechte, beide von prompter Reaktion. Die AeOdDU^
dation beiderseits uormal Sekscilill ml
Allgenspiegelbefund beiderseits lUtad
Keine GesichtsfeldeinschrÄnkung.
1. VI 98. Erbrechen ohne £ppf
schmerzen. Der Sitz der KopfBchni«nfn «I
ganz verschiede D, einmal Ober dem ForuBcs
Bupraorbitale, ausstrahlend nach der 5&s»
hin, dann wieder auf beiden Seiten de
Stirn, manchmal auch links von hinlia
nach vom ziehend. Die inneren Oip»
gesund. Keine SenBibilltAtsstörangsD, Üiä
frei von Zucker und Eiweiss, Racbeorefla
vorhanden. Haut* und Sehnenreflexe nonaiL
üeBchmack und Geruch in Ordnimg.
20. Vit. 98. Gestern hatte Piticolio
wieder einen Anfall. Derselbe besliiiid ii
Kopfschmerzen auf beiden Seiten der Süra
und Stechen über dem linken Auge. Du
linke Oberlid hängt wieder etwas tWfer.
Der Anfall war aber im Ganzen nickt »
stark als früher, ist auch heute schon ^uu
vorüber, Patientin fablt sich nur noch e<wii
flau. Sonst hatten die Anfalle imiiitf
mehrere Tage gedauert.
Im weitereu Verlaufe der BeobacktBif
war die Ptosis ganz yersch wunden, mnä m
blieb von der Bewegungsstörnng aof das
' linken Auge nur noch der Stiabisa»
divergens con comitans übrig, der nach Ausweis der Figur 107 mit Erfolg operirt worden lA
AnacheineDd gänzltch geheilt wurde die Patientin aus der Behandlung (Jodkali) enl
Fig. 107*
D. O. EecidivireDde Oculoraotoriuslähmung. Freies
Intervall,
iÜaM^_
i6. Die Ptosis beim Schlaf*
§ 253, Da beim normalen Schlaf Erscheinungen an den Lidern eine
konstante nnd bedeutsame Rolle spielen, so ergiebt sich von selbst, dass «ir
hier in Kürze auf dieselben eingehen.
Als charakteristisches Zeichen des beginnenden physiologischen Schkf«
betrachten wir, abgesehen von einer gewissen Trägheit der willknrlicheo
Bewegungen, einen allmählichen Nachlass der das Oberlid hebenden Kraft*»
Zuerst tritt eine Proptosis auf, dann sinkt das Oberlid noch weiter, ki*
eine komplete Ptosis eingetreten ist. Die Oberlider hängen schlaff henb
►
Die Ptosis beim Schlaf.
519
und zeigen keinerlei Faltenbildung {siehe Fig. 108). Der Kopf sinkt herunter,
und die Kürpermuskeln gehorchen nur noch mit Mühe den immer schwächer
werdenden Willensäusserungen. Die Äthmung wird dabei langsamer, gleich-
massiger und tiefer; die Herzaktion ist vermindert. So stellt sich uns das
Bild eines vom Schlaf übermannten Menschen dar. Eine von der ge-
schilderten etwas abweichende Erscheinung beobachten wir an solchen
Individuen, welche mit der Absicht sich hinlegen, um zu schlafen. Hier sehen
wir nämlich einen aktiven Verschluss beider Lider durch Örbiculariskon-
traktion ; allmählich ver-
streichen aber auch hier
die zusammengezogenen Fält-
chen auf der Lidhaut und
man sieht ^ nachdem der
Betreffende eingeschlalen ist,
die Oberlider der Schwere
nach herabhängen. Niemals
beobachtet man aber hierbei,
wie 80 manchmal beim hyp-
notischen Schlafe, jene leich-
ten, an das Rosenbach 'sehe
Phänomen erinnernden Orbi-
cularisznckungen. Dagegen
tritt nicht selten im Schlaf
ein Spalt zwischen den Lidern
auf, als Beweis für das
Vorhandensein eines relativ
zu kurzen Oberlides, nicht
aber dafür, dass vielleicht
ein Lagophthalmus paraly-
ticus vorhanden wäre.
Indem aber der ßulbus
beim Schlafe meist nach
oben und innen gedreht
ist, und die Pupillen, wie
die interessanten Untersuchungen Raehlmann's und Witkowaki's
(1108), Sander 's (1125) und Plotke's (1126) ergeben haben, eine Ver-
engerung zeigen^ so ist auch das durch die Lidkürze bedingte Halb-Oflen-
stehen der Lider von keiner schlafmindemden Bedeutung. In § 32 hatten
wir schon des sogen. ^Verdrehens der Augen"" (eines Zustandes, in welchem
beide Bulbt unter dem halberschlafften Oberlid in der Richtung nach oben
und aussen verschwinden) bei mit dem Schlafe kämpfenden Personen erwähnt*
und auch hervorgehoben, dass im tiefen Schlafe die Bulbi langsame und
inkoordinirte Bewegungen nach allen Richtungen hin machen, "Wir werden
auf diesen Umstand später noch einmal zurückkommen.
\
I
Flg. 108.
Schlafender Mann,
Die Ptosis beim Schkf.
Was nun die schlafähnliclien Zustände wie SomnolenZj Sopor und Comi
betrifft, so sei hier, weil die Lider namentlieh bei letzterem ein vom norm&let
Sclilaf abweichendes Verhalten darbieten, in aller Kürze nocb damttf m-
gegangen.
Häufig ist es uns aufgefallen, dass bei dem pathologischen Schlaf, sm
dem man den Patienten nicht erwecken kann , und den man im GegensaU
zum Sopor, wo dies noch möglich ist, Coma nennt, die Augenlider halboffen
stehen wie in Fig. 109.
Dass beim normalen Schlaf dieser Spalt zwischen den Lidern ausser Wi
abnormer Kürze des Oberlides nicht beobachtet wird, könnte dadurch erklärt
werden, dass die meisten Menschen, wie wir dies ja auch kurz rorhe
erwähnt haben, beim g^
wohnheitsinässigen Schlaf &t
Augen aktiv schliessen. Beim
Coma dagegen fällt, wie wir dis
schon eingehender in § 14 äii§-
gefuhrt haben, eine aktive In-
nervation des Orbicularis ocoü
weg, im Gegentheil beobachtet
man im ganzen Facialisgebiet
eine deutliche Innen ations-
yT ^ schwäche, die vielleicht geruk
den eigenthümlichen Mangel
X ^ , '^^ß^^^^ jeden Ausdrucks bei den Co-
matüsen bedingt, wie in Fig.
101^ und in gewisser Weise
eine Aehnlichkeit mit der
Diplegia facialis (siehe Fi^. 16)
darbietet. In Folge dieser
Facialissch wache wird dordi
Herabsinken des Unterlides du
Halboftenstehen des Auges im
(■oma mitbedingt. Warum nun bei letzterem trotz völliger Funktion»-
Unfähigkeit des Levator palpebrae keine komplete Ptosis beobachtet wiri
könnte dadurch einfach seine Erklärung linden, dass durch den obea
erwähnten Spalt die Luft fortwährend ihre austrocknende Wirkung auf dtf
Conjunctivalsekret ausübt Hierdurch und in Folge des Ausfalls retiektorisclier
Blinüelbewegungen im Coma verliert das Sekret seine Geschmeidigkeit, ei
wird zähe und verhindert das erschlaffte obere Lid am Herabgleitan; so
wenigstens fanden wir die Verhältnisse in Fig. 109.
§254. Um mm die beim Schlaf vorhandene Ptosis zu erklären imd mö
das Zustandekommen und die Art derselben zu analysiren, müssen wir Doth*
gedrungen etwas weiter ausholen und auf das Wesen des normalen Schlafe»
genauer eingehen. Leider ist die Physiologie bis heute noch nicht im Stmiie^
/
Fig. 100.
Comatdser Knabe.
i
s befriedigende Erklärung der den Schlaf bedingenden Uraachen zu geben,
nnd wird das so hoch interessante und bedeutsame Kapitel in den meisten
Lehrbiichern der Physiologie entweder ganz mit Stillschweigen übergangen,
oder es ertlikrt doch nur eine sehr knrste und oft gar sich widersprechende Be-
handlung, So hat Breisacker (1 156) festgestellt, dass im Urin während der
Nacht eine relative Zunahme der Phosphorsäure st^ittfinde. Zu demselben
Resultat kam auch Zuelzen Während nun Letzterer diesen Befund so
deutet, dass die vermehrte Ausscheidung während des Schlafes mit diesem
in direktem Zusammenhang stehe und auf einen erhöhten Stoffumsatz während
desselben hinweise, ist jener anderer Ansicht, Er meint, dass Phosphorsäure-
und Stickstoffansscheidung nicht zugleich erfolgten ; dass also die Mengen von
Harnstoff, welche am Tage entleert werden, erst mit denjenigen geringen
relativen Phosphorsäuremengen zusammenträfen, die schon in der Nacht
zur Absonderung kamen. Sehr treffend erscheinen heute noch die Worte
Obersteiner's (1127), „dass der Schlaf ein physiologischer Zustand sei, mit
dessen Erklärung sich die Physiologie sonderbarerweise weit weniger befasst
habe, als die spekulative Psychologie*". Immerhin finden sich werthvolle
Notizen und Abhandlungen über den Schlaf zerstrent in der Litteratur der
verschiedenen Länder. Um so mehr hielten wir uns daher für berechtigt,
eine kurze Zusammenstellung der ältesten bis auf die modernsten Ansichten
über den Schlaf zu geben, einerseits weil wir gegenwärtig ein derartiges
Gegenüberstellen der verschiedenen, oft einseitigen Ansichten nicht zur Hand
haben, andererseits weil wir bei unseren schliesslichen Erörteiningen und
Folgerungen betreffs des in Rede stehenden Symptoms auf die verschiedenen
Theorien zurückgreifen müssen.
Nach Burdach (1147) ist der Schlaf der ursprüngliche Zustand. Erst
nach der Geburt erwache der Mensch und werde allmählich immer mehr
wach. Es wäre dalier widersinnig, den Sclilaf aus dem später erst eintretenden
Wachen zu erklären.
Die beste und eingehendste Darstellung des Schlafes finden wir in dem
Handbuch des Begründers der modernen Physiologie, Johannes Müller 's
(1 12B). ^ Jene Art von Erregung der organischen Zustände des Gehirns, welche bei
der Geistesthätigkeit stattfindet, macht allmählich das Gehirn selbst zur Fort-
setzung dieser Aktion unfähig und erzeugt dadurch Schlaf, der hier dasselbe
ist, was die Ermüdung in jedem anderen Theile des Nervensytems. Das Auf-
hören oder die Remission der geistigen Thätigkeit im Schlafe macht aber
auch eine Integration der organischen Zustände, wodurch ^ie wieder erregbar
werden, möglich. Das Gehirn, dessen Wirkungen bei dem geistigen Leben
not big sind, gehorcht dem allgemeinen Gesetze für alle organischen Erschei-
nungen: dass die Lebenserscheimmgen als Zustände der organischen Theile
mit Veränderung ihrer Materie erfolgen. Je länger daher die Thätigkeit der
Seele dauert, um so unfähiger wird das Gehirn diese Thätigkeit zu unter-
halten, und um so stärker wird die Hemmung der Seele, bis zuletzt die
Empfindungen selbst autliören, obgleich die Reize zu den Empfindungen fort-
i
522 Die Ptosis beim Schlaf.
dauern. Der ganz analoge Zustand tritt theilweise auch während da
Wachens bei dem Empfinden ein, denn wenn man einen farbigen Fleck sdir
lange betrachtet, so sieht man ihn zuletzt gar nicht mehr, und es find^ inf
der Retina ein allgemeiner Eindruck ohne örtliche Specifikation statt Bei
Nerrensch wachen wird es beim langen Sehen sogar dunkel vor den Augen.
Nicht bloss die geistige Thätigkeit selbst, auch andere anhaltende Wirkungoi
des animalischen Lebens, anhaltende und zuletzt ermüdende Thätigkeit der
Sinne, grosse Anstrengungen der Muskeln bewirken dieselbe Abspanoung,
denselben Mangel in den organischen Zuständen des Gehirns, das Bedürfniai
des Schlafs und den Schlaf selbst, wegen der Mittheilbarkeit der organischen
Zustände. Endlich bewirkt auch eine Hemmung der organischen Zustande
des Gehirns durch ein an roher Nahrung reiches Blut, wie nach reichUchen
Spirituosen Mahlzeiten, Schlaf. Stärker und durch Alteration des Sensoriuins
wirken die schlafmachenden Mittel. Selbst der blosse grössere Druck des
Blutes auf das Gehirn beim Horizontalliegen wird leicht die Ursache des
Schlafes.^
Wir sehen also, dass dieser grosse Physiologe in der Ermüdung des
Gehirns die Ursache des Schlafes zu sehen glaubt, also im Verbrauch de^
jenigen Spannkräfte im Centralnerrensystem , die das geistige Leben unter-
halten. So einleuchtend diese Erklärung im ersten Augenblicke auch erscheinen
mag, so macht sich doch bei einer genaueren Betrachtung der physiologischen
und pathologischen Verhältnisse, unter denen Schlaf eintritt, das Bedürfniss
eines tieferen Eindringens in die ursächlichen Momente geltend. Am ehesten
dürften wir diesem allerdings noch entfernten Ziele dadurch näher kommen,
dass wir die Bedingungen, unter denen der physiologische Schlaf entsteht,
mit Berücksichtigung der von früheren Autoren diesbezüglich abgegebenen
Erklärungen ins Auge fassen.
So soll der Schlaf entstehen:
In Folge von geistiger Ermüdung, d. h. in Folge von Veränderungen
chemischer Natur in der Hirnrinde. Abgesehen von der vorher erwähnten
Auseinandersetzung Johannes MüUer^s möchten wir der ausserordent-
lich geistreichen Theorie des Schlafes von Pflüg er (1129) hier eingehender
Erwähnung thun.
Nach dessen Theorie des Lebens wären die Leistungen der Organe durch
dissociative oder lebendige Materien bedingt, welche im Wesentlichai
eine besondere Modifikation von Eiweiss sei. Die Erregbarkeit habe ihren
nächsten Grund im intramolekularen Sauerstoff. Dieselbe erlösche, wenn de^
selbe zu Kohlensäure verbraucht wäre. Im Momente der Kohlensäuremolekäl-
bildung würden die Atome deshalb in die heftigsten Oscillationen versetzt
wie bei einer Explosion. Diese intramolekularen Explosionen, die während des
Lebens fortwährend abliefen, erzeugten durch die Fortpflanzung der Stösse
auf alle Theile der Moleküle starke Vibration aller Atome. So stellt sich
Pflüg er alle lebendige Materie, ganz besonders aber die graue Sobstam des
Gehirns vor. Auf Grund von Thierexperimenten wäre eine bestimmte Siunme
Die Ptosis beim Schlaf. 523
atramolekulären Sauerstoffs insofern die Fundamental bedingung für den
rächen Zustand ^ als diese Summe einen bestimmten Werth der Zahl der
üxplosionen ermöglicht, welche in der Zeiteinlieit bei gegebener Temperatur
ausgelost werden können. Den Schlaf hält er bedingt durch den Mangel an
intramolekularem, kohlensäurebildendera Sauerstoff. Nach Pf 1 üger sind in der
grauen Substanz des Gehirns höchst labile Zustünde vorhanden, die eine sehr
starke Dissociation zur Folge haben. Dies sei auch daraus zu entnehmen,
dass beim Warmblüter und Menschen das Leben keines Organes so abhängig
von der Zufuhr des Sauerstoffs wäre, wie das des Gehirns. Wieso nun ein
Mangel an intramolekularem Sauerstoff und somit Schlaf eintritt, erklärt
Pflüg er damit, dass der Verbrauch von chemischer Spannkraft währenddes
Wachens so gross ist, dass die während derselben Zeit mögliche Aufsaugung |
von Sauerstoff durch die lebendigen Hirnmoleküle nicht gleichen Schritt hielte, I
so dass die graue Substanz durch das Wachsein mehr verliere als gewönne*
Es würden daher die Explosionen weniger zahlreich.
Zum völligen Verständniss dieser Schlaf theorie musß noch die Annahme
Pflügers hervorgehoben werden, dass die das Gehirn kontinuirUch treffenden,
durch die Sinnesorgane zugeleiteten Erregungen die Dissociationsträger seien und
somit die liohlensäurebildung Term ehrten. Dies würde erklären können, warum
Menschen, selbst bei sehr geringer Gehimermüdung, wenn sie den äusseren
Reizen — Licht und Schall — entfliehen, sich in den Schlaf bringen können.
Zum Schlüsse seiner Abhandlung sagt Pflug er, dass es sehr ver*
schiedene Zustände der Hirnraaterie seien, welche zum Schlafe führten, die
aber alle das geraeinsam hätten, dass sie intramolekulare wären, welche die
Dissociation herabsetzten. Daraus Messe sich auch schliessen, dass die
Art, wie die schlaf machenden Arzneimittel ivirkten, eine sehr verschiedene
sein könne, wenn nur der wesentliche Effekt erzielt sei, dass die intramole-
kulare Wärme verkleinert würde.
Im Hinblick auf die Wirkung schlafmachender chemischer Produkte
sei nunmehr der Theorie Preyers (1130) gedacht, die eine Zeit lang grosses
Aufsehen gemacht hat. Nach dessen Ansicht bildet das Gehirn, Rückenmark
und die Gesammtheit der thätigen Muskeln während des Wachens eine Menge
von Stoffen, welche im Ruhezustand nur in Spuren oder gar nicht produzirt
würden, und deren Anhäufung die Ermüdung verursache. Diese Ermüdungs-
ßtoÖe verbänden sich tla, wo sie durch angestrengt anhaltende Thätigkeit sich
schnell anhäuften, leicht rait dem dissociirten Sauerstoff des Hämoglobins der
Blutkörperchen. Der Schlaf komme demnach dadurch zu Stande, dass der
Sauerstoff nicht mehr zur Herbeiführung der zum Aufmerksamsein noth-
wendigen Zersetzungsprozesse dienen könne, weil er von den durch die Arbeit
erzeugten und angehäuften Ermüdungsstoffen begierig autgenoramen würde,
vorausgesetzt, dass nicht allzustarke Reize dennoch die immer des Sauerstoffs
bedürfenden Zersetzungen des wachen Zustandes noch einige Zeit im Gange
hielten. Dann würden sich aber die Ermüdungsstoffe noch mehr anhäufen,
und der Schlaf trete schliesslich dennoch trotz starker äusserer Reize ein.
L
524 Die Ptosis beim Schlat
Zu den bis jetzt noch nicht genügend gekannten Ermüdungsstoffen recbnet
Frey er in erster Linie die durch die Muskelarbeit gelieferte Milchsiure
und das Keratin.
Eine durchaus andere Theorie ist neuerdings von Emanuel Rosen-
baum (1131) aufgestellt worden. Derselbe behauptet, dass das eigentiid»
Wesen der Ermüdung in einer Quellung der Nervenzellen im zunehmenda
Wassergehalt der Nervensubstanz bestehe. Die Wasserzunahme sei während
und in Folge der Thätigkeit durch die chemische Umsetzung der Kerreih
Substanz bedingt.
Obersteiner (1127) sieht im Schlaf einen Zustand des Gehirns, in
welchem die Reflexhemmung vom Gehirn aus, die er als Wille bezeichs^
aufgehoben und jede Aufmerksamkeit entfernt sei ; dieser Zustand träte um
so leichter ein, wenn das Gehirn sich bereits in einem auf Uebersäuernng
begründeten Zustande der Ermüdung befände.
Dass derartige Erklärungsversuche zwar verdienstlich sind, uns aber
durchaus nicht das komplizirte Phänomen des Schlafes einleuchtend machen,
dürfte schon aus folgender Ueberlegung hervorgehen. Es giebt eine ganze
Reihe von Momenten, die den Schlaf herbeiführen, und die mit Ermüdung im
gewöhnlichen Sinne des Wortes gar nichts zu thun haben.
§ 255. In erster Linie sei an die bekannte Thatsache erinnert, dass
bei Abwesenheit aller von aussen dem Körper durch die Sinne
zufliessenden Erregungen Schlaf eintritt. Ein klassisches Beispiel
ist der berühmte Fall von Strümpell (1132), bei dem das linke Ohr
und das rechte Auge die einzigen noch funktionirenden Sinnesoi^ane waren,
durch welche der Kranke mit der Aussenwelt in Verbindimg stand. Wurde
diesem Patienten sein sehendes Auge verbunden und sein hörendes Ohr
mit Watte verstopft, so hatte man in einer bei keinem Thierexperiment
erreichbaren Vollständigkeit jede Möglichkeit eines zum Bewnsstsein ge-
langenden äusseren Reizes ausgeschlossen. ^Zuerst machte der Kranke
einige Aeusserungen der Verwunderung und versuchte vergeblich sich durch
Schlagen mit der Hand Gehörseindrücke zu verschaflFen. Nach wenigen
(2 — 3) Minuten Hessen die Bewegungen schon nach, Respiration und Puk
wurden ruhiger, erstere gleichmässiger tiefer. Man konnte jetzt die Binde
von den Augen entfernen. Dieselben waren geschlossen: der Kranke
lag da im festen Schlaft. Mithin war hier die Möglichkeit realisirt, ein
Individuum bloss durch Femhalten aller äusseren sensiblen Reize zu jeder
beliebigen Zeit künstlich in den Schlaf zu versetzen und somit von Neuem
ein thatsächlicher Beweis dafür erbracht, dass der wache Gehimzustand ohne
die von aussen kommenden Erregungen auf die Dauer nicht erhalten werden
kann." Strümpell, der noch eine andere später zu besprechende li^
klärung für das künstliche Einschlafen giebt, hebt indess selbst hervor, dass
zu einer erschöpfenden Theorie des Schlafes die blosse Erörterung des Ein-
flusses äusserer Reize nicht ausreiche; so bedürfe die Periodicität des Schlafes,
das mögliche Einschlafen, trotz starker äusserer Reize etc. zu ihrer Erklanmg
Die Ptosb beim Schlaf. 525
ch anderer Voraussetzungen. — Ohne eigentliche Ermüdung d* h. ohne ver-
aehrte Muskel- oder Gehirnthätigkeit entsteht Schlaf durch Monotonie der
iinneseindrücke: sei es nun, dass dieselben durch die stetig wiederholten,
Reichen Associationen das Gefühl der Langeweile hervorrufen, sei es, dass
iurch jede länger dauernde Einwirkung einer Emptindung auf das Be-
ruBstsein, dieselbe an Intensität und qualitativer Bestimmtheit verliert
Vundt (1133)]. Ohne uns auf nähere Erklärungen einzulassen, sei nur der
[)ekannten einschläfernden Mittel gedacht, so des schon von Leibnitz
empfohlenen Zählens, des gespannten Lauschens auf das Ticken einer Wand-
ihr, auf gleichförmige Melodien etc. Ob der hypnotische Schlaf in letzter
Qstanz lediglich in diesen psycho-physiologischen Momenten seine Ursache
hat, möge dahingestellt sein, wenn auch Vieles zu Gunsten dieser Anschauung
sprechen dürfte. — Bekannt ist auch der Einfluss der Kälte auf die Entstehung
des Schlafes; also auch hier fehlt das Moment der Ermüdung. Interessant
ist die von Pflüger gegebene Erklärung: Der Winterschlaf tritt bei einer
gewissen Zald von kalt- und warmblütigen Thieren in Folge der längeren
Eimvirkung der Kalte ein, wenn die Temperatur des GehiiTis unter einen
gewissen Werth sinkt. Demnach verkleinert sich die intramolekulare Vibration,
folglich auch die Intensität der Dissociation und der Koiilensiiurebildung,
Je tiefer die Temperatur herabgeht, um so stiller wird es im Gehirn und
sekundär in allen Organen, deren Dissociation durch die Kälte natürlich auch
primär vermindert erscheint. Offenbar ist die Nöthigung zum Schlafe in
hoher Kälte auch beim Menschen eine analoge Erscheinung.
§ 256. Von hervorragenden Autoren wurde als wichtigstes Schlaf be-
wirkendes Moment die Blutmenge im Cerebrum hingestellt und zwar
von den Einen die Hyperämie und von den Anderen die Anämie des
Gehirns.
Dr. Carp enter (1134) ist der Ansicht, die erste Ursache des Schlafes
wäre in dem Druck zu suchen, den die ausgedehnten Blutgefässe auf das
Gehirn ausübten. ZiemHch derselben Ansicht ist Sir Henry Holland
(1135). Barthey (1136) und Cabanis(1137) waren der Meinung, dass wäh-
rend des Schlafes eine allgemeine Plethora der kleinen Blutgefässe des ganzen
Körpers vorhanden sei. Letzterer glaubt, es fände während des Schlafs ein
vermehrter Blutzutiuss nach dem Gehirne statt.
Prof. Barkow (1138), welcher über den langen Winterschlaf der Sieben-
schläfer und Haselmäuse eingehende Untersuchungen angestellt hat, fand im
Gehirn derselben einen auffallenden Blutreichthum.
Nach unseren jetzigen Ansichten ist die verletzte Anschauung nicht haltbar,
da bei einer aktiven Hirnhyfierämie die Blutcirkulation im Gehirn vermehrt
und der Stoffwechsel beschleunigt wird, was den Eintritt des Schlafes verhindert.
Falls wirklich im Schlafe die Hyperämie vorhanden sein sollte, so ist dieselbe
sicherlich passiver Natur, bei welcher in Folge der verlangsamten Cirkulation
und des dadurch l>edingt.en trägeren Stoffumsatzes Schlaf leichter eintreten
kann. Vielleicht bevorzugen wir aus diesem Grunde die horizontale Lage
526 Die Ptosis beim Sehlat
beim Einschlafen, weil dadurch das Blut schwerer aus dem Gehirn abflieat
und dadurch eine passive Hyperämie des Gehirns herbeigeführt wird.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Servetus den Schlaf auf den
Druck zurückführt, den die erweiterten Blutgefässe auf die Chorioidesl-
plezus ausüben.
Von anderen Autoren wurde auf Grund von verschiedenartigen Erw»-
gungen und Experimenten behauptet, die Ursache des Schlafes bestehe in
einer cerebralen Anämie.
So hat der berühmte italienische Physiologe Mos so mit Hilfe des
Hydroplethysmographen dargethan, dass das Gehirn während des Schlafes
weniger Blut empfängt, als während des Wachens. Dadurch sei die Ernäh-
rung des Gehirns unvollkommen, und hierdurch werde der Schlaf bedingt
Dass eine verminderte Blutmenge im Gehirn cerebrale Trägheit^ Schlif-
rigkeit, ja Schlaf bewirkt, ersieht man aus der allgemein bekannten Thai-
sache unserer Müdigkeit nach einer reichlichen Mahlzeit, wenn in Folge der
Verdauung eine Fluxion des Blutes nach dem Magen stattfindet. In richtiger
Erkenntniss bedienen wir uns gegen diese Schläfrigkeit des stimulirenden
Kaflfees oder der Cigarre. Bei den südlichen Völkern tritt die Siesta in ihr
Recht, imd bei den Thieren beobachten wir regelmässig nach der Fütterung
Schlaf. Dass während des Schlafes eine Anämie des Gehirns besteht, kann
auch daraus erschlossen werden, dass die Fontanellen der Kinder beim Schlafen
einfallen, und dass nach grossen Blutverlusten bekann termassen eine auf-
fallende Schläfrigkeit eintritt.
Dendy (1139) beobachtete im Jahre 1821 eine Frau, bei der das Gehirn
und seine Häute frei lagen. Im tiefen Schlaf erschien das Gehirn bewegungs-
los und eingesunken. Wenn sie träumte, erhob es sich etwas, und erschien
hervorgebuchtet, wenn die Frau sich in wachem Zustand befand.
Dr. Alexander Fleming (1140) hat nachgewiesen, dass durch Kom-
pression der Carotiden Schlaf bewirkt werden kann.
Dr. Durham (1141) beobachtete bei trepanirten Hunden im Chloroform-
schlaf eine Blässe der Oberfläche des Gehirns, welches eingesunken erschien.
Die vorher erweiteatan Gefässe erschienen verengt. Beim Erwachen röthete
sich die GehirnoberfSohe imd wurde voluminöser. Wenn Durham durch
Unterbindung der V. jugul. und vertebr. eine beträchtliche Blutüberfüllung des
Hirns erzeugt hatte, trat Coma ein.
Ebenso constatirte Binz im Chloralschlaf eine Verengerung derHira-
gefässe nach voraufgegangener Erweiterung derselben.
In dem früher erwähnten StrümpelTschen Falle von künstUchem
Einschlafen bei Aufhebung aller Sinnesreize gab Strümpell eine noch andere
Erklärung, die deshalb hier von Interesse ist, weil dieser hervorragende
Autor eine Gehirnanämie als Ursache des Einschlafens annimmt Es
wäre denkbar, meint er, dass nach Wegfall aller sensiblen Reize eine
Erschlaffung vieler kleiner Gefässe stattfände, und durch die veränderte Blnt-
vertheilung eine Gehirnanämie bedingt werde. Strümpell geht dabei von
ier bekannten Thatsache aus, dass der Tonus der Blutgefässe in hohem Grade
von sensiblen Reizen reflektorisch beeinflusst wird.
Die beiden entgegengesetzten Theorien von Anämie und Hyperämie
des Gehirns beim Schlaf versuchte ein russischer Gelehrter Namens Sergney eff
(1142) dabin zu vereinigen, dass er das Vorhandensein beider Zustände an-
nahm, indem auf der Gehimoberfläche eine Anämie, im Innern des Gebims
dagegen eine Hyperämie während des Schlafes bestehen sollte,
Alexander Pilcz (1145) ist ebenfalls der Ansicht, dass im Schlafe
■keine Anämie des Cortex und eine Blutüberfiillung des Hirnstammes vorbanden
^kei. Nach seiner Ansiebt kommt den Eindenzellen und Associationsfasem die
^fciigenschaft der Ennüdbarkeit gerade so wie der Muskelfibrille zu. Tritt mm
^^in gewisser Grad von Ermüdbarkeit auf, so legen wir uns zur bestimmten
1 Stunde nieder, d. h. wir trachten uns gegen äussere Eindrücke zu verschliessen,
suchen eine bequeme Lage auf, imi uns nicht durch Schmerz, iluskel-
ansti engung u. s. w. neue Sinnesreize zuzuführen und geben endlich möglichst
den Denkprozess auf. Die Folge sei, dass die nunmehr von keiner Seite ge-
reizten, an sich aber schon ermüdeten llindenzellen nicht mehr zu arbeiten
brauchen ; folglich müsse ihre nutritive Attraktionskraft sinken und die nicht
mehr funktionirenden Ganglienzellen hätten nicht mehr die Kraft, sieb ihr
Blutquantum zu Yerscbaflen. Das Stosswerk des Herzens treibe das Blut
nunmehr bauptsächlicb in den Stamm und die groben Arterien der Rinden-
oberrtäche, nicht so sehr in die feinen, eigentlich nutritiven Haargefässe der
grauen Substanz.
Bengesio und Mus so (1144) jedoch sind der Meinung, dass der Schlaf
weder an eine bestimmte Blutfülle, noch an einen bestimmten Blutdruck im
Gehirn gebunden sei; vielmehr glauben sie, dass er durch chemische Ein-
wirkungen auf die Gehirnrinde bedingt werde. Die Schwankungen der Bhit-
menge und des Blutdnicks im wachenden resp, schlafenden Gehirn seien un-
abhängig vom Eintritt des Schlafes, sondern gewissennassen nur Neben-
erscheinungen.
§2ö7. Eine eigenthümliche Schlaf theorie ist neuerdings von Knies (1143
— die Beziehungen des Sehorgans und seiner Erkrankungen pag. 238 — )
aufgestellt worden, die ebenfalls auf dem Verhalten der Blutgefässe auf-
gebaut ist Nach diesem Autor scheine im Schlaf ein allgemeiner Nachläse
im Tonus des Gefässsympathicus stattzufinden, also gewissermassen eine
„S y m p a t h i c u s 1 ä b m u n g". Diese altgemeine Gefasserweiterung würde sich
hauptsächlich an den die Kanäle passirenden Nerven durch umschriebene
Verdrängung des Nervenraarkes merklich machen und zwar um so mehr, je
dünner deren Fasern wären, also besonders an den sensiblen und sensorischen
Nerven, die im Ganzen feinere Nervenfasern besässen, als die motorischen
Nerven. Es würden demnach Beize, welche die peripheren Sinnesorgane
treffen, erst schwach, schliesslich gar nicht mehr zum Hirn geleitet, und des-
halb auch keine motorischen Impulse daselbst ausgelöst Als Stutze für die
Ansicht der Sympathicuslähmung führt Knies an, dasa das Zufallen
t
528 Die Ptosis beim Schlaf.
der Augen beim Schlaf ein Zeichen der Unwirksamkeit des Sympathicos wäre,
und dass die beim Schlaf regelmässig beobachtete Miosis ebenfalls sympaUiischa
Natur sei, worauf auch Pilcz (1145) aufmerksam mache. Beim bloesen
Schliessen der Augen erweiterten sich die Pupillen, im Schlaf dagegen men
sie yerengt. Knies glaubt ebenso wie Mauthner, es handele sich beim
Schlaf um mehr oder weniger vollständige Leitungsunterbrechung zwischen
Hirnrinde imd Peripherie, meint aber, wie ersichtlich, dass die Leitongsünter-
brechung am peripheren Nerven stattfinde. Mauthner (1146) hat hingegen
als Ort der Leitungsunterbrechung das centrale Höhlengrau angegeben, wo-
durch die Hirnrinde centripetal und centrifugal von der Peripherie abge-
schlossen wäre. Mauthner stützt sich darauf, dass der Schlaf mit einer
Ptosis einsetze, die er als eine nucleäre Lähmung des Levator palp.
sup. auffasst.
Obwohl wir mit dieser Deutung der den Schlaf einleitenden Ptosis
nicht einverstanden sind und dies später auch begründen werden, so können
wir nicht leugnen, dass manche Erfahrungen aus der menschlichen Pathologie
zu Gunsten dieser Mauthner' sehen Theorie sprechen dürften.
Sehen wir doch bei einer ganzen Reihe von Erkrankungsfallen im Gebiet
des centralen Höhlengraus speziell der Oculomotoriuskernregion
eine auffallende Apathie^ Müdigkeit, ja Schlafsucht als ein konstantes,
sehr in die Augen springendes Symptom auftreten.
So theilte Baquis (1147) eine nach Influenza aufgetretene Ophthahno-
plegia exterior mit, bei der sich apoplektiform eine als N o n a zu bezeichnende
Schlafsucht eingestellt hatte.
Eine der Nona ähnliche Schlafsucht hat man als besondere, meistais
tödtlich endigende Krankheit bei den westafrikanischen Negern beobachtet
[Sleeping sickness of West Africa Scheube (1198)]. Mauthner vermuihet
bei dieser Krankheit, deren Aetiologie noch ganz dunkel und deren pathologische
Anatomie unaufgeklärt ist, Veränderungen im centralen Höhlengrau, ähnlich
wie der bei Poliencephalitis sup. Wernicke, da bei der Schlafsucht
der Neger ebenfalls taumelnder Gang, Augenmuskellähmungen, ausser der auf-
fallenden Somnolenz, die hervorstechendsten Symptome bilden.
In der Tabelle XIV p. 270 sehen wir Schlafsucht im Fall 1, 2, 4, 10,
11, 12, 13, 20 notirt, allerdings unter etwas verschiedenen Bezeichnungen
wie Sopor, Somnolenz oder Benommenheit. In den auf p. 295, p. 301 und
304 mitgetheilten Fällen von Poliencephalitis und Poliencephalomyelitis war
als auffallendes Symptom Schläfrigkeit beobachtet worden.
Interessant ist eine Beobachtung Goldzieher's (1149). Ein 6jähriger
Knabe mit bilateraler Ptosis und Lähmimg sämmtlicher Zweige des
Oculomotorius (ausgenommen derjenigen für Pupille und Accommodation)
und Parese des Abducens, schlief sofort ein, wenn er alleingelassen wurde.
Hori und Schlesinger (1150) konstatirten eine Stägige Schlafsucht
bei einer 41jährigen Dienerin, die plötzlich mit Sehbeschwerden, Schielen,
Schluckbeschwerden und Schwindelgefühl erkrankt war. Es bestand eine
Die Ptosis beim Schlaf. 529
linksseitige OculomotoriusUthoiung, Parese des linken motorischen Trigerainus,
rechtsseitige Gaumensegelparese. Tod nach 15 Wochen.
Die Sektion ergab zahlreiche Blutungen im Bereich des Höhlengraus,
des 3. Ventrikels, des Aquaeduct. Sylvii und der angrenzenden weissen Substanz;
femer Aneurysma der Aorta ascendens und Gumma des Herzmuskels, (Die
Bulbärkerae waren frei.)
Während also diese pathologischen Erscheinungen sehr zu Gunsten der
Anschauung sprechen, dass in Folge einer Leitungsunterbrechung Schlaf ent-
stehen und somit derselbe gewissermassen einAusfallssymptom darstellen könne,
haben andere Autoren die Theorie aufgestellt, der Schlaf beruhe auf Erregung
gewisser umschriebenerHirntheile. So sagt Sieraens(tl51), das Schlaf-
centrum müsse allen Anzeichen nach ebenfalls in der Medulla oblongata liegen
und zwar nicht weit vom Krampfcentrum, so dass unter Umständen ein Reiz
von dem einen auf das andere sich ausdehnen oder überspringen könne. Die
drückende Schwule vor der Entladung der pathologischen Reizanhäufungen
I durch Krämpfe lagere sich zum Theil auch noch über das Centrum für die
hemmenden Kräfte des Schlafes, daher die bleierne Schwere, die Müdigkeit,
, das Einschlafen vor dem Anfall. Entlüden sich nun die Spannkräfte des Krampf-
^ centrums gründlich, so sei auch das Schlafcentniin entlastet, finde unvollständige
I Entladung (leichter Kramp i) statt, so bleibe die Ermüdung und die Schlafsucht.
Andrerseits schienen sich auch im Schlafcentrum allein pathologische Reize
zeitweilig siminjiren und Anfälle von plötzlichem Einschlafen auslösen zu können.
Siemens citirt auch Wundt (1152), der aus der Verlangsamung von
Puls- und Athemfretiuenz^ sowie aus der Verminderung der Wärmebildung und
der Absonderungen geschlossen habe, dass die Medulla oblongata beim Schlaf
betheiligt sei. Siemens baut nun folgende „einfache^ ErkHixung auf: „Die
Gehirnrinde verfalle wie alle neiTÖsen Organe — nach einer gewissen Summe
Ton Leistung — in den Zustand der Ermüdung, wo selbst stärkere Reize sie
nicht mehr erregen. Es gewönne dann das Centrum für den Schlaf die Ober-
hand, schalte dann die Rinde aus, hemme das Bewusstsein, bis die Rinde
wieder den nöthigen Grad der Leistungsfähigkeit erlangt habe.** Als weiteren
Beweis, dass der Schlaf der unmittelbaren Einwirkung der Gehirnrinde nicht
bedürfe, sieht Siemens die Experimente HeubeTs an, wonach Frosche,
denen das Grosahirn entfernt war, in derselben Weise zum Schlafen gebracht
werden konnten, wie vorher, als sie das Grosshim noch besassen.
In gewisser Weise für die Annahme eines Schlafcentrums wurden die
von Westphal (1153) zuerst und später von Fischer (11Ö4) mitgetheilten
Fälle von spontanem Einschlafen verwerthet. Während letzterer Autor diese
Anfälle zu den epileptoiden rechnet, ist Westphal zurückhaltender in der
Deutung und macht speziell darauf aufmerksam, dass bei einem Patienten
anhaltende nächtliche Schlaflosigkeit bestand» Heutzutage, wo man von der
früher gemachten Annahme eines Krampf cent rums in der Med. obl. zurück-
gekommen ist, und den Sitz der Epilepsie in die Gehirnrinde verlegt, wird
die Hypothese eines ebenfalls im verlängerten Mark lokalisirten Schlaf-
530 Die Ptosis beim Schlaf.
centrums ebenso wenig Anklang finden, wie die mit der Erf ahnmg der
Pathologie gänzlich in Widerspruch stehende Anschauung Langwieseri
(1155) betreffs des Kleinhirns, zumal auch bei der Ueberlegung, dass scH&t
Beobachtungen vorliegen müssten von absoluter Schlaflosigkeit bei Zentonng
dieses supponirten Centrums, sei es in Folge einer cirkumskripten Entzündmif,
sei es in Folge von Apoplexie, Erweichung oder Abscess» sei es durch ai
Trauma. Im Gegentheil sehen wir in der Pathologie des Gehirns vielmdir
den Schlaf in allen seinen Abstufungen in Form von Somnolenz, Sopor
und Coma auftreten und zwar bei den verschiedensten Affektionen, epeaeO
aber bei solchen, die mit Alteration der Grosshimrinde einhergehen, oder die,
wie bei der Poliencephalitis, eine Leitungsunterbrechung der zur Rinde fuhrendea
centripetalen Bahnen darstellen. Am wenigsten tritt nach unserer Erfahrung
bei Kleinhimaffektionen Schlafsucht in die Erscheinung. So haben wir frulnr
auch einen Fall von Kleinhimtumor beobachtet , in dem keine Spur jener Be-
nommenheit oder jenes Hangs zum Schlafen vorhanden war, wie bei den
Hirntumoren mit anderer Lokalisation, speziell bei Sitz im Stimlappen.
Zwei Fälle letzterer Art zeichneten sich durch eine ausserordentlidie
Neigung zum Schlafe aus.
Endlich ist dann noch von Paul Schultz (1158) ganz neuerdings eine
auf den Hering' sehen Anschauungen betreffs der lebenden Substanz baaren-
den Theorie des Schlafs aufgestellt worden, welche dadurch ein besoDderei
Interesse erweckt, dass unter gewissen Gleichgewich tsbedingnngen sowoU
Assimilations- wie Dissimulationsvorgänge schlaferzeugend wirken können. Ein
näheres Eingehen auf diese Verhältnisse würde, weil hier dies eine Darlegong
der Hering 'sehen Theorie nothwendig machte, zu weit führen. Wir begnügoi
uns desshalb damit, auf den oben angeführten Artikel hier zu verweisen, der
um so mehr der Berücksichtigung verdient, weil die Hering'sche Theorie
auch bezüglich der retinalen Vorgänge von hervorragender Bedeutung ist
§ 258. Wenn wir zum Schlüsse unsere Ansicht über den Schlaf darlegen, »
sind wir uns selbstverständlich der enormen Schwierigkeiten der Lösung, die
dieses komplizirte Phänomen darbietet, um so mehr bewusst, da brinahe
jede der vorher mitgetheilten, sich oft direkt widersprechenden Ansichten,
die aus physiologischen imd pathologischen Beobachtungen gewonnen würden,
einen Kern von Berechtigung in sich trägt.
Wir möchten den Autoren, wie Joh. Müller, Pflüger zustimmen,
welche den Schlaf als eine Ausfallserscheinung der Thätigkeit der Hirnrinde
betrachten; und zwar möchten wir diese, unsere Meinung auf die Erschei-
nungen von den Bewegungen des Bulbus, auf das Verhalten der Pupille, da
Lider und ganz speziell das der Ptosis stützen.
Die Ptosis beim Schlaf halten wir weder für eine aktive Thätigkeit
des Orbicularis, noch für eine sympathische Ptosis, sondern für einen lähmungi^
artigen Zustand des M. levator palpebrae sup.
Was nun den Charakter der Ptosis betrifft, so erachten wir es für kaaii
nöthig, den Nachweis dafür erbringen zu müssen, dass es keine periito
Die Ptosis beim Schlaf. 531
bedingte Levatorlähmung sei. Es ist schwer emzuseheii, wie beim Schlaf eine
inwirkung anf den Oculomotoriusetamm zu Stande kommen solle. Am
testen wäre noch daran zu denken, das der Ocnlomotorius ev. beim Durch-
ritt durch den Sinus cavernosus eine grossere Kompression durch vermehrte
Jlutfülle erleide, speziell in der horizontalen Lagerung. Dass der zum Levator
ihende Ast allein funktionsunfähig werden soll, ist zwar auffallend, jedoch nicht
bhne Analogie, da bei peripheren Prozessen, wie zum Beispiel bei der basalen
Lues etc. oft genug eine isolirte Ptosis beobachtet worden ist, und da aus
vielen Abschnitten unseres Buches die ausserordentliche Empfindlichkeit und
Vulnerabilität des Levat. palp. sup. hervorgeht.
Gegen die naraenthch von Mauthner verfochtene Ansicht, dass die Ptosis
beim Schlaf eine nucleäre sei, dürften folgende Gründe geltend gemacht
werden :
Vor allem das alleinige Befallen sein des Levator. Wäre der
Sitz des den Sclilaf bedingenden physiologischen Prozesses die Oculomotorius-
kerngegend, so ist nicht einzusehen, warum die anderen von dieser G^end
innervirten Muskeln nicht ebenfalls gelähmt seien. Dies ist aber nicht der Fall,
da die Augen beim Schlaf nicht diejenige Mittelstellung einnehmen, wie bei
einer kompleten Kernlähraung oder bei einer schweren asthenischen Bulbär-
paralyse, sondern wie schon von verschiedenen Forschern [Raehlmann und
Witkowski (1108), Siemens (Hol), Helmholtz] beobachtet und mit^
getheilt worden ist, nach oben innen gedreht sind und auch Bewegungen im
Schlafe, die oft atypischer Natur sind, vollführen, während die Oberlider voll-
ständig bewegungslos herabhängen.
Endlich dürfte die im Schlaf vorhandene Pupillenverengerung (1108)
(Raehlmann und Witkowski, Siemens 1. c, Sander) gegen die Mauth-
ner'sche Anschauung sprechen, dass die Ptosis im Schlafe Folgezustand
einer gewissen Nuclearlähmung sei. Die Hochgradigkeit der Pupillenenge im
Schlafe, die ja so beträchtlich sein kann, dass die Pupillen sich gar nicht stärker
kontrahiren können, spricht gegen die Annahme einer durch Sympathicus-
lähmung bedingten Miosis. Man müsste vielmehr eine durch Reizung des
Sphincterkerns bedingte spastische Miosis annehmen. Es erscheint indes
schwer verständlich, dass an demselben Ort im Centralnervensystem, nämlich
in der Oculomotoriuskernregion, neben einem Lähmungs- auch ein Reizungs-
zustand von dauernder Natur vorhanden sein soll.
Nach Analogie mit der bekannten Thatsache, dass im Schlafe der
Sphincter vesicae et ani kräftiger geschlossen erscheint als im Wachen, dürfte
wohl die Irisenge erklärt werden; also wahrscheinlich durch einen erhöhten
Tonus des Sphincter iridis [Plotke (1026)], Dies ist aber ebenfalls unvereinbar
mit der Thatsache, dass im Schlafe eine Art Lähmung der Oculomotoriuskern*
region bestehen soll. Es bleibt daher nur übrig, die Ptosis im Schlafe als
eine supranucleäre oder kortikale Levatorlähuumg anzusehen. Da nun die
supranucleären Bahnen der zum Levator gebenden Fasern nicht bekannt
WilbraBd-Sa«iig«r. Kearologje dea Augos. L Bd. U. AbtheUnng. 35
4
5% Misch form der Ptosis mit Pseudopiosis.
sind, die neueren pathologisch-anatomischen Befunde aber im Hinblick auf die
klinischen Beobachtungen (siehe kortikale Ptosis pag. 96, und die Ptosk
bei Hirntumoren pag. 453) doch die Annahme eines kortikalen Rindenfeldes
des Levator palpebr. sup. im Parietallappen nahelegen, da endlich im Schlaf
die Hirnrinde ausser Thätigkeit gesetzt erscheint, so möchten wir annehmen,
dass dieses Rindenfeld beim Schlaf ausser Funktion gerätk
wodurch das schlaffe Herabsinken der Oberlider herbeigeführt
wird. —
17. Die Ptosis bei Erkrankungen der Orbita und ihrer Nebenhöhlen.
Die Mischform der Ptosis mit Pseudoptosis.
§ 259. Zum Schlüsse führen ^vir hier noch einige Zustände auf, bei welcht-n
die Entscheidung, ob eine wirkliche Levatorlähpiung oder nur ein durch rer-
mehrte Schwere bedingtes Herabhängen des Oberlides vorhanden war, oft
aus dem Grunde unbestimmbar erscheint, weil in der vorhandenen Kasuistik
die beiden Zustände wegen ihrer häufigen Kombination nicht mit wünschen»-
werther Genauigkeit auseinandergehalten wurden, oder werden konnten.
Schon bei der traumatischen Ptosis hatten wir auf die dii^ostisclw
Schwierigkeit der Unterscheidung einer Levatorlähmung hingew^iesen ; so bei
Gewalteinwirkungen in der Umgebung des Auges und dadurch gesetzter entzüDd-
licher Schwellung und Sugillation des Oberlides.
In gleicher Weise ist dies bei der Entzündung des orbitalen Zellgewebes
der Fall, deren klinisches Bild sich nach Berlin (1159) folgendermassen ge-
staltet: ^ Unter mehr oder weniger lebhafter Betheiligung des Allgemein-
befindens, namentlich von Fiebererscheinungen und Dypepsie, entwickelt sich
ein dumpfer Schmerz in einer Stimhälfte oder in der Tiefe einer Orbita.
Mit dem Schmerz, zuweilen sogar vor demselben, tritt Protrusion und Beweglich-
keitsbeschränkung des betreffenden Auges auf. Zugleich stellt sich eine ent-
zündliche Anschwellung der Lider, besonders des oberen ein, sowie Oedem der
Conjunctiva bulbi. Die Beweglichkeitsbeschränkung des Bulbus ist eine all-
gemeine d. h. alle Richtungen engagirende, aber dabei kann die Beweglichkeit
auch nach einer bestimmten Seite in ausgesprochener Weise behindert sein."
„Die Motilitätsstörung, welche sich mit der Zunahme der Pro-
trusion vermehrt, erstreckt sich nicht selten auf das obere Lid.
dasselbe hängt dann, vergrössert durch die entzündliche An-
schwellung, oft wie ein Fleischlappen bewegungslos vor dem Bulbus
herunter."
Nach Berlin sind die Ursachen der Beweglichkeitsbeschränkung
während der Phase der Entzündung, theils mechanische von Seiten des raum-
beschränkenden Produkts, theils sind sie in entzündlicher Theihiahme des
Muskelapparates zu suchen. Was den ersteren Punkt betrifft, so wird ent-
weder der Bulbus selbst in Folge der starken Hervordrängung direkt ander
Mischform der Ftosia mit Pseudopt0Bi8. 5SB
öwegung gehindert, oder indirekt dadiircli, dass ein Druck auf die Muskeln
deren Nerven dieselben funktionsunfähig inaclit.
Friedberg (1161) meint, dass es sich um eine Myopathiii propagata
fhandele.
Fizeau (IIGB) berichtet über einen zwiBchen Levator pa)p. and Rect &up, gelegenen
Abecess, bei welchem diese beiden Muskeln ,ma<:erirfc und durch den Eiter zerstört*
waren Fischer (1164) fi»nd bei einer Caries des Orbitaldacbes mir den Kectuä sup.
\on Eiterimg angegriffen. Schmidt -Rimpler (1165) konstatirte muhiple kleine Eiter-
herde in den Muskeln. Leyden (116r)) fand die Mnskeln von schnmtzighraunrother Farbe,
mürbe, üdematös und von Häniorrhagien durchsetzt.
Pagenstecher (1167) heht, was uns speKieü interessirt, hervor, dass eine
gewisse Präddektion für den Levat. palpehrae und den Rect. sup, bei der
Orbitalphlegnjone zu bestehen scheint. Ma^ nun durch den Abscess der Levator
seihst oder der yäi ihm führende Ast des Oculomotorius direkt lädirt sein,
imraerhin sind die Fälle hemerkenswerth, bei denen speziell hervorgebohen
ist, dass die geschwollenen Oberlider total bewegungslos gewesen seien.
So beschrieb Sichel (1160) einen einschlägigen Fall bei einem Sjjihrigen Knaben,
welcher beim Spielen ge^en ein Brett ^eslossen wurde nnd bald eine leichte Kbthung des
linken oberen Lides bekam, zu der aich Augen- und Kepfschnierz gesellte. Am 4. Tag
waren beide Augen des im Fieber delirirenden Kindes st^rk vürgedrüngt, die Lider, Naso
tind Schläfen stark nngeschwelilen. Daa Auge selbst erschien gcRund. Rechts bestand
absolute Unbeweglichkeit der Lider und des Auges. Am 14. Tage starb das Kind. Die
Autopöie ergab in der rechten Orbita einen haselnaasgrossen Abscess Ifinga des inneren
Randes des Rect. sup,; ferner best-and hinter dem Bulbus und in der linken Orbita eine
eiterige Infiltration*
Bourod und L^card (1162) theilten die Geschichte einer tl^dtHch verlaufenden
Orbitalphlegmone nnd partieller Meningitis mit, bei der das Oberlid gleich fm Beginne der
Krankheit gelühmt und Üdemati^!^ herabbing.
Karafiath (1168} berichtet über zwei Fäile von PeriorbitiSj in denen
Ptosis beobachtet wurde.
Bei einer Sojährigen Magd, die schon wiederholt an Gesichtserjsipel gelitten hatte,
entstand unter dem Orbitaldach eine harte, hei-vorragende Geschwulst. Protrusio huibi,
zum Theil Lagophthalmus und Ptosis. Nach explorativer Inciaion entstand eine Keratitis
ulcerosa. Iridocyclitis und Katarakt» Nach 2 Monaten relative Heilung mit ",3, Sehschärfe.
Die Ptosis wurde operirt.
Im zweiten Fall handelte es sich um einen 11 jährigen Schüler, bei dem in Folge
eines durch eine Verletzung entstandenen Erysipels sich Protrusio bulbi, Ptosis» Papiliiti*
und Herabsetzung der Sehschärfe eingestellt hatte. Nach Incision entleerte sich reichlich
übelriechender Eiter. Nach einigen Wochen völlige Heilung. V ^= *«.
Baas (1169) schilderte eini'n Fßll von Orbitalphlegmone nach Thrllnensackentzllndung
und Caries der Knochen. Es ist hervorzuheben, dass eine ^Ptosis* bestand neben Ex-
ophthalmus, Divergenz und Beweghchkeiisbescbräakung nach innen und linderen uns hii^r
nicht weiter interessirenden Symptomen,
Bei der oft recht schwierigen Unterscheidung zwischen einer Periostitis
orbitae und der Zellgewebsentzündimg der Augenhohle kann dem Mangel
jeder Beweglichkeit des geschwollenen Oberlides im Sinne der Levatorwirkurig
eine ditterentiell diagnostische Bedeutung zukommen. Sehr häufig fehlen
nämlich die pathognomoniscben Erscheinungen der Periostitis: wie Schmerz-
haftigkeit des Örbitalknochens und seitliche Verschiebung des hervorgetri ebenen
85»
534 Mischform der Ptosis mit Pseadoptosis.
Bulbus. In solchen Fällen würde eine sicher konstatirte Levatorlähmung
gegen eine unkomplizirte Periostitis und nur für eine Zellgewebsentzündoog
sprechen. Jedoch Hesse sich nicht ausschliessen, dass beide Prozesse neben-
einander beständen, da sehr häufig eine Caries des vorderen Theils des
Orbitaldaches bei einer Entzündung des orbitalen Gewebes vorhanden sei, und
die in der Tiefe der Augenhöhle lokalisirte Periostitis beinahe stets mit einer
Entzündung des retrobulbären Zellgewebes kombinirt vorkomme.
Dass in manchen Fällen es sich nur um einen Druck von Seiten des Exsudats
auf den Nervenast handelt, der zum Levator geht, dürfte wohl auch per analogiam
daraus erschlossen werden können, dass bei Orbitalblutnngen (siehe pag. 426 1
ausnahmsweise sehr verbreitete Beweglichkeitsbeschränkungen bei geringem
Exophthalmus gefunden werden. Berlin (1170) nimmt an, dass in solchen
Fällen das in die Tiefe der Orbita ergossene Blut die entsprechenden Be-
wegungsnerven beeinträchtigt, vorausgesetzt, dass nicht etwa die Muskeln
selbst unter dem Einflüsse des Traumas gelitten haben.
Jedenfalls bedarf es zur sicheren Erklärung der bei den Entzündungen
des Orbitalzellgewebes auftretenden Motilitätsstörungen noch zahlreicher
ganz genauer mikroskopischer Untersuchungen, bei denen speziell auf das
Verhalten der Muskeln und namentlich auch der dieselben versorgenden Nerven-
äste genau eingegangen werden muss, weil sehr wohl auch neuri tische Prozesse
mit im Spiele sein können.
§ 260. Bei den Tumoren der Orbita sind die Motilitätsstörungen des Auges
ebenfalls von hoher Bedeutung. Auf der einen Seite handelt es sich um
reine mechanische Verdrängungserscheinungen des Angapfels durch die Ge-
schwulst. Wir sehen dann, dass derselbe bei gewissen Bewegungen meist
nur nach einer Richtung hin zurückbleibt. Auf der anderen Seite ist dagegen
der motorische Apparat des Bulbus der Sitz des Ausfalls der BewegUchkeit
sei es nun, dass der betreffende Muskel durch die Neubildung bedrängt wird, sei
es dass der Tumor den Muskel durchwächst und ihn zum Schwunde bringt
sei es endlich, dass die motorischen Nerven in Folge des Druckes oder der
Infiltration von Seiten der Geschwulst funktionsunfähig werden.
Berlin (1170 pag. 661) hat drei mal letzteren Vorgang bei solchen Tumoren
gefunden, welche ihren Ursprung in der Gegend, vielleicht sogar innerhalb
der Fissura orbitalis sup. selbst hatten. In zweien dieser Fälle begann das
Krankheitsbild mit reinen Paresen, einmal des Abducens [vergleiche auch
unsere Beobachtung pag. 313 und einen Fall Fred. Tresilian^s (1189), bei dem
die Besserung durch den Gebrauch von Jodkalium erfolgte], das andere Mal
des Oculomotorius, noch ehe eine Spur von Exophthalmus vorhanden war.
Derselbe Autor hebt hervor, dass häufig Ptosis bei Geschwülsten be-
obachtet werde, welche im oberen Theile der Orbita sässen.
In der Litteratur fanden wir folgende hierhergehörige BeobachtuDgeo.
Rheindorf (1171) konstatirte als erstes Symptom eine Ptosis bei oiea
42jährigen Manne, der einen Tamor im hinteren Orbitalabschnitt und in der Naseubfihk
hatte. Erst später trat der Bulbas hervor.
Vosaiua (1185) entfernte einen Tumor, der zwischen Levator pulpebn und Orbital-
dacb sass, bei einem 35jillirigen Arbeiter, dessen Leiden vor 9 Jahren mit Ptoais be- j
gönnen hatte. Später trat Verschieljung des Bulbus nach unten und vorn und Beschränkung '
der Bewegung nach oben auf. (
Einen ganz ühnlicben Fall von Orbitalaarkom mit PtoBiB beachrieb de Vincen- ,
tiis ai88).
Webater (1186) beobachtete bei einem 21jährigen Manne eine Protruaio bulbi i
dext., völlige Ptoais, vollkommene ünbeweglichkeit des Auges, Stauungspapille. Bei der '
Exenteratio orbitae wurde ein Hundzellenaarkom konstatirt. Nach 6 Wochen Recidiv und \
Exitus letalis. |
Hörn er (1172) theilt einen Fall von Cysticercaa in der Orbita eines 20 jährigen ,
Mannes mit. Ausser einer mflssigen Ptosis mit leichter Bchwellung dea gesenkten Lides J
war weder eine Sehstihung, noch eine ünbewegiichkeit des Bulbus zu konstatiren. t
Ebenfalls bei einem CjeticGrcus in der Orbitalhöhle sah Meyer (1187) bei einem ♦
jungen Manne eine geringe linksseitige Ptosis » eine fast vollkommene ünbewegiichkeit {
des Auges und einen massigen Exophlhalmus.
Galezowski (1173) beschrieb einen flnrcli Digitalkompression geheilten
Fall von Exoplithalmus, der durch eine Gefässgeschwulst der Orbit a bedingt
gewesen sein sollte.
Kine 42 jährige Frau, die früher eine Verletzung dos linken Orbitalrandes acquirirt ,
hatte, empfand plötzlich eines Tages nach heftigem Erbrechen und Kopfschmerzen, ein Geräusch
im Kopf und im linken Äuge mit pulsatorischer Vei-stärkung. Das Auge wurde stark vor-
getrieWn, Es war unbeweglich und das obere Lid herabgesunken. Ferner bestand
Chemosis conjunctivae. Die Carotis wurde täglich 15 — 20, zuletzt 45 — 00 Minuten lang
komprimirt. Nach jeder Sitzung fühlte sich die Kranke erleichteit, untl nach Verlauf eines
Monats war sowohl die Chemuais verschwunden, wie die Bewegung des Auges und der
Lider wiedergekehrt
Diesem Falle kann die folgende Beobachtung v. HippeTs (1174)
umsomehr angereiht werden, als der Autor über die Resultate der Carotis-
kompression bei retrobulbären Aneurysmen spricht und zu der Ansicht ge-
langt^ dass dadurch kaum ein Nutzen erzielt, ja eher geschadet werde.
Ein 21 jähriger Mann blutete in Folge eineü Sturzes vom Pferd aus Nase» Mund
und Ohr. Bewusstlosigkeit; und Erbrechen war konstatirt, ebenso ein Vorstehen des linken
Auges, was indess bald versehwand. Es injizirte sich nunmehr der rechte Bulbus und
wtirde prominent. Als Patient nach etwa 3 Wochen wieder völlig zu sich kam, bemerkte
er ein Herabhängen des rechten Oberlides ober das vorgetriebene, stark injizirte
Fischte Auge, das eine auffallend enge Pupille zeigte und fast unbeweglich war. Die
Diagnose eines Aneurysma wurde durch ein über dem rechten Auge oder der Schlüfe hörbares
syatolisches Geräusch gesichert, das bei Kompression der rechten Carotis sofort verschwand.
Einen ähnlichen Fall von retrobulbärem Aneurysma mit starkem Exophthalmus und
Ptosis des verlängerten, gerotheten linken Oberlides beschrieb Nie den (1176)» Die
Carotis Unterbindung war erfolgreich.
öchmidt-Kimpier (II 77) konatntirt« ebenfalls bei einem traumatisch entstandenen
polfiireuden Exophthalmus eine Lähmung des rechten oberen leides. Nach Kom-
presfiion der Carotis und Ergotineinspritzungen wurde der 20jöbrige Patient gebessert ent-
lassen. Bei einer späteren Vorstellung zeigte sieb die Geschwulst wieder vergrüesert.
Bauga (1175) beobachtete bei einem Osteom des Sinus frontalis mit Durchbiuch in
die linke Orbita fast völlige Ünbewegiichkeit der Lider. Das blourothe Oberlid
bedeckte den Tumor völlig.
8 Tage nach operativer Entfernung des Tumors trat eine Meningitis auf, welcher der
18jährige Patient erlag.
§36
MjächfofDi der Ptoais mit Pseudoptows.
Christenaen (1178) konatatirte Ptosis nach dem Auftreten einer reditaseilifn
ese des M. rect. sup. et inl. bei einem 18jäbrig«i Mädchen. Erst nach 4 Monaten enlwickdU
i Prominenz des Auges, Einen Mooat später fühlte man eine harte Gescbwulßt aotcrdn
Orbjfaldache. Von jetzt ab verminderte sich das Sehvermögen, und es trat SlaunafE m
der Papille auf. Der fibröse Tumor wurde nach Emschnitt unter dem Orbitalrand «i^tirfiit
2Va Jahre später war die Sehschärfe beinahe normal; jedoch he^tand noch etwas D«7iatm
nach unten und eine geringe P i o s i s.
Berg er (1179) exstirpirte ebenfalls ein Osteosarkom, welches am Knocben 4a
oberen OrhitalrandeB featsass. Es lies tau d totale Ptot^is. Die Hei lang erfolgte promiA. Eil
Funktion des Levator palp. aup. stellte sich fast ganz wieder her,
Uiggena (1180) punktirte eine angeblich in Folge einer Yerletzang entrtandcftt
Cyste an der äusseren Seite des ober«
Orbitalrandes. Die klinischen Sympiuni
bestanden in einer partiellen Ptoiii^
Li^hmung des M. rectus sup. noditirkcttr
Füllung der Hetinalvenen.
Hei nicke (1181) beobadilft«
bei einer 29jJlhrigen Fran rechUnMB
Exophthabnus, Divergenz, sehr g^Bniifr
lieweghchkeit und Tieferstehen de»
Auges neben Ptosis. Der abere iiiMn
Tb eil der Orbita war von «ioer klit-
liebeu (leschwulst eiuKeuoTnnien, wücht
von normaler Baut bedeckt, »het hei
der Palpation schmerzhaft war. Nadi
einer autisyphihtiäcfaen Kur, die sidi
auf die Anamnese stüute, trat HeiJjiog
ein. —
Einen ähnlichen Fall be-
obachteten wir kürzlich hier in
der Tuhklinik (siehe Fig, HOL
Eine 25 jährige Frau» seit 2 Jahrw»
verheirathet, hatte einmal eine Pehl^
hurt gehabt, sonst aber keine Leiden
Seit einigen Tagen bestand eine schnifii
hafte Rfithung über der link*»« Aug«h
braue, das linke Oberlid war Odeinitc«^
leicht geröthet und konnte nur sehfttx
gehoben werden, Fingerdrock über dtr
linken Augenbraue war sehr empfindliflL
Die Diagnose Periostitis luetica am oberen Orbitalrande bestätigte sich durch den prompten
Erfolg der Therapie. Wenige Flaschen Jodkali genügten, das Leiden ganz zum Ver
schwinden :5u bringen. (Vergleiche auch pag. ^10, Fig. 64.)
S 201, Eine Ptosis kann auch in Folge einer Erki^ankung der der
Orbita benachbarten Gebilde auftreten.
So machte im Jahre 1895 Walienberg (1182) auf die Ptosis äI«
Symptom einen Stirnhöhlenempyems, imd zwar als einziges von selten der
Augenmuskeln aufuierksam.
Es handelte sich um eine 52jährige Wittwe, die gegen Ende 1894 mit Sduiupto
Kopfschmerzen und l^nföhigkeit. das linke Auge zu öffnen, erkranJct wir.
Im Laufe von 14 Tagen verschwanden die Beschwerden, Am 6. M&rz traten zwei efii-
Fig. 110.
Links; Periostitiä luetica.
Miacbfonn der PtOiiis mit Pseudoptosis, 537
•ptiforme Anfälle mh kurzem Bewusstaeinsverluat, dann Kopfschroerzeu und Ptosia
rie vor 2',^ Monaten auf. Die kräftige Frau hatte Scliiuerzeu über dem linken Auge
lud in der linken Stirnbälfte, kotnplete Ptogia links, geringes Qedem des linken
Oberlides und der angrenzenden Hautstellen, besonders am inneren oberen Lid-
kel; daselbst auch geringe Qorvorwi^lbung. Pnpillenüewegungen, der Bulbus dext.
Eid Bin., Oeaichtamuskulatur, Zunge, Extremitäten normal, ebeuso die Haut- und SehneD-
'reflejte. Keine Stauungspapille^ T, 39,8. Puls 88. Austiittsstelle des N. supraorbit ain.
recht druckempfindlich. Am folgenden Tag waren Ptosis und Oedem geriöger geworden.
Am H. März Ptosis und Oedem gering, Supraorhitalneuralgie, Hervor Wölbung am inneren
oberen Augenwinkel noch deutlicher ala vorher, Vollötfiadtge, rein motoriache Aphasie.
Am iJ. MÄri zwei Schotte! frdste; am 10. März Coma; Cbeyne-Stoktssches Atbmen, PuJi
64—68. Trotz Trepanation des Sinus frontalis keine Aenderung. Abends Exitus.
Die Sektion ergab eine Caries des linken Orbitaldaches. Die Perforationsöffnung
lag am Uebergang des vertikalen in den bonzontalen Ast des Stirn beina. Die Dura niater
war hinter dem linken Sinus frontalis an einer Stelle gelbgrön verfärbt und gUnzlos- Bei
Eröffnung der harten Hirnhaut entleeite sich aus der Gegend der linken Fossa Kylvü eine
grössere Menge stinkenden Eiters, welcher sich zwischen Pia und Dura angeaammelt hatte.
Nach Wallenbergs Ansicht ist der Eiter von der Pertüratiousiiffnuiig
(zwischen 1. und 2; Stirnwindung) nach hinten unten gertossen (Rückenlage
des Patieuten)j hat sich in der Fossa Sylvii gestaut, nachdem er die 3. Stirn-
Windung bedeckt hatte und ist in Folge des Druckes und des ihm vom ücctpital-
lappen entgegengesetzten Widerstandes hi-ngs den Centralwindungen nach der
medialen Hemisphärentiäche gedränfft worden. Was die Ptosis heti'ifft, so
konnte sie wohl nur durch eine Infiltration der Endausbreitung des Levator
palpebr. sin. in Folge Caries der inneren Uebergangsstelle von der hori-
zontalen zur vertikalen Platte des Stirnbeins nach Wallenbergs Ansicht
bedingt sein.
In sehr viel früherer Zeit hatte schon Celliez (1183) ausdrücklich auf die
Lähmung des Oberlides bei einer Eitening des Sinus frontalis hingewiesen.
Ein 32 jährige Frau verlor nach und nach den Gelrauch des rechten oberen Augen-
lids, Zugleich traten heftige Kopfschmerzen auf. B Wochen nach Beginn des Leidens
konstatirte Celliez ein schlaffes Herahhängen des leicht verdickten rechten Oberlids^
Die Pupille war heträehtlich erweitert, das Sehvermögen intakt. Die rechten Extrem itüten
eröcliienen abgemagert und schwäcber ala die linken. Die Patientin verfiel nach vorher-
gehender Schlaflosigkeit m Sopor, dem Coran, KonvuWjoneu und Exitus folgten. Vorher
hatte dje Patientin aus Mund und Nase Eiter entleert. Bei der Sektion fand sich ein nach
4er Scbädelhöhl© perforirtes Empyem des Sinus frontalis.
In der vorzügHchen Monographie Kuhnt'a (1184) ^über die entzündlichen
Krankheiten der Stirnhöhlen" finden sich unter 14 eigenen Beobachtungen
von Empyem des Sinus frontahs ch*ei Fälle, in denen der Autor speziell die
totale Lähmung des geschwollenen oberen Lides hervorhebt.
1. Ein 17 jähriger Arbeiter, der häutig an Nasenkatarrhen litt, hekam seit einigen
Jahren Kopfschmerzen» die gradatim stärker wurden und seit Monaten nicht mehr vöüig
schwanden. Bei der Aufnahme hatte Patient fiusäerst heftigen Kopfschmerz, Blutungen
aus der Nase, die Lider des linken Auges schwollen an. Das ubero hing stark ver-
dickt und schlaff Üher da« untere lierab, und es stellte sich auch Exophthalmus
und Chemoäia ein. Daneben Schüttelfrost, Die Beweglichkeit des Au^^apftds war massig
beschränkt; die Papille ein wenig getrübt und deren Grenzen leicht verschwommen.
jS
588 Mischform der Ptosis mit Pseadoptosis.
2. Ein 18 jähriger Kaufmann, der schon Jahre lang an Schnupfen, besonders UAa-
seits litt, erkrankte mit Schüttelfrost und heftigsten linksseitigen KopfBchmerzeiL Tagi
darauf massiges Nasenbluten. Im Laufe des Nachmittags trat eine Rothang and mini|e
Schwellung des linken oberen Lides ein. Status : Visus beiderseits =: 1, rechtes Auge TüQig
normal. Das linke obere Lid hängt schlaff und bewegongslos über du
untere herab, ist stark geröthet und geschwollen. Beträchtlicher Exophtinhon.
Bulbus bedeutend in der Beweglichkeit beschränkt; dieselbe ist nach oben fast aufgdiobflL
Verschleierung der Papille, starke Schmerzhaftigkeit der ganzen Frontal- und Orbitatgegeoi
Bei der ErOflfnnng des Sinus fand sich kein Eiter, sondern nur eine geringe Meng«
einer trüben, mit einzelnen Flocken vermischten, übelriechenden Flüssigkeit
Ein 19 jähriger Oberprimaner hatte in den letzten 2 — 8 Jahren in Intervallen toi
etwa 8 Wochen heftige linksseitige Kopfschmerzen, die am 3. Tag zumeist das Höhesttdiom
erreichten und in weiteren 2—8 Tagen sich dann allmählich verloren. Er kam nach einem
schon 10 Tage lang dauernden Anfall zur Aufnahme, bei welchem ein starker Schmerz des
Bulbus durchzuckte. Daneben entwickelte sich beträchtlicher Thränenflnss and eine leidite
Injektion. Die Beweglichkeit war nicht behindert, wohl aber verursachte der forcirte filiek
nach oben bedeutende Schmerzen. Doppelbilder wurden nicht wahrgenommen. Es feUii
jede Andeutung von Exophthalmus und Abnahme der Sehschärfe. Aus dem Status praesens iit
hervorzuheben, dass das linke obere Lid, dessen Deckfalte verstrichen erschien, nicht so
weit gehoben werden konnte, wie rechterseits.
Bei der Operation fand sich Eiter im linken Sinus frontalis.
Diese Fälle sind um so bemerkenswerther, da die diagnostischen Zeichen,
wie Kuhnt hervorhebt, welche für ein relativ kurze Zeit bestehendes Sinusleiden
zu verwerthell sind, nicht immer prägnant ausgebildet und auch nicht immer
eindeutig sich darstellen. Ist eine Nasenuntersuchung negativ ausgefaUen,
so ^muss die Diagnose eventuell aus anderen Symptomen abgeleitet werden.
Besonderes Augenmerk bleibe der Anamnese zuzuwenden." ^Geht aus den An-
gaben des Kranken der charakteristische mit Intervallen und Attacken ab-
wechselnde Verlauf hervor, oder können wir nebstdem eine Ptosis fugax
konstatiren, so sind schon bemerkenswerthe Anhaltspunkte gewonnen.'^
Wir haben diesen Worten des auf diesem Gebiete so erfahrenen Autors
speziell in Bezug auf das uns interessirende Symptom vielleicht nur das hin-
zuzusetzen, dass bei dem Empyem des Sin. frontal, meistens eine durch Lid-
schwellung bedingte Pseudoptosis vorkommt, dass sich dieselbe häufig mit
einer wirklichen Ptosis kombinirt, und dass in seltenen Fällen (Celliez,
Walle nberg) sich eine Levatorlähmung allein, d. h. ohne Schwellung des
Lides findet.
So wichtig die Erkrankungen des Sinus frontaUs sind, so wenig ergiebig
war die Litteraturausbeute in Bezug auf das Vorkommen der Ptosis bei den
AflFektionen der übrigen Nebenhöhlen.
Bei den Eiterungen des Sinus maxillaris sowohl, wie der SiebbeinzeUen
war in keinem der uns zugänglichen Fälle eine Levatorlähmung beobachtet
worden. In einer Beobachtung von Russell (1190) blieb das Auftreten einer
Ptosis deshalb von geringer Bedeutung, weil bei der Sektion an der ganzen
mittleren Schädelbasis ein eitriges Exsudat gefunden worden war, welches
die Gefässe und den linken Trigeminus eingehüllt hatte.
Es handelte sich am einen 34jährigen Mann, der seit langer Zeit an hartoftcldigeD
Nasenfluss litt, und plötzlich mit heftigen Kopfschmerzen in der linken Schlftfe erbaiikt
Mischform der Ptoata mit Ps^tidoptoaiB. 539
rar. 14 Tage lang häufiges Erhrecbeo, Schüttelfrost« und Abnahme des SehvennögeDd.
ei der Aufnahme fand sich Ptosis Ijnka und Unbewegllchkeit d^s linkttD Bulbus. Später
Kien Benommenheit und Delirien auL Exitus 3 Wochen nach Beginn der Erkrankung.
ei der Autopsie waren die Siebbein* und Keilbeinhdhlen mit jauchiger fdtider Flüssigkeit
ron bniuDer Farbe gefüllt. Der Sinus cavernosns, circalaris und die Vena ophtfaalmica der
linken Seite waren mit einem soliden Thrombus verstopft* die Venen wände infiltrirt.
Aufiserdem fand sieb die vorher erwähnte eiterige Meningitis an der Basis.
Die eitrigen Aftektionen der Keilbeinlitihlen setzen sich durch die De-
hiscenzen derselben auf die cerebrale Fläche des Keilbeins fort^ führen dann
selbst zur Periostitis punilenta und ergreifen die Dura und Pia mater.
Demarqusy (1192) berichtet vom Auftreten eines Empyems des Sinus frontalis
nach Ausreiasen einea Nasenpolypen. Der Polyp recidivirte mehrmals, 12 Tage nach
einer Aetzung fand Demarquaj starkes Herabhängen des rechten Lides; daa rechte
Auge war unbeweglich, die Pupille dilatirt. Nach 14 Tagen Exitus.
Die Sektion ergab eine Anfflllung der Keilbein*, fcjiebbein- und Righmorshähle mit
Kiter* Derselbe war durch den brüchigen KeilbeinkOrper und die Sella tarcica durch-
gesickert und hatte eine rechtsseitige Kongestton der basalen Hirnhaut verursacht.
Dass Pfx)sis bei der eitrigen Meningitis an der Basis vorkommt, baben
wir in dem Kapitel IX eingebend dargestellt, so dass es kaum nöthig er-
schein t, auf die Beobachtung von Ort mann (1193) noch hinzuweisen, bei
welcher sich von einer eiterigen Affektion der Keübeinhöble eine Meningitis ent-
wickelt hatte. Ans dem Krankheitsbild ist hervorzuheben, dass bei dem 13jährigen
Knaben eine richtige Miachform von Ptosis und Pseudoptosis beider Augen
gefunden wurde. Die Oberlider waren geschwollen und konnten nicht mehr
geöffnet werden.
Auf die iB den Nebenhöhlen vorkommenden Neubildungen einzugehen
würde zu weit führen, meist handelt es sich um bösartige infiltrirende und
zerstörende Gescbwülste, die zu Alterationen der Hirnnei"ven bei ihrem Ver-
lauf durch die Scbädelknochen oder an der Basis cerebri führen können.
Beispiolsweise sei der Fall von Reinhardt (1194) hier angeführt, welcher eiu
Cancreid des linken Oberkiefers bei einem 51 jährigen Manne beobachtete, das zu einer
Paralyse dea Facialis, Amblyopie des linken Auges und später zu Paralyse des Oculomoto-
rius geführt hatte; femer der Fall von Lyonnet und H^^gand (1191X in dem es sich
um ein Carcinom des hinteren Nflsenrachenraomes mit Uebergreifen auf das Keilbem und
die Schild elbaaia der linken 8eite bandelte. Links bestand Ptosis, önbeweglichkeit des
Augapfels, Mydriasis, Lähmung des linken Facialis, der linken Zungenfajilfte mit Ab-
magerung und Verlust des Geschmacks derselben, sowie Herabsetzung der Sensibilität im
linken Quintusgebiet, endlich eine Abnahme des linksseitigifn Gehörs.
§ 262. Wenn wir am Ende dieses Kapitels noch einmal die darin angeführten
Fälle, in denen eine Ptosis beobachtet worden war, kurz betrachten, so geht
auch bei diesen Affektionen die ausserordentliche Bedeutsamkeit der Ptosis für
die Erkenntniss des zu Grunde liegenden Prozesses hervor. Sehen wir doch
in den Fällen Rheindorf, Voss in« und Horner als einziges klinisches
Symptom eine Ptosis lange Zeit den anderen Erscheinungen, so auch dem
pathognonionisch so wichtigen Exophthalmus, voraufgehen.
Zur besseren Uebersicht führen wir noch einmal in der nebenstehenden
Tabelle die einschlägigen Fälle nach Krankheiten geordnet auf:
540 Mischform der Ptosis mit Pseudoptosis.
Tabellarische Uebersicht über das Vorkonunen der Ptosis bei folg^eil«
Affektionen.
A. Abscess längs des Rect. sup.
1. Sichel (1160), siehe pag. 533.
B. Periorbitis.
2. Karafiath (1168), siehe pag. 533.
3. Karafiath (1168), siehe pag. 533.
C. Orbitalphlegmone.
4. Bourod et Lecard (1162), siehe pag. 533.
5. Baas (1169), siehe pag. 533.
D. Gummöse Erkrankung in und an der Orbita.
6. Fall Müller, pag. 313, eigene Beobachtung.
7. Heinicke (1181), siehe pag. 536.
8. Fred. Tresilian (1189), siehe pag. 534.
9. Eigener Fall, pag. 536.
E. Orbitaltumoren.
10. Rheindorf (1171), siehe pag. 534.
11. Vossius (1185), siehe pag 535.
12. de Vincentiis (1188), siehe pag. 535.
13. Webster (1186), siehe pag. 535.
14. Banga (1175), siehe pag. 535.
15. Christensen (1178), siehe pag. 536.
16. Berger (1179), siehe pag. 536.
17. Higgens (1180), siehe pag. 536.
18. Homer (1172), siehe pag. 535.
19. Meyer (1187), siehe pag. 535.
20. Galezowski (1173), siehe pag. 535.
21. V. Hippel (1174), siehe pag. 535.
22. Nieden (1176), siehe pag. 535.
23. Schraidt-Rimpler (1177), siehe pag. 535.
F. Empyem des Sinus frontalis.
24. Wallenberg (1182), siehe pag. 536.
25. Celliez (1183), siehe pag. 537.
26. Kuhnt (1184), siehe pag. 537.
27. Kuhnt (1184), siehe pag. 538.
28. Kuhnt (1184), siehe pag. 538.
G. Empyem der Keilbeinhöhle.
29. Russell (1190), siehe pag. 538.
30. Ortmann (1193), siehe pag. 539.
Die Ptosis sympathica. 541
H. Empyem sämmtlicher Nebenhöhlen.
31. Demarquay (1192), siehe pag. 539.
I. Neubildung im Nasenrachenraum.
32. Lyonnet und Regand (1191), siehe pag. 539.
K. Neubildung des Oberkiefers.
33. Reinhardt (1194), siehe pag. 539.
VII. Kapitel.
Die Ptosis sympathiea.
S 263. Im Jahre 1869 publizirte der bekannte Ophthalmologe Horner (1195)
eine kleine Mittheilung unter dem Titel ;,über eine Form von Ptosis". Für
die Auflassung dieser Ptosis, die er mehrfach beobachtet hatte, theilte er als
prägnantes Beispiel folgenden Fall mit:
Fraa A. B., 40 Jahre alt, eine gesand aussehende Bäaerin mittlerer Grösse, soll
schon von Jagend auf oft an Kopfschmerz gelitten haben, der keine Stelle besonders bevor-
zugte und im Laufe des letzten Jahres eher an Intensität und Häufigkeit abnahm. Sechs
Wochen nach dem letzten Wochenbette, das vor einem Jahre stattfand, bemerkte sie ein
aUmfthliches Herabsinken des rechten oberen Augenlides, das sehr langsam zunahm und
nun seit ca. */« Jahr stille steht. Das obere Lid deckt die rechte Cornea bis an den oberen
Pnpillenrand , ist nicht schlaff und faltenlos, sondern etwas eingezogen in den Orbitalraum
und besitzt noch einige Beweglichkeit. Es ist weder geröthet, noch geschwollen. Die nach
oben konvexen Furchen der rechtsseitigen Stirnhaut deuten die substituirende Wirkung des
Frontalis an. Die Pupille des rechten AuRes ist bedeutend enger als diejenige des linken,
aber auf Lichteinfall beweglich , der Bulbus sehr unbedeutend zurückgesunken und bei oft
wiederholten Messungen etwas weniger resistent als der linke. Beide Augen sind emmetropisch.
Die rechte Gesichtshälfte war geröthet. heiss, turgescirend und von runden Formen. Die
rechte Seite hat nie geschwitzt, fühlte sich trocken an, während die linke feucht war. Die
Temperatur auf der rechten Seite war höher als auf der linken.
Homer beantwortete die Frage nach den ursächlichen Momenten der
Ptosis folgendennassen: ;,Ich glaube, nach allen voraus beschriebenen Sym-
ptomen wundert sich Niemand, wenn ich diese allmählich entstandene, nie
vollständige Ptosis als Lähmung des vom Sympathicus versorgten organischen
Muse, palpebral. super. (H. Müller, Harling) ansehe und so die Erscheinung
am oberen Lide mit dem ganzen Symptomenkomplex in ein gemeinsames
Band verflechte. Es wäre hier also das Gegenstück zu der Erhebung oder
besser gesagt Einziehung des oberen Lids in die Orbita bei Basedow'scher
Krankheit gegeben, welche durch v. Graefe und Remak (1196) als abhängig
von der Reizung der organischen Muskelfasern im oberen Lid geschildert wurde."
542 Die Ptosis sympathica.
4 Jahre später erschien eine von Horner inaugurirte Arbeit seines
Assistenten N i ca t i (1197), die sich ausführlich mit den Lähmungserscheinimga
des Halssympathicus auf Grund zahlreicher in der Homerischen Klinik in
Zürich angestellten Beobachtungen beschäftigt.
Aus der geschichtlichen Einleitung dieser wichtigen Schrift erfahren wir.
dass zwar schon im Jahre 1712Pourfour du Petit über die Physiologie des
Sympathicus gearbeitet hatte; dass jedoch Claude Bernard das Verdienst
gebührt, zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt
zu haben.
1852 bezog Will ehr and t (1198) zuerst die Pupillenverengerung aof
Läsion des Halssympathicus durch einen Halstumor. 1855 stellte Gairdner
(1199) die Sympathicuslähmung als diagnostisches Zeichen für intrathoradschc
Tumoren auf. 1858 publizirte Ogle (1200) 30 einschlägige Beobachtungen
und machte darauf aufmerksam, dass die Läsion sympathischer Fasern Affek-
tionen des Rückenmarks begleite. Er war der Erste, der die Ptosis damit
erklärte, dass ein Zweig des Sympathicus mit dem Oculorootorius zusammen d^
Levator palpebr. sup. innervire. Nach der vorhin erwähnten bedeutsamoi
Mittheilung Homers haben sich zahlreiche Autoren mit der Pathologie des
Sympathicus beschäftigt; so u. A. Seeligmüller (1201), Eulenburg und
Guttmann (1202).
Nicati (1197) unterscheidet bei der Sympathicuslähmung vier Perioden:
1. das Stadium der prodromalen Reizung,
2. die erste Periode der Lähmung,
3. die zweite Periode der Lähmung,
4. die intermediäre Periode.
In der Periode der prodromalen Reizung beobachtet man Mydriasis in
Folge von Reizung des Dilatator pupillae ; Exophthalmus ; Spasmus der Vaso-
motoren ; Pulsbeschleunigung und Erweiterung der Lidspalte. Es sei hervor-
gehoben, dass oft nur eins dieser Symptome vorhanden ist ; so in den Fällen
vonVerneuil und Ledentu (1203). Wir haben in § 17 die Reizung des
Sympathicus genauer beschrieben und zwar an der Hand einer eigenen Be-
obachtung.
Nicati versteht unter der ersten Periode der Lähmung des Hals-
sympathicus die Verengerung der Pupille, der Lidspalte^ die Abnahme der
Tension des Auges, die Retraktion des Bulbus in die Orbita; Injektion der
kleinen Gefasse in der betreflfenden Gesichtshälfte, erhöhte Temperatur; häufig
Schweissausbrucb.
Die zweite Periode der Lähmung ist durch Atrophie der erkrankten
Partieen charakterisirt. Die oculopupillären Erscheinungen (Myosis, Ptosisi
sind dieselben geblieben, nur die trophischen und vaskulären Symptome haben
sich geändert. Die betreffende Gesichtsbälfte ist magerer, blasser geworden:
die Temperatur ist niedriger, und die gelähmte Seite schwitzt nicht mehr
oder viel seltener als die gesunde Seite.
Die 4, Periode zeichnet sich durch den Uebergang der 2. in die 3. Periode
18. Die Transpiration fängt an sich xu verändern ; ebenso die Röthung
les Gesichts.
Wir haben diese Eintheilung hier deshalb reproduzirt, weil dieselbe auf
Grundlage eines grossen Materiales und eingebender Beschäftigung mit dem
Gegenstand aufgestellt worden ist. Es sei aber gleich hervorgehoben, dass
spätere, vielfältige Erfahrungen gezeigt haben, dass die Symptome bei der
SympatUicnslähmung viel zu inkonstant sind, ^h dass man dieselben so
schematiseh trennen kann. In vielen Fällen findet man schon im 2. Stadium
statt Gefässerweiterung eine Gefäss Verengerung; statt Hyperidrosis Anidrosis;
ja letztere trüphischen Störungen werden oft, wie auch die Abmagerung der
entsprechenden Gasichtshälf te vermisst (S e e 1 i g m li 1 le r , M Ö b i u s).
Worauf diese Inkonstanz der Erscheinungen beruht, lässt sich gegen-
wärtig noch nicht entscheiden. Vielleicht kommt man der Frage naher,
wenn man die klinischen Erscheinungen der Hals-Sympathicuslähmung je nach
dem Sitz des die Lähmung bedingenden Prozesses einer näheren Betrachtung
und Vergleichung unterzieht. Zu diesem Behuf e dürfte angezeigt sein zu-
vörderst auf die anatomischen Verhältnisse des Sympathicus hier in Kürz©
einzugehen.
Anatomisches und Physiologisches über den Sympathicus.
§ 264. Das eigentliche sympathische oder Gangliennervensystem (K o e U i k er)
kann, wie Bechterew (1204) sagt, im Wesentlichen als ein abgesprengtes
Stück des Centralnervensystems betrachtet werden. Wie dieses sich aus ein-
zelnen Nervenelementen bezw. Neuronen aufbaut, welche den Nervenreiz in
centrifugaler oder centripetaler Richtung fortleiten, so stellt auch der soge-
nannte Sympathicus eine Ganglienkette vor, wo Nervenelemente, sensible so-
wohl wie motorische sich in verschiedener Weise aneinander anlehnen und
anschliessen. Vom Centralnervenaystem erweist sich der Sympathicus zu einem
Theil unabhängig, während er in vielen Beziehungen mit demselben innig ver-
knüpft erscheint. Eine gewisse Selbständigkeit erwächst dem sympathischen
System aus dem Besitz besonderer Ganglien, aus deren Zellen feinste und
zum Theil marklose Fäserchen hervorgehen; seine Abhängigkeit vom übrigen
Nervensystem bekundet es dadurch, dass es eine Anzahl dickerer cerebraler
und cerebrospinaler Nervenfasern beherbergt, welche ihm auf der Bahn der
Rami comraunicantes zuHiessen, Die cerebrospinalen Fasern des Sympathicus
sind zu einem Theil sensibler Natur, sofern sie von den inneren Körper-
organen kommende Reize dem Gehirn übermitteln; grösstentheils stellen sie
motorische Leitungsbahnen vor, welche vom Gehirn und UQckenmark aus-
gehende Impulse centrifugal zu den Sympathicusganglien und durch Ver-
mittelung dieser weiterhin zur glatten bezw. unwillkürlichen Muskulatur und
zu den drüsigen Organen sämmtlicher Körpergegenden fortleiten.
544 Anatomisches und Physiologisches' Über den Sjropathieiis.
Der Grenzstrang zerfällt in einen Kopf-, Hals-^ Brust-, Banch- und
Beckentheil. Von den uns hier lediglich interessirenden Theilen des Kop{-
und Halssyrapathicus werden der M. dilatator pupillae, der M. orbitalis und
die Mm. palpebr. sup. und int. versorgt und zwar stammen die peripherstea
Fasern aus dem Plexus caroticus, der die Carotis int. umspinnt, und mit
verschiedenen Himnerven, so auch mit dem Oculomotorius, in Verbindung tritt.
Von Jendrassik (1205) ist behauptet worden, dass der Iris und im
MüUer'schen Muskel (wahrscheinlich auch den Drüsen und Gefassen) eine
besondere Art der Verbindung mit dem Centralnervensystem eigen sei. Die
Innervation dieser Organe stamme aus dem Rückenmark, verlaufe in den
Bahnen des Sympathicus und sei wahrscheinlich unterwegs durch Gangfieu-
zellen unterbrochen: Dieses vom Verf. so genannte Dilatatorsystem scheme
wenig reflektorisch beeinflussbar zu sein und habe die Aufgabe, einen anta-
gonistisch wirkenden Tonus zu unterhalten.
Braunstein (1206) glaubt, dass das Gangl. cervic. supr. einen Einflü»
auf di^se Dilatatorbahnen habe und hat gleich anderen Forschem (Hensen
und Völkers, Adamük u. A.) konstatirt, dass wenigstens bei Thieren der
Weg dieser Sympathicusfasern nicht durch das Gangl. ciliare, sondern durch
den 1. Ast des Quintus und die Nn. ciliares long, führe. Bei dieser Gelegenheit
soll nicht unerwähnt bleiben, dass Haie White (1207) auf Grund von ana-
tomischen und vergleichend anatomischen Untersuchungen zu dem Schluss ge-
langt ist, dass das Gangl. cervic. suprem. beim erwachsenen Menschen keine
Funktion mehr habe, da sich in ihm nur degenerirte Ganglienzellen fanden.
Das Gangl. ciliare dagegen enthalte normale Ganglien und sei daher wohl
als aktiv zu betrachten. Dass die oculopupillären und vasomotorischen
Sympathicusfasern ihren Ursprung im Rückenmark, aber nicht in demselbeD
Segment hätten, hatte Claude Bernard (1208) schon 1858 festgestellt Durch-
schneidet man nämlich bei Hunden die vorderen Wurzeln der beiden erst€n
Brustnerven, so erhält man ausschliesslich die oculopupillären Erscheinungen:
durchschneidet man dagegen die aufsteigenden Fäden des Bmstsympathicos
zwischen 2. und 4. Rippe, so erhält man nur die vasomotorischen.
Budge (1209) fand, dass beim Kaninchen Reizung derjenigen Abtheihing
des Rückenmarks, welche in den 3 ersten Brustwirbeln eingeschlossen ist am
sichersten und längsten Erweiterung der Pupille hervorruft, und die nach
oben und unten zunächst angrenzenden Stellen bis zu gewissen Grenzen hin
sich minder wirksam erweisen. Man hat daher jene Stelle des Rückenmarks
das Centrum cilio-spinale genannt; die von ihm in den Sympathicus ein-
tretenden Fasern liegen beim Kaninchen in den Rami communicantes der
beiden ersten Brustnerven und zwar genauer in den vorderen Wurzeln der-
selben. Letzteres hindert jedoch nicht, auch von den hinteren Wurzeln der-
selben Nerven Erweiterung der Pupille auf reflektorischem Wege hervorm-
rufen: Beim Frosche übernehmen der 2. und 3. Brachialnerv die Ueberleitiu^
der Pupillarfasern in die Sympathicusbahn.
ÄDatomiscIied uod Phyaiologiscbes über den Sympätbicua. 545
Interessant ist eine von Eckhard (1210) angefiihi'te Beobachtung:
Ij^Beizt man nämlich den oberen Stumpf des durchschnittenen Halssynipathicus,
tritt Exophthahnus der entsprechenden Seite ein. Nach Eukhard ist
ihev das Hervortreten ein nur scheinbares und kommt dadurcli zu Stande,
ass das untere Augenlid langsam stark abwärts gezogen und dadurch der
Ibus entblösst wird. Diese Erscheinung ist hei Hunden besonders deutlich.
heim Menschen ist sie von Wagner beobachtet. „Bei Thieren ist jeden-
falls die muskulöse Orbitalhaotj welche auf dem Boden der Orbiti liegt und
in das untere Augenlid einstrahlt, die anatomische Grundlage der beschriebenen
Bewegung: Wie es sich beim Menschen verhält, weiss man noch nicht genau.
An seinem Auge kommt ein in der unteren Augenhühlenspalte gelegener
Muskel, der Muse, orbitalis vor, ausserdem aber werden auch noch in den
Lidern glatte Muskelfasern vorgefunden. Für letztere sind indes die Messungen
und Anheftungen noch nicht so genau gekannt, dass man ihnen mit Sicher-
heit dieselbe Funktion» wie der muskulösen Örhitalhaut der Thiere zuschreiben
könnte, obsclion man es höchst wahrscheinlich finden mag. Die Fäden des
Sympathicus sind bis jetzt nicht kontinuirlich bis zu diesen kontraktilen Ele-
menten verfolgt; man findet es nicht unwahrscheinlich, dass sie aus dem
Plexus caroticus, als Nerv, petrosus profundus nach dem Ganglion spheno-
palatinum gehen, wo sie nur noch einen kurzen Weg bis zu jenen Muskeln
haben."* (H. Müller [1211],) Schon früher (pag. 21) hatten wir die neueren
Untersuchungen betreffs der vom Sympathicus innervirten Muskeln am Auge
angeführt. Nach Sattler (50) ist der M. orbitalis nur auf verhältnissmässig
sparsame Bündel reduzirt, welche in der medialen Partie der die Fissura
orbital inf. ausfüllenden Membran gelegen sind. Der M. pal] cebral, sup.
bildet die mittlere Schicht der Aponeurose des M. levator palpebr. sup., ist
sagittal gefasert und inserirt sich am vorderen Rande des Tarsus.
An Thieren (C. Bernard, Tümi anzew) und Hingerichteten (R Wagner
und H. Müller) hat man früher die Erscheinungen der Sympathicusläsion
eingehend studirt. Ganz neuerdings bekommt man die Sympathicuslähmung
in reiner Form dadurch zu Gesicht, dass in jüngster Zeit sowohl bei dem
M- Basedowii (Jonnesco), wie bei Epilepsie (Donath) und bei Glaukom
(Zimmermann) der Halssympatbicus bezw. das Gangl. suprera. resezirt
worden ist. Sehr interessant ist die Beobachtung von Zimmermann (1212).
Sofort nach Resektion des Ganglion suprem. und der aus ihm austretenden
Nerven trat eine hochgradige Verkleinerung der betr. 1. Pupille ein. Der
intraokulare Druck sank. Am Nachmitt:tg nach der Operation wurde ein
deutliclier Enophthalmus geringen Grades und leichtes Herabhängen des
oberen Lides des linken Auges konstatirt
Donath (1213) beobachtete bei doppelseitiger Hals-Sympatbicusresektion,
dass die Ptosis und Miosis mitunter auf beiden Seiten ungleich war.
Diesen absichtlichen Sympathicusverletzungen zum Zweck eines aller-
dings bis jetzt noch recht zweifelhaften Heilerfolges dürften sich ungezwungen
546 Klinisches über den Sympathicus.
die unabsichtlichen Sympathicusverletzungen anreihen, von denen namentlidi
in der älteren Litteratur hinreichend Beispiele niedergelegt sind.
Klinisches über den Sympathicus.
§ 265. lieber eine Schussverletzung des rechten Sympathicus wird Ton
drei amerikanischen Chirurgen (Weir Mitchell, Morehouse und Keen
[1214] berichtet:
Die Kugel war auf der rechten Habseite hinter dem Ramus mandibulae, am Tordeni
Rande des Siernocleido-mastoideus eingetreten , durch den Hals hindurchgegangen und a-
mittelbar unter und vor dem linken Eieferwinkel ausgetreten. 10 Wochen nach der Ver-
letzung wurde der folgende Befund erhoben : Die rechte Pupille war bedeutend kleiner als
die lioke und hatte eine mehr ovale Form. Femer bestand eine leichte, aber bestuDodi
Ptosis am rechten Auge; der äussere Winkel desselben war anscheinend etwas hen^
gesunken, der Bulbus war kleiner, die Gönjunctiva etwas röther; es bestand ThrSneoiiK
und ziemlich erheblicher Frontalschmerz. Wiederholt wurde konstatirt, namenÜidi nad
Anstrengungen des Patienten, dass die rechte Gesichtshftlfte ungewöhnlich roth, die liab
dagegen blass erschien. Dabei empfand Patient Schmerzen am rechten Aoge und rotbe
Blitze in demselben. 5 Monate nach der Verletzung konnte Patient in den Dienst znrfick-
kehren.
Am 8. März 1872 hatte Kämpf (1215) eine Soldaten mit Miosis paralytica dm
rechten Auges vorgestellt, welche durch eine Verletzung des rechtsseitigen HalsstnuigB d»
Sympathicus bedingt war.
Im Sanitätsbericht der deutschen Heere im Kriege gegen
Frankreich 1870/71 findet sich ein uns sehr interessirendes Kapitel über
nervöse Störungen nach Schussverletzungen des Halssympathicos (1216).
Wir reproduziren die tabellarische Uebersicht über die Fälle tod
Sympathicuslähmung auf nächster Seite:
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548 Klinisches über den Sympathicas.
Zu diesen 10 Fällen kommt der Fall von H. M. Bannister (1217), in veldken
1 Monat nach einer Schassverletzung des Sympathicas enge Pupille, Exophthalmus, Bötbisg
des Gesichts und Temperatarerhöhang um 1*^ C. bestand.
Ein Patient von Chavasse (1218) erlitt bei der Exstirpation einer Geschwulst »De
Sympathicusverletzang. Unmittelbar nachher war die Pupille stecknadelkopfgross; nach STaget
unregelmässig kontrahirt, auf Licht etwas reagirend, nach 3 Monaten ebenso, doch bei
Accommodation gut reagirend. Zugleich etwas Ptosis; Sehschärfe normal. Vasomotoriadbe
Erscheinungen fehlten.
Möbius (1219) konstatirte 4 Wochen nach einer Stich Verletzung des Halses
engere Lidspalte, engere Pupille; Injektion der Conjunctiva; Temperatur des betreffendet
Gehörgangs um 0,9° C. höher, Gesichtshälfte wärmer, aber nicht schwitzend, keine Atropliie.
Ernst Remak (1220) sah nach der Exstirpation eines gänseeigrossai, o-
trennbar mit dem N. symplithicus verwachsenen Gavemoms an der rechten Halsseite,
wobei ein 5 — 6 cm langes Stück des Sympathicus resezirt wurde, unter anderen folgeide
uns hier interessirende Erscheinungen: leichte rechtsseitige Ptosis mit erheblicher Ver-
engerung der rechten Pupille. Das rechte Ohr ist röther und dem GefOhl nach wärmer,
subjektiv kälter als das linke Ohr. Schweisssekretion rechts am Kopfe und Geiidt
geringer. Hypersalivation rechts.
Einen ungewöhnlichen Fall einer Läsion des Halssjmpathicns theilte
L. Jacobsohn (GO) mit, den wir schon pag. 25 erwähnt haben.
Bei einem 1'/« jährigen Kinde traten nach Eröffnung und Auskratzung eines links-
seitigen HalsdrOsenabsccsses eine Reihe von Symptomen an der operirten Seite toL
1. Verengerung der Pupille, 2. Verengerung der Lidspalte, 3. Blässe und Kühle der Gesidits-
hälfte, 4. Anidrosis dieser Hälfte, 5. Enophthalmus, 6. Eingefallensein der ganzen Gesichts
hälfte. Hervorzuheben war, dass schon unmittelbar nach der Operation die linke Lidspalte
erheblich kleiner als die rechte war und zwar stand sowohl das obere Lid niedriger, als
auch das untere höher als das entsprechende der anderen Seite.
Der Erste, welcher mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht hatt«,
dass bei traumatischen Lähmungen des Plexus brachiahs gewöhnlich gleich-
. zeitig eine Paralyse des der Seite entsprechenden Halssympathicus vorhanden
sei, war Hutchinson (1222). In zwei von Seeligmtiller (1223) publi-
zirten Verletzungen des Plex. brach, fanden sich nur Verengerung der Lid-
spalte und Miosis, während trophische und vasomotorische Erscheinungen ganz
zu fehlen schienen.
Eulenburg und Guttmann (1202) protestiren gegen die regelmässige
Coincidenz von Lähmungen des Plexus brachialis mit Lähmungen des Hals-
sympathicus. Sie haben eine nicht geringe Anzahl isolirter, meist trauma-
tischer, sowohl frischer als veralteter Lähmungen des Brachialplexus mit
negativem Erfolg auf Symptome von Seiten des Sympathicus untersucht
Eulenburg und Guttmann meinen, dass die Verletzung des Plexus
brachialis und die konsekutive traumatische Neuritis der Armnervenstämme
sich nach der Eintrittsstelle der betreffenden Wurzeln in das Räckenmari[
fortgepflanzt und dort eine cirkumskripte, sekundäre Myelitis hervorgerufen
habe. Letztere könnte als im unteren Theile des Halsmarkes belegen die
Ursache der Funktionsstörungen sein, welche sich in den oculopupillaren
Fasern des Halssympathicus zeigten. Die Nichtbetheiligung der vasomotorischeo
Sympathicusfasern in den erwähnten Seeligmüller'schen Fällen würdesich
aus dem cirkumskripten Charakter der Myelitis leicht erklären.
Kliiiischea über den Sympathicus. 549^
Am genauesten sind diese interessanten Verhältnisse neuerdings von
Fran Klumpke (1224) imtersucbt worden. Ihr zu Ehren spricht man anch
I von einer Klumpke' sehen Lähmung, wenn man eine untere Plexuslähmung
meint. Durch Thierexperimente stellte sie fest, dass das Durchschneiden nur
des 8. Cervikal- und besonders des L Dorsalnerven Lidverengerung, Miosis
und Enophthalmus hervorbringe.
Kraus (1225) hat darauf hingewiesen , dass diese oculo-pupillaren
Symptome besonders im ersten Dorsalsegment zu lokalisiren seien. Zeigten
sich neben den oculo-pupi Hären auch vasomotorische, trophische und sekre-
f torische Störungen, so dürfte wohl die Affektion im Grenzstrang des Sym-
pathicus ihren Sitz haben, weniger im Rückenmark. Bei cervi kaier Myelitis,
die sich speziell auf das 8. Hals- und L Dorsalsegment beschränkt,
kommt es nämlich lediglich zu oculopupi Hären Symptomen, ebenso wie bei
d^r oft hier lokalisirten Syringomyelie. Nach Schlesinger (500) befindet
Fich bei dieser Krankheit die Sympathicuslähmung in der Regel auf jener
Seite, auf welcher die Musketatropbien ausgesprochen sind und stellt sich
nicht selten als eines der initialen Symptome der Syringomyelie, besonders
der cervi kalen Form ein.
Unter 200 Fällen fanden sich in 29 Zeichen von Sympathicusläsion, also
in ca. 18*^/0 der Fälle.
Schon auf pag. 200 § 77 haben wir hervorgehoben, dass eine sympathische
Ptosis gar nicht so selten bei der Syringomyelie zur Beobachtung komme und
zwar durch Läsion der Fasern, die das Rückenmark mit dem Ramus commun,
des l. Brustnerven verlassen.
Bei dem auf pag. 201 citirten Falle H. Neuhaus (502) und A. Reich-
liiie's (505), in welchem eine linksseitige Ptosis und Miosis vorhanden war, ist
die Ptosis wahrscheinlich als eine sympathische zu deuten.
Wir selbst beobachteten den auf pag. 202 schon tnitgetheilten Fall von
Syringomyelie mit sympathischer Ptosis und Miosis.
Koppen (507), Dejerine undMiraille (508), Schlesinger (500)
Beobachtung^ V, XX und XXII haben ähnliche Fälle besehrieben.
Auch bei anderen Rückenmarksaffektionen konstutirt man den Hörn er-
sehen Symptomenkomptex, wenn dieselben nur oberhalb des ersten Dorsal-
segmentes ihren Sitz haben, was auch von Kocher (1226) hervorgehoben wird.
Durch die Güte des Herrn Direktor Prof. Lenhartz waren wir in
der Lage, einschlägige Beobachtimgen am folgenden Fall anzustellen:
Ein 26 jähriger Eutschsr, der einig© Tage vor si-uner Erkrankung durch Sficketragen
sehr erliitzt sich auf dem Kulacberbock rasch abküMte, fühlte pl&tzlkh ruckweise SchmerKen
io den Armen und Beinen. Am 8. Oktober trat Bangeln im linken Arm und Abnahme dor
Kraft drsst'lben auf. Am fulgenden Tag dasselbe Gefülil im rechten und linken Bein, ferner
in den Fingerspitzen der rocJiten Uand. Der Gang wurde unaicher* Nacken- und Rücken-
schmerzeix.
Aus der Anamnese ist zu bemerken, dass hereditär nerrtise Belastung nicht vorUg
dass Patient nie geschlecbtsltrank gewesen war, und dass er bdcbstena nur für IQ Pfenoig
Sc!ii aps pro die g truhken hat
3e*
550 Klinisches über den Sympathicus.
Bei der Aufnahme im Krankenhause fieberte Patient bis 38 ^. Die Kraft des lioka
Armes und der linken Hand waren herabgesetzt; zugleich bestand hochgradige Ataxie. Db
Sensibilität der ganzen linken Hand und der Streckseite des linken Unterarms war hod-
gradig gestört. Auch recht-s bestanden an der Volarseite des 3., 4. und 5. Fingers tacük
Störungen. Der Gang war unsicher und schwankend. Die Kraft der linken unteren Ex-
tremität war herabgesetzt.
Die Reflexe waren bis auf den linken Cremasterreflex normal. An den Hinnerrei
nichts Abnormes.
Am 17. Oktober klagte Patient über Nackenschmerzen; der 2. und 3. Halswirbd
war auf Druck schmerzhaft Die Ataxie war stärker geworden.
Am 26. Oktober kann Patient den linken Arm kaum noch heben. Das LagegefQU
war in der linken oberen Extremität fast gänzlich erloschen. Die rohe Kraft der Beifie
war stärker herabgesetzt.
Am 27. Oktober fiel auf, dass die linke Pupille hnlbsoweit wie i'it
rechte war. Die Reaktion zeigte sich aber ungestört. Die Lidspalten warti
gleichweit. Erst am 1. November erschien die linke Lidspalte deottick
enger als die rechte, und war die linke Gesichtshälfte des auffallei^
schwitzenden Patienten trockener als rechts. Die linke Papille war esg
und oval verzogen.
Am 3. «November traten zuerst Blasenstörungen auf. Die rohe Kraft des reeblei
Arms und beider Beine hatte sehr abgenommen.
Am 6. November war die linksseitige Ptosis stärker, ebenso die
Miosis; die Lichtreaktion der Pupillen erschien normal.
Am 10. November war die Ptosis geringer. Deutlicher halbseitiger
Schweiss in der rechten Gesichtshälfte.
Am 24. November wurde speziell notirt, dass die linke Lidspalte
wieder enger geworden sei. Am 8. Dezember war die Ptosis wieder glii*
lieh geschwunden.
Am 11. Dezember waren alle Extremitäten gelähmt. Schluckbeschwerden. Oppresioni-
gefUhl. Am 14. Dezember beiderseits Patellarclonus nachweisbar. Cyanose des Gesichts.
Schluckstörung. 18. Dezember: Exitus während des Schlafes Die Sektion ergab eine
Myelitis cervicalis und dorsalis, ferner Myodegeneratio cordis, Lungenödem und Staanogs-
niere. Das Rückenmark wurde in Müll er 'scher Flüssigkeit gehärtet, nach den fiblicbei
Methoden gefärbt, und auf Querschnitten in verschiedenen Höhen untersucht. Am ans^
dehntesten waren die Veränderungen im Hatsmark und zwar in der Halsanschwellaoii
Schon bei makroskopischer Betrachtung der nach Weigert gefärbten Präparate konnte
man konstatiren, dass es sich in der Hauptsache um schwere Veränderungen der eioa
Rückenmarkshälfte handelte. In der Halsanschwellang erschien der hintere Seiten- vai
Vorderstrang links total degenerirt, ebenso der Hinterstrang links und rechts; bei stirkertpr
Vergrösserung waren auch im rechten Seitenstrang deutliche Veränderungen zu konstitireo-
Auch die graue Substanz speciell des linken Hinterhorns erschien stark affizirt. Der ]nT^
litische Prozess erstreckte sich durch das ganze Halsmark bis ins Binstmark, wo der Proxetf
einen geringgradigeren, aber mehr difiPus über den Rückenmarksquerschnitt verbreitetei
Charakter annahm. Mikroskopisch waren im Halsmark im linken Vorder-, Seiten- wd ii
beiden Hintersträogen die Nervenfasern beinahe völlig zu Grunde gegangen; am meistM ii
den HioterstrSngen , wo die schwer sich färbende Substanz zahlreiche Lücken zeigte Dv
Gefässe waren verdickt» die perivasculären Räume mit Zellen ausgepfropft Reste tm
Blutungen befanden sich zwischen dem rechten GolT sehen und B ur dach 'sehen Stnif
auf der rechten Seite. Auf allen Querschnitten konnte man zahlreiche Kömchenxellei
koDstatiren, die aber von auffallend verschiedener GrOsse waren; (wahrseheinliek vird
durch solche Befunde die Hoch e' sehe Ansicht (1221) bestätigt, dass die FettkAnckci
Zur genaueren Lokalisirung den Verlaufes der oculopupillareii Fasern
können wir diesen Fall nicht verwerthen, iDiinerhin scheint aus dem
wechselnden Verhalten der Ptosia und dem inkongruenten Ver-
halten der Miosis zu derselben hervorzugehen, dass diese Fasern
einen gesonderten Verlauf haben und wahrscheinlich nur im
8. Cervikahsegment stets zusammen verlaufen; so findet man bei
Halsraarkaffektionen viel häufiger einseitige Miosis allein, als
korabinirt mit leichter Ptosis.
Frau Klumpke hat nachgewiesen, dass die oculopupi Hären Sym-
ptome auf eine Lasion der 1, Dorsalwurzel hindeuten. Wir stimmen, wie
schon erwähnt, Kocher (1226) bei, der sagt, dass die Lähmung des Dilatator
pupillae durchaus nicht allein auf eine Schädigung des 1. Dorsalsegmentes
hinweist, sondern ebensogut auf jedes andere Rückenmarkssegment oberhalb
des 1, Dorsalabschnittes; denn durch das ganze Halsmark herunter vom ver-
längerten Marke abwärts verlaufen die symi)athischen Fasern zum Auge und
zur (iesichtsbälfte derselben Seite, „Die Lähmung nach Zerstörung dieser
Bahn scheint eine bleibende m sein, wenn sie auch graduell abnimmt, da
das Auge noch einen Zuwachs an diktatorischen P'asern von anderer Seite
erhält,^' Kocher*
Während in der Litteratur sich zahlreiche Angaben finden über das
Verhalten der Pupillen bei Affektionen des Halsrückenmarks: so von Ren du
(1227), Rosenthal (1228), Ogle (1229) etc., ist auf das Vorkommen einer
sympathischen Ptosis leider wenig geachtet worden.
üeber den Verlauf der sympathischen Fasern in der Med. oblongata
und im Gehirn wissen wir bis jetzt nur sehr wenig,
Schmidt-Rimpler (1230) konstatirte in 2 Fällen mit sympathischer
Ptosis und Miosis, dass der Halssympathicua normal, dass aber in dem
einen Fall die obere Schicht des linken Thalamus auffallend weich war.
In dem anderen Fall wurde chronische Meningitis an der Konvexität des
Geliirns nebst einem frischen Extravasate im rechten Thalamus opt. und
Corp. striatum gefunden.
Dass der Thalamus opticus in Beziehung zum Sympathicus steht,
glauben Bechterew und Mislawski (1231) aus ihren Thierexperimenten
über die Innervation der Thränenabsonderung erschüessen zu können. „Wie
bei der Reizung der Hirnrinde wird die Thränenabsontlerung bei der Reizung
des Sehhügels von l'upillenerweiterung, Hervortreten der Augäpfel und Zu-
rückgehen der 3 Augenlider begleitet. Somit geht aus diesen Versuchen ganz
klar hervor, dass der Reiz an den angegebenen Hirnrindenbezirken (die inneren
Theile des vorderen und hinteren Abschnittes der Sigmoidahvindung) und an
den Sehhügeln die centralen Verlängerungen des Halssympathicus getroffen
hat.** Nach der Ansicht dieser Forscher liegen in den Sebhügeln die cen-
552 Klinisches über den Sympathicaft.
tralen Leitungsbahnen des Halssympathicus, von wo aus ihre Fortsetzanga
dann znr Hemispbärenrinde sich erheben.
Welchen Verlauf letztere nehmen, ist bis jetzt noch nicht geklirl
Einen Anhaltspunkt geben sicher konstatirte Fälle von cerebraler Hemi-
plegie mit Betheiligung des Sympathicus. Nothnagel (1236) gebührt d»
Verdienst, in einer sehr interessanten Mittheilung speciell darauf aufmerksim
gemacht zu haben. Er sagt, dass ihm bei älteren stationär gewordenen cere-
bralen Hemiplegien (in Folge vonHämorrhagien oder embolischen Erweichungen)
ausser den im wesentlichen sehr oft wiederkehrenden klinischen Symptomen
der gekreuzten Eörperlähmung inkl. der unteren Facialisaste zwei Er-
scheinungen als bemerkenswerth aufgefallen seien:
1. Beobachte man nicht selten noch ein Herabhängen des oberen
Augenlides auf der gelähmten Seite und eine Verengerung der Lid-
spalte. Alle anderen Zweige des Oculomotorius funktionirten Tollig
normal, ebenso der Abducens und Trochlearis.
2. sei an demselben Auge eine Miosis zu konstatiren.
Um die Frage zu lösen , welcher Art diese Symptome seien , fuhrt er
einen einschlägigen Fall an:
Es handelte sich um einen 64 jährigen Mann, der eine linksseitige Himhämorrhagie
erlitten hatte. Ausser einer Lfthmang der rechten Körperhälfte inkl. des unteren Facialis
und leichtem Abweichen der Zunge nach rechts bestanden folgende Symptome:
1. anscheinende Ptosis,
2. Verengerung der Pupille,
3. Exophthalmus rechts,
4. Erhöhte Temperatur der gelähmten Gesichtsseite,
5. Abnorme Sekretion aus dem Auge, der Nasenhöhle und, soweit es sich be-
urtheilen liess, auch aas den Speicheldrüsen der gel&hmten Seite.
Dieser Fall lehrte demnach, dass nicht nur die Gefassnerven der Ex-
tremitäten, sondern dass auch die durch den Halstheil des Sympatbicns zum
Kopf und Gesicht verlaufenden sympathischen Nervenbahnen bei cerebralen
Heerderkrankungen betroffen werden können. Wenn nun diese Auffassung
für vorliegenden Fall wohl unbeanstandet als die richtige angesehen werden
kann, so hält Nothnagel es für erlaubt, die gleiche Deutung auch auf
andere Fälle zu übertragen, in denen eben nur die oculopupillären Fasern
des Halssympathicus betroffen sind, oder in denen wenigstens nur die Effekte
der Halssympathicuslähmung deutlich hervortreten.
Ausser diesem klassischen Fall existiren in der Litteratur noch mehrere
Fälle von Sympathicussymptomen bei cerebralen Hemiplegien, so von Seelig-
müller (1237); Kaiser (1238) und neuerdings von S. G. A. Seelig-
müller (1239).
§ 266. Was nun die Endigungen der Sympathicusbahnen in der Hirn-
rinde betrifft, so erinnert Nothnagel am Schlüsse seiner vorher angefahrten
Arbeit daran, dass Brown-Sequard (1240) auch experimentell durch Kau*
Die Ptosis s^inpull^ii^a.
oäa
srisation der Hirnrinde „Lähmungserscheinungee im HalsUieil des Sympathie
Bs"^ erzeugt habe, und zwar iiabm die Intensität der Symptome bei Kauteri-
ition des Mittellappens und mit der Grösse der gebrannten Stelle 211.
Bei dieser Gelegenheit sei auf den von Geiger (1241) mitgetheilten Fal
hingewiesen, bei welchem 14 Jahre nach einem schweren Schädeltrauma links-
seitige Lähmung, vorübergebende Sprachlosigkeit, Gedächtnissverlust und epi-
ieptische Krämpfe aufgetreten waren. 5 Jahre später stellte sich eine links-
seitige Ptosis, Miosis j Exophthalmus imd iihermässij^f s Schwitzen der
linken Kopfseite ein. Wahr-
scheinlich handelt es sich
auch hier um eine Rinden*
erk rankung.
§ 267, Wir hatten
schon früher erwähnt^ dass
schon in den öOer Jahren
vonWillebrand (1198) und
Gairdner (1199) darauf
aufmerksam gemacht worden
sei, dass T ü mo r en , welche
in den Seitentheilen des
Halses oder innerhalb
des oberen Abschnittes
des Thorax ihren Sitz
hätten, Sympathicuserschein-
ungen produz irten und zwar
bald in reizender, bald in
lähmender Form.
Bei den Tumoren der
Cervikalgegend spielen
diejenigen der Schild-
drüse eine wichtige Rolle.
So beobachtete N i c a t i
(1197/ bei einem 28 jährigen
Ffttienten mit Hyp6i-I:ri>pbi& des
rechten gchilddrüsenlappenä eine
rechtsseitige Mjosia; Rötbung der rechteti Gesfchtshäifto mit Neigung zur Tntnsspiration.
In einem ähnlichen FalJe bestand Ptosis und Miosis, ferner leichte Retraktion des
BoIhnB^ erhöhte Temperatur der QesichtHbälfte and Neigung zur Schweis$hildung,
Bei einer linksseitigen Struma einer 66jährigen Frau koDstatirte er ebenfalls Ptoaia
und Miosis.
Schon früher (pag. 24) hatten wir in nebenstehender Figur eine Frau mit
Morbus Basedowii abgebildet, bei der die enorme Struma ausser Kompres-
sionserscheinungen der Trachea den rechten GrenzStraog bedrängte und da-
durch Ptosis und Miosis verursacht hatte.
Fiif. 111
A. B. Morbus Basedowii mit Sjmpithicuflähmung auf
dem rechten Auge (enge Lidipalte, <*Dge PupHle).
4
554 Die Ptosis sympathica.
Seppilli (1238) beobachtete eine 58jährige Fraa, bei der 1882 sich ein Tumor der
linken Maxillargegend und eine zweite apfelgrosae Geschwulst im oberen Cerrikaldreieck
entwickelt hatte. Letztere schien bis auf die Wirbelsftule zu dringen and hatte eine Er-
krankung des Ganglion cervic. sup. des Sympathicus verursacht, die sich in Verengcraij
der linksseitigen Pupille und Lidspalte manifestirte.
Sehr selten führen Aneurysmen der Carotis int. oder comm. and
Tumoren der Parotis zu den Erscheinungen der SympathicasIähmuDg.
Nicati (1197).
§ 268. Da die oculopupillären Fasern mit dem 1. Dorsalnerven nach
den Untersuchungen der Frau Klumpke das Rückenmark Terlassen, so ist
es einleuchtend, dass intrathoracische Tumoren^ namentlidi reiifi i^i*
ihren Sitz im hinteren Mediastinum haben oder im oberen Theile 4m Brust-
korbes und sich nach hinten hin erstrecken, ebenfalls eine Ptosis sympolbka
hervorrufen können. Schon im Jahre 1858 hatte Ogle (1200) 15 Beobidh
tungen von Aneurysmen der Brustaorta gesammelt mitSyiüpatbicus^jmptoiii«^
Aehnliches konstatirte man bei Tumoren der Broncbialdrüsen (RossbAcb)
der Lungen etc.
Wir selbst beobachteten nebenstehenden einschlägigen Fall :
Der kräftige Mann war im Herbst 1897 mit Heiserkeit erkrankt Ällmäliticli
sich Beschwerden beim Schlucken ein. 10 Tage vor der Aafiiabme hing das rechte <
Angenlid herab. Rechts bestand eine unvollständige Ptosis (siehe Fig. 112). Dai recktf
obere Lid hing ungefähr bis zur Mitte der Pupille herab, während das linke ^hum Lul iti
Hornhautrand eben berührte. Das rechte untere Lid stand etwas höher als dtm JUk», Sk
linke Lidspalte war doppelt so weit wie die rechte. Die rechte Papille war tM m$ßt di
die linke. Die Pupillarreaktion war beiderseits ziemlich gleich. Beim Autnimm im
Augen (siehe Fig. 113) war die rechte Lidspalte 10 mm, die linke 17 — 18 mm wsit Dil
rechte Pupille war bei hellem Licht 1 '/« mm, die linke 3 mm weit Aaf Gocmin (5*'«) er-
folgte weder Erweiterung der Lidspalte, noch der Pupille. Der M. frontalis erschien rediti
mehr kontrahirt als links. Die Temperatur war auf beiden Gesichtshftlften gleich. £•
waren weder trophische noch vasomotorische Störungen irgend welcher Art zu kon-
statiren.
Patient hatte ein Oesophagus-Carcinom, welches sich nach dem rechten Greiu-
sträng hin entwickelt und denselben durchwachsen hatte, wie sich bei der Sektioi
herausstellte.
Leider ist das Präparat behufs mikroskopischer Untersuchung nicht aufbewabt
worden.
Ebenfalls auf der Abtheilung des Oberarztes Herrn Dr. Wiesinger be-
obachteten wir im März 1896 folgenden Fall:
Ein 22jähriger Malergeselle bekam im Dezember 1895 Schmerzen in der rechtes
Schulter, die bis zum Ellenbogen ausstrahlten. Mitte Januar bemerkte Patient Schwidie
der rechten Hand, zugleich traten Purästhesien im Ulnarisgebiete auf. Zur selben Zeit
wurde eine haselnussgrosse Geschwulst in der rechten Achselhöhle konstatirt. Ende Jarnur
begann die Infraclaviculargrube rechts sich mit einer nicht schmerzhaften, anfangs ziemlidi
weichen, später derberen Geschwulst auszufüllen, welche stetig an Umfang zunahm.
Bei der Aufnahme wurde gleich eine unvollkommene Ptosis des rechten Obeilidei
und rechtsseitige Miosis konstatirt. Die Reaktion der Pupillen war auf Licht nnd bei
Aecommodation prompt. Die rechte Infraclaviculargrube war bis zum unteren Rand der
8. Rippe, von der vorderen Acbsellinie bis handbreit nach vorne von einer Geschwulst au-
Bie Ptosis eympathica.
655
gefüllt. Die letztere durcheetzte die Lungcnapüze bis nacb oben; dezm R. H. 0. und E. V. 0.
war gedämpfter Bcball nachweisbar.
Die Geschwulst wuchs riach voroe, unten und hinten, durchdrang die Wirbelsäulo
und verursachte eixie koniplete Faraplegie»
Wir haben diesen Fall, der anderweitig noch genauer piiblizirt werden
wird, hier wegen des frühzeitigen Auftretens des Hörn ersehen Svmptomen-
komplexes mitgetheilt* Die Sektion ergab, dass es sich nm ein Ileuriisarküm
handelte, das den rechten Grenzstrang total durchwachsen hatte.
J_
\ \
Fig. 112.
A. B. R. Sym|iathicuslilhiQUQg. Ptotis hjiu-
pathica bei Oesophag^uscarcrliioiD.
Kig, 113.
A. B, Bei ,aufgeriMM?nen Äugco* Ptosis lym-
pnthicii lK*i Of^MiphagUHc^ircinom.
Wenn auch heutzutage die Hemikranie und die Baeedow^sehe Krankheit,
nicht mehr zu den eigentlichen Erkrankungen des Sjrmpathicus gerechnet
werden, geschweige denn die progressive Muskelatrophie und Angina pectoris, so
kommen doch klinische Symptomenkomplexe vor, die man ^vohl aln Ausdruck
einer Erkrankung des Sympathicus selbst betrachten darf, oljgleicli auch zuge-
standen werden rnuss, das« wir bis jetzt noch keinen Einblick in die Patho-
genese dieser Erscheinungen haben.
Wir haben aber auch des öfteren den Hörn er' sehen Symptomeil-
komplex bei Leuten gesehen, bei denen weder Migräne, noch irgend eine
Ursache einer Läsion des Sympathicus emirt werden konnte, so in Fig; 114
und 115.
Die Ftoaia sjmpathica.
»
So finden sich in der schon citirten, wichtigen Arbeit Nicatr» (ltS1|1
folgende in Betracht kommende Falle, zur Ilkistriryng der vorletzten Bemerken»:!
55 jährige Frau H. mit Ptoais und Miosis des hnken Auges; Rnthimg and Sdiw«
der linken Gesiebt ehälfte Die Art temporahs ist erweitert und geschlängelt.
48jäbnge Fmii S. mit Ptosis und Miosis; Röthung und Schweis« der linkit
Qeaichtshäirte.
59 jähriger Alkoholiker mit recbtsseitiger Ptosis, Miosb und R^^thmig dtr G«-
sichtshälfte.
In diesen drei Fällen war Ätiologisch niohts nachweisbar.
Bei einer 35 jährigen Frtai
eine llükäs eilige Ptosis mit IGotfl
Blässe und Küble der GesichUblfii
nach einem Gesichtaerysipel tv^
treten.
Bei einer 49j&hrigea fa»
sfct>Ute sich nach einer sehr akk^
liehen Menstruation eine linksafiript
Ptosis. M ioais. Blässe und KiUa i
(Jesicbtshälfte ein.
Bei einem 60jähngen Mä
entwickelte sich nach eiarr It*
kältung recht^ssettige Ptosis und
Miosis. _
Ebenfjilla nach einer Erklhu
entstimd hei einer 36jähngvn Vn
der Horner'eche Symptenieakom-
plex mit Blässe und Kälte der Gfr-
sicbtehäirte.
Ausser diesen yicati'-
schen Fällen wäre hier noch
die Nieden'sche (1234) Be-
obachtung anzuführen:
Ein 51 jahriger Mann erkülite
sich in Folge eines Flnasbadea mi
bekam plötzlich auf der reditai
KopfbäHte folgende Symptome: M-
B ps 1 teure re ngerung. P u pU larkontrsk-
tion» Eiopbthalniua, Anidrosia dci
Stirn- und oberen Lidbaat Dai
chorioideale nnd retinale GeÜsi-
System schien rechte stärker gefüllt zn sein, als links.
Im Laufe von 9 Monaten besserten sich diese Symptome spontan. Die Scbädhckk^t
wirkte nach der Ansicht des V'^erfaast-rs wabtscbeinlich auf einen Theil des die obere Caratii
umspinnenden sympathiscben Geflechtes störend ein,
Ende vorigen Jahres beobachteten wir folgenden Fall in der Pöh-
klinik.
Eine 73jährige Näherin J. bemerkte, seitdem sie die Menstruation fer-
loren hatte, ein genau halbseitiges Schwitzen in der linken Gesichts-. Brust-,
Bauchseite und in der linken oberen Extremität. Die linke untere Elxtremität,
sowie die rechte Korperhälfte blieben trocken.
Fi- 114.
A. B, Kecbtü Pto>i6i Bynipiithkfi, uubekanute
Aetiolügie,
Patientin war früher stets gesund, ausser dass sie mehrfach eine Lungen-
atzund ung durch n^eraacht hatte. Seit ^U Jahr empfand sie in der rechten
Seite des Kopfes Schmerzen und namentlich des Morgens ein Gefühl, als ob
sie das rechte obere Lid nicht heben konnte* Sie rieb dann dasselbe und
nach 2 — 3 Mintiteo öffnete sie das Auge.
Auf spezielles Befragen gab Patientin an, dass sie nur schwitze, wenn
es warm wäre, und wenn sie aufgeregt sei. Sehr interessant ist die Angabe,
dass Patientin seit 20 Jahren an rechtsseitigen Kopfschmerzen gelitten habe.
(Migräne.)
Die Untersuchung ergab rechte leichte Ptosis und Verengerung der
rechten Pupille; beide Symptome blieben unbueinHusst durch t'ocain; durch
Homatropin jedoch erweiterte sich die
Pupille sehr stark. Während die linke
Gesichtsseite feucht erschien, war die
rechte ganz trocken. Sonst war am
N errensy stem nichts Pathologisches
vorhanden. Am Hals waren weder
Drüsen, Struma, noch irgend etwas
nachweisbar, was auf den Grenzstrang
eine Kompression hätte ausüben können.
Dagegen fiel sehr die Klage der
Patientin auf, dass sie in letzter Zeit
an Schluckbeschwerden leide. Es liegt
daher die Vermuthung nahe, den
Homerischen Symptomenkomplex auf
einem intrathoraciachen Tumor {Oeso-
phagussarkom) zurückzuführen.
Leider entzog sich die Patientin
weiterer Beobachtung, so dass die
Deutung der Sympathicnserscheinungen j^ ß^
nicht zu geben ist. Jedenfalls ist in
diesem Falle das ZusammenYorkommen
von Hemikranie und Sympathicusalteration bemerk enswerth. Auch wir können
durchaus die Beobachtung Oppenheim 's (1235) bestätigen, dass bei Personen,
die immer nur an einseitiger Migräne litten, miweilen die Lidspalte und Pupille
der betreffenden Seite dauernd verengt sei.
§ 269. Was nun die sympathische Ptosis als solche betrifft, so ist schon aus
den hier reproduzirten Abbildungen ersichtlich, dass der Grad der Lähmung
ein recht verschiedener ist. Oft scheint ein Herabsinken des oberen Augenlides
nur eben angedeutet und nur bei spezieller Aufmerksamkeit auf dieses be-
deutsame Phänomen erkennbar; oft bedeckt das Oberlid die Hälfte der Cornea
(Fig. 112). Stets jedoch bleibt das Oberlid dem Willen unterworfen.
Seeligmüller hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass die Ver-
engerung der Lidspalte beträchtlicher wird» wenn der Patient aufgeregt ist.
Kf^chta Ptotis s^iynipitthipii : unb(<k&nnte
Ättiülogie.
5Ö6
Die Ptosis synipatliic».
Von Homer rührt die lieobaclitiing her, dass die Lidspalte des Morgtqi*
grösser als Abends sei.
§ 270. Zum Schliisse sei noch hervorgehoben, dass ebenso, wie das obert
auch das untere liid unter dem EinHnss des Sympathicus steht. Auf sämmthcheu
Abbildungen von Sympathicuslälimiing sehen wir denn auch ein Hc>her?t^beii
des unteren Lides im Vergleich zur Seite des gesunden oder vielmehr m-
takten Sympathicus {besonders deutlich in Fig. 112, 113 u. 114).
Die ditierentialdiagnostische Bedeutung der sympathischen IHosis Imbea
wir in § 78 besprochen und ver-
weisen wir, um Wiederholimgei]
zu vermeiden, darauf zurück.
Speziell sei noch einmal her-
vorgehoben, dass die sympathische
Ptosis meist mit Miosis zusammen-
vorkommt und dass, wenn sie
isolirt sich zeigt, man aus der
NichtWirksamkeit einer instillirten
Cocainltisung in Bezug auf die
Hebung des herabgesunkenen Ober-
lides den sympathischen Charakter
der Ptosis erkennen und eine
ev. in Betracht gezogene Le^'ator-
lähmung ausschliessen kann.
Zum Schlüsse führen wir aa
dieser Stelle einen unklaren Fall
von Ptosis an, bei dem sich aus
der Wirksamkeit des Kokains mit
Sicherheit ergeben hat, dass ein
durch Sympathicuslähmung ht-
dingtes Herabhängen des Ober
lides auszuscliHessen war.
Es handelt sich um ein 20 jihnpi
Dienstmadcheö («iehe Fig. H0\ wddwi
im 8. Jahr eine EntzÜDduni; beider Augen durcbgemacbt hatte. Aiigebticb seit der Zeit kiif
das linke obere Lid herunter. MitiiDt^^fvist die FtoBts stärker, nnin entlich nach an&trejaitn^
Arbeit —
Die Untersuchung des gesunden Madchens, das keinerlei Zeichen to»
Hysterie darbot, ergab linkerseits eine engere Lidspalte als rechts. Mit Sicher-
heit war auszuschliessen , dass das Lid durch Schwere etwa in Folge tüd
Schwellung herabgesunken sei. Mit Sicherheit war ferner ein spastisclitiT
Zustand auszuschlie.^^sen. Die Untersuchung der Augen zeigte sonst md
jeder Richtung hin normale Verhältnisse,
VielJeicht handelt es sich um eine Ptosisj die als erstes Symptom emi
chronischen Ophthal moplegia exterior anzusehen ist»
A. B,
Fig. IUI.
linlcÄ vi»r 12 JjiIiitd erworbene Ptos^is ohne
Kinatige ErBcheiuungen.
Anatomisches über den oberen Facialis.
559
Kapitel Vm.
Die Beziehungen des Facialis zu den Augenlidern.
A. Anatomisches.
a) Der kortikale Ursprung des Angenfacialis.
§ 271. Bekanntlich haben die Erfahrungen der Himpathologieg elehrt, dass
die einzelnen Abschnitte der Himoberfläche nicht gleichwerthig, sondern von
durchaus verschiedener Bedeutung sind. Wenn auch unser Wissen über viele
Rindencentren noch unsicher ist, so stimmen jedoch alle Forscher über das
uns hier beschäftigende Centrum des Facialis dahin überein, dass dasselbe
Fig 117.
Schema nach v. Monakow, Gehirn pathologie, pag. 345.
im unteren Drittel der vorderen Centralwindung zu suchen sei
(siehe Figur 117).
Exner (1242) betont, dass zu den häufigsten Symptomen von Rinden-
läsionen Lähmungen, Paresen und Zuckungen im Gebiete des Gesichtsnerven
gehören. Er könne aber nicht bestimmen, ob die kortikale Facialislähmung
sich auf alle von diesem Nerven versorgten Muskeln erstrecke, denn es gehöre
zur Regel, dass einer, nämlich der Orbicularis oculi, bei Rindenlähmung eine
Ausnahme mache.
560 Anatomisches über den oberen Facialis.
Für das Freibleiben des oberen Facialis bei der kortikalen Hemiplepe
giebt Exner uns folgende Erklärung. Der von diesem Nerv innervirte Orbi-
cularis gehöre als Blinzler zu den gewöhnlich instinktiv innervirten Muskeln,
welche in weniger enger Bezieliung zur Rinde stünden, als die rein wilUrär-
liehen. Man möge sich erinnern, dass noch niemals nach Rindenverletzimg
eine Lähmung des Zwerchfells und so vieler, wenn auch der Willkür unter-
worfener, so doch nur selten willkürlich innervirter Muskeln beobachtet worden
sei; oder man denke an die niedriger stehenden Wirbelthiere, deren instinltiTe
Gehbewegungen durch Exstirpationen der Grosshirnrinde kaum alt«rirt werden,
während Hunde durch dieselbe Operation doch für einige Tage, und Affen
wahrscheinlich, und der Mensch sicher vollkommen gelähmt würden, wenn die
motorischen Rindenfelder gelitten hätten.
Fere (1243) erklärt das Freibleiben oder nur Geschwächtsein des
oberen Astes bei der cerebralen Hemiplegie dadurch, dass er getrennte Centren
für den oberen und unteren Facialis in der Rinde annimmt. ;,Les fibres du
facial inferieur semblent provenir de la region de l'ecoree voisine du siege
de la fonction du langage articule, ä la partie inferieure de la frontale
ascendante, tandisque, les fibres du facial superieur prendraient naissance
plus en arriere dans la region du lobule parietal inferieur; dans un cas de
traumatisme ayant determine une depression du cräne dans cette region,
j'ai observe un spasmo de Porbiculaire et des zygomatiques du cöte oppose;
mais Tautopsie manque.^
Ferrier, Horsley, Carville, Hitzig und Duret Yerlegen nach
den Angaben Boiadjiew's (1244) das Centrum des oberen Facialis in die
zweite Stirn windung und zwar da, wo sie mit der vorderen Centralwindung
zusamraenstösst.
Mendel (1245), sowie Exner und Paneth (1246) nahmen nach ihren
Thierexperimenten an, dass das Rindenfeld des oberen Facialis im Lob. pariet.
inf. läge und wollen durch Reizung dieser Gegend stets Orbiculariskontrak-
tionen des Auges der entgegengesetzten Seite erhalten haben.
In dieselbe Stelle lokalisirt Obersteiner (1247) das kortikale Centrum
des oberen Facialis.
Strümpell (1254) und Wernicke (1448) bringen das Verschontsein
des oberen Facialis bei der cerebralen Hemiplegie damit in Zusammenhang,
dass die Muskeln dieses Gebietes fast nie einseitige sondern immer auf beiden
Seiten zugleich bewegt würden, und dass vielleicht dementsprechend von jeder
Hemisphäre aus die Muskeln beider Seiten innervirt werden könnten, so dass
also die Erhaltung des einen Facialiscentrums für die Beweglichkeit der
beiderseitigen Muskeln ausreichend wäre.
In einer neuerdings erschienenen Arbeit von Mirallie (1248), in welcher
dieser Autor sich eingehend mit dem Verhalten des oberen Facialis bei der
organischen Hemiplegie beschäftigt, kommt derselbe zu dem Resultat, dass
der obere Facialis das selbe oder ein sehr benachbartes Rindencentrom wie
der untere Facialis habe. Er weist nach, dass der obere Facialis in der
;el bei jeder Hemiplegie mitaffiziert sei, dass aber der geringe Grad
der Affektion ans der synergisclien Aktion dieses Nerven mit dem der anderen
Seite zu erklären wäre.
Der neuste Autor auf diesem Gebiet Roux (1249) meint, dass man alle
diese verschiedenen Ansichten der Forscher in Uebereinstimiiiung bringen
könne, wenn man sich zu der Annahme verstände, dass nicht ein, sondern
zwei Kindencentren existirten, von denen jedes nicht allein diesen oder jenen
Muskel, sondern den ganzen Sehapparat heherrschte. Diese beiden Centren
seien der üculomotorius ant. und posterior, von welchen das erstere seinen
wahrscheinlichen Sitz am Fuss der zweiten Stirn windung, das letztere auf der
Innenfläche des Lohns occipitalis habe.
§ 272. Recht eingehend bat sich von Monakow (1250) in folgender Weise
über die Rindenvertretung des Facialis ausgesprochen, wobei zum Versländniss
des Gesagten vorausgeschickt werden mag, dass es in der Hirnrinde zahlreiche
Sammelpunkte (Foci) für die Erregung von bestimmten Bewegungsformen gäbe;
und dass für besonders funktionell zusammengehörige Muskelgruppen spezielle
Foci vorhandeB seien. i,Der Augen facialis ist zweifellos doppelseitig und inner-
halb einer Hemisphäre, vielleicht in mehreren Foci reprasentirt. Für den
Scbluss des Auges fanden Beevor und Horsley, beim Affen wenigstens,
mehrere ziemlich dicht gelegene und bis in die hintere Central windung sich
erstreckende Foci und darunter allerdings einige, deren Erregung Lidschluss
nur auf der gegenüberliegenden Seite zur Folge hatte; doch bedarf dies für
den Menschen noch der Bestätigung. Mit den Muskeln des Mundes verhält es
sich insofern ähnlich, wie mit dem Augen facialis, als auch diese wahrscheinlich
eine ganze Reihe von besonderen Foci besitzen, die ebenfalls in die Armregion
übergreifen ; die Mehrzahl der unteren Gesichtsmuskeln ist aber monolateral
vertreten. Aus der verschiedenen Lokalisation des Augen- und des Mund*
facialis erklärt sich die von alters her bekannte Thatsache, dass bei der
gewöhn liehen Hemiplegie die mehr insel förmig und monolateral repräsentirten
Mundäste ihre Funktionen viel leichter einstellen, als die mehrfach und theil-
weise bilateral vertretenen Muskeln des Angenfacialis. Eine Beeinträchtigung
des letzteren bei Grosshirnherden wurde indessen schon wiederholt beobachtet.
Sie komme zu Stande durch Herde, die in die zweite frontale Windung über-
gi-eifen und tief in die Marksubstanz dringen."
Wir selbst stimmen nach unseren klinischen Erfahrungen am meisten
mit den Ansichten v. Monakow's überein. Seit Jahren haben wir dem
oberen Facialis bei Hemiplegischen unsere ganz besondere Aufmerksamkeit
geschenkt. Bei frischen Apoplexien und Erweichungen konnten wir fast
stets in den ersten Tagen der Lähmung eine deutliclie Bewegungsstörung nicht
nur im Orbicularis palpchrarum, sondern auch im Frontalis konstatiren; aber
nur wenn man speziell darauf achtete und prüfte. Beim Versuch gewaltsam
die Lider der gelähmten Körperseite zu öffnen, fühlte man einen beträchtlich
geringeren Widerstand, als bei den Lidern der nicht gelähmten Körperseite.
Sehr einfach konnte man die Innervirungsabschwächung im oberen Facialis
Supranucltkre totale recbt&sfiligf FjicialiB-
iJihmung bei aktiver luüervütion*
dadurch keiiDtlich machen, k&
man den Hemiplegiker &qI-
forderte, beide Aagen ■
Zeit geschlossen zu hali^L.
wurde das Auge der gelüimi^r,
Seite wieder geöffnet ani tii
y ^^^^-* ■ ^^ schiün, nicht willkärlicfa, h
Jf J^^B^" ^ mk ^^^ ^^ aus, als ob die KnA
M ^^^L^ ^ Wi ^"^ Orbiculariä sich rasch tr-
M 'vft» .•^^^^■M^^L^tf^ ^ schöpft hatte, sodass der Tonuf
j - ^^fl^^^^PP'V:^ ^' des im Mü Herrschen Mtisktl
thätigen Sympathicas genngte^
das Lid zu öffnen.
S 273. Eine weitere kliiusdie
Stütze für die BetLeiligung du
oberen Facialis bei der Hemi-
plegie ist das sog. signe df
r o r h i c u 1 a i r e de la paiipier^:
Hüuey 1874, Simont&u
1877, Revilliod (14471 Mm
versteht darunter die Unfähig-
keit Hemiplegischer, das Aop
der gelähmten Seite allein in
schliesscn. Indess wird «te
Dignität dieses Symptoms di-
durt'h beeinträchtigt^ dass iodj
sehr viele Gesunde nicht ia
^_ ^^^_ Stande sind, wie wir uns »n
/ 3^^^BI^^^& H ^i^^i* Reihe von Menschen ülMf^
Ä ' WT^^^^^m' ^^ zeugt haben, die Augen einwla
m ^ ^v^^ jy^ I jj zu schliessen, (Gennuereis hi«r-
^ _^]^B^B^ 'S/^ kfM ^^^^ siehe später.) G. Boir
W ^^^^^T X ^ AB ^ ^ ^ ^^ (1244) hat sich mit dieier
»' 'v fll Frage eingehend bescbaftift
n Von 750 Personen, die er ullte^
sucht hatte^ konnten 484, »1»
64,5^^0, jedes Auge diaela
sohl Jessen; 126, also 16,8"*.
nur das Unke aHein; t>4, ^
8,5 "/a, nur das rechte, QöJ
76, demgemäss 10,13 ^o, iiarto
nicht im Stande, eines fo&
Beobachter, wie Retilliod
dieses signe de l'ürbicuhiire hei allen Hemiplegikern, bei denen uberb
A, B.
Beim Versucli xu lacheci.
beiden zu schliessen. Da nun zuverlässige
I^ine Untersuchim^ möglich war, gefunden haben wollen, da Piigliese
ad Milla (1251) unter 25 Kranken 22 Mal konstatiren konnten, dass die
Schliessung des Xnges der kranken Seite unmöglich gewesen war, so darf
man daraus doch wohl die Berechtigung entnehmen, dieses Symptom bei den
Hein iplegi kern als den Ausdruck einer kortikalen oder cerebralen Schwächimg
des oberen Facialis anzusehen«
$274. Die letztgenannten italienischen Autoren sind auf Gnind eingehenden
Studiums des in Rede stehenden Gegenstandes ebenfalls zu dem Kesultate
gekommen, dass der obere Facialis bei der Hemiplegie gewöhnlich mehr oder
weniger mit betroffen wäre, je nach dem Sitz und der Ausbreitung der cerebralen
Läsionj und je nach der indi-
viduellen Disposition. Besonders
lieben sie hervor, dass der M.
frontalis der gelähmten Seite
in einer grossen Anzahl von
Fällen mitaftizirt sei, was sich
einfach durch die Verschieden-
heit der Ötirnrunzehmg auf den
beiden Seiten nnd aus der ver-
schiedenen Höhe der Augen-
brauen während der Ruhe und
der Kontraktion der Frontales
dokumentire.
Was die Augenlidspalte
betriflft, so sei dieselbe bei
manchen Hemiplegikern weiter,
bei anderen enger als in der
Norm, In einer neueren Arbeit
bestätigte Pugliese (1252)
seine früheren Untersuchungen,
dass der obere Facialis fast
stets bei der Hemiplegie in
gewissem Grade abgeschwächt sei, besonders in den Fällen, in welchen der
untere Facialis und die Sprache stark affizirt waren,
§ 275. Da wir im klinischen Theile dieses Kapitels auf die kasuistischen
Belege betreffs der kortikalen Facialisaflektionen zurückkommen werden, so
beschränken wir uns an dieser Stelle darauf, nur die Abbildung eines jungen
Mannes mit rechtsseitiger luetischer Hemiplegie und Aphasie zu geben, bei
welchem der obere Facialis in ganz ausserordentlich starker Weise mitaffizirt
w*ar (siehe Figg, 118, 119, 120). Solche Fälle, bei denen sicher eine kortikale
oder subkortikale Atlektion vorhanden war, legen den Gedanken nahe, dass
der obere Facialis mehrere Foci habe, und dass erst bei Zerstörung Aller
die vom oberen Facialis innervirten Muskeln völlig gelähmt würden,
Wnbrand-Siiengcr, Neurologie des Aag©Ä. I. Bd. II AbtheÜung, 37
A. B.
Wahrend d^s Schilifts rn'hte Lid^paUe leicht
klütTend.
564
Anatomisches über den oberen Facialis.
b) Der snpranncleäre Verlauf des Angenfacialis.
§ 276. Von dem in der Hirnrinde gelegenen Facialiscentrum gehen die
Nervenbahnen zusammen mit der Pyramidenbahn in konvergirender Riditang
durch das Centrum semiovale nach der inneren Kapsel hin (s. Figur 121), durch
Fig. 121.
Schema nach Edinger, Vorlesungen über die
nervösen Gentralorgane.
Fig. 122.
Nach Leube: Spezielle Diagnostik Baaä
II, pag. 192.
deren Knie sie verlaufen. Hinter ihnen sind die Bahnen für den Arm und
das Bein gelegen (siehe Figur 122). Von dort gelangen die Facialisfasern
in den Hirnschenkelfuss. In der Brücke sind sie von der Pyramidenbahn
getrennt, gelangen aber in noch unbekannter Weise (Edinger [1253]) in den
Facialiskern der anderen Seite, der im Pons belegen ist.
rchi'schen Methode bei zwei Fällen von Erweichung (Insel bis zum
laniiis opt.) untersucht. Nach seiner Ansicht treten im Pons, im Niveau
des Faciiiliskerns» aus den medialen Theilen der Pyramidenbahn Fasern in
die Ftäphe, laufen eine Strecke weit mit ihr und dorsalwUrtö, biegen dann
im Nucknis reticularis pontis seitlich um und ziehen zum Facialii^kern. Letz-
terer erliält ausserdem Fasern von der gleichseitigen Pyramidenbabn. Ausser-
dem verknüpft den Facialiskeni mit der Rinde noch der ziemlich starke
im Pedunculus nach aussen von der Pyramidenbahn gelegene „motorische
Schleifenantheib .
Bei der von verschiedenen Forschem verfochtenen Annahme, dasa der obere
Facialis dasselbe Kindenfeld wie der untere habe, nämlich das untere Drittel
der vorderen t'entralwindung, und somit sich die bei der Hemiplegie gefundene
geringe Äbschwächimg des Ürbic, und Frontalis erkläre, dürfte die Vermuthung
imbegriindet erscheinen, dass die zum oberen Facialis gehörenden Fasern einen
anderen Verlauf von der Kinde zu der Kernregion nähmen, als die Fasern
des unteren Facialis. Hervorragende Autoren, wie W ernicke und Strümpell
sind dieser Ansiebt, welche auch durch die Beobachtungen von Duplay (125Ö),
Heney (P^56), Simone au (1257) und Coingt (1258) gestützt wird. Da jedoch
manche Gründe dafür sprechen, dass das Rindencentrum des oberen Facialis
nicht genau mit dem des unteren übereinstimmt, da kompetente Autoren
(Monakow u, A.) dasselbe in die zweite Stirnwindung, andere (Mendel
u, A.) in den Gyras parietalis inferior verlegen, so liegt doch die Möglichkeit
nahe, dass die zum oberen Facialis verlaufenden supranucleären Fasern einen
anderen Weg nähmen, wie die zum unteren Facialis gehörigen. So behauptet
denn auch Hallopeau, dass die Fasern des oberen Facialis durch den
LiDsenkern und die Capsula externa verliefen.
Auf die Beobachtungen von H u g u e n i n (1259), Chvostek (1260) und
eine eigene stützt Hallopeau {1261} seine folgendermassen lautende Ansicht:
Die pathologische Beobachtung lehre uns, dass das Bündel des Orbi-
cularis nicht den Verlauf des unteren Facialisbündels durch die innere Kapsel
und das Centrura semiovale nähme» und dass es nicht derselben Hirnwindung
entstamme. Die Mehrzahl der Beobachter stimmten darin überein, dass bei
der gewöhnlichen Hemiplegie die obere Partie des Gesichts der Lähmung
entgehe. Indess habe er, ebenso wie Simone au bei frischen Fällen
beobachtet, dass die Augenlider viel schwieriger, langsamer und weniger voll-
ständig geschlossen werden könnten, als auf der gesunden Seite. Dieses Faktum
scheine ihm zu bew^eisen, dass, wenn auch die Fasern des oberen Facialis sich
in ihrem Verlaufe nicht mit denen des unteren vermischten, sie dennoch
nicht sehr weit von einander entfernt seien. Die Fälle, in welchen
diese Fasern direkt und vollständig lädirt wären, erlaubten uns präcisere
Angaben zu machen. Sie neien nicht allzu selten, da er innerhalb dreier
Jahre vier Patienten mit Orbicularislähmung bei gleichseitiger Hemiplegie
gesehen habe ; aber die einzigen Fälle, welche die vorliegende Frage zu lösen
87*
566 AnatomischeB über den oberen Fadalis.
yermöchten, und in welchen man genau den Sitz der Läsion bestimmen könnte,
wären selten; er habe nur die beiden angeführten von Huguenin und
Chvostek gefunden. Man könne aus dem, diesen drei Fällen gemeinsamen
Herde im Linsenkem den Schluss ziehen, dass die Fasern des oberen
Facialis durch diesen Hirnabschnitt, oder durch einen ganz in
der Nähe gelegenen, etwa die Capsula externa, ihren Verltnf
nähmen.
Auch Bernhardt (1434), pag. 195, sagt in seinem bekannten Werke
über die Erkrankungen der peripheren Nerven, dass es offenbar cerebrale
Lähmungen des N. facialis gäbe, welche ganz im Gegensatz zu den sonst vor-
liegenden Erfahrungen, die Nasen-, Lippen- und Kinnäste freiliessen und
neben den Extremitäten nur die Augen- und Hirnäste beträfen, Vorkommnisse,
auf welche schon vor vielen Jahren Huguenin die Aufmerksamkeit gelenkt
habe. Es handele sich hier um Läsionen des contralateralen Linsenkems» der
sog. Linsenkemschlinge, in welcher die Fasern für die Willkürbewegungen des
M. orbic. palpebr. verlaufen sollten.
Indessen hat Boiadjiew in einer Arbeit 12 Fälle mit cirkumskripten
Linsenkemaffektionen zusammengestellt, bei denen keinerlei Lähmnngsznstand
des oberen Facialis konstatirt worden war. Er schliesst hieraus, dass die
aus den drei angeführten Fällen Hallopeau's gezogenen Schlussfolgerangen
falsch seien, ja dass z. B. im Falle Chvostek der Herd im Linsenkera
sehr wohl eine Kompression der motorischen Bahnen in der inneren Kapsel
habe ausüben können.
Nach unserer Ansicht wäre bei dem Falle Hallopeau's neben dem
Herd im Linsenkern der Herd im Centrum semiovale direkt unterhalb der
zweiten Stimwindung zur Erklärung der Lähmung des oberen Facialis mit
heranzuziehen, da thatsächlich in neuerer Zeit, wie auch von Monakoir
hervorgehoben wurde, speziell diese Lokalisation mehrfach gemacht worden ist.
Femer sei von uns auf die später noch genauer mitzutheilenden
Fälle hingewiesen: 1. von doppelseitiger Erweichung im Linsenkem von
Tournier; 2. von doppelseitigen Herden theils im Gebiete des unteren
Parietallappens, theils der Frontal Windungen von Tiling, bei denen eine
doppelseitige Lähmung des oberen Facialis für Willkürbewegungen bestand
Dass der supranucleäre Verlauf des Facialis im Gehirn keinen ganz
einfachen Charakter hat, sondern in Wirklichkeit viel komplizirter ist, als
bis jetzt aus den noch spärlichen Befunden mit ganz kleinen isolirten HerdeD
bei der Monoplegia facialis sich darstellt, dürfte auch in Rücksicht auf das
Erhaltensein der reflektorischen Erregbarkeit von Facialisbahnen, deren will-
kürliche Innervation aufgehoben ist, zu erschliessen sein. Nothnagel und
Bechterew haben nachgewiesen, dass durch Reizung des Thalamus opt
afl*ektive Bewegungen in der Gesichtsmuskulatur zu Stande kommen, deren
willkürliche Bewegung in Folge von Zerstörung der motorischen Region un-
möglich war. Man nimmt an, dass diese Bahnen, welche also auch zum
AtiatomiscIiGS über den oberen ITacialis. 567
iberen Facialisgebiet in Verbindung stehen, getrennt von der willkürlich
inervirbaren Facialisbahn in der Hatibenfaserung des Himschenkels, das
iubenfeld des Pons durchziehen. Demgemäss wäre eine Störung der Inner-
rat i o n des oberen Facialis, die sich nur bei psychoreHektori scher Er-
Bgung wie z, B. bei Gemüthsaffekten, wie Lachen und Weinen, kundgiebt, sehr
wohl möglich. Nach den bisherigen Erfahrungen (Gowers, Huguenin,
Nothnagel) müsste man den Sitz der Läsion in den entgegengesetzten Seh-
hügeK oder in die vorher angeführten Bahnen verlegen.
Möglicherweise hat der obere Facialis eine von dem unteren getrennte
Bahn im Himschenkel, denn bei cirkumskripten Pedunculusaft'ektionen kommt
es zu dem bekannten Bilde der Oculomotoriuslähmung mit gekreuzter Extremi-
tätenlähmung und Betheiligung nur des unteren Facialis; aber bei ausgedehnten
Herden mit Zerstörung des ganzen HimscbenkelFi ist in manclien Fällen eine
totale Facialislähmung konstatirt worden, so in den Fällen von Gubler und
Marotte (1262), Giebt doch auch Obersteiner (1247) in der neuesten Auf*
läge seines bekannten Buches „über den Bau der nervösen Centralorgane'* dem
Gedanken Ausdruck, dass die von dem besonderen kortikalen Centrum des
oberen Facialis zu der Kernregion ziehenden Fasern einen Weg zu wählen
schienen, welcher diejenigen Partien der Himsubstanz vermeide, in denen
Apoplexien und andere ähnliche Erkrankungen am häutigsten aufzutreten
pÜegten.
e) Die Kernregion des Faeiali^.
§ 277. Nach Schwalbe's Angaben (1263) erscheine im hinteren Theile der
dorsalen Brückenhälfte das Ursprungsgebiet des Facialis und Abducens
änsserlich markirt durch die sog* Eminentia teres. Der Kern des Facialis
liege etwa 4^» mm ventralwarts vom Boden des 4. Ventrikels, Die ganze
Ausdehnuiig des Facialiskems betrage etwa 3V/a mm (nach Kölliker4); sein
unteres Finde entspreche nahezu dem distalen Bande der Brücke resp. dem
proximalen Ende des Olivenkems oder des Hypoglossuskerns, Sein oberes
Ende rage nicht so weit grosshirnwärts wie die an seiner medialen Seite ge-
legene obere Olive. Das untere Ende des Facialiskerns sei durch einen ver-
hältnissmässig geringen Zwischenraum vom Xucleus ambiguus^ das obere vom
motorischen Kerne des Quintus getrennt. Die aufsteigende FaciaUswurzel ziehe,
wie aus dem Schema (Fig. 123) deutlich hervorgehe, dicht am Abducenskerne
vorbei nach oben bis an den Boden der Rautengrube, woselbst in Folge der
Umbiegung ihrer Fasern das Tuberculum nervi facialis gebildet werde. Der
Austrittsschenkel verlaufe ventralwärts in annähernd gerader Linie zwischen
F'acialiskern und aufsteigender Quintuswurzel bis zur Austrittsstelle an der
Hirnbasis am hinteren Rande des Brückenschenkels nach vorn und lateral-
wärts von der Olive. Er trete hier medianwärts und etwas vor dem Acusticus
aus, Schwalbe (1264).
§ 278. Was nun die Verbindungen des Facialiskemes betrifft, so sind die-
selben für die Deutung mancher klinischer Symptome so wichtig, dass wir hier auf
V
i
568
Anatomiscbes Ober den oberen Facialis.
ruH
Wa
die allerdings noch durchaus nicht geklärten Ansichten der verschiedem
Forscher eingehen müssen.
Von Meynert wurde zuerst eine Verbindung des Facialiskems dnrdi
die Raphe mit dem Himschenkel der anderen Seite angegeben.
Nach Obersteiner müssen wir jedenfalls annehmen, dass Fasern tob
der Pyramidenbahn, resp. der contralateralen Grosshimhemisphäre (untew
Theil der vorderen Centralwindung) durch die Raphe nach dem Facialiskem
ziehen, eine Angabe, die durch die Untersuchungen Köllikers (1265) ge
stützt wird, der di^en Verlauf
in Kürze folgendermassen sdiil-
dert: „Aus den Pyramiden
r?..Fizr— ^^^^■f^^^^mSf jT^ treten medianwärts starke
Bündel heraus, die sofort in
der Raphe sich kreuzend dorsal-
wärts Yom Lemniscus mediaüs
quer und schief lateralwiits
zum Facialiskeme ziehen, der
hier tiefer in der Haube liegt,
als bei der Katze. Diese Bündel
stellen die Bahnen dar, auf
welchen der Willenseinfloss in
gekreuzter Weise auf den
Facialis sich geltend macht^
Sehr wichtig für das Yer-
ständniss der reflektorischen
Symptome im F'acialis sind
dessen Beziehungen zum Trige-
minus. Nach Kolli ker gehen
aus dem ventralen Drittheile
der sensiblen Quintuswunel
feinere Bündel zu dem Fadalis-
kern, an dessen ventralem Ende
die Faserzüge sich in stärker»'
Form finden.
Für die Deutung der doppelseitigen Innervation des oberen Facialis
muss hier noch ausdrücklich hervorgehoben werden, dass Stieda den Ur-
sprung eines Theils der Facialisfasern unter Kreuzung in der Mittellinie ans
dem Facialiskeme der entgegengesetzten Seite angenommen hat. Diese An-
gabe, der sich auch Obersteiner, Gramer, v. Gehuchten, Lugano,
Nissl, Marinesco und Ramon y Cajal anschliessen, erscheint durch die
Experimentaluntersuchungen Exners und Paneth's wirksamer gestützt, ak
die Leugnung dieses Faktums durch Kölliker, der diese Fasern in üebe^
einstimmung mit Duval (1266) als Fibrae arcuatae intemae anspricht, wie sie
in der ganzen Haube vorkämen. Exner und Paneth hatten sich überzeogt,
Fig. 123.
Xach Schwalbe: Lehrbuch der Neurologie 671.
Schematische DarsteUung des Facialisverlaufs durch
Eingreifen der verschiedenen Querschnittsbilder in eine
Ebene gewonnen.
n.VTf Kern des Abducens. VI, N. Abducens. o. «..
obere Olive, zwei Anhäufungen grauer Substanz bildend.
a. r, aufsteigende Wurzel des Trigeroinus. r, Raphe.
n.VII, Kern des Facialis. Fii 6, Wurzelbündel (ür-
sprungsschcnkel) des Facialis. Vlla, dessen Zwischen-
stück quergeschnitten. F//, Austrittsschenkel des Facialis
mit y, Fasern aus der Baphe und x, l^asem aus dem
Abducenskem. n.VIII, lateraler Kern des Acusticus,
Vllly vordere Wurzel des Acusticus.
Anatomisches üher den oberen Facialis.
-TT.. ^JF
rdass be*im Kaninchen thatsächlich von der Hirnrinde einer Seite aus die
Ijluskeln beider Gesichtshälften innervirt werden. Sie legten sich nan die
^ Frage vor, auf welchem Wege die Fasern zur gleichnamigen Gesichtshälfte
' gingen. Sie führten Schnitte durch den Balken, die beiden Coramissuren, sie
trennten die Hemisphären bis in die Vierhügel und kamen zu dem Resultat,
dass die Himrinde der anderen Seite mvhts mit der in Rede stehenden
Zuckung zu thun habe. Spaltete man hingegen die Medulla oblongata median,
so hörten die beiderseitigen Zuckungen von beiden Hemisphären voUständig
auf. Man musste also annehmen, dass in der Medulla oblongata, am wahr-
scheinlichsten zwischen den Facialiskernen Bahnen übertreten, welche die
Mitcrregujig der Facialisfaseni der gleichnamigen Seite bewirken, wie dies in
nebenstehender Zeichnung {Fig. 124) schematisch
ausgeführt ist.
In jüngster Zeit hat A. Bary (1435) auf
Bechterew'» Anregung hin das Gehirn eines
Kranken untersucht, welcher bei Lebzeiten eine
typische peripherische Facialislälimung acquirirt
hatte. Aus seinen Untersuchungen zog er
folgenden Schluss: ^Der grös.sere Theil der
Facialiswurzeln entspringt in dem Kern der
gleichnamigen Seite ; ein kleinerer Theil jedoch
hat seinen Ursprung in den Zellen des Facialis-
kems der entgegengesetzten Seite, zieht zum
Knie der Facialiswurzel und kreuzt sich in der
Raphe, nm endlich im Knie der gleichnamigen
Seite mit dem grosseren Theile der Facialis-
fasern sich zu vereinigen.''
Von weiterem klinischen und physio-
logischen Interesse ist die Verbindung des
Facialiskerns einerseits mit dem Corp. trape-
zoides und der kleinen Olive durch Fasem, die
eine Verknüpfung des Nervus Cochleae mit dem
Facialis zu vermitteln scheinen. Kölliker,
§ 280. Was nun die für uns besonders wichtige Frage des Kern-
Ursprungs des oberen Facialis betrifft, so ist bis heute dieselbe noch
nicht gelost.
Meynert, Huguenin, Clarke, Duval und Schwalbe (1267) meinen,
dass ein Theil des Facialis und zwar speziell derjenigen Fasern, welche für den
Orbicularis palpebrar. und Frontalis bestimmt sind, aus dem Abducenskern ent-
springen. So sagt Schwalbe, dass da, wo der Austrittsschenkel der Facialis-
wurzel dorsolateralwärts den Abducenskern umgreift, ihm aus dem Gebiete
des Abducenskerns neue Fasern zugeführt würden. Es sei ferner konstatirt,
dass die lateralen Zellen dieses vorderen Abschnittes vom Abducenskeme
grösser wären, als die medialen, welche ihre Achsencylinderfortsätze in die
fnea. Spins/.
Flg. 124.
Sclienm oadi Exner und Paaeth.
Pllügers Arch. XU, 349.
570 Anatomisches über den oberen Facialis.
Abduoenswurzel sendeten (Meynert); sie glichen somit eher den Zellen des
eigentlichen Facialiskems.
Gegen diese Annahme des Ursprungs eines Theils des Facialis ans d^
Abducenskem sprach ein dm*ch M ay s e r mitgetheiltes Eb^periment Ton G u d d eni.
Nach Ausreissen des N. facialis aus dem Canalis Fallopiae beschränkte sich
die Degeneration nur auf den Facialiskem. Femer fand Gowers beiDegenera-
tion beider Abducentes nur den Abducenskem entartet. Daraus schliessen
diese beiden Forscher , mit denen St i eda , Krause, O bersteiner,
Ramon y Cajal (1267) und K Olli k er übereinstimmen, dass der Facialis
nichts mit dem Abducenskem zu thun habe. Der letztgenannte Autor giebt
zu, dass bei der Nähe des Abducenskemes und des Facialisstammes in der
Gegend des Knies, der Schein eines Ursprungs der Elemente der austretenden
Facialiswurzel aus dem Kerne des VI. Nerven entstehen könne. Sähe mm
jedoch genauer zu, so werde man finden, dass alle Fasern der austretenden
Wurzel aus Umbeugungen der Fasern des Knies entstünden, wofür in dieser
Hinsicht senkrechte und Flächenschnitte gleich beweisend seien.
^281. lieber die von Mendel (332) ausgesprochene Vermuthung, über den
Ursprung des Augenfacialis im Oculomotoriuskera, haben wir in § 53 in
eingehender Weise uns ausgesprochen unter Anführung aller Thatsachen, die
für und gegen diese Annahme sprechen.
Wir möchten an dieser Stelle noch nachholen, dass Kölliker (1265) sich
ablehnend zur MendeTschen Ansicht verhält, da er bei Untersuchung des
hinteren Längsbündels keine Fasern entdecken konnte, die in demselben
nach dem Facialis gingen. Somit würde die MendePsche Hypothese, dass
der obere Facialis im Oculomotoriuskem entspringe und im Fasciculus longi-
tudinalis dorsalis zum Facialiskern gelange, um sich hier dem Hauptnerren
anzuscbliessen, hinfällig. ^)
J5 281 . Endlich sei noch der muthmasslichen Verbindung des Facialis- mit dem
Hypoglossuskern gedacht, aufweiche Gowers (1268) in seinem bekannten Lehr-
buch aufmerksam macht, wenn er sagt: ;, Der Facialiskern reicht nach unten
fast bis zur Höhe des Nucleus hypoglossi, und wir wissen nicht, ob die zwischen
den Lippen und der Zunge bestehende Verbindung durch Fasern besorgt wird,
welche zwischen den beiden Kernen verlaufen, oder ob die Nervenfasern für
die Lippen (wie es möglich erscheint) in der That vom Hypoglossuskern
kommen. Viele von den Fasern des Facialis, welche sich von dem Knie nach
unten wenden, haben in dem inneren Theile der Formatio reticularis einoi
longitudinalen Verlauf und können leicht den Hypoglossuskern erreichen.
Gowers macht auch darauf aufmerksam, dass aus dem gleichzeitigen Be-
fallensein der Lippen und Zunge z. B. bei der Bulbärkemparalyse ein cen-
traler Zusammenhang erschlossen werden könne, femer auch daraus, dass
die Querfasern der Zunge und des Orbicularis oris nur zusammen kontrahirt
werden könnten."
1) In allerjüDgster Zeit hatMarinesco (1513) durch zahbeiche dahinzielende Unter
Sücbangen nachgewiesen, dass der obere Facialis seinen Ursprang im Facialiskem habt.
Anatomisches Qber den o^beren FaciattB. 571
S 283. Was die Portio intermedia Wrisbergii betrifft, so tritt nach Ober-
Iteiner (1249) dieselbe als dünnes Nervenbündel zwischen Facialis und
Acusticus am distalen Brückennind zu Tage, Sie entspringt aus dem Ganglion
genicuU nervi facialis » in welches als xjeripherer Nerv die (vhorda tympani
eintritt.
Duval (1270) rechnet diesen N. intermedius zum Glossopharyngeus und
behauptet, dass derselbe in die Chorda tympani übergehe.
d) Der periphere Verlauf des Augenfaeialis,
S 284. Nach dem Austritt aus dem Gehirn wenden sieb der N> facialis und
intermedius zusammen mit dem Acusticus nach vorn und lateralwärts. Um-
geben von Fortsetzungen der Hirnhäute und der zwischen ihnen betindlichen
Lympb räume treten sie in den Meatus auditorius int. ein. Am Grunde des
inneren Gehörganges dringt der Facialis durch eine oben und vorne gelej;ene
Oeffnung in den Canalis Fallopiae ein, läuft in demselben horizontal zunächst
eine kurze Strecke weit nach vorn und lateralwärts znm Hiatus canalis
Fallopiae, biegt hier nahezu rechtwinkelig nach hinten und lateralwärts um
und zieht nun in der medialen Wand der Paukenhöhle über der Fenestra
ovalis erst horizontal rückwärts, dann im Bogen nach abwärts, um durch
das Foramen stylomastoideum nach aussen zu gelangen. Schwalbe (1271).
E>a m den Rahmen unserer Aufgabe überschreiten würde, genau den
peripheren Verlauf des ganzen Facialis wiederzugeben, so beschränken wir
uns darauf, lediglich die Zweige zu besprechen, die, als zum oberen Facialis
gehörend, anzusehen sind.
Wir geben die uns interessirenden Verhältnisse genau nach den An-
gaben Henle's (1274), Raube r's (1272) und des neuesten Forschers auf
diesem Gebiete Fritz Frohse's (1273) wieder:
Letzterer sagt, dass die Gesichtsmuskeln trotz zahlloser kleiner Ab-
weichungen eine ausserordentliche Regelmässigkeit in der Anordnung ihrer Bündel
besässen, welche sich naturgemäss in der Art der Nervenverbreitung wieder-
holte. Die in Frage kommenden Muskeln seien platt, die Nervenfasern sehr
zahlreich; das seien zwei Bedingungen, welche in gleicher Günstigkeit nirgends
am Körper wiederkehrten, selbst nicht bei den Augenmuskeln mit ihren starken,
einheitlichen Nerven. Gleichwohl sei über die Art., wie sich die Nerven*
fasern zu den Mnskelbündeln verhalten, nichts Hechtes bekannt.
Nach Henle (1274) setzt der Facialis nach dem Austritt aus dem For.
stylomastoideum seinen Weg schräg ab- und vorwärts fort, bis er sich, in
geringer Entfernung vom hinteren Rand des Unterkiefers und etwa in der
halben Höhe desselben, in seine beiden Endäste spaltet, von denen der untere
in der Flucht des Stammes vom Unterkiefer und Hals, der obere vorwärts
umbeugend mit divergirenden Aesten von der Seitenfläche des Kopfes aus-
strahlt.
572 Anatomisches über den oberen Facialis.
Raub er bezeichnet den oberen Ast N. temporo-f acialis, den unteren
cervico-facialis. Diese beiden gehen wieder Th eilungen und Verbmdungwi
ihrer Zweige ein, sodass hierdurch der sogenannte Pes anserinus major
entsteht.
Der Ramus temporo-facialis wendet sich nach vorne oben durd
die Parotis hindurch. Seine motorischen Aeste erstrecken sich von den vor-
deren Ohrmuskeln bis zur Oberlippe. Die uns hier interessirenden N. tem-
porales zerfallen meistentheils in drei Zweige, die über den Jochbogen auf-
wärts und nach vorne ziehen.
Während der hintere Zweig die Ohrmuskeln versorgt, zieht der mittiere
zum M. frontalis und der vordere zum oberen Theil des M. orbicularis ocoli
und dem M. corrugator supercilii.
Der untere Theil des M. orbicularis oculi wird von den Nn. zygomatic^
malares versorgt.
Der M. frontalis ist innig mit dem oberen Theile des M. orbicularis
oculi verschmolzen. An ihrem hinteren Vereinigungswinkel tritt die Haupt-
masse der langgestreckten Schlingen der Rami temporales unter sie und lost
sich alsbald in kurz- und breitmaschige Geflechte auf, davon feine Fasen
entspringen. Aus dem etwa 3 cm breiten Zug hebt sich häufig ein oberer
Zweig hervor, welcher mit den Zweigen des ersten Trigeminusastes wechsebde
Kreuzungen eingeht, aber deutlich bis in die vordersten Bündeln des M.
frontalis verfolgbar ist. Ein zweiter verläuft gerade am Oberaugenhöhlen-
rande und ist nur sehr schwer von einem, in umgekehrter Richtung Ter-
laufenden Zweige des N. supraorbitalis zu trennen. Er giebt höchstwahr-
scheinlich die Nervenfasern für den oberen Theil des M. sphincter palpebrarum
ab, für den im hinteren Theile nur einige unsichere Fäden entdeckt werden
konnten.
Der untere Theil des Augenschliessrauskels wird häufig lateral von dem
supramuskulären Zweig aus dem Ramus malaris oder einem ihn ersetzenden,
vielfaserigen Geflechte versorgt. Die Hauptmasse seiner Nerven geht erst
unter dem Jochbein herum und zieht mit den hinteren Aesten ziemlich steil
empor. Die vorderen verlaufen mehr horizontal. Alle liegen oberhalb der
V. facialis ant. , welche gerade an dieser Stelle einen bedeutenden Ast vom
äusseren Augenwinkel erhält und mit den rückläufigen Aesten des N. infia-
orbitalis ein höchst verwickeltes Geflecht hervorruft, unterhalb der Vene
entwickelt sich auf dem Quadratus labii sup. ein feiner Ast aus durdh
tretenden Zweigen, welcher bald in Begleitung der Vene zum medialen Augen-
winkel emporsteigt und sich bisweilen mit dem vorhergehenden vereint, wo-
fern dieser nicht bereits in dem unteren Theile des M. sphincter palpebramm
mit langen, spitzwinkligen Schlingen aufgegangen ist. Er verfolgt den M.
procerus nasi und depressor supercilii und greift häufig noch auf den oberen
Theil des M. orbicularis oculi über. (Frohse.)
ADatomischea über den oberen Facialis.
573
>^^
e) Anatomie der vom oberen Facialis versorgten Muskeln.
1. Der Muse, orbicularis oculi«
i? 285, Nach Merkel {1275) ist der Scliliessmuskel der Lids [mite, M.
jrbicdaris oculi, eine platte, kreisföniiige MuskeUage, welche in der grössteo
lusdehmiDg sehr dünn und blass erscheint. Er iibert.rifl\ den Umkreis der
löchernen Orhita an Breite. Doch liegt das Centniiii des Kreises, welchen
äine Bändel beschreiben^ nicht im Mittel-
junkte der Lidspalte, sondern etwas lateral-
wärts, oder mit anderen Worten, er über-
ragt den Orbital rand an der lateralen
Seite mehr, als an der medialen. Die
äussersten Bündel bleiben nicht im eigent-
lichen Kreislauf, sondern biegen centri-
fngal ab, lun sich mit den niichstliegenden
Muskeln zu vereinigen, oder sich in der
Haut der Fascie zu verlieren. Auch hier
kommen (wie nirgends bei kreisförmigen
Scldiessmuskeln) wirklich zum Kreis ge-
schlossene, in sich zurückkehrende Muskel-
bündel nicht vor, sondern stets bilden
dieselben nur Bögen, die an einer Stelle
des Kreises beginnen, an einer anderen
endigen.
Le Double (1276) giebt auf Grund
eigener Fräparation eine sehr genaue Be-
schreibung der einzelnen Partien des Orbi-
cularis. Er unterscheidet:
a) Ein Portio extraorbitali s.
Sie umfasst den änsserlich auf dem Gesicht
liegenden Abschnitt,
ß) Eine Portio orbitalis. Sie
besteht aus kontinuirlichen RingeOj die
am inneren Augenwinkel, an dem Liga-
mentum mediale entspringen. Dieses
Ligament besteht aus zwei Theilen: aus
einer vorderen Abtheilung, diedenThränen-
sack vom umfasst, und aus einer hinteren,
die sich von der Stelle aus, wo das
Fig. 125.
Nach Merkol, Gräfe-Saemwh I, j>. 75.
^luskeln in 4^r Umf^ebucg den mtnüak-u
AiigrD Winkel!*. Die Haut der Brauen - und
Wang«*ii geg€ n cJ ist zu rfi ck gf!»eh In gf n .
L.p.m. LigHiuentuiu palft^brule niediiüe.
0,Q M. orbicularis orbitari.H drs (»Heren
Lid**s; Pf setzt ftieli uottr der zurüttk-
geiiehlngetien Wangenbiiyt «iif dns untere
Lid fort, Op M. orbieularis palpebrntia
ileiTi unteren Ude§. * Xluskt'lbundely welche
den Kreislauf verlBs«end »idi dor Haut
inaeriren. Oben sind es Bumki de» M.
orbieuliiris orbitalis, welche in den Hraneo-
wul«t, unten solche des M. orhkularia
palp<hr. inf,, welche in die AVangenhaut
auRätrahlen, J*r Medialete Bnn<lel de*
M. frgot4iI]B.
von tier ::^teue aus, wo
Ligament zu den beiden Augenlidern je einen sehnigen Strang sendet, um
den Thränensack nach hinten umkrümmt. Man kann dieses Ligam. med.
an jedem Kopfe leicht sichtbar machen, wenn man die Lidspalte mit dem
Finger nach aussen zieht. Bei Abmagerung ist es ohne Zug an der Lidspalte
schon zu sehen, indem über und unter ihm die Haut durch Schwinden des
574 Anatomisches über den oberen Facialis.
Fettes in der Augenhöhle zu Gruben einsinkt. Die Orbitalportion entspringt
nun sowohl an dem vorderen, als an dem hinteren Theile desselben. Eise
sehnige Unterbrechung der Muskelzüge, wie sie Arlt beschreibt, bestreitet
Le Double.
y) Eine Portio palpebralis. Sie wird durch sehr dünne, blasse,
spärliche Fasern dargestellt, die innen von der direkten Abtheilung des Liga-
mentum palpebrale mediale entspringen und lateral nicht direkt in einander
übergehen, sondern sich an dem Ligam. palpebr. laterale befestigen, daher
man eigentlich zwei getrennte Muskeln, einen oberen nnd einen unteren
iinterscheiden kann. Die Zusammenziehungen dieses Muskels sind bei dem
gewöhnlichen Lidschlage unwillkürlich. Die feineren anatomischen Details
dieser Palpebralportion hatten wir bereits auf Seite 32, § 26 nach Gad's
Untersuchungen näher geschildert. Die dort wieder gegebene Figur 10a steDt
die Hinteransicht, die Figur IIa die Vorderansicht dar. wonach die
betreffenden Figurenbeschreibungen zu korrigiren sind.
d) Ein Portio ciliaris, der bekannte Muse, ciliaris Riolani, hegt in
der Nähe der hinteren Lidkante, aber vor den Ausführungsgängen der Mei-
bom'sehen Drüsen, steht innen theils mit der direkten Sehne des Ligam.
palpebr. mediale, theils mit dem Hör ner 'sehen Muskel in Verbindung und
setzt sich lateral am Ligament, palpebrale lat. an. Ein von Moll beschrie-
benes, kleines abgetrenntes Bündelchen dieses Muskels verlagert sich hinter
die Meibom' sehen Drüsen und kann unter den Namen:
€) Portio subtarsalis als besondere Abtheilung aufgefasst werden.
Die hierher gehörigen Fasern haben den gleichen Ursprung, wie die der
vorigen Abtheilung, erreichen aber den äusseren Augenwinkel nicht.
§) Der M. lacrymalis posterior seu Horneri. Er entspringt
an der Crista lacrymal. post. und spaltet sich in zwei Schenkel, die sich an
den beiden Augenlidern in der Gegend der Thränenkanälchen verlieren, wobei
sie sich oft mit den Fasern des Muse, ciliaris verschmelzen. Die Unter-
suchungen Krehbiel's (1277) jedoch ergeben, dass der Horner'sche Muskel
als ein selbständiger Muskel, welcher von den übrigen Muskelstraten des M.
orbiculari oculi getrennt ist, aufgefasst werden muss.
fj) Der Muse, lacrymalis anterior fehlt bei den meisten Indiri-
duen, liegt vor dem Thränensack, entspringt von dem Ligam. palpebrale
mediale und endigt in ähnlicher Weise, wie der vorige Muskel.
Neben der palpebralen und orbitalen Partie unterscheidet Merkel (l.c)
noch den Muse, malaris, welcher sich in der Gegend der beiden Augen-
winkel aus dem Umfang des Muscul. orbitalis loslöst und nach abwärts in
der Wangenhaut endet. Femer den Muse, superciliar is, welcher sidi
konform der vorhergehenden Abtheilung aus dem lateralen und medialen
Umfang des M. orbitalis abspaltet und aufwärts in die Haut der Braue sich Te^
liert. Varietäten des M. orbicularis sind äusserst häufig. Besonders
ist es der M. malaris, welcher vielfach variirt, bald stärker, bald schwicher
Anntomiaches über den Äugenfacimlis. 575
rscbeint, bald stärkere und zahlreichere, bald schwächere und spärlichere
Bündel zur Haut sendet.
2, Der Musculus corrugator supercüii*
§ 286. Die mediale Zacke des M. superciliaris ist als M, corrugator
supercilii bekannt.
Rüge (1278) hält die mediale Zacke des Muse, superciliaris für ein
selbständig gewordenes Glied, weil sie einen selbständigen Ursprung und eine
selbständige Insertion habe.
Nach Le Double (1276) weist der Muse, corrugator supercilii zahl-
reiche Varietäten auf; er kann vollkommen fehlen, in mehrere getrennte
Bündel gespalten sein, sich in lateraler Richtung weiter als gewohnlich aus-
dehnen, so dass er sich längs des ganzen Arcus superciliaris hinzieht.
Auch seine Endigung ist einem Wechsel unterworfen. Er kann sich
verbinden :
a) mit der Stimhaut und dem Muse, orbicularis palpebr.^
ß] mit der Stirnhaut und deoi Muse, frontalis,
y) mit der Stirnhaut und beiden genannten Muskeln.
Nach Merkel (L c.) endigen einige Bündel der Fasern des Muse,
orbitalis superior, die man trotz ihrer steil ansteigenden Richtung nicht dem
M. frontalis, sondern dem Orbicularis zuzählen muss, nach kurzem Verlauf
in der Haut der medialen Hälfte der Augenbraue. Ziehen sich diese zu-
sammen, so markiren sich die Ansatzpunkte deutlich durch kleine Grübchen.
Die Eigenschaft, welche darauf hinweist, dass diese Biindelcben zum
M. orbitalis zu zählen sind, ist die, dass ihre Thätigkeit stets mit der dieses
Muskels zusammenfällt und sich ganz unabhängig vom M. frontalis erweist.
3. Der Musculus frontalis.
§ 297. Er wird vom inneren Segment des Orbicularis bedeckt und
deckt selbst den Corrugator supercilii. Er stellt nach liüdinger (1279) eine
platte Lamelle dar, welche fast die ganze Breite der Stirngegend einnimmt.
Er entspringt aus einer Anzahl Bündel von der unteren Partie des Stirnbeins,
dann von der Nasenwurzel, mit dem Muse, procerus nasi zusammenh äugend,
und steht mit der äusseren Haut, welche seinen beweglichen Punkt darstellt,
in Verbindung, Gegen die Haut hin greift er in die Bündel des Muse,
orbicularis ein und an den Knochen in die Zacken des Corrugator supercilii.
Knott (1280) erwähnt, dass der Frontalis nicht vom Nasenbein, der
Glabella und dem Arcus superciliaris, vielmehr vom Processus nasalis des
Stirnbeins entstehe und mit den Mm. pyramidales, dem Levator labii super,
alaeque nasi (quadratus labii sup. Henle), hauptsächlich aber dem M. orbicularis
oculi unddem Corrugator supercilii zusammenhänge.
576 Physiologisches über den oberen Facialis.
Nach Frohse (1273) ist der M. frontalis innig mit dem oberen Theile
des M. orbicularis oculi verschmolzen. An ihrem hinteren Yereinigongswinkel
tritt die Hauptmasse der Rami temporales des Facialis unter sie und lost
sich alsbald in kurz- oder breitmaschige Geflechte auf, aus denen feine Fasera
entspringen.
B. Physiologisches.
1. Der Zweck des M. orbicularis.
§ 288. Der M. orbicularis oculi ist der aktive Verengerer der
Lidspalte imd das hervorragendste Schutzorgan des Auges; denn ein kraftiger
Lidschluss breitet eine schützende Decke über den vorderen und die seit-
lichen Abschnitte des Bulbus, wobei die von allen Seiten über den Augapfel
zusammengezogene und in Parallelfalten gelegte Haut das so geschaffene
Integument noch dicker erscheinen lässt. Auch um der Netzhaut Ruhe und
Erholung zu gönnen, und um die Pupille in der Regulirung der in das Auge
einzulassenden Lichtmenge zu unterstützen, sehen wir den Orbicularis fort-
während in Thätigkeit. Der gewöhnliche von dem Orbicularis besorgte Lid-
schlag reinigt die Hornhaut von Staub, von abgestossenen Epitheltheilchen
und verbreitet in gleichmässiger Weise die Augenfeuchtigkeit über die Horn-
haut, um auf die Vertiefungen und Erhöhungen der Epithelschicht aus-
gleichend einzuwirken und die Austrocknung der Hornhaut zu verhüten. Auch
treibt der Lidschlag die Thränenflüssigkeit nach dem inneren Winkel zu ien
Thränenpunkten hin. Eine Beeinträchtigung des Lidschlages bewirkt daher
bedeutende Störungen. Es entsteht Thränenträufeln, weil die Thränen nun
über den unteren Lidrand hinübergleiten statt in die Thränenpunkte einzu-
dringen, theils wegen des mangelnden Lidschlages, hauptsächlich aber weil
die Thränenpunkte durch die palpebralen Fasern nicht mehr in der richtigen
Stellung zum Thränensee erhalten werden.
Eine partielle Kontraktion einzelner Wurzelbündel, und der dadurch auf
die Hornhaut einseitig ausgeübte Druck kann dabei auf vorhandenen Astig-
matismus ausgleichend, und eine verengerte Lidspalte nach Art einer
stenopäischen Spalte verbessernd auf die Sehschärfe einwirken. Allerdings
darf diese Verkleinerung der Lidspalte über ein gewisses Maass nicht hinaus-
gehen, weil sonst die Cilien durch Liflexionsphänomene des Lichtes das
deutliche Sehen stören. Die Behaarung des vorderen Palpebralsaumes mit
Cilien, sagt Hyrtl (1281) lässt ein unvollkommen geschlossenes Auge für
ein vollkommen geschlossenes halten, und erklärt das Sehen „mit geschlossenen
Augen'* viel natürlicher, als die vermeintliche „magnetische Nervenstimmung^
Beim Husten und Niessen übt der reflektorische Schluss des Lides regulir^
auf die Stauung des Blutes im Bulbusinnem ein, weil durch die Fasern des
Orbicularis das Lid gegen den Bulbus gepresst, und durch diesen Druck das
Blut aus dem Augapfel hinausgepresst wird. Dieser auf den Bulbus ausge
Physiologisches Ober den oberen Facialis.
m
übte Druck bewirkt auch, dass beim Zukneifen des Orbicularis das Orbitalfett
mebr nach aussen gedrängt wird, wie am Unter- und Oberlide der Figur 129
pag. 583 ersichtlich ist
S289. Bei einzelnen Individuen mit fehlerhafter Insertion derBulbnsmusku-
latur kommt schon durch den gewöhnlichen Tonus des Orbicularis eine Ver-
engerung der Lidspalte dann äu Stande, wenn bei gewissen Bnlbusbewegungen
durch diese fehlerhaft in-
seriilen BulbusmuHkcln der
Angapfel in die Orbitalhohle
hineingezogen wird, IHe
Yeroffentlichung hierzu ge-
höriger, interessanter Be-
obachtungen verdanken wir
Türk (12821
§ 290. Der M. orbicularis
ist der Antagonist des M. levat
palpebrae und der beiden
vom Nerv, sympathicus ver-
sorgten Palpebralmuskeh Bei
Sympiithicuslähmung kommt
dieser Antagonismus durch
Verengerung der Lidspalte
in Betracht, indem das Ober-
lid nur noch durch den Le*
vator gehalten wird, das
Unterlid aber nun lediglicli
dem Tonus des Orbicularis
folgt, und dadurch etwas in
die Höhe steigt bei Ausfall
derGegen Wirkung des unteren
Palpebralmuskels, Umge-
kehrt wird aber bei Lähmung
des Orbicularis das Oberlid,
durch den Tonus des Levator
Fig, 126,
Form der Lid »pulte bei BleiidiiDg dureh flicht.
höher gezogen, und das
Unterlid sinkt durch die eigene Schwere und das Uebenviegen der Wirkung
des unteren Palpebralmuskels tiefer herab. — Als Antagonist des Orbicularis
am Unterlid wäre auch gewissermassen das Platysma anzuluhren, denn bei
einem Krampf oder bei angeborener Verkürzimg des.selhen finden wir das
Unterlid herabgezogen.
So beobachtete Den ig (1283) einen Fall von doppelseitiger Verzitdmng der äusserea
Lidcomiuissur in Folg© aügeborener Verkürzung des Platysma bei einem 7jÄhrigen, an Strabism.
conv, flltemans leidenden Mädchen. Die Gegend der fliissej'en Lidconinüssur stand beider-
seita vom Bulbus ab, der Lidschlusä war nicht gehemmt. Das Gesicht bot ein eigen thümJich
578 Physiologisches üher den oberen Facialis.
geschrumpftes Aussehen, die Wangen waren abgeplattet, nach unten gedrängt« die Mimi-
Winkel nach unten und etwas nach aussen gezogen, am Halse fanden aich bandl^nsigr
Sti'änge, welche sich zum Unterkiefer, Ohr und Processus mastoideus erstreckten. Die
Haut am Halse war normal. Die elektrischen Yerhftltnisse ebenfalls.
Einen Muse, depressor palpebr. inferioris, aus dem Platysma henror-
gehend, will Knott (1280) fünfmal unter 18 Fällen gesehen haben.
2. Die Wirkungsweisen des M. orbicularis.
a) Der willkürliche Lidschluss.
§ 291. Die Wirkung des Ringmuskels des Auges ist eine komplizirte, weil die
verschiedenen Theile desselben isolirt und auch gruppenweise in Thatigkeit
treten können. Nur die Bewegung des Musculus malaris associirt sich stets
mit der Bewegung der Unterlidhälfte des Orbicularis (Merkel [1275]). Sicht
allein aber die Lider verdanken ihm ihre Bewegungen, sondern nicht unbe-
trächtliche Partien der umliegenden Haut werden von ihm beeinflusst, denn
der M. orbicularis oculi verbindet sich mit dem Corrugator, dem Levator alaenasi
et labii superior. und häufig auch mit dem zygomaticus minor. Danun ist
auch mit einem kräftigen Schlüsse der Lider stets eine Verzerrung der Ge-
sichtszüge verbunden, Hyrtl (1281); auch fühlt man bei jedem Lidschlag
eine Verschiebung der Haut, besonders am äusseren Augenwinkel. Daher
kann auch eine bis auf den Knochen eingreifende Narbe der Supra- und Infn-
orbitalgegend die Schliessung des Augenlids beeinträchtigen. Ueber den Mecha-
nismus des Lidschlags hatten wir schon auf Seite 32 § 26 uns genauer aas-
gesprochen und die G ad' sehen Untersuchungen im Speziellen, jedoch in
Bezug auf die ausschliessUche Betheiligung epitarsaler Fasern am Lidschlage
wohl etwas apodiktisch angeführt, denn neuerdings fasst dieser Autor (1440
auf Grund frischer Untersuchungen diese Verhältnisse folgendermassen zu-
sammen :
Der Lidschlag beginnt mit einer kurz vorübergehenden Erschlaffung des
Levator palpebrae superioris; das obere Lid wird zunächst durch peritarsak
Lidmuskelfasern abwärts bewegt und dann durch hinzukommende Kontraktion
epitarsaler Fasern nasalwärts gezogen. An dem unteren Lide bleiben peri-
tarsale Fasern ausser dem Spiel, und es erfolgt von vorneherein eine schnelle
und starke Verziehung in nasaler Richtung durch die epitarsalen Fasern,
welche durch keine Hebung des Unterlides, wohl aber durch Herbeiziehung
des lateralen Lidwinkels zur Verengerung der im Ganzen nasalwärts rer-
schobenen Lidspalte beitragen. Die peritarsalen Fasern des oberen und die
epitarsalen des unteren Lides bewirken eine Erweiterung des Thränensackes.
Die rückgängige Bewegung geschieht langsamer und zwar am Unterlide aus-
schliesslich, am Oberlide im ersten Theile durch elastische Kräfte; an der
schliesslichen Hebung des Oberlides kann der Levator betheiligt sein. Ebenso
wie die peritarsalen Fasern des Unterlids bleiben sämmtliche orbitale Fasern
des Orbicularis beim Lidschlag in Ruhe.
Bei der Blickrichtung nach oben werden beide Lider einfach gehoben,
das obere durch seinen Levator und den Rectus superior» das untere durch
seine peritarsalen Palpebralfasern oder aucli durch Zug des Bulbus an der
unteren Conjiinctivalfalte. Eine Vorwölbung der unteren Lidhaut durch den
gedrehten Augapfel tritt hierbei sehr deutlicli ein, die darauf beruhen
dürfte, dass die dem Acquator näheren Tbeile des Bulbus, welche jetzt gegen
das untere Lid nach aussen drücken, grösseren Abstand vom Dreljpunkte
haben, welcher selbst wohl nicht verschoben werden dürfte. Bei der Blick-
richtung nach unten erschlafft der Levator [mlpebrae superiuris, und das obere
Lid wird durch seine sich kontrahirenden peritarsalen Palpebralfasern gesenkt;
die gleichzeitige Senkung des unteren Lides wird durch einen an demselben
inserirenden Fascienzipfel des Rectus inferior bewirkt.
Der ganze Orbicularis oculi kontrahirt sicli nur heim willkürlichen
festen Zukneifen der Augen. Die palpebralen Fasern pressen die Lidrander
fest gegen einander, und durch gleichzeitige starke Kontraktion der orbitalen
Fasern entstehen zwei Deckfalten, eine obere und eine untere, welche vor
den Lidern einen zweiten mehr oder weniger festen Verschluss zu Stande
bringen (Gad). Dabei ist dann stets der Corrugator supercilii und der
nialaris, nicht aber der M. frontalis mit betheiligt, weil durch des
letzteren Kontraktion ja das Znsammenschieben der Haut über dem Bulbus
verhindert würde, siehe Figur 129. Diese Thatsache ist als Unterscheidungs-
merkmal des Zukneil'ens des Auges von einem Facialiskrampfe wichtig, denn
bei letzterem istj wie aus Figur 28 pag. 65 hervorgeht, dieser iMuskel mit-
kontrahirt, eine Erscheinung, welche gelegentlich hei Öimolation von Facialis-
krampf verwerthet werden könnte.
Beim Schlnss des Lides wird die Haut am lateralen Augenwinkel ver-
schoben, und es bewegt sich die Lidspalte abwärts, wie der Radius eines
Kreises um seinen feststehenden Mittelpunkt. Dadurch wird der laterale
Augenwinke! um ungefähr 5 mm gesenkt, sodass er a!so bei geschlossener
Lidspake etwas tiefer zu stehen kommt, als die mediale Commissur, Am
unleren Lid kontrahirt sich mit den übrigen Theilen des IL palpebralis auch
dessen Hautpartie, wodurch nebst einer Verschiebung der Lidhaut nach dem
medialen Augenwinkel hin zahlreiche Fältchen entstehen, deren knieformiger
Winkel auf die mediane Commissur hingerichtet ist (siehe Figur li'll). Man
kann die horizontale Verschiebung des Lides am eigenen Auge sehr gut messen,
wenn man vor dem Spiegel bei geöffnetem Auge am oberen Lide einen senk-
rechten Strich macht und diesen in das untere Lid verlängert. Die Berührung der
freien Ränder beider Lider findet nach Fuchs (1287) beim Lidschluss nicht
gleichmässig in der ganzen Ausdehnung derselben statt, sondern beginnt am
äusseren Canthus und schreitet von hier gegen den inneren Canthus fort.
Dadurch wird die Thränenflüssigkeit, welche die Lider gleichsam von der
Oberdäche des Bulbus abkehren, innerhalb der sich schliessenden Lidspalte
gegen den inneren Canthus hingedrängt. Die Falten um das Auge sind die
Folge der Zusammenziehung des Orbicularis und müssen nach Hyrtl (L c.)
Wilbraiitl-Saougor, ^öurologfo rlei Aurcih. f. H»1, 11. Altit1i«itui:g. ^g
580 Physiologisches über den oberen Facialis.
da am zahlreichsten und markirtesten vorkommen, wo dieser Muskel ^e
freieste Bewegung hat^ am äusseren Augenwinkel, und wo er keine Verbindung
weder mit dem darunter liegenden Knochen, noch mit anderen Muskeln eingeht
Als ;,Krähenfüsse^ wird ein sternförmiges Büschel von Hautfalten bezeichnet
welches am äusseren Augenwinkel zur Schläfe hinzieht.
Bekanntlich giebt die öftere Wiederkehr einer bestimmten Yerändenmg
der Gesichtszüge diesen ein bleibendes Gepräge. Bei sehr fetten Personen
mit einem sog. Yollmondsgesicht mag auch die durch die Fettwucherung
beeinträchtigte Ernährung der Gesichtsmuskeln einen Antheil an ihrer Ans-
druckslosigkeit haben.
Vielen Menschen fällt es schwer, oder dieselben sind überhaupt unfähig,
ein Auge allein zu schliessen.') Langendorff (1285) erklärt dies ans der
grossen Nachbarschaft beider Augen, wodurch „ein gemeinschaftliches Gefahr-
feld" gegeben sei, denn eine Gefahr, die einem Auge drohe, bedrohe and
das andere. Daher habe der Mensch die intercentrale Bahn der beiden Blinzel-
reflexcentren so eingeschliflfen, dass der Reflex überhaupt nicht mehr ein-
seitig bleibe.
Onanoff (1286) will gefunden haben, dass bei denjenigen Individuen,
welche nicht im Stande seien, das eine Auge selbständig (einseitig) zu schliessen,
gewöhnlich eine Sehstörung auf demjenigen Auge bestehe, welches besser
schliessbar wäre, sei es nun ein Astigmatismus, verminderte Sehschärfe oder
dergleichen. Die Frage, welche AfFektion die primäre sei, müsse dahin be-
antwortet werden, dass erst auf die Sehstörung des einen Auges die Er-
schwerung des einseitigen Augenschlusses auf der entgegengesetzten Seite
folge. Er meint, dass das gesunde Auge sich nicht schliesse, sobald es die
Schädlichkeiten perzipire, weil es geöffnet bleiben müsse, gleichsam als Wächter
für die Perception der Noxen, während das andere Auge, die Gefahren (Stanb,
Wind etc.) selbst nicht merkend, aber durch das gesunde Auge alarmirt, sich
gewöhnlich schliesse.
Die Fähigkeit, den Orbicularis in Kombination sowohl mit dem Corm-
gator und Frontalis, als den übrigen Gesichtsmuskeln zu kontrahiren, wobei
in den verschiedensten Intensitätsgraden die einzelnen Muskebi bald komplet
bald partiell in mehr oder weniger bedeutenden Kontraktionszustand geratbäi,
gestattet die grosse Zahl der emotionellen Bewegungen, wodurch fast jeder
Affekt durch einen bestimmten Gesichtsausdruck, bei welchem der Orbicukris
mehr oder weniger immer betheiligt ist, sich kund giebt. Näheres darüber
siehe Merkel, Graefe-Saemisch, Bd. I, 79 und Darwin, der Ausdruck
der Gemüthsbewegungen, übersetzt von Carus, Stuttgart 1872. Diese emo-
tionellen Bewegungen sind im Gesichtsausdrucke bei Kindern viel ver-
schwommener als bei Erwachsenen, weil bei den ersteren die zahlreich nodi
vorhandenen elastischen Fasern der Haut ausgleichend wirken.
»1 Siehe früb^^r pag. 562 die Angaben von BoYjadiew.
Physiologisclies über den oberen Facialia.
581
Während des Schlafes ist der Tonus des Orblcularis aufgehoben. Wenn
rir im wachen Zustande die Augen zum Sdihifen schliessen, innerviren wir
leist aktiv den Orbicularis. Derselbe erschlafft dann erst vollständig, vrenn
wirklich der tiefe Schlaf sich eingestellt hat.
Bei dem Willkür liehen sanften Lidschluss, wie beim Niederlegen zum
Schlafe, wird lediglieh die Lidportion des Orbieularis innervirL Dabei zeigt
(siehe Fig. 127} die Lidspalte eine leicht S-förmig gebogene Krümmung. Der
Cormgator, der Malaris
und die sonst in die Haut
der Umgebung des Auges
einstrahlenden Muskel-
gnippen des Orbicularis
bleiben unbetheiligt.
ß) Der reflek-
torische Lidschluss
(vergleiche auch pag. 26).
§ 292. Die refiek-
torische Blinzelbe wegiing
der Lider ist stets beiden
Augen gemeinschaftlich.
Der Blinzelrertex
dient theils zurAb¥fenduiig
von Gefahr (Anfliegen von
Gegenständen, Einfall zu
grellen Lichtes), w^etche
W'irkting von dem Opti-
cus ihren Ausgang nimmt,
theils zur Befeuchtung
und Reinhaltung der Horn-
haut von Staub und Fremd-
körpern , ein Vorgang,
welcher vom Tr ig eminu 8
ausgelöst wird. Der Lid-
schluss bei schmerzhaften
Affekt ionen der Hornhaut
und Bindehaut ist nur
eine Steigerung der sonst den Blinzelretlex bewirkenden Erregungen der
feinsten Fasern des Trigerainus in ihrer Verbreitung auf der Hornhaut und
Conjunctiva. Selbstverständlich liört bei Zerstörung dieser Nerven der auf
den betreffenden Bahnen ausgelöste Blinzelreflex auf.
Nach Gilles de la Tourette (79) soll auch bei hysterischer Anäs-
thesie der Conjunctiva und Cornea der Lidretlex nicht mehr zu erzeugen
gewesen sein.
Flg. 127.
Kinfftcher Lidschlat^ä wl« zum Schlaf.
PhyMolo^ischf^s über den oberen Facialis.
Bei der Verengerung der Lider durch Blendung (siehe Figur 126) ler-
liert sich dits S-förmige KrÜDimimg der Lidspalte, und dieselbe stellt mth
einen horizontal gestreckten Schlitz vor, der bei RelTaktionsfehlem and beim
Visiren (sielie Figur 128) zur ^tenoimischen Spalte wird.
Bei dem eben beschriebenen Lidschluss nach Blendung und beim Visirtn
werden der Corrugator nnd die Hautpartien des Orbicularis mit innerrirt;
und da durch diesen Kontraktianszustand des Orbitukris ein Druck atifd^n
Bulbus ausgeübt wird,
springt auch das Orbital-
fett hinter den Lidern Tor
(siehe Figur 128 und 12d).
was bei dem sanften Liil-
Schlüsse wie zum Schlal,
und dem analogen Vor-
gang beim gewöhnlichen
Blinzelreflex (siehe Figor
127) nicht der Fall ist.
Dem gegenüber be*
steht ein auffallende*
Klaffen der Lidspalte bei
Patienten mit Opticu!^-
atrophie, wie überhaupt
bei Erblindeten dürcb
Sehnervenleiden. Dieses
Aufreissen der Augen bei
solchen Individuen (sieh?
Figur 130) erklart sich
wohl aus dem Lichtbe-
dürfnisse derartiger
Kranker, in der AhsicK
mit Erweiterung der Lid-
spalte und leichter Hebung
der Augenbrauen alle
natürlichen Flinderais«?
möglichst zu beseitigen,
welche den Lichteinfall
in das Auge beeinträch-
tigen könnten. Diese, willkürlich durch vermehrte Innervation des Levator
offenbar bewirkte Erscheinung, sehen wir dann noch durch die Erweiterung
der Pupille bei arablyopischen Zu.ständen unterstützt.
S 293. Was die Bahn des optischen Blinzelreflexes anbelangt, so haben wir
darüber, auch bezüglich des Trigeraimis in § 23 und 24, p«g. 27 das Xotb-
w endige gesagt, Hini^uzufügen würe noch, dass die vom Opticus und Trii -
minus ausgeir-sten Lidreflexe nicht bei allen feaugethieren sich in gleinnr
Fig. 128.
LidÄclihiss zur jitfnnpfiisrhrn SpiiUe,
Weise wie beim Menschen verhalten. So gieht Boensel (1288) an, dass
Kaninchen auf Reizung der weiteren Ausbreitungen des Trigeminus (Cilien,
Aiissenfläche der Lider) fast gar nicht mit Lidbewegungen reagiren, wohl aber
Hunde. Auf optischen Reiz hin erfolgt dagegen beiui Kaninchen leichter
der Lidrertex als beim Hunde. Letzteres soll darauf beruhen, dass beim
Hunde vom Grosshirn, imd zwar in erster Linie vom Oceipitallappen, eine
Hemmung des Lidreflexes ausgeht, denn HundCj denen beide Oceipilallappen
entfernt waren, zeigten
während der ersten Tage
nach der Operation so
prompte Reaktion auf Be-
lichtung wie Kaninchen.
Der Heramungsmechanis-
miis bilde sich aus in der
Zeit vom 23. bis 30.
Lebenstage ; vor dieser
Zeit reagire der Hund
gut auf optische Rei^e-
Für die spontanen
Blinzelbew^egungen sei der
Opticus nicht von Be-
deutung, weil sie sich
auch bei Blinden, sowie
bei Hunden mit durch-
schnittenem Opticus fän-
den. Nach Durciischnei-
düng der Trigemini werden
die Blinzelbewegungen da-
gegen seltener, also scheine
die Reizung der Trige-
minusendigungeo die
Hauptursache der Blinzel-
bewegungen zu sein.
Als hintere und
obere Grenze des Reflex-
eentrums für denjenigen
Lidöcbluss, welcher durch Reizung der Lider oder der Hornhaut hervorgerufen
wird, bestimmte Nike It (1289) bei Meerschweinchen, Tauben und Katzen die
Gegend der Alae cinereae, oder vielleicht noch eine etwas höher gelegene
Partie. Für den Frosch ist mit Sicherheit die hintere Grenze des CentrumS
als über der Mitte der Rautengruhe anzunehmen.
Weiter wurde noch gefunden, dass die für die Empfindlichkeit des
Auges bestimmten Fasern des Trigeminus aus den höheren Kopf abschnitten
entspringen, nicht aber mit ihrem LTrsprung tief in das Halsmark binab-
Fig. 12Ü.
Starke*! Zukrteifen rles rechten Auges.
f>84
Physiologisches über den oberen Facialis.
reichen. Hinsichtlich der oberen Grenze des Centrums heisst es: „Ich kann
deshalb nicht glauben, dasd der Ursprung der beim Lidschluss betheiligten
Fasern des Nervus facialis, und damit die obere Grenze des LidreflexcentnmB
über den proximalen Rand der Varolsbrücke hinaufreicht^.
0. Franck (1290) untersuchte die zeitlichen Verhältnisse des reflek-
torischen und willkürlichen Lidschlusses. Für den reflektorischen Lidschluss
waren jedoch die Versuchsbedingungen zu schwierig herzustellen, um braudh
bare Ergebnisse gewinnen zu können. Bei den Untersuchungen über die
zeitlichen Verhältnisse des will-
kürlichen Lidschlages zeigte
sich, dass häufig zuerst das rechte,
seltener das linke Auge ge-
schlossen wurde; alsdann war aber
der Zeitunterschied nur gering,
im Mittel 0,007 Sekunden, h
manchen Fällen schlössen sich
beide Augen zu gleicher Zeit
Endlich sei noch folgender Be-
merkung Landois' (1291) hier
gedacht, über welche uns jedoch
keine eigene Erfahrung und Be-
obachtung zur Seite steht. Es
soll nämlich bei starken An-
strengungen der Orbicularis pa^
pebrarum synchronisch mit dem
Pulse zucken. Diese Zuckung
rühre offenbar davon her, dass
der Pulsschlag die sensiblen
Nerven reflektorisch zu einer
Kontraktion anrege. Neuerdings
hat S. Garten (1512) den
ganzen zeitlichen Verlauf des
Lidschlages vermittelst eines sinnreich komplizirten Registrirapparates fest-
gestellt, aus welchem wir als erwähnenswerth hervorheben, dass die Lidöffnung
des Lidschlags langsamer verläuft als der Lidschluss. Bezüglich der Ver-
werthung des Lidreflexes zu diagnostischen Zwecken hatten wir bereits auf
Seite 28 das nöthige gesagt.
Fig. 130.
Weite Lidspalten einer an Sehnervenatrophie nach
Tabes Erblindeten beim gewöhnlichen Blick
gerade aus.
y) Die Mitbewegungen anderer Muskeln mit den Kontraktionen
des Orbicularis.
§ 294. Bezüglich der Mitbewegungen des Orbicularis mit anderen Mus-
keln hatten wir schon auf Seite 53, § 32 des BelPschen Phänomens Er
wähnung gethan, welches sich darin äussert, dass bei starken Kontrakticmen
ies Orbicularis sich die Cornea meist nach oben aussen, seltener nach oben
men wendet. Am schönsten tritt das Phänomen beim Lagophthalmus nach
Facialislähmnng auf. Dasselbe ist aber durcliaiis kein pathognomimisches
Zeichen der Faciatislähmiing, wie manche glauben, sondern ist eine vielen
Menschen gemeinsame physiologische Erscheinung. Wodurch dies Phänomen
zu SUmde kommt, ist durchaus räthselhaft. Bernhardt (1292) ^agt von
dieser Erscheinung: »^Es ist beim Menschen, wie es scheint, eine Einriclitung
durchweg ausgebildet, die es mit sich bringt, dass derselbe Willensimpolti,
welcher da« Auge schliesst (auf der Bahn des Facialis), einem oder einigen
Muskeln des Augapfels (Obliq. infer. in seltenen Fällen vielleicht dem rectus
superior) gleichfalls Innervationsin» pulse zusendet.^
Jedenfalls ist diese Erscheinung in holiem Grade zweckmässig, denn
fliehen die Cornea, die hinter ihr liegende Iris und die Linse bei nahender
Gefahr als Mitbewegung des kräftigen Blinzelretlexes unter das schützende
Orbitaldach, so ist damit diesen Gebilden ein doppelter Schutz gewährt, der
auch dann von ganz besonderer Bedeutung wird, wenn der Orbicularis bei
FacialisJähmung gelähmt erscheint, und Lagophthalmus vorhanden ist.
Wie wir auf Seite 39 schon erwähnt hatten, sollen nach Merkel (86)
die Palpebraltheile des Muse, orbicularis heim Heben und Senken der Bück-
ebene mit betheiligt sein, indem sich die Palpepralportion des Oberlids kon-
trahirt, wenn man zu Boden sieht, die des Unterlides aber beim Enipürsehen.
§ 29ö< Ueber eine M i t b e w e g u n g d e r I r i s bei Kontraktion des
Orbicularis berichtet West phal (1293). Lässt man den Patienten das Auge
energisch zukneifen, während man die Lider auseinanderhält, macht man
also die Willensanstrengung durch Verhindern ng des Augenscblusseö zu einer
hesonders kräftigen, so sieht man zugleich mit der Bewegung des Bulbus die
Pupille sich verengem. Am deutlichsten lässt sich dies Piiänomen bei
Fällen von reflektorischer Lichtstarre und weiten oder mittelweiten Pupillen
(Paralyse, Tabes, Lues cerebralis etc.) nachweisen. Die Beobachtung des
Phänomens wird durch Unruhe des Patienten, sowie durch mangelhaftes oder
zu heftiges Zukneifen der Lider verhindert. Piltz (1294), welcher gleich-
zeitig und unabhängig von Westphal auf diese Erscheinung aufmerksam
wurde, fand dieselbe bei 35 **/o der Gesunden. Bei Individuen mit guter Seh-
schärfe lässt sich jedoch das Phänomen schwer demonstriren, weil die durch
das Licht in einem gut erleuchteten Räume hervorgerufene Kontraktion der
Pupillen stärker ist, als die durch die Orbiculariskontraktion bewirkte. Siphon
Gifford (121)5) hatte Mittheilung über diese Orbicularispupillarkontraktion
gemacht und angegeben, dass man dies Phänomen am besten bei Patienten
beobachtet, deren Augen durch Erkrankung der Retina oder der Sehnerven
zum Theil oder ganz erblindet waren.
Wandt (1296) ghiubt, dass diese Kontraktion der Pupille als eine
Convergenzreaktion aufzufassen wäre, weil der Bulbus bei einigen Individuen
bei intendirtem Lidschluss nach oben und innen fliehe. Diese Annahme
konnte jedoch von "Westphal und Piltz zurückgewiesen werden. Auch
586 Physiologisches tther den oheren Facialis.
Galassi (1269) hat dies Phänomen beobachtet. Bezüglich der Erklänmg
dieser Erscheinung müssen wir uns vorläufig noch daranf beschränken, aof
die von Mendel (siehe pag. 114 § 53) aufgestellte Hypothese hinzuweisen,
dass der Augenfacialis seinen Kernursprung im Oculomotoriuskemgebiet habe.
§ 296. Andere gleichfalls normal physiologische Mitbewegnngen besteha
zwischen dem Orbicularis und der Nasenmuskulatur (vergl. pag. 64 § 40 die
Beobachtungen Topolanski's).
Bernhardt (1297) giebt an, dass beim einfachen Blinzeln eine Mit-
bewegung in den Dilatatores narium stattfinde. — Ferner ist mit dem Akte
des Gähnens stets ein ziemlich starker Schluss des Orbicularis verbunden.
Vielleicht liegt dieser Erscheinung dieselbe Ursache zu Grunde, wie das Zu-
kneifen der Augen bei starkem Husten und beim Niesen. Nach Donder5(76)
ist nämlich der Lidschluss für die intraoculare Blutcirkulation nicht ohne
Bedeutung, weil der physiologische Blepharospasmus bei starkem Husten und
Niesen als Regulator gegen den exspiratorischen Blutandrang dient. — End-
lich ist noch hier eines eigenthümlichen Phänomens der Bewegung des
Musculus stapedius mit den Kontraktionen des Orbicularis Erwähnung zu thon.
So beobachtete Borger (1298) einen Patienten, der bei peripherer Facialisllhming
einen brammenden Ton im Ohr empfand, sobald aktiv das Lid geschlossen wurde.
Gottstoin (1299) sah einen Patienten, bei welchem jedem Anfalle von Bk-
pharospasmus ein Rauschen im Ohre voranging, das erst mit dem Aufhören des Lidkrunpfs
wieder verschwand.
Aehnliche Fälle beobachteten Lacae (1800) und Moos (1301).
§ 297. Ueber abnorme Mitbewegungen des Orbicularis unter patho-
logischen Zuständen berichtet- Sinclair (1302).
Derselbe theilte 5 Fälle mit, in welchen bei Paralys) oder Parese eines Muse rectas
extemus die Einwärtsbewegung des affizirten Auges stets mit einer Kontraktion des X-
orbicularis und einer Retraktion des Augps verbunden war. Hier lagen offenbar kongenitale
Abnormitäten der Augenmuskeln vor. Auf Seite 58 hatten wir uns schon eingehender mit
ähnlichen kongenitalen und acquirirten Störungen beschäftigt.
Albrand (1303) sah zweimal Mitbewegungen im Gebiete des Orbicularis palpelff.
als begleitende Erscheinung des Sprechens. Man konnte deutlich ein mehr allm&hHdies
Anschwellen der Kontraktion der Orbicularisfasern und ein mehr plötzliches Abschwellen
derselben konstatiren. In dem einen Falle betraf die Kontraktion nur einen Teil, in dem
anderen die gesammte Muskelfaserung des Orbicularis; die Zuckung war eine leichte, 6m
klonischen fibrillären Zuckungen des Lides an Intensität ähnlich , von diesen aber duck
ihren regelmässigen Ablauf völl'g abweichend. Wenn die beiden Patienten mit den beim
Spreeben theilweise in Frage kommenden Muskeln willkürlich andere Bewegungen, Spitzes
des Mundes, ausf Uhi*ten , trat das Phänomen nicht ein. Die Erklärung Albrand's f&r
seine beiden Fälle geht dahin, dass es sich um die Ausstrahlung des normalen motorisckci
Reizes im Sprcchcentrum auf einen cirkumski-ipten Abschnitt des Facialisgebietes im Gross*
hirn handele Ein Ueberspringen des Reizes innerhalb der MeduUa oblongata sei nM
wahrscheinlich. Albrand weist dabei noch auf die Analogie hin, die bis zu einen
gewissen Grade zwischen diesen Beobachtungen und den Fällen von Blepharospasmus, her
vorgerufen durch Sprechen, bestehe. Ausserdem ist noch zu erwähnen, dass bei starkes
Stott rern dem Hcrvorstossen eines Wortes ein starker Lidschluss häufig vorangeht
Physiologischeg über den oberen FaclaliB, 587
3- Die Wirkungsweise des M, corrugator supercilii.
§ 298, Der M. corrugator supercilii kann \mlht und einseitig
|üj gewöbnlich nicht innervirt wenlen. Beide Corrugaturen Maliern die medialen
en der Augenbrauen einander und ziehen sie in der Richtung der Nasen-
rurzel etwas nach unten, wobei an beiden Enden der Braue seichte Grübchen
der Haut auftreten. Die Annäherung beider Augenbrauen ist nur durch
line senkrechte Faltung der Stirnhaut mögliclh Eine gleichzeitige Kon-
raktion der Frontales und Corrugatores ruft Falten in der Stirnhaut hervor,
reiche die Giabella in Form eines Rechtecks umsäumen.
Die Brauen selbst werden bei der Innervation des Corrugators nicht
|erunzelt, und der Name ^Corrugator^ supercilii ist damit nach Hyrtl
inrichtig.
Die Kontraktion der Corrugatores verleiht dem Gesicht einen finsteren
Lusdruck, Fortgesetzte leichte Kontraktionen desselben, wie sie beim Denk-
prozesse stattfinden, führen zu den bekannten Denkerfalten, welche senkrecht
ron dem medialen Ende jeder Augenbraue nach oben verlaufen. Dass
edoch diese senkrechten Stirnfalten nicht lediglich der häufigen Kontraktion
ier Corrugatores ihren Ursprung verdanken, gelit aus einer Beobachtung
löbius's (1304} hervor, bei welcher trotz kongenitalen Defektes aller oberen
vom Facialis versorgten Muskeln, dennoch die senkrechten Stirnfalten stark aus-
geprägt waren. Auch beschwert seine Kontraktion durch Heranzielien der Haut
nach dem Oherlide das Letztere und verengert durch Druck auf dasselbe in
geringem Grade die Lidspalte.
Bezüglich der Veränderung der Stellung der Augenbrauen bei ver-
schiedenen krankhaften Körperzuständen hatten wir bereits auf pag. 9 § 5
das Nothwendige angeführt.
Gleichzeitige Wirkung des M. malaris und des M. superciliar is entspricht
einer Bewegung, wie sie bei starkem Geblendetsein ausgeführt wird.
4, Die Wirkungsweise des M. frontalis.
§ 299. Der Muse, frontalis zieht die Augenbraue in die Höhe und
legt, weil bei seiner Kontraktion die Galea aponeurotica gespannt wird, die
Haut der Stirn in parallele resp. leicht konzentrische Falten.
Der M. frontalis ist als Hilfsapparat für die Vergrössening des Gesichts-
feldes aufzufassen , indem er bei äusserster Kraftanstrengimg die Lider hebt
und die Augenbrauen von dem knöchernen Augenhöhlenwand hinweg nach
oben zieht. Daher wird auch als Mitbewegung bei Innervation der Bulbus-
heber der Frontalis mit innervirt oder, was gleichbedeutend damit ist, es
kontrahiren sich stets beide Frontales bei horizontal gehaltener Blick ebene
und Neigung des Kopfs nach vorn, wie aus Figur LSI ersichtlich ist, welche
einen Mann durstellt, dessen Kopf in Folge einer ankylosirenden Entzündung
der Wirbelsäule nach vorn gebeugt wurde. Aber auch hei scitliclien Beweg-
588
Physiologisches über den oberen Facialis.
ungen des Augapfels haben wir bei einem Falle von tuberc. Meningitis eise
lebhafte Kontraktion eines Frontalis beobachtet (siehe pag. 56, § 34).
Auf die Schwierigkeit, den Frontalis einseitig und allein zu innerriren,
sind wir bereits auf pag. 74—78 näher eingegangen, und die praktischen Folg«
dieser Eigenschaft hatten wir auf pag. 470 und 471 eingehend hervorgehobo.
Wenn dies jedoch einzelnen Menschen dennoch gelingen sollte, so ist die«
Fähigkeit als eine höchst seltene Ausnahme anzusehen. Der Liebens¥rürdigkeH
des Herrn Kollegen Caspar in Mülheim verdanken wir in dieser Hinsidbt
folgende Angabe: „Mir selber ist es von jeher leicht möglich gewesen, da
linken Frontalis isolirt kräftig zu kontrahiren, ohne dass in der Beweglichkeit
des Lides jemals ein Defekt bestandei
hätte. Ich kann allerdings nur die linke
Stirnseite runzeln, rechts ist mir's nidt
möglich. Ob ich die Augen geöffnet hihe
oder wie zum Schlafe schliesse, ist ganz
gleich. In letzterem Falle wird das linb
Lid ein wenig gehoben. Stets kontrahiren
sich nur die temporalen zwei Drittel des
Muskels, die Glabellagegend bleibt ganz
glatt. Mir scheint jene willkürliche Kon-
traktion ist schon von früh an deshalb
geübt worden, weil mein linkes Auge das
sehtüchtigere ist. Seltsamer Weise be-
merke ich an meinem jüngsten Kinde,
einem gesunden 2 V« jährigen Knaben g^
legentlich, besonders bei zornigen Affekten,
eine Runzelung der linken Stirnseite.^
Zum Schlüsse sei noch envälint
dass sich beim „Aufreissen" der Augen
der M. frontalis ebenfalls kontrahirt,
um durch Hinaufziehen der Angenbrane
die Haut des Oberlids zu heben und dadurch die Arbeit des Levators in
erleichtern. Ohne diese Hülfsaktion des Frontalis kann erst durch besondere
Einübung „das Aufreissen'' bewerkstelligt werden.
Fig. 131.
Unwillkürliche Kontraktion beider rrontales
bei Kopfneigung.
C. Die kongenitalen Defekte im Gebiete der Facialismuskulator
resp. des Augenfacialis.
§ 300. Bei den angeborenen Defekten der Gesichtsmuskulatur, welche
wie die kongenitale Ptosis (siehe pag. 78) einseitig und doppelseitig
vorkommen und sich der grossen Gruppe der angeborenen Beweglichkeits-
defekte des Organismus einordnen, unterscheiden wir wie dort eine einfach
kongenitale und eine kongenital hereditäre Forna, von welchen die
erstere bei weitem die häufigere ist. Wir sehen hier völliges Fehlen od»
Kongenitale Defekte im Gebiete der FacialismuskulntQr. 589
mangelhafte Entwickelung einzelner Muskeln oder der gesammten Muskulatur
einer oder beider Seiten des Gesichts resp. der vom Facialis beherrschten
NervenbahTien. Charakteristisch dabei ist, dass die Defekte sich keineswegs
an das Ausbreitungi^gebiet eines grösseren Nervenastes halten
(Kann 207). sondern dass oft ein/.elne Muskeln inmitten einer
anscheinend gelahmten (iruppe freibleiben, und dass nicht nur
die Muskulatur, sondern auch die Knochen defekt sein können.
Nacli Frohse (1273) geht die oberflächliche Schicht der Gesichtsmns-
kulatur aus dem Platysma hervor und lässL als unmittelbare Fortsetzung den
M, quadrat. lab. inf, entstehen, von dem sich wieder der mentalis abzweigt
Femer gehören dazu die Muskeln des äusseren Obres^ die Muskeln, welche in
die Galea aponeurotica übergehen, hinten der M. occipitalia, vom der M,
frontalis; der M, orbicularis oculi mit dem Caput angulare und zygomat
der' M. quadratus labii inf. (Levator labii alaequ© nasi und zygomaticus
minor), endlich der zygomaticus major. Der tieferen Schiclit gehören die
übrigen vom Facialis versorgten Muskeln an* Die Beobachtung muss lehren,
ob bei den einzelnen Fällen Gruppen oder alle der zur oberen Schicht gehörenden
Muskeln Beweglichkeitsdefekte zeigen, oder nur die zu der unteren, eine Er-
scheinung, welche ebenfalls bei der oft schwierigen Differentialdiagnose von
in frühester Kindheit entstandenen Facialislahraungen mit verwerthet werden
könnte.
Wir begegnen bei diesen kongenitalen Bildungsfeblem der Gesichts-
muskulatur allen Intensitätsgraden funktioneller Defekte. Meist sind sie wie
bei der totalen Facialisläbmung komplet und manifestiren sich bezüglich des
Orbicularis, des Frontalis und Corrugator durch Lagophtbahnus und Unver-
mögen die Stirn zu runzeln und die Äugenbrauen zu bewegen. Fordert man
solche Patienten auf, die Äugen zu schliessen, dann rollt sich die Hornhaut
nach oben und verschwindet unter dem Augenlidc, ohne dass sich ein vom
oberen Facialis versorgter Muskel bewegt. Ganz besonders wesentlich für die
Diagnose ist dabei der völlig stationäre Charakter der anscheinenden
Lähmungen.
§ 30L Von den in der Litteratur bekannten Fällen einseitiger Bildungs*
defekte der Gesichtsmuskulatur täuschten die Fälle Bernhardt (1305),
Schultze (1306), Henoch (1307), Stephan (1308) eine vollständige
linksseitige, der Fall Nonne's (1309) eine komplete rechtsseitige
Facialisläbmung vor.
In der Beobachtung Kunn's (1310) begann die Asymmetrie des Gesichts erst vom
unteren Orbit iil ran de nach abwärts. Das HüDS^eln der Sttrohaut gelang beidoi'seits , docli
blieb die rechte etwaä gegen die linke zurück und auch die Braue wurde tinks etwas h^her
gehoben als rechts. Kin Gleiches galt von der Wirkung des Corrugator supercÜü, indem
auch hier die Falten linkerseits deutlielier ausgesprochen waren t und die Braue mit ihrem
Tiiedtalen Eiide der Nasenwurzel besser genähert werden konnte. An der Wirkung dea
Orbicularis palpehr. war ein ganz unbedeutender Unterschied der hriden Seiten daxiti
20 bemerken» dass beim kräftigen Zukneifen der Lider die Krähenfüsse am äusseren rechten
590 EoDgenitale Defekte im Gebiete der Facialismuskulatiir.
Augenwinkel etwas weniger stark angedeutet waren. Die flbrigen Verhältnisse Tom
Orbitalrand abwärts erinnerten rechterseits im Aussehen an Hemiatropbia facialia.
Ein umgekehrtes Verhalten bestand in dem Falle Bernhardt's (131U
Das rechte Auge konnte nicht geschlossen werden, die Gegend unterhalb des redte
Jochbeins erschien mager und eingefallen. Die rechte Stirnhälfte konnte nicht geiuiA
und das rechte, kleinere Nasenloch nicht aktiv erweitert werden. Im G^gensatx n is
mageren Wange zeigten die Lippen auch rechts ein normales Verhalten. Auch wtr h
rechte Unterlippen- und Kinnmuskulatur, obgleich flacher als die linke, gnt ausgeprigt
§ 303. Bei den folgenden Beobachtungen schien nur die Muskulatur des
Augenfacialis defekt zu sein. In dem ersteren Falle reagirte aber diesdbe,
wenn auch nur schwach.
So berichtet Armaignac (1812) Aber ein 2jähriges Kind, bei welchem seit der Gckrt
die ganze Gegend der linken Orbita atrophisch und eingesunken erschien. Man sah k«
Muskelrelief, und es war als ob die Haut unmittelbar auf dem Knochen liege. Und deck
mussten alle scheinbar fehlenden Muskeln existiren, da sie sich alle bei Yerschlv» da
anderen Auges, wiewohl schwach, kontrahirten.
In der anderen Beobachtung Arm aignao 's (1813) war ebenfalls nnr die vom A^g»
facialis versorgte Muskulatur defekt, dieselbe war aber yOUig reaktionslos. Tliatsi^U
war die ganze Partie nach oben und aussen von der Orbita abgeplattet, wie atn^pUit
Die Haut schien unmittelbar auf dem Knochen zu liegen, und es zeichnete sich keinerle
Muskelrelief daselbst ab, sobald das Kind die verschiedenen Gesichtsmnskeln in Thitigkot
setzte. So blieb z. B. beim Weinen die ganze in Rede stehende Partie nnbeweglidi ui
kontrastirte mit der symmetrischen Gegend der rechten Seite. Das linke Auge sah le,
als ob es einem anderen Kinde angehöre, das eine längere Krankheit durchgemacht kitte.
Das Auge lag tief, die Lider waren dünn und zeigten nur spärliche Fältelong, weso tm
das Kind veranlasste, die Augen fest zu schliessen. Das Oberlid ging nnr wenig und lingsia
in die Höhe, vielleicht durch mangelhafte Entwickelung des Levator.
Im Falle War rington 's (1318) war nur der rechte Stimast des Facialia ontki^
indem die rechte Stirne nicht gerunzelt werden konnte, während der Orbicnlaris da-
geblieben war.
Im Falle Bernhardt 's (1311) beschränkte sich die Unbeweglichkeit auf den Fm-
talis, den Corrugator und Orbiculaiis. Es konnte die rechte Stirn nicht gerunzelt und da
recbte Auge nicht geschlossen werden. Es bestand Lagophthalmus nnd Epiphora.
Dagegen waren im Falle Delpart (1318) linksseitig alle Gesichtsmuskeln onbev«^
lieh mit Ausnahme des Corrugator, des Orbicularis und Zygomaticus major.
In Recken 's Beobachtung (1328) war ebenfalls der obere Facialis frei, und hanpt-
sächlich die untere Facialismuskulatur unthätig.
In der Beobachtung Gazöpy's (1820) zeigte aus dem Facialismnskelgebiet lediiJick
das untere Lid auf beiden Seiten einen Beweglichkeitsdefekt, wodurch Lagophthalms
bedingt war.
Im Allgemeinen darf man sagen, dass die auf den Augenfacialis resp.
den Orbicularis beschränkten Bildungsdefekte selten sind im Gegensatz xn
dem häufigen Vorkommen isolirter kongenitaler Ptosis.
§ 303. Bei den Fällen mit doppelseitigen angeborenen Bildungsdefd^ta
der Gesichtsmuskulatur waren in den folgenden Beobachtungen alle Muskeln
unthätig mit Ausnahme einer schwachen Erregbarkeit der Lippenmusknlatar.
In der Beobachtung von Möbius (1304) erkannte man auf den ersten Blick cw
doppelseitige Lähmung der mimischen Gesichtamuskeln: die weitgeOffneten Augen mit te
gewulsteten Conjunctiva des unteren Lides, die schlaffen eingesunkenen Wangen, der io &
Breite gezogene, halb geöffnete Mund mit hängender Unterlippe hatten schon ehe der Kranke
K< □genita'Ie Defekte im Gebiete der FaciaUsmuskula^tir. 591
sprach, keinen Zweifel gelassen. Die genatie ünteröuchiing ergab, daaa fast alle Facinlis-
innsküln vollafämüg uothötig wareo. Die Stirn, die nu der Naser.wtxrzol emige tit'fe eeiik-
rechte Falten zeigte, war ganz bewegungslos* Beim Veraucbe die Äugen zn aebliessen
wurden nur die Augäpfel nach oben gedreht. Heim Sprechen bewegte sieh lediglich der
linke Mundwinkel etwas nnch aussen.
Im Falle Harlan s (1314) atunden beide Augen von Gehuit an in Konvergenzötellung,
mite Äugenmnakeln, mit Ausnahme des Externua, waren norm aL Es bestand Amblyopie «Im©
Befund. Die mimischen Muskeln waren vollständig gelälitnt: Lago[d)thHlmus. Epiphora.
Der Gesiclitsausdrnck glich einem grossen Kindergeüii-bt.
Chieolm (1315) beühaclitete ein 35JÄhriges FtÖuloin, welches seit ihrer Geburt nie-
mals die Augen hatte Bcblieasen können, sondern beim Verduche es zu thun, rollten die
Augäpfel unter dos obere Lid. Die Haut dea Gesichts war gbtt ohne eine einzige Falte
Ton der Stirn bis zum Munde. Da das Gesicht keine Bewegungen machte, war sie unfähig
irgend eine Gemlithsbewegxmg auszudrücken. Kur unter dun Mundwinkeln konnten will-
IcQrlich einige Runzeln erzeugt werden, aber nicht im eigentlichen Gesicht. Während die
Patientin versuchte zu pfeifen, bildete die Oberlippe einen schmalen horizontalen Wulst,
und die rnterüppe wurde gekrfluselt.
Bei der Beubachtung Procü po v ici's (1316) zetgie die 7^'sjÄhrige, elme Kunsthilfe
geborene und nirht belastete Patiet^tin einen unYollständfgen Lidschi usi und stark herab-
gesetzte BewegliLhkeit aller übrigen Gesichtsmuskeln, was in der linken Gesichtabälfte am
fitfirksten nnegeprägt war.
Bei dem Hjübrigen Mädchen S cfa r prin ger'a (1317) waren beide Nasolahial falten
' veratriehen. Von den mimischen Geaichtsmuskeln fimgirte nur der Depressor angiili oria
J dext^r.
Bei anderen ist die eine Seite stärker betheiligt ala die
|, andere.
I Delpart (1318) beschreibt ein Ißjllbrigea Dienstmädchen« bei welchem im Facialis-
gebiete beider Seiten Bewegliehkeitsdefekte vorhanden waren. Rechts bestand eine Schwäche
der den Mund heraufziehenden Muskeln (besonders des M. zjgomat. maj,l, links Schwäche
aller Faciaiismuskeln mit Ausnahme des Corrugator supercilii, des Orbicularis paJpebr. und
des Zjgomaticua major.
Der 20jäbrige Apotheker Graefe'a (1319) zeigte linkerseits vollatflndige IJnthätig-
keit der Muskulatur des Facialisgebietes mit hochgradiger Schiefstellung des Geaiebta
Rechts leichte Andeutung derselben Affektion, insofern Stirnmnzeln und Nnaenrtlmpfen nicht
ausführbar waren.
S 304. Weniger häufig ist die Komplikation mit Defekten der Bulbusbeweg-
lichkeit Hier ist vor allen Dingen des gern einsamen Vorkommeiis von Beweg*
lichkeitsdefekten im Facialisgebiet mit dem doppelseitigen Unvermögen das
Auge nach auswärts zu wenden, der sog. Pleuroplegia Schapringer's
resp, der angeborenen Facialis-Abducenslähmung Möbins' Erwähnung
zu tbim*). Derartige Fälle w'urden von Fryer (1322), Procopovici (1316),
' Schmidt (1323), Warrington (1313), Möbius (1304), Chisolm (1315),
Harlan (1314) und Bloch (1324) beobachtet.
Letzterer sah bei einem 9 monatlichen Knaben beide Bulhi ndduzirt, Beidoi^eita
I schien der untere Facialis gelähmt (Gesicht beim Weinen unheweglicb). Beiderseits bestnnd
I Klumpfuös, rechts mit ZahnmungeL An der linken Hand war der zweite und dritte Finger
[ verkürzt. Beiderseits zeigte sich geringer Epicanthus,
1) Wir brauchen hier nicht noch einmal hervorzuheben, warum dies keine Lflh-
mungszuslande sind. Yergh pag. 87.
592 Kongenitale Defekte im Gebiete der FacialtamnskaUtiir.
Als diagnostisch bedeutsame Erscheinnng ist bei diesen anscheinendei
Pleuroplegien der von Kunn hervorgehobenen ^erhalten gebliebene Konw-
genzbeweglichkeit^ Erwähnung zu thun, ein Verhalten, auf welches wir berds
pag. 92 näher eingegangen sind.
Auch angeborene Unthätigkeit anderer Augenmuskeln wird bei da
angeborenen Beweglichkeitsdefekten der Facialismuskulatur beobachtet: so ia
den Fällen von Gazepy (1320, Fall I), Ptosis, Paralyse des Rectal
super, und Rectus externus; Gazepy (1320, Fall II), Ptosis, Rectus
super, und Rectus internus; Remak (1325), Ptosis; Armaignac(131!,
Fall I), Ptosis und komplete Unbeweglichkeit des Bulbus; Marint
(1326), Unbeweglichkeit der äusseren Bulbusmuskulatur mit
Ptosis; Armaignac (1312, Fall III), Defekt der Bulbusheber und
Ptosis. In Schultzens (1306) Beobachtung war die eine Pupille
weiter. Ferner bestand Epicanthus in den Fällen von Procopovici (1316)
und Schapringer (1317), Fehlen der Karunkel und Plica semi-
lunaris bei Schapringer (1317) und Chisolm (1315); Astigmatismis
hyperopicus bei Procopovici (1316).
Der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. H. Em b den verdanken wir
folgende einschlägige interessante Beobachtung:
C. 6., 24 Jahre alt, aas einer Familie, in welcher angeblich keine Missbildngei
vorgekommen sind. Nur eine jüngere Schwester soll an beiden Händen je xwa
,,ki'umme" Finger haben. — Patientin ist mit der Zange geboren worden. ^ Sie bat dit jeM
vorhandenen Anomalien mit auf die Welt gebracht — Der jetzige Statna ist folgender:
Es handelt sich um eine kleine schwächUche Person, mit gesunden inneren Organen vuk
regelmässigen vegetativen Funktionen. Menses mit dem 15. Lebensjahr regelmiasig. -
Die Psyche ist gut entwickelt. Patientin ist immer eine gute SchOlerin gewesen. — Die
zu beobachtenden Anomalien betreffen Gesiebt, Augen und das rechte Bein. Dies letxtere
ist im ganzen etwas verkürzt, der rechte Fuss steht in equino-vams- Stellang, die redite
Tibia erscheint dicker und unregelmässiger geformt als die linke. — Die aktive Beweglich
keit des rechten Fusses ist im Sprunggelenk nach allen Seiten etwas eingeschränkt Pa-
tellarreflex rechts, vielleicht ein wenig schwächer als links. — Es scheint sich, worauf kier
nicht näher eingegangen werden soll, um eine Entwickelungshemmnng, nicht nm dieRfste
einer Poliomyelitis zu handeln — Die wesentliche Anomalie, die uns hier interessirt, besteht
in einer fast kompleten Diplegia facialis mit Lähmungen d6r änsserea
Augenmuskeln. Das Gesicht bietet den Typus der Facies myopathica Die Weicbtkeile
sind im ganzen sehr dQnn, die Haut ist ttberall, ausser um den Mnnd, faltenlos und eb«-
falls dQnn. Irgend ein Mienenspiel ist bei der Kranken nicht zu beobachten. Vor alles
ist die Stirn- Augennnsengegend absolut starr. Von den Gesichtsmoskeln kOnnen nur &
der Unterlippe aktiv etwas innei-virt werden. Auch in der Oberlippe sind Sporen eiier
Innervation zu sehen. — Keine Stirnnasenfalten. Beim Versuch des Lidachlusses roUes Ai
Bulbi nach aussen oben, die Lidspalte bleibt 6—7 mm breit offen. — Weder faradtsck aock
galvanisch ist eine direkte Erregbarkeit im Gebiete des Augen- und Gesichtsfacialis iiicb-
zuweisen (mit erträglichen Strömen) , mit Ausnahme des Triangulär, oris , der aaeh aktiv
etwas innervirt wird. Bei Reizung des N. facialis am Foramen mastoid. nnr bei ttarkn
faradischen Strömen Zuckung im M. triangulär, oris beiderseits. — Weicher Gaumen vm-
metrisch, gut innervirt. Keine Anomalien im Gebiete des Hypoglossus nnd TrigemiMi
(sensibel und motorisch). Dagegen folgender Befund an den Angenmoskeln : Die BM
stehen beim Blick geradeaus symmetrisch. Sie können beide absolut gar nicht nach auBci
p*»rtreht worden. E^^enso fehlt beiderseit«* pa»>z gleichmä^ifl: die Aktion der MM. nküf-
Eongenitale Defekie im Gebiete der Facialismaskulatur. 593
super, und rect. snp. Hochgradig insufficient sind beide MM. rect. int. und obliq. infer.
Gnt, d. h . ann&hemd normal ist beiderseits die Funktion des Rect. inf. — Die Bulbi können
mlso nur nach unten bewegt werden, und nach oben, geradeaus, und unten convergiren. —
Bei Senkung der Blickebene gehen beideLider mit dem Bulbus nach unten
bis aber die HAlfte der früheren Lidspalte. — Es ist hervorzuheben, dass kein
Ektropinm besteht, und dass beide Bindehäute trotz des Lagophthalmus ganz reizlos er-
scheinen; denn das Unterlid liegt dem Bulbus fest an. — Die innere Augenmuskulatur ist
ptakt. Die Pupillen sind auffallend weit, von prompten Reaktionen. Refraktionszustand
beiderseits hypermetropisch. Ophthalmoskopisch rechts nichts besonderes ; links: Nicht runde
Papilla optica mit tiefer, bis an den Rand gehender physiologischer Excavation und anomalem
Verlauf der Retinalgefässe anf der Papille. Ausserdem auffallend breiter halbmondförmiger
Pigmentsaum auf der nasalen Seite. — Gute Sehschärfe. Auch die tibrigen Sinnesfunktionen
intakt. — Dagegen fällt eine mangelhafte Entwickelung des Unterkiefers auf. —
Es handelt sich wohl zweifellos um Agenesieen im Facialis-oculomotorius-abducens-
trochlearis-Gebiet , resp in den betreffenden Muskeln, nicht um eine Folge der Zangen-
geburt DafQr spricht u. a. der Umstand, dass auch an den rechten unteren Extremitäten
Hemmungsbildungen nachweisbar sind.
Von Seiten anderer Gehirnnerven finden wir: Amblyopie ohne Er-
klärung bei Delpart (1318); Beweglichkeitsdefekte im Hypoglossus-
gebiet bei Schmidt (1323) und bei Schapringer (1317); angeborene Ge-
hörstörung bei Stephan (1308), Gazepy (1320 Fall I) und Henoch (1307);
Defekte im Trigeminusgebiet bei Gazepy (1320) Anästhesie der rechten
Kopfhälfte, Bernhardt (1321) Anästhesie der Kopfhälfte und Keratitis
neuroparalytica, Schapringer (1317) Schwäche der Kaumuskeln, ebenso im
Falle Bach 's (1327); Fehlen des Pectoralis majorund minor bei Schmidt (1323);
Fehlen des Platysma bei Kunn(1310), Remak (1325) und Bernhardt (1311);
Difformitäten der Hände und Finger (Schwimmhaut) bei Gazepy
(1320 Fall I und II), Schapringer (1317); Uvula bifida bei
Schapringer (1317) und wie in unserem Falle der Ohrmuscheln.
Sehr häufig finden wir Asymmetrie des Gesichts erwähnt, wobei
auch mangelhafte Entwickelung der Gesichtsknochen zu verzeichnen ist. In
Baches (1327) Fall war das Gesichtsskelett auffallend klein und die ganze
Körpermuskulatur schwach entwickelt.
Es handelte sich um einen 27jährigen Bauer, der seit der Geburt doppelseitige Ptosis
hatte; die oberen Lider waren faltenlos und deckten die Papille zum Theil. Die Stirn-
muskeln waren kontrahirt, der Kopf ttbergestreckt. Die Pupille und di« Accommodation
waren normal. Das rechte Auge wich etwas nach aussen ab. Beide Augäpfel konnten
nnr um l — 2,5 mm nach den verschiedenen Richtungen hin gedreht werden. Aehnliche
Fehler waren in der Familie nicht vorgekommen. Es bestand eine eigenthflmlicbe Schlaff-
heit der mimischen Muskeln, wodurch das Gesicht iBtwas Maskenhaftes erhielt. Das Mienen-
spiel fehlte ganz, und die Lippen bewegten sich nur wenig beim Sprechen. Die Kaumuskeln
ermüdeten leicht. Der Kranke konnte nur kleine Bissen schlucken. Die Zunge war klein
nnd kurz und konnte nur bis zum Rand der Oberlippe herausgestreckt werden. Alle
KOrpermuskeln waren wenig entwickelt und schwach, das ganze Gcsichtfkelett war auf
fallend klein, besonders der Unterkiefer. Bei der Ptosisoperation fand man normale In
sertion der Muskeln, und an diesen war keine Veränderung wahrzunehmen.
Wir sehen also, dass diese Formen der mangelhaften Entwickelung der
vom Facialis versorgten Gesichtsmuskulatur ganz die analogen Bildung^-
594 Eongenitale Bildungsdefekie im Gebiet des Facialis.
defekte darstellen, wie diejenigen des Nerrmuskelapparates an anderen
Körperstellen.
§ 305. Im I. Falle Armaignac^s (1312) sehen wir nur Unbeweglichkeit
des Orbicularis zugleich mit Ptosis, eine Erscheinung, die differentieD
diagnostisch auseinander zu halten ist von den pag. 112 erwähnten Lähmongs-
formen, welche sich gemeinschaftlich auf den Levator und den Orbiculare
beziehen, die ganze Gegend des linken Auges erschien ^atrophische und ein-
gesunken. Man sah kein Muskelrelief, und die Haut schien unmittelbar anf dem
Knochen zu liegen. Jedoch mussten alle scheinbar fehlenden Muskeln existiren,
da sie sich alle bei Verschluss des anderen Auges kontrahirten. Das obere Lid
hing soweit herab, dass die Lidspalte halb geschlossen erschien; es konnte
aber durch energisches Wollen und mit Hilfe des Frontalis bis fast zur
normalen Höhe gehoben werden.
In Gazepy 's (1320) beiden Fällen finden wir ebenfalls Ptosis und trotzdem
Lagophthalmus in Folge Unbeweglichkeit des Unterlids. Auch im Remak's
Falle (1325) bestand Ptosis, der unter Facialis war schwer beweglich, der
Orbicularis aber frei.
Wie aus den angeführten Krankengeschichten hervorgeht, zeigt die
Symptomatologie dieser Zustände viel Aehnlichkeit mit der kompleten oder
inkompleten Facialislähmung. Sektionsbefunde bezüglich der angeborenen
Bewegliclikeitsdefekte im Facialisgebiet sind mit Ausnahme einer kaum brauch-
baren Angabe von Bernhardt (1305) leider nicht vorhanden. Das Wesen dieser
Bildungsanomalien ist nach Analogie der in § 48 pag. 85 beschriebenen Zustände
zu erklären und verweisen wir hier auf die angeführte Stelle.
§ 306. Auch kongenital hereditär finden wir die mangelhafte
Entwickelung der Gesichtsmuskulatur in zwei Fällen von Gazepy (1320).
Es zeigten sich nämlich bei zwei Geschwistern fast dieselben Defekte. Der Vater
hatte einen Bruder und eine Schwester, die völlig gesund waren, deren Kinder aber di«>
selben Anomalien aufwiesen, wie diese beiden Fälle.
§ 307. Die Diagnose der kongenitalen Beweglichkeitshemmungen im
Facialisgebiet basirt zunächst auf der anamnestisch festzustellenden Thatsache,
dass der betreffende Zustand auch wirklich seit der Geburt des Patienten besteht,
und dass vor allen Dingen derselbe einen unveränderlichen stationären
Charakter bislang bewahrt hat. Von grosser Bedeutung ist dabei das Vor-
handensein anderer Bildungsfehler, und namentlich, wie schon erwähnt, von Be-
weglichkeitsdefekten der Bulbusmuskulatur mit Erhaltung der Konvergenz bei
behinderter Auswärtswendung. Denn wenn von Geburt an diese erwiesener-
massen auf kongenitalen Bildungsdefekten beruhenden Erscheinungen an der
Bulbusmuskulatur vorhanden sind, darf man auch die seit der Geburt an der
Gesichtsmuskulatur vorhandenen Beweglichkeitsdefekte auf die gleiche Ursache
zurückführen.
Kunn, welcher sich auf die Untersuchungen Leonowa's stützt, hebt
als Erklärung dieser Zustände hervor, dass die quergestreiften Muskeln in
früherer oder späterer Fötalzeit sich unabhängig von den vorderen Wurzeh
id ihren Centren entwickeln und wachsen, und dass erst später ein trophisches
Abhangigkeitaverliättniss durch die Funktion eintritt.
Bernhardt (1329) nimmt diesen angeborenen BÜdungsfelilern im
Facialisgebiet gegenüber noch einen reservirten Standpunkt ein, wenn er sagt:
^Zeigt es sich, wie dies nunmehr naclige wiesen ist, dass einseitige in
früher Jugend entstandene Gesichtslähmungen zweiiellos peripherischen Ur-
sprunges, nach jeder Richtung hin denselben Symptomenkoniplex darbieten
können, wie die sog. „ angeborenen "* , so muss man zugeben, dass bis heute
das Vorkommen einseitiger, isolirter, nur das Facialisgebiet treflender Ent-
wickelungshemmungen oder Lähmungen mit Sicherheit nocli nicht nacligewiesen
ist.*' In der Tliat muss zugegeben %verden, dass es bei einzelnen Fällen
zweifelhaft sein kann, ob der Beweglichkeitsdefekt im Facialisgebiete ange-
boren oder frühzeitig erworben worden war. Es giebt namentlicli Fälle, in
welchen nach einer Zangengeburt eine Fucialislähmung zur F.ntwicke-
lung kam.
So bßudeltö es sich bui Vernier (1332j um eiiieD Fall voUküUimeiier linköseiliger
Facialialähniung bei eioein in Steiaslag« geborenen Kinde. Der Kopf war auf die linke
Schulter geneigt und diese in die linke Paiietalgegend wie eingebohrt, Ea hatta nttmlicb
bei der GebHienden ein vorzeitiger Blasen f^prnng stattgehabt, und 80 war das Kind 24 Stunden
dem sehr energiscben Druck d«*s wasserleereii Uterus ausgesetzt gewesen. Erjät 6 Wochen
nach der Geburt fing die Lühraung unter einer elektrischen Behandlung an zu heilen.
Auch d o p fi e 1 s e i t j g 6 F a c i a 1 1 h 1 ä h m u u g wurde nach Xiingüngebu rt beobachtflt,
BO von Edgewortb (1333). Der hier mitgefcheilt© Fa!l betrifft ein Tjülrn^ea Müdcben und
war beiderseitig. Die galvanisch© und Jnduktieuserrogbarkeit waren erloschen* Der obere Ab-
echnitt des Gesichts (Orbiculares, Levatores patpebr.) Ohr, Nase und Wange waren gänzlich
gelähmt. Die Lijipen konnten nur du vollkommen bewegt werden. Der Unterkiefer wurde
kräftig he rahged rückt.
Auch Procopovici (I316j erintiert daran, dass von See ligm Q Her nach Zangen-
geburi eine doppelseitige Facii*lislähmung beschrieben sei
Der folgende Fall wurde für eine acquirirte Lähmung gehalten, scheint
aber in der That ein angeborener Bildungsdei'ekt zu sein.
H. F. Müller (14S2) theilt zwei Fälle veralteter» ungeheilt gebliebenor^ in frübeeter
Kindbett enistandener Facialisläfamung mit.
Ein 23jfihriger Mann soll im ersten Lebensjahre eine angeblich traumatische, isolirt«,
halbseitige Gesichtsiftbmung acquirirt haben, die seitdem mit Muskelstibwund »ich unver-
ändert erhalten hat Geschmack, Gehör, Geruch, SpeichelsekretioD« üannienseg'flinnervation
sind normaL Kein Zeichen von EaR, einfache HerubBetzung der galv, und fütad. Er-
regbarkeit. Es fehlen vollständig fibrilläre Zuckungen, Kontrakturen, Erhöbung der hUflex-
erregbarkeit Dagegen bestehen ticartige Zuckungea in der gelähmten iTesichtshälfte.
Im IL Falle handelt es sich um einen ojahrigen Knaben, der mit
*/* Jahren im Beginne einer Lungenentzündung eine rechtseitige Facialisparese
acquirirt hatte.
Stephan (14S3) führt an, dass ea auBser den bekannten Facialislähmungen der Neu-
geborenen, welche durch Zangengeburt oder Druck bei schweren Geburten gegen das Becken
und dergl. eutfitandeu sind, noch eine dritte seit en e Form gftbe, von welcher Stephan
den oben prw Ahnten Fnll mittheilt. Die Fic<fili«llhmong werde gleich nach der Gebnrt beim
Schreien des Kindes bemerkt, sie habe keine weitere Folgen, sei aber unheilbar und ateta
vereinigt mit Abnahme des Gehörs auf derselben Seite. Wahrscheinlich bandle e« aicb
Wilbr>Dd.S»etig(^r, N^orolosi« dM AagM. 1. B4. tl, Abtli«awi^ ^
i
596 Kongenitale Bildungsdefekte im Facialisgebiet.
um irgendvrelche noch nicht näher bekannte intrauterine Affektion des Feleenbeini. Wu
hatten ohen bereits diesen Fall den angeborenen Facialislfthmangen zogezählt.
Gleichfalls sehr schwer auseinander zu halten sind diejenigen Fälle tod
angeborenen Beweglichkeitsdefekten, zu welchen nachher noch eine Dystrophia
muscul. progressiva hinzutritt. So sind nach Kalischer (1334) bei
Dystrophia musculorum progressiva geistige Defekte und Bildungsanomalien:
wie Trichterbrust und Schädeldeformität nicht selten (nach Schnitze 5 Mal
in 11 Fällen), auch kämen andere angeborene Missbildungen vor.
Winkler und van derWeyde (1335) sahen ein Mädchen von 25 Jahren, das n
seiner Jugend schon Schwerheweglichkeit der Gesichtsmnskeln hatte. Vor 5 Jahren wordei
der Schultergürtel und die Brustmuskeln betroffen, dann begann eine Ophthalmoplegia pro-
gressiva, die 2 Jahre darauf mit Facies myopathica völlig entwickelt war. Es hesiiai
heiderseits Ptosis. Das Gesicht war völUg ausdruckslos. Die Kranke konnte die Lider
ganz scbliessen.
Dann wären hier die seltenen Fälle von in frühester Kindheit erworbener
Ophthalmoplegia progressiva (vergl. pag. 117) noch zu erwähnen, welche mit
Facialislähmung komplizirt sind.
So erzählte Viktor Hanke (1336) einen Fall von Ophthalmoplegia ezterior ocili
uttiusque mit Parese des Orbicularis und meint, dass es sich um eine angeborene Aogo-
muskellähmung handele. Eine 26jährige Frau hatte zuei-st vor 7 Jahren linksseitige Ptosis
bemerkt. Seit 8 Wochen Gedäcbtnissschwäche, Apathie, Schlafsucht. Seit 8 Wochen beflige
Gesichtsschmerzen links und Entzündung der linken Hirnhaut. Der Begleiter gab an. der
starre Blick der Kranken sei „stets* aufgefallen. Anosmie links. SchlAffheit
der Gesichtsmuskeln. Elektrische Erregbarkeit des Mundfacialis links und des AugenfadaliB
beiderseits vermindert, Lidschluss möglich. Ptosis und fast vollstfindige Lfthmoog der
äusseren Bulbusmuskeln beiderseits. Spiegelbefuüd normal. Links Ulcus corneae.
Femer gehören hierher die auf pag. 121 angeführten Fälle vod
Recken (295) Strümpell (296), Uhthoff (307) und Birdsall (297).
Dann sind noch einige in der Litteratur vorhandene Fälle von in
früher Kindheit entstandener Facialis- und Abducenslähmung hier zu erwähnen,
deren Aetiologie dunkel ist.
So berichtet John Thomson (1337) von einem 2jäbrigen Mädchen, mit vollsUodi^
Lähmung beider Exierni mit Wendung beider Augen nach innen , doppelseitiger Faciali»-
läbmung, die rechts stärker war als links, besonders die untere Hälfte des Gesichts betnf
und den Orbicul. palpebr. nur wenig geschädigt hatte; Unfähigkeit den Mund weiter ah
etwa um 2 cm zu Offnen, und grosse, allgemeine, Reizbarkeit. Ueber die Zunge wird
bemerkt, dass nur die Beweglichkeit der transversal verlaufenden Muskelfasern beeintrickti^
gewesen sei. Das Kind hatte einen chronischen Nasenkatarrh, schien aber sonst gesnod n
sein. Motilität, Sensibilität, Gehör und Auge normal. Nur Kopfschmerz. Geistige J^Üuf-
keiten gut entwickelt. Urin normal. Das rechte Auge hatte sich vor etwa 6 Monatea
plötzlich nach innen gedreht, das linke etwa 10 Tage später. Das Befinden des Kindes vir
dabei ganz gut gewesen. Die Lähmung der rechten Gesichtshälfte war vor 4 Momta
bemerkt worden, die Unfähigkeit den Mund zu öffnen vor 6 oder 7 Wochen. Letztere vtf
im Anfang noch stärker gewesen und hatte die Ernährung erschwert. Nichts deutete
auf Lues. —
Kort um (1338) berichtet von einem 33jährigen neuropathisch belasteten UtJOit,
dessen Mutter gegen Ende seines 2. Lebensjahres zum erstenmal die seitdem anunterbrocki
fortbestehende rechtsseitige Facialislähmung bemerkt hatte. Stirnrunzeln ist rechts o*
ir.üglich. Die rechte Augcnlidspalte ist weiter als die linke. Das rechte Auge kann M
KoDgenitale Bildung&defekte im Facialisgebiet
gescblosaen werden. Btira Versuche e« za schliesaen, wird der Augapfel nach olwn und
initeu ^erullt D'w Gegend unicrhalb des rechten Augenlids ist eingesunken und abgemagert.
Auch die Gegend unterhalb dea Jochbein» ist eingefalien und abgemagert. Abweichend
von dem gewöhnlichen Befunde hei Faciabaläbmangeu gelingt aber das Pfeifen^ Mundspitzen
und Aufeinanderpresaen der Lippen ganz gut. Audi kann der rechte Mundwinkel nach
rechts verzogen werden. Die elektrische Erregbarkeit für beide Stromarten iat aufgehoben
mit Ausnahme folgender Muskeln: M. orbiculariaons, Levator, Quadralus et Triangularis menti.
Sehvermögen, Pupillen, Bulhusinnskulatur normal.
Ciaig (1339) sah ein ^jilhriges Kind, welches nach Keuchhusten Facialia- und Ab-
docenslAbmung acquirirt hatte. Als Ort der Lasion wurde die Nachbarachaft dos Vf. Nerven-
kerna angenommen.
Hloch (1324) erwähnt eines iJAhrigen Knabeu^ bei welchem aeit 3 Monaten beide
Mm. recti exteiiti und das obere Fadalisgebiet gelAhmt war. Sprache undeutlich. Näheres
uobekaunt
Von relativ cliagnostischem Wertlie ist das Freibleiben einzelner Muskeln
in scheinbar gelähmten Gruppen, wie z, B. im Falle Delpart (1318), eine
Erscheinung, die jedcich wenn auch selten, bei FaciaÜKlähmung vorkommen
kann. So hat z, B. Mann (1330) nachgewiesen, dass bei ausgesprochener
Stammerkrankiing des Facialis gewisse Muskeln, nämlich der Orbicularis oculi
und der Orbicularis oris verschont bleiben können. Siehe auch hierüber den
Aufsatz von t'ohu, Neurolog, Centralbl. 18%> pag. 975; ürbantschitsch
bei Schwartze, Handbach der Ohrenheilkunde, Bd. I, pag. 467, Bernhardt,
CentralbL f. Nervenheilk. 1886, Nr. 19 und Berlin, klin. Wochenschr. 1892,
pag. 1300. =- Femer kommt eine nur relative diagnostische Bedeutung einer
Reibe von Symptomen zu, die bei erworbenen Facialislähmnngen
vorkommen können, wie fibrilläre Zuckungen, gesteigerte Retiexerregbarkeit,
das Fehlen jeglieher Kontraktur und jeglicher Mitbewegung innerhalb der
noch unbeweglichen Muskeln der affizirten Iresichtshälfte beim Versuch zu
mimischen Bewegungen: Zustände, welche nach abgelaufenen schweren Facialis-
lähmungen peripherer Xatur kaum je vermisst w^erden (Kunn).
sJ308. Die elektrische Erregbarkeit lässt uns bezüglich der Diagnosen-
siellung ganz im Stich. Denn das Fehlen derselben beweist eben, dass irgend
ein Glied in dem betreffenden Nerv-Muskelapparat überhaupt nieht zur Eni-
Wickelung gekommen ist; eine herabgesetzte Erregbarkeit aber, dass nur eine
höchst mangelhafte Entwickelung entweder der hetretl'enden Muskeln oder
des Nervs resp. beider vorhanden ist.
So fehlte z. R. die elektrische Erregbarkeit in dem Falle Stephan (1308)
und Schnitze (1306). In der Beobachtung von Mobius {1304} ergab die
elektrische Untersuchimg, dass die Erregbarkeit durch faradische oder
kontinuirliche Strome in den meisten Facialismuskeln gänzlich erloschen war.
Nur die den Mundwinkel nach aussen und unten ziehenden Muskeln reagirten
auf beide Ströme. Ihre Erregbarkeit war beträchtlich vermindert, aber
qualitativ norniah In den folgenden Fallen angeborener Beweglichkeitsdefekte
aus dem Facialisgebiet war die elektrische Erregbarkeit auf der einen Seite
erhaken, auf der anderen theihveise fehlend, so bei Nonne (1309), Bernhardt
{I3t?l), Remak (1325). In der Beobachtung Kunn s (1310) zeigte die elek
598
EongeDitale Bildungsdefekie im Facialisgebiet.
irische Erregbarkeit beiderseits nahezu gleiche, Ton der Norm nicht ab-
weichende Verhältnisse.
§ 309. Im Folgenden geben wir noch eine einschlägige, erst in jüngster
Zeit gemachte Beobachtung.
Ein 24jäbriger Mann kam in die chirurgische Poliklinik UDseres Krankenhaos^fi, mn
sich daselbst sein missgebildetes linkes Ohr operiren zu lassen. Herr Dr. Cordua schickt«
uns denselben behufs Untersuchung der bei ihm bestehenden Facialisl&hinang zu.
Es handelte sich um einen m ilt^l grossen « robust aussehenden Mann mit nonnil«!
Haar, dessen linke Ohrmuschel, wie aus den Abbildungen ersichtlich, hochgradig misslHldet
erscheint. Das mangelhaft entwickelte Ohrläppchen ist angewachsen.
Auf die Frage wie lange die linke
Gesichtshftlfte gelähmt sei, antwortete der
Mann, dass er sich gar nicht erinnen
könne, ein anderes Gresicht gehabt n
haben. Seit seiner Gebart habe der gleicbe
Mangel an Beweglichkeit in der linken Oe-
sichtshälfte bestanden. Ueber die Dauer
seiner Geburt, ob event. Konsthilfe in An-
wendung gekommen war, konnten wir
keinerlei Auskunft erhalten.
Die Untersuchnng ergab eine kom-
plete Lähmung aller vom Facialis ver-
sorgten Gesichtsmaske! n auf der hnkeo
Seite. Die Lidspalte klaffte in einer Aos-
dehnung von 5 mm beim Versach das Hake
Auge zu schliessen. Bei beabsichtigter
Runzelung der Stirn blieb die linke Süra-
Seite absolut glatt ; wfibrend sich die recht«
in Falten legte (siehe Fignr 132). Eme
InneiTation des Cormgatur ist beiderseits
unmöglich. Für gewöhnlich steht während
der Unterhaltanp; die rechte Aagenhnoe
etwas höher als die linke. Beim Essen
und Kauen thränt das linke Auge.
Die Gegend des linken Unterlids ist
abgeflacht, faltenlos. Die Haut ist dfinner
als auf der anderen Seite. UeberhanpC
erscheint die linke Gesichtshälfte weniger
gut entwickelt als die rechte ; daher kommt
es wohl, dass das linke Auge etwas tiefer als das rechte steht.
Während die rechte Nasolabialfalte angedeutet ist, fehlt die linke völlig. Das Fütram
der Oberlippe weicht etwas nach rechts ab. Die Unterlippe scheint rechts besser entwickelt
zu sein und ist in toto nach rechts verzogen. Eine Bewegung des linken Mundwinkels ist
absolut unmöglich. Das Aufblasen der Wange und das Pfeifen ist jedoch möglich; geschieht
aber nur mit dem rechten Mundwinkel.
Patient kann die Nase nicht rümpfen. Beim Zähnezeigen wird der linke Facialis
mitinnervirt, aber bedeutend schwächer als der rechte. Der Mund steht nach rechts offen,
und die Unterlippe ist nach rechts verzogen. Die linke Einngegend scheint gar nicht koa
trahirt. Eine schwache Innervation kann man in der linken Unterlippe und Kinngegeod
deutlicher machen, wenn man die rechte Kinn- und Unterlippengegend an der Aosfibani
der Innervation verhindert. Macht man dasselbe Experiment am Frontalis rechts, so eot-
Fig. 132.
N. O. Angeborener Bildungsdefekt im Facialis-
gebiet der linken Seite. Unthätigkeit des linken
Frontalis.
st^ht trotzdem keinerlei lanervation im linken KrontÄlis. Patient kann willkürlich den Orbi*
cularid oris nach links liin kräftig innerTtren.
Der Geh5rgang ist entwickelt, <lad Gebor links achwächer ab rechts, die Kopfknochen-
leitnng aber vorh ander».
ElektriHche Untersuchung: Mit dem faradischen Strom liefert der rechte obere
Frontal la eine prompte Zuckung. Linkerseits ml da^^gen auf direkte untl intlirekte Reizung
keine Erregbarkeit vorhanden. Vouk unteren Äst wird links der Mundwinkel ganz kräftig
nach dem Ohre biu verzogen,
selbst bei ciuem schwachen Strom.
Yom mittleren Aste aus wird eine
gan^ leichte Hobung des linken
Mundwinkels erzeugt, aber viel
schwächer als rechts. Die Unter*
und Oberlippe links reagirt auf
den faradischen Strom. Der
linke Zygomaticus kontrabirt sich.
Im 0 r b i c u 1 a r i s ist die elek-
trische Erregbarkeit sehr herab-
gesetzt. Der P r o n t a H 3 reagirt
nicht, eben so wenig der Compre**9or
nasi. Vom unteren Ast sind noch
kurze Zucknngen im Mundwinkel
auszulösen. Direkt reagiren die
Muskeln nicht, aber der Strom
war vielieieht etwas zu schwach.
Stärkere Ströme kann Patient
nicht aushalten. Die linke Unter-
lippe äteht kaum ab.
Es sei noch hinzugefügt,
dass dem Patienten schon als
Kind sämmtliche Zähne des linken
Oberkiefers ausgegangen sind.
Beim gewöhnlichen Sehen wird
häufig ein Strabismus divergens
manifest; sonst sind sümmtliche
Augenbewegnngen völlig frei.
Ausser diesem Falle baben wir noch zweimal eine angeborene Facialis^
lähmung in den letzten Jahren beobachtet.
In dem einen handelte es sich um ein sechs Wochen altes Rind, das ohne Kunst-
hölfe zur Welt gekommen war und ausser der linkeaeiten totalen Facialislähmnng eine
Hemmung.imis^bildung am linken Ohr hatte. In dem andc^ren Falle heNtnnd die tinkrtseilige
totale Facialislähmung bei einem 3^'} jährigen Knaben vbenfalU seit der Geburt, die sehr
lauge gedauert haben soll. Der Kopf war stark deform irt. Die elektrische Untersuchung,
die sehr schwierig anzustellen war, ergab starke Herabsetzung der faradischen Erregbarkajl
in den Muskeln. Yom Stamm aus konnte keine Zuckung ausgelöst werden, Gatvaniach
war flberall eine allerdings sehr schwache Zuckung zu erzielen.
Fig, 133.
N. O. Anj?eborener Bildungtdefekt im Fachdi «gebiet der
linken Seite. L, Klaffen der ■L]dn|mlti\
600 Erampfzustände im oberen Facialisgebiet.
Kapitel IX.
Die Krampftustände im Orbieularis palpebrarum,
Frontalis und Corrugator.
Allgemeines über den Orbiculariskrampf.
§ 310. Unter allen Krampfformen werden diejenigen der Gesicbts-
muskulatur und ganz besonders des Orbieularis palpebrarum am häufigsten
beobachtet. Die Ursache für diese Erscheinung beruht eines Theils auf dem
so häufig innervirten und so energisch funktionirenden Reflexmechanismos
der Lidbewegung, andererseits auf den engen, und im wachen Zustande immer-
während wirkenden Beziehungen zwischen den psychischen Vorgängen und
den Ausdrucksbewegungen der Gesichtsmuskulatur. Daher beginnen anch
Spasmen, welche schliesslich allgemein werden, häufig an den Augenlidern,
und partielle Krämpfe werden hier weit häufiger als an irgend einem anderen
Körpertheile beobachtet.
Wir sehen den Orbiculariskrampf resp. den Spasmus der vom Augen-
facialis versorgten Gesichtsmuskeln (Frontalis, corrugator supercil. und Orbi-
eularis) entweder als symptomatische Erscheinung, welche alle Reizzustande
des Auges begleitet, und als Theilerscheinung des Gesichtsmuskelkrampfes
(Tic convulsif), der Chorea u. s. w. auftritt, oder er bildet eine Krankheit
für sich — essentieller Blepharospasmus, als eine lediglich auf den Orbi-
eularis palpebr. und Corrugator beschränkte Krampfform. Aber auch bei
dem Tic convulsif sind der Orbieularis und die Mm. zygomatici meist in
höherem Grade affizirt, als die anderen Muskeln. Zuweilen treten auch
Kontraktionen im Corrugator auf, selten aber solche im Frontalis. Der
auf die Augenlider beschränkte Spasmus bildet auch eine von den andea»n
durch die Ursachen und ihr doppelseitiges Auftreten unterschiedene Form
des Facialiskrampfes. Wir beobachten denselben in den verschiedensten
Intensitätsgraden und der mannigfachsten Ausbreitung über die verschiedenen
Muskelbündelgruppen des so komplizirt gebauten Schliessmuskels des Auges,
wobei die so häufig in der Palpebralportion des Orbieularis zu beobachtenden
^jfibrillären Zuckungen^ die geringste räumHche Ausdehnung dieser partiellen
Gesichtsmuskelkrämpfe darbieten. Während der Tic convulsif meist ein-
seitig ist und von dem 30. Lebensjahre ab aufzutreten pflegt, entwickeln
sich die «uf den Orbieularis und Corrugator beschränkten Krampfformen
häufiger doppelseitig und partiell und namentlich bei jugendlichen
Individuen. Es können aber beim Tic convulsif doch beide Mm. corrugatores
kontrahirt erscheinen, weil dieselben fast immer gleichzeitig unter physio-
logischen Bedingungen innervirt zu werden pflegen.
Ferner stellen sich die Krämpfe fies Aiigenschliessmuskels als tonische
{Blei>harospasiTius)» als klonische (Nictitatio, Spasmus nictit ans) und als ge-
mischte vor. Diese Krampfformen sind aber wohl nur dem Grade, nicht
aber dem Wesen nach von einander verschieden.
Die tonische Form wird meist bei der Photophobie schmerzhafter
Augenleiden und zuweilen bei Aftektion anderer Aeste des Qu intus beobachtet.
In partieller Form tritt sie nicht selten als jene pag, 477 geschilderte Ptosis
pseudoparalytica hervor, Sie ist anzusehen als eine Steigerung der Retlex-
thätigkeiti welche unter nor-
malen Urastämlen zum Schutze
des Auges dient. Das Symptom
kann aber als eine lästige
Affektion dann noch fort-
bestehen, wenn das Grundieiden
im Bereiche des Qiiintus ver-
schwunden, oder wenn das Auge
erblindet ist
Uegenwirtig beobacbten wir
einen hereditär belasteten 61 jährigen
Mann, der seit 12 Jahren an auaR©r-
ordentlich heftijcen Schmerzaurällen
im rechten Qu intuagebiete leidet Seit
jener Zeit hat Patient einen Tic con-
vulsif im ganzen rechten Faeiulis-
gehiet, vm4 zwar wechseln klonische
mit tonischen Zuckungen. Letztere
treten apeciell beim Sprechen auf und
dauern oft '/i—^/f Minute, so das«
es uns gelang, ein© Photographie
(siehe Fig. 134) aufzntiebmen. Auf
letzterer sieht man deuÜich, wie die
Kontraktion am Orbicalaris und in
der orbitalen Parlie stattfindet und
den epitarsalen ThLil frejlilsst. Hier-
durch ist der für das Sehen genügende
Spalt zu Stande gekommen, Nament-
lich kräftig inoervirt erscheint das untere Lid, Wenn Patient seine heftigen Schmerzanfälle
bekommt, int der Facialistic viel stürker als sonst
Bei der tonischen Form des Schliessmuskelkrampfes, welche bei
Tetanischen beobachtet wird, ist auch der Frontahs mit kontrahirt. Diese
Form ist stets doppelseitig. Der tonische Blepharospasmus kann mit Xicli-
tatio anheben.
Alt (1S40) herichtet, wie auch wir in einem Falle» über eine Beobachtung von ge-
rn ischtem klonischem und tonischem Blepharospflamus ganz ausaergewöhnlichen Grades
bei einem 5tgährigen Korbtiechter Die Äffektion hatte mit krampfhaftem Blinzeln vor 14
Jahren begonnen. Nunmehr waren die Augen fast ständig durch den tonischen Krampf
geschlossen und wurde derselbe lediglich alle paar Minuten durch einige klonische Krampf-
beweguugen unterbrochen, welche dem Patienten momentan ein trübes 8ehea m(^glicb machten.
Fig. 134.
CD, Tic <N>nTulaif im rechten FaciaUsgebiet.
602 ErampfzustllDde im oberen Facialisgebiet.
Der klonische Schliessmuskelkrampf ist der häufigste, der ionisdie
komplete Orbiculariskrampf selten; sehr häufig verbinden sich klonische Zuck-
ungen mit tonischer Anspannung.
In der weitaus überwiegenden Mehrzahl aller Fälle ist der Lidkrampf
ein reflektorisch entstandener. Auch von entfernten und scheinbar mit dem
Auge und seinen Lidern in gar keinem Zusammenhange stehenden Punkten
her, kann der Lidkrampf ausgelöst werden, z. B. durch Druck von den Proc.
spinosi, auch bei Würmern im Darm und Uterusleiden. So beschreibt Little
(1341) drei Fälle mit Lichtscheu, Blepharospasmus, Herabsetzung des Seh-
vermögens bei Hysterischen und ausgesprochenen Uterusveränderungen.
Der Blepharospasmus und die Nictitatio mindert sich bei psychisclier
und physischer Ruhe und hört meist während des Schlafes ganz auf. Der
Verlauf des Blepharospasmus ist ein intermittirender. Es kommen Perioden
der Ruhe und scheinbarer Heilung vor. Der senile Blepharospasmus trotit
meist lange Zeit der Behandlung mit ist überhaupt oft unheilbar.
§ 311. Zuweilen wird der Blepharospasmus durch die Empfindung des
Rauschens im Ohre begleitet, eine Erscheinung, welche als Mitbewegung des
Musculus stapedius aufzufassen ist (vergl. pag. 586 § 296).
So ging in der Beobachtung Gottstein's (1342) jedem Anfalle von
Blepharospasmus ein Rauschen in beiden Ohren voraus, das erst mit dem
Aufhören des Lidkrampfes wieder verschwand.
Nach Gowers (1343) können viele Personen in dem Ohr ein zitterndes
Geräusch hervorrufen, indem sie den M. orbicularis palpebr. stark kontn-
hiren. Dasselbe kommt noch leichter zu Stande, wenn sie gleichzeitig die
Augen nach oben bewegen.
Moos (1344) beobachtete bei einem 60jährigen Manne einen rechts-
seitigen Fasealiskrampf. Während der Anfälle rollten die Augäpfel von links
nach rechts, auch trat Schwindel mit Drehungsempfindung nach derselben
Richtung auf. Moos nahm einen gleichzeitigen Krampf des Stapedius an
mit negativen Druckschwankungen im Labyrinth, in Folge dessen Reizung
des Labyrinths entstände und dieselbe von da auf das Kleinhirn und die
Innervationscentren der Augenmuskeln fortgepflanzt werde.
§ 312. Der Blepharospasmus ist für den Patienten höchst lästig. In den
schweren Fällen, wie z. B. in dem vorhin angeführten Falle Alt's (1340)
kommt er fast einer Erblindung gleich, indem sich der Patient der ge-
schlossenen Augen nicht bedienen kann.
Aber auch in anderer Richtung kann der Blepharospasmus auf das
Sehvermögen einwirken, indem bei anhaltender Dauer desselben die Kinder
nach Beseitigung des Leidens oft für mehrere Wochen blind bleiben. Schon
Graefe theilte im Jahre 1855 eine derartige Beobachtung mit. Weitere
Fälle kamen Schirmer (1345), Leber (1346), Samelson (1347), Silex
(1348) und Baas (1350) zu Gesicht.
Die Ansicht von Silex, welcher die in Rede stehende Affektion als
eine Art Rindenblindheit auffasst, wurde von Samelson um deswiUea be-
Krumpfzustände im oberen Facialiegeliiet.
603
eämpft, weil letzterer in zwei Fällen, das eine Mal Atrophie, das andere Mal
öine glankoraatöse Atrophie mit Exkavation der Papille darnach gesehen haben
rill. Wir fassen die Sache als eine durch den permanenten Druck bewirkte
[erabminderung der Ernährung der Netzhaut auf. Die Erklärung dieses Zu-
ptandes [siebe Wilbrand (13ol)J würde hier aber zu viel Raum erfordern,
rir verweisen darum auf die Abhandlung dieser Verhältnisse im III. Bande.
Bei älteren Leuten mit welker Lidhaut und Blepharospasmus kommt
nicht selten ein Entropium spasticimi zu Stande. Bezüglich der Erklärung
desselben verweisen wir auf pag. 624.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über den Orbictilariskrampf gehen
wir zur Darstelkmg der Schliessmuskelkrämpfe des Auges über, wie sie bei
Reizzuständen der einzelnen anatomischen Abschnitte des Nervus facialis zur
Beobachtung kommen.
a) Organische Lasionen, welche Orbicalariskrämpfe verarsachen-
L Direkte Reizung,
1. des kortikalen Facialisceetrums.
§ 313. Eine sich auf die Gegend des Facialiscentrums allein erstreckende
Erkrankung kommt nur selten zur Beobachtung, weil es sich meist bei der-
artigen Fällen um die Jackson 'sehe Epilepsie handelt, die allerdings häufig
in der Gesichtsmuskulatur einsetzt, iim dann aber auf den Arm und die eine
Kürperbälfte sich weiter zu verbreiten.
Das Bewufistsein bleibt dabei meist erhalten.
DeD einzigen etDigermassen auf das Facialiscentrum lokaliBirten Fall fitelU die Be-
obäclitURjc von Goldthiimmer (1352) dar, mit Zuckungen im Berekhe des rechten Facialia
»[»fiterer Parese der rechten ZuageDhälfte und dea rechten Facialis, aber keiner Lähmung der
Extremitälen. Neben Kopfschmerz bestand das Gefühl von Eingeschlafensein der recht^^n
Extremitäten, Bei der 8ection fand sich eine Geschwulst am unteren Ende der linken
yorderen Central Windung und eine zweite Geschwulst unten am mittleren Lappen der rechten
Kleinhimhemisphäre.
In der Beobachtung Pe tri na 's (135^) hestanden Zuckungen beider Augenlider
bei Parese des rechten Mandfacialis; allerdings war auch der rechte Arm daneben paretisch.
Es wurde bei der Obduktion ein fanstgrosses Gliom im linken Vorderlappen gefunden, welches
eine Konipression des mittleren Drittels der vordereu Ceutralwindungf sowie eine solche
des linken Corp. striatum und Thalamus opticus bewirkt hatte.
Wie aus diesem Falle hervorgeht, können diejenigen Muskeln, welche
unter normalen Verhältnissen bilateral in Wirksamkeit treten, wie z. B. die
Augenschliessmnskeln, bei halbseitigen Krämpfen beiderseits befallen sein.
Gerade für den Augenschliessmuskel hat Oppenheim (1354) dies Verhalten
bei im übrigen streng halbseitigen Krämpfen wiederholentlich feststellen
können.
Meist ist, wie vorhin erwähnt, der Orbiculariskrampf eine Theil-
erscheinung jener Form der halbseitig lokalisirten Krämpfe einer ganzen
Kurperhälfte. Dabei kann aber die den Reizzustand der motorischen Zone
J
604 Krainpfzustände im oberen Faoialisgebiei.
bedingende Ursache ebensowohl funktioneller Natur (Hysterie), als organischen
Ursprungs sein, und wir wollen uns zunächst mit dem vorhandenen klinischen
Material der letzteren Kategorie beschäftigen.
a) Durch Geschwülste,
§314. Bernhardt (1355) beobachtete einen Tuberkel im oberen lateralen und mediila
Theil der hinteren linken Gentralwindung und im Vorzwickel, desgleichen im mittlmi
Theil der hinteren Gentralwindung. An der vorderen Spitze des rechten Corpus strittom
ein erbsengrosser Tuberkel. Es bestand abnorme Empfindlichkeit der Haut der Unte^extI^
mitfiten gegen Berührung. Beginn mit apoplektiformem Insult und rechtzeitiger Libmoog.
Konvulsionen des rechten Armes und der rechten Hand, sowie der rechten Gesichts-
hftlfte. Parese des rechten Arms und der rechten Nasolabialäste, weniger des rechtee
Fusses. Schwache Reflexe vom rechten Bein aus.
Gliky (1356). Gliom der beiden rechten Centralwinduogen, Mitbetheilignng der aa-
liegenden Theile der drei Stirnwindungen, des Klappdeckels, eines Theils des Gynu sipn-
marginalis und der oberen Parietalwindung. An der Medianseite vom hinteren Theil dir
ersten Stirnwindung bis zum Vorzwickel reichend. Klonische Krämpfe des linken Amci;
Schwäche desselben; erhaltenes Bewusstsein bei den Anfüllen. Linksseitige Krämpfe is
Orbicul. palpebr., den mittleren Gesichtsmuskeln und den Extremitäten; Parese der-
selben. Abmagerung der Muskeln des linken Arms.
Broadbent (1357). Im rechten Supramarginallappen zwei bohnengrosse, obeiflidi-
lich gelegene, wahrscheinlich syphilitische Tumoren. Rechtsseitige Temporal- and Ocdpitil-
neuralgie. Linker Arm gefühllos und stumpf. Grössere epileptische Anfälle. Kleinere ait
Krampf im linken Facialis, linken Arm und Hand ohne Bewusstseinsstöraog. liob-
seitige Facialisparese; der linke Arm schwach.
Soeligmüller (1358). Apfelgrosses Spindel zellensarkom in der unteren Hälfte der
linken hinteren Gentralwindung. Kompression des Gyrus praecentralis. Auch sonst starb
Kompressionserscheinungen im linken Hirn. Schmerzen im linken Thorax. Taobsein der
drei ersten Finger der rechten Hand, auch objektiv nachweisbar. Zucken der rechtes
und linken Gesichtshälfte. Später rechter Facialis mit dem rechten Arm (in welch«
früher Zuckungen) gelähmt. Später Parese des rechten Beins. Kontraktur der reditai
Extremitäten. Klonische Krämpfe in den Unterkieferhebem.
Rosen thal (1359). In der Mitte der linken vorderen Central wtndong ein die miulere
Stirnwindung noch mitbetheiligender Tuberkel. Schmerzen in der rechten Hand. ZockngcB
der rechten Hand, sich auf die rechte Gesichtshälfte erstreckend. Beide Mnakel-
gebiete später paretisch.
Mahot (1860). Gliom in der Mitte des Gyrus centralis anterior, an dessen Ver-
einigung mit der IL Stirnwindung links. Isolirte Lähmung des rechten Armes. Zaekno^
desselben und im rechten Hein und der rechten Gesichtshälfte. Erhaltenes Bewusststii.
Edinger (1361). Flache tuberkulöse, nur die Rinde affizirende Neubiidoiig mm
obersten Theile der Centralwindungen. Erbsengrosses Knötchen 5 cm oberiialb des Klipp-
deckels gerade in der linken Centralfurche. Schmerz im rechten paretischen Arm. Rechts
beginnende Krämpfe im Gesicht und Bein ohne Bewusstseinsverlust. Hemiparese recbil
besonders im Ann.
Rüssel (1362). Krebs in der Markmasse des rechten Stirnlappens. Ventrikel. Cfff^
striat. frei. An der Hiruoberfläche ei*scheint der Tumor guldengross am hinteren Thefl dir
ll , vorderen Theil der III. Stirnwindung. TaubheitsgefUhl im linken Arm und der linko
Hüfte. Anfallsweises Zucken des linken Armes und der linken Gesichtshälfte. Bff
einmal des linken Beines.
Mead (1363). Tuberkel im Vorderlappen der rechten Hemisphäre nach aussea vmi
Corpus striatum. Taubheitsgefühl in den Gliedern. Allgemeine und linksseitige K<*'
s
Ki'ampfzust^ude im oberen FaciaÜBgebiet. 805
ulsiDueo, besonders im lioken Facialis (ohne Bewusateeinsverlust), dann im linken
^rm. Später linksBeitige Hemiplegie.
Cicüimarra (1364). Faustgrossor Echmococcus im linken Grosshira (im mittleren
und hinteren Lappen bis an die Seiten Ventrikel reichend). Linksseitige Gesicht a-
krämpfe. KonvuEsioDea.
Wal ton (1865). Sehr grosses subkorttkalea Gliom des rechten Scheitollappena, eiit-
sprechend dem Facialiscentrom bei einem 40 jährigen Manne» der nach kaum sechsmonat-
licher Dauer unter den HaupterscheinuTi gen link&8eitigerFacialiHkrä.mpfG mit Rotation
des Kopfes nach links, später linkeseitigei' Hemiplegie zum Tode führte.
ß) Orbiculariskrampf bei Abscess der Gehirnrinde,
Hitzig (13G6) bericbtet über folgenden interessanten Fall:
§ 315. Ein 20 jähriger Soldat hatte einen Streifschusa an der rechten Seite des Kopfes
il erhalten. Nach zwei Monaten trat ein Anfall von klonischen Krämpfen ohne Verlast des
b Bewusgtaeins, hauptsächlich im Gebiete des linken Facialis auf. Die Muskeln an Mund und
i Nase namentlich, dann auch der Orbicularia palpobrarum, kontrahirten sich mit
9 ftus^ers.ter Heftigkeit im Beginne des Anfalles in Panseu von etwa einer Sekunde. An dem
' Anfalle bethoiligten sich femer die fihrigen dem Facialis angehörigen Muskeln, wenn auch in
geringerem Grade» die Muskeln der Zunge in hohem Qrado sowie die Respiration smuskeln und
der rechte StemocleidomnBtoideus. Der Anfall dauerte im Ganzen fünf Minuten. Unmittel-
! bar nachher bestand eine passagere, aber für den Moment fast komplete Lähmung des
ganzen linken Facialis und der linken Zungenmuskulatur. Nach wenigen Minuten bereits
liess diese Lähmung zunächst in dem oberen Asto des Facialis^ nachher auch iri den Übrigen
nach und zwar derart, da^s Patient willkilrliche Bewegungen im Anfange nur ausführte,
wenn ihm geheissen wurde, dio linke Seite allein zu bewegen, während bei gemeinschaft-
lichen Gesichlshewegutigen diese Seite ruhig blieb. Im Verlaufe einer iialhen Stunde be*
mannen auch gemeinschaftliche l^ewegunge^n beider Gesichtshälften. jedoch blieb immer noch
die linke Gesichtsbälfte zurück. Zehn Minuten «ipäter traten analoge klonische Zuckungen
von geringer Intensität in sämmtlichen Beugemuskeln der Finger incl. des Daumens der
linken Hand ein, während gleichzeitig der Facialis nur ein leichtes Vibriren zeigte. Die
1 Gesichtsfarbe war kreide weiss. Bei den Anfällen, die stets ohne BewuHStseins verlast ein-
; traten, bewegten sich die Augen stets nach dem linken Winkel. Die Sektion ergab einen
Abscess der Hirnrinde, welcher an der Uebergangsstelle der vorderen Centralwindung in
den Klappdeckel seinen Sitz hatte.
Wernher'a (1367) Fall betrifft einen 19jährigen Bremser, der von der Höhe eines
Waggons mit dem Kopf auf die Schienen gestürzt war. Kein Bewusstseinsverlust, dagegen
mehrmaliges Erbrechen. Unter dem durchquetschten Scblafenmuskel war der Knochen iu
der Grösse etwa eines ZthnpfennigstÜckes eingedrückt, ferner befand sich an der hmteren
« Scheitelgegend eine bis auf den Knochen dringende Wunde. Einen Tag nach der Verletzung
fiel auf, dass der Unterkiefer des Patienten herabhing und dass er das rechte Auge weniger
gut als das linke ^»ffnen konnte. Am Nachmittag desselben Tages trat völlige raotoriach©
Aphasie ein. Am folgenden Tag war Patient bemahe vülHi; betäubt, und es traten Kon-
! vülsionen der rechten Körperseite ein. Der rechte Mundwinkel wurde während des Par-
I oxjsmiis fortwährend in kurzen, raschen Bewegungen so hoch uls möglich heraufgezogen,
^ gleichzeitig die Nasenflügel geölfnet und das Auge in krampfhaftem Nicken geschlossen.
An dem linken Auge wurden gleiühe, jedoch viel schwächere, augenBcheinlich nur Mitbe-
wegungen beobachtet. Verfasser führt die Muskelgruppen an, die sich an den Konvulsionen
betheiligt hatten. Im Gesicht waren es der Orbicularis palpebr,, der Quadrat und Triangu-
laris menti, der Levator labii super., der Zygomaticus. Levat. an pul i oria alaeque nasi.
Am Hals: das Platysma, Sternötleidoraast., der Omohyoideus, Cucullaris, Splenius capitis;
ausserdem der Styloglossus und Hyoglossus, Am Vorderarme waren sämmtlicbe Beuger
606 Krampfzastände im oberen Facialisgebiet
und Strecker der Finger betheiligt. SpAter warde auch eine LähmuDg der rechten
Extremität beobachtet. Die Sektion ergab, dass die Knochenimpression genan über im
mittleren Theiie der Fossa sylvii und unter der Art. meningea media gelegen war. rata
der Impression lag ein kleines klumpiges Blutgerinnsel. Der Impression gegenfiber war &
Dura mater 2 cm lang scharfkantig eingerissen. Aus diesem Risse floss eine gewim
Quantität chokoladefarbiger Flassigkeit, zerfallenes Blut mit Eiter. Auf der Oberfll^
der linken Hemisphäre lag ein Extravasat, welches hauptsächlich den linken Loboi bm-
talis einnahm, sich aber auch über den Lob. pariet und tempor. erstreckte. Die Obeilkk
des Frontallappens der vorderen linken Hemisphäre war erweicht, die Erweichnng pt%
jedoch nur in ganz geringe Tiefe. Sonst war im Qanzen nichts wesentlich von der N«b
Abweichendes.
Y) Facialiskrämpfe nach Kalkeinlagerung auf der vorderen
Centralwindung.
§316. Berkeley (1368) beobachtete einen 2Vs Jahre andauernden einseitigen Fadiiii-
krampf, als dessen Ursache er ein auf dem unteren Ende der vorderen Centralwiodong vd-
liegendes Ealkknötchen konstatirte. Die Abbildung dieses Herdes ist bei Gowerg, Ub-
buch der Nervenkrankheiten, deutsch, Bd. II, 245, Fig. 103 aufgefahi*t. Der klonnck
Spasmus war auf den M. zygomaticus beschi'änkt.
d) Orbiculariskrämpfe bei Erweichungsherden.
§ 317. G. Stark (1369 . Es handelte sich um einen Fall von progressiver Panüysemt
Lähmung des linken Facialis. Später trat heftiges Zucken in der linken Gresicfatshälfte vai
im motorischen Tngeminus auf von zweimonatlicher, ununterbrochener Dauer nach eim
paralytischen Anfalle. Die Muskulatur um die linke Mundhälfte und am linken NasenllBgil
zeigte ein beständiges krampfhaftes Muskelspiel von nahezu immer gleicher Intenaitit
Neben dem Facialiskrampf kam zugleich ein Krampf im Rectus externus des linkes ni
im Hectus intern, des rechten Auges vor.
R. Schultz (1370). Ein 20 jähriger Kutscher erkrankte drei Tage nach einem FiUe
vom Wagen an amnestischer Aphasie, Parese des rechten Facialis und klonischen Krämpfei
der rechten Gesichtshälfte, welche alle fünf Minuten sehr heftig auftraten. Später allge-
meine klonische und tonische Krämpfe der gesammten Muskulatur. Tod 11 Tage naek
dem Fall. Bei der Autopsie wurde ein haselnussgrosser käsiger Herd in der linken Broct*
sehen Windung gefunden.
£. V. Bamberger (1371) 80jährige Frau, anfallsweise auftretender, erst redts-
seitiger, dann auf die linken oberen Aeste überspringender, später doppelseitiger, eodliek
alternirender Facialiskrampf. Uebergreifen auf Zunge, Gaumeneegel, Masseteren, reebta
Arm, rechtes Bein. Halbseitige Krampfanfälle mit epileptiformem Charakter (Rindenepilepoel
Schwerbeweglichkeit im Gebiete beider Faciales, der Zunge, des Gaumensegels, Erschweraag,
später Unmöglichkeit des Schluckens, des Kauens, der Sprache. Motorische und vasomat«-
rische Lähmung des rechten Armes. Lähmung des CucuUaris und Pectoralis. Parese d«
rechten Beins. Speichelfluss. Als einziger, wesentlicher, pathologisch-anatomischer Befad
ergab sich eine leichte Rosafärbung des äusseren lateralen Endes der linken vorderen C«i-
tralwindung, die auch auf Durchschnitten der Rinde hervortritt, in welcher man fibriga»
mit freiem Auge drei punktförmige Blutungen sah. Im Bereiche des Vagnskems wana
einzelne Ganglienzellen schmäler oder ohne Fortsätze, die meisten aber sahen ganz nonaal
aus. Ein ähnlicher Befund zeigte sich auch im Facialiskem, während im Hypoglossaskan
sämmtliche Ganglienzellen gut entwickelt waren. Die Wurzeln der genannten Nenrea nr-
hielten sich durchwegs normal.
In dem folgenden Falle waren die Stirn- und Augenlider unbetheiligt.
Kranipfzustände im oberen Faetalisgebiet.
WI
Knecht (1372). Jackson 'sehe Epilepsie mit Lfthmung im Gebiet des linken FAcialis,
Zucktiiigen. Stirn- und Augenlider sind unbetheiligt, ErweichungshenJ von üi rächen grosse
am vorderen Rande der vorderen Centrat windung m der H5hü der IL Stirn Windung.
s) Facialiskraraiif bei hämorrhagischeii Cysten«
8 318. U ow eil Th, Persing {1373). Drei Monate nach einem Trauma des reobten
8cli1ftfenluppens bei einem robusten, jungen Manne, ilas von einer temporären Lähmung der
linken Extremitäten begleitet war» traten klonische Krämpfe im linken Orbicwlaris
palpebrarum anfallsweise auf, dem eicb zuerst ein Taubbeitsgefübl, dann kloiiiscbe
Krämpfe der Hand- und FingertnusknlatuTt aber ohne voUätfindigen BewuBstseinBverluBt,
anschlössen. Etwa 11 Monat© nach der Verletzung wurde in <ler Gegend des Üentrums
für die Bewegungen der oberen öesichtshAllte trepsiiirt, eine hämorrhagische Cyste von
4 cm Durchmesser gefunden, entleert und drainirt. In den nächsten Tagen trat Fieber,
Ptosis und Parese der linken Hand und gelegentlich Delirium ein. TrotÄdem und obechon
Patient einmal sogar den Verband abrisä, erfolgte Heilung und vom 24. Tage nach der
Operation ab konnte Patient das Krankenhaus verlassen. Die Paresen sind voIlBtJlndig
geschwunden. Das Auiibleihen der Krampfanfrille konnte bisher allerdings nur durch xwei
Monate hindurch konstütiit werden,
Pugliese (1374). 70 jahriger Alkoholis^ schon wiederholt von apoplektischeu In-
sulten befallen, erkrankte durch einen neuen Schlaganfall mit Rigidität der linksseitigen
Extremitäten, Höherstehen des linken Mundwinkels und der linken Augenbraue, wah-
rend gleichste] tig die linke Stirnseite gerunzelt war. Bald darauf klonische
Kr&mpfe der linken Seite, die Taf^s darauf aufhörten, sodnas nur noch Zuckungen im
linken Orbicalaris oculi und Co rrn gator su p e rcilii, sowie don S tirnm usk ein
bestanden. Im rechten M. froutaüs gleiche, wenn auch schwächere Zuck-
ungen. Bei der Sektion fand sich: Atherom der Gehirnarterien, besonders der Art,
fossae sylvii, und daselbst, namentlich rechts, zahlreiche wandstÄndige Thromben, die in
den End Verästelungen das Lumen verschlossen. In den Ganglien der Hirnbasis ältere
apoplek tische Cysten. Die Hirnrinde war intakt und iwor nach des Verfassers Ansicht
deshalb, weil die Arterien der Rinde keine Endarterien wären, sondern mit anderen durch
das GefAf^snelz di^r Pia kornmuniziren. Auch waren während des Lebens des Patient^^n die
klinischen Symptome irritativer Natur, so duss man auch aus ihnen zwar auf eine Ischämie^
nicht aber auf eine Anämie der Rinde schliessen musste.
Ann der Theilnalime des rechten Frontalis und dem Krämpfe des
linken oberen Facialis zieht Fuglieae den Schliiss, dass die Itinden-
centren dieses Muskels eine bilaterale Funktion bätten, während dies
bei den vom unteren Facialis versorgten Muskeln, sowie beim Orbicuhins
oris nicht der Fall sei. Die letzteren könne man ja auch einseitig willkür-
Heb innerviren, nicht aber den Frontahs.
Aus der angeführten Kasuistik geht hervor, dass hei diesen durch
kortikale Läsionen bedingten direkten Reizerscheinungen die Kontraktionen
des Orbicularis sowohl einerseits eine Theilerscheinung des mimischen Gesichts-
krampfes der dem Sitze des Krankheitsherdes entgegengesetzten Seite dar-
stellen, andererseits dass diese Facialiskrämpfe fast immer mit Krampf und
Lähmungszuständen der einen Körperhälfte vereint, oder von ihnen gefolgt,
in die Erscheinung treten. Es ist also mit kurzen Worten der Blepharo-
spasmus hier eine Theilersclieinung der Jackson 'sehen E[ulei)sie, und richtet
sich die Diagnose der Orundkrankheit je nach den für einen Gehirntumor
Abscess, Erweichung etc. gültigen diagnostischen Sätzen.
606 Krampfzustände im oberen Facialisgebiet.
2. Orbiculariskrämpfe bei direkter Reizung der subkortikalen
Facialisbahn.
§ 319. Nach Bernhardt(1375) können auf der Bahn der centralen Facialis-
fasern von der Rinde ab bis zum Kern in der Brücke hin bei plötzlich ent-
stehenden Blutungen, femer bei Erweichungen und Abscessen (so in enm
von M. Rosenthal (1376) citirten Falle von Larcher mit einem Abscess in
der Brücke) auf kurze Zeit Zuckungen der Gesichtsmuskeln den spater
eintretenden Lähmungen derselben vorausgehen.
Nach Gowers (1377) wurde bei organischen Läsionen der Brücke der
Spasmus der Gesichtsmuskeln nur als vorübergehendes Symptom beobachtet
welches der Paralyse vorherging. Isolirte Orbiculariskrämpfe werden hi«
wohl kaum zur Beobachtung kommen.
3. Orbiculariskrämpfe bei direkter Reizung der Facialiskemregion.
a) Geschwülste.
§320. Assagioli e Bonvecchiato(1379). Der linke Thalamus opticos
vergrössert, ganz in eine gliomatöse Masse verwandelt. Später rechtsseitig
Hemianästhesien. Choreabewegungen der rechten Gesichtshälfte und der rechten
Extremitäten. Rechtsseitiger Blepharospasmus.
Petrina (1380) (Bernhardt, die Gehimgeschwülste, pag. 181). Soli-
tärer Tuberkel von Haselnussgrösse im Pons. Linksseitige GesichtslähmoDg.
vorübergehend doppelseitiger Blepharospasmus.
ß) Facialiskrämpfe bei Tabes.
§ 321. Ob die mit Nuclearlähmungen bei Tabes einhergehenden Krämpfe
des Facialis auf Reizungen der Kemregion beruhen, muss noch dahingestellt
bleiben.
So beobachtete de Bono (1381) einen Fall von Tabes rechts mit unvoll-
kommener Ophthalmoplegia exterior, beiderseitiger totaler Ophthalmopl^
interior, beginnender Opticusatrophie, lancinirenden Schmerzen, anormaler
Lokalisation der Empfindungen, Fehlen der Patellarreflexe rechts mit Krampf
des Orbicularis und der mimischen Gesichtsmuskeln.
Pel (1507). Bei einem 41jährigen Tabiker mit besonders ausgesprochenen
Parästhesien im Gebiete zahlreicher Nerven, auch des Trigeminus, traten
wiederholt mit Intervallen von nur wenigen Tagen ohne irgend welche nach-
weisbare Ursache plötzlich Anfälle von heftigen brennenden und stechendem
Schmerzen in beiden Augen und deren Umgebung auf. Objektiv waren die
heftigsten krampfhaften Kontraktionen der beiden Mm. orbiculares, starker
ThränenHuss, intensive Röthung und Schwellung der Conjunctiva bulbi et palpe-
brarum zu konstatiren. Genauere Untersuchung der Augen war wegen der
hochgradigen Hyperästhesie in deren Umgebung während der Anfalle nickt
möglich. Die Dauer schwankte zwischen 2—3 Stunden und 1* t Ta^n. In
Krainpf2U stall de im oberen FaciallsgeUiet.
80»
den Intervalleo waren die Äugen, abgesehen von rertektorischer Pupillenstarrej
völlig normal
In den Füllen von Bot t ige r (1382) und Westpbal (1383} von pro-
gressiver Paralvi^e war neben Nuclearlähmiing der Augenmuskeln Zuckungen
im Mundfacialis aufgetreten, ebenso im Falle Mari na 's (1384) bei Tabes.
i
y) Nach Blutungen.
§ 322. J. Col Hna (1431) erzälilt folgenden Füll: Ein 39jähi\HandelBtnRHii, verUeiratbet,
vor ]6 Jahr^^n syphilitiaclie Infektion, nur lokale Bohandhin«; Die jetzige Slörnng begnnn
plötiüch ohne Vorboten nach einer reiehlicben Mabheit. Die Hrtuptsyraptoine waren plotz-
liclier starker Schwindel und Scbwächegeföhl
in der linken Körperhiilfte, glcicbseitige Diplo-
pie in Folge von LiÜimung des linken Externus,
DyBarthrie, Dysphagie: als Heizsymptom be-
stand iges Zwinkern des li nken Unter-
lid a und d 0 9 u m g e li e n d e n Gesichts-
ibeils» gekreuzte HemtanaTgesie und Thermo-
AnSathesie an den Kxtremitäten rechts; am
Kopfe Ituks, Schwäche des unteren TbeiU des
Facialis, ata N tische Parese der rechten Körper-
liälfte, mehr im Arme als im Fusse, Parese
des imkeu Rectum auperior und Analgcdie der
linken Hornhaut. Verringerung des Gehörs
linka. Der Herd wurde angenommen im
mittleren Drittel des hinteren oder vielmehr
dorsalen Theib der Brücke-
Ji 323. Hyperaktion des Or-
bicularis nach schweren Facialis-
läbmungen. Siehe pag. 64 § 41,
Mit der Verziehung des Mundes
zum Lachein ist gewöhnlich eine leichte
Kontraktion des Orbicularis palpebrarum
verbunden. Fordert man nun einen
Patienten mit alter Facialislähmung
auf zu lachen, so wird auf der aflizirten
Seite das Auge fest geschlossen, siehe
Figur 135. Andererseits, wenn die
Augen kräftig geschlossen werden, gerätb der Zygomaticus der affizirten
Seite in Hyperaktion und zieht den Mundwinkel nach Aussen.
Bei der zuerst erwältnten Hyperaktion des Orbicularis bei versuchter
Kontraktion des Zygomaticus ist auch der Frontalis kontrahirt und dadurch
die Augenbraue der affizirten Seite in die Höhe gezogen. Diese Mitkon-
traktur des Frontalis ist bezüglich der Simulation einer Hyperaktion des
früher gelähmt gewesenen Facialis von Bedeutung, da beim Zukneifen des
Auges unter normalen Bedingungen der Frontalis eher erschlafft wird, um
das HeraViziehen der Augenbrauen zu gestatten.
Fig. 135,
H. N. Rechtsseitige totale pcripht^re Fncialis-
lahmiinK« Unwillkürliche Kontri*kti(ui der
Lider dieae« Auge« beim Versuch, äu lachen,
610 Krampfzastftnde im oberen Facialisgebiet.
Es ist wahrscheinlich, dass diese Hyperaktion die Folge tod Verände-
rungen im Facialiskeme ist; welche durch die lange andauernde Unterbrechim^
in der Nervenbahn und die konstante Reizung des Centrums bei BemühiingeB
das Gesicht zu bewegen, eingeleitet werden. Die Besistenzfähigkeit der ZeUen
werde nach Hitzig vermindert, so dass sie mit abnormer Lieichtigkeit reagirten.
Ihr tonischer Einfluss auf die Muskeln sei gesteigert, die Thätigkeit eines Theil«
des Kernes theile sich auch anderen Theilen mit, und die Zellen zeigten eme
Neigung zu spontanen Entladungen.
4. Orbiculariskrampfe zufolge direkter Reizung des Facialisstammes
und seiner peripheren Aeste.
Auch am Schädelgrunde können Krämpfe des Augenschliessmuskels dnrdi
Beizung des Nerv, facialis entstehen zufolge von Einwirkung entarteter G^
fasse oder von Tumoren und Aneurysmen.
a) Direkte Reizung des N. facialis durch Geschwülste.
§ 324. Schon Ro s en t h a 1 (1885) hatte einenFall von Facial i sk rampf ans derEliiik
von Schuh veröffentlicht^ welcher durch ein Cholesteatom am Schädelgronde bedingt vir.
(Freilich bestanden in diesem Falle auch Gesichtaschmerzen.)
Hulke (1386) berichtet über einen Fall, in welchem ein von der Spitze des liak«
Felsenbeins ausgehendes Sarkom des Ganglion Gasseri, den Sinus cavemostia und die
Augenmuskelnerven zerstört und eine Perforation der Schädelbasis vom durch das ober«
Orbitaldach bewirkt hatte. Der Facialis, der Acusticus und Hypoglossus waren mü-
ergriffen. Es bestand Deviation der Zunge nach links und Zucknngen im linkea
Facialis.
F. Orsi (1387). Fibrom der Dura am Os petrosum, das linke Ganglion Gassen
druckend. GefOhl von Kälte und Ameisenlaufen in der linken Gesichtsh&lfte. Krämpfe
im linken Facialisgebiet, rechtsseitige (unerklärte) Facialisl&hmuDg.
Bei diesen Fällen lässt sich mit Sicherheit eine reflektorische Einwirkung
auf den Facialis nicht ausschliessen, weil der Tumor auch gleichzeitig den
Trigeminus mitaffizirt hatte. Auch der folgende Fall ist in dieser Hinsicht
nicht ganz rein.
Moos (1888). 49jährige Patientin. Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen. Liob
Anästhesie der Gesichtshälfte, zeitweise Reissen im linken Oberlid und ein Gef&U tob
Schwere in demselben, auch zeitweilig Reissen in der linken Gesichtshälfte. Beiderseits:
Abnahme des Sehvermögens. Links Abnahme des Gehörs und klonische Krämpfe
im Lid, in der Zwischenzeit leichte Ptosis. Die linke Pupille enger als die recfatf.
späterhin sehr eng. Links trat späterhin Strabismus convergens auf. Tod durch Ver-
schlucken.
Sektion: An der Aussenseite des linken Perus acusticus intern, eine walloussgrosw
Geschwulst. Der Nervus acusticus links scheint in der Geschwulst aufgegangen zu a&a.
Dieser und der abgeplattete Facialis sind grau verfärbt. Der linke Ocolomotoiias fast ii
seinem ganzen Verlauf grau verfärbt und atrophisch. Der linke Trigeminas gleichfalls stoik
abgeplattet und grau verfärbt.
Aus der folgenden Beobachtung lässt sich wegen der multiplen Tumoren
kein brauchbarer Schluss ziehen.
Krampfzustände im oberen Facialisgebiot.
Banze (1389). NäcIi atisBen vom linken Corpus restifürme ein nuBsgroeser Tuberkel,
eich in die linke Britektinbälfte uod den linkLm Brüokenarm biDeinerstväckend. Nach ausseu
von diesem Tumor ©in zweiter bohnetigro&ser Der linke FHCialiB, Acusticus, Vagua
f-ind in der Geschwulst aufgegangen- Fünf Tuberkel im rechten und linken Mittellappen. Zwei
beiderseits an der unteren Fläche der Schläferda]>pen. K o n v u 1 9 i o n e n 1 i n k 9 im U e .•* i c h t ,
rechts an den Extremitäten, linksseitige Facialisläbmuug. Fareae der rechten Ex-
tremitäten.
ß) Durch Entartung der Gefasse.
§325. Bu SS (1390). 48 jähriger Schlosser. Lungenemphysem, Hypertrophie des üerzens»
Musgesprochene A tberomatose der peripheren Arterien , so w ie ein linkuseitig^r Tic
convulsif. Die klonischen Zuckungen betrafen fast die ganze linke Gesichts iiölfte. Am
meisten in die Augen fallend war das Blinzeln und 8 c h 1 1 e s a e ti der Augenlider,
sowie die Verzenung der Wange und des Mundwinkels. An der Stirn, am Ohr und am
Kinn sah man keine Bewegungen, Schmerzen hatte der Patient nirgends. Tod durch
Apoplexie zufolge ausgedehnter Zerstörung der Brücke durch einen tauben ei grossen frischen
Blute rgnss. Daneben fand sich Folgendes: Die linke Arteria cere belli post war etwas
weiter als die rechte, verlief geschlängelt und bogenförmig nach vorn und zeigte aui^sordem,
wie fast alle Arterien der Basis, atheromatöse Stellen, Sie lag mit einer Windung, an der
aich eine stark atheromatüse Stelle befand, dem linken Facialis und Acusticus fest auf»
Die Untersuchung der friscben und gehärteten Nerven t sowie des Facialisursprungs in der
Brücke ergab ein negatives Eesultat.
Es liegt die Annahme nahe» dass hier der linksseitige kkniisclie Facialis-
krampf durch den Druek hervorgerufen worden sei, welchen die atheroma-
töse Stelle der erweiterten linken Arteria cerebelli i)ost. auf ilm ausübte.
Schnitze (1391). Bei einem 56jährigen Manne» der 10 Jahre zuvor eine Kopf-
verletzung erlitten hatte, traten ein Jahr vor seinem Tode in dt*r linken Gesichtshälfte
kurze klonische Zuckungen auf, welche bei jeder Bewegung des Kiefers oder des Gesichts
zunahmen. Alle Muskeln ausser dem Frontalis waren befallen. Der Gaumen
bewegte sich nicht. Schmerzen fehlten. Es fand sieb ein Aneurysma der linken Arteria
vertebraliSp das den Nerv, facialis komprimirt hatte. Im Nerven konnten weder mit dem
blossen Auge, noch mit Hilfe des Mikroskops pathologische V^eränderungen wjihrgenommen
werden.
j) Durch meningitische Prozesse.
sj326. Auch bei den meningiti sehen Prozessen währenddes irritativen
Stadiums kann der Lidschhig vermehrt, und das Lid spastisch geschlossen sein.
d) Bei Affektionen des Mittelohres.
§327, Ziem (1392) berichtet, dass bei einem 16jährigen Gärtnerlelirlinge,
der in seinen Kinderjahren an linksseitiger Ütorrhoe gelitten^ und bei dem sich
dieselbe in den letzten Wochen wieder gezeigt hatte, beim Ausspritzen der
Paukenhöhle — das Trommelfell war vollständig defekt — klonische Zucktni*.5en
im hnken Orbicularis bis zum vollständigen Verschlusse der Lidspalte auftraten.
Eine Mitbetheiligung anderer Zweige des Facialis, speziell auch der Bewegungs-
nerven der Ohrmuschel, konnte nicht wahrgenommen werden.
Als von einer AfFektion des Mittelohres abhängigen Facialislähniyng
eigenthiimhch, werden von Lannois {Annales des Maladies de Foreille, No-
WUbraod-S«»nger, KAorologie dM Aiig«a. J Ba. IL AbtbeiltiAg. 40
612 Krampfzustände im oberen Facialisgebiet.
vembre 1894) Zuckungen in der später ])aretischen oder yoUkommen gelahmtai
Gesichtsmuskulatur beschrieben, welche Tagelang dem Eintritt der Paralyse Toran-
gehen können (Fall von Politzer und Well). (Bernhardt Nothnagel, 1 174,
II 43). Charakteristisch sind derartige Facialiskrämpfe für ein vorangegangenes
Mittelohrleiden nicht, da sie wie einzelne weiterhin noch zu erwähnende Beobach-
tungen von Remak (vielleicht auch von Bältz und Di n kl er) lehren, auch
dann gesehen worden sind, wenn die später eintretende Lähmung auf eine
Schädigung der Nerven durch langsam wachsende Geschwulstmassen
innerhalb der Schädelkapsel, speziell an der Basis derselben zurückzufuhren war.
e) Orbiculariskrampf bei direkter Affektion der Facialiszweige.
§ 328. Henschen (1893) beobachtete eine 27jährige Lehrerin. Im Aagast 1883 beganiMi
Zuckungen im linken Augenlid. Im November breitete sich der Krampf bis zir
linken Seite der Nase und auf die linke Oberlippe aus. Der Nerv, facialis sinister, weleher
bedeutend dicker und empfindlicher als der rechte war, bildete einen dicken, sehr deotiidwi
Strang; auch an der Stirn fanden sich die Zweige des Trigeminus verdickt and empfindM.
Durch Massage Heilung.
Auch können klonische und tonische Krämpfe des M. orbicularis bei
Narben der Stirn und Wangengegend, welche durch Zug oder Druck auf
Nerven wirken, sich einstellen. Ob aber in solchen Fällen^ wie Berger (1394'
eine derartige Beobachtung von einem Studenten erzählt, der nach einem
Schlägerhieb über die Wange die heftigsten Krämpfe im Gebiete des oberen
Facialis bekam, der Krampf auf direkter Beizung der Facialisäste oder
reflektorisch auf einer solchen der Trigeminuszweige beruht, bleibt dahingesteUt
IL Der Reflexkrainpf des Orbicularis zufolge organischer Läsionen.
1. Durch Einwirkung auf die Verbreitung des Trigeminus in der
Haut, dem Auge, den Schleimhäuten und Zähnen.
§ 329. Der reflektorische Krampf des Orbicularis nach organischen Läsionen
wird vornehmlich durch die Reizung des Nervus trigeminus vermittelt
Jedwede Aff'ektion des sensiblen Trigeminus kann auf reflektorischem Wege
den Facialiskrampf erzeugen, entweder dadurch, dass übermässig starke Reize
auf der centripetalen Bahn des Reflexbogens verlaufen, oder dass eine abnonn
erhöhte Erregbarkeit der Ursprungsstätte der P'acialisfasem in der Brücke
vorhanden ist, resp. beide Zustände sich vereinigt finden. So ist es auch
nicht ungewöhnlich, dass sich zum Tic douloureux der Tic convulsif gesellt.
Namentlich ist es die Ausbreitimg des Trigeminusgebietes auf die
Gesichtshaut, auf die Augen, die Nasenhöhle und die Zähne, welche durch
vorhandene Erkrankungen der betreffenden Organe gereizt, die Facialiskrämpfe
auf reflektorischem Gebiete herbeifuhrt.
§ 330. Die krampfhaften Kontraktionen der vom Facialis versorgten Muskeln,
welche wir nach krankhaften Affektionen der Augen beobachten, beschränken
sich meist auf den M. orbicularis palpebrarum. Wir beobachten diese Form
,1 . des reflektorisclieii Blepharospasmus hauptsächlich bei skrophulusen Kindern
Bißit Hornhaut- und Conjunctival leiden. Gerade die oberHächliohsten Er-
krankungen der Hornhaut, die Epithel Verluste imd die Phljctanen rufen am
leichtesten KnmiptTormen im Orbicuhiris hervor, weil die Nerven der Horn-
haut namentlich in den obersten Schichten sehr zahlreich sind, und durch
Abschürfungen und Abhebungen des Epithels die zahlreichen Fasern des
epithelialen Nervenplexus bbssgelegt werden. Dieser meist sehr heftig auf-
tretende Orbiculariskrampf ist mit Lichtscheu und vermehrtem Thränenrtuss
verbunden, und die Kinder setzen dem gewaltsamen OeÖnen der Augen den
gröj^sten Widerstand entgegen. Durch den häufig Wochen, Ja Monate an-
dauernden tonischen Biepharo-
epasmus werden dann nicht selten
(vergleiche Figur 136) die Lider,
besonders das obere, Ödematös,
weil die Venen derselben, welche
zwischen den Fasern dt- nrln-
culariH hindurchtreten, durch dii^
andauernde Kontraktion kom-
primirt sind. Daneben treten dann
noch häufig Exkoriationen am
Lidrand, und Entropium spasti-
cum auf, welch letstteres durcli
Einwärtskehren der Cilien und
dadurch gesetzten Hornhaut reiz
den rertek torischen Krampf des
Augenschliessmuskels noch ver-
mehren hilft.
Die Fältelung der Lidhaut
bei diesem starken Blepharospas-
mus tritt bei derartigen Kijidern
tbeiis wegen des Oedems weniger
hervor, theils auch weü die Haut
noch reicher an elastischen Fasern
ist als bei Erwachsenen, In Fällen geringeren Grades vermag der energische
Wille zuweilen noch die Lider in blinzelnder Art etwas zu lüften, wobei
die Kinder meist ihren Mund öffnen, um durch gleichzeitiges Herabziehen der
Oberlippe einen Zug auf die Haut des Unterlides auszuüben.
Dieser Blepharospasmus kann einseitig auftreten, erscheint aber meist
auf beiden Augen.
Mit diesem Blepharospasmus ist fast ausnahmslos eine vermehrte Sekretion
der Thränendrüse, und Lichtscheu verbunden. Daher kommt es, dass bei
gewaltsamem Oefinen der Lider ein Thränenstrom, manchmal spritzend, aus
dem Conjunctivalsacke hervorquillt, und durch das vermehrte überlaufende
Sekret die Lidwinkel oft exkoriirt erscheinen.
10^
Fig. 13Ü,
D. IB> BkpharottpmuiUB bei skrophulö»er Ophthalmie.
614
Krampfjüstünde im oberen Facialisgebiet.
§ 331 . Bei erwachsenen Personen tritt nicht selten bei ConjunctivÄlkaiairööi
und vermehrter Reizung derselben durch nächtliches Wachen und Exceaw €m
fibrilläres Zucken in der Palpebralportion des Orhicularis namentlich äi&
Unterlide auf. Dasselbe kann oft dadurch lästig werden, dass durch den eiih
seitig auf den Bulbus wirkenden Druck der sich zusammenziehenden Maskel>
hiindel, der liiilbiis (den Zuckungen synchronische) Vei'schiebangen erfahit
und dadurch ruckweise Doppelbilder auftreten und wieder verschwinden.
f}332. Auch den BlepharosiJÄsmui
bei der Schneeblindheit, welcher
mit brennendem, heftigem Schmen,
mit Epiphora, mit Photophobie, ge-
ringer Schwellung der Lider und io
schweren Fällen mit Hyperämie der
(Jonjunctiva und Chemosis eiDher-
gebt, führt Berlin (1395) auf ie
V ü nj u nct i V i t i s e vy the m atosÄ xurod;
welche durch die scharfe Luft ofid
die rertektirte Sonnen wärme auf Je«
hoben Bergen und in den arktiscben
llegionen verursacht werde,
§333. Nleden (1396I beobselitcli a
dnem Falle von Empyem des Ob«rkie^
eine heftige Nt?ura]gie in der Bahn df^sNerrv
infraorbitiilis, sowie einen krampfbiftiM
Blepharospasmus auf der gleichen ^«iln
der nach Beseitigung des Empyeaw übr
bald achwüud.
Trousseau (1397) bericlttat OWr
eine IBjährige Patientin, welche wt^
eines sehr heftigen beiderseitigen Bkplwr
si^^iBmus 9 Monate l&ng mit albn ib4^
liihon Mitteln behandelt worden wir, te
die Heilung durch die Estfemung: dnafftr
Polypen aus der Nase sehr rasch zu Sttt^
kam. In einem anderen Falle bei tmf
25 jährigen sehr nervösen Dame heobaclilite
TrouBBeau jedesmal hei dem AiifhetM
eines hefligeu Schnupfens einen IBIT'
sprochenen BlepharoepÄsmas, welclier 2—3 Tage anhielt.
S e © 1 i g in U 1 1 e r ( 1399J und M e n g i n {1400) sahen Blepharospaaintis in Fol^e kari«ff
Zähne auftreten.
Ha bei (1398) berichtet über folgenden interessanten Fall:
Eine seit 2 Jahren mit linkaseitigera Tic convulaif behaftete Frau heham pl^ttlU
eine linksseitige Hemiplegie mit Betheiligung des unteren Facialisaste». Tmtx di«»
ausgesprochenen centralen Facialislähmung blieb der Tic bestehen, eine bisher n^
beschriebene und interessante Tbatsache, Als Ursache des Tic ist am waJa racheiatidrrta
ein retlektoriächei' Vorgang, ausgelüBt von einer Nasenächleimhautentzündung« die iiiglMiir
Zeit, wie das Gesichtszueken auftrat Die Schleimhaut der Choanen war beid<f»«its pf^
achwollen und geröthet. Vielleicht entstand durch diese Schwellung ein Reiz der prripb«nrt
Fig. 137,
J« D. Kpcht* Herpes am Ober- uud Unterlid ,
mit leichter Kontraktion der epitarf^aleu Partie des
Orbicularis.
Quintuafasern, welcher sich durch den Reflexbogen fortpflanzte und durch Muskelzuckungen
im Fadalisgebiet ofTenbarte.
S 334. Nicht seilen sehen wir B 1 e p h a r o s p a s ni u s auftreten nach neural-
gischen Zuständen des Trigeminu^, die manchmal dadurcli ausgezeichnet
sind, dass ein Druck gegen den Nervus occipitalis, gegen die Verzweigungen des
Trigeminus an der Schläfe und am Supraorbitaüs, den Spasmus desOrbicularis
zum Verschwinden bringt. Diese unter dem tastenden Finger bisweilen als
äusserst schmerzhafte, verdickte Stränge sich anfühlenden Verzweigungen des
Trigeminus täuschen durch halbseitige Schmerzen oft Heraicranie vor und
bewirken nicht selten ei gen thüm liehe a s t h e n o p i s c h e Beschwerden, die
Dur durch die Massage jener schmerzhaften Verdickungen gehoben werden
können. Ueber einen dahin gehörigen Fall, dessen Analogon uns in der
Praxis nicht selten begegnet, berichtet Hotz (1401).
Er beobachtete ©inen lljährigöu Knaben, welcher an zuckenden und krampfhaften
Zuständen der Augenlider litt, wozu bei andauernder Arbeit für die NAho migräue'
artige Schmerzen » Appetitlosigkeit, Uebliit^keit und Erbrechen tnit. Die Funktionen
des Auges waren nonnal. Hotz hielt den Muskel krampf, der schliesslich auf das ganze
Gebiet überging, für reflektorisch erzeugt und fand , dasa der linke Nervus occipitahs auf
Druck schmerzhaft war^ und dass der Krampf bei einer h Minuten langen Dauer des Druckes
auf den Nerven sistirte.
1
§ 335, Auch die V e r 1 e t z u n g e n der Nervenzweige des Trigeminus rufen *
reflektorisch den Blepharospasmus hervor, I
So beobachtete Hotz fl, c.) einen 12 jShrigen Knaben, welcber nach einer Verletzung ,
am linken Auge an starkem Lidkrampf litt, so dnss eine fortwührende Bewegung der Lider
stattfand. Durch Erweichung der am linken Foramen infraorbitale befindheben harten Narbe
mit Jod kalisalbe verschwand der Krampf.
Auch bei Herpes der Lidhant sehen wir den Blepliarospasmus auf- ,
treten, wie aus der nebenstehenden Abbildung (Fig. 137} ersichtlich ist.
2. Reflexkrampf des Orbicularis durch intrakranielle Affektfonen
des Trigeminus,
S 336. Auch durch i ntrakrani et! e Affektionen des Trigeminus kann
reflektorisch ein Spasmus des Orbicularis palpebrarum erzeugt werden.
So beobachtete Müller (1402) einen interesaanten Fall von Blepharospstamus nach
Baaiiäfraktur. Derselbe betraf eiuen 66jiibrieen Mann, der aus einer beträchthchen Hube
durch Brechen der Leiter herabgestürzt war In den ersten Monaten litt er beiderseits und
nSTiientlicIi linksseitig an Schwäche der unteren Extremität; auch die Arme (besonders der
linke) waren wie gelähmt. Die linke fcstim war glatt und konnte nicbt gefaltet werden ^
die linke hidspalte stand offen, und wurde da» obere Lid nur zeitweilig um 2—3 mm
gesenkt: i^ahei trat d^nn t'we HoJlung des linken Auges nacb oben ein. Die Erscheinungen
des hnken Auges entsprächen alsn der (peripheren) Facialialfthmung- Auf dem rechten
Auge bestand ausgeprägter Blepharospasmus. Wurde das linke Auge verbunden, so
trat in dem blepbaroapaaiiscben Zustande des rechten die Aenderung ein, daes lunfichst
kleine Pausen der toniseben Krämpfe zu Stande kämen und nach einigen Minuten letztere
völlig schwanden. Wurde (ausserhalb de» oben angegebenen Versnebe) das linke Auge
kokainisirt, so wurde der Versuch des Lidschi usses an demselben vit^l seltener; die Kn-
kainUining des linken Auges hob indeasen den Lidkranipf nicht auf. Ebenso wurde letzterer
616 Krampf zustände im oberen Facialisgebiet.
durch Eokainisirung des rechten Auges nicht beeinflusst. Eine traumatische Hysterie od«r
eine andere allgemeine Neurose war nicht vorhanden.
Müller führt den Blepharospasmus auf einen Reflexvorgang zurück
und nimmt an, dass im Bereiche des linken Trigeminus ein Reizzustand ge-
geben war, der auf den linken Kern des Facialis oder noch weiter central-
wärts zurückwirkte. Die Verbindung der Innervation beider Orbiculares führte
den rechtsseitigen Lidkrampf herbei. Dass der Opticus die Reflexbahn abgab,
konnte aus dem Grunde nicht angenommen werden, weil der durch Verbinden
des linken Auges sistirte Lidkrampf des. rechten bei Wegnahme des Verbandes
erst nach einiger Zeit und allmählich wachsend wieder zu Stande kam.
Auch Ottava (1403) berichtet über einen Fall eines 35jährigen Mannes, der seit
einer vor 2 Jahren erfolgten Scbftdelverletzung an hochgradigem Blepharospasmus hti
Oppenheim (1404) sah bei einem endokraniellen Tumor, welcher den I. Trigeminus-
ast lädirte, einen Facialiskrampf der selben Seite entstehen. So erklären sich auch die is
der Litteratur vorhandenen vereinzelten Angaben über Reizerscheinungen Im Gebiete dei
Facialis und Quintus bei Tumoren des Kleinhirns. Wahrscheinlich wird auch hier dardi
Kompression des Quintus reflektorisch der Krampf ausgelöst.
Gjör (1405). HQhnereigrosses Spindelzellensarkom unter dem Tentorium vor deo
rechten Kleinhirnlappen.
Kompression des Nerv, trigeminus und trochlearis rechterseits.
SensibilitAt in der rechten Gesichtshälfte abgestumpft
Rechts: Zuckungen im Facialis. Lähmung desselben.
b) Orbicnlariskrämpfe als reine „fnnktionelle^^ Störung.
1. Funktionelle Reizung des kortikalen Facialisgebiets.
o) Bei Chorea.
§ 337. Wenn auch die pathologische Anatomie über die Lokalisation
der der Chorea zu Grunde liegenden Veränderungen bisher nur wenig Auf-
schluss zu geben vermochte, so lässt doch die Störung der koordinirt-wiUkür-
lichen Aktionen die Vermuthung naheliegend erscheinen, dass in einer grossen
Zahl von Fällen der Sitz der Erkrankung in der Hirnrinde liege. So sehen
wir denn diejenigen Muskeln, welchen in Beziehung auf ihre Selbständigkeit die
hervorragendste Stellung zukommt auch am meisten und frühesten bei der
Chorea in ihrem Zusammenwirken gestört. Dies betrifft ausser den Finger-
und Handmuskeln, die beweglichen Muskeln des Stimm- und Sprechapparats,
vor allen Dingen aber auch die Muskeln des Gesichts, speziell die der Augenlider.
Näher einzugehen auf die Betheiligung der vom oberen Facialis ver-
sorgten Gesichtsmuskeln bei der gewöhnlichen Chorea minor halten wir des-
halb für unnöthig, weil das Vorkommen und das Vorsichgehen der Orbicularis-
und FrontaHszuckimgen bei dieser Krankheit in nichts von den Zuckui^^
der übrigen Körpermuskulatur unterschieden ist, und ein ganz gewöhnliches
Faktum darstellt.
§ 338. Durchaus anders steht es mit der alsHabitchorea bezeichneten
Bewegungsstörung oder dem Gewohnheitskrampf (Habit spasm).
Krampfzustönde im oberen FÄciaJisgebiet. 617
Unter Gewohnheitskrampf versteht Gowers (1437) spasmodische Be-
wegungen, wie Augenzwinkern, zuckende Bewegungen des Mundes» schüttelnde
Bewegungen des Kopfes, welche halb willkürlieh erscheinen, die aber doch
von den betrefifenden Individuen nicht kontrollirt werden können. Weir Mitchell
fasste diese Bewegungen als eine Art von Chorea auf, und von ihm rührte
die Bezeichnung Habit chorea (Gewohnheitschorea) her. In jüngster Zeit
beschä tätigte sich ^inkler (1438) mit dieser Frage und stellt sich betrefls
der Aulfassung des Krankheitsbildes auf Seiten von Weir Mitchell, Nach
seiner Ansicht gäbe es zwei verschiedene Arten von Habit chorea. Bei der
einen handle es sich in der That nur um eine üble Angewohnheit , bei der
anderen um eine besondere Störung, die eine ähnliche Aetiologie wie die
S y d e n h a nr sehe Chorea habe. Die Bewegungen zeigten bei beiden Formen
in der In- und Extensität grosse Uebereinstiramung; sie unterschieden sich
von denen der Chorea minor dadurch, dass sie auf einen Theil des Körpers
beschränkt seien, so besonders auf das Gesicht.
Gowers betont, dass die Affektion meistens bei Kindern, speziell bei
älteren vorkäme. Bei jungen Weibern fände sich häufig eine Kombination
mit Hysterie, und es könne dann schwer werden festzustellen, ob man die
Bewegungen auf diesen Gewohnheitskrampf oder auf die Hysterie Enrück-
znführen habe.
Als ätiologische Momente nennt Gowers in erster Linie eine allgemeine
Gesundheitsstörung; ferner Ueberarbeitung in der Schule, Schrecken, Trauma
und endlich die Masturbation. Sehr häufig spielt die hereditär nervöse Be-
lastung und die Nachahmung eine bedeutsame Rolle. So kommt es häufig
vor, dass mehrere Kinder einer Familie dieses Leiden haben, welches aber
auch Erwachsene befallen kann.
Seeligmüller {1436} hat darauf aufmerksam gemacht, dass nach
Analogie des Beschäftigungskrampfes klonische Krämpfe im Gebiet des Facialis
dadurch entstehen können, dass die gleichen Grimassen sehr oft wiederholt
werden.
uns interessirt besonders, dass der Gewohnheitskrampf mit Vorliebe
die vom oberen Facialis innervirten Muskeln ergreift. Am häufigsten besteht
Augenzwinkern durch plotztiche Kontraktion des Orbicularis palpebrarum,
zuweilen mit gleichzeitiger Innervirung der Corrugatores supercilii*
In § 44 pag. 76 haben wir schon darauf aufmerksam gemacht, dass
wir zuweilen bei Leuten niederer Gesellschaftsklassen beide Frontales in einem
Kontraktionszustande sehen, und zwar so, dass die Augenbrauen dauenid in
die Höbe gezogen sind, und für gewöhnlich die Stirne durch parallele Falten
mit queren Furchen tief durchzogen ist (siehe Fig. 38 p. 618). Als Grund für
diesen dauernden Kontraktionszustand der Frontales, der dem Gesichte jener
Personen einen dummen Ausdruck verleiht, nahmen wir bei vielen lediglich
die Gewohnheit an, beim Sehen die Frontales stark zu innerviren.
k
KrflriipfxufltJlnde im oberen Facialidgebiet.
M
^3
Der Vollständigkeit halber sei ei*wälmt, dass sehr häufig auch Zuckmvgeii
in den Zygomaticis, in den Schulter- und Arraranskeln lediglich in der Fom
des (iewohnlieitskrarapfps auftreten.
Da man nach unserer Erfahrung den Gewolmheitskrampf am hiafigstcs
bei Belasteten^ also gewissermassen auch als ein Zeichen der Entartung findet,
so sei liier f^leieli darauf aufmerksam gemacht, dass man denselben nicht
verwechseln darf mit einer ticartigen Zuckung, wenn dieselbe Theilerscki-
nung einer Maladie des tics ist. Diese von Gninon und Gilles de li
Tou rette zuerst eingehend beschriebene Krankheit, die meist bei hereditär
belasteten Individuen im Alter von 7 bis 15 Jahren entsteht, zeigt sid»
gewöhnlich aDfanglich ia
Zuckungen der Augen- nnd
Mundmuskeln, zu denen sici
stereotype Bewegungeo de*
Halses und der Arme hnm-
;^'esellen. Bei diesen ktwri-
nirten ticartigen BeweguJig«
werden oft schnalzende Lai
Schimpfworte (Copnil
aiLsgestossen. Oft lei<
derailige Patienten aach la
ZwangsvorsteUungen nm\
Zwangshandlungen.
Auch Oppenheim
(pag, 870 Lehrb.) liilt m
nicht für berechtigt, deo ia
Rede stehenden Gcwoluh
heitskrampf als eine Abortif-
form der Maladie des ti«
anzuseilen, ^um so weniger«
als diese Neigung, irped
eine Bewegung gewohnheiter
massig auszuführen, beirielm
Kindern besteht und später durch Willensenergie oft genug iiber^^xmden wiri*
§ 339. Ferner sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem obereo
Facialis gar nicht sehen eine ähnliche U n g 1 e i ch he i t der Innervation beoba4:litet
wird, wie beim Mundfacialis, die oft einen spastischen Znstand der betreff»-
den Muskeln einer Seite im Vergleich zur anderen vortäuschen kann. So
sielit man häufig bei nervösen Personen, wenn sie in lebhafter Erregmv
sprechen, bald den einen Frontalis, bald den einen Orbicuhiris oculi oder
oris stärker kontrahirt als den anderen, olme dass es sich um einen Gewote-
heitskrampf band eh..
§340. Endlich haben wir in jüngster Zeit, in der wir vorliegendem GefTJ>-
Stande besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatten, eine Form des Gewoludieit»'
Fig, 138.
II. D< SOjäliriifR ilurclmu» j,j<\'iundf Krau. liewuhiilieils-
KoDtruktur der Fmntales^ für weldie keiü Gniud üuf Au-
fluden «Fur.
KrampfzustÄiide im oWen Fflcialisgebiet. 619
krampfes des Orbicularis oculi öfter beobaclitetj die Zweckmässigkeitsgründen
ihre Entstehung verdankt. Man sieht nämlich nicht selten bei Personen mit
RefraktioTisJifferenzen einen gewohnheitsmüssigen, nicht ganz vollständigen
Schluss des sehuntüchtigeren Auges. Speziell bei einseitigem Astigmatismus
kommt dieser Krampf zustand vor, um sich schärfere Bilder auf der Netzhaut
zu verschaffen*
Wenn Sink 1er angieht, dass die sog. Gewohnheitschorea oft von einer
Erkrankung der Nase, oder von Augenstörungen (Liderkraiikungen, Refraktions-
fehlern) ausgehe, so ist dies nach unseren Erfahrungen nur so zu Terstehen,
dass z. B. der so häufige reflektorische Blepharospasmus nicht selten langer
dauert, als die sensible reftexauslüsende Ursache, d. h. dass der Blepharo-
spasmus zu einem Gewohnheitskrampf geworden ist. Es braucht kaum erst
hervorgehoben zu w^erden, von welch praktischer Bedeutung in therapeutischer
Beziehung die Unterscheidung eines reflektorischen Krampfes von einem Ge-
wobnheitskrampfe werden kann. Während bei ersterem die lokalen Ursachen,
welche den ReiK auslösen, zu beseitigen sind, muss bei letzteren durch Hebung
des Allgemeinzustandes und durch Willenserziehung die zur Gewohnheit ge-
wordene abnorme Innervation unterdrückt werden. Beschäftigungsneuroseß
im Gebiete der Himnerven sind selten; so erwähnt Remak nur drei Fälle.
Bernhardt sah Beschäftigungskrämpfe im Bereich des Hypoglossus,
Äccessorius, Oculomotoriua und Facialis. In seinem Buche theilt Bernhardt
eine diesbezügliche Beobachtung mit. Eine SOjährige Frau bekam nach an-
strengendem Zeichnen mit der Lupe zuerst Zuckungen im linken Orbicularis,
die sich allmählich über die gesammte Muskulatur der linken Gesichtshälfte
ausdehnten.
T. Cohn (Arch. f. Psych. Bd. 30, 993) berichtet über folgenden Be-
schäftigungskrampf bei einem Manne, der seit 34 Jahren Uhrmacher ist und
sein Geschäft von früh 8 Uhr bis Abends 8 — 9 Uhr betreibt und dabei fast
fortwährend eine in Holz gefasste Lupe raonokelartig vor das linke Auge
klemmt. Seit zwei Jahren Zuckungen um das linke Auge, Flimmern der
Wange und der ganzen übrigen linken Gesichtsseit«, das Anfangs nur nach
längerer Arbeit, später gleich anfangs und auch ausserhalb der Arbeit auftrat
und jetzt fast kontinuirlich besteht, zeitweise in mehr tonischer Form und
auch bei Sprech-, Kau- und dergl Bewegungen, Objektiv war nichts anderes
nachzuweisen, als ein linksseitiger, besonders um die Augen lokalisirter Facia-
listic, welcher wohl nicht reflektorisch, etwa durch Trigeminusreizung ent-
standen war, da niemals über Schmerzen oder dergl geklagt wurde, sondern
als eine durch die fortwährende übermässige Facialisinnervation entstandene
Beschäftigungsneurose aufgefasst werden musste.
ß) Bei Migräne.
§ 34L Auch bei Migräne ist Blepharospasmus beobachtet worden.
So berichtet Albrand (1406) über folgenden Fall:
Ein 19 jähriges Fräalein litt seit ca. 2 Jahren an zoit welligen linkaseitlgen Anfallen
von Mii^räne, begleitet von Schwindel ^ Obrensau<3en und AmauroBia partialis fugax und
620 ErampfzoBtäncle im oberen Facialisgebiet.
mauste bald daraaf wegen eines aaf dem rechten Aage snbakat aufgetretenen Glaakona
iridektomirt werden. Während des klinischen Aufenthaltes erneuerten sich die Migrio^
anfalle häufiger, und es trat dabei mehrmals morgens beim Erwachen ein rechtsseitiger
Blepharospasmus auf, der während einiger Minuten die Oeffnung des Auges unmöglifi
machte.
Da andere Momente, Hysterie, Epilepsie, periphere Facialisaffektion etc.
auszuschliessen waren, die Migräne und Amaurosis part. fugax aber auf eine cen-
trale Funktionsbehinderung hinwiesen, so führt A Ib r an d den partiellen Facialis-
krampf ebenfalls auf einen durch periodische Erschlaffung der Wände bestimmter
Cerebral- und Pialgefässe bedingten centralen Reizzustand zurück und nimmt
auch einen Zusammenhang der Steigerung de^s intraoktilaren Druckes mit
Störung der vasomotorischen Innervation an.
y) Bei Epilepsie.
§ 342. Wohl alle neueren Autoren verlegen die Ursache der Epilepsieindie
Rinde; daher dürfen wir wohl auch die den epileptischen Anfall einleitenden
und krampfhaften Kontraktionen des Augenschliessmuskels für kortikal ent-
standen ansehen.
So beganD bei einer 34jährigen epileptischen Frau aus der Beobachtung Ben-
hardt'8 (1407) der rechtsseitige Krampf in den Augenlidern und war dadurch ansgezeichad.
dass zeitweilig während der Krämpfe «die Sprache wie weg war*.
de Gouvea (1408) hat bei Epileptischen statistische UntersucHungen gemacht nnd
unter 68 männlichen Epileptikern 13mal bald vorObergehende Erbliadang, bald Spasmns
des Orbicularis oder des Accommodationsmuskels gefunden.
S) Bei Hysterie.
§ 343. Bei der H y s t e r i e ist der Sitz des Blepharospasmus dann als kortikal
zu betrachten, wenn er durch Suggestion zu beseitigen ist.
Der hysterische Blepharospasmus kann plötzlich auftreten in der Folge
eines Anfalls, wie jeder andere hysterische Spasmus oder jede andere hysterische
Kontraktur. Meist kommt er auf reflektorischem Wege unter mehr oder
weniger shokartigen Erscheinungen zu Stande, um sich dann als Dauerwirkung
so lange im Nervenleben eines Hysterischen zu etabliren, bis durcbSuggestion
oder Autosuggestion die Heilwirkung erzielt wird.
Als Beispiel möge hier der folgende Fall von Mercanti (1409) dienen.
Derselbe beobachtete einen hartnäckigen Blepharospasmus bei einem 12jfthrigen hyst^
rischen Mädchen, der ursprünglich durch Pblyktfine hervorgerufen, trotz HeUung deiaelbeo
zwei Monate fortdauerte und schliesslich die Gesichtsmuskeln in Mitleidenschaft zog. Dorck
Suggestion wurde augenblickliebe Heilung erzielt. Wie sehr die als tonische Form des
partiellen hysterischen Blepharospasmus pag. 477 beschriebene Ptosis pseudoparalytica itt
Suggestion zugänglich ist, hatten wir dort hervorgehoben.
Häufig stellt sich auch der Blepharospasmus hystericus ein, wenn schon
andere hysterische Erscheinungen eingetreten waren.
So erzählt Burckhardt (1410) von einem 12jähri^en, sehr schw&chlichen, pejcho-
pathisch beanlagten Mädchen, das durch einen Fall auf das rechte Knie eine geringe Sjrao-
vitis erworben hatte, nach deren Heilung sich im Verlaufe von ca. zwei Jahren eine Kos-
\
KrampFzuötanile im oiieren Facialisgebiet 621
iktur den rechten Beines eingestellt hatte, welche mit einer Hyperästhesie der Haut bis
herauf zu den Nntes verbunden war. Eine Zeit lang ging diesem Leiden parallel eine Kon-
traktur des rechten Arms, and Spasmus des rechten oberen ÄugenlideSp die indessen spontan
zarückgingen.
Einen eigenthümliclien hierher gehörigen Fall beschreibt Schubert {1411).
Bei einem jungen^ neuropathisch belasteten Müde hen war das erste Mnl im November
1880 Blepharospasmus aufgetreten Derselbe hatte eine knge Reibe von Monnten angedauert
and zeigte sich nun nach einem 5 jäJirigen Zeitintervall auf dem anderen Auge. Es
war eine ausgedehnte Hyperiiathesie der betreffaniJen Kopf- und Gesicbtshälfte vorhandeu.
Hei der er&ten Erkrankung fand sich njitten im befallenen Ciebiet© eine Stelle normaler,
vielleicht auch subnormaler Empfindlichkeit, ungefähr dem Bezirke des Nervus infniorhitalis
entsprechend. Das Auftreten des BlepharoBpastnus wurde von einem schmerzlosen^ rothen
Ausschlag eingeleitet, der an den Lidern beider Augen successive sich entwickelte
(vergleiche unsere Beobachtung pag» 467 Fig. 94>. Ebenso schloss ein in der Gegend
des Jochbogenfortsatzes auftretender Herpes ins die Beihe der Anfälle bei der ersten Er-
krankung ab. Die zweite Affektion war mit heftigen Supraorbitalneuralgien verbunden.
In beiden pathologischen Perioden war neben den e^pastischen Erscheinungen an den Qe-
sichtsmuökeln nur achwache Ptosis zeitweise erkennbar.
In welcher Form sich auch der hysterische Blepharospasmus darstellen
naag, fast immer ist er mit anderen Störungen des optischen Apparates
verknüpft. Es gelien ihm oft Dyschromatopsie, Photopsie, accommodative und
nervöse Asthenopie und Kontrakturen der äusseren Augenuuiskeln voraus
oder begleiten ihn.
So hat nach Gilles de la Ton rette |1412, pag. 401) Ä. v. Graefe Kontraktur
des Internus^ Spasmus der Accommodation, Landesberg {141B) in einem Falle Blepharo-
spasmus, Accommodationskrampf und tonische Kontraktur des M. rectus intenms, im andern
Falle Photopsien, accommodative und retinale Asthenopie dabei beobachtet.
Harlan (1414) sah auf dem rechten Auge Spasmus des Dilatator pupillae, Accommo-
dationsbescbränkung, konzentrische EinschrfinkuDg des Gesicbtsreldes bei zeitweiligen
heftigen Blepharospasmen auftreten. Durch einen imitirten Magneten» der aus Holz ange-
fertigt war^ wurde die Affektion geheilt.
Bei dem tonischen Blepharospasmus hystericus unterscheiden die Franzosen
einen Spasmus non douloureux von einem Spasmus douloureux.
Bei dem ersteren existire nach Gilles de la Tourette {1412) eine antisthe-
tische Zone über dem ganzen Orbicularisgebiet. Die Conjunetiva bulhi et
palpebrarum sei dabei ganz anästhetisch, die Cornea bewalire ihre Sensibilität
Bei dem Blepharospasmus douloureux mit Photophobie und Thränen-
t räufeln bestehe dieselbe Zone in der Umgebung des Lides. Dieselbe sei aber
hyperästhetisch und daraus erklärten sich die periorbitalen Schmerzen, welche
denselben begleiten, weil die Haut beim Anstreifen sehr empfindlich sei.
Als hysterisches Stigma bezeichnet Blocq (1415) die Erscheinung, dass
Anästhesie häufig an den von Krampf befallenen Theilen z. B. dem Spasmus
des Augenlids aufträte. Gewöhnlich fände sich bei dem Blepharospasmus,
Anästhesie der Lider, der Hornhaut, der Umgebung des Auges, sowie Am-
blyopie etc.
Auch wir konnten, allerdings nur in vereinzelten Fällen, diese Angaben
bestätigen.
622 ErampfzastäDde im oberen Facialisgebiet.
2. Reflektorischer Krampf des Orbicularis als funktionell-nervOse
Erscheinung.
a) Aus dem Gebiete des Trigeminus.
§ 344. Da beim Menschen Beize, welche namentlich die Trigeminnsyerzweig-
ungen des Auges treflen, reflektorisch Lidschlag erzeugen, so genügen oft schon
geringe Erregungen, um bei Nervösen und Hysterischen einen heftigen Spasmus
des Orbicularis zu bewirken. Ebenso kann bei Nervösen auch nach der Heiliu^
von Hornhaut- und Hautaffektionen der Blepharospasmus noch lange nachdauern
und zu einem Gewohnheitskrampfe werden, wie wir dies pag. 616 angeführt haben
Jedoch muss man hierbei nach Koller (1416) bedenken, dass auch an dieser
hartnäckigen Fortdauer eines Blepharospasmus scrophulosus nach erfolgter
Heilung der Hornhaut- und Bindehautaffektionen, oberflächliche Fissuren der
Haut die Schuld tragen können, welche sich an der äusseren und theilweise
auch an der inneren Commissur während des Bestehens der Augenerkrankong
selbst gebildet hatten.
Wie leicht bei Hysterischen ein geringes, die Trigeminusäste des Auges
treffendes Trauma Orbiculariskrampf erzeugen kann, zeigt folgendes Beispiel
So wurde in einer Beobacbtnng Lasdgue's (1417), nachdem gegen das rechte Äugt
eioes 14jährigen Mädchens eine Hand voll Sand geworfen war, und einige Sandkörner eioei
vorübergehenden lokalen Reiz auf die Gonjunctiva ausgeübt hatten, zuerst ein Blephiro-
spasmus des rechten Auges von viermonatlicber Dauer, und anschliessend daran eine Beike
von hysterischen Erscheinungen beobachtet.
Sehr häutig Yufen leichte Kontusionen der so empfindlichen Umgebung
des Auges langdauemden Blepharospasmus bei Hysterischen hervor.
So war nach Leber (1418) einem Knaben mit dem Knöchel in die Gegend deslinkeB
Auges gestossen worden; es folgten Lichtblitze, mehrstündiger Schmerr, auch sollen ge-
kreuzte Doppelbilder aufgetreten sein. Später trat Accommodationsspasmus auf. Anschliessend
daran wird ein Fall von Blepharospasmus, entstanden nach Verletzung an der Austntts-
stelle des rechten M. infraorbitalis, erwähnt, welcher durch wenige MorphiuminjektionaB
dauernd geheilt wurde.
Seeligmüller (1419) beobachtete einen Fall von tonischem Blepharospasmus, weldMr
willkürlich darch Druck auf die hinteren Backenzähne des Unterkiefers und auf einige
andere Körperstellen hervorgerufen werden konnte.
Auch durch Druck auf die verschiedensten Körperstellen lässt sich bei
Hysterischen zuweilen Blepharospasmus erzeugen oder auch derselbe unter-
brechen, wie z. B. in einer Beobachtung von Zehen der (1420). Schon
A. V. Graefe hatte bekanntlich auf die den Krampf hemmenden Druckpunkte
aufmerksam gemacht.
Auch des von Chvostek gefundenen Facialisphänomens bei
Tetanie muss hier Erwähnung geschehen. Fährt man nämlich mit dem
Stiel des Perkussionshammers oder mit der Fingerkuppe über die Zweige des
Pes anserinus major hinweg, so treten als Ausdruck einer gesteigerten
ReHexerregbarkeit lebhafte Zuckimgen in der Gesichtsmuskulatur auf.
Parinaud (1423) fand Blepharospasmus bei einem 5 jährigen Kinde mit Verieizoiig
der Oibita in den tetanischen Anfällen und auch ausserhalb derselben auf der nicht Ter-
litzten St'ite und starke Kontraktion des M. rectus exteinus.
Krampf zu stände im obereu Facialisgebiet
Loos (1422) hat jedoch Dachgewiesen, dass das Facialisphänomen nicht
der Tetanie allein zukomme. Er fand dasselbe bei einer Anzahl mit den ver-
schiedensten Krankheiten behafteter Kinder, konnte es aber auch bei 14
Knaben und 13 Mädchen nachweisen, die kein bestimmtes Leiden hatten.
Die Patellarretiexe waren in einem Drittel der hierher gehörigen Fälle nicht
erhöht.
Beim Starrkrampf ist nacli Gowers (1421) der Frontalis etwas kon-
trahirt, und die Lidäpalte etwas durch Kontraktion des Orbicularis verkleinett
ß) Funktioneller Reflexkrampf des Orbicularis palpebrarum
ausgebend von Reizungen des Nervus opticus.
§ 345. Während Reflexkrämpfe des Augenschliessmuskels nach organi-
schen Läsionen nur durch Reizungen des Trigemiuus bewirkt werden, tritt
bei funktionellen Refiexkrämpfen des Orbicularis palpebrarum der Nervus
opticus gleichwerthig neben dem Trigeminus als Vermittler derselben auf.
DasB aber Lichteinflüsse leicht einen Reflexkrampf auslösen können, ist leicht j
verständlich, wenn man berücksichtigt, dass starkes Licht unter normalen
Verbältnissen eine reflektorische Kontraktion dieses Muskels bewirkt, Nervöse
und Hysterische aber meist schon durch das gewöhnliche difluse Tageslicht
stark geblendet werden. Dass starke Licht einflüsse Erscheinungen ähnlich
der Schneeblindheit (siehe Berlin, pag. 614) hervorrufen können, beweist fol-
gende Beobachtung Prat's (1424).
Derselbe berichtet, «iaas bei einem Ingenieur, deiäen Gesicht etwA 40— 50 cm voiieioem
elektrischen Lichtkürper entfernt war, und welcher den Kob]etia]iitzeniibstand durch Scbrau-
ben regiiHrte, etwa riöun Stunden nachher heftige ächmorzeu und völhge Blindheit auf-
getreten sei. Die Bindehaut war stark gerüthet und geschwollen und sonderte ©in
schleimig-eiteriges Si'kret ab; ausserdem bestanden sehr scbmorzbaftee Brennen, Photo-
phobie und starker B 1 e p h a r o s p a s ni u s.
Saint-Änge (1425) sah hystetiscbe Ä^tnaurose zugleich mit Blepharospasmus
und Verengerung der Pupille auftreten.
Viele Fälle der pag. 477 beschriebenen Ptosis pseudoparalytitiue sind
durch Blendung entstanden.
S346. Auch bei nervo sen Kindern mit den Erscheinungen der ^nervösen
Asthenopie" sehen wir als Ausdruck des Geblendetwerdens durch das ge-
wöhnliche Tageslicht leichte tonische Kontraktionen im Gebiete des oberen
Facialis auftreten, wie dies sehr schön durch die Abbildung (Fig. 140 p, 624)
des von uns beobachteten Falles illustrirt wird.
A. B., 10 jähriger Junge, hereditär nenropathiach belaBtet, klagt über Liehthlendung,
Photopsien und zeitwcisee Doppeltsehen j auch zuweilen Makro- und Mikropsie. Das Ge«
aichtsfeld, kanzontriseh vorengt, zeigt alhurasche Ermtldungserscheinungen. Es besteheii
ftü einzelnen Stellen Uautanästhesien.
Bei mageren hysterischen Individuen kann dann leicht als Folgeznstand
eines solchen Spasmus des Orbicuhiris nach Lichtblendung ein Entropium
spasticum entstehen, wie in dem folgenden, von uns beobachteten Falle
(Fig. 139 p. 624).
i
624
Krampf znstftnde im oberen Facialisgebiet.
Fig. 139.
B. C. Entropium spasticuoi bei Hysterie.
Fig. 140.
A. B. Leichte Kontraktionen im oberen Facialis-
gebiet bei nervöser Asthenopie.
B. C, 20jfthrige8 Midchen, vk
mager, hereditär nicht belastet, klagt fiW
asthenopische Beschwerdeo, Lichtblendug.
zeitweises Doppeltsehen, Farbensehen mj
Aufregung. Es besteht Globus hjsterieaL
eine weinerliche Stimmang, beiderschi
hochgradige konzentrische GesicLtsfeM«!*
schrankung fOr Weiss und Farben. Die
vasomotorische Erregbarkeit ist eriiokl
Der Rachenreflex fehlt, ebenso der Cornctl-
reflex. Die 8ensibilitfit ist intakt.
§347. Das Zustandekommen eines
solchen Entropium spasticum erklärt
sich nach Fuchs (1426) folgender-
massen: „Die Fasern der Lidportion
des Orbicularis beschreiben Bogen
in doppeltem Sinne. Die eine Krüm-
mung ist dadurch gegeben, dass die
Muskelfasern die Lidspalte umkreisen.
Die Konkavität dieser Bögen i$t
demnach der Lidspalte zu und ist
am oberen Lide nach abwärts, am
unteren Lide nach aufwärts gerichtet
Die Krümmung der zweiten Art ist
dadurch bedingt, dass sich die
Muskelfasern mit den Lidern an die
vordere konvexe Fläche des Bulbas
anschmiegen; die Konkavität dieser
Bögen sieht an beiden Lidern nach
hinten. Wenn sich die Fasern des
Orbicularis kontrahiren, trachten sie
vom Bogen zur Sehne sich zu Ter-
kürzen. Dabei üben sie eine doppelte
Wirkung aus: durch Ausgleichung
der Krümmung ersterer Art verengem
sie die Lidspalte; durch Ausgleichung
der zweiten Art von Krümmung
drücken sie die Lider an die Ober-
fläche des Bulbus an. Solange d&s
Andrücken in der ganzen Höhe des
Lides in gleicher Weise erfolgt, hegt
dasselbe überall gleichmässig dem
Bulbus auf. Anders, wenn aus
mechanischen Gründen der eine oder
andere Theil der Lidportion das
Ueberge wicht bekommt, sodass das
Krampfzustfinde im oberen FAcialisgebki. 625
!iid an einer Stelle stärker nach hinten gedrückt wird, als an der anderen.
renn die dem Lidrande zunächst gelegenen Bündel das Uebergewicht über
Jdie peripheren Portionen des Muskels erlangen, so wird der Lirirand nach
rückwärts umgestülpt, und es entsteht ein Entropium,*^
Damit ein solches zu Stande komme, sind zwei Bedingungen nülhig, mangel-
hafte Unterstützung des freien Lidrandes imd reichliche, dehnbare Lidhaut.
Daher genügt die tiefere Luge des Bulbus in d(*r Orbita, wie sie bei mageren
Leuten besteht, gleichzeitig neben krauiplbitfter Anspannung der Muskel-
fibrillen zur Entwickelung eines Entropium spasticum.
y] Durch Vermitteliing des Syrapathicus bei Reizung des Darms
durch Eingeweidewürmer
soll reHektoriscli Blepharospasmus entstehen,
§ 348. Sq berichtet Andogsky (14*27) über zwei Fälle, in weli-hen die Reizung (lt?a Dtirms
durch Helmiathen Kontrakttonen im M. orbicuLiris pulpebr. bewirkt biitte. In dem ersten
FtilJe handelte es gich bei einem 15jlihngeu Mäiiehen um einen tonisi-ben Krampf lÜeeo»
Muskela. Die Pupille war erweitert and zeigte iiar eine geringe Reaktion, Liebtgcbeu war
indessen nicht vorhanden, ebenso liesson sich keine anderen krankhaften Erscheinungeji von
Seiten des Nervensystfms nflchwei&en. Ein ge Wochen später wurde die Anwesenheit einer
Taenia soltnm konstatirt; tnit der Abtreibung derselben verschwand sofort der Krimipf in
den Au^eulidern.
Andogsky weist darauf hin, dass in diesem Falle eine direkte lieber-
tragung des Reflexes von den Zweigen des Sympathicus im Darm auf
den Nervus facialis anzunehmen gewesen sei.
In dem folgenden Falle desselben Autors wirkte die Üarmreizung dnrch
Vermittelung des Sympathicus zunächst auf die Netzhaut und von da auf
die Zweige des Facialis.
Der Fall betraf ein lljkhriges Mädchen mit den heftigsten Kräniikfen beider Augen*
lider^ die ganz plotzhch aufgelroten waren. Die Patientin suchte in jeder Wefae d:*s Licht
abzuhalten und konnte in einem erleuchteten Zimmer absolut nicht sehen. An den Augen
liess sich ein Grnnd für die Affektiun niobt auffit^den. Die AllgpineiiiunterBUchung ergab
kein weiteres Moment, ab dna Vorhandensein K^^oaser Mengen von Eiern von Aacaris lum-
bricoiilea und Oxyuris vermicularis in den Faeces. Die Anwendung anlihelmintliischer
Mittel führte den Abgang von rm^breren Oxyares vermiculares un«i eines Asearia lumhri-
coides herbei und beseitigte den Knimpf Ebenso konnte dos Mädchen wieder vollkommen
frei m dits Lk-fat aeken. Hysterie hig in beiden Fällen sicher nicht vor;
Nach der Beobachtung Sokolow*B (1428) trat bei einem auch snnat gesunden Sol-
daten ein rechtahcitiger Lidkranipf auf, der über vier Monale jeder Behandlung trotzte und
deo Patietiten sehr belastigte. Der Patient erkrankte daran f an lokaler Peritonitis und
wurde ini^i Spital aufgenommen, wo am vierten Tage nach der Aulnahme beim Erbrechen
ein KnAuel von IG todten Spulwürmem ausgeworfen wurden am da rduf folgenden Tsge
fingen wieder einige ab.
c) Der Tremor der Lider,
§ 349. Als eine dem Status nervosus eigenthüniliche Erscheinung ist ein
Tremor der Oberlider zu erwähneD, welcher dann auf tritt, wenn man den Patienten
626 ErampfzustAnde im oberen Facialisgebiet.
auffordert , wie zum Schlafe das Auge sanft zu schliessen. Er wird am
häufigsten während der Attaques de sommeil (Charcot) beobachtet Mm
sieht dann eine konstante Vibration der geschlossenen oder halbgeschlossenen
Augenlider von geringer Intensität, wobei man genau zusehen muss, weQ
dieselbe oft auf den ersten Blick nicht in die Augen fallt.
Auch bei vielen sonst gesunden Individuen entsteht das als Rosen-
bach ^sches Phänomen bekannte Zittern des Oberlides, bezüglich d^sen
Entstehungs weise wir uns pag. 55, § 33 bereits genügend ausgesprocben
haben.
Hoedemaker (1429) berichtet über einen Fall von Zittern der Aagenlider, Immi-
ders der oberen beim Schlass der Angeo, und auch im Corrugator supercilü bei einem Falk
von typischer Herdsklerose bei einem 8jährigen Jungen.
Von einem ähnlichen Falle berichtet Victor Gohn (1430). Es handelte si^ n
eine 34jährige Patientin mit multipler Sklerose und Intentionszittem in der Fadaütaif-
kulatur. Die Gesichtsmuskulatur war sehr schwer beweglich, Stirnmnzeln anmöglieL Dit
Schliessung und Oefifnung der Augen verlangsamt, dabei fortwährendes Zittern der Aagn-
lider. Motilität der Muskulatur des Mundes, der Lippen, des Unterkiefers und der Zage
mehr oder weniger beeinträchtigt; Zitterbewegungen der Lippe beim Versuche zu spreeket.
Wir selbst haben exquisites Zittern der Augenlider bei Basedow be-
obachtet, wenn man die Patientin aufforderte, die Augen zu schliessen, und
ferner in folgendem Fall von peripherer Facialislähmung:
£8 handelte eich um eine 20 jährige Handlungsgehülfenfrau, die plötzlich in der Nack
eine Empfindung bekam, als ob die Zähne auf der linken Seite ausfielen. Am anderen Morgei
konnte sie das linke Auge nicht schliessen, und im linken Mundwinkel machte sich eis
Gefühl von „Angeschwollensein" bemerklich.
. Nach einiger Zeit konnte das linke Auge bis auf einen 7 mm grossen Spalt fjt
schlössen werden, wobei der Bulbus unter zuckenden Bewegungen nach oben floh. Forderte
man nun die Patientin auf, beide Augen leicht zu schliessen, so traten auf dem gesood«
rechten Auge sehr starke, auf dem linken weniger starke, aber isochrone, feinsch lägige Zock-
ungen des oberen Lides auf.
Dieser Unterschied in der Stärke des Rosenb achschen Phänomens
erklärt sich daraus, dass das in § 33 pag. 55 beschriebene Widerspiel anta-
gonistischer Kräfte wegen Schwäche des linken Orbicularis nicht in derselbai
Weise, wie am normalen Auge zustande kommen konnte.
LühmuDgs^ustäDde im oberen Facialis gebiet.
627
Kapitel X.
Die Lähmungszustände der vom Augenfaeialis ver-
sorgten Muskulatur,
Allgemeines und Symptomatologie.
§ 350. Die Lähmungszustände des Musculus orbicukris oculi, des Corru-
gator und Frontalis sind meist eine Theilefscheinung der kompleten Facialis-
lähraung und diunit ein häufig vorkommendes Krankheitsymptom, Da aber
die koraplete Facialislähmung meist die Folge einer nuclearen, iofranudearen
oder peripheren Lähmung des Facialis ist, so hängt auch die Orbicularis-
lähmung meist von organischen Läsionen innerhalb des eben berührten Ge-
bietes ab, denn die kortikalen und subkortikalen Affektionen des Facialis-
gebtetes befallen dauernd meist nur die Mundzweige dieser Nerven. Dass
aber auch hiervon Ausnahmen vorkommen, ist in der anatomischen Einleitung
schon gesagt und wird in dem weiteren Verlaufe dieses Kapitels kasuistisch
gezeigt werden.
Selten ist dagegen eine Lähmung der vom Augenfacialis versorgten
Muskulatur für sich allein. Des gemeinschaftlichen Vorkommens einer
Lähmung des oberen Facialis mit Ptosis der gleichen Seite ist bereits auf
Seite 115 genauer Erwähnung geschehen.
Die Orbicularisläbmung als Theilerscheinung der Facialisparalyse kann
schnell und langsam entstehen, je nach der Art der ursächlichen Momente.
Zuweilen ist das Auftreten der Facialislähmung mit Schmerzen verbunden^
welche dann auf eine gleichzeitige Affektion sensibler Nervenzweige aus dem
Quintuagebiete zu beziehen sind. Frankl-Hochwart nimmt an, dass sensible
Fasern aus dem Quintus im Facialis verlaufen. Wie die Facialislähmung
einseitig und doppelseitig gefunden wird, so begegnen wir auch als Theil-
erscheinung derselben einer einseitigen und doppelseitigen Lähmung des Orbi-
cularis resp. der gesammten vom oberen Facialis versorgten Muskulatur, die
sich dann in den verschiedensten Intensitätsgraden manifestiren kann.
Bei der kompleten Fadalislähmung sind selbstverständlich alle vom
Facialis versorgten Muskeln gelähmt, bei der inkompleten zeigen sich nur
einzelne vom Facialis versorgte Muskeln oder Muskelgruppen insufficient.
Daher ist die isolirte Lähmung der oberen Facialispartie klinisch als eine
inkomplete Facialislähmung aufzufassen, wenn auch anatomisch und physio-
logisch begründete Bedenken dagegen erhoben werden könnten, wegen des
supponirten Ursprungs der oberen Facialisfasern aus einem getrennten
Rindencent rum, oder aus einem anders lokal isirten Kerne. (Mendel) Jeden-
falls muss aber auch hier schon auf die analoge Erscheinung, welcher wir
Wilbrand-fimaDger, Neorologle dea Au««a. 1. BJ. IL AUheÜnng. 41
628 Lfthmangszostände im oberen Facialisgebiet.
beim Oculomotorius begegnet waren, hingewiesen werden, dass ancb bei
Stammerkrankungen des Nervus facialis dann und wann einmal eine
Lähmung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen gefunden wird, wie wir dies
bereits auf Seite 597 hervorgehoben hatten.
Wir begegnen den Lähmungen des oberen Facialisgebietes sowohl bei
organischen Läsionen, als auch, wie einzehne Autoren meinen, als Ausdruck
rein funktionell nervöser Zustände.
Bei der einseitigen Facialislähmung finden wir die Querfalten der Stirn-
haut nur auf der gesunden Seite ausgeprägt. Die Stimliälfte der gelShmta
Seite erscheint wegen Lähmung des Frontalis glatt, die Runzeln sind ver-
strichen und die Zusammenziehung der Augenbrauen ist unmöglich geworden.
Bezüglich der Stellung der Augeifbrauen der gelähmten Seite bestehen mm
Verschiedenheiten, die theilweise im Alter, theilweise in den GewohnheiteD
der Patienten begründet sind. Denn bei jugendlichen Individuen steht die
Augenbraue der nicht gelähmten Seite um ein Geringes tiefer, weil dicseihe
durch den erhalten gebliebenen Tonus des kräftigen Orbicularis in ihnr fl»*
sammtheit mehr nach der Lidspalte hingezogen wird (vergleiche Fig. 141
und 142). Bei älteren Personen aber mit tiefen Stirnfalten, und zumeist bei
solchen, welche gewohnheitsgemäss den Frontalis stark kontrahirt halten, ist
das Umgekehrte der Fall, weil hier durch den relativ vermehrten Tonus des
gesunden Frontalis die Augenbraue der gesunden Seite höher gezogen wird.
Beim gewöhnlichen Blick geradeaus sehen wir die Lidspalte der ge-
lähmten Seite weiter klaffen, als die des gesunden Auges, eine Erscheinung,
welche durch den Antagonismus des Levator und des glatten Lidmuskels
(siehe pag. 577), sowie durch die Schwere des Unterlids hervorgerufen wird.
Nach der Lähmung des Orbicularis wirkt eben dem vereinigten Tonus des
Levator und M. palpebrae superioris lediglich nur noch die Schwere des Ober-
lides entgegen, und wir sehen demgemäss in Figur 143 das Oberlid der
gelähmten Seite höher stehen, als das der nicht gelähmten. Anderseits wissen
wir, dass durch den Tonus der unteren Partie des Orbicularis das Unterlid
gehoben und an den Bulbus angepresst erhalten wird. Nach erfolgter LShmong
des Facialis sinkt dasselbe, unterstützt durch das Ueberwiegen des Tonus des
unteren Palpebralmuskels und durch die eigene Schwere herab, sodass die
untere Lidkante (siehe Fig. 143) mehrere Millimeter unter dem Homhautiande
stehen kann. Ob dabei auch der Fascienzipfel vom Rectus inferior (siehe 13a,
Fig. 8, pag. 22) nicht ganz unbetheiligt ist, bleibt dahin gestellt. Die vor-
erwähnte retrahirende Wirkung des Levator macht sich nun bei to*-
schiedenen Individuen in verschiedener Weise geltend. Wir hatten sdiOB
auf Seite 42, § 30 hervorgehoben und erklärt, wie bei der Facialislälimnv
trotz des Unvermögens, willkürlich einen Schluss des Auges hervorzubringeB
(siehe Fig. 16 und 17), doch die Lider bei Senkung der Blickebene in fiut
normaler Weise in Form der Mitbewegung sich senken, und ist an diesen
Abbildungen eigentlich nichts von einer Retraktion des Levator zu beobachteiL
Ganz anders stellt sich dagegen die kontrahirende Wirkung dieses Muskels
r E. F. Rerhis komplct«' Faohilisliihmuiig, jugeiui*
I liches Itidivitlimm. FinstcriT GcsirlitÄiiustlruck.
Fig. 14:i.
il. J. EecJila komplele FIR'illli^l^lhInuug, Weitere
Lidspnite nlh llok» durch Zug vom Ober- uml
Unterlid.
Fig. 142.
E. F Eeehta koiuplete Faeiuli6?lül]muog, jugend-
liche» iudividuuEu. Blick gerail« aus.
Flg, 144.
T. V. Rechts komplete FaetaJislähiiiuiig. Blick
nach unten. Retraktion des Überlidt;« durch
Ucbenriegeu dc^ Levatortonuä,
4f
i
630
Lähm 11 Bgs zustände im oberen Facialiagebiet.
vor in der Abbildung^ Figur 144, in Tivelcher eine ziemlich bedeutende Zurfick-
ziehung des Oberlides durch den Levator auf den ersten Bh*ck ersichtlich ist
Ueber ein noch bedeutenderes Hervortreten dieser Erscheinung beriditel
Fuchs (1439).
Derselbe heobacbtete einen 13 jährigen Kranken» der sieb in seinem S. Lebongib
nach einem Süirze neben einer SehlldelbHsiafraktur eine Lähmung des Facialis, des Abdflcm
und Pare**e der motorischen Partien dos Trigeminus zugexogen hatte. InieredsaDl an dieaoi
Falle war, dass die Lidspalte um 5 mm weiter hIh die rechte blieb. Beim Yeianelie, iu
Auge zu schlieaüen, blieb die Lidspalte ungewöhnlich weit offen.
Es scheinen also auch hier individuelle Verschiedenheiten in derpag. 42
§ 30 erwähnten Kichttuig vami-
liegen-
Bekannüich hat Sharlej
(109) das Klaffen der Lidspalte U
Morbus Basedowii auf diese Er-
scheinung bezogen, indem er glaiibU;,
der Orbicularis sei in seiner Eigen-
schaft als Antagonist des Lev&tot
bei der Basedowschen Krankheit
durch Inaktivität geschwächt, wo-
durch schliesslich das Gleichgewiclit
zwischen demSchliess* und Oeffnung»-
muskel zu Ungunsten des ersteres
aufgehoben würde, und so ein Ueber-
gewicht und eine Retraktion des Le-
vator palpebrae zu Stande käme.
Bei festem Zukneifen des g^
Sunden Auges wird bei älteren Indi-
viduen die schlaffe Haut der Stini
und Augenumgebung der gelähioteo
Seite in der Kichtung nach im
inneren Augenwinkel der nicht gt-
1 ahmten Seite hinübergezogen, w(^
durch die sonst vertikal Terlaufenden Stirnnasen falten (vergleiche Fig. Itö]
nun den Verlauf einer zusammengerefften Gardine annehmen. AnA
die Hautfalten des gelähmten Unterlids sind bei älteren Leuten häufig ver-
strichen, weil der Tonus der gelähmten Wangenmuskulatur aufgehoben ist,
und die, je nachdem schwer oder weniger schwier herabhängende Haut jene
Falten durch Zug ausgleicht.
Durch die Lähmung des Orbicularis ist der willkürliche und redek-
torische Lidschluss unmöglich geworden , ausser bei den supranucleän?o
Lähmungen. Zwar bemerken wir synchronisch mit dera gesunden Auge eine
ganz rudimentäre, auf Seite 31 § 25 erklärte Blinzelbewegung des OberÜdi
der gelähmten Seite; dieselbe reicht aber nicht aus, um das Lid über einen
nur kleinen Theil der Hornhaut zu führen, und damit unterbleibt die phrsiö-
Fig. 145.
L. N. Rechts kompletc? Facialijslähmiing. V^r-
aiehung der Ilaut iiuch dem Augi-iiwitikei des
gecund(!D Auges.
i
logische Bestimmung des Blinzelreflexes: die Hornhaut feucht zu erhalten
und die angeflogenen -Staubtheilchen von ihr wegzukehren. Durch die Zu-
nahme der taktilen Reize bei erweiterter Lidspalte wird nun reflektorisch die
Thränenabsondenmg, die bei Manchen durch die Abhebung des Unterlids (das
paralytische Ektropium) und die Eversion der Thränenpunkte noch gesteigert
wird, vermehrt, und das so lästige Ueberlaiifen der vermehrten Thränenmenge
begünstigt ^).
5^ 351. Diese gesteigerte Thränenahsonderung ist aber ein für die Erhaltung
der Hornhaut wichtiger Faktor, indem sie während des Tages und im
wachen Zustande durch häufiges Ueberschweramen des Auges mit Feuchtig-
keit in gewisser Hinsicht den Lidschlag ersetzt, die Hornhaut feucht erhält
und die wegen der erweiterten Lidspalte in vermehrter Menge angeflogenen
Staub th eil eben wegspült. Zur gleich massigen Vei theihmg der Thränenflüssig-
keit über den vorderen Bulbusabschnitt tragen dann noch die Bulbusbeweg-
ungen das ihrige bei. Während des Schlafes aber, wo der Litlschlag aus-
bleibt, die Bewegungen des Augapfels so gut wie aufgehoben sind, und die
Thriinenahsonderung wegen Verringerung der taktilen Reize auf Hornhaut
und Conjunctiva eine geringere ist, steigt jedoch die Gefahr für die Aus-
trocknung [der Cornea. Zwar wendet sich im Schlafe die Hornhaut meist
etwas nach oben (vergleiche pag. 519), und wird dieselbe durch das erschlaffte
Oberlid zum grössten Theile und zumeist in ihren oberen ZweiJ rittein bedeckt,
es bleibt aber leicht bei älteren Individuen mit erschlaffter Haut das untere
Lid vom Bulbus abgehoben und gesenkt, wodurch das untere Segment der
Hornhaut unbedeckt, und das Epithel derselben der Vortrocknung und der
Entwickelung geschwüriger Prozesse (Keratitis e lagophthalmo) ausgesetzt bleibt.
Bollin (IMO) berichtet Über einen derartigen Fall von linksseitiger Facinlisparalyae,
bßi wekbem das Äuge nach geschwüriger Perforation der Eiornhaut in Folge von Lagoph-
thiilmua zu, Grunde gegangen ist.
In den Anfangsstadien dieses Zustandes iinden wir in dem permanent
klaffenden Theile der Lidspalte die allen äusseren Insulten ausgesetzte Con-
junctiva etwas geschwollen und geröthet. Zähe Schleimdocken bedecken am
Rande des Unterlides die Hornhaut. Durch Eintrocknen des Sekretes ist
das untere Segment der Hornhaut oft von dicken Krusten überdeckt, bei
deren Entfernung dieselbe getrübt erscheint und schliesslich in geschwürigen
Zerfall geräth.
Aus dieser Darstellung geht hervor, dass der Schlaf und das Alter ganz
besonders die Entwickelung der Keratitis e lagophthalmo begünstigen; denn
dieses Abstehen des Unterlides macht sich nur bei älteren Personen und dort
umsomebr geltend, je massiger und damit um so schwerer nach unten drückend
die Haut der Wange gewesen ist. Bei jugendlichen Individuen aber, voraus-
1) Auf das Versiegen der Thränenabaonderung bei Facialislähmung wird im nächsten
Bande näher eJDgpgangea.
i
632 LfthmangszoBtände im oberen Fftcialbgebiet.
gesetzt, dass die Facialislähmung nicht schon lange Zeit bestanden hat
genügt die normale Elastizität der Haut, das Lid g^gen den Balbos noch
angepresst zu erhalten. Wie sehr überhaupt bei jugendlichen Individuen die
Lähraungssymptoroe selbst bei kompleter Facialisparalyse durch die Elasti-
zität der Haut gemindert werden, erkennt man sehr deutlich aus den Ab-
bildungen Fig. 141 und Fig. 142. Hier besteht eine komplete rechtsseitige
Facialisparalyse, und wir sehen trotzdem nur einen ganz geringen Tiefstand
des rechten Mundwinkels, eine kaum merkbare Erweiterung der rechten Lid-
spalte und einen geringen Hochstand der rechten Augenbraue. In Figur 141
stellt sich uns dieselbe Patientin vor, bei dem Versuche ein finsteres Gesicht
zu machen.
§ 352. Den analogen Zustand der Homhautvertrocknung mit Geschwürsbil-
dung durch permanentes Klaffen der Lidspalte sehen wir in schweren fieberhaften
Krankheiten auftreten, in welchen durch Trübung des Bewusstseins die Augen
nicht mehr geschlossen werden. Das Austrocknen der Hornhaut wird hierbei
durch das Versiegen der Thränenabsonderung im somnolenten Zustande unter-
stützt. Meist sehen wir dann, ehe es zur Eintrocknung kommt, die Homhaat
gleichfalls mit dichten, zähen Schleimmassen bedeckt, die scharf mit dem
Rande des Unterlides abschneiden, und welche dann dem Unerfahrenen leicht
als schon vorhandene Infiltration der Hornhaut mit Geschwürsbildung im-
poniren. Noch in späteren Jahren kann man aus den im untersten Horn-
hautsegment zurückgebliebenen Narben anamnestisch bedeutsame Schlüsse
ziehen auf eine geheilte Keratitis e lagophthalmo , die dann meist die Folge
einer vorhanden gewesenen Meningitis, oder einer mit Benommenheit einher-
gehenden Infektions-Krankheit (Typhus etc.) gewesen ist. In der Regel werden
dann diese Veränderungen sich doppelseitig nachweisen lassen, oder wird man
aus der Anamnese erfahren, dass auch das jetzt gesunde Auge ebenfalls, wenn
auch nicht so stark, aftizirt gewesen sei. Als Beispiel möge der folgende Fall
aus unserer Beobachtung dienen.
Der 14 jährige Baaernjunge N. 0. woi'de wegen Blindheit auf dem einen Auge ans
zugeführt. Die Untersuchung ergab, dass rechterseits eine alte weisse Trübung das iiDtere
Hornhautsegment einnahm, und dass die Iris an dieser Stelle mit der Humhaut verwachseD
war (Leukoma adhaerens). Das Pupillargebiet auf diesem Auge war irei. Auf der analogfn
Stelle der anderen Hornhaut war nur eine alte rauchige Tiübung yorhanden. Der Augen-
spiegel Hess auf dem rechten Auge eine einfache Atrophie erkennen (die Papille war sehnig
weiss, scharf begrenzt, die Gefässe eng), auf dem linken Auge war der Befand nonnil
ebenso wie die Sehschärfe. Rechterseits wurde kaum noch hell und dunkel onterschiedeiL
Die an den beiden unteren Cornealsegmenten vorhandenen alten Narben
im Vereine mit der Opticusatropbie der einen Seite Hessen sofort den Ver-
dacht hervortreten, dass der Knabe vor längerer Zeit eine Meningitis durch-
gemacht haben müsse, was auch durch die anamnestischen Nachforschungen,
sowie durch die Aussage der Mutter bestätigt wurde. In seinem vierten
Lebensjahre hatte der Knabe sehr schwer an einer ;, Gehirnentzündung'^ dar-
niedergelegen.
Dass der Bulbus, wie Hyrtl erwähnt, bei Lähmung des Orbicularis
hervortreten soll, ist wohl nur eine Täuschung, bedingt durch die Weite der
Lidspalte, Denn der Orbicularis liegt für gewöhnlich nur dem Bulbus an,
ohne einen Druck auf denselben auszuüben, und geschieht Letzteres nur beim
festen Zukneifen des Lides, Eine derartige Wirkung könnte docli wohl nur
beim Exophthalmus und beim myopischen Glotzauge sich geltend machen.
Ueber die Stellung des Lides im Tode hatten wir bereits Seite 26, § 21
das Noth wendige gesagt.
Im Folgenden wollen wir nun der Frage näher treten, in welchem Ab-
hängigkeit>sverhältniss0 die Lähmung des oberen Facialisgebietes stur Läsion
der einzelnen Abschnitte dieses Nervs zu stehen pflegt.
A. Lähmung des oberen Facialisgebietes nach organischen
Veränderungen.
a) Bei kortikalen Herden,
Indem wir auf die anatomischen Bemerkungen in der Einleitung S. 559
verweisen, gehen wir gleich auf die kaBuistischen Belege des dort Gesagten ein.
a) Orbicularislähmung bei cortikaler Affektion darch
Erweichung.
§ 353. Brissftud (1441) beobachtete folgenden Fall von rechtsseitiger Hemiplegie mit
Betbeiligung der ganzen Geaichtshälfte. Eine 80jährige an Myocarditia leidende Frau
bekam einen Schlaganfall mit einstündiger Bewu&aUosigkeit, recbtsseitfger Lähmung und
Aphasie. Die Sprache kehrte nach 14 Tagen wieder, die Hemiplegie der Extremitäten
erstreckte sith auf eine geringe Langsamkeit und Schwäche der Bewegungen. Zwei
Jahre apftier muaste sich Patientin wegen zunehmender HerzineufficienE in der Klinik auf-
nehmen laaseo. Zu jener Zeit waren alle Bewegungen auf der rechten Seite möglich, doch
klagte Fatieutin über Eriebela auf dieser Seite, auch war dieselbe andauernd byperästheUfich,
Das Gesicht war vollkommen asymmetrisch; rechtsseitige Ptc&ia — willkürUchea
Scbliessen des rechten Auges nicht möglich — Dilatation der rechten Pupille, rechte Stim-
hälfte fast vollkommen faltenlos.
Die Sektion ergab einen Erweichungsberd im unteren Viertel der hinteren Central*
Windung, der eich in der Tiefe auf den obersten Theil der Insel erstreckte. Auf dieaeo
Erweichnngsherd wurde die vollständige Facialielähmung bezogen, während die Lühmungs-
eracheinangen in den ExtremltäteD auf Cirku!atiünssi<)rur]gen beruhten, die nicht intensiv
geoug waren, um zu einer Erweichung zu führen.
Mill (1442) berichtet über einen 16j|lhrigen Knuben, der nach einem Trauma Über
dem recbten Parietalbein seit etwa 1 Jahr an Krämpfen litt und 14 Tage vor dem Tode
von einem unerwarteten Ohnmachtsanfalte mit folgendem Vomitus, Kopfschmerz, unsicherem
Gang, Schwindel, Pulsherabsetzuug auf 50, Diplopie, Parese der linken Extremitäten und
des ganzen linken Facialisgebietes, sowie rechtsseitiger Ptosis ergriffen wurde.
Der EjLitus trat baid ein. Unter dem rechten Scheitelbein war die Dura fest mit der Pia
634 Lftbmangszastftnde im ol>eren Facialisgebiet.
und Hirnrinde verwachsen. Die Rinde selbst war an der Yerwacfasimgsstelle in eine m-
weichte, röthlich-grane Masse verwandelt
In dem schon früher citirten Falle von Rossolimo (1443) fand sicli an d» Ober-
fläche der linken Hemisphäre eine Erweichung, welche das Yerbreitnngsgebiet des drittel
und vielleicht auch theil weise des vierten Astes der A. fossae Sjlvii umfasste, indem di^
selbe den unteren Abschnitt der vorderen Gentralwindung , mit der Spitze der drittel
Stirnwindung, die unteren V> der hinteren Central windnng , das vordere Drittel de« Gym
supramarginalis umfasste. Auf dem Horizontalschnitt zeigte sich, dass die Erweiebiig
in die Tiefe ging und folgende Gebiete betraf: die subkortikale Schicht der Insel, die Capnk
externa und den Nucleus lenticularis, den äusseren Abschnitt der Pyramidenhahnen, die Cofmi
radiata und den vorderen äusseren Abschnitt der weissen Substanz des HinterhanpÜappeu
bis zur äusseren Wand des Hinterhoms. Diesem Befunde entsprachen wohl folgeide
klinischen Symptome in der Erkrankung des 48jährigen Mannes: Eines Morgens trat aa*
scheinend ohne Bewusstseinsverlust Aphasie nebst Parese des rechten Arms, des reditea
Facialis und Hypoglosaus auf. Während die Aphasie nach 1 Monat, die Parese des reditei
Armes nach Vit Monaten verging, blieb die Parese des M. facialis und Hypoglossns bis n
Ende bestehen.
Leider hat der Verfasser es unterlassen, eine genauere Angabe zu
machen, ob der obere und untere Facialis gelähmt war. Er spricht nur von
einer Lähmung des Facialis. Da Rossolimo sich in diesem Falle haupt-
sächlich mit dem Studium der einseitigen Ophthalmoplegie und Hemianopsie
befasst hatte, so war dem uns hier interessirenden Befunde wohl geringere
Aufmerksamkeit zu Theil geworden.
Femer sei noch auf die Fälle von Tiling (i486), Magnus 1487) und
Grasset (1488) hingewiesen, die wir später bei der Diplegia facialis korti-
kaler Natur mittheilen werden.
§ 354. Wir selbst sind in der Lage, drei eigene Fälle hier anzuführen, die
wir dem Entgegenkommen des Herrn Oberarztes Dr. Jollasse und des Herrn
Dr. Sick. Oberarztes der chirurgischen Abtheilung zu Eppendorf verdanken
1. Ein 56 jähriger Kaufmann kam am 21. Mai 1899 zur Aaf nähme mit der Meldmigr
dass er sich in den Kopf geschossen hahe. Die Kugel hahe auf der Bettdecke gelegen
Der Mann, der am Halse eine grosse quere Schnittwunde hatte, war nicht benommeii,
schien aher in Folge psychischer Störung jede Antwort zu verweigern.
In der rechten Schlftfengegend hefand sich die Einschussöffnung; 3 nun darfiher eine
kleine gelappte Wunde mit der Basis nach unten, die aher nicht die Ausschnssöffnnng dw Kugel
sein konnte. Die ganze Stirnhälfte war angeschwollen, ebenso das obere Augenlid; nidit
die CoDJunctiva. Die Pupillen waren massig weit und reagirten. Lidschlag angestöri
Puls normal; kein Erbrechen; die Augen waren oft nach links gewendet.
Der rechte Arm war schlaff, gelähmt, bisweilen mit leichter Spannung in der Am-
beuge. Das rechte Bein war ebenfalls gelähmt. Patellarreflexe beiderseits normal, fu»
sohlenrefiexe beiderseits gesteigert. Fussclonus nicht auszulösen. Urin wurde spontan g^
lassen. Patient griff auf Anreden nach dem vorgehaltenen Hammer und gab ihn mit
der linken Hand wieder. Rechts war das Facialisgebiet schlaff, die rechte Wange einge-
sunken; der Mundwinkel leicht hängend. Patient wollte die Zunge nicht heraosstrecken.
2. Juni : Patient ist ständig benommen ; reagirt beim Anrufen durch Aagenanfedilag;
greift langsam nach einem vorgehaltenen Gegenstand. Der rechte Ann und das nditt
Bein sind schlaff gelähmt; das linke Bein ist bis auf geringe Abwehrzncknng gelflbnt
PateUarrefiexe fehlen absolut, ebenso die Cremasterreflexe. Die Fusssohlenreflaxe nrf
eideraeitn erloschen. Der Kopf ist nach links gedreHt. Rechtsseitige totale Facialts-
Ibniung, die Kugel scheiei von rechts oben Bchräge nach links gegangen zu aein. Broncho*
t'neumonio Die Wunde sieht gut aus.
IQ. Junir Nach IJebersteheii der BroDchopneumODie erholte eich Patient eichtüch und
wurde munterer. Er verfolgt mit den Augen was vor sich geht; erkennt das, was man ihm
vorhält und greift danach. Gibt die linke Hand auf Auffordening, Öffnet den Mund, wenn
man ihm Nahrung einfiösst. Es ist kein Wort aus ihm herauszubringen. Einmal aoU er
,ja* und , Donnerwetter* gesagt haben.
Auch kann man nicht entscheiden, ob er Worte Tereteht, sie nicht vielmehr dem
Sinne nach aus den gemachten Gestikulationen erkennt. Sicher ist das WoH verstand^
oiss nicht.
Gelahmt sind rechterseits: Arm, Bein, Facialis (total) ; linkerseits : Bein stark paretisch.
Der Kopf ist stets nach links gewendet; das Umlegen nach rechts ist ihm sehr schmerz-
haft. Die Augen sind frei nach allen Richtungen hin beweglich. Reflexe sind erloschen.
24. Juni: Es tritt plDtzlich eine Schwellung der rechten Gesichtshftlfte ein. Die Wunde
sieht schmierig aus^ au9 derselben konnte man Knochensplitter und ern kleines StQck Blei
herausziehen.
Patient bewegt jet2t das linke Bein gut ; macht mit der linken Hand alle Bewegungen.
Vor dem 24. Juni hat er verschiedentlich gesprochen und zwar auf Fragen geantwortet —
vollkommen sinngemäss — den Schwestern gegenüber, während er dem Arzt gegenüber
stumm bleibt.
Seit dem 24. Juni ist er wieder stumm und reagirt wenig. Die Reflexe sind jetzt
beiderseits erhalten. Rechts und links Patellarreflex und Fusssohlenreflex ; links Cremaster«
reflex; rechts nicht deutlich« Die rechte Seite vollkommen gel&hmt. Kopf stets nach
links; lÄsst Stuhl unter sich.
26. Juni: Die Schwellung des Gesichts ist zurück gegangen.
7, Juli : Die Wunde am Schädel reinigt sich ; doch werden noch manche Knochen-
fitücke losgeetossen. Patient fängt an das rechte Bein zu bewegen^ bei dem die Reflexe
schon vorher zurückgekehrt waren ; auch der Facialis bessert sich. Er spricht wieder; hört
Alles, versteht Alles.
14. Juli: Es stoasen sich noch kleine Knochensplitter ak Volle Lähmung des rechten
Arms. Das rechte Bein wird etwas bewegt; starke Steigerung des Kniereöexes rechts.
Facialis wieder gut Patieut lässt Stuhl unter sich ; doch merkt or es wohl Seine Leitung
ist entschieden verlangsamt.
29. Juli : Unter hohem Fieber entwickelt sich von einer kleinen Dekubi talstelle aus ein
Erysipel S^it 8 Tagen Bltck und Kopf nach rechts. Die rechte Seite leicht livide; die
Kmereflexe nicht gesteigert.
L August: Exitus unter Herzschwäche.
Sektion: Schussverletzang des Stirnbeins, der beiden Grosshirnhem isphären, Pachy-
moningitis h&morrhag int., Oedema et Emphysema pulra., Bronchopneumonia, Tracheotomia
inveterata, Adenom ata glandularum suprarenalium.
Ueber der rechten Schläfe ein Hautdefekt von 10'PfennigstQckgr5sse, welcher die
Oeffnung eines in die Schädelhöhle fÜlirenden Kanals darstellt. Der Schusskanal geht io
schräger Richtung nach innen und etwas nach hinten ; die Kugel war ungefähr am oberen
Ende des Gy ras centralis post. links gegen die innere Fläche des Schädels gepraüt, woselbst
sich eine rostgelbe Stelle hefindet. Vtvn derselhsn schien die Kugel abgeprallt zu sein und
hat sich im linken Parietallappen festgesetzt und zwar dicht unter der Rinde der Grenze
zwischen Lob. pariet. aup. und Gyrus supramarginalis, Ä?xf dem Wege fanden sich Zer-
Störunge« im rechten Stirnlappen ca 4 cm Qber dem Anfang der A. fossae Sylvii, im Gyrus
frontalis sup. links hinten und oben, und im oberen Drittel des Gyrus centralis post.
636 LähmungszoBtände im oberen Facialiagebiei.
2. Ein 21 jähriger Gommis infizirte sich luetisch vor 8 Monaten in Marocco. An
26. April 1899 bekam er eine rechtsseitige Hemiplegie mit Aphasie. Das Sensoriom, weldm
anfangs ganz geschwunden, war am 8. Mai wieder zorQckgekehrt Am 11. AngustwareriB
Hamburg angekommen. Bei der Untersuchung fand sich eine totale Lfthmnng der reckin
oberen und unteren Extremität und zwar so, dass er keine Bewegung machen kosate;
Ferner war der ganze rechte Facialis gelähmt; aber nicht so stark wie die Extremititen
Bei der Aufforderung die Augen zu schliessen trat im Gebiet des oberen Facialis äu
schwache Innervation in die Erscheinung. Wie die Abbildung (siehe .Fig. 119) erkeoAen
lässt, blieb bei versuchter Innervation die ganze rechte Gesichtsseite fast anbeweg}i^
Wenn Patient beide Augen zu schliessen versuchte, kam es rechts zu einem LagophthahBos.
Besonders deutlich trat die Lähmung der rechten Gesichtshälfte beim Lachen in die Er-
scheinung. In noch etwas stärkerem Grade als der obere, war der untere Facialis paretiscb,
sowohl bei willkürlichen, wie bei mimischen Bewegungen. Bei Annäherung eines Licht«
und der Hand schloss sich der paretische rechtsseitige Orbicularis , was im Yergieich xa
den gewöhnlichen Facialislähmungen sehr auffällig erschien.
Die faradische und galvanische Untersuchung ergab in allen Facialiszweigen direkt
und indirekt ganz prompte Zuckungen.
Die Zunge wich nach rechts ab.
Beim passiven Bewegen der gelähmten Extremitäten waren deutliche Spannungen im
rechten Hüft-, Knie- und Fussgelenk, in geringerem Grade im Schaltergelenk nachweisbar.
Eine Untersuchung der Sensibilität ergab keine sicheren Resultate. Jedenfalls bestand
keine ausgesprochene Störung auf der rechten Seite, da Patient bei Nadelstichen psjdiisck
reagirte.
Die Pupillen waren beiderseits gleich weit und reagirten gut Fundus oculi beider-
seits normal. Die Patellarreflexe waren beiderseits gesteigert, rechts noch mehr als links
Achillesrefiexe waren beiderseits lebhaft; rechts Andeutung von Fussclonus.
Plantarreflex rechts herabgesetzt; Gremrster- und Abdominalreflex fehlten rechts;
während sie links lebhaft waren.
Patient konnte spontan kein Wort herausbringen und sich auch nicht mimisch Ter-
ständlich machen. Ganz einfache Befehle (nach dem Ohr zu greifen etc.) verstand er;
komplizirte jedoch nicht, sodass sicherlich auch sensorische Störungen dabei vorbanden
waren. Nachzusprechen veimochte er nicht; ebensowenig zu lesen. (Eine Hemianopsie war nickt
vorhanden.) Patient machte im Ganzen einen etwas dunimen Eindruck. Er lachte aaf-
fallend viel.
Patient wurde einem energischen Traitement mixte unterworfen, leider aber wir,
wie ja zu erwarten , die Besserung eine geringe , da ja bekanntlich die Prognose der aif
syphilitischer Arterienerkrankung beruhenden Lähmungen ungtlnstig ist.
Am 27. September konnte er das rechte Auge bis auf einen feinen Spalt wieda
schliessen ; den Frontalis rechts inncrviren. Der Mundfacialis war entschieden noch paretisch
Die Extremitäten blieben ganz gelähmt. Patient machte einen viel freieren Eindruck and
hatte viel besseres Yerständniss. Konnte wieder nachsprechen, aber spontan kein Wort
herausbringen.
Als sehr wichtig für die Stellung der Diagnose muss noch aus der
Krankengeschichte erwähnt werden, dass anfangs häufig klonische ZuckuDgen
in den Extremitäten beobachtet wurden, weil daraus hervorgeht, dass auch
kortikale Aeste der A. fossae Sylvii beeinträchtigt wurden. Wahrscheinlich
handelt es sich hier um eine Verlegung der A. fossae Sylvii an einer Stelle,
von der die beiden Centralwindungen und die Insel versorgt werden, da bei
solchen Herden es meist nach Monakow (1444) unter Bewusstseinstrübang
Lähmui]gszustäi]da im oberen Facialisgebiet. 637
und epilepti formen Zuckungen zu einer Lähmung der Extremitäten der gegen-
überliegenden Seite mit Aphasie kommt, während sensible Störungen und
sensorische Aphasie relativ selten beobachtet werden.
Oder es handelt sieh um eine nicht ganz vollständige Verlegung der
A. fosßae Sylvii unmittelbar nach ihrem Abgang aus der Carotis. Die
Lähmung der Extreraitäten war niimHch eine so vollständige, dass ein kor-
tikaler Herd allein nicht ausreichen möchte, die Intensität der Bewegungs-
stiiruug zu erklären. Ferner weist die stärker ausgesprochene Lähmung in
der rechten Gesichtshälfte bei unwillkürlicher Innervation (Lachen) auch auf
eine infrakortikale Läsion hin,
3* Ein 58 jähriger Mann kam am Anfang September in unsere Poliklinik, und klagte
über Zuckungen im Gesicht auf der rechten Seite am Auge, Da der Patient angab, dabei ein
Gefühl von Schwere in der rechten Hand zu haben, so nfthmou wir au^ dnss ea sich um
motorische Reizerscheinungen von der Hirnrinde her bandle. Wir untersuchten den Mann
ganz genau, fanden aber ausser einer leicliten Abschwäcbung des rechten Mundfacialis
nichts, was auf einen grösseren Cerebralberd hindeutete.
Die Kraftf RcHexe, Sensibilität, Pupille, Augenbintergmnd waren normal Er blieb
aus der Poliklinik weg.
Am 14. September kam er nun ins Krankenhaus mit einer rechtsseitigen Hemiplegie^
Schwäche des Mundfacialis und deutlicher Parese im rechten Frontalis. Beim Augenschluas
wurde der rechte Orbicularis viel schwächer innervirt als der linke. Ferner bestand völlige
motoriBche Aphasie mit leichten eensoiischen Störungen. Kurz durch Zufall halten wir
zwei analoge Fälle tu gleicher Zeit in Beobachtung, die sich in der Aetiologie jedoch unter-
schieden* Diese Ungleichheit in der Frontalisinnervalion war etwa 3 Wochen sehr deutlich;
während links auffallende Querfalten vorhanden waren, die die Augenbraue etwas erhoben,
war die rechte Stirn ganz glatt, und die Äugenbraue stand etwas tiefer.
ß) hei Tumoren.
§ 355. Pfannenstiel (1445). Der 11 Monate alte Knabe konnte die Extiemitäten
ungehindert und normal bewegen, aber der Mund war nach rechts verzogen, was besondei-s
hervortrat, wenn das Kind schrie; beim Lachen zeigten sich achwache, aber deutliche
Muskelkontraktionen am linken Mundwinkel, die Naäolabialfiilte war verstrichen; die
Augenlider bewegten sieh auf beiden Seiten gut, his weilen schien aber die linke Augen-
spalte etwas enger zu Fein als die rechte, die Augenbeweguiigen und Pupillen 2eigten keine
Abnormität, Der weiche Gaumen war ohne Asymmetrie. Die ünko FacialislÄbmung blieb
unverändert; bis kurz vor dem Tode \var die linke A agenspalte deutlich enger als die
rechte. Sektion: Am gehärteten iJim fand sich recht» ungefähr mitten zwischen der
Fbs^a sylvii und oberer Grenze der üemisphäre in der hinteren Centralwindung innerhalb
der Fissura Rolandi ein ungefölir erbsengrosser, abgerundeter Tumor. Auf dem Durchschnitt
zeigte ilch dieser Tumor gut begrenzt. Die vor<lere Centralwindung war völlig intakt, au der
hinteren war die Rindensubätanz der Grösse des Tumors entsprechend zerstört. Die weisse
Mark^uhstanz hatte nicht gelitten. Im hinteren Theile des Cuneua ein Tuberkel, und im
oberen Theile des Thalamus zwei»
Mill (144ft) theilte einen Fall von totaler rechtsseitiger Facialisparesc mit
Sfiunehmendcr motorischer und sensibler Lübmiing der ExtremitiSten mit, bei welchem sich
bei der Sektion ausser miliaren Tuberkeln in der Pia, in der Foasa BjWn und Hydro-
cephalus int. ein fester grau röthlicher Tiimor fand, der vom lateralen Theile des linken
Thalamus opticus auggegHngen war und die medianen Partien des Thalamus und des Corp.
caudatum nach innen und üben verdrängt hatte.
638 Läbmangszastände im ol>ereii Faeialisgebiet.
Le signe de Torbiculaire.
§ 356. Wernicke (1448) sagt in seinem Lehrbnche „manchmal ist bei
Hemiplegie unstreitig eine erhebliche Parese, wenn auch nicht absolute Lahmimg
im Orbitalgebiete des Facialis vorhanden. Das letztere ist sogsi bei der
indirekten Hemiplegie in der ersten Zeit ihres Bestehens das gewöbnUche.*
Bei genauerer Untersuchung wird jedoch nicht selten gefunden, dass die
Kontraktionen des Orbicularis auf der gelähmten Seite oft weniger kraftig.
als auf der gesunden Seite sind. Auch soll hierbei das toq den Franzosen
mit le signe de Torbiculaire bezeichnete Phänomen zu beobachten sein. Das-
selbe besteht darin, dass ein Hemiplegiker beide Augen auf einmal wohl
zu schliessen vermag, ebenso, wie er das Auge der gesunden Seite allein
schliessen kann, jedoch ist es ihm unmöglich, das Auge der gelähmten Seite
alleine zu schliessen und das andere dabei offen zu lassen. Auch bemerke
man, dass die Lider beider Augen sich nur mühsam und unter Zuckungen
nähern. Desgleichen wären auch die anderen Muskeln des oberen Facialis
in ihren Leistungen auf der gelähmten Seite unvollkommen. Dieser Versuch
gelingt bei den Hemiplegikem zwar nicht immer^ aber meist. Das Symptom
schwindet meist zu derselben Zeit, wie die Lähmung des unteren Facialis.'
Der Grund für die fehlende oder geringe Mitbetheiligung des Orbicn-
laris gegenüber der Häufigkeit der Mundfacialisparalysen bei der cerebralen
Hemiplegie ist wohl in der Thatsache zu suchen, dass Muskeln, welche bald
allein, bald mit dem Genossen der anderen Seite Bewegungen ausführen, mit
beiden Hemisphären in Verbindung stehen. Wiewohl nun in der Regel ihre
Bewegungen von der gegenüberliegenden Hemisphäre aus angeregt werden,
werden sie doch bei der cerebralen Hemiplegie nie vollständig gelähmt, weil
die Himhälfte derselben Seite ihren Einfluss, welcher vorher nicht ausgeübt
wurde, für den aber die Strukturanordnung schon vorhanden war, sich all-
mählich geltend macht. Wenn daher der Kranke im Anfang der Hemiplegie
das Auge der gelähmten Seite allein kaum schliessen konnte , verwischt sieb
mit der Zeit dieser Bewegungsdefekt immer mehr.
Wir hatten früher (siehe pag. 680) erwähnt, dass die Orbiculares palpebr.
beider Seiten stets gleichzeitig in Erregung versetzt werden, und dass es einer
besonderen Uebung bedürfe, den einen Lidschliessmuskel gesondert vom anderen
zu kontrahiren ; aber auch dann selbst ist bei den geübtesten Menschen beim
Schlüsse des einen Lides ein leichtes synchronisches Zucken des Lides am
anderen Auge zu bemerken.
b) Orbicalarislähmang bei Läsion des sabkortikalen resp. snpra-
nacleären Faserverlanfes des FaciaHs.
§ 357. In der Litteratur fanden wir folgende einschlägige Fälle, tod
denen der erste ganz besonders bemerkenswerth ist, weil eine isolirte obere
Facialislähmung zurückblieb.
HugueniTi (1259) beobachtete bei einer an Nephritis erkrankten Frau
eine rechtsseitige Lälimung des Arms mit Betheiligung des Facialis. Die
{Kranke konnte die Stirn auf der rechten Seite nicht falten, die Augenlider
nicht schliessen. Die Muskeln des Nasenflügels waren nur sehr gering
betheiligt, die des Mundes schienen intakt. In den folgenden Tagen ver-
schwand die Arnilähmung, nur die des Facialis blieb zurück.
»Bei der Sektion fand man einen liaselnussgrossen hämorrhagischen Herd,
dessen eine Hälfte die Basis des Linsenkems einnahm.
I Chvostek (1260) hat einen ähnlichen Fall beobachtet, bei dem die
rechte obere Extremität und die ganze rechte Gesichtshälfte gelähmt waren.
Bei der Autopsie fand man ebenfalls einen hämorrhagischen Herd im
Linsenkern.
Hallopeau (1261) konstatirte bei einer an interstitieller Nephritis
leidenden, plötzlich rechtsseitig gelähmten 38jährigen Frau eine totale rechts-
»seitige Facialislähmung. Die Kranke konnte weder das Auge schliessen noch
die Stirn runzeln. Bei der Sektion sah man einen hämorrhagischen Herd
im vorderen Schenkel der inneren Kapsel, im Linsenkern, in der Capsula
interna und dem claustrum. Ein zweiter hämorrhagischer Herd fand sich im
Centnim ovale unterhalb der zweiten Stirn windung.
Ein einschlägiger Fall von Tournier (1484) wird bei der Diplegia
facialis supranucleärer Natur später mitgetheilt werden.
Fall n unserer eigenen Beobachtung könnten wir auch hier anführen,
Das Verhalten „der Atisdrucksbewegungen^' bei supranuclearen
AfTektionen.
§ 358. Das Verhalten der Augenlider ist ferner bei der Differential-
diagnose zwischen supra- und infranuclearer Facialislähmung von grosser
Bedeutung.
Bezüglich der Gesichtsmuskeln ist nämlich die Frage nach ihrer Innervation
dadurch komplizirt, dass wir hier ausser den willkürlichen und den einfachen
Retiexhewegungen noch eine besondere Gruppe, die sogenannten „Ausdrucks-
bewegungen^S d, h. solche, durch welche sich der Gemüthszustand äussert^
z. B. das LacheUj unterscheiden müssen.
Nothnagel war es, der zuvörderst in dieser Sache Aufklärung brachte.
Er kam durch Zusammenstellung der betreffenden Kasuistik mit den Sektions-
befunden zu der wichtigen Schlussfolgerung, dass in den Fällen, wo die
willkürliche Innervation des Facialis aufgehoben ist und dabei doch die
Bew*egung beim Lachen, Weinen u. s, w. besteht, der Sehhügel und seine
Stabkranzverbindung zur Hemisphärenmasse unversehrt gefmiden wird; beim
umgekehrten Verhalten würde vielleicht eine isolirte Lähmung des Sehhügels
zu erwarten sein. (Sehhügelcentrum für den unwillkürlichen Ausdruck von
Gemüthsbewegungen, Bechterew [1449]).
640 Lähmongszostftnde im oberen Facialisgebiet.
Eine besondere Bedeutung müssen solche Fälle besitzen, in denen die
willkürliche Innervation des Gesichts erhalten, diejenige für die Ausdrucks-
bewegungen dagegen aufgehoben ist, in denen also dieser Anschauung gemäss
isolirte Aflfektion des Sehhügels oder der Leitungsbahnen desselben vorhanden
sein soll, Rosenbach (1450).
Was die Theilnahme der einzelnen Abtheilungen des M. orbicularis bei
den emotionellen Bewegungen anbelangt, so erwähnt Merkel (Gräfe-
Saemisch I, 78), dass beim Ausdruck der Verachtung vom Orbicnkris
nur die Lidportion in Funktion trete.
Kontrahiert sich die Orbitalportion in Verbindung mit dem M. malaris,
dann gewinnt das Auge den Ausdruck, den es beim Gefühl des Ekels und
des Schauderns zeigt ; oder es kontrahirt sich partiell nur die mediale Hälfte
des oberen Bogens der Orbitalportion, dann kommt der Ausdruck des tiefen
Ernstes zu Stande. Zieht sich dagegen, was ebenfalls möglich ist, nur die
untere und laterale Hälfte des Orbicularis in Verbindung mit dem M. malaris
zusammen, dann entsteht die Geberde der Heiterkeit, des Lachens.
Beim Ausdruck des Schmerzes kontrahiren sich diejenigen Partien
des Muskels, welche an der medialen und oberen Seite der Gesichtsöffnnng
der Augenhöhle liegen, d. h. also der sog. Corrugator supercilii, sowie auch
die medialen Teile des M. frontalis. Kommt zu dieser Bewegung noch die
hinzu, welche soeben für den Ausdruck des Lachens beschrieben wurde, dann
entsteht die Miene des Weinens.
Im höchsten Afifekte des Schmerzes und der Freude, beim starken
Weinen und Lachen ist die Aktion des M. orbicularis die gleiche. Es erfolgt
in beiden Fällen eine kräftige Zusammenziehung der ganzen Orbital- und
eine geringere der ganzen Palpebralportion, ebenso wie beim starken Ge-
blendetsein.
Es will uns dünken, als ob in der Litteratur in der Beobachtung und
Beschreibung der einzelnen Fälle auf die emotionellen Bewegungen des Orbi-
cularis weniger geachtet worden sei, als auf diejenigen der unteren Facialis-
partie.
c) Die Lähmnng der Orbienlo-frontalen-Partie des Facialis zu Folg«
von Affektion der Faeialis-Kern-Wurzelregion.
§ 359. Bei der Kernlähmung des Facialis kann es sich um eine voll-
ständige oder nur theilweise Zerstörung des Kernes handeln. Ist ersteres der Fall,
so tritt eine willkürliche Lähmung der vom Facialis versorgten Muskeln ein.
Ferner sind die Reflexe und die Ausdrucksbewegungen aufgehoben. Ob die
Lähmung stets den ganzen Facialis betrifft, kann im Hinblick auf die
Mendel'sche Ansicht des Kemursprungs des oberen Facialis im Oculomo-
toriuskem, mit der wir uns in § 53 S. 114 eingehend, und kurz in der ana-
Lfthmnngsziisiände im oberen Facialisgebiet. 641
tomischen Einleitung zu diesem Kapitel beschäftigt haben, nicht strikte be-
antwortet werden. Wir halten, wie gesagt, bis jetzt daran fest, dass der
Facialis nichts mit dem Oculomotoriuskeme zu thun habe.
Ist nur ein Theil des Facialiskems zerstört, so beschränkt sich die
Lahmung auf einzelne Muskeln. Bei der Kemlähmung entwickelt sich recht
frühzeitig eine Abmagerung der betreffenden Muskeln. Dieselben bieten
meistens quantitative und qualitative Veränderungen der elektrischen Erreg-
barkeit dar (manchmal Mittelform der Entartungsreaktion), und zeigen nicht
selten die bekannten fibrillären Zuckungen.
Die meisten Kemlähmungen des Facialis sind wegen der benachbarten
Lage der Kerne doppelseitig. Jedoch kommt auch einseitige Affektion
namentlich im Beginne von Erkrankungen vor, die meist pathogenetisch zu
den Rückenmarkskrankheiten gehören. Ist doch ein grosser Theil der basalen
Himmasse dem Rückenmark gleichwerthig, und sind die aus der Kemregion
entspringenden Hirnnerven durchaus den Spinalnerven homolog (Ziehen).
§ 360. Bei der Tabes sind die meisten Himnervenkeme erkrankt
gefunden worden, so auch der Facialiskem. Jedoch ist eine Facialislähmung
im Vergleich zu den Lähmungen im Gebiet des Oculomotorius, des Vagus,
Accessorius und Hypoglossus ein sehr seltenes Ereigniss. Noch viel weniger
findet man eine lediglich auf den oberen Facialis beschränkte Lähmung.
A. Meyer (1452) theilte einen Fall von Ophthalmoplegie bei Tabes mit,
bei dem der linke obere Facialis paretisch war. Ausserdem bestand eine
leichte Störung im linken Trigeminus, und beiderseits Sehnervenatrophie.
Siehe S. 160.
Jendrassik (siehe S. 170) beobachtete bei einem Tabiker rechtsseitige
Facialis-, sensible Trigeminus- und Oculomotoriuslähmung, die heilte und dann
in gleicher Weise auf der linken Seite auftrat. Merkwürdigerweise fanden
sich in den betreffenden Nervenkemen keine Veränderungen.
Cassirer und Schiff (pag. 174 u. 176) fanden in ihren ausserordentlich
genau untersuchten Fällen bei Dreien leichte Störungen im Facialisgebiet und
zwar war in zwei Fällen nur der untere, in einem Falle der ganze Facialis
affizirt. Im Kemgebiet fanden sich keine nennenswerthen Veränderungen.
Ausser diesen Fällen haben noch Howard (pag. 161), Petersen (pag. 162)
und Buzzard (pag. 164) totale Facialislähmung bei Tabes beobachtet.
Nur der untere Facialis war ausser in den oben erwähnten Fällen von
Cassirer und Schiff, in folgenden früher schon mitgetheilten Beobachtungen
affizirt:
Buzzard (pag. 176), Chvostek (pag. C. VII. 767), Dinkler(pag. 164),
Charcot (pag. 164), Marina (pag. 164), Bernhardt (pag. 159).
Glorieux (pag. 160) beobachtete eine vorübergehende Lähmung bei der.
Tabes. Kurz die Ausbeute betreffs einer Lähmung der vom oberen Facialis
versorgten Muskelgruppen bei der Tabes ist eine so geringfügige, dass man
642 LfthmoDgszastände im oberen Fadalisgebiet
im allgemeinen wohl behaupten kann, der Facialis bleibe bei der Tabec
von einer Lähmung verschont. Diese höchst bemerkenswerthe Thatsache könnte
klinisch ebenso gegen die Mendersche Ansicht vom Kemurspmng des oberea
Facialis verwerthet werden, wie das Freibleiben des oberen Facialis bei Bnllnr-
paralyse für jene Ansicht bisher geltend gemacht wurde.
§ 361. Ebenfalls sehr selten findet man den Facialis bei der chroni-
schen, progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthalmoplegie
afficirt (siehe pag. 117).
Aus der Tabelle III, in welcher wir die in der Litt^eratur bekanntoi
Fälle aufgeführt haben, ersehen wir doppelseitige, leichte Lähmung des ganzen
Facialis im Falle Uhthoff (S. 128 Nr. 13). Eine Schlaffheit der Gesichte-
muskeln, die aber sehr gut beweglich waren, beobachtete Strümpell (S. 130
Nr. 18), ebenso Recken (S. 128 Nr. 9). Besonderes Interesse verdient da
Fall Hanke ^s (S. 126 Nr. 2), bei dem sich zugleich mit der Ptosis eine
Lähmung des Stirn- und Augenfacialis entwickelt hatte.
Birdsall (S. 130 Nr. 20) konstatirte in seinem Falle eine HerabsetzooK
der elektrischen Erregbarkeit in den dem oberen Facialisgebiet angehörigen
Muskeln.
Neuerdings beobachteten Fragstein und Kempner (1453) bei einem
im 15. Lebensjahre an kompleter Lähmung beider Augen erkrankten Patienten,
eine Lähmung des rechten oberen Facialis.
§ 362. Auch bei Ophthalmoplegien, die nicht in die vorgenannte Gra{^
einzureihen sind, kommt eine Erkrankung des Facialis vor.
So sah Hughlings-Jackson (1504) zwei Fälle von Ophthalmoplegia ex-
terior, in denen der Orbicularis oculi mitbetheiligt war und bei denen auch
seine elektrische Erregkarkeit gelitten hatte.
Smith (1505) beobachtete einen Fall von unvollständiger Ophthalmoplegie
mit Betheiligung des Frontalis und Orbicularis, während die übrigen Aeste
das Facialis frei waren.
Taylor (1506) stellte der ophthalmolog. Gesellschaft einen Fall vor, der
neben Oculomotoriuslähmung eine Schwäche des Orbicularis zeigte.
Fuchs (347) sah Schwäche in den Froritalmuskeln bei einer Frau mit
doppelseitiger Ptosis.
Woods (346), Turner (336) und Guibert beobachteten ebenfalls
Parese im Augenfacialis bei nuclearer Ophthalmoplegie.
Wenn wir, wie schon früher erwähnt, es nicht für gerechtfertigt halten,
aus dem gleichzeitigen Befallensein mehrerer Muskeln auf die räumliche Nähe
ihrer Kerne zu schliessen, so halten wir diese Fälle doch für zu bemerkens-
werth, um sie hier nicht wiederholt anzuführen.
§ 363. Bei der klassischen Form der Bulbärparalyse sehen wir eine
allmählich sich entwickelnde progressiv-atrophische Lähmung der Zungen-,
Gaumen-, Lippen- und oft auch der Kehlkopfmuskulatur. Der M. orbicularis
oris wird gewöhnlich zuerst von den vom Facialis innervirten Muskeln befaUen.
Bte Lähmungs zu stände im oberen FaciaÜBgebtet. 643
ass der betreffende Patient schwer den Mund spitzen kann. Diese auSallige
3nderstellung des unteren Facialis bei der Bulbärparalyse könnte auch da^
lurch seine Erklärung finden, dass wie Oowers, Tooth und Turner meinen,
ier Kern des Orbicularis oris (ern vom Hauptkern des Faeiahs in der Nähe
les Uypoglossuskernes belegen sei. Dann hatte man nicht ntithig, um das
so gewöhnliche Freibleiben des oberen Facialis bei der Bulbärparalyse zu
erklären, der Mend ersehen Ansicht zuzuneigen, welche den oberen Facialis
abseits vom eigentlichen Facialiskern im hinteren Theil© des tkulouiotoriuskerns
entspringen lassen wilh Dazu kommt noch das wichtige Faktum, dass
Remak (344), Wachsmuth, Eisenlobr, Bernhardt, Oppenheim,
Briasaud und Marie Bulbärparalysen mit BetheiJigiing des oberen
Facialis beobachtet haben.
§ 364. Da, wie wir in § 79 des weiteren ausgeführt haben, die Kom-
bination der Ophthalmoplegie mit degenerativen Vorgängen in
den Bulbärkernen und den Vorderhornganglien des Rücken-
marks klinisch durchaus nicht mit der klassischen Bulbärparalyse überein-
stimmt, so sei in Kurze auf das Verhalten des Facialis bei dieser Krank-
heitsgruppe eingegangen, mit der wir uns an der Hand des vorliegenden
Materials eingehend im L Band von § 79 an beschäftigt haben.
Um Wiederholungen zu vermeiden, verweisen wir auf die dort ange-
führten Fälle, indem wir diejenigen namhaft machen j bei denen auch der
Facialis affizirt, ist.
Cassirer und S ch If f (p. 206, Fall 4) konstatirten leichte Erscheinungen
von Seiten des Facialis.
In Uhthoff's Fall (p. 207, Fall 7) ging die Parese nur auf den Fa-
cialis über.
Förster (p. 207, Fall 8) sah Parese beider Faciales. Nussbaum (p, 207,
F'all 9) konstatirte Betheiligung des rechten N. facialis. Ebenso fiinJenFörs ter
(p. 209, Fall 21), Schaffer (p. 2ü9, Fall 23), Brasch (p. 210, Fall 26),
Seeligmüller (p. 211, Fall 29), Higier (p. 211, Fall 31) in den früher
mitgetheilten Fällen mehr weniger beträchtliche Lähmungen des Facialis, und
zwar waren meist der obere und untere Ast in nahezu gleicher Intensität
befallen.
Zu diesen Fällen wären noch fünf neue von Koshewnikow (1507),
Kali seh er (1508), Ziehen (1509) und Vi dal und Marine sco (1510) wegen
der Facialisbetheiligung hinzuzufügen.
5} 365, Ganz besonders nun verdienen die beiden von Londe (405) als
Paralysie bulbaire progressive infantile et familiale beschriebenen
Fälle hervorgehoben zu werden, bei denen schliesslich eine völlige Lähmung der
vom oberen Facialis inn ervirten Muskeln beobachtet wurde, neben
Ptosis und Bulbärsymptomen. Wir hatten früher schon (p. 209) erwähnt,
dass auch Charcot und Fazio eine Form der progressiven Bulbärparalyse
im Kindesalter beschrieben haben, bei welcher Lähmung im oberen Facialis-
gebiet bestand, und zwar handelte es sich um eine atrophische Lähmung mit
Wi1brand-Sa«nfEer, Neurologie deü Aatj^ea. L Bd. lt. AbtheilonjE. 42
644 Die Lähmongsznstände im oberen Facialisgebiet.
Veränderung der elektrischen Erregbarkeit sowohl in quantitativer wie quat
tativer Hinsicht. Die Artikulation und Deglutition war wie bei der klassi-
schen Bulbärparalyse gestört.
Dieses seltene Leiden, welches wahrscheinlich auf einer Nervener-
krankung beruht, ist vor allen Dingen durch den hereditären, familiären
Charakter ausgezeichnet. Es fand sich nämlich bei Geschwistern, deren Eltern
blutsverwandt waren.
§ 366. Wir hatten schon auf pag. 209 Stellung genommen zu der far
die vorher betrachteten Krankheiten angewandten Bezeichnung einer Polioen-
encephalitis inf. chron. ; indem wir wegen des degenerativen und nicht eigent-
lich entzündlichen Charakters diesen Namen lieber vermieden haben. Es erübrigt
nunmehr, das Verhalten des Facialiskemes bei den wirklich entzündlichen
Affektionen dieser Gegend zu betrachten.
Bei der in der Tabelle XIV angeführten Fällen von Poliencephalitis
sup. haemorrhagica Wernicke fanden wir nur in Fall 4 von Thomsen
eine leichte Parese im Facialis; jedoch war dieselbe nur auf die Mundpartien
beschränkt.
§ 367. Eine viel häufigere Affektion des Facialis findet sich bei der akuten
Poliencephalomyelitis und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sich diese
Erkrankung meist in Form einer hämorrhagischen Encephalitis auf die am
Boden der Rautengrube befindlichen Nervenkeme, ja bis zu den Vorderhömern
des Rückenmarks belegenen Ganglien ausbreitet und sowohl diese, wie die
Nervenfascikel schwer schädigt. Nach Oppenheim (1455) scheinen die
Ganglienzellen zunächst aufzuquellen und sich zu blähen. Der Kern schwillt, der
Inhalt des Zellenleibs trübt sich; dann folgen schnell die degenerativen Vor-
gänge. Die Nervenfasern erscheinen manchmal atrophisch, manchmal fettig
zerfallen; bald ist nur die Markscheide gebläht, bald sind nur die Acbsen-
cylinder gequollen.
Derartige Veränderungen im Facialiskem und vielleicht in dessen Wurzel-
fasern waren wohl anzunehmen in dem Falle von Kaiser (560) (siehe pag. 298),
bei dem eine totale Parese des linken Facialis sich fand. Sehr bemerkens-
werth ist der in dem gleichen Kapitel angeführte Fall von Oppenheim
(pag. 299, 512), bei welchem eine erhebliche Schwäche beider Orbi-
culares palpebrarum, und eine geringe Schwäche der Lippenmuskeln
konstatirt worden war.
In einem 2. zur selben Kategorie gehörigen Falle fand Oppenheim (413)
neben einer vollständigen Ophthalmoplegia bilateralis externa eine
Parese beider Faciales mit besonderer Betheiligung des Augen*
schliessmuskels.
Eichhorst (406) [pag. 300] sah in einem Falle eine linksseitige Facialis-
lähmung.
Kalischer konstatirte in seiner höchst interessanten Beobachtung
(pag. 300) eine Schwäche im unteren Facialis.
Wir selbst beobacbteteii bei dem auf pag. 301 genau mitgetheilten Falte
von Polioencephalomyelitis acuta im Anfang eine totale linksseitige
Facialislähraung^ die sich später etwas verminderte.
S 3G8. Aber aucb htii den cirkuiiiskript entzündlichen Erkrankungen im
Pons kann es zu einer Kernhihminig des Facialis koumien, wie in dem nacli-
folgenden von Oppenheim (1456) beobachteten Faller
,Der ISjÄlirige P. klagte einige Wochen nach einem Infi uenzöün fall über ein Knebeln
und eine Öchwero in der linken Geäichtshälfte. Einige Tage später stellte sich eine
Schwäche dos rechten Anna und Beines ein. Dhzu kam Taubheitsgefühl und Unsicher-
heit der Bewegungen, sowie Doppeltsehen. Die Sprache wurde undeutlich. Pei der einige
Wochen nach Beginn des Leidens vorgenoniineneii L'uterauchung fand »ich eine Lähmung
deä link en Faci alis in allen seinen Zweigen mit partieller Entartungsreaktiun; eine
Hypaesthesie im linken Trigeminusgebiet, eine Lähmung des linken Abducens, nebst Unfähig-
keit^ beide Bulbi nach links hniüberzubewegen. Die Hürschilrfe war links berabgesctaitj
die Kopfknochenleitung hier }>eeinlrächti^t* In der rechten Körperliälfte hestand eine Parese
mittleren Grades mit Steifigkeit und Erhühung der Sebnenphänomene, Die Sensibilität war
am rechten Arm und Bein herabgesetzt; in geringem Grade auch am linken Arm. Ausser-
dem bestand Ataxie im rechten Arm, weniger im Bein und Spurweite im linken Arm. Die
Sprache war etwas näselnd und undeutlich, diiä Schlucken ein wenig behindert. Auch
wurde über Blasen drang geklagt. Keine Veränderung am Augeuhint ergrund* Massiger
Kopfschmerz. Kein Erhrechen. Diese Erscheinungen wurden durch einen encepbalitii§chen
Herd hervorgerufen, der wesentlich die linke BrückenMlfte einnahm und in wechselnder
Ausdehnung von der Höhe des Acusticuskerns bis zu der des Abducenakems die BrucKe
durchsetzt hatte; indem er nach unten hin die Mittellinie überschritt, betrat er das Gehiet
der rechten Schlei Cenbahn. Die Pyramiden waren nur in einer H5he auf eln^ kurze Strecke
ins Bereich der Erkrankung gezogen.
§ 369* Im Anscbluss an diese Erkrankung sei in Kürze der Blutungen und
Erweichungen innerhalb des Pons gedacht. Bekanntlich ist die für die Pons-
erkrankungen charakteristische Lähmungsformj die sogenannte alternirende.
Millard und G übler haben zuerst auf dieselbe aufmerksam gemacht. Sie
besteht in einer Lähmung der Extremitäten (und event. der Zunge) auf der
contralateralenj und des Facialis auf der dein Krankheitssitz entsprechenden
Seite. Dies ist der Fall, wenn ein apoplektiseher Herd in einer Ponshälfte
oberhalb der Pyramidenkreuziing, aber unterhalb der Facialiskrenzung belegen
ist (siehe Fig. 146). Liegt aber der Herd oberhalb der Faciaiiskreuzung, so
müssen beide: die Lähmung der Extremitäten sowohl, als auch die Facialis*
lähmung auf der gegenüberliegenden Körperhälfte belegen sein.
Die Lähmyng des Facialis hetriflft bei der sogenannten G übler 'sehen
Lähmung alle Zweige des Nerven, auch die oberen Aeste, und es trägt die-
selbe, da ausser dem Kerne auch die austretende Wurzel betroffen ist, den
Charakter der peripheren Lähmung mit qualitativen Veränderungen der elek-
trischen Erregbarkeit Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei dieser
alternirenden Lähmung neben dem Facialis öfters noch andere Hirnnerven
betroflen werden, am häufigsten der Hypoglossus; dann auch der Abducens
und Tri gern inns.
Als Beispiel mögen folgende Fälle dienen, von denen wir die ersten
ganz kurz referiren:
42»
646
Die Lähmungszast&nde im oberen Facialisgebiet.
Alexander (1457) berichtet von einer 54 jährigen Frau, welche bei einem xweiten
Schlaganfalle eine Lähmung der linken Extremitäten und des rechten Facialis in allei
seinen Zweigen requirirt hatte. Aus dieser altemirenden Lähmung, und auf Graod tm
Artikulations- und SchlingstOrungen wurde eine Blutung in der rechten unteren Hälfte des
Pens diagoosticirt, und durch die Sektion als zutreffend bestätigt.
Einen ähnlichen Fall von linksseitiger Extremitätenlähmung mit Artiknlationsstdrang^
Abweichung der Zunge nach links, Ptosis und vollständiger rechtsseitiger Facialislihmaog
beobachtete Mahot (1458).
Hallüpeau (1459) sah ebenfalls eine Lähmung des linken Facialis in seiner
ganzen Ausdehnung bei einer rechtsseitigen Extremitätenlähmung. Ausserdem bestand
aber noch Paralyse des linken Nervus abducens. Bei der Sektion fand sich auf dem
Boden des vierten Ventrikels im Nireu
der Eminentia teres linkerseits, in dtf
Gegend, welche dem Knie das Facialis ent-
sprach, eine Ecchymose. Ein senkreckt
auf den Boden des Ventrikels geführter
Schnitt zeigte hier einen Erweichungsberd
von etwa 5 mm Durchmesser, der den
Facialis-Abducenskem zerstört hatte. la
oberen Ende der linken Arteria vertebnib
und im untersten StQck der Basilaris ht-
fand sich ein Pfropf.
Leider fehlt in den vorher-
gehenden Fällen die genaue elek-
trische Untersuchung, die ja gerade
in diesen Fällen für die Beurtheilong
der Art der Facialislähmung toh
grösster Bedeutung ist Denn
differentialdiagnostisch kann man
eben nicht feststellen, ob es sich
um eine fascikuläre, eine Kern-
lähmung, um beides zusammen, oder
um eine supranucleäre Facialis-
lähmung gehandelt habe, welch letz-
tere allerdings höchst unwahrschein-
lichist, worauf aber immerhingeachtet
werden muss.
Da nun im folgenden Falle von Gee und Tooth (1460) eine, allerdings
den Anforderungen einer exakten Untersuchung nicht entsprechende, elek-
trische Prüfung des Facialis vorgenommen worden war, so sei dieselbe noch
kurz hier erwähnt.
Kin 21 jähriges Mädchen hekam inmitten guter Gesundheit plötzlich bei der Arbeit
einen apoplektischen Aofall. Sie verlor das Bewusstsein, wurde blau im Gesicht und mx
unfähig zu sprechen. Bei der Aufnahme des Status am folgenden Tage wurde kon-
statirt, dass die Unfähigkeit zu sprechen nicht von einer Aphasie, sondern von einer od-
vollkommeoen Artikulation herrührte.
Feiner fand sich komplete Facialislähmung auf der rechten Seite.
Patientin konnte das Auge nicht schliessen. Ausserdem waren die PapiUeB
eng und die Augenbewegungen nach aussen und innen aufgehoben, während die Möglich-
5ect/553ho
Fig. 146.
Nach Leube, Spexiellc Diagnostik.
Die LfthmungsxustAndd im oberen Facialisgebiet. 647
keit Dach oh^n und iinteB zn sehen erhalten war. Besonders bemerk enswerth wnr ausser
einer leichten linksseitigen Paresö (alao G iibler'eeUer Typus) eine AnMsthesie in beiden
Gesichtshälften, besonders in den oberen Partien und zwar rechts mehr als links. Die elek-
trische l'>regharkeit war ausser in den vom recbten Facitilia innerviiien Muskeln normal,
welch letztere nicbt auf die stärksten faradmchen Strtime.
Bei der Sektion fand sich eine kirschkerngrosBo Blutung, die rechts den Boden des
vierten Ventrikels vorwMhte. An der Grenze zwischen mittlerem nnd unterem Drittel
des Pens hatte sie die grösste Ausdehnung.
Aus diesem Befund interesairt uns hier die Zerstdiiing der aufsteigenden Wurzel
des rechten Facialiskerns; der Kern selbst war nicht direkt getroffen.
Ausserdem war der ganze rechte Ahducenskern, das rechte und tbeil weise auch das
linke hintere LängsbündeJ, die Schleife rechts, die transversalen Fasern der Formatio reti-
culsris rechts, der motorische und sensible rechte Trigeminuskern verstört.
Bei den Herden in der oberen Ponshäifte oberhalb der Facialiskreiuang
tritt eine der gewohnlichen organischen Hemiplegie entsprechende Beteiligung
des Facialis in die Erscheinung, d. h. es sind meistens die zum Frontalis,
Corrugator superciüi und Orbiciilaris palp* ziehenden Aeste frei. So ist, wie
Nothnagel (1461) anführt, in dem Falle von Der olles mit einer hoch-
gradigen Betheiligung des Facialis ausdriicklich en^'ähnt, dass der Orbicid.
palpebr. nicht gelähmt, und auch die Runzehing der Stirn und Augenbrauen
willkürlich noch möglich war. Ebenso sahen wir in dem auf pag* 329 mit-
getheilten Fall eine rechtsseitig© Hemiparese und Parese lediglich im
unteren' Fiicialisgebiet.
Die Sektion ergab, dass im linken oberen Teile des Pens ein Erweichungg-
herd bestand, der noch \m oberhalb der Kernregion des Facialis und Abducens
reichte. Jedoch hebt Nothnagel hervor, die Berichte in den Kranken-
geschichten seien zuweilen so nnbestinimt gehalten, dass sich die aufgestellten
Sätze (siehe oben Lenbe^s Abbildung) in dieser Allgemeinheit nicht als un-
bedingt sicher und für alle Fülle zutreffend festhalten Hessen.
Auch Martin Brasch (1462) behauptet auf Grund einer Beobachtung,
in welcher die rechte Ponshälfte mit Ausnahme kleiner Bezirke am proximalen
und distalen Ende von einem Herde durchsetzt war und bei dem keine contra-
laterale Lähmung des Facialis, sondern nur eine dem Herde gleichseitige
totale Gesichtslähmung gefunden wurde, dass man sich bezüglich des näheren
Sitzes der Affektion im Pons mit Vorbehalt ausdrücken müsse. Derselbe
Autor führt auch eine von Oppenheim (1463) gemachte Beobachtung an,
bei der es sich intra vitam um eine Lähmung des linken Facialis in allen
seinen Aesten, des linken Abducens und des linken Trigeminns gehandelt
hatte, während rechts der untere Facialis, der Beet, int. und die Extremitäten
gelähmt waren. Die Sektion ergab einen Tuberkel in der linken, und zum
kleineren Theile auch in der rechten Ponshälfte,
Vor kurzem theilte uns ferner Herr Prof, Flechsig persönlich mit, dass die
Bahnen des Facialis im Pons bedeutemle Varietäten in ihrem Verlaufe zeigten?
indem sie zuweilen selbst nach der Medulla oblongata zu verlaufende Schlingen-
bildungen darböten. Daher dürfte auclt die feinere Lokalisation im Pons niclit mit
jener Sicherheit gemacht werden, wie sie aus den meisten Lehrbüchern hervorginge.
648 Die LAhmuDgszastände im oberen Facialisgebiet.
y. Monakow (1464) schildert die in Betracht kommenden Verhältnisse
folgendermassen :
„Sitzt die Unterbrechungsstelle in der unteren Brückenhäirte, z. B. in
jenen Ebenen, wo die Faserantheile des Pedunculus zum Facialiskeme der
gegenüberliegenden Seite die Raphe bereits überschritten haben, so wird das
Bild der hemiplegischen Lähmung in einer den anatomischen Verhältnissen
entsprechenden Weise modifizirt. Durch einen die rechte Pyramide in der
unteren Ponsgegend unterbrechenden Herd wird nämlich nicht nur häufig
der von der rechten Hemisphäre kommende Faserantheil zum gekreuzten
Facialiskem, sondern auch gleichzeitig der von der linken Hemisphäre kom-
mende mehr oder weniger mitlädirt. Ausserdem wird aber noch die rechte
Facialiswurzel und auch der rechte Facialiskern mitbeschädigt. Dadurch
entsteht 1. linksseitige Hemiplegie der Extremitäten mit leichter Betheiligung
des linken Facialis und der Zunge und 2. rechtsseitige totale (bisweilen aber
eine nur inkomplete) Facialislähmung. Bei der letzteren sind wie bei der gewöhn-
lichen peripheren Lähmung sämmtliche Aeste dieses Nerven (also auch die
Stirnäste) ergriflFen; auch kann Lagophthalmus bestehen. Selbstverständlich
zeigt sich dabei, wie auch mehrfach festgestellt worden ist, Beeinträchtigung
der elektrischen Erregbarkeit, bisweilen auch Entartungsreaktion."
W ernicke (1465) hat eine diesbezügliche, aber auch noch nach anderer Richtoog
hin interessante Beobachtung au einem 58 jährigen Patienten angestellt, hei welchem
Kopfschmerz, Doppeltsehen, erschwertes Kauen und Oe£fnen des Mundes aufgetreten waren.
Einen Monat später stellte sich Lähmung des Facialis mit Einschlnss der obem
Zweige auf der linken Seite ein. Auf der rechten Seite des Gesichts und Kopfes war die
Sensibilität vermindert. Im späteren Verlauf zeigte sich verminderte Erregbarkeit gefn
den faradiscben, wie galvanischen Strom bei Reizung des Facialisstammes links» und ft-
steigerte Erregbarkeit bei direkter galvanischer Muskelreizung.
In den Extremitäten und am Rumpfe war die Sensibilität gut erhalten und keinerlei
Motilitätsabschwächung aufgetreten.
Die Sektion ergab einen Tumor im Pens, der den linken Facialis- und Abdocens-
kern vollständig zerstört hatte; die Wurzelbündel beider Nerven waren schmal und atrophisch.
Dieser Fall ist für uns von besonderem Interesse, weil hier der Facialis
allein inkl. der oberen Aeste ohne Betheiligung der Extremitäten
gelähmt war.
Grichton Browne (1466) beobachtete ebenfalls eine totale Lfthmong des
Facialis bei einer Hämorrhagie in den Pons.
Auch EI z holz (1467) theilte als seltenes Vorkommniss einen Fall von Pon8himo^
rhagie und isolirter Gehimnervenlähmung mit. Ks handelte sich nm eine komplete
Facialis-, Abducens- und Hypoglossuslähmung auf der rechten Seite. Die Extremititeo
waren in sensibler, wie motorischer Hinsicht normal.
Eine isolirte Lähmung des oberen Facialis in Folge irgend einer Läsion
im Pons haben wir in der Litteratur nicht auffinden können, d. h. bei den
mit anatomischen Veränderungen einhergehenden Läsionen.
§ 370. Bei der Bulbärparalyse ohne Befund dagegen oder, wie man sie
neuerdings nennt, bei der asthenischen Bulbärparalyse findet man
eine isolirte Lähmung des oberen Facialis. So sehen wir im Falle III von
Erb (45f>) (siehe Tabelle XI, pag. 232) eine leichte Parese in den oberen
Aeslen des Facialis, in welchen hie und da leichte zuckend© Kontraktionen
beobachtet wurden. In Oppenheim's (475) und Eisenlohr's (458) Falle
bestand Schwäche des Lidschlusses ; ebenso in den Fällen von Remak (477),
Senator (478), Fajersztajn (455), Goldflam (460, Fall III), Koshewni-
kow (465^ und Karplue (462).
In Goldflam's (457) Falle konnten die Lider gar nicht geschlossen
werden. In einem anderen Falle des um die ErkennttiJS8 dieser Erkrankung
verdienten Autors bestand beiderseits Lagopbtbalmus (460, Fall I).
d) Die Lähmung des Augen facialis in Folge yon Affektionen des
peripheren Theils des Nerven.
§ 371. Zu den leichtesten Aufgaben der Diagnostik gehört die Erkenn tniss
einer peripheren Faciahslähmnng, Die faltenlose, glatte Stirn der gelähmten
Seite, das weit offen stehende Auge, der nach der gesunden Seite verzogene
Mond, die verstrichene Nasolabialfalte, der hängende Mundwinkel verrathen
primo adspectu den vorhandenen Lähniungszustand, der noch markirter
hervortritt, wenn man den Kranken auffordert, die betreffenden Gesicbts-
muskeln zu innerviren* Uns interessirt hier nur, dass der Patient das
Auge nicht schliessen, dass er die Stirn nicht runzeln und den Corrugator
nicht innerviren kann* Wie auf Abbildung, Figur 143, deutlich ersichtlich,
ist die Lidspalte schon in der Ruhe etwas weiter, als die der anderen Seite.
Der Lidreflex fehlt. In Folge der Lähmung des unteren Lides steht der
Thränenpunkt ab und taucht nicht in den Thränensee. Hierdurch laufen die
Thränen über die Wangen,
Auf die Mitbewegiingen zwischen dem Muse, orbicul. oculi und den
Hebern des Bulbus sind wir in § 32 genauer eingegangen, und hatten dort das
bekannte BelFsche Phänomen (die Flucht der Cornea nach oben bei Lag-
ophthalraus) schon besprochen,
S 372. Bei den meisten Fällen von peripherer Facialisparalyse sind sämmt-
Hche Zweige gelähmt, also auch die oberen. Es kommen jedoch, abgesehen
von Traumen an der Peripherie jenseits der Spaltung in den oberen und unteren
Ast, auch peripherische Lähmungen vor, die sich auf einzelne Zweifije be-
schränken. Oefter haben wir, ebenso wie Fürst, Paresen im unteren Facialis-
gehiet nach Exstirpation von Halslymphdriisen gesehen.
Aber auch bei der gewöhnlichen sogenannten refrigeratorischen Facialis-
läbmung konnten wir häufig einen verschiedenen Grad der Lähmung einzelner
Aeste in gleicher Weise wie Bernhardt (1468) konstatiren, welcher sagt,
„trotz der auf den peripheren Nerven einwirkenden Schädlichkeit können
einige Aeste mehr, andere weniger geschädigt sein; auch zeigen bestimmte,
demselben Nervengebiete zugehörige Bezirke für einzelne Aeste eine in ver-
schiedenem Grade beeinträchtigte oder veränderte elektrische Erregbarkeit,
sodass z. B. für die Stim-Augenäste die Mittelforni, für die mittleren und
tieferen (Nasen-, Lippen-, Kinnäste) die schwere Form der Entartungsreaktion
650 Die LAhmuDgSEnstftnde im oberen FaeialiBgebiet.
beobachtet wird, oder einige den pathologischen Verändemngen sogar psi
entgangen zu sein scheinen'^ So hat Mann (1469) letzteres für den Qrbi-
cularis oculi behauptet, während Silex (1470) eine Parese des Qrbicnlara
palpebrarum mit unklarer Genese beschrieben hat.
In unserer Beobachtung und Behandlung befanden sich 49 periphoe
Facialislähmungen ; von denselben betrafen 3ö alle Aeste, 6 hauptsachlich die
unteren, 5 die mittleren und oberen Aeste und 4 überwiegend die oberen
Aeste. Da die letzteren Fälle hier uns lediglich interessiren, so theilen wir
nur dieselben hier mit:
1. 42 jährige Arbeitersfrau, war früher im Wesentlichen gesund nod hatte 10 Kinder,
von denen 6 leben. Nie Abort. Keine Lues, kein Alkobolismus nachweisbar. Vor 4 Ja]i?«n
schwere Geburt; seitdem allgemeine Schwäche; häufig Schwindel, Kopfschmerz und Zittern.
Seit 8 Tagen bemerkte sie, dass sie das rechte Auge nicht schliessen kOnne.
Eine Erkältung lag nicht vor; jedoch war in den letzten 8 Tagen dss Allgemeii-
befinden gestört. Patientin hatte keinen Appetit, die Zunge war belegt; ob sie Fieber
hatte, konnte sie nicht angeben, ebensowenig,, oh sie hereditär-nervös belastet sei Bei
der Untersuch ang fiel sofort auf, dass die rechte Lidspalte beim Blick horizontal in die
Feme erweitert war durch Klaffen und Herunterhängen des unteren Lides. Die Tasdie
desselben war mit Thränehflassigkeit bis zum Rande gefüllt. Die Augenbraue des rechten
Auges stand erheblich tiefer als die des linken und nahm eine horizontale Richtung ein.
Die Stirnfalten der rechten Seite waren völlig verstrichen. Der rechte Cormgator wurde
bei dem Versuch ein finsteres Gesicht zu machen nicht innervirt. Bei dem Versuche die
Lider des rechten Auges zu schliessen, wich die Cornea nach innen oben, wobei der
Bulbus einige inkoordinirte Bewegungen ausführte.
Das Nasenrümpfen erfolgte auf beiden Seiten ziemlich gleich; ebenso zog sich der
Mundwinkel bei der Aufi^orderang die Zähne zu zeigen mit nahezu gleicher Intensität zu-
sammen. Jedoch erschien beim Lächeln und Sprechen der linke Mundwinkel doch etwai
stärker innervirt als rechts. Der Geschmack an der vorderen Zungenspitze und das
Gehör waren nicht alterirt. Das Gaumensegel hob sich beiderseits gleich. Ueber Trockenheit
in der rechten Seite des Mundes wurde nicht geklagt.
Die elektrische Untersuchung ergab qualitative Störung nur im Frontalis und im
Orbicularis oculi ; im unteren und mittleren Ast war keine qualitative Veränderung nach-
zuweisen; in der rechten Oberlippe war die faradische und galvanische Erre^Mukeit
quantitativ herabgesetzt. Im Frontalis und Orbicularis erschien die Zuckung träge, doch be-
stand keine volle Entartungsreaktion, da auch indirekt diese Muskeln erregbar waren.
Zufällig stellte sich die Patientin uach 3 Jahren in der Poliklinik wieder vor. Die
Facialislähmung erwies sich als völlig geheilt. Die elektrische Untersuchung ergab durch-
aus normalen Befund. Lidschluss, Stimrunzelung und Coniigatorinnervation gingen gut
von statten. Auffallend war nur, dass die rechte Lidspalte enger war, als die linke
2. 16 jähriger Gymnasiast machte am 2. September eine von der Schule veranstaltete
Tour mit. Auf der Heimfahrt sass er am offenen Coupefenster und war lebhaftem Zug-
wind an der linken Gesichts- und Halsseite ausgesetzt. Am anderen Morgen konnte er
das linke Auge nicht mehr schliessen und den Mund nach der linken Seite nicht recht
bewegen. Stat. praes. am 6. Krankheitstag. Vollständige Lähmung aller äusseren Aeste
des linken Facialis Geschmack und Gehör beiderseits gleich und nirgends gestört. Die
Uvula steht gerade. Beweglichkeit des Gaumensegels gut. Keine abnorme Trockenheit in
der linken Seite der Mundhöhle.
Die faradische wie galvanische Erregbarkeit der Nerven sowohl, wie der Muskeln sehr
wenig herabgesetzt.
Patient wurde nun täglich galvanisirt. Schon in den nächsten Tagen kehrte die
Motilität in den unteren Gesichtsmuskeln zurück; dann kamen die Zjgomatici ; hiennf der
Die LKhmuDgszustftDde im oberen FaciaU&gobiet. €61
Frontalis. Am meiBten blieben der Corragator, Orbicukrts p&lpebn und der Compre^or nasi
links zurück. Am 12. September konnte er daa linke Auge Bclilieaeen, wenn auch nicbt
völlig. Am Abend dieses seines Gebnrt^tagei hatte er Freunde bei sieb. AI« dieselben
sieb entfernt hatten, und Palient im Betle lag. bekam er heftigen Kopfscbraerz hinten rechts.
Es war ihm, als ob der Kopf zersprftnge. Am anderen Morgen konnte er das rechte
Auge nidit mehr echliessen. Bei der Untersuchung zeigte sich nun, daas hier lediglich
der Orbrcularia oculi gelähmt war Die faradi 8 che wie galvanische Erregbarkeit waren
nur sehr wenig herabgesetzt.
Schon nacb 3 Tagen konnfe das rechte Auge wieder besser gescbloasen werden. Beim
Spreeben genirte den Patienten noch eine gewiase Mangelhaftigkeit der Lippenbewegnng
auf der linken Seite*
Am 25. September war Patient beinahe völlig geheilt; er tonnte die simmtlichen
Gesteht smudkeln innervtren. Es bestand nur noch eine ganz leichte Schwäche in beiden
Orbiculares oculi. Der junge Munn trat nun als Lehrling in ein kaufmänniachea Gescbüft ein.
Hier wurde er gleich sehr angestrengt; von Morgens bis Abends musste er schreiben» Am
2. Oktober stellte er sith wieder vor Es war eine bedeutende Verschlimmerung eiuge-
treten. Links konnte das Auge nur sehr unvollkommen geschlossen werden. Der linke
Compressor nasi kontrabirte sich nicht, und auch rechts war die Schwache im Orbicularia
grosser. Patient trat aus dem GeBcbäft aus; wu^de täglich wieder galvanisirt. Am IL
Oktober war wiederum eine bedeutende Besserung zu konstatlren.
Der Augenschlass war allerdings beiderseits noch schwach. Das rechte Auge konnte er
besser schliesEen. Beim linken Auge konnte man deutlich konstatiren, dass die orbitale
nnd peritarsale Partie viel besser sich kontrahirte, als die epitarsale. Bei leiaem Augen-
schluss trat in der linken penorbitalen Muskulatur eine leichte Zuckung auf. Der Comigaior
und Frontalis erschienen auf der rechten Seite besser innervirt, als links Der linke
Comprei48or nasi kontrahirte sich noch wenig.
Die Mundmuskulatur bewegte sich willkürlich und unwillkürlich gut. Jedoch hatte
die untere Gesichtspartie doch etwas Schlaffes. Mundspitien und Flöten konnte Patient
ganz gat
Während früher die elektrische Erregbarkeit wenig gestört war, so konnte man jetzt
doch eine Herabsetzung der farad. wie galvanischen Erregbarkeit der Nerven, sowie eine
quantitiitive Herabsetzung für beide Stromesarten im Orbiculans oculi. Corrngator und
Compressor nasi auf der linken Seitft konstatiren. Die Zuckungen waren jedoch kurz.
Wir hüben diesen Fall wegen der bervoiTagenden Betheiligung des oberen Facialisi
der Doppelaeitigkeit ond wegen seines eipfenthümlichen Verlaufes so eingehend mitgetbeilt"
Es sei noch hinzugefügt, dass Patient schon 8 Tage vor jener ersten Tour sich nicht recht
wohl fühlte, öfter tlber Kopfdcbmerz klagte und zweimal gebrochen hatte. Auch wfihrend
der Behandlung hatte Patient Verdauungsbeachw erden und schlief schlecht
Dies gestörte Allgemeinbefinden legt den Gedanken nahe, ob nicht hierin das ursich-
liclie Moment der Facialislähmung gelegen sei und die Erkältung auf der Tour nur als das
auslösende, veranlaisende Moment 2u betrachten wäre.
3. 11 jähriger Knabe erkrankte vor 8 Tagen mit Lfihmung des linken Facialis. Nach
kurzer Behfindlung wurden alle Muskeln wieder beweglich bis auf den Orbicutaris ocnli,
Frontalis und Corrugator. Hier bestand noch eine betrÄchtliche Schwäche und eine Herab-
setzung der elektrischen Erregbarkeit der Nerven.
4. Ein 30 jähriger Herr will seit 14 Togen ein Unvermögen, die linke öesicbtshfilfte
zu bewegen, acquirirt haben. Ks soll schon eine erhebliche Besserung eingetreten sein.
Bei der Untersuchung konnte man nur noch konstatiren, dass das linke Auge
mit geringerer Energie geschlossen wurde als das rechte. Dabei traten fibrilläre
Zackungen im Orhicularis oculi auf.
Im unteren Facialisgebiet wnr nichts mehr zu merken* Gaumensegel^ Geschmack
Qod Gehör waren nicht alterirt.
652 Die Lähmangszustäiide im oberen FaciallBgebiet.
In vorgenannten Fällen sehen wir also den Augenfacialis am meisten
alterirt. Jedoch ist er in keinem Falle ganz isolirt erkrankt, da in anderen
Aesten doch noch mehr oder weniger nachweisbare Störungen Torhanden
gewesen waren. Umgekehrt haben wir öfter auch ein hauptsächliches Be-
fallensein des unteren Facialis beobachtet. Hierbei muss man besonders
genau die elektrische Prüfung vornehmen, da hier ja der gewöhnliche Typos
der cerebralen Facialislähmung vorliegt. Meist finden sich jedoch qualita-
tive elektrische Erregbarkeitsveränderungen, die ja bei cerebralen Herden im
Allgemeinen nicht vorkommen.
So hat Bernhardt (1471) 2 Fälle von peripherischer Facialislähmung
vorgestellt, von denen der eine auf eine Otitis media, der andere wahrschein-
lich auf eine Schädelbasisfraktur (nach Fall) zurückzufüliren war. In beiden
Fällen bestand zwar auch eine Betheiligung der Stim-Augenäste an der
Lähmung, doch war dieselbe so massig, dass sie bei oberflächlicher Be-
trachtung hätte übersehen werden können. Im Gegensatz zu den die schwere
Form der Lähmung und Entartungsreaktion darbietenden Nasolabialästen
zeigten die Orbiculo-Frontaläste nur Mittelform bezw. nur quantitative Herab-
setzung der elektrischen Erregbarkeit ohne Entartungsreaktion.
§ 373. Bei dieser Gelegenheit mag noch des wichtigen Falles von Dejerine
und Theohari (1472) gedacht werden, weil die Verfasser bei einer sogenannten
rheumatischen Facialislähmung eine Autopsie erlangen konnten.
Die terminalen Endigun^en des Facialis waren hochgradig degenerirt; das Mark war
schollig zerfallen, der Achsencylinder nicht mehr nachweisbar, auch die von dem betreüendtt
Nerven versorgten Muskeln befanden sich im Zustande der Degeneration and zeigten «se
undeutliche Querstreifung und reichliche Kernanhäufung.
Bei diesem Falle war bemerkenswerth, dass die unteren Facialisäste.
deren Funktion bekanntlich sich am schwersten wieder einstellt (was wir auch
nach unseren Erfahrungen bestätigen können) weitaus am heftigsten erkrankt
gefunden wurden, indem hier nur auf etwa je 10 erkrankte Nervenfasern
eine normale kam, ein Verhältniss, das bei den oberen Facialisasten gerade
umgekehrt beobachtet wurde.
§ 374. Als eine Ausnahme von der Regel, dass die Funktion sich in den
untersten Aesten des Facialis am schwersten wieder einstellt, sei endlich noch
folgender Fall mitgetbeilt, den wir erst jüngst beobachteten, und der auch
wegen eines anderen Momentes werth ist, hier angeführt zu werden.
Es handelt sich um eine 80 jährige Frau, die seit ihrem 4. Jahre mit einer linkasettigeo
Gesichtslähmung , angeblich nach einem Obrenleiden, behaftet ist Wie ans der Ahbildun^
(siebe Fig. 147) ersicbtlicb, ist die linke Stirn ganz glatt. Dieselbe kann nicht iooerfin
werden. Es besteht Lagophthalmus, beim Versuch das Lid zu schliessen, flieht der BolboB
nach oben aussen. Die linke Infraorbitalgegend ist etwas eingesunken. Das üoterlid liegt
dem Bulbus gut an. Der Mundfacialis kann etwas innervirt werden. Die ÜTiiia stjfbt gerade;
das Gaumensegel wird gut gehoben. Der Geschmack ist nicht alterirt; ebcBSowenig die
Speichelsekretion. Bei der elektrischen Untersuchung reagirten lediglieh die Maekeln der
linken Unterlippe und der linken Kinnseite, und zwar auf den faradisehea SM gvirmniaeheo
Strom obne qualitative Veränderungen; sonst war nirgends eine Zaoksag i
Die LähmunggzußtJlnde im oberen Facialisßebiet,
es3
Besonders ausgeprägt war in diesem FaHe folgende Erscheinung r
Bei der Aufforderung, die Lider beider Au^en zu schliessen, entwich, wie
schon erwähnt, die Cornea nach oben anssen, und es zeigte sich deutlich in
den Lidern des gelähmten Auges eine scheinbare, wie zum SchluFse der Lider
sich anschickende, langsame Bewegung, Bei genauerer Prüfung jedoch,
und namentlich wenn man beide Augenbrauen in die Höhe gezogen hielt,
stellte sich die scheinbare Sehliessbewegung des Oberlides mehr als ein In-
nervationsnachlass des Levator, als wie ein aktives Zusammenziehen
des Orbicularis dar. Das untere Lid machte ebenfalls eine scheinbare Be-
wegung wie zum Schlüsse des Auges;
E jedoch war dieselbe lediglich durch
den Zug der Conjunctiva am Unter-
lid bei der Hucht der Cornea nach
oben bedingt.
' Da dieses Entweichen der Hörn-
haut nach oben eine schwer zu
unterdrückende Erscheinung ist, so
niuss man beide Augenbrauen in die
Hohe heben und die Patientin den
vorgehaltenen Finger tixiren lassen;
hierdurch wird die Beeinflussung
^^der Lider durch den Bulbus hintan-
^^ehalten.
^^ Jedenfalls beweist dieser Fall
[ sehr klar, dass die willkürliche
Verengerung der Lidspalte bei totaler
Faciahslahmung in gleicher Weise
wie jener rudimentäre Blinzelreflex,
vergl. pag. 31 § 25, auf einer Erschlaf-
fung des Levator beruht.
?i 375. Da, wie G o w e r a (1473) in
seinem ausgezeichneten Lehrbuche
hervorhebt, der Charakter der peri-
pheren Facialisparese durch den Sitz
oder den Charakter der Erkrankung des Nerven gar nicht beeinflusst w^rd,
so dürfte es ein müssiges Unternehmen sein, alle Krankheitsfälle, bei welchen
der Augenfacialis mitaffizirt war, in ähnlicher Weise hier anzuführen, wie wir
es bei der Ptosis für nöthig erachtet hatten. Bei allen AÖektionen können eben
einige Fasern des Facialisstammes nach seinem Austritt aus der Brücke mehr
leiden als andere, wodurch sich auch eine entsprechende DiÖ'erenz in dem
Grade der Motilitätsstörung der verschiedenen Muskeln bemerklich macht.
In welchen Abschnitt des peripheren Facialisverlaufs die betreffende
Läsion zu verlegen ist, kann man leicht nach dem bekannten Erhaschen
Schema entscheiden. Da indess überall der obere Facialis in gleicher Weise
^
'^HüM^
Lll^
N. O. Linksseitige seit 26 Jahren t)e«teheDde
koniplcte FApialblähmung.
654 Die LAhnmngszastftnde im oberen Faeialiegebiei.
affizirt sein kann, würde ein spezialistisches Eingehen auf diese Fragen die
uns gesetzten Grenzen entschieden überschreiten. Wir wollen nnr in Küne
die ätiologischen Momente der peripheren Facialislähmung anführen.
§ 376. Als die gewöhnliche Ursache derselben nahm man eine Entzündung
des Nerven in Folge einer Erkältung an (refrigeratorische oder rheumatische
Facialislähmung). 1891 hat jedoch Minkowski (1474) auf Grund einer
diesbezüglichen anatomischen Untersuchung nachgewiesen, dass es sich
weniger um eine entzündliche, als um eine degenerative Neuritis handelte.
Dieser Befund wurde von Darkschewitsch und Tichonow (1475)
durch die mikroskopische Untersuchung eines anderen Falles bestätigt; siehe
auch § 373.
§377. Neuerdings wurde von Neumann (1476) die hereditär nervöse
Belastung als das wichtigste Moment bei der durch ein Gelegenheitsmoment
ausgelösten Facialislähmung hingestellt. Wir haben uns in unseren Fällen
nicht von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen können. Immerhin
muss jedoch zugegeben werden, dass das Vorkommen der recidivirenden
Facialislähmung^ worauf ausser Anderen speziell Bernhardt aufmerk-
sam gemacht hat, die Wahrscheinlichkeit einer Prädisposition näher rückt
Charcot hat ein vierfaches Recidiv einer Facialislähmung beobachtet
Philipp hat auf die Enge oder Weite des Foram. stylomastoideum als n^
sächliches Moment für die Lähmung hingewiesen.
Wir beobachteten vor 4 Jahren ein 21 jähriges Dienstmädchen, welches 8 Tage oack
einer Halsentzttndang eine rechtsseitige Gesichtslähmung inkl. den Augenfacialis acqnirirt
hatte. Nach 2 Wochen war die Gesichtslähmung verachwunden. 3 Wochen später bekan
Patientin npter Kopfschmerz und Schwindel eine komplete, linksseitige Facialis) ihmoBg
mit Lagophthalmus und Geschmackstörung im vorderen Drittel der Zunge. Femer sei oocfa
des auf pag. 650 mitgetheilten Falles 2 von vierfachem Recidiv einer FaciaUsIäkmui
aus unserer Beobachtung gedacht.
§ 378. Traumen der Gesichtsgegend (während der Geburt), Parotisge-
schwülste etc. können unterhalb der Chorda tympani zu Facialislähmung führen.
Sehr häufig wird der Gesichtsnerv in Folge eiteriger Mittelohrerkrankung,
insbesondere wenn Caries des Felsenbeins dabei besteht, in Mitleidenschaft
gezogen.
Beim Verlauf an der Schädelbasis können Frakturen derselben, Aneu-
rysmen, Tumoren, akute und chronische Meningitis (vor allem die gummöse
Form) den Facialis bedrängen und mehr oder weniger komplet lähmen.
Bei solchen Basallähmungen sind häufig andere Himnerven (Acusticos,
Abducens, Quintus) mitaffizirt.
So heohachtete Erb (1477) eine 28jährige Bauei-sfrau mit einer rechtsseitigen Facialis-
lähmung, die nur in den oberen Aesten komplet war. Die Stirn konnte nicht gerunzelt
das Auge nicht geschlossen werden. Die Muskulatur vor dem Oberkiefer und dem
Kinn zeigten dagegen einen geringen Grad von Motilität. Früher bestand Anästhesie an
der rechten Wange im Gebiet des zweiten Quintusastes. Der Geschmack war normal.
Nach Erb 's Ansicht handelte es sich um eine tiefe Läsion des Facia-
lisstammes an der Schädelbasis. (Hierbei sei bemerkt, dass sich die
Die Lab na ungszu stände im oberen Facialisgebiet
6ISB
Basaltäliuiuügen durch Lähmung sämnitlicher FaciaUszweige ausser den Ge-
schmacksfasem auszeichnen sollen.)
Gerafle ^gegenwärtig, wurde uns von Herrn Dr. Lauenstein^ Oberarzt
am hiesigen Seemannskran kenhause, ein 30jähriger Seemann behufs Unter-
suchung zugeschickt, bei welchem im Gesicht lediglich eine isolirte Lähmung
des Frontalis nachzuweisen war. Da wir letztere auf eine basale Facialis-
lähmung zurückführen, die in der Heilung begriffen ist, so mag dieser Fall
hier noch angeführt werden.
Vor 7 VVocheo fiel dem leidlich kräftigen Mann oin Korb Kohlen auf den Kopf. Er
war angöblich 2— ä Tagt* bewusötlos. Etwa 8 Tagt* ßpöter Bt^ltten aich Schatürungen ein,
so dnsa er nnfÜDgltch beinahe blind war. Nach 3^4 Wochen hatte sieh das Sehen allraüblich
wieder emgestellt Za gleicher Zeit mit der St^h Störung war ©ine Lähmung der linken Gesichts-
seite aufgetreten, der Mund war schief; Patient konnte nicht flöten; das linko Auge konnte
nicht gcäcblossen werden. Keine (leschmacks-, keine GehüraatÖrung. 14 Tage lang hatte
Patient Kopfschmerzen. Zuei-st wuaste er nicht, wie sich der Unfall angetragen hatte;
nachher hat öich das Gedächtnise wiedi^r heigeatelU. Früher war Patient st^ta geaund;
war nie geschtechtskrank ; kein Potns; kein Abusus tabacci; Eltern geaund.
Beim ersten Anblick des Patienten fiel sofort auf^ dass die linke Stimhälfte glatt
und nicht gerunzelt erschien im Vergleich zur rechten. Dies trat beim Versuch die BVon-
taie;» zu innerviren noch pnlgnaotc^r hervor. Der Lidschluss war links noch nicht so kräftig
wie rechts Beim Sprechen erschien auch der linke Mundfaciülis etwas achwäkher inner-
virt als rechts* Die elekiriache üntersucbufig ergab keine qualitativen Veränderungen.
Der tie8chmRck und das Gehür waren intakt; ebenso die Speichelsekretion.
Die Pupillen waren beiderseits gleich weit, reagirten aber entschieden etwa» langsam
auf Licht.
Das Interessanteste nun in diesem Fall bestand darin, dass Patient eine
doppelseitige Hemianopsie hatte, die auf Grund des Wilbrand 'sehen Prismen-
Versuchs (es traten keine Fusionsbewegungen des Bulbus ein) als eine Tractus*
heraianopsie anzusprechen war. Schon auf pag. 428 hatten wir hervorgelioben,
dass bei Schädeltraiuuen häufig der Facialis aftizirt wird und zwar meist
zusammen mit anderen Hirnnerven, üb Letzterer im vorliegenden Falle zutraf,
konnte, weil wir denselben 7 Wochen nach der Verletzung zur Untersuchung
bekamen, ausser der Aliektiün beider Tractus nicht mehr festgestellt werden.
e) Doppelseitige Gesiehtsneryeulähmuug.
a) Peripherer Natur,
§ 379. Auf pag. 42 gaben wir die Abbildung einer doppelseitigen kompleten
FacialisIÜhmung, um die Mitbewegung des Oberlides bei Senkung der Blick-
ebene im Gegensatz zu der aktiven Innervirung der Lider bei stärkstem Willens-
impuls zu zeigen.
Ei haüdelte aich iu diesem Falle um eia 23jfthrigea DieDstmädcben, welches sich wegen
IrittB serosa vom 6. Dezember 1896 bis 3. Juli 1897 auf der stutionären Äugeuabtheiltiug
des Oberarztes Henn Dr. M&tmhardt befaud, der uns die Beobachtuiig dieses Fallea
freundlichst überlies».
Äin 5. März 1697 erwachte Patientin mit einer totalen rechtsseitigen FacialisläliuiUDg
f>hfiG Schmerzeu, Am 21. März war auch in gleicher Weise die linke Gesichtsseitc voll-
ständig gelähmt.
m
Dit» LälmmogszuätJlDde im ober<^n Facialisgebiet.
Wedf^r Erkältung, noch ülne InfektioDdkrftQAhdt, noch Lues, noch Ohrleitien. nod
eine Hiraerkrarjkung waren nachweisbar.
Die Ab'bildiingeUt Figur 148 und Figur 149, geben besser als jede noeii so cioteWn^
Hescbreibung den kbluneu, maBkeüartigeu GeBichteauBdrnck dec Diplegta faeialiai vt(r4?r
Die Äugen htftben hüiderstMls olfon, die Stirn ist ganü glatt, der Mund ist ge&ffn«l, odtr er
scbliesst vielmehr nicht, Daa Essen, Sprechen und Ausspeien ist wegen Ll^mimg Jer
Lippeßmuökt'ln und Buc(!ir5atürcn änöserst erschwert.
Die elektrische Unteräuchung ergab auch hier, vrie so oft, das« die ver«eluftbMB
Aeste trotz der gleichartigreo Bewegnugsloaigkeit verschieden afHzirt waren. Yoin FaciAUs-
stamm auä waren mit dem faradischen Strom keine Zucknngen auszulösen. Vom ober»
Aste konnten beiderHcita leidlich kurise Zuckungen erhalten werden, während von den mm
Fig. 14a
L. K. Doppelseitige, komplete Fscialitlahooiif.
^ilhewegueg dfs Oberlides bei SeukuBf ^
Blick ebene.
Fig. 143.
L E. Do p pel s** i t i i^'e , ko m pl e t e Fiickl isl iih in ußg.
Versuchter Lidaclilu^ bei stürkütem Willeois-
inipuli.
leren und unteren Aesten die Zuckungen sehr viel langsamer verliefen. B«i
faradiächcr Reiseuug reügtrten beide Frontales schwach; die beiden Orhiculares ocoU
die Zygomalict reagirteo dagegen träge; die Mundmuskeln gar nicht auT den faradJ^chen Strom-
Bei der galvanischen öutersuchang konnte vom Stamme aus beiderseits keine Reaktioa
erzielt werden. Bei direkter Untersucbung fanden sich in den Muskeln des mitilerM «ad
unteren Astes q^uulitütive Aenderungen der elektrischeu Erregbarkeitt die Zuckangslmil
war umgekehrt. In den Maskeln der oberen Aeate war dagegen die KaSZ^AnSZ WtA
noch leidlich knrz.
Die Veränderungen auf der rechten Seite waren geringgradiger ala linka.
Am 12. Juni war eine deutliche Besserung auf der rechten Seite zu konsutirfffl'
Die NasolabieLl falte bildete sieh wieder. Die Augen konnten, wenn auch nicht irolktlodii;
geschioäseu werden. Patientin fing an, be m Lachen die Mundwinkel zu iDnervicrn
Die LähmungszuBUinde im oberen Facialisgebiet 667
Id den unteren und mittleren Aeeten waren kefne qualitativen Stt^rungen mehr nach-
weiabar Eecfata konnte yora Stamm aua etne Reaktion erzielt werden, Itnka dagegen
noch nicht.
Kurz es handelte sich um eine mittelscliwere Form der Facialislähmung»
und war der Sitz der Lähmung aosserhalh oder im letzten Theile des Fallo-
piscliee Kanals, unterhalb des Abgangs der Chorda tympani, da Gaumen-
segel^ Speichelsekretion, Geschmack und Gehör normal waren, (Die Ohr-
muschelmuskeln waren leider nicht geprüft worden. Der Zungengrund war
bes. gleich).
2. Im Jahre 1892 beobnchteten wir bei einer ^0 jährigen Fran P ehenfatla eine doppel*
aeitige FaciaUslalimung, die 2 Jahre vorher onter Schwindel und Kopfschmerzen emo hnks-
seitige Geajchtalähmung hatte. In der Krankengeschichte «teht noch die kurze Notiz, dusa
sie anfänglich beide Augen nicht sc hlieeaen konnte; alao dürfte vielleicht das
seltene Faktum einer recidi vi renden hiplegia ft^cialia vorliegen.
Patientin gab an, aicb vor 4 Wochen im allgemeinen nicht wohl gefühlt zu haben»
wobei die Lilhmung dea Gesichts eingetreten sei.
Beiderseits bestand eine komplete Facialislahmnng in ziemlich gleicher Intenakät
Lftgophthalmns, offener Mund ; Nasolabmifalfen, Stirnfalten verstrichen. bmd& Augen thrinten.
Geischmack und UehOr nicht aUerirt. Uvula gerade. Gaumenaegel gut gehohen. Qeaicht hat
etwas Maskenhaftes. Geruch und Augenbefund normal. Die Sensibilität jn allen drei Quintus-
llfiten normal. Klektmche Untersuchung: Auffallend beträchtliche Herabsetzung der fara-
diaeben und galvanischen Erregbarkeit im Orbicularis oculi und Frontalis. In den unteren
Äesten nicht ao stnrke Herabsetzung. Im linken Frontalis träge Zuckung. AnSZ^^KaSZ»
Orbicularb oculi links. An 8 Z ^ Ka S Z nicht ganz kurz. Im rechten ürbicularia oculi ist
die Zuckung kurz.
Dieser Fall, uher den leider keine weiteren Aufzeichnungen vorliegen,
hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der auf pag, 650 mitgetheilten Beobachtung,
die man auch unter die Diplegia facialis peripherica rechnen darf.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zuerst von Pierson,
Eisenlohr (1478) und Strümpell (1479) darauf aufmerksam gemacht
wurde, dans bei der multiplen Neuritis eine Diplegia faciahs wiederholt
beobachtet worden sei. Letztgenannter Autor sagt, in seinem Falle verdiene
von den einzelnen Krankheitserscheinungen vor allem die doppelseitige Facialis-
tähmung, welche vorzugsweise demselben sein schweres Gepräge verliehen
habe, hervorgehoben zu werden, zumal sie auch nach dem völligen Aufhören
aller übrigen Symptome noch Wochenlang angehalten hatte. Beide Faciales
waren von allen Nerven am schwersten betroffen. Ihre Erkrankung sprach
sich schon anfangs in den heftigen, an den Ohren und in der Schläfengegend
empfundenen Schmerzen aus.
Wir gelbst beobachteten vor einigen Jahren hier im Krankenhause auf
der Abtheilung des Herrn Dn Jol lasse einen schweren Fall von Polyneuritis
mit Diplegia facialis und vorübergehender Lähmung der Blase und des Mast-
darmes, Der Fall ging in Heilung aus.
Von Interesse ist die D a r k s c h e w i tsche Beobachtung (1 480) einer
Diplegia facialis nach einer Pasten r 'sehen Wutlischutzimplung, die Verf. als
658 Die L&hmnngszastande im oberen Facialiegobiet.
ß) nucleärer Natur.
§ 380. Bekanntlich kommt die Diplegia facialis recht häufig bei der pro-
gressiven Form der Bulbärparalyse vor und giebt Veranlassung zu dem Gegen-
satz zwischen der leblosen, maskenartigen unteren Gesichtshälfte und der beweg-
lichen Muskulatur des oberen Facialis. Es läge daher keine Veran-
lassung vor, hier näher auf diese Erkrankung einzugehen, wenn nicht, wie
schon früher erwähnt von verschiedenen kompetenten Autoren ächte BoHmt-
paralysen mit Betheiligung der Orbiculofrontaläste beschrieben worden wären
So hat Wachsmuth (1481) schon im Jahre 1864 eine Arbeit über pro-
gressive Bulbärparalyse und Diplegia facialis veröfif entlicht.
Eisenlohr (1482) hat in einem nicht zur Obduktion gelangten Falle
die paretische Schwäche und die fibrillären Zuckungen in den Mm. orbicnlares
palpebrarum bei allerdings normaler elektrischer Erregbarkeit hervorgehoben.
Bernhardt (1483) beschrieb einen Fall von Bulbärparalyse, in wekbm
die oberen Facialisäste aktiv nicht beweglich waren.
Ganz besonderes Verdienst um die vorliegende Frage erwarb sidi
Bemak (344), der in einem Falle von Bulbärparalyse mit maskenartigem
Gesichtsausdruck eine Parese beider Orbiculares oculi beobachtete und zwar
so, dass bei gewöhnlichem nicht forciertem Augenschluss, ein Teil der Sklera
beiderseits unbedeckt blieb. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sidi
eine wesentlich parenchymatöse Degeneration der beiden Facialisk^ne in
ihrer ganzen Ausdehnung mit Atrophie der Ganglienzellen und Bedaktion
ihrer Anzahl auf etwa */« gegenüber der Norm.
Bei der chronischen progressiven, aber isolirt bleibenden Ophthal-
moplegie fand Uhthoff (307) doppelseitiges leichte Facialisparese ; Birdsall
(297) Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit im oberen Facialisgebiet
beiderseits.
Ganz besonders interessant für uns ist der Fall Hanke 's (302), bei
dem im 26. Jahre sich zugleich mit der Ptosis eine beiderseitige Lähmimg
des Stirn- und Augenfacialis entwickelt hatte. Da wir die von Londe be*
schriebene familiäre Form der Bulbärlähmung schon eingehend auf pag. 643
besprochen haben, so sei hier nur darauf hingewiesen, dass die Pacialaffektion
dort unter dem Bilde der Diplegie auftrat.
In seltenen Fällen kann bei der spinalen Einderlähmung (Poliomyelitis
acuta) der Facialiskern befallen sein (Gowers, Madie).
y) supranucleärer Form.
§ 381. Höchst selten ist die Diplegia facialis mit Betheiligong der oberen
Aeste bei pathologischen Prozessen innerhalb des Grosshims. In der uns
zugänglichen Literatur fanden wir folgenden Fall:
Tournier (1484). Eine 40 jährige Frau bekam zuerst eine rechtsseitige Hemiplegit
mit Aphasie. Zehn Monate später erfolgte nach einem Erampfanfalleine linksseitige Modo>
plegie, eine vollständige Lähmung der willkOrlichen Zungen- und Lippenbewegang mi^
Die LfthmangszQsUnde im Gebiet der oberen Facialis. 659
dar GesichtsinnskelD, Trismus und Deviation conjago^e des Kopfes und der Augen. Von
Seiten der Augen wurde notirt eine Ophthalmoplegie, die sich nur auf die willkürlichen
Bewegungen erstreckte, während die Reflexbewegungen erhalten waren. Die Kranke, deren
Intelligenz und Wille intakt war, konnte willkQrlich weder die Augäpfel, noch ihre Ober-
lider, noch ihre Stirn, noch ihre Wangen bewegen. Hingegen traten unwillkürlich
von Zeit zu Zeit wahrscheinlich unter dem Einfluss eines Reflexes einige Augenbewegungen
auf, und Schloss der Lider.
Sektion: Rechts ein gelber Erweichungsherd, welcher den ganzen äusseren Ab-
schnitt des Linsenkems einnahm und die Capsula externa bis zum Claustrum.
Links Erweichungsherd, weicher den äusseren Abschnitt des Linsenkems und die
obere innere mehr nach vorne gelegene Partie des Thalamus opticus einnahm.
Daneben wurde vom Uebergang des Lobus parietalis sup. zu der hinteren Central-
Windung ein kleiner halberbsengrosser, sehr harter Tumor gefunden.
Differentialdiagnostisch unterscheidet sich diese Diplegie, die auch bei
der Pseudobulbärparalyse vorkommen kann, von der gewöhnlichen Diplegie
durch das Erhaltensein der Reflexe und die niemals qualitativ gestörte elek-
trische Erregbarkeit, wie wir dies kürzlich in folgendem Falle bestätigt sahen.
Am 29. Aug. war der 29 jähr. Kutscher H. vom Bock gefallen. Kurzer Bewusstseins.
Verlust. Vier Wochen nach dem Unfall stellten sich eine eigenthümliche Benommenheit
und Sprachstörungen ein.
Bei der Untersuchung zeigte sich, dass Letztere dysarthrischer Natur waren, und
dass eine deutliche Parese im linken Frontalis und im rechten Mundfa Cialis
bestand. Die elektrische Untersuchung ergab beiderseits ganz prompte Zuckungen in der
G^ichtsmuskulatur, sowohl galvanisch wie faradisch. Die Reflexerregbarkeit beim Lid-
Bchluss erschien ganz normal.
Es handelte sich hier um eine Pseudobulbärparalyse auf traumatischer Grundlage
und um eine partielle supranucleäre Diplegia facialis.
Vorgetäuscht könnte eine supranucleäre Diplegia facialis in dem seltenen
Fall werden, wenn zu einer cerebralen mit Hemiplegie einhergehenden
Lähmung des Facialis eine periphere Facialislähmung der anderen Seite
hinzugetreten ist. So beobachtete Bernhardt (1485) ein Kind, welches nach
Diphtheritis eine schwere peripherische Facialislähmung auf der einen Seite
des Gesichts darbot (nach Mittelohreiterung), während auf der anderen
Seite der untere Facialis neben einer Hemiparese des Armes und Beines
gelähmt war. Letztere musste von einem Herd in der contralateralen Hälfte
des Gehirnes abhängig gemacht werden.
ö) kortikaler Natur.
§ 382. In seltenen Fällen von doppelseitigen Rindenaifektionen beobachtet
man eine Diplegia facialis, bei welchen, wie in den folgenden Beobachtungen,
auch der obere Facialis betheiligt war.
Tiling (U86). Ein Patient mit Pseudobulbärparalyse zeigte folgende Augensym-
ptome. Die Augen waren nach links gerichtet und liessen sich willkürlich weder nach
rechts, noch nach oben und unten bewegen. Dagegen konnten diese Bewegungen unwill-
kflrlich ausgeführt werden. Ausserdem konnte der Kranke die Lider willkürlich nicht
sehliessen, wfthrend reflektorisch der Schluss derselben möglich war.
Sektion: In der linken Hemisphäre fand sich ein grosser, graugelber Erweichungs-
herd, welcher die beiden Central Windungen in ihrer ganzen Länge einnahm und den Lobulua
Wilbr»nd-8»enger, Nearologie des Angea. I. Bd. H. Abtheilnng. 48
660 Die Lfthmongszustände im Gebiet der oberen FaciaUs.
parietalis inferior, den grösseren Theil des hinteren Abschnittes der drei Frontalwindaogct
und Insel einnahm.
Rechts: Analoger Herd, aber kleiner, welcher sich auf die Basis der beiden witena
Stirnwindungen und die anliegende Partie der Frontalis ascendanie erstreckte.
Die Erweichung erreichte kaum die weisse Substanz.
Magnus (1487). 25jährige Frau mit Pseudobulbärparalyse konnte nicht mehr die
Augen schliessen. Obwohl die Augenlider freiwillig nicht geschlossen werden konnteii,
war sie dazu vollständig im Stande, wenn man lebhaft die Hand den Augen näherte, oder
wenn man die Augen der Einwirkung eines hellen Lichtes aussetzte. Die Kranke koonte
die Augenbrauen, die Stirn, sowie die NasenflOgel, die Backen und die Kinnhant nicht
bewegen; ausserdem bestanden auch Kau-, Schluck- und Sprechstörungea.
Sektion (Froriep): In der rechten Hemisphäre fand sich am ftusseren Rande im
Uebergang vom Vorder- in den Mittellappen eine hämorrhagische Cyste, welche zwei Wind-
ungen zerstört hatte.
Zum Schlüsse fügen wir noch die folgende Beobachtung an, bei welcher
wegen mangelnder Sektion ein rein kortikaler Sitz unsicher blieb. Wahr-
scheinlich war derselbe auch subkortikal lokalisirt.
Grasset (1488). 45 jähriger Mann, welcher am 11. November 1896 plötzlich to9
Aphasie mit linksseitiger Hemiplegie befallen wurde, bekam 2 Tage später einen zweiten
Anfall, und in der Folge noch drei andere.
Die Physiognomie desselben war ohne Ausdruck und maskenartig. Die Ober- Qod
Unterlippen waren gelähmt. Die Zunge konnte nicht herausgestreckt werden. Auch die
Seitenbewegungen waren unmöglich, die Unterkieferbewegungen beschränkt, während die
Gaumen- und Rachenreflexe und der Geschmack, sowie die Sensibilität des Gesichts erhaltea
geblieben waren. Das Runzeln der Stirn war unmöglich, die Augen weit offen, und PatieDt
konnte dieselben willkürlich absolut nicht schliessen. Bei Annäherung eines Lichtes und bei
brüsker Annäherung der Hand schlössen sich die Augen.
B. Die „funktionelle" Lähmung des Augenfacialis.
a) Hysterie.
§ 383. Während früher, namentlich unter dem Banne einer Autorität
wie Charcot, als unbestreitbar angenommen wurde, dass die Ptosis hysterica
eine pseudo-paralytische sei und stets in einer Kontraktur eines Theils des
Augenschliessmuskels bestehe, haben neuere Erfahrungen gezeigt (siehe pag.47T),
dass dieser Satz nicht aufrecht erhalten werden kann.
Schmidt-Rimpler (947), Kempner (945), Hitzig (946) und wir
(siehe pag. 463 bis 47 7J haben Fälle von schlaflFer hysterischer Ptosis be-
obachtet. Wir schliessen uns den Worten Hitziges an, dass es bei der
Deutung strittiger Phänomene lediglich auf die klinischen Thatsachen ankäme,
und diese bewiesen eben, dass in dem einen Innervationsbezirke sehr wohl
ein Minus an motorischer Energie bestehen könne, während sich in anderen
Innervationsbezirken des gleichen Nerven ein Plus von motorischer Energie
bemerklich mache, und dais derartige Kombinationen von Reizzuständen nnd
Lähmungserscheinungen gerade ein Cbarakteristicum schwerer Fälle ron
Hysterie seien.
Die Lfthn)UDg£zu&täadd im Gebiet der oberen Facialis.
661
Wie mit der hysterischen Ptosis, so ging ea mit der hysterischen
Facialislähraung. Während früher Charcot alle bei der Hysterie auftretenden
lähmungsartigen Erscheinungen für spastische^ eine Lähmung vortäuschende
Symptome gehalten hatte, so musste er in jüngster Zeit doch anerkennen, dass
bei der Hysterie eine reelle Lähmung oder Parese des Facialis vorkomme.
Cbarcot (1378) aeibat besehrieb bei einem 24 jährigen Menschen mit beiderseitiger
koDzentrischer GesichtsfeldeitiacbräDkung folgen dermas&en die Charaktere der hyateriäGhen
FaciaMslähmung :
,In der Eube bemerkt maa schon eine gewisse Asymmetrie: Der linke Mundwinkel
eiBcbetnt leicht gehoben und nach aussen verzogeii, währeod der rechte hangt. Eine Ab-
weichung der ZuQge ist nicht verbanden. Aber wenn man den FatieDten tum Lachen
briJi^gt oder eine Grimasse machen läsfit, so sieht oian den linken Mundwinkel sich belräcbt*
heb heben und sich tn halbkreiafiirmig atigeordncte Falten legen. Auf der rechten Seite
fuDküoDiren die Einrimuskeln und die der Untarlippe normal, ebenso der Risoritia , der
Orbicularis oris und der Zygomaticus niiner. Nur der Zygomaticiis major und der Bucci-
nator sind gelähmt Die . elektrische Erregbarkeit ist normal. Obwohl die Lähmung 3
Jahre besteht, ist kein Spasmus vorbanden/
Mit grossem Freirauth gestand Charcot ein, dass er sich geirrt hab«,
setzte aber hinzu, es erfülle ihn mit Befriedigung durch sein bisher entschieden
ablehnendes Verhalten zura Studium dieser Frage beigetragen zu haben.
Auch Ballet (1490) hatte sich mit der Frage der hysterischen Facialisläbmnng
beschättigt. Chantemesse (1491) veröffentlichte 1890 drei Fälle dieser
Art mit Monoplegia brachialis. In allen diesen Beobachtungen war die
Lähmung geringfügig und jedesmal von einer Anästhesie begleitet Ausser
diesen hat Ballet (1490) und Bonn et (1492) je einen Fall von echter hysteri-
scher Facialistähraung mitgetheilt.
Wir müssen noch hervorheben^ dass die vorerwähnten hysterischen
Facialislähmungen stets den unteren Ast betrafen und den Augenfacialis
frei Hessen.
Gilles de laTourette (1493) behauptet dass bei der Hysterie kein©
dauernde Orbicnlarislähmntig vorkomme. „Der vorübergehende Lagophthalmus,
wenn man ihn so nennen könne, gehöre zum hysterischen Anfall, habe einen
intermittirenden Charakter in Folge von gruppenweisen Kontrakturen und
Spasmen, die schwer zu analysiren wären,
Decoux (1494) bat die Frage aufgeworfen, oh nicht der Orbicularis
ocnli bei der hysterischen Facialislähmiing mitbet heiligt sei. Er tbeilte
folgende Beobachtung unter dem Titel ,. rechtsseitige korapiete Faciaüslähm-
ung hysterischen Ursprungs^ ^ mit
Der Patient kann nur das linke Aoge schlieEser. Wenn er blist, bl&bt ticb die
Wange rechts mebr auf und die I/uft entweicht mit grösserer Leicbtigkeit auf dieser Seite.
Das rechte Auge ist weiter geöffnet als da» ünke. Das untere Augenlid scheint elwus
entropionirt. Die rechte Augenbraue erscheint höber als die linke. Das rechte Oberüd
grösser. 3 Tage vorher hatte Patient eine rechtsaeitiere Uemiplegie acqüirirt. Seoaiböl-
sensariBcbe Stigmata febiten.
Deconx schliesst, indem er sagt, der Fall sei sehr koroplizirt. Man
könne die Frage aufwerfen , ob man eine hysterische oder organische
Lähmnng vor sich habe.
iV
662 Die LähmaDgszastäDde im Gebiet der oberen Faciabs
Gilles de la Tourette, dem wir diesen Fall entnehmen, hegt nad
unserer Ansicht mit Recht in einer Anmerkung Zweifel über die Be-
rechtigung, denselben zur Hysterie zu rechnen.
Ebenso zweifelhaft ist ein Fall von Lebreton (1495), der nach Gilles
de la Tou rette's Ansicht eine gewöhnliche Facialislähmung war, die nichts
mit Hysterie zu thun hatte.
Lumbroso (1496) hält auf Grund von drei neuen Beobachtungen
seine schon früher ausgesprochene Ansicht von dem Vorkommen einer
hysterischen Facialislähmung aufrecht. Dieselbe unterscheide sich in nichte
von einer organischen, werde aber öfters von einer Kontraktur begleitet.
Seeligmüller (1497) beschrieb einen Fall hysterischer Lähmung des
Facialis, die unter Anwendung der faradischen Bürste rasch heilte.
Mendel (1498) heilte mittelst Hypnose eine hysterische Plätterin, welche
an rechtsseitiger Hemiplegie und Lähmung des Facialis mit Heraianäs-
thesie, Globusgefühl und Ovarie litt.
Ueber funktionelle Störungen im Bereiche des Facialis, speziell bei
funktionellen Hemiplegien, hat König (1499) an acht Fällen Untersuchungen
angestellt. In keinem Falle handelte es sich um Lähmungen des Augen-,
sondern um Affektionen des unteren Facialis, die hinsichtlich der Entscheid-
ung, ob eine Lähmung oder eine Kontraktur vorliege, nicht klar genug be-
schrieben sind. In seinem Resume sagt dieser Autor, eine reine einwands-
freie, nicht mit Spasmen komplizirte hysterische Facialislähmung müsse
als selten bezeichnet werden und bestätigte die Angabe Charcots, die
hysterische Facialislähmung sei von Sensibilitätsstörungen begleitet und von
geringer Intensität.
Als drittes Moment giebt König an, dass die hysterische Parese in der
Ruhe stärker hervortrete, als bei der lunervirung.
Im Anschluss an Königs Vortrag in der Berliner Gesellschaft fQr Psychiatrie and
Nervenkrankheiten fand eine Diskussion statt, in welcher Remak (1500) einen buchst
interessanten Fall von schwerer Hysterie hei einem 62jährigen Fr&ulein roittheilte, bei
welchem 1883 der linke Facialis etwas pare tisch und die linke Nasolabialfalte etwas ver-
strichen war; doch nahm dies beim Oeffnen des Mundes nicht zu, wie es bei organischen
Lähmungen immer der Fall ist. Das NasenrQmpfen ging links schlechter als rechts tod
Statten; führte man ein brennendes Streichholz von links am Munde vorbei, so wurde
dasselbe erst ausgeblasen, wenn es die Mittellinie nach rechts überschritten hatte, eine Er-
scheinung, welche von Brissand und Marie gleichfalls beschrieben worden sei. Es steh«
dies im Gegensatze zu Lähmungen, bei welchen doch auf der gelähmten Seite leichter
ausgepustet würde. Es handele sich also hier um eine Kontraktur und keine Lähmung.
Jolly bezweifelte die Richtigkeit dieser Deduktion.
Oppenheim (1501) theilte in derselben Diskussion einen Fall von linksseitiger
Hemiparese incl. des Mundfacialis mit Hemianästhesie nach einem Trauma mit, bei dem
durch Suggestion prompte Heilung erfolgte.
In allen diesen Fällen war stets nur der Mundfacialis affizirt ; vom oberen
Facialis wurd nichts erwähnt.
Was nun unsere Erfahrungen betrifft, so haben wir in den 10 Jahren
unserer gemeinschal'tlichen poliklinischen Thätigkeit noch nicht ein ein-
Die LfthmangBznsUnde im Gebiet der oberen FacialiB. 663
ziges Mal eine hysterische Lähmung der vom oberen Facialis innervirten
Muskeln gesehen. Der untere Facialis war in einem Falle von rechtsseitiger
Hemiparese mit Hemianästhesie paretisch bei einer Frau, welche beiderseits
hochgradige konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung, Ovarie und Fehlen des
Rachenreflexes darbot. Eine Suggestivbehandlung führte rasch zur Heilung.
Wir wollen dies Kapitel nicht schliessen, ohne auf die interessanten
Beobachtungen Oppenheim's (1502) über die seltsame Vereinigung einer
typischen peripherischen Facialislähmung mit den Symptomen einer gleich-
seitigen hysterischen Hemianästhesie und anderer Erscheinungen der Hysterie
hingewiesen zu haben.
Im ersten Fall fand sich bei einem 18jährigen Lehrling eine typische periphere
linksseitige Facialislähmung in allen Aesten mit kompleter Entartangsreaktion ; monokulare
Diplopie auf dem linken Auge, Hemianästhesia sinistra; starke konzentrische Gesichtsfeldein-
schränkung far weiss und Farbeu. Abstumpfung des Geschmacks und Gehörs auf der
linken Seite.
Die beiden anderen Fälle, in welchen der obere Facialis mit-
afiizirt war, waren analoger Natur. Die hysterischen Stigmata fanden sich
auf Seite der Facialislähmiing, woraus Oppenheim den Schluss zog, dass diese
Lähmung und ihre Begleiterscheinungen (Schmerzen) das auslösende Moment
für die Entstehung des hysterischen Symptomenkomplexes gewesen seien.
b) Epilepsie.
§ 384. Bei der Epilepsie beobachtet man keine Lähmungen im Facialis-
gebiet, wohl aber kongenitale Asymmetrien der Facialisinnervationen, die einen
paretischen Zustand vortäuschen können. Eine solche Ungleichheit der
Facialisinnervation^ die besonders am Munde zu Tage tritt, sieht man indess
häufig auch bei Gesunden.
c) Hemikranie.
§ 385. In seltenen Fällen kommt es zu periodischen, auch den unteren
Facialis mitaffizirenden Lähmungen, Oppenheim (1501).
C. Die Lähmung des Orbicularis oculi in Folge von Erkrankung
des Muskelapparates (abgesehen von Traumen).
§ 386. Zum Verständniss des Folgenden sei kurz vorausgeschickt, dass
man früher vier verschiedene Typen der Muskeldystrophien unterschieden hatte.
1. Die sogenannte Pseudohypertrophie,
2. die juvenile Form Erb 's,
3. die hereditäre Form Leyden's,
4. den Typus facio-scapulo humeral Landouzy-Dejerine's.
Erb (1503) hat das grosse Verdienst, auf Grund umfassender kritischer
Untersuchungen dargethan zu haben:
0M
Die LÄhm an gs Anstände im Gebiet der oberen FaciftltB.
1
1. Dass zwischen der .Juvenilen Muskelatropbie*' einerseits und d«r
sogenannten „pseudohjpertrophischen", der „infantilen** und der „hereditarta
Form" andrerseits eine weitgehende üebereinstiraraung in allen wesentlid
klinischen Merkmalen bestehe, so dass alle diese Formen nicht mehr sei
von einander getrennt werden dürften, sondern unzweifelhaft eng zusammi
gehörten,
2, Dass die angeblich ,^ charakteristischen'' Merkmale jeder einzebeu
Form sich gelegentlich auch bei jeder anderen Form finden konnten, dass
somit eine ganze Menge von „Uebergangsformen** existire; dass es endlich
eine grosse Anzahl von ,, unbestimm-
baren Formen*' gäbe, die man eben
so gut dem einen wie dem anderen
Typus zuweisen könne.
3. Dass zuweilen in einer oud
derselben Familie mehrere Formen
zugleich vertreten wären.
Uns inleressirt besonders
von Landouzy und Dejerine
aufgestellte facio - scapulo * humerale
Typus, bei welchem die Atrophie
in früher Jugend und zwar in den
Gesichtsmuskeln anfängt und Veran-
lassung zu der sogen. Facies myo-
pathica giebt. Die Lippen erschein!
verdickt (la bouche de tapir). Wei
hin befällt die Atrophie die Schulter
und Arnimuskeln und manchmal
auch die unteren Extremitäten; frei
bleiben die Vorderarm- und Hand-
muskeln, die Unterschenkel und die
tiefen Muskeln des Rückens, Die
Aflfektion ist hereditär. Fibrilläres
Zucken in den erkrankten Muskeln, wie man es bei der spinalen progressiveji
Muskelatrophie findet, kommt ebenso wenig vor, wie qualitative Yerän<
der elektrischen Erregbarkeit.
Der folgende Fall aus unserer Beobachtung, dessen Abbildung
stehend in charakteristischer Weise wiedergegeben ist (siehe Fig. 150) bewei
schlagend die Richtigkeit der Erhaschen Schlussfolgerungen, da die Patienl
die Symptome mehrerer Typen in sich vereinigt.
Am 4. Februar 189ß kam die 35 jährige Arbeiteräfrau in die Pohklinik mit der km\
d&Bs eie Belt Z Jahren krank sei, und zwar habe die Krankheit vor B Jahren mit ScbmeneD
im ROeken, Schwäche in den Armen und Abmagerung der Oberarme begonncD. Tor eiuea
Jahre sei Schwäch© und Abmagerung auch in den Beinen eingetreten.
Als Kind hatte FatientlD Scharlach und Blattern durchgemacht; sondt war sie ange^
lieh gesund.
nen ^
te^
A, B,
Fig. 150.
Klaffende Lidspalte bei Muskeldvitrophie:
Typus Facio-scapulihhyuieraliH,
ressiTeoj
wei^i
Die Läliiniingftzuatilnde im Gebiet dar oberen Pacialts. 665
Die Patientin wurde darauf noch eindringlicher befrngt betreffs ihrer Anamnese. Es
stellte sich nun heraus^ dnss sie als jungem Mädchen schon eine Schwäche im rechten Arm
nach einer Verletzung verspürt habe Im 28. Jahre seien die Schultern abgemagert, und
habe sie die Arme nicht mehr beben kdnnen. Die auffallend au fgL'w offenen, wulstigen
Lippen habe sie seit dem 12. Jahre angeblich nach den Bkttern.
Bei der Cnterancbung fiel vor allem das leblose Gesicht auf; Patientin sprach ohne
jegliches Mieoenspiel ; die Stirn war glatt und konnte niiht gerunKelt werden. DtT Lid-
schluas war echwach, rechts besser als links, auf welcher Seite noch ein Spalt iibrig blieb.
Patientin konnte die Augenlider nicht zusammenkneifen. Die Augenbewegungen waren
normal. Es bestand ein exquisite» v« Grä fe^schefi Phänomen, Beim Lachen zog sich etwas
der Mund in die Breite. Mit den gewulsteten Lippen konnte sie nicht flr>ten. Die Zfthne
zü zeigen, machte ihr grosse Schwierigkeit, eben^^o war es ihr unmöglich, die Nase zu
rümpfen oder die Corrngatores snpercilii zu innerviren.
Atrophirt waren: beide Pectorales, die LevaJores anguli scapulae, beide Serrati,
^J
Fig. 151,
Familiäre Form det progrewjven MuskeldvBtropbie. Legophthalmti» dabei in rerichiedenen
IntctiaitAtsgraden.
die Rhomboidei, die Sapraspinati und etwas die Infrnspinati. Im Ganzen war links die
Abmagerung beträchtlicher als rechts. Auch die Gesichtsmuskeln waren entschieden atrophirt.
Hypertrophisch w^aren: der Deltoides, Biceps, Triceps und ganz besonders die
Wadenmnskeln.
Normal waren die Muskeln der Hand, des Vorderarms, der OesÄssgegend,
Es bestand eine Lordose der Lenden Wirbelsäule und ein exquinter Pes concavatue*
Kurz, wir haben hier eine Mischform von Pseudohypertrophie mit juveniler Erb'scher
Myopathie und dem Landouzy-Dejeri ne^schen facio-scapulo-humeralen Typus vor uns
Bis beute blieb der Zustand annähernd derselbe. Patientin wurde in der Woche
dreimal faradiairt.
Nachtriglich sei noch bemerkt, dasa die Patellar- und Achilles reflexe beiderseits leb-
haft sind, dasa die Sensibilität intakt und die elektrische Erregbarkeit stark herabgesetzt ist.
2. Neuerdings beobachten wir einen ähnlichen Fall von Muskeldystropbie bei einem
20jährigen Menschen, der vor 7 iiihren mit Schwäche im rechten Arm und linken Hein
erkrankte Auch dieaar hat eine hochgradige Abmagerung beider Pektorales. Die Schulter-
666 Die LähmongezuBtände im Gebiet der oberen Facialis.
blätter stehen flügelfOrmig ab und zwar rechts mehr als links. Beide Arme k&Dnen
nar bis zur Horizontalen gehoben werden. Beide Cucullares, Supra- und Infraspinati
beide Serrati reagiren nicht auf den elektrischen Strom (faiadisch sowohl wie galyaniscli).
Ebenso reagiren nicht die Gesichtsmuskeln und der linke M. tibialis anticus. AUe diese
Muskeln erscheinen abgemagert. Die Sensibilität ist unverändert. Die Patellarreflexe aiod
beiderseits lebhaft Die Hautreflexe sind sämmtlioh vorhanden.
Am meisten interessirt uns das Gesicht des Patienten. Dasselbe entbehrt jeglichen
Mienenspiels. Die Oberlippe wird beim Sprechen nicht bewegt. Beiderseits besteht eine
Parese des Orbicularis oculi; während sich das obere Lid beiderseits schwach, aber dent-
lich bewegt, bleibt das Unterlid unbeweglich. Bei Hebung und Senkung der Blickebeoe
folgt das obere Lid dem Finger in gewöhnlicher Weise, das untere bleibt jedoch betriebt'
lieh zurück. Patient kann die Augen nicht zukneifen, ferner vermag er die Corrugatores
supercilii nicht zu innerviren. Der Frontalis wird nur in den oberen Partien etwas kontrahiii.
Der Compressor nasi ist unbeweglich. Die Mundwinkel kann Patient etwas bewegen, iber
er vermag weder zu lachen, noch die Zähne zu zeigen.
Auch hier haben wir, wegen des späten Beginnes, keinen typischen Fall
der Landouzy-Dejerine'schen Form vor uns.
§ 387. Zum Schlüsse geben wir noch, um den familiären Charakter der
Dystrophia muscularis progressiva wirksam zu illustriren, die Ab-
bildung (siehe Fig. löl) von Geschwistern, von denen eins auf der Abtheilung
des Herrn Oberarztes Dr. Jollasse, dem wir diese Beobachtung verdanken, ge-
legen hatte. Alle zeigen die charakteristische Facies myopathica. Die
Schwäche des Orbicularis oculi zeigt sich in der Unvollständigkeit des Lid-
schlusses, die jedoch nicht bei Jedem in gleicher Intensität ausgesprochen ist.
Alphabetisches Sach-Register.
A.
Abducens 498: bei alternirender Facialis-
läbinang45], 645;
angeborene mangelhafte EDtwickelnng und
Fehlen desselben 68;
basaler Verlauf 316;
Degeneration bei Polyneuritis 459;
Abducens-Facialislähmung, angeborene 591 ;
in frOhester Kindheit erworbene 596;
Koramen desselben in der Periorbita 316;
Neuritis desselben bei Tabes 458;
bei Ophthalmoplegie 498;
postdiphtheritische Veränderungen des
Kerns 459;
bei Syphilis 808, 312, 314;
Verlauf im Sinus cavernosus 816, 317, 318.
Abdncenskern: Atrophie desselben 199, 210 ;
bei Bulbärparalyse 216;
Degeneration desselben 199, 210, 570;
UrsprungstAtte von Fasern des Orbicularis
569.
/Lbducenslähmung: 68,206,207, 211,367,
369. 887, 528;
bei Abscess 382;
altemirende 451, 512;
bei Aneurysma des Sinus cavernosus 445;
bei Landryscher Paralyse 460;
bei Meningitis cerebrospinalis 257, 396, 397;
bei multipler Sklerose 194, 196;
bei Orbitalblutungen 416;
bei Orbitaltumor 534;
mit Ophthalmoplegie 126, 292, 293, 294;
bei Poliencephalomyelitis 301;
Abducenslähmung: bei Polyneuritis 457,
458, 459;
bei Ponserkrankung 645;
bei Ponsabcess 385;
bei postdiphtherit. Augenmuskellähmungen
237;
bei progressiver Paralyse 191, 193, 196;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
498;
bei Schädelbasisfraktur 423, 425, 630;
bei Schädeltrauma 434;
bei Syphilis 56, 143, 196, 308, 312, 313,
337, 350;
bei Tabes 122, 137, 156, 159, 161, 168, 165,
167, 171, 173, 175, 177. 181, 183, 185,
187, 196;
mit Ptosis bei Tabes 137;
doppelseitige bei Tabes 161, 163, 165, 167,
169, 173, 179. 181. 183. 185;
zufolge Neuritis bei Tabes 458;
bei Syringomyelie 200;
nach Trauma 43, 408;
nach Tumoren 442;
im Pens 452;
nach Typhus 258.
Abscess: der Grosshirnrinde bei halbseitigen
Krämpfen 605;
nach Influenza 248;
nach Masern 255;
im Temporosphenoidallappen 384.
Accessorius: Beschäftigungskrampf des-
selben 619.
Accommodation: Frei bleiben bei Oculomo-
toriuslähmung 57;
Alphabetisches Sach-Register.
Acommoclatioii:bei PoIieDcephalitis haemor-
rhagica 270. 272, 274, 276;
bei Ptosis coDgenita 84.
AocommodatioBskrampf: 621.
Aceommodationslähmung: 69, 512;
bei akuten Intoxikationen 290, 456;
bei Botulismus 285, 287, 289;
nach Diphtherie 237. 240, 242, 244, 246;
bei Influenza 250, 252;
bei Oculomotoriuslähmung 843;
bei recidiv. Oculomotoriuslähmung 517;
bei Ophthalmoplegia progressiva chronica
122;
bei Syphilis 150;
bei Tabes 158-187;
tägliche Schwankungen derselben 509;
bei Schädelbasisfraktur 428.
AccommodativeAsthenopie:bei Hysterie
621.
Acnsticus nervus: bei gummösen Basal-
affektionen 318;
bei recidiv. Oculomotoriuslähmung 498.
Adduktion des Bulbus und Verengerung
der Lidspalte 19. 20.
Agonie: Einfluss auf die Erschlaffung des
Levator und Oibicularis 26.
Akromegalie: 4, mit Ptosis 448.
Alkoholamblyopie: 264.
Alkoholism us: 16.
Alternirende recidivirende Augen-
muskellilhmungcn: 511, 512.
Alternirende Lähmung: 451;
des Abducens 451;
bei Abscess im Schläfenlappen 381;
des Levator mit Hemiplegie 40.
Amaurose: nach Blepharospasmus 602;
ohne nachweisbare Veränderung 513;
nach Orbitalblutungen 416;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
498.
Amaurosis uraemica: 28;
mit reflekt. Lidschluss 28.
Amblyopie: bei angeborenen Bildungsfehlem
593;
bei Obeikiefercancroid 539;
ohne Befund 591;
bei orbitaler Syphilis 312 318,;
mit spastischer Ptosis 482.
Anämie des Gehirns: beim Schlaf 526.
Anaesthesia corneae et conjunctivae:
bei Bulbäraffektion 206;
bei traumatischer Meningitis 431.
Anenrysma: 445 — 447;
der Arter. cerebr. poat. und basilar. 505;
der Carotis interna 869, 418, 422;
miliare in der OcalomotoriuakemregioD lOS:
mit Oculomotorinsläbmang 504, 505;
retrobulbaris 535;
bei Sinusthrombose 404;
im Sinus cayeniosus mit Ocalomotorin-
lähmung 417;
der Vierhügelgegend mit Oculomotoms-
lähmnng 365.
Angeborene ße weglichkeitsdefekte
der Bulbusmuskiiiatiir: 61, 121.
Ankyloblepharon: 25.
Aphasie: PrQfüng des Blinzelreflexes dabei '2i^
Aplasie: im 0culomotorio9gebiet 87;
im Kerngebict 88.
Apo piektische: Baibärparalyse 367.
Apoplexie mit Oculomotoriasaffektion, FlUe:
370.
Aquaeductus Sylvii: EpendymTerdi^-
ung bei Tabes 153, 154.
bei Schädeltrauma 432.
Arachnitis gummosa bei Syphilis dei
Rückenmarks 334.
Argentum nitricnm bei Chromidrosis IL
Argyll-Robertson'sches Phänomen 501
Arteria basilaris 361, 362;
Embolie derselben 373;
Thrombose derselben 874, 404;
bei Syphilis 332.
Arteria carotis interna: Thrombose 401.
Arteria cerebralis anterior: Throinbos«
374.
Arteria cerebralis posterior: Embolie
372, 373, 375
Arteria cerebelli super.: Thrombose 31$,
321, 373, 374.
Arteria cerebri poster.: 316, 321,399.
361;
profunda bei Syphilis 332.
Arteria communicans poster.: 360,861
Arteria fossae Sylvii: 359;
Atherom 607;
Embolie 372;
mit doppelseitiger Ptosis 98;
Verstopfung derselben 637.
Arteria interpednncularis: Blatoo;«
367.
Arteriae lenticulo-opticae: 359.
Arteriae lenticulo-striatae: 359.
Arteria nuclei ocalomotorii: 332, 360:
Thrombose 375.
Alphabetisches Sach-Regisier.
Arteria optica externa: 365;
Ptosis bei ErkrankoDg derselben 865.
Arteria optica interna: 382;
anterior 332, 360;
posterior 360;
Thrombose 375.
Arteria optica posterior inferior: 866;
Ruptur derselben 366.
Arteria ophthalmica: Verletzung derselben
408.
Arteria peduncularis: Blutung aus der-
selben 367;
anterior externa 360;
externa 360, 365;
superior 360.
Arteria peduncularis interna: 360;
Thrumbose 375;
bei Syphilis 332.
Arteria pedunculogemina: 332;
Arteriosklerose undGebirnblutungen
359.
Associationscentren der Augenmus-
keln: 46.
Asthenische Bulbärparalyse: 648, 475;
Differentialdiagnose von akuter Poliencepha-
lomyelitis 221, 304, 306;
asthenische Ophthalmoplegie 228, 510;
pathol. Befund 228;
Ptosis bei derselben 219;
Zusammenstellung der Fälle 233;
mit recid. Oculomotoriuslähmung 510;
forme f rüste 510.
Asthenopia nervosa: 623.
Astigmatismus: bei angeborenen Bildungs-
fehlern 592;
Milderung durch Orbiculariskontraktion 29.
Atherom: der Arteria fossae Sylvii 607.
Athmungsstillstand: bei Reizung der
Trigeminusäste des Auges 36.
Attaques de sommeil: 626.
Auge: Aufreissen desselben 38;
Ausdruck desselben 2;
des Kindes 17;
im Tode 26;
Verdrehen beim Scbläfrigwerden 53,
Augenbewegungen: Centren in der Rinde 96.
Augenbraue: bei Ausdrucksbewegungen 9;
bei Facialis - Trigeminus • Oculomotoriusläh-
mung 9, 74;
bei Hemiatrophia faciei 9;
bei Ptosis 74;
bei Ptosis spastica 478, 480, 489;
Stellung derselben 9, 10;
Augenbraue: Zweck derselben 6.
Augenlider: bei Akromegalie 4;
bei Basedow 60;
Intentionszittern bei multipler Sklerose 626;
Zittern derselben 626.
Augenmuskelkontrakturen 621.
Augenmuskelkerne: primäre Degenera-
tion 333;
bei Syphilis 334;
schematische Darstellung derselben 110,
111, 112.
Augenmuskellähmungen: bei acuten
Vergiftungsfällen 290;
bei chron. Bleivergiftung 278;
bei Botulismus 284, 286, 288;
bei Diphtherie 237, 240, 242, 244, 246;
bei Himerweichung 377, 878;
hysterische 513;
bei Influenza 248, 250, 251, 252;
bei Kleinhimtumoren 452;
bei Landry*scber Paralyse 461;
bei Meningitis cerebrospinalis epidemica 897 ;
bei Meningitis tuberculosa 387;
bei Poliencephalitis haemorrhagica 264;
Yorübergehende bei Tabes 148.
Augenmuskeln: angeborene Beweglichkeits-
defekte 80;
interiore 110.
Augenmuskel nerven: angeborenes Fehlen
derselben 86.
Augenmuskelstörungen: bei Encepha-
litis non suppurativa 236;
bei Rheumatismus 259;
bei Syphilis 308.
Augenspiegelbefund: bei akuter Ophthal-
moplegie 294;
bei akuten Vergiftungen 291;
bei Bleivergiftung 281, 283;
bei Botulismus 287, 289;
bei Diphtheriüs 241, 248, 245, 247;
bei Influenza 251, 253.
Ausdruck des Auges: 2, 8.
Ausdrucksbewegungen: 36;
bei supranuclearen Affektionen des Facialis
639.
B.
Basis cerebri; basale Erkrankungs-
herde: isolirte Ptosis dabei 140 fV
basale Nervenstämme, Verlauf derselben
315, 424;
670
Alphabetisches Sach Register.
Basiscerebri: basale syphilitische Affektion
313;
basale Tumoren 442.
Basedow'sche Krankheit: Ausfallen der
Cilien bei derselben 9;
Deckfalte 2;
Exophthalmns 50, einseitig 52;
Fettgehalt der Orbita 50;
forme fräste 76;
Y. Graefe's Phänomen 24 43. 44, 50, 51, 52;
Keratitis e lagophthalmo 18, 19;
Klaffen der Lidspalte 22, 630;
Nuclearlähmnng bei derselben 46;
der Levatorkem' 47,' 48 ;
Periodisches LidOdem 14. 15;
Rosenbach's Phänomen 55;
Schwund der Augenbrauen u. Cilien 9:
Stellwag'sches Zeichen^Sl, 48;
Tonus der Orbitalgefässe 20;
Ziltem der Lider 55, 626
Basilarartorien: Thrombose und P^mbolie
219
Bell'sches Phänomen: 54, 584.
Benedict, Syndrome de: 71.
Beschäftigungskrämpfe im Gebiet des:
Oculomotorius 619;
Facialis 619;
Acccssorius 619;
Hypoglossus 619.
Beweglichkeitsdefekte der Augen-
muskeln: kongenitale, Erklärung der-
selben 87, 594;
kongenitale, Fehlen der Sekundärkontrak-
tion 92;
kongenitale, Fehlen der Sekuudärablenkung
93;
kongenitale, Erhaltung derKonvegenz bei
anfgehobener Seitenwendung 93;
kongenitale, bei Ptosis congenita herediiaria
83, 85;
kongenitale, und der Rumpfmuskulatur 87 ;
Mangel der Doppelbilder bei denselben 93;
des Unterlids, isolirt 590.
Bewegungsbeschränkung: angeborene
nach oben 60.
Bildungsdefekte einseitige : der Gesichts-
muskulatur 589;
des Augenfacialis 590.
Bleivergiftung: 278—300;
Accommodation 281, 283;
Augenmuskeln 280, 282;
Augenmuskellähmungen 278, 280, 282 ;
Augenspiegelbefund 281, 283;
Bleivergiftung: Mydriasis 278;
Pupillenlähmung 278, 280, 282;
Ptosis 278, 280, 232;
Poliomyelitis nach Bleilähmnng 458;
Zusammenstellung der Fälle mit Aoge
muskelläbmung 281.
Blendung: Stellung der Lider bei derselbe
34, 577.
Blepharochalasis: 3;
nach Meningitis 3;
Oedem der Lider im Beginn derselben 3
Blepharophimosis: congenitalis 26;
bei Ptosis congenita 82.
Blepharospasmus: 621;
Amblyopie durch denselben 602;
doppelseitiger 608;
bei Epilepsie 620 ;
essentieller 600;
bei Hysterie 481, 620;
klonischer 601 ;
bei Migiäne 619;
Mitbewegung des Stapedias bei demsell
602;
bei Nasenpolypen 614;
bei Reizung des Sympathicus 625:
bei Schädelbasisfraktur 428;
tonischer 601 ;
bei Trigeminusaffektion 601;
nach Trigeminusneuralgitf 615.
I Blicklähmung: mit Facialislähmang 1:
nach oben 40;
nach oben, Verhalten des Levator dil
40,41;
nach oben, bei Bulbäraffektion 207;
bei Ponstumor 452.
ßlinzelbewegungen: bei Facialislihmo
durch Levatorerschlaffung 653;
rudimentäre, bei Facialislähmung 630;
Rpontane 583.
Blinzelreflex: 581;
bei Facialislähmung 471 ;
vom Opticus 581;
vom Trigeminus 581 ;
bei Säugethieren 582;
Verhalten des Trigeminus bei demselben^'
Blut menge: im Cerebrum beim Schlaft
527.
Blutung: in den IH. Ventrikel 369;
in die Lider 13;
in die Orbita 411 ;
in die Orbita, Verhalten des Levator da
411, 415.
Alphabetisches Sach-Register.
671
Botulismas: Accommodationslähmang 285,
287, 289;
AugenmaskellähmuDgen 278, 284, 286, 288;
Augenspiegelbefund 287, 289;
Ptosis 278, 284, 286, 288;
Pupillenlfthmung 284, 286, 288;
Znsammenstellung der Fälle mit Augen-
muskellfthmungen 285.
Bracke: Erkrankung der Hftlfte 645;
Erweichung auf sypbilit Basis 329;
Gumma in derselben 329.
Baibäraffektion mit Ophthalmoplegie:
209.
Baibärkern- and Vorderhornerkran-
kung mit Ophthalmoplegie: 208
bis 219, 643.
Baibärmiene: 214.
Baibärparalyse: akute 219;
amyotrophische progressive 204, 205;
apoplektische 867;
apoplektiforme mit Ptosis 874;
asthenische 76;
asthenische mit periodischer Oculomotorius-
lähmung 510;
asthenische, Ptosis bei derselben 232, 233,
234, 235;
asthenische, forme fruste 228. 232, 510;
Facialislähmung dabei 642;
mit Ophthalmoplegie 206;
bei Polioencephalomyelitis 298;
and recidiv. Oculomotoriuslähmung 506;
mit Orbicularislähmung 116, 658;
mitspinaler Muskelatrophie und Betheiligung
des unteren Facialis 116;
syphilitische 353.
Baibus: Zurücksinken desselben in die
Orbita 20;
ZurQcksinken desselben bei angeborenen
Bildungsdefekten der Augenmuskeln 20;
ZurQcksinken desselben bei Sympathicus-
lähmung 542.
Baibusheber, angeborener Defekt 592.
Balbusmuskeln, angeborener Defekt 592;
bei asthenischer Bulbärparalyse 232, 238,
234, 235;
Fascien Verbindung derselben 19;
fehlerhafte Insertion derselben 577;
pathol. Befunde bei kongenitalen Störungen
derselben 85.
Canalis Fallopiae: 570, 571.
Canities neurotica: 8.
Carotis interna: anatomischer Verlauf
durch den Sinus cavernosus 316;
Aneurysma derselben 866, 418, 504.
Kompression derselben 585;
Verletzung und Zerreissnng derselben 418,
419, 421, 422.
Caruncula lacrymalis: Fehlen derselben
bei kongenitaler Ptosis 82.
Cataracta pyramidalis: bei kongenitaler
Ptosis 82.
Central Windungen: Femwirkung auf die-
selben 385;
bei Orbicularislähmung 636;
Gumma im oberen Drittel beider C. 337.
Centralwindung, hintere: 97, 98;
hintere, Erweichung mit Orbicularislähmung
633;
hintere, Tumor in derselben bei Orbicularis-
lähmung 637;
hintere, Läsion 604.
Centralwindung, vordere: 98, 99, 100;
vordere, unteres Drittel 559;
vordere, Kalkeinlagerung 606;
vordere, Erweichung 606, 634;
vordere, Läsion 604;
vordere, Tumor 637.
Centrum far den Sphincter iridis: 383.
Cerebellum: Erkrankung mit Ptosis 98;
Gehimabscess in demselben 385;
Tumor in demselben 452.
Cerebrale Kinderlähmung: mit doppel-
seitiger Oculomotoriuslähmung 369.
Cerebrospinale Syphilis: Differential-
diagnose von multipler Sklerose 196.
Chemosis conjunctivae: 535, 614;
bei Sinusthrombose 405.
Cheyne-Stokes Phänomen: abgekOrzt
durch Oeffnen der Augenlider 37.
Chiasma-Erkrankung: bei Poliencephaio-
myelitis 298;
bei tuberkulöser Meningitis 889, 392;
bei Syphilis 324, 327, 355;
bei basaler Syphilis, gummös entartet 821.
Cho.rda tympani: 571.
Chorea: Bewegungen 608;
Habit-Chorea 616;
Reizung des kortikalen Facialisgebietes 616;
Sydenham*8che Chorea 617.
672
Alpffabetisches Sach-Begister.
Ghromidrosis: 10;
SimulAtion derselben 12.
Cilien: Ausfallen derselben bei Basedow 9;
Ausfallen derselben bei Kopfschmerz 9;
Ergrauen derselben b;
bei Geisteskranken 16;
Inflexionsphänomene durch dieselben 576;
Lebensdauer derselben 8;
Leucosis derselben 9;
Sensibilität derselben 7;
Zweck derselben 6.
Cocain: Wirkung auf die Lidspalte 24;
Instillation von Cocain zur Sicherang der
Differentialdiagnose zwischen Levator-
lähmung und sympathischer Ptosis 156.
Colobom der Lider: 5.
Coloboma papillae n. optici: 60.
C 0 m a : Verhalten der Lidspalte in demselben
520.
Conjunctiva: Anästhesie derselben bei
Hysterie 6, 31;
Anästhesie derselben bei orbitaler Syphilis
315;
Blutung in dieselbe und Schwellung bei
Meningitis 15;
Chemosis 535;
Hyperämie derselben bei recidivir. Oculo-
motoriuslähmung 499;
bei Lagophthalmus 590;
mechanische Beziehung des Schleimhaut-
wulstes zum Fascienzipfel 49;
mechanische Verletzungen bei Geistes-
kranken 16;
Reflexe von derselben 36;
Reizung derselben bei Reflexkrampf des
Orbicularis 30, 622;
Schleimhautwulst im Fornix 49;
SchrumpfuDg 26;
Sekretion derselben bei Kopfweh 14;
Sensibilität derselben 7, 30;
Temperatursinn derselben 7, 30, 31;
Vasomotorische Störungen derselben 13;
Vergrösserung derselben bei greisenhafter
Veränderung der Edrperdecke 3;
Verwachsung derselben 25;
Zug des Fascienzipfel s an derselben 55;
Zusammenhang derselben mit den Fascien-
zipfeln des Hebers und Senkers des
Bulbus 49.
Conjunctivalgeflecht der Lidnerven 6.
Conjunctivalkatarrh: als »reger fibril-
liirer Zuckungen 614.
Conjuncti valreflexe: 30, 36.
Conjnnctivalsekret im ComtiSiä
Conjunctivitis erythematosa: 614;
Folge Ton za kurzem Oberlid 5;
bei Meningitis cerebrospia. epideauet
bei Meningitis taberculosa 387.
Coprolalie: 618.
Cornea: Anästhesie derselben bei Hji
6,31;
regionäre Anästhesie 30;
Austrocknung derselben 30;
Flucht derselben nach oben beim Udsc
53, 54, 584;
Grösse derselben im Einderaoge 17;
Grösse derselben im Yerhäitniss zu
spalte 17;
Reflexe derselben o6 ;
Reizzustand im reflektorischen lidscUa
Sensibilität derselben 7;
Temperatursinn derselben 7, 30, 31;
ünempfindlichkeit derselben 513.
Corpus res ti forme: ExophthalmoB
Verletzung desselben 44.
Corpus striatum: Ptosis bei dessei
krankung 98, 99.
Corpus trapezoides: 569.
Corrugator sapercilii: 4, 36, 575,
bei Basedow 9;
Kontraktur desselben 479;
bei Dystrophia musculorum 9;
Lähmung desselben 627;
Nervenversorgung 572;
Verbindung mit dem Orbicularis 57d.
Cysticercus: in der Orbita 535.
D.
Darkschewitscher Kern: 111.
Deckfalte: 1;
Bildung derselben 37;
beim Basedow 2;
Einfluss der Kürze derselben auf die I
falten bei der Ptosis spastica 479. 4
Fehlen derselben bezüglich der Diaga
der Ptosis congenita 94:
bei Levatorlähmung 4.
Degeneration: peripherer Nerven n
Diphtheritis 245;
primäre der Augenmuskelkerne bei Sjpk
333, 334.
Degenerationszeichen: der Lider »V
Alphabetisches Sach-Register.
673
» Depressor: palp. int 578;
_ sapercilii, Nerven Versorgung 572.
^ Deviation conjugu^e: 873.
^ Diabetes mellitns:
^ Yerhältniss zar Syphilis 353, 854.
Dilatatores nariuni: 586.
Dilatator pupillae/.^Spasmns bei Hysterie
* 621.
Diphtberitis:
Abducenslähmung 237;
- Accommodation 240;
Augenmnskell&hmungen nach derselben
240-247;
Allgenspiegelbefund 240;
Degeneration peripherer Nerven 238, 241;
JacialislähmuDg bei derselben 241, 248,
245, 247;
Gaunensegellähmung bei derselben 241,
243, 245, 247;
Intoxikation 459;
Patellarreflexe bei derselben 243, 245;
Ptosis 237, 240;
Papillen 240.
Diplegia facialis:
kortikaler Natur 659;
Bupranncleärer Natur 658;
nacleftrer Natur 658;
peripherer Natur 655;
Doppelbilder:
Mangel derselben bei angeborenen Beweg-
licbkeitsdefekten 93.
Duchenne-Aran'scher Typus: 203, 204.
Dyschromatopsie: 621.
Dystrophia muscul. progressiva: 105,
106;
mit angeborenen Biidungsanomalien 596;
Facialislähmung dabei 663;
Ophthalmoplegie dabei 596;
isolirte Ptosis als Folge 105, 106;
Stellung der Augenbrauen 9.
E.
Echinococcusim Grosshii-n mit Jackson'scher
Epilepsie 605.
Kdinger-WestpharscherKern: 90, 110,
111, 113, 114.
Ekchymosen: an den Lidern 13.
Elektrisch]e Erregbarkeit bei Facialis-
lähmung: 597.
Elasticität der Haut bei Facialislähmung:
632.
I Embolie der Art. fossae Sylvii: 872;
' Differentialdiagnose von Thrombose 879.
Emotionelle Bewegungen: 27, 530, 639.
Empyem:
des Sinus frontalis 536, 587, 538;
der Keilbeinhohle 538, 539;
sämmtlicher Nebenhöhlen 539;
des Oberkiefers 614.
Encephalitis: 97;
bei Syphilis 385, 836;
Ptosis bei derselben 198, 199, 200;
Encephalitis haemorrhagica 218, 297;
Encephalitis haemorrhagica mit Facialis-
lähmung 644;
nicht eitrige 236.
Encephalomalacie: 879;
flava multiplex 274, 275, 276.
Endarteriitis obliterans: 377;
syphilitica: 324, 332, 337, 359.
Endocarditis rheumatica: mit Polyneu-
ritis 459.
Enophthalmus traumaticus: 438, 439.
Entartungsreaktion: Mittelfoim 641.
Entropium spasticum: 603, 623.
Epicanthus: 5, 82.
Epidermis der Lider: 2.
Epilepsie: 495, 529;
Blepharospasmus bei derselben 620;
Blutungen in die Lider 18;
Ernährungsstörung der Lidhaut 6;
funktionelle Lähmung des Facialis 668;
Jackson*sche 603;
Sugillationen der Lider 12;
Veränderung der Haarfarbe 9.
Ependym: Verdickung desselben bei Tabes
153, 154;
Wucherung im IV. Ventrikel 199.
Epiphora: 591.
Er bischer Symptomenkomplex 139.
Erblichkeit: bei der chron. progr. isolirt
bleibenden Ophthalmoplegie 128;
bei kongenitaler Ptosis 82.
Erkältung: Augenmuskellähmungen 261;
Ophthalmoplegie 260.
Ermüdbarkeit: bei asthenischer Bulbär-
paralyse 221, 222;
bei tabischen Augenmuskel lähm ungen 155.
Erweichung: der Oculomotoriuskemregion
375.
Erysipel: Ophthalmoplegia totalis 256;
Ptosis dabei 256.
Erythem: der Lider 15;
bei hysterischer Ptosis 15.
674
Alphabetisches Sach-Begister.
Exophthaimns: 473;
bei Basedow 2, 8. 50, 52;
einseitiger 47, 50« 52;
mit y. Gräfe's Phänomen 45;
bei gummösen Orbitalprozessen 814;
bei Orbitaltomor 5, 441, 585;
bei Periostitis gummosa 810, 811;
mit Anästhesie der Stirn 418;
pulsirender 419;
bei Reizung der glatten Muskeln derOrbi-
talaponeurose 21;
bei Sinustbrombose 404, 405, 406;
bei Sympathicuslähmung 552;
bei Sympathicusreizung 21, 23;
bei Syphilis 317;
bei Verletzung des Corpus restiforme 44.
F.
Facialis-Abducenslähmung: angeborene
591;
in frühester Kindheit entstandene 596.
Faciali s af f e kti o n : bei Bulbärkernaffektion
207, 209, 211;
bei Ophthalmoplegie mit Spinalaffektion 212.
Facialis: bei der amyotrophischen Bulbär-
paralyse 116;
bei der asthenischen Bulbärparalyse 116,
230, 232. 233, 234, 235;
Beziehungen zum Levator 114;
Beziehungen zum Oculomotorius 61, 63, 354;
Beziehungen zum reflektorischen Lidschlag
26;
Beziehungen zum Trigeminus 568;
Beschäftigungskrampf desselben 619;
Beweglichkeitsdefekie kongenitaler Natur
594;
angeborene Bildungsdefekte, elektrische Er-
regbarkeit 597;
getrennte Centren desselben für den oberen
und unteren 560;
Eernregion desselben 67, 567;
Eernregion, Lähmung einzelner Muskeln
bei Kemerkrankung 216, 640;
Eernregion, Eemlähmung bei Ponserkran-
kung 645;
Kernregion, Eemlähmung bei Nuclearer-
krankung 355;
Eei-nregion, Schwund 116;
Eernregion, bei Tabes 641;
Eernregion, Ursprung der Levatorfasorn 62;
Eernregion, Reizung derselben 608;
Kernregion, Verbindungen desselben 567;
Facialis: Eernregion , Verbindoiif
selben mit dem Hypoglossoskc
Facialiskrampf: halbseitiger bei
des Grosshims 605;
nach Blutungen 609;
bei hämorrhagischen Cysten im 6e
bei Hirnerweichong 606;
bei progressiver Paralyse 191, 60!
durch Reizung des Centmms 603;
durch Tabes 608.
Facialislähmung: 65, 507, 513,1
bei Abscess im Scheitellappen 381
altemirende (Gubler^scher Typus) •
bei angeborener Kürze des Oberli
bei basaler gummöser Affektion S
Blinzelreflex bei dei-selben 471;
bei Diphtheritis 241, 243, 245, 24
doppelseitige 596;
doppelseitige kortikale 659;
doppelseitige nucleäre 658;
doppelseitige periphere 655;
doppelseitige subkortikale 658;
doppelseitige bei OphthalmopL pro
121;
doppelseitige mitOphthalmoplegiai
doppelseitige bei Polyneuritis 65^
elektrische Erregbarkeit 597;
bei Encephalitis haemorrhag. 644
bei Felsenbeincaries 654;
Flucht des Bulbus nach oben bei der
bei Fraktur im Sinus cavernosus
funktionelle bei Hysterie 660;
funktionelle bei Epilepsie 663;
funktioneile bei Migräne 663;
hereditär nervöse Belastung bei
654;
bei Hirnerweichung 376, 474;
Hyperaktion der gelähmt gewese
kulatur 65;
bei Influenza 251, 253;
Eeratitis e lagophthalmo 631;
Elaffen der Lidspalte 628 ;
mit Levatorkrampf 68;
nach Masern 255;
bei Meningoencephalitis syphilit.
bei Meningitis tubercul. 389, 390
Mitbewegung des Lides bei derselbe
bei Mittelohrerkrankung 654;
Mundzweige bei Blick lähmung 12
bei Neugeborenen 595;
Neuritis bei derselben 654 ;
bei Oberkiefercancroid 539;
bei Ophthalmoplegie 642;
Alphabetisches Sach-Register.
675
«iciaiislähmang: bei recidivirender Oculo-
motoriuslähmuDg 498;
periphere 649;
bei PolieDcephalomyelitis acuta 644;
bei Ponserkrankung 645;
- red idi vir en de 654 ;
reflektorischer Lidschlag bei derselben 31;
* refrigeratorische 649;
und Retraktion des Levator 628;
rheumatische» Sektionsbefund 652;
rudimentäre Blinzelbewegungen dabei 630;
rudimentärer Lidschlag durch Levatorer-
schlaffung 653;
bei dchädelbasisfraktur 428, 630;
bei Schädelbasistumor 441;
Schmerz bei derselben 627;
Stellung des Unterlids 5;
Symptome durch Elasticität der Haut ge-
mindert 632;
. bei Syphilis 330, 355;
bei Tabes 158-178, 512;
Thränenabsonderung, vermehrte 631;
nach Trauma 654;
bei Tumor des Occipitallappeus 453;
bei Tumor des Lobus parietalis 455;
durch Zangengeburt 595.
Facialis: Muskulatur, kongenit. Defekte
derselben 588;
oberer, Beziehungen zum Oculomotoriuskem
570;
oberer, Centrum desselben in der IL Fron-
tal winduug 560, 564;
. oberer, Centrum desselben im Gyrus pariet.
inf. 560, 565;
oberer, kortikaler Ursprung 559;
oberer, Faserverlauf durch die Capsula ext.
566;
oberer, getrennte Bahn vom Verlauf des
unteren im Hirnschenkel 567;
oberer, Innervation desselben bei Gemüths-
affekten 567;
oberer, peripherer Verlauf desselben 571;
oberer,supranucleärer Verlauf desselben564;
oberer, Verhältniss der Linsen kernerkran-
kungeu zur Affektion derselben 565.
Facialis Phänomen bei Tetanie: 622.
Facialis- Stammerkrankungen: 628.
Facialis-tic: 619.
Facialiswurzel: aufsteigende 567.
Erkrankung 640.
Facies myopathica: 666.
Faltenbildang der Lider: 2, 4.
Wilbrand-Saenger, Neurologie des Augos. I.
Fasciculäre Ptosis: 378.
Fascia palpebro-orbitalis: 415.
Fadcien Verbindung der äusseren Bulbus-
muskeln: 19.
Fascienzipfel: gemeinsamer des Levator
und Rect. sup. 39, 49;
des Rectus inf. 22, 628;
des Rectus sup. 22;
Felsenbeincaries mit Facialislähmung:
654.
Fenestra ovalis: 571.
Fibrae arcuatae internae: 568.
Fibrilläre Zuckungen: der Lider bei Con-
junctivalcatarrh 614;
bei erworbener Facialislähmung 597, 658;
im Orbicularis 600.
Fissura: calcarina 28;
orbitalis, Tumor 534;
orbitalis, gummöse Prozesse in derselben
314;
orbitalis inferior 20;
orbitalis superior 316, 317;
orbitalis superior, b) gummöse Erkrankung
313, 314, 318;
temporalis sup., Lokalisation des Levator-
rindenfeldes 97, 98.
Foci: des Facialis in der Hirnrinde 561.
Foramen: oculomotorii 317.
stylomastoideum 571.
M. Frontalis: 4, 36, 575;
beim Augenaufreissen 38, 67;
Beziehung zum Levatorkem 114;
Eontraktion bei Ptosis 74;
Kontraktion bei doppelseitiger isolirter
Ptosis 104, 106;
Kontraktion bei kongenitaler Ptosis 82:
Kontraktion, zwangsweise bei seitlichen
Bewegungen 56, 57;
Fähigkeit, denselben einseitig zu innerviren
469, 471 ;
Gewohnheitskrampf desselben 76. 616;
gleichzeitige Innervation beider 471;
isolirte Lähmung desselben 655;
Lähmung 627;
bei emotionellen Bewegungen 610;
Nervenversorgung 572;
Wirkung 587.
Funktionell nervöse Störungen: Orbi-
culariskrampf 616;
Ptosis dabei 463.
Furchenarterien: 860.
Bd. IL Abiheilung. 44
676
Alphabetisdieft Saeb-Eegister.
GaDglioD ciliare: FeU«i desselbeo 86.
Ganglion Gaaseri: 160.
Ganglion sphenopalatinani: 21.
Gangrän der Lider: spontan entatanden 12.
Ganmensegellähmung: nach Inflaenza
251, 253.
Gefä89verändernngen:' bei Syphilis 324.
Gefässversorgnng: der Kemregion 109.
Gefahr feld: gemeinschaftliches der Augen 27.
Gehirnabscess: siehe Himabscess
G e h i r n s y p h i 1 i s : Keratitis nenroparal7ti€a56 :
AbdacensläbmnDg 56;
Leyaterkoniraktion 57.
Gehirn tamoren: basale Lokalisation 442;
mit JacksonVher Epilepsie 604;
des Hiroschenkels 449;
orbitale Lokalisation 441;
Ptosb bei denselben 440.
Geisteskranke: mechanische BeschAdignng
des Auges 16.
Gerlier*sche Krankheit: 261;
Ptosis dabei 219, 261.
Gesichtsasymmetrie: 593.
Gesichtsausdruck: jagendlicher Individuen
2, 3;
bei Levatorlähmung. 75.
Gesichts feld ei nschränkung: konz. 473>
bei Hysterie 621.
Gesicbtsmuskulatur: einseitige Bildongs-
defekte 589.
Gesichtsmuskelkrämpfe: partielle 600.
Gewohnheitskrampf: des Frontalis 617 ;
des Orbicularis 616.
Glandula pinealis: GeschwQlste derselben
451.
Glatte Lidmuskel: beim v. Graefe'schen
Phänomen 44.
Glotzauge: Einfluss auf die Weite der Lid-
spalte 25.
Glykosurie: bei Nuclearlähmung 353;
bei Syphilis 354.
V. Graefe's Phänomen: 71;
bei Basedow 43, 44, 50, 51, 52;
bei Coca^fnwirkung 24;
demselben ähnliche Ei-scheinung 58;
bei Levatorkrampf 67;
bei Thomsen'scher Krankheit 44;
bei Sympathicuslähmung 25.
Grenzstrang des Sympathicus: 23.
ürobshirnschenkelerweichung; 40;
Gumma 328, 329
Gubler'ache alteraires^c UkmKaxf:
bei Ponatomorea 45L
Gummöse Erkrankaag: m wmi as «b
Orbita 313, 534, 536;
Gyrns angnlaria: 97;
bei kortikaler Ptosis 97. »^ !<&. 1^ t».
als Leyatoreentnmi 455.
Gyrus praecentralia:£rvek^^Kaa€i:»-
cnlariallhmnng 635:
Lision 604.
Gyrns anpramargiaalis: S>7. 9^ SK:
Erweichnng bei OiiiiciilBi iiilifcwBi €M:
bei Ptosis 102.
H.
Hftmatidrosis: 10.
Hämorrhagie: an der Basis 3G9:
kapilläre in d. Nenrenwarzehi bei DifMäm
238, 241;
in d. Kern- und Wnrzelgeliiet der Ämgm-
mnskelnenren bei PolieDcepbalins 271.
272;
in den Stamm des Ocnlomotorios bei Mcbb-
gitis tuberculosa 390, 391, 3M.
Habit Chorea: 616; spaam. 616.
Ualo: 2;
bei Hysterie 11.
Halssympathicus: Läsion desselben MS;
siehe auch Sympathicas.
Haube: Hämorrhagie in dieselbe mit Pfcosa
363.
Haut falten: am Augenwinkel 33;
Beziehung beim Lidschloss 679.
HemianopischePupillenreaktioo:bei
Syphilis 351.
Hemianopsie: 28;
bei Hirntumor 45i, 455;
homonyme 372, 375;
bei basalen Tumoren 443, 444;
bei multipler Sklerose 194;
Prüfung des Blinzelreflexes 28;
bei Stichverletzung des Himschenkels 3^
doppelseitige 655.
Hemianopsia temporalis: bei Akro-
niegalie 448;
bei basalen Tumoren 443;
bei Syphilis 355.
Hemiatrophia facialis: Atrophie des
Orbitalfettes 20;
Augenbrauen bei derselben 9.
Alphabetisches Such-Register.
677
Hemikranie: 507;
funktionelle Lfthmung des Facialis dabei 668;
mit Verfärbnng der Gilien 8.
Hemiplegie: gekreuzte 879.
Herpes: mit Blepharospasmus 615;
der Lider 12, 15;
mit Meningitis cerebrospinalis epidemica
398.
Hidropathien: 10.
Hirnabscess: traumatischer 431;
Ptosis bei demselben 880.
Hirnblutungen: Begriff derselben 858;
Erblichkeit der Disposition 359.
Hirnerweichung: 372;
akute bei Syphilis 335;
mit Augenmuskellähmungen 377, 378;
Ptosis bei derselben 372. 377;
mit Pupilienlähmung 377;
der vorderen Centralwindung 606;
mit Orbiculariskrämpfen 606.
Hirnhä m 0 rrh agie : Ptosis bei derselben 863.
Hirnschenkel: Affektion bei Syphilis 355;
Blutung ohne Oculomotoriuslähmung 364^
369;
Kompression bei Schläfenlappenabscess 367,
383;
doppelseitige Blutung in denselben 859, 863 ;
Erkrankung bei Hirnerweichung 378;
Erweichung mit Oculomotoriuslähmung 373,
374, 375;
Fem Wirkung auf denselben 365, 385;
Gefässe 359, 361;
Haube, Blutung in dieselbe 863, 364, 365;
Herd mit doppelseitiger Ptosis 371;
Stichyerletzung mit Ptosis u. Hemianopsie
368;
Tumoren 449, 450;
Verlauf der Facialisbahnen in demselben 567 ;
Verletzung mit Oculomotoriuslähmung 855.
Horner'scher: Muskel 574;
Symptomenkomplex 541, 555.
Hornhaut: Anästhesie 315;
Reflexe von derselben 36;
Sensibilität derselben 30.
Husten: Orbiculariskontraktion dabei 586.
Hydatidencyste im Gehirn 441.
Hydrocephalus acutus bei Meningitis tuber-
culosa 387.
Hyperaktion des Orbicularis nach Läh-
mungen 609.
Hyperämie: des Gehirns im Schlaf 525.
Hyperidrosis: des Lides 10;
bei recidiv. Oculomotoriuslähmung 499.
Hypoglossus:bei altemirender Faeialialähm'
ung 645;
angeborener Bildungsfehler 593;
Beschäftigungskrampf desselben 619;
Kem.desselbenVerbindung mit dem Facialis-
kern 570;
bei Syphilis 318.
Hypophysis: Tumoren 448.
Hysterie: 379;
abnorme Mitbewegang der Bulbusmus-
kulatur 59;
Amblyopie 6;
bei spastischer Ptosis 482;
Anästhesie der Lider 6;
Augenmuskellähmungen 518 ;
mit Blepharospasmus 481, 602, 620;
mit Chromidrosis 10, 11;
Differentialdiagnose von multipler Sklerose
198;
Erythem des Lides 12, 15;
Gewohnheitskrampf bei derselben 616;
Halobildung 11;
Herabsetzung der Empfindlichkeit der Con-
junctiva 31;
Levatorspasmus 71, 476;
Ophthalmoplegia exterior bei derselben 473;
Orbicularisläbmung 477 ;
periodische Oculomotoriuslähmung 518;
Ptosis 73, 198, 463, 467;
Spasmus douloureux et non douloureux 621 ;
Spasmus des Rectus infer. 71;
Stellwag*sches ZiCichen 31;
Störungen der Bulbusmuskulatur 482;
Verwechselung mit multipler Sklerose 198.
J.
Jackson'sche Epilepsie: 603;
bei Gehimgeschwalsten 604;
mit Orbiculariskrämpfen bei Erweichongs-
herden 606.
Indican: bei Chromidrosis der Lider 12.
Indigoreaktion: bei Chromidrosis 12.
Infektionskrankheiten: Augenmuskel-
lähmungen bei denselben 236;
Ptosis 236.
Influenza: Abducenslähmung 248;
Accommodationslähmung 250, 252;
Augenniuskellähmungen 250, 251, 252;
Augenspiegell>efund 251, 253;
44*
678
AlphabeÜBcheB Säch-B^gister.
Influenza: Facialislähmang 251, 258 ;
Gaumensegellähmung 250, 252;
Oculomotoriaslähmnng 248;
Ophthalmoplegiit interior 248;
Ptosifl 236, 248;
Pupillenlähmung 250, 252;
Trigeminuslähmung 251, 253.
Infraorbitalis Nervus: 614.
Innere Kapsel: hämorrhagischer Herd in
derselben 639;
Fernwirkung auf dieselbe 885.
Innervation: Ungleichheit derselben 618.
Interglandulargeflecht: der Lidnerven 6.
Intermedius Nervus: 571.
Intozikatiouen: 263;
AugenmuskellfihmuDgen dabei 286;
Ptosis 236. 263.
Irislähmung: 190, 192;
und Accommodationslähmungbei chronischer
Ophthalmoplegie 121;
bei progressiver Paralyse 190, 192.
Iris: Mitbewegung derselben beim Lidschluss
585;
Muskulatur bei postdiphtheritischen Augen>
muskellähmungen 237.
Isolirte Ptosis: bei orbitaler gummöser
Affektion 319; siehe auch Ptosis.
K.
Karunkel: angeborener Defekt derselben 592.
Kaubewegungen: Mitbeweguug des Ober-
lides bei denselben 385, 62;
angeborene Schwäche 593.
Keilbeinhöhle: Eiterung, dabei Ptosis 539;
Empyem 538, 539.
Keratitis: bei angeborenen Bildungsfehlern
593;
e lagophthalmo bei Basedow 18, 19;
bei Facialislähmung 631;
mit Narben geheilte 632;
neuroparalytica 19, 416, 313;
bei basalen Tumoren 442, 443;
bei Himlues 56;
bei gummöser Infiltration der Orbita 311,
313;
nach Schädelbasisfraktur 423;
parenchymatosa bei Syphilis 333.
Kern lähm ung: bei Polyneuritis 459.
Kernregion: der Bulbusmuskulatnr 111.
Gefäss Versorgung derselben 109;
Schema derselben 110;
direkte Läsion derselben 485.
Kernschwund: infantiler 87. 92, 95.
Kleinhirntümoren: Ptosis dabei 452.
Kongenital- hereditärer Bildungs-
fehler der Gesichtsmoskalatur: 594.
Kongestionsneurosen des Auges: 13.
Konvergenzbe weglich keit: bei koogenit
Bildungsdefekten der Muskeln 592.
Konvergenzvermögen: Erhaltung i»
selben bei aufgehobener Seiten weadimg
92.
Kontraktur des Rectus internas: 621.
Kontraktur: Fehlen derselben bei Fadtlii-
iähmung 597.
Konzentrische G e s i chts f eldein-
schränkung: 621.
Koordinationscentrum: für die Bev^
gung des Bulbus und der Lider 40, 41.
Kopfschmerz: mit Ausfallen der Ciliei 9;
mit Cunjunctivalsekretion 14.
Kortikale Hemiplegie: Verhalten des
oberen Facialis dabei 560.
Kortikale Ptosis: 96 — 103;
bei Hirnerweichang 379;
bei Hirntumoren 453;
nach Trauma 437.
Krämpfe: halbseitige 603.
Kubisagari: 219, 261.
Lacrymalis superior musculus: sea Hör-
neri 574.
Lähmung, alternirende: isolirte Ptosis
mit gekreuzter Hemiplegie 140.
Länge des Oberlids: bei Ptosis spastica
479,
Lagophthalmus: 18, 649.
bei asthenischer Bulbärparalyse 648;
Bell'sches Phänomen bei demselben 54;
bei hysterischer Facialislähmung 661;
bei Levatorkontraktion 69;
bei supranucleärer Facialislähmang 636.
Landry*sche Paralyse: Augenmuskellili-
mungen bei derselben 461;
Ophthalmoplegie bei derselben 219;
Ptosis 219, 460.
Lateralsklerose amyotropische oo^
Syriogomyelie 203.
Leptomeningitis: chronica 197;
nach Trauma 430, 431.
Leucosis der Cilien 8, 9.
AlphabetiBcbes
Sacb-Register. 679
1
LevHtor: Anatomie desselben 37;
Le%^atorkrampf: bei Reizung der Oculo-
'■
alae nasi in Belieb UDg tum OcalomotoriuB
motoriuskernregion 69 ;
■
578;
bei Trigeminusreizen 68;
■
angeborenes Fehlen desselben 86;
nach vorausgegangener Lähmung 77, 355;
■
Aponetiroee desselben 21 ;
zugleich mit Krampf des Rectus inferior 71.
■
als Antagotttät des M. orbicularia 577;
Levatoraehne; Exkursionsfähigkeit der*
■
antagonistische Kontraktur desselben bei
selben 52.
n
OrhiculariBlähmung 43;
Levatorlähmnng siehe &uch Ptosis: all-
j
Association mit dem Levator der anderen
ge meines 71;
■
Seite 40 ;
kortikale 96;
^
Beziehungen zum Augenfacialia 114;
im Scblaf 531;
j
kortikales Centrum desselben 96, 437, 455;
Deck falte bei derselben 4;
j
Kontraktion desselben bei Basedow 46;
doppelseitige iaolirte 40;
■
Unvermögen, denselben einseitig zu kon-
Simulation dtr doppelseitigen 470;
■
trahiren 471;
der einseitigen 47 t;
■
Kontraktur nach f ruberer Ptosis 58;
nach Zangengeburt 84.
■
Kontraktur desselben als Erklärung des
L e V a 1 0 r m u s k u 1 a t u r : pri märe Dystrophie
■
' V. G rufe 'sehen PbÄnomena 45, 46. 47 ;
72.
■
Fascienzipfel desselben mit dem Rectus
Lichtstarre: reflektoriscbe bei Syphilis 355 ;
■
. Buperior 39^ 49;
bei Tabes 134;
■
Innervation desselben 67;
als Inttialsymptom bei Tabes 134.
^
Kern desselben 112, 113;
Lidbewegungen- rhythmische 59;
Beziehungen des Kerns zum Augen facialis
mit Veränderung der Pupillenweite 59;
114;
zwangsweise bei seitlichen Bewegungen des
Kemerkrankung bei Basedow 47, 48;
Augapfels 56—59.
Lfision der Umgebung desselben 406, 411 ;
Lider: bei Akromegalie 4;
Retriiktion desselben bei Facialmlähmung
Anilsthesie derselben bei Epilepsie 9 und
628;
Hysterie 6;
direkte Verletzung desselben 407, 409;
bei Chroniidrosis 10;
Degeneration seines Nervensstes bei Poly-
Colobom derselben 5;
neuritis alcoholica 457; |
Degeüerutionszeieben derselben 5;
doppelseitige isolirto Löhraung desselben 40
Kkchymosen an denselben 13;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
Entwickelungsfehler derselben 25;
491;
Epidermis derselben 2;
Koordinationscentrum desselben mit dem
Erythem 15;
Rectus superior 40;
Faltenbildung 2;
gemeinasmerFsscienzipfel desselben 39, 43;
Form 1;
Störung der Mitbewegungen desselben
Gangrän 16;
37, 41 ;
Gangrän bei Raynaud'scber Krankheit 16;
Verwachsung des Levator mit dem Rectus
spontane Gangrän 12;
superior 85;
Hümatidrosis 10;
Spaarous bei Hysterie 476;
Htimorrbagie in dieselben 10;
Spannung desselben bei Senkung der Blick -
Haut der Lider 2;
ebene 41, 42;
Herpes 15;
Tonuserschlaifung beim Lidacblag 32, 653;
Hyperidrosis 10;
bei Kontraktion dt*» Orbiculans 42, 4:-i;
Mitbewegungen bei seitlicben Bewegungen
Wurzel böndpl desselben 113.
des Bulbus 56;
Levatorkrampf: 67, 68, 69;
periodisches Oedem 12;
im Alter 71;
Oedera bei Blepharochalasis 3;
bei Hysterie 71 ;
Raynaud'sche Krankheit lö;
bei Fiicialislilbmung 68;
Rosenbach *8ch©s Phänomen 55;
als Mitbewegung bei Innervation anderer
Sensible Nerven 6;
Augenmuskeln 77;
!
SenBibiliUltBatörungeii 16 ;
^
680
Alphabetisches Sach-Regisier.
Lider: Sugillation derselben bei Epileptischen
12.
Tremor 55, 625;
Trophonenrosen 9, 16;
Urticaria 14;
vasomotorische Störangeo 13;
Zweck derselben 6.
Lidgangrän 16, 12.
Lid haut: angeborene Kürze 75;
Ernährnngsstörung bei Epilepsie 9;
greisenhafte Veränderung jugendlicher Indi-
viduen 3.
Lidhöhe: Messung derselben 5.
Lidmuskulatnr: Tonus derselben im Yer-
hältniss zur Lidschwere 18.
Lidphänomen: bei Facialislähroung 64.
Lidreflexe: 25, 26—33;
bei Aphasie 28; «
vom Nervus opticus aus 27;
vom Nervus trigeminus aus 29—32;
bei somnolenten Kranken 30.
Lid seh lag: Doppelseitigkeit 26, 27;
Mechanik desselben 32;
reflektorischer bei Facialislähmung 31 ;
bei Hemianopsie 28;
ruckweises Erfolgen desselben 63;
im Schlaf 27;
bei somnolenten Kranken 30;
Zahl der Schläge 32;
Zukneifen der Augen dabei 32.
Lidschluss: abhängig von der Länge des
Lides 5;
bei asthenischer Bulbärparalyse 232, 233,
234, 235;
einseitiger 580;
fester 33;
beim Niesen 29;
reflektorischer 581;
Reflexcentrum desselben 583;
sanfter und Rosenbach 'sches Phänomen 55;
ungenügender 5;
Verziehung der Haut bei demselben 578;
willkürlicher 578:
zeitliche Verhältnisse beim Ablauf desselben
584.
Lids palte: bei Blendung 34;
im Coma 18, 520;
Erweiterung durch Reizung des Sympathicus
21;
durch Spasmus der glatten Muskeln 20;
Form derselben 17, 33;
Grösse derselben bei Kindern 17;
Lidspalte: abhängig vom Znsammenwirkni
verschiedener Faktoren 18- 29 ;
Hohe derselben 17;
Klaften derselben bei Blinden 28;
bei Opticusatrophie 581 ;
bei Levatorkrampf 67;
kindliche 17;
Länge 17;
im Schlaf 520;
abhängig vom Tonus der glattenMo&kelo 19;
Verengerung bei Refraktionsfehlem 29;
bei Sympathicuslähmang 541, 542;
bei Vorlagerang des Rectos extemos 19:
Weite derselben 17, 54;
abhängig von reflektorischen EänwirkangcD
25;
im Tode 26;
abhängig von Spannung der Bolbusmas-
knlator 19.
Linsenkern: hämorrhagischer Herd in dem-
selben 639.
Lobalns parietalis infer. bei Facialis-
lähmung 660;
mit Ptosis 99.
Lobue parietalis superior: 97.
Lumbalpunktion: 396, 397.
Malad ie des tics: Abortivform derselbeo
618.
M. malaris 578, 640;
portio ciliaris 574;
portio palpebmlis 574.
Masern: Abducenslähmung 255;
Facialislähmung 255;
Ophthalmoplegia int. 254;
Ptosis nach denselben 254.
M. masseter: 60.
Med u IIa oblongata: Abscess 385:
Kontraktion der dieselbe versorgenden Ar-
terien zur Erklärung des v. Graefe'schen
Phänomens 45;
Gummata 337;
Ptosis bei Erkrankung derselben 98;
Tumoren 452.
Meibom'sche Drüsen 6.
Membrana orbitalis 20.
Meningitis: basilaris gummosa 149, 314.
323, 327, 328, 333, 386;
basilaris gummosa, Ptosis bei derselben 3*26.
356.
^^1 ÄJpbnbetiBcbes
Sach-Hegister« fj81 ^^H
Meningitis: bflsilaria traamutica 431.
Migräne: mit Blepharospasmus 619. ^^M
cerebrospi Balis epiJemica 386t 3^ß;
Miliaraneurysmen: 358| 359| 879. ^H
^ cerebrospinalis epidemica mit Abdijcenspa-
Miosis 373, 512; ^H
rm 257;
paralytica 203. ^H
cerebrospinalis epidemica » Augenmuskeln
Mitbeweg uugen: abnorme zwischen Orbi- ^^H
257 ;
cularis und Unlbusmuskulatiir 5H; ^^H
cerebrospinalis epidemica mit Augenmus-
zwischen Lovntor palpobiüe und den Hebern ^^H
kellähmung 397;
und Senkern des Bulbus 37. ^^H
cerebrospinalis epidemica, convexitatis 397;
zwischen Lid- und Nasenmuakulatur 64; ^^H
cerebrospinalis epidemica« Herpes 31^8;
zwischen den Lidern und dem Bulbus 37 — 67 ; ^^H
cerebrospinalis epidemica , Neuritis optica
des Oberlids bei Meningitis tubercul. 394; ^^H
3^7;
des Oberlids beim Oefi'rien des Mundes und ^^H
Gerebrospinalis epidemica, Nystagmus 257;
bei Kaubewegungen 60; ^^^|
cerebrospinalis epidemica, Ocnlomotonua-
des Oberlids heim Blick nach unten 50; ^^H
lähraung 3Ö6;
des Oberlids bei kompleter Facialislälimung ^^H
eerebrospiDAÜs epidemica, Ptosis 256^ 3%;
42, 628; ^H
cerebrospinalis eptdomiea» Pupillen 257;
bei Basedow'scher Krankheit 52; ^^B
der KonvexitÄt 199, 200. 337;
'. zwjsclien dem Orbicularis und den Hebern ^^|
cbroDica 507, 508;
des Bulbus 53; ^H
cbronica^ Ohrenerkrankung 507, 508;
zwischen dem Orbicularis palp. und dem ^^|
• chronica mit recidiv, Oculomotoriusltthmung
Eectus sup. 115; ^^H
507, 508;
des Orbicularis oculi mit der Geaichlsmua- ^^H
mit Lidödem und Blutung in die Gonjunctiva
' kulatur nach Faciatislähmuog 65. ^^H
15;
Mittelob rerkrankung: mit Facialisläh- ^^M
suppurativa, Ptosis bei derselben 398, 430;
mung 654. ^^|
suppurativa nach Pneumonie 398;
Mo 11* sehe Drüsen: 6. ^^1
suppurativa i^ach Trauma 430;
Morgenptosis: 467. ^
tuberculosa 386;
MorvanVsche Krankheit: 23.
tüberculosa, AbducenslÄhmungen 387;
Müller' scher Orbi talmuakel : 46;
tubercnlosa, Augenranskellfibmungen 387; ;
Erschlaffung desselben 24;
tuberculosa» Blutung in den Oculomotorius-
Spasmus desselben 24.
staram 390, 391;
Ma l ti p lo N euritis: Ptosis bei deraelben 456.
tuberculosa, circumscripta 387;
MultipleSkleroae (siebe auch bei Sklerose) ;
tuborciiloaa, Conjutictivitis 387;
kombinirt mit Tahea 197;
tuberculosa, Differentialdiagnoso 396;
Differentialdiagnose von Hysterie 198;
tuberculosa, Nystagmus 3Ö7;
Differentialdiagnoso von Syphilis 196;
tuberculosa, Octtlomotorislähmung 387, 389 ;
Ptosis bei derselben 194;
tuberculosa, Ptosis dabei 386 ;
Ptosis, isolirte 195.
tuberculosat Pupillenläbmung 387;
Muskelatrophie: progressive mit Ptosis 2 1 7,
tuberculosa, Trochlesrislfibmung 388;
Muskelkerne: rhythmisch e Versorgung der-
tuberculosa, zwangsweise Lidbewegung 56.
selben mit Blut (Fucbs) 59.
Meningoencepha litis syphilitica 335,
Muskelschwund primärer: isoHrte doppel-
337, 338;
soitige Ptosis 104.
syphilitica, Ptosis dabei 338;
Myasthenia: pseudoparalytica 219.
' Meningomyelitis syphilitica: 203.
Mydriasis: 374, 513;
Hetssypbilitisches Stadium: Kem-
mit Äccommodationslähmung und Ptosis
scbwnnd 334;
bei akuten Vergiftungen 456;
Migrftne: Aofölle bei recid. Ocnlomotorius*
mit kontra lateraler Ulbmung 384;
lähmung 4^5, 486, 499, 500, 501;
bei Gehirnerweichung 377;
ophthalmopb^gique 499 ;
bei Pneumonie 258;
bei recidivtr. Oculomotorioslühmung 499;
und Ptosis bei Abscesa im Scbtäfenlappen
Schmerz, bei recidivirender Oculomotorius-
B82.
l&bmiin§ 485, 486, 511.
Myelitis; mit Sympatbicualfthmuiig 550,
682
Alphabetisches Sach-Register.
N.
Nasenloiden: bei recidivirender Ocolomo-
toriuslähmung 508, Fall Coombs- Knapp.
Nasen muskulatur: Mitbewegung mit dem
Orbicularis 64.
Nasenrachenraum: Neubildung in dem-
selben 539.
Nasolabial falte: bei angebor. Bildungs-
defekt der GesichUmuskalatur 591.
Nervenlfthniung: multiple bei basaler
Syphilis 821 ;
bei Schädelbasisfraktur 427.
Nervenstämme: Verlauf derselben an der
Schädelbasis 815.
Nervus Cochleae: 569;
Opticusaffektion bei orbitaler Syphilis 815,
320.
Neurasthenie: 379.
Neuritis: Degeneration bei Facialislähmung
654;
nach Diphtheritis 238, 241, 243;
gummosa des Oculomotoriusstammes 319;
haemorrhagica des Oculomotorius 460;
interstitialis gummosa des Oculomotorius
312. 327, 328;
malarica des Oculomotorius 509;
multiplex 806;
multiplex mit periodischer Oculomotorius-
lähmung 509;
multiplex, Ptosis bei derselben 456;
multiplex mit Diplegia facialis periph. 657;-
des Oculomotorius bei Meningitis tuber
culosa 388, 389, 393;
des Oculomotorius bei Tabes 144;
optica bei basalem Tumor 451 ;
optica bei Meningitis cerebrospin. epidem
397;
optica bei Poliencephalitis haemorrhagica
264;
optica bei Polyneuritis 457;
optica bei pulsirendem Exophthalmus 418;
optica bei Syphilis 855, 358;
puerperalis 301.
Neurotabes: p^riph^rique 458.
Nictitatio: 601.
Niesen: Orbiculariskontraktion dabei 586;
mit reflektorischem Lidschluss 29.
Niesreflex: 36.
Nona: 525.
Nuclearlähmung:
Begriff und Lehre derselben 109, 307;
bei Basedow'scher Krankheit 46;
Nuclearlfthmang: bei chronischer Blei-
vergiftung 278;
bei CerebellartamoreD 452;
Diagnose derselben 352, 355;
nach Diphtheritis mit inikroskop. Befand
459;
im Initialstadium 122;
des Oculomotorius 340, 343, 345, 346, ^47,
848;
Ophthalmoplegia exter. chron. progress. IIT;
Ptosis bei subakuten und akuten Knnk-
heitszuständen 236;
Ptosis bei Gehirnerweichung 379;
recidivirende 511;
symmetrisches Befallenwerden der Kern«
149;.
bei Syphilis 149;
bei Syphilis hereditaria 122;
bei Tabes 153;
bei Tabes, Remissionen dabei 155;
traumatische 417, 431. *
Nucleus ambiguus: 567.
Nystagmus: 505;
bei angeborenen Beweglichkeitsdefekten der
Augenmuskeln 94;
bei Kleinhirntumoren 452;
bei Meningitis cerebrospinalis 257;
bei Meningitis tubercolosa 387;
bei multipler Sklerose 194, 195, 199;
nach Pneumonie 259;
bei Polyneuritis 456, 457 ;
bei Ptosis congenita 80;
rhythmische Lidbewegungen dabei 59.
O.
Oberkiefer: Neubildung in demselben o^^*^-
Oberlid: sekundäre Ablenkung desselben nach
oben 67;
Kongestion desselben bei orbitalen Wucher-
ungen 817;
Hebung desselben bei Kaubewegong 63;
Hebung des gelähmten bei Zudrücken des
anderen Auges 77;
Höhe desselben 5;
Länge desselben 5;
Mitbewegungen desselben beim Blick nach
unten 50;
Mitbewegungen desselben bei Eaubewe-
gungen 60;
Mitbewegungen desselben mit der Naaeo-
muskulatur 64;
AIphabetiBchei Sach-Regist^r, ^^^^B 683 ^^M
Oberlid: Mitbewegungen desselben beim
Oßulomotoriuakern: Veränderungen 67; ^^H
Oeffnen des Mundes 60;
^H
Retraktion 311;
Veränderungen, postdiphtheritische 459; ^^H
Retraktion bei Graefe's PhÄnomen 44;
Westphal Edinger'sche Gruppe 89. ^^H
Schwellung und livide Verfärbung desselben
Oculomotoriuslähmung: bei Abscess im ^^H
311, 312;
Schläfenlappen 381, 3ä2, 383; ^H
Schwere desselben im Alter 74,
durch Aneurysma der Carotis 504; ^^B
Obliq nuslähmungen (isolirte) r 19.
durch Aneurysma der A. cerebri post 505, ^^H
Ofaliquus inferior: angeborenes E'ehlen
durch Aneurysma im Sinus cavernosus 417; ^^|
desselben 86;
nach Apoplexien 370; ^^|
WurzelbCindel desBelben HS.
bei der asthenischen Bulbärparalyse 221 ; ^^|
Obliquus superior: angeborenea Fehlen
durch basale ßlutangen 426, 427; ^H
desselben 86;
komplete 77; ^^H
V er wach sang mit dem Rectas int. 65;
nach Diphtherie 237; ^H
Verwachsung mit der Trochlea 85 ;
doppelseitige bei Ruptur der Art. inter- ^^H
und inferior- Zugwirkung 19.
peduncularis 367; ^^H
OcoipitalUppen-Tumor: 453.
doppelseitige hei cerebraler Kinderlibmung ^^M
0 c u 1 0 m 0 1 0 r i u s : anatomischer Verlauf des-
^H
selben an der Schädelbasis 316, 425;
bei Erweichung des Hirnschenkels 373, ^^|
Ast zum Levator 37;
374, 375; ^^H
Aplasie im Nerv-Muskelgebiet 86, 87:
bei Hirnschenkelerkrankntig 328, S29; ^^H
bei HirnBbscess 383, 385 ;
bei gekreuzter Hemiplegie 355, 362, 363; ^H
basale Äfirektianen 341, 342, 343, 344, Uh,
nach Influenza 248; ^^H
346, S47;
isolirte, einseitige 351; |
Beziehungen zum Facialis 61;
bei Meningitis cerebrospin epidem. 396; "
Beziehnngen £um Trigeminus 60;
bei Meningitis tuberculosa 387, 338, 389,
Beschaftiguagskrampf desselben 619 ;
396;
kortikales Gebiet, alterirt bei Syphilis 336;
bei Meningitis tuberculoaa. periodische 395 ;
Degeneration der peripheren Nervenzwoige
als Initialsyraptom einer progressiven
bei Diphtherie 238;
Muskelatrophie 368;
Druck atrophiö bei cerebraler Syphilis 321;
hei Naaenleiden 508;
Fehlen der Lähmung bei vorhandenen
nach hämorrhagischer Neuritis desselben
organischen Veränderungen des il^^tammes
460;
339;
bei multipler Neuritis 509;
bei Hirnschenkelerweicbüög 376;
bei Oberkiefercancroid 539;
bei Hysterie 513 (Differentialdiagnose).
als Vorläufer der Ophthalmoplegie 143;
Oculomotoriuskern: Blutung 107, 363,
bei akut entstandener Ophthalmoplegie 293,
367, 368, 369, 370;
294;
Blutung (Pigmentschollen) 108;
bei Orbitaltumor 536;
Blutung bei Meningitis suppur. 399;
partielle 70;
Degeneration 199, 210,
bei progressiver Paralyse 196;
einseitige 87;
bei Polyencephalomyelitia acuta 299, 300;
Erkrankung bei Meningit. tubercuL 393;
bei Polyneuritis 456, 457, 458, 459;
Erweichung 375, 377;
bei Ponaabscess 385;
GefUsaversorgung 332, 360, 361;
bei Ponsblutungen 367;
Gründe für die Häufigkeit seiner Erkrankung
hei Po nser krankung 829;
109;
ohne Pupillen- und Accommodationslähmung
LäaioQ desselben 331. 406, 417;
528;
Levatorkrampf durch Reizung desselben 69 ;
recidivirende 483^518;
bei Meningit. auppurat. 399;
rtcidivirende, alternirende 511, 512;
Erkrankung bei Syphilis 331 ;
recidivirende, Abducenslithmung dabei 498;
Erkrankung bei Tumor 451 ;
recidivirende, Acusticua dabei 498, 499;
^
4
684
Alphabetisches Sach-Elegister.
Ocalomotoriuslähmang: recidivirende
anderweitige BegleitsyiDDtome 497;
recidivirende, Dauer der Lftomung 490;
recidivirende, Erbrechen dabei 488;
recidivirende, Facialislähmung dabei 498;
recidivirende inkomplete 489;
recidivirende, und Migräne 499;
recidivirende, Neuritis des Oculomotorius
als Ursache 502;
recidivirende, Ohrerkrankung bei derselben
508;
recidivirende, Ophthalmoplegie 498;
recidivirende, periodisch exacerbirende 494,
507;
recidivirende, rein periodische 493;
recidivirende, Periode der Lähmung 488;
recidivirende, Periode der Pause zwischen
den Lähmungsanfällen 493, 497;
recidivirende, Periode des Schmerzes 485
—488;
recidivirende, Ptosis bei derselben 483;
recidivirende, Verhalten des Sehnerven 498 ;
recidivirende, Trigeminuslähmung 498;
recidivirende, bei Tabes 505, 506;
recidivirende, bei Syphilis 505, 506;
Lähmung bei, Rheumatismus acutus 259;
bei Schädelbasisfraktur 428;
Schwellung im Sinus cavernosus 505;
bei multipler Sklerose 194, 196;
bei Syphilid 307, 308, 309;
bei Syphilis basilaris 314, 319, 342, 344,
345, 348, 349;
bei Syphilis, complete 344, 351;
bei Syringomyelie 200, 506;
Eompressionsneuritis und Dinickatrophie
durch Exostosen und gummöse Neubil-
dung 321;
bei Syphilis, doppelseitige 308, 321, 351 ;
bei Syphilis, fascikuläre 348, 349;
bei Syphilis dos Gehirns 57, 196, 505, 506 ;
bei Syphilis durch Gumma im Stamm 322;
bei Syphilis, Häufigkeit 150;
bei Syphilis, nucleäre 331, 348, 349;
bei Syphilis, orbitale 348, 349;
bei Syphilis, supranucleäre 335;
bei Syphilis des Wurzelgebietes 328;
bei Tabes 134, 196,
im Jnitialstadium 122;
bei Tabes, intermittirendes Auftreten 144;
bei Tabes, isolirte komplete einseitige 141,
143;
bei Tabes durch Neuritis 144;
bei Thrombose des Sinus 406;
OcalomotoriuslähmnDg: nach Tnona
408;
durch Tumor io der Orbita 536;
durch Tumor an der Schädelbasis 442, 443;
durch Tumor im Oculomotoriasstamm 504;
durch Tumor im Cerebram 440, 455;
und Zittern des gegen Oberliegenden Armes
(Syndrome de Benedict) 71.
Oculomotoriu8:bei Meningitis chroniet
507, 508.
Neuritis desselben 502;
Neuritis desselben bei Diphtheritis 238;
Neuritis desselben nach £ndocarditis 459;
Nouritis gummosa 310, 311, 312, 314, 319;
Neuritis haemorrhagica 460;
Neuritis bei Malaria 509;
Neuritis bei Meningitis sappurat. 399;
Neuritis bei Meningitis taberculosa 388, 389;
Neuritis nach Pneumonie 258, 259;
Neuritis bei Polyneuritis 459;
Neuritis bei Tabes 458;
Neuritis nach Typhus 257;
Neuritis des Stammes mit Freibleiben von
Iris und Accommodation 238;
Ptosis mit Lähmung einzelner vom Oculo-
motorius versorgter Balbnsmaskelo 342.
Oculomotoriasstamm: Aneurysma ao
demselben 504, 505;
Blutung in denselben bei Meningitis taber-
culosa 390, 891, 394;
Ghondrofibrom in demselben 508;
Kompression desselben durch den Hiro-
scbenkel 376;
fleckweise primäre Degeneration in dem-
selben bei Syphilis 322;
partielle Degeneration in demselben bei
Syphilis 319, 325, 327, 328;
direkte Läsion desselben an der Basis cranü
durch sklerotische Arterien 321, 322;
Trauma desselben 409, 417, 418, 424, 426;
Tuberkel in demselben 504;
Tumor in demselben 495, 504;
Oculomotoriuswurzelgebiet: A ffektioa
der Wurzelbandel 40, 328, 329;
Blutung in dasselbe bei Meningitis tuber-
culosa 391;
Entzündung 393;
Ernährung desselben 360.
Oedem der Lider: bei Blepharochalasis 3;
bei Blepharospasmus 613;
periodisches 12.
Ophthalmia sympathica: Verflrbiuig der
Gilien 8.
Alphabetisches Sach-Register.
&S6
Ophthalmoplegie: akute, ohne auffind-
bares ätiologisches Moment 292;
bei Aneurysma der Carotis int. 418;
asthenische 228, 510.
bilaterale bei Syphilis 320;
bei Botulismus 278;
mit ßulbärkemaffektioo, Ptosis dabei 206;
mit Bulbärkem- und Vorderhomaffektion
203, 209, 643;
mit Trigeminuslfthmung 205;
chronische progressive 92, 117, 509, 510,
658;
chronische progressive, Zusammenstellung
der Fälle 126;
chronische progressive mit periodischer
Oculomotoriuslähmung 510;
chronische progressive mit Orbicnlarisläh-
mung 658;
chronische progressive, Differentialdiagnose
357, 509. 130;
chronische progressive. Forme fruste der-
selben 124;
nach Erkältungen derselben 260.
Ophthalmoplegia exterior: 473;
akut entstanden 293, 294;
bei Cerebellartumor 452;
chronica progressiva 117;
Diagnose 120;
doppelseitig apoplectiform entstanden 369;
bei Encephalitis 199;
mit Facialisftffektion 121;
mit regionärer Homhautanästhesie 30;
bei Hysterie 473, 477;
mit Betheiligung des Orbieularis 115, 642;
bei syphilitischer Erkrankung der Orbita
311, 318;
bei Orbitalblutungen 415;
bei Paralyse 180, 190, 192, 196;
bei Poliencephalomyelitis 299;
bei Rheumatismus acutus 260, 261;
bei multipler Sklerose 196;
bei Syphilis 196, 307, 333, 348;
Differentialdiagnose von Syphilis 122, 357;
bei Tabes 145, 146;
bei Tumor an der Basis 451 ;
Erkrankung des Facialis 642;
bei Gebimabscess 386;
bei Hysterie 474;
interna 69, 77, 206, 207, 221. 254, 448;
bei Bleivergiftung 278, 280, 281. 183. 283;
bei Botulismus 284, 285. 286, 287, 288, 289;
bei Bulbärkem- und Vorderiiomaffektion
209, 211;
Ophthalmoplegiaexterior:naehLaiiisii<
stich 416;
bai recidivirend. Oealomotoriaalähmiuif 496;
nach Sturs auf den Kopf 483;
bei Syphilis 189, 149, 150. 808, 828, 889
848. 352;
bei Tabes 122, 158-187.
Ophthalmoplegie: bei Obtrkieferoanoroid
539;
Oculomotoriuslähmung als Vorläafer 148;
und recidivirende Oculomotoriuslähmunf
498, 506, 507. 508;
bei Orbitaltumor 441 ;
bei Paralyse, ZusammenattlluDf der Fälle
191;
bei Poliencephalitis haemorrhagica 264;
bei Polyneuritis 460;
bei Ptosis spastioa 482;
progressive: bei Dystrophia muic. 106, 506;
in frühester Kindheit 596;
bei Sinusthrombose 408, 404;
bei Spinalaffektionen 212;
bei Syphilis 845, 846, 348;
bei Tabes 158—187; Zusammenstellung der
Fälle 158;
totalis: 53, 109, 845;
totalis bei Absoess an der Schädelbasis 886;
bei basaler syphilitischer Affektion 846;
nach Erysipel 256;
bei orbitaler Syphilis 818;
bei Typhus 257.
Opticus: Atrophie bei Abscess im Schläfen*
läppen 381 ;
Atrophie bei Hirnschenkelheerd 874;
Atrophie, Klaffen der Lidspalte bei derselben
581;
Atrophie bei Ophthalmoplegie mit Bulbär-
kemaffektion 206;
Lidrefleze von demselben 27, 80;
Neuritis bei Syphilis 850;
bei recidivirender Ocnlorootorinsläbmoog
498;
bei Poliencephalomyelitis acuta 298;
Reflexbogen zwischen Facialis und dem-
selben 28, 29;
Reflexkrampf des Orbieularis 623;
nach Rheumatismus acutus 259;
bei multipler Sklerose 197, 198;
partielle Degeneration 199;
bei Syphilis 305, 309, 821, 855;
Zerreissung in der Gegend des Sinus earer-
nosus 426;
Zenreiwong bei Bcbldelbasisfraktitr 426.
686
Alphabetisches Sach-Register.
Orbicnlaris oculi: 4, 26, 46, 58.
als Antagonist des Levator 577;
Betheilignng an den emotionellen Bewe-
gungen 639;
Bewegungsstörungen bei frischen Apoplexien
561;
bei asthenischer Bulbftrparalyse 221 ;
kortikales Centram 561;
bei Dystrophia musc. 106;
eztraorbitale Portion 578;
epitarsale Partie 83, 84;
Fasern aus dem Abducenskem 569;
Oewohnheitskrampf 616;
Beziehung zum Levatorkem 114;
Mitbewegung anderer Muskeln bei seiner
Kontraktion 584;
Mitbewegung zwischen demselben und den
Hebern des Bulbus 53;
. Mitbewegung mit der Nasenmuskulatur 64;
Nerven Versorgung 572;
orbitale Portion 85, 578;
Palpebralportion desselben 471, 478;
bei Auf- und Abwärtsseben 89;
peritarsale Partie desselben 88, 85;
bei Poliencephalomyelitis acuta 800;
Pupillenkontraktion 585 ;
Reflexerregbarkeit vom Opticus 628;
Reflexerregbarkeit vom Trigeminus 622;
Tonus beim Rosen bach'schen Phänomen 55 ;
Verminderung des Tonus 82;
Tonus bei Blinden 29;
angeborene Unbewcglicbkeit mit Ptosis 594 ;
Verbindungen desselben mit anderen Mus-
keln 578;
Wirkungsweise desselben 578;
Zweck desselben 576.
Orbiculariskrampf: 473, 477, 600;
bei Abscess der Grosshimrinde 605;
bei hämorrhagischen Cysten 607;
bei Erweichungsheerden 606;
der epitarsalen Partie 480;
Orbiculariskrampf: durch Reizung des
Facialis der subkortikalen Bahn 608;
durch Reizung des Facialis der Eernregion
608;
durch Reizung des Facialisstammes 610;
durch Geschwülste 608;
durch entartete Gefässe 611;
durch Meningitis 611;
bei Mittelohraffektion 611;
durch Reizung der Facialiszweige 612;
durch Narben 612;
bei funktionellen Störungen 616;
Orbiculariskrampf: durch direkte
Reizung 608;
durch Reflexreize 30;
bei Tabes 142, 159, 4^1.
Orbicularislähmu Dg: Allgemeines 68, 627:
bei asthenischer Bulbärparaljse 648;
bei Bulbärparaljse 116;
bei Blutung in den III. Ventrikel 369;
kortikale bei Tnmoren 637;
bei Dystrophia muscul. progress. 663;
bei Erkrankung der Facialis w urzelregion 640;
als Erklärung desv. Graefe'schen Phänomens
45;
bei Läsion des sabkortikalen ond sopn-
nudeären Fasenrerlaufs 689;
bei syphilitischer Hemiplegie 563;
Hyperaktion nach derselben 609;
Lidreflexe bei derselben 26—80;
bei Hysterie 477;
bei Meningitis tuberculosa 389;
mit Ophthalmoplegia exterior 115;
doppelseitige bei chron. progress. Ophthal-
moplegie 658;
mit doppelseitiger Ptosis 114, 367;
mit Ptosis 354;
bei Poliomyelitis 116;
bei Poliencephalitis 116.
bei Schädelbasisfraktur 426;
bei Tabes 158-187.
Orbita: Abscess mit Augen muskellähmungeD
533;
Blutung in dieselbe nach Trauma 114, 412;
Garies des Daches 537;
Fettreichthum derselben 20;
Fettgehalt bei Basedow 50;
Fraktur derselben 413;
Füllung derselben 20;
Grösse im Verhältniss zur Länge des Ober-
lids 5;
Phlegmone derselben 533;
syphilitische Erkrankung in und an der-
selben 318, 534, 536;
Tumoren derselben 441;
mit Ptosis 534, 535. 536 ;
Wucherungen in derselben bei Syphilis
310, 311.
Orbitalerkrankungen: Periostitis 533;
mit Ptosis 532.
Orbitalmuskel: 21, 46;
Spasmus desselben 20.
Orbitalrand: Osteosarkom 536;
Periostitis syphilitica 536.
Alphabetisches Sath-Register.
687
P.
Pachymeningitis: cervicalis hypertroph.
203;
interna chronica bei Lues des Rückenmarks
334;
haemorrbagica 435;
mit Ptosis 364;
bei Syphilis 323.
Palpebralis snperior masculus: 21,
23, 27;
beim Aufreissen der Augen 38;
y&rh<nis8 beider Palpebralmnskeln zur
Weite der Lidspalte 19.
Paracentralwindung: Herd in derselben
mit Ptosis 97.
Paralysie bulbaire progressive infan-
tile et familiale: 643.
Parietallappen: 98;
Affektion mit Ptosis 100.
Parietalwindung: ober^ Läsion 604.
Patellarreflex: Fehlen bei Diphtherie 134,
243, 245, 247.
Paukenhöhle: 571.
Pedunculus cerebri: (Siehe auch Hirn-
schenkel), Blutung in denselben 362,
863, 364, 369:
bei cerebraler Lues 321;
Hämorrhagie bei Meningitis tuberculosa
388.
Perineuritis gummosa: 312.
Periodisches Oedem der Lider: 12.
Periodisch exacerbirende Oculomo-
toriuslähmung: 507.
Periorbitis: 533;
mit Ptosis 533.
luetica orbitae 310, 533.
periphere Ptosis: bei Gehirnerweichung
379.
Phimose: der Lidspalte 5.
Photophobie: 601, 621.
bei Hysterie 621.
Platysma: als Antagonist des Orbicularis
am Unterlid 577;
entwiekelungsgeschichtliche Beziehungen zu
den Gesichtsmuskeln 589;
YerkOrzung desselben 577.
Pleuroplegie: 591.
Plica semilunaris: angeborener Defekt
592.
Pneumokokkenmeningitis: 400.
Pneumonie: Nystagmus 259;
mit Ptosis 258;
mit Pupillenlähmung 258.
Poliencephalitis haemorrbagica: 203,
216, 264, 270, 293. 294, 358, 528;
Acoonjmodatiüu daliei 270, 272, 274, 276;
AngenmuskellähTimngon 270, 272, 274, 276;
Augenspiegßlbefund 271, 278, 275, 277;
mit Ptosis und Orbicularislähmung 116;
mit Ptosis 248; 264, 270, 272, 274, 276;
Papille dabei 270, 272, 274, 276;
Schläfrigkeit dabei 538;
mit Sektlonsbefund 271, 273, 275, 277;
bei Syphilis 852;
Poliencephalomyelitis: 218;
acuta und subacuta, Ptosis bei derselben
297; 305;
Unterscheidung von astb. Bulbärparalyse
221;
nach Bbilahinung 458;
mit FaciaUslähmung 644;
mit Octilomotodaslähmung 299, 300;
mit Ophthalmoplegja exterior 299;
mit OptLcusetkrankung 298;
mit Orbicüljiriäläbmung 300;
mit Ptosis 297
mit FuptlleDätarre 303;
Schläfrigkeit bei derselben 528;
mit Sektionäbefund 299;
nach Syphilis 298;
mit Traktus- nnd Chiasmaerkrankong 298;
mit Trigeminuserkrankung 299.
Poliomyelitis: mit Orbicularislähmung 116;
mit Ptosis 116.
Poliosis neurotica: 8.
Polyarthritis: Augenmuskellähmungen dabei
260.
Polymyositis: 462;
mit Ptosis 462;
Polyneuritis: mit Abducenslähraung 457;
alcoholica mit Ptosis 456, 457;
Fncialiülähmtjng dabei 657;
mit Neuritis optica 457;
mit Nystagmus 457;
postdiphtheritica mit Veränderungen der
Nervenkeme 459.
Polyp: der Nase mit Blepharospasmus 614;
Pons: Abscess mit Ptosis 385;
Blutung 367, 370;
Erkrankung mit Abducenslähmung 645;
mit Facialislähmung 645;
mit alternirender Facialislähmung 369.
Alphabetisches Sach-Register.
Pon 8 : mit Oculomotorios- nnd Facialislähmung
389;
mit Ptosis 98, 198, 329;
bei Syphilis 329, 331 ;
PonshAlfte erkrankt 648;
Tamor 451, 452;
Portio intermedia Wrisbergii; 570:
Primäre Degeneration: im Oculomotorius-
kern bei Syphilis 322.
Procerns nasi musculus: Nervenver-
sorgnng 572.
Processus clinoideas anterior et post.
425.
Progressive Baibärparalyse: Syriogo-
myelie 203, 206, 208, 209.
Progressive Muskelatrophie: familiärer
Charakter 665.
Progressive Paralyse: mit Abducens-
lähmang 196;
Augenmuskellähmungen mit mikroskopi-
schem Befund 191, 193;
Kombination mit multipler Sklerose 197;
mit Facialiskrämpfen 609;
Irislähmung 190;
Oculomotoriuslähmung 196;
Ophthalmoplegie dabei 188, 190, 191;
Ptosis bei derselben 188;
Trochlearislähmung 196.
Proptosis: bei Schädelasymmetrie 91,
Pseudobulbärparalyse: 218, 223.
Pseudo- von Graefe'sches Phänomen:
42, 69.
Pseudoptosis: 309, 405, 462, 532;
durch Blutung 411;
Mischform mit Ptosis 532;
durch Lidschwellung 538;
bei Schädelasyrometrie 91;
bei Tarsitis luetica 309, 310;
traumatica 78;
Pseudotabes: alcoholica 458;
syphilitica 139.
Pterygoidei musculi: 60.
Ptosis: ätiologisches Moment fehlend 558;
Allgemeinos über dieselbe 71;
bei akuten Vergiftungsfällen 290;
bei Alteration des supranuclearen Oculo.
motoriusgebietes bei Lues 335;
alternirond mit Hemiparese bei Lues 350;
amyotrophicH 104;
bei apoplektischer Bulbärpai-alyse 364, 367 .
bei Apoplexie 158;
bei asthenischer Bulbärparalyse 219, 475;
Pt 0 sis : bei basalen Affektionen mit gekreozter
Eörperlähmung 140;
bei basaler gummöser Meningitis 319, 326.
342, 856;
bei chronischer Bleivergiftung 278;
bei Botulismus 278, 284, 286, 288;
chemotica 72;
completa 74, 75;
Kompressionsnearitis und Dmck an der
Basis 821;
kortikale 94, 96, 97. 103, 337, 341, 371
895, 417, 437, 458, 454;
Ptosis congenita 39, 78, 592;
und die Bulbnsheber 39;
mit Fehlen der Karunkel 82;
mit Herabsetzung der Sehschärfe 80;
mit Cataracta pyramidalis 82;
mit Nystagmus 80;
mit Missbildungen des Körpers 82;
einseitige 79;
isolirtes Vorkommen 80;
mit Beweglichkeitsdefekten der Bulbasmus-
kttlatur 80;
Aufwärtsblicken bei derselben 89;
mit mikroskopischem Befand 87;
doppelseitige, isolirte 104;
mit Krämpfen 82:
einseitig angeborene 79; als Degenerations-
zeichen 5;
hereditaria 82, 83;
Diagnose 91;
pathologische Befunde 85;
nach Diphtherie 240;
Ptosis doppelseitige: -350, 371, 372,52?:
mit Degeneration des Oculomotorius M
Polyneuritis 459;
bei Gehirntumoren 451 ;
bei einseitigem Krankheitsherd 90, 156:
bei Embolie der Art. fossae Sylvii 89, 99;
als Initialsymptom bei Lues cerebrospinalii.
356;
doppelseitige isolirte als allein bestehendes
Krankheitsbild 104;
bei Meningitis tuberculosa 888;
mit Neuritis der Levatoräste 458;
zufolge Nuclearlähmung 451;
bei recidivirender OculomotoriuslähmQDe
493, 506;
mitOrbicularislähmung und Hemiplegie 36>^:
. nach Pneumonie 258;
bei Poliencephalomyelitis 297, 299;
bei hämorrhagischer Poliencephalitis 264;
bei Poliencephalitis haemorrhagica 264;
Alphitbetisches Sach-Register.
Ptosis doppelseitige: bei Polyneuritis
458;
vorübergehendes Auftreten bei multipler
Sklerose 194, 195, 196, 197, 199, 456;
bei Tabes 134;
nach Typhus 258;
Ptosis bei Empyem des Sinus frontalis 536,
537, 538;
bei Empyem sämmtlicher Nebenhohlen 539 ;
bei Encephalitis 198;
bei eiteriger Encephalitia 236;
bei Erysipel 256;
Ptosis fugax 538;
bei funktionell nervösen Störungen 463;
mit oberer Facialislähmung 354;
im frühesten Kindesalter entstanden 87, 91,
123;
bei Keilbeinhöhleneiterung 539;
bei Kleinbirngeschwüfaten 385, 452;
bei Gumma m Schläfenlappen 337;
bei GerlierVher ErÄiikheit 2611
bei Hirnabscess 380, 382;
bei Hirnei-weichung 372, 377, 378;
bei Himhämürrhngien 358, 363, 367, 869,
370, 371.
bei HirnsckenkelafrektioD 362, 363;
bei Hysterie 15, 73, 408, 463, 474, 475;
bei Influenza 248, 250, 252;
als Iiiitiabymptom b^i Gehimlues 856;
Ptosis: isolirt vorkommendo 40, 80, 124;
bei Abscess im Schl^fenlappen 382;
bei Hirnblatüngen B63» 37 ;
bei HirDscbeokelberd 371;
in frühester Kindheit entstanden 123;
bei inullipler Sklerose ^)5
beiOpbthalmopkgiacbronicn progr. 118,214;
bei Schade Ibasiafraktur 434;
bei Syphilis 33, 807, 310, 311, 319, 326,
337, 339, 340, 341, 342, 343, 344, 349
350, 351, 356, 534, 535, 536;
bei Tabes 134, 135, 338;
Ptosis: bei Landry'scher Paralyse 460, 461;
mit Lähmung der Recti interni 342;
nach Masern 254 ;
nach Erkrankung der Medulla oblongata 98;
nach Meningitis > cerebrospinalis epidemica
254. 256, 396, 397;
nach Meningitis basilaris gummosa 319, 326,
356;
nach Meningitis suppurativa 398, 400, 430;
nach Meningitis tuberculosa 886, 387, 889;
bei Meningoeucepoalitis luetlca 388;
Ptosis: Mischform mit Pseudoptosis 532;
Mitlmwegun^ de» Oberlides beim Kauen 61 ;
bei Neubildungen im Nasenrachenraum 539;
bei Nucloarläbmungen 109, 236, 342, 379;
bei Oberkiefertumoren 539;
bei Occipitallflppengeöch Wülsten 453;
bei rcciiijvirender Oculomotorins - Lähmung
483;
mit angeborener Unbeweglichkeit dos Orbi-
cularis 594;
mit Erkrankung der Orbita und ihrer Neben-
höhlen 532;
bei gummösen Orbitalaffektionen 313, 534,
536;
bei Ophtbalmoplegie mit Bulbärkem- und
Vorderhornorkrankungen 208;
bei Opbthftlmoplegm exterior 117, 145, 214;
bei Ophthelmoplegie mit Bulbirparalyse 206;
bei akuter Ophthalnjopiegio 292—297;
bei Pachymi'ningitfä haemorrhagica 864;
bei Periorbitis 533;
bei Periorbitis am Orbitalrand 310, 311, 586;
bei pDoucnome 258
bei Poljencephalomyelitis 297, 298, 805;
bei Ponstumoren 452
bei püBtdijjhtberiüschen Augenmuskelläh-
mungen 237;
bei Policucephalitia haemorrhagica 270, 272,
274, 276;
bei progressiver Paralyse 188, 189, 190, 192;
bei Polymyoaitia 462;
bei Fonserkrankung 98, 196, 329, 385;
Ptosis pseudoparalytica 72, 198, 463, 478,
477, 481, 623;
nach Rheumatismus acutus 259;
beim Schlaf 19, 518;
Simulation der Ptosis 463, 470, 471, 483;
bei Sinusthrombose 401, 405, 406;
sympathische Ptosis 24, 72, 200, 201, 202,
541;
bei Sjringomyelie 200;
sp.istica 473, 477 483;
nach dcbussverlet£ungen 410;
Schwanken der lotensitüi bei Tabes 155;
nach stumpfer Gewalteinwirkung 408;
aupranucleare Ptosis 453;
bei Tabes 134, 135, 137, 146, 148, 158-187;
nach Traumen 406;
bei traumatischer Nuclearlähmung 417, 481 ;
bei Tumoren 198, 440;
beim Typhus 257;
690
Alphabetisches Sach- Register.
Ptosis: bei imwillOrlich-rhythmisohen Lid-
bewegUDgen 59;
Ptose volontaire 106, 146;
Wechsel der Intensität 95.
Pupille: bei Ptosis congenita 84, 592;
Kontraktion, synchronisch mit Zuckungen
des Oberlides 64;
Erweiterung 69;
bei koi-tikaler Ptosis 97;
bei Sympathicusreizung 45;
bei hämorrhagischer Poliencephalitis 270
272, 274, 276:
Weite und Lidbewegung 59;
bei multipler Sklerose 194;
bei Influenza 250, 252;
isolirte Affektion bei Lues 346
bei Meningitis tuberculosa 391
bei Polyneuritis alcoholica 457
bei Ponstumor 452;
im Schlaf 519, 531;
bei SympathicQsläsion 24, 25, 542;
bei Syringomyelie 23.
Pupillenlähmung: 69,70;
bei akuter Ophthalmoplegie 294, 296;
bei Botulismus 284, 286, 288;
bei Cerebellarabscess 385;
bei Diphtherie 240, 244, 246;
bei Gehirnerweichung 377;
bei Gliom des Stirnlappens 453;
isolirte 110, 113, 346;
bei Meningitis cerebrospinalia 397 ;
bei Meningitis suppurativa 398;
bei Meningitis tuberculosa 387;
bei Pneumonie 258;
im Verein mit Lähmung eines Augen-
muskels bei Syphilis 348, 349;
mit anderen vom Oculomotorius versorgten
Muskeln 342;
mit Ptosis 341, 342;
bei Schädelbasisfraktur 425;
bei Abscess im Schläfen! appen 381, 382;
bei Syphüis 150, 341, 346, 348, 349;
bei Tabes 158—187;
nach Trauma 425;
nach Typhus 257.
Pupillen reaktion: hemianopische 368.
Pupillenstarre: 512;
bei hämorrhagischer Poliencephalitis 264;
bei Poliencephalomyelitis 803;
bei Polyneuritis alcoholica 458;
bei Uimerweicbung 377.
Pulsirender Exophthalmus: 535;
nach Schussverlei zung 423.
R.
Ramuscommnnicans: des I. DorsalBara
.23.
Ramus malaris: 572.
Ramus temporal is: 572.
Ramus temporo-facialis: 572.
Randpiexus der Lider: 6.
Raynaud'sche Krankheit: an den Lidcn
16.
Recidivirende Facialislähmung: fö4.
Recidivirende Nuciearlähmung: 51L
Recidivirende Oculomotoriuslähmang
483;
Periode des Intervalls 493 ;
Periode der Lähmung 488;
Verhalten des Levator 491 ;
Periode des Schmerzes 485;
Störungen des Trigeminus dabei 485.
Rectus externus: angeborener Defekt 85,
86, 592;
Verengerung der Lidspalte bei Vorlageroog
desselben 19.
Rectus inferior: Fascienzipfel desselben
22, 628;
Lähmung 69, 342;
Beziehung zum Sulcus orbito - palpebralis
inferior 2;
Wurzelbündel desselben 113.
Rectus internus: angeborener Defekt 85,
86, 592;
Bifurcation desselben 85;
Kontraktur bei Hysterie 621 ;
Lähmung: bei Gehimweichnng 377;
bei Gliom des Hirnlappens 453 ;
bei Ponsabscess 385;
mit Ptosis 342;
bei Syphilis 342, 347. 349;
Wurzelbündel desselben 113.
Rectus superior: Abscess längs desselben
533;
angeborenes Fehlen desselben 85, 86;
Verwachsung mit dem Rectus externus 85
Verwachsung mit dem Levator 85;
Fascienzipfel 22, 39;
Zerstörung durch gummöse Massen 311;
Lähmung 69';
isolirte Lähmung bei Lues 150;
bei Orbitalphlegmone 533;
mit Rectus inf. und Pupille 342;
nach Zangengeburt 84;
Reflexbogen: zwischen Opticus und Facialis
28.
Alphabetisches Sach-Register.
Reflexe: der Lider 7.
Reflexerregbarkeit: bei erworbener Facia-
lisl&hmang 597.
^ Reflexorgan: Convulsivischer Zustand des-
selben bei Facialislähmung 66.
Retraktion des Oberlides: bei seitlichen
Bewegungen 56;
bei Orbitis gummosa 311.
Rheumatismus acutus: Augenmuskel-
K Störungen dabei 259;
mit Oculomotoriuslähmung 259;
SL Ptosis 269.
>• Rosenbach'sches Phänomen: 55, 470,
: 472, 626.
Schädelasymmetrie: 91.
Schädelbasis: Verlauf der Nerven 424.
Schädelbasisfraktur: 425; dabei:
Abducenslähroung 630;
Facialislähmung 630;
Oculomotoriuslähmung 423 ;
Ptosis isolirter 434;
Trigeminuslähmung 630.
Scheitelläppchen: Blutung in beide 868.
Schläfenlappen: Abscess 380;
Gumma 337.
Ptosis dabei 99, 382, 448;
Schläfenwindung: 98;
Erkrankung mit Ptosis 98.
Schläfrig werden: Erschlaffung des Leyator
19.
Schläfrigkeit: bei Poliencephalitis und
Poliencephalomyelitis 528.
Schlaf: 518;
Bulbusstellung bei demselben 519;
Schlafcentrum 529;
Fehlen des Lidschlags 27;
Lidportion des Orbicularis beim Einschlafen
581;
reflekt. Lidschlag während desselben 631;
Lidspalte 520;
Sphincterenge 531;
Stellung der Lider 581 ;
Schlafsucht 528;
Theorie 96, 521, 528;
Verdrehen der Augen beim Schläfrigwerden
53.
Schluckbewegungen: reflektorische von
der Conjunctiva aus 36.
Schmeckreflex: von der Conjunctiva aus 36.
Wilbrand-Saenger, Neurologie des Auf es. I. Bd.
Schneeblindheit: 614.
Schweisssekretion: Bei Sympathicns-
reizung 23, 24.
Sklerose multiple: 473, 474, 513;
mit Abducenslähmung 195, 196.
Augenmuskellähmungen dabei 194;
centrales Skotom 194, 195;
kombinirt mit progressiver Paralyse 197;
Differentialdiagnose von Hysterie 198, 513;
von Lues cerebrospinalis 196, 857;
mit Hemianopsie 195;
hemiparetische Form 198;
Intentionszittem der Augenlider 626;
Nystagmus 195;
mit Oculomotoriuslähmung 194, 195, 196;
recidivirende Oculomotoriuslähmung 478,
513;
Ophthalmoplegia exterior 196;
Opticusatropbie 197, 199;
Ptosis dabei 194, 195;
doppelseitige Ptosis 195;
vorübergehende Ptosis 195;
Pupillen dabei 195;
mit Syphilis 196;
mit Tabes kombinirt 197;
Trochlearislähmung 195, 196.
Skrophulöse Augenkrankheiten: mit
Blepharospasmus 613.
Sekretionsanomalien: Bei recidivirender
Oculomotoriuslähmung 499 ;
Wesen derselben 499.
Sekundärablenkung: Fehlen bei ange-
borenen Beweglichkeitsdefekten der
Augenmuskeln 93.
Sekundärkontraktur: Fehlen bei ange-
borenen Beweglichkeitsdefekten der
Augenmuskeln 92.
Sehnerv: Atrophie bei Tabes 158—187;
Verletzung desselben 408;
Signe de Torbiculaire: 562, 638.
Simulation: von Chromidrosis 11, 12;
der Hyperaktion des Orbicularis nach
Lähmungen 609;
der Ptosis 470, 471;
der schlaffen Ptosis 463;
der Ptosis spastica 483.
Sinus cavernosus: Abbildung desselben
423;
Anastomosen mit extrakraniellen Venen 403 ;
Anatomie desselben 316, 317;
Aneurysma desselben 417, 445;
Beschreibung desselben 316;
Fraktur desselben 419, 420;
. U. Abtheilang. 45
Alphabetisches Sach- Register.
Sinus cavernosus: bei orbitaler Lues 814,
315;
periodische Schwellung mit Oculomotorius-
lähmung 505;
Schussverletzung 422 ;
Thrumbose desselben 401, 408, 404, 405;
mit Ptosis 405;
traumatische Läsion des Oculomotorius in
dems»*lben 418;
Zerreissung der Carotis in demselben 418.
Sinus circularis Ridley: 403
Sinus frontalis: Empyem mit Ptosis 536,
5:^7, 538:
Osteom 53-"»:
Sinus m axillaris: Empyem mit Ptosis 538.
Sinusthrombose: 20;
bei eiteriger Meningitis 398, 430;
mit Ptosis 401.
Somnolenz: Aufhören des Lidschlags 30«
Spasmus: des Diktator pupillae 621;
nictitans 601;
non douloureux 621.
Spätapoplexie, traumatische: 436.
Sphincterenge: im Schlaf 531.
Stauungspapille: 379 ;
bei Abscess im Schläfenlappen 380, 881 ;
bei basalen Tumoren 443;
bei orbitaler Lues 314;
bei Orbitaltumoren 441, 535.
Stellwag'sches Zeichen: 48, 50, 51;
bei Basedow 31;
bei Hysterie 31.
Stenopäische Spalte: durch Orbicularis-
kontraktion 29, 576.
Stirnhöhle: Empyem 536;
Krankheiten 537, 538;
mit Ptosis 538.
Stirnnasenfalte: 630.
Stirnrunzeln: Unvermögen bei Facialis-
lähmung 589.
Stirnwindung: Rindenfeld des oberen
Facialis 560.
Suggestion: 620;
bei hysterischem Blepharospasmus 621;
bei hysterischer Ptosis 483.
Sulcus orbito-palpebralis: 74, 415,480;
Bildung desselben 37;
inferior 2;
superior 1, 4.
Sulcus palpebro-malaris: 1;
bei Morb. Basedowii 2.
Superciliaris musculus: 574.
Supercilium: 1.
Supraorbitalis Nervus: bei orbitaler Lues
312.
Supraorbitalneuralgie: bei Lidödem 14;
bei Tuberkel im 'Irigominns 504.
Supramarginal läppen: Läsion 604.
Supranucleäre Ptosis 453.
Supranucleärer Verlauf des oberen
Facialis 564.
Snpraorbitalrand: bei Traoma 4S2.
Sydenham'sche Chorea: ül7.
Symblepharon: 25
Sympathicus: Anatomie und Physiologie
desselben 548;
Beziehungen zum Thalamus opticus 5>'>I:
Cocainwirkung auf denselben 24:
kortikaler Ursprung 551;
Klaffen der Lidspalte bei Basedow darch
Reizung 22;
Läsion desselben 547;
Resektion desselben 545;
Schussverletzung desselben 546. 547;
Affektion bei Syiingomyelie 200, 20l, 'l^t
549;
bezüglich des v. Gräfe*schen Phänomens Vk
Verlauf in der Medulla obiongata b'A.
Sympathicuslähmung: 24;
bei Ualstumoren 553;
bei intrathoiacischen Tumoren 554:
im Schlaf 527;
Sicherung der Diagnose durch Cocain IVi;
bei Tabes 156.
Sympathicusreizung: 21;
mit Blepharospasmus 625;
mit Exophthalmus 21, '23.
Sympathische Ptosis: .')30.
SympathischesGeflecht: um die Carotis
interna 316.
Syndrome de Benedikt: 71, 450.
Syndrome de Weber: 35y, 362. 378, 3n1
447, 449, 450;
bei Gehimabscess 383;
bei Gehirnerweichung 378;
bei Schädelbasisfraktur 429. 430;
bei Tumor des Schläfenlappens 450.
Syphilis: Abducenslähmung bei derselbeo
196, 308;
Augenmuskelstörungen als Früherscbeioung
308;
als Späterscheinnng 308;
basale mit Augenmuskel lähmungen 2H,
223, 319;
Beziehungen zum Diabetes mellitus 353;
hereditaria mit Nuclearlähmungen 122:
Alphabetisches Sach-Register.
äyphilis: des Gehirns 505;
Gamma im Supramarginallappen 601;
und multiple Sklerose, Differentialdiagnose
von derselben 196, 357;
Alteration der peripheren Oculomotoriusäste
149;
Kerndegeneration des Oculomotorius 145,
331, 348, 349;
Alteration des Wurzelgebiets des Oculomo-
torius 328, 343, 344, 348, 349;
Alteration des supranucleilren Oculomo-
toriusgebiets 335;
Alteration des kortikalen Oculomotorius-
gehiets 336;
Oculomotoriuslähmung 138, 139, 144, 149,
196, 307, 308. 505;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
505;
Oculomotoriuslähmung bei basaler Affektion
348. 349;
bei orbitaler Affektion 348;
Häufigkeit der Oculomotoriuslähmung 150;
Ophthalmoplegie 143;
Ophthalmoplegia exterior 196, 307, 308;
Differentialdiagnose von der chronischen
progressiven Ophthalmoplegia exterior
357;
Ophthalmoplegia interior 139, 143, 149, 150,
308, 341;
Nervus opticus 308;
mit Orbicularislähmung 563;
Orbitalerkrankungen 313, 534, 536;
mit Ptosis 307;
mit Ptosis bei basaler Affektion 319, 339,
340, 341, 342, 343. 344, 345, 346;
bei kortikaler Ptosis 348;
Periorbititisund Erkrankung des Sinus caver-
nosus 314;
Periostitis des Augenhöhlenrandes 310, 312,
536;
Perineuritis gummosa und interstitielle Neu-
ritis 312;
Poliencephalitis acuta luetica 298;
primärer Schwund der Augenmuskelkeme
333;
Pseudotabes luetica 139;
Yerhfiltniss zur Tabes 505, 506;
Differentialdiagnose von Tabes 137, 139,
149. 151;
Parmllelverlauf mit Tabes 151;
Tarsitis luetica 309;
Tractns opticus-Erkrankung 309;
Trigeminusaffektion 308;
Syphilis: Trochlearislähmung 196; 308;
Differentialdiagnose von Vorderhomerki'an-
kungen 357;
Syringomyelie: 506;
mit Abdncenslfthmung 200;
Häufigkeit der Augenmuskellähmungen bei
derselben 200;
und amyotrophische Lateralsklerose 203;
mit Oculomotoriuslähmung 200;
mit recidivirender Oculomotoriuslähmung
506;
und progressive Muskelatrophie 803;
mit Ptosis 200;
bei Sympathicusftffektionen 23, 200, 201,
549;
und Tabes 203.
T.
Tabes: mit Abducenslähmung 196, 156—187,
458;
mit Ptosis 137;
mit Accommodationslähmung 158 — 187;
Augenmuskellähmungen bei syphilitischer
Tabes 150, 151; *
mit recidivirenden Augenmuskellähmungen
512;
mit vorübergehenden Augenmuskelläh-
mungen, Erklärung derselben 154;
mikroskopischer Befund bei Augenmuskel-
lähmungen 169, 171, 173, 175, 177, 179,
181, 183, 185, 187;
Bulbärsymptome 158—187;
mit Facialislähmung 158—187, 512;
Facialiskernerkranknng 641 ;
Facialiskrämpfe 607;
Hämorrhagien in die Eernregion 154;
Neurotabes pöripherique 458;
Nuclearlähmungen im Initialstadium 122;
mikroskopischer Befund bei Nuclearläh-
mungen 153;
Nervus opticus 197:
Oculomotoriuslähmung 134, 196;
intermittirendes Auftreten der Oculomo-
toriuslähmung 144;
isolirte komplete einseitige Oculomotorius-
lähmung 141 ;
Neuritis des Oculomotoriusstammes 145,
458;
wiederkehrende Oculomotoriuslähmung 505,
506;
Ophthalmoplegie 158—187, 196, 641;
45*
Alphabetisches Sach-Register.
TahM: mikroskopischer Befand bei Oph-
thalmoplegie 153; ;
Ophthalmoplegia exterior mit Ptosis 145;
Ophthalmoplegia interior 158^187;
Differentialdiagnose yon chronischer progres-
siver Ophthalmoplegie 122, 137, 138,
152;
Orbiculariskrampf 142, 159;
Orbicularislfthmung 158 — 187;
Patellarreflexe 134;
Ptosis 134, 137, 158—187;
isolirte Ptosis als Initials jmptom 135, 138;
isolirte Ptosis 135, 140;
plötzliches Auftreten der Ptosis 146;
Schwanken der Intensität der Ptosis 155;
Yorübergehende Ptosis 148;
Pupillenläbmung 158—187;
reflektorische Lichtstarre 134;
kombinirt mit multipler Sklerose 197;
mit Sehnervenatrophie 158—187, 197, 641;
sympathische Ptosis 24, 156;
Syphilis bei derselben 141;
Aehnlichkeit mit cerebrospinaler Syphilis
139, 149;
Differentialdiagnose von Syphilis cerebro-
spinalis 137, 149, 151;
Parallelverlauf mit Syphilis cerebrospinalis
151;
Tabes- und Syringomyelie 203;
Difi'erentialdiagnose von Syringomyelie 203;
Thränen bei derselben 608;
Trigeminusparästhesien 608;
Trigeminuslähmung 142;
Trochlearislähmung 158—187, 196;
Verdickung des Ependyms 153.
Taboparalyse: Ptosis bei derselben 134,
146.
Tarsalgeflecht der Lidnerven 6.
Tarsitis luetica: 309.
Temperatursinn: der Cornea und Gon-
junctiva 7, 30, 31.*
Temporales Nervi: 60, 572.
Temporo-facialis Nervus: 572.
Temporo-sphenoidallappen: Cyste mit
Kompression des Hirnschenkels 367.
Tetanie: Facialisphänomen 622.
Thalamus opticus: Blutungen in denselben
365, 366;
in Beziehung zum Sympathicus 551;
Tumor in demselben 453.
Thomsen'sche Krankheit: v. Gräfe's
Phänomen bei derselben 44.
Thränenfluss: bei Tabes 608.
Thrfinenflflssigkeit: Brecbungsiiidcz 90;
Verhalten beim Lidschlass 579;
Fortleitang derselben 7.
Thränen pnnkt: Verdoppelung desselben 5.
Thrfinensekretion: 551;
aufgehoben bei orbitaler Lues 313;
bei Facialislähmung 631.
bei hysterischer Anästhesie der Cornea und
Conjunctiva 31;
Mangel derselben in der Agonie 26;
bei tonischem Blepharospasmus 613.
Thränensee: 33.
Thränen träufeln: abhängig von zu kurzem
Oberlid 5.
Thrombose: der Gefässe und Differentinl-
diagnose von Kmbolie 379;
der Gehirnarterien 374;
der Arteria basilaris 474;
der Arteria cerebellaris inf. 474;
Ptosis dabei 374.
Tic convulsif: 600.
Tr actus opticus: bei Syphilis 309, 355.
Trauma: Abducenslähmupg 68;
kortikale Ptosis nach demselben 437;
direktes auf den Levator und seinen orbi-
talen Ast 406, 407;
Facialislähmung dabei 68;
Ptosis nach demselben 406;
Trigeminuslähmung 68.
Traumatische Nuclearlähmung: 431.
435.
Trauma[tische Spätapoplexie: 436.
Tremor der Lider: 625.
Trichiasis: 5.
Trigeminus: 498;
angeborene Bildungsfehler 86, 593;
Fehlen des Thränenastes 86;
bei Blepharospasmus 601, 612, 614;
bei Bulbärkern- und Vorderhornerkrankoog
205, 206;
Beziehung zum Conjunctivalreflex 30:
Beziehung zum Facialis 567, 645;
Kompression desselben 616;
bei Homhautanästhesie 367;
bei Keratitis neuroparalytica 19;
beim Lidschlag 26;
beim Lidreflex 29, 30;
bei Nuclearlähmungen 355;
Beziehungen zum Oculomotorius 60, 142.
485/
Orbiculariskrampf 615, 622;
bei Poliencephalomyelitis 299;
Alphabetisches Sach-Register.
Trige minus: bei Ponserkrankung 645;
bei Syphilis 144, 308, 309, 312, 314, 315,
317, 318, 319;
skrophulösen Augenkrankheiten 618;
bei Tabes 608, 641;
basaler Verlauf der Fasern 316;
Verhalten zum Blinzelreflex 582;
Verletzung mit Blepharospasmus 615;
Wurzeldegeneratton 210;
absteigende Wurzel 63;
Ursprung der Fasern für den Blinzelreflex
583;
Trigeminuskern: hIs Ursprung derLevator-
fasern 62.
Trigeminuslähmung: 68;
bei Influenza 251, 253;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
498;
bei Schädelbasisfraktur 423, 630;
bei Syphilis 308, 312, 313, 329, 355;
bei Tabes 142;
nach Trauma 43;
bei Tumoren 442. 443, 446, 447, 452;
Verminderung der Zahl der Lidschläge 32
T rigeminusreizung:; mit Athmungsstill-
stand 36;
Herpes mit Blepharospasmus 615;
Levatorkrampf 68;
Ptosis spastica 482.
Trochlearis: 498;
basaler Verlauf 316;
Kompression desselben 505, 616;
Kernatrophie 199;
Hämorrhagie 107;
bei postdiphth. Aogenmuskellähmung 237;
im Sinus cavernosus {3 16, 317, 318;]
■ bei Syphilis 308, 314;
Trochlearislähmung: 77, 512;|
bei Abscess im Scheitellappen 385;
durch basale Blutung 427;
bei Bulbärafifektion 211;
bei Insolation 505;
bei multipler Sklerose 194, 196;
bei recidivirender Oculomotoriuslähmung
498;
bei chron. Ophthalmoplegie 126;
bei Ophthalmoplegie nach Lues 143;
bei Polyneuritis 458, 459 ;J
bei progressiver Paralyse 191, 193, 196;
bei Schädeltrauma 427;
bei Syphilis 57, 158-187, 196, 308;
bei Tabes 196.
Trophoneurosen: an den Lidern: 16.
Tnberculum nervi Facialis: 567.
Tumoren: der Basis 442;
der Cervikalgegend mi t Sympathicusaffektion
558;
im Cerebrum 455;
im Oculomotoriusstamm 504;
in der Medulla 218;
• in der Orbita 534;
im Pens 218;
des Gehirns mit Ptosis 440;
in den Vierhügeln 218.
Typhus: Abducenslähmung 258;
Neuritis des Oculomotorius 257;
Ptosis 257;
. Pupillenlähmung 257.
U.
Unterlid: isolirter Beweglichkeitsdefekt an-
geboren 590;
bei Facialislähmung 5;
Wirkung auf den Bulbus beim Blick nach
oben 53.
Urticaria: an den Lidern 14.
V.
Vaguscentrum: beim v. Gräfe'schen Phä-
nomen 44.
Vaguskernerkrankung: 606.
Vasomotorische Centren: Bezüglich des
y. Gräfe*schen Phänomens 44.
Vasomotorische Störungen: an den
Lidern 13.
Vena facialis anterior: 572.
Vena ophthalmica: 311, 812, 418, 419,
420.
Vena ophthalmica snperior: 317.
VenOse Anastomosen: intra und extra-
kranielle 402,
Ventriculus quartus: bei Schädeltraumen
432, 486.
Ventriculus tertius: Blutung in denselben
369, 370;
bei Scbädeltraumen 438, 486.
Verdrehen der Angen: beim Schlaf 58.
Vergiftungen: Augenmuskellähmnngen da-
bei 290.
Vertigo paralysant: 261.
Vertigo ptosique: 261.
696
Alphabetisches Sach- Register.
Vierhügel: Arterien 360;
Aneurysma der V. Gegend 865;
Tumoren 450.
Wurzelneuritis: multiple bei basiler
Lues 320.
W.
Wangenlidfurche: 1.
Westphal-Edinger'8cheKerngruppe89«
Z.
Zangengeburt: Aagenmuskel - LähmuugeA
darnach 84.
; Zy gomatico-malares Nervi: 57*2.